Interview mit Andreas Westerfellhaus, Präsident des Deutschen Pflegerates e.V. „Die generalistische Pflegeausbildung ist ein Meilenstein für die Pflegeberufe“ Das Pflegeberufsgesetz ist kürzlich durchs Kabinett gegangen, die Ausbildungen für Kranken- Kinder- oder Altenpflege werden zusammengelegt - war das ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung? Westerfellhaus: „Die Entscheidung des Bundeskabinetts für eine generalistische Pflegeausbildung mit Schwerpunktbildung ist ein Meilenstein für die Weiterentwicklung der Pflegeberufe in Deutschland. Die neue Pflegeausbildung wird eine der wichtigsten Antworten auf den demographischen und epidemiologischen Wandel sein. Die Anzahl der Pflegebedürftigen, die eine medizinisch orientierte Versorgung benötigen, nimmt in der ambulanten und stationären Altenpflege zu. Gleichzeitig werden immer mehr alte und hochbetagte Patientinnen und Patienten mit mehreren Erkrankungen und zunehmenden Alterserkrankungen wie Demenz in Krankenhäusern versorgt. Das macht veränderte Kompetenzprofile erforderlich, die ausgebildet werden müssen. Die richtige Antwort auf diese Herausforderungen ist die generalistische Pflegeausbildung. Pflege basiert auf Kompetenzen, die übergreifend gelten. Bislang hat sich die Pflegeausbildung an den zu versorgenden Altersgruppen – Kinder, Erwachsene, alte Menschen – und an den Institutionen der Versorgung – Krankenhaus, Altenheim – orientiert. Mit Hilfe der generalistischen Pflegeausbildung wird es nun erstmals gelingen, die erforderlichen pflegerischen Kompetenzen für pflegebedürftige und kranke Menschen jeden Alters in den Mittelpunkt zu stellen. Die Stärken und Besonderheiten der drei bisherigen Pflegefachberufe "Altenpflege", "Gesundheits- und Krankenpflege" und "Gesundheits- und Kinderkrankenpflege" werden im Sinne von Kompetenzen zu einem neuen Pflegeberuf mit einem einheitlichen Berufsabschluss zusammengefasst. Das ist etwas anderes und mehr als die Aneinanderreihung von Pflegetätigkeiten. Dadurch wird die Qualität der Pflege gesteigert. Die neue Pflegeausbildung wird zu besseren Karrierechancen für Pflegefachpersonen führen, die Attraktivität des Berufsbildes Pflege steigern und den Verbleib im Beruf fördern. Mehr Menschen werden sich aufgrund der neuen Pflegeausbildung für den Pflegeberuf entscheiden. Damit wird die neue Pflegeausbildung zu einem wesentlichen Baustein der Sicherung der pflegerischen Versorgung in Deutschland. Durch die reformierte Ausbildung haben die zukünftigen Pflegefachpersonen auch mehr Möglichkeiten, innerhalb des Berufsfeldes zu wechseln. 1 Was sind die Trends für die Zukunft im Pflegebereich, werden die Pflegerinnen und Pfleger irgendwann von Robotern ersetzt? Westerfellhaus: Pflegerische Tätigkeit ist geprägt von einer direkten professionellen Interaktion von Mensch zu Mensch. Als Grundlage benötigt diese Tätigkeit hoch komplexes Wissen, die Fähigkeit zur Beobachtung, Reflektion des eigenen Handelns, Überprüfung der Wirksamkeit pflegerischen Handelns und die Fähigkeit zur Kommunikation. Also auf den Punkt gebracht: Menschen pflegen Menschen! Unterstützung durch andere Medien wie z. Bsp. die gesamte Bandbreite der Telematik kann und darf nur als ergänzende Maßnahme eingesetzt werden und keinesfalls menschlich notwendige Beziehung ersetzen. Die Frage nach einer Unterstützung durch Roboter wie z. Bsp. in der Körperpflege sollte jeder Mensch in dieser Gesellschaft am besten aus seiner Perspektive beantworten: Möchte ich während einer Einschränkungsphase meines gesundheitlichen Wohlbefindens morgens von einer Maschine die Körperpflege durchgeführt wissen – oder von einem Menschen, der sich auf meine Bedürfnisse flexibel einstellen kann? Was muss passieren, damit uns 2030 kein Pflegenotstand droht? Westerfellhaus: Wir wissen, dass wir uns längst in einem Zustand eines eklatanten Fachkräftemangels befinden – und zwar in allen Sektoren. Und dieser Zustand wird sich zwangsläufig verstärken, wenn wir die demographische Entwicklung der Gesellschaft, der Berufsgruppe selber und die des medizinischen Fortschritts betrachten. Kurzum egal ob 2020, 2025 oder 2030: die Situation ist mehr als brisant! Und wir haben kein Erkenntnisdefizit, sondern ein Handlungsdefizit! Wenn man nun nach Handlungsmöglichkeiten sucht, empfiehlt es sich die Ursachen zu identifizieren und an diesen orientiert Lösungskonzepte zu entwickeln. Und hier gibt es nicht die eine Lösung, sondern hier bedarf es komplexer Lösungskonzepte die wie folgt aussehen könnten: • Stichwort Ausbildung: Die Möglichkeit der Weiterbildung und Studiumsmöglichkeit. Die Ausbildung muss in ihrem Angebot unter viel attraktiveren Rahmenbedingungen stattfinden. Das betrifft die Anzahl und Qualifikation der Lehrenden, Einsatz neuer Medien sowie Lehr- und Lernmethoden in der Theorie und qualifizierte Lernangebote in der Praxis durch geschulte frei gestellte Praxispädagogen. • Bessere Personalbesetzung in allen Sektoren, weg von der Minutenpflege, mehr Zeit für die pflegerische Arbeit am Patienten • Eigenverantwortliche Durchführung pflegerischen Handelns. Pflege ist ein autonomer Heilberuf und darf nicht länger zum reinen Assistenzberuf degradiert werden. Das Zusammenwirken mit anderen Berufsgruppen ist partnerschaftlich und wertschätzend zu gestalten. 2 • Die tarifliche Entlohnung der Pflegenden muss in allen Sektoren erheblich verbessert werden. Jede berufliche Weiterentwicklung muss zwingend eine Verbesserung des Einkommens nach sich ziehen. • Professionelle Pflege ist bei Gesetzgebungen auf der Länder- und Bundesebene bei Entscheidungen der Gesundheitspolitik verpflichtend zu beteiligen. Hierzu bedarf es einer flächendeckender Errichtung von Pflegekammern in den Ländern (wie bereits Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein) Vom 10.-12. März 2016 findet der Deutsche Pflegetag in Berlin statt, der vom Deutschen Pflegerat ins Leben gerufen wurde. Warum sollten Akteure in der Pflegebranche dort hinkommen? Westerfellhaus: Der Deutsche Pflegetag hat den Anspruch die zentrale Veranstaltung zur Thematik „Pflege“ und für die Pflegenden selber zu sein – und dieses im Zusammenspiel mit Partnern aus unterschiedlichsten Sektoren. Die zukünftige pflegerische Versorgung der Menschen in Deutschland ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – das soll auch durch diese Partnerschaften zum Ausdruck kommen – aus der Gesellschaft für die Gesellschaft – gemeinsam mit der Profession der Pflegenden. Der Deutsche Pflegetag will öffentlich wahrnehmbare Botschaften formulieren, politische und öffentliche Handlungsprozesse initiieren und die Berufsgruppe der Pflegenden solidarisieren. Der Deutsche Pflegetag will den Handlungswillen und die Handlungsfähigkeit der Pflegenden unter Beweis stellen, er will die Berufsgruppe zur Mitgestaltung auffordern und begeistern und er will, dass Pflegepolitik mit Unterstützung dieser Gesellschaft den gleichen Stellenwert wie Energie- und Umweltpolitik für die Menschen in Deutschland erhält. Weitere Informationen zum Deutschen Pflegetag, Anmeldung und Details zum diesjährigen Programm unter www.deutscher-pflegetag.de Facebook: facebook.com/Deutscher-Pflegetag Twitter: #pflegetag Pressekontakt Pressebüro Deutscher Pflegetag c/o neues handeln GmbH Luisenstr. 46, 10117 Berlin Elisa Minossi Telefon: 030/288 83 78 20 Telefax: 030/288 83 78 28 E-Mail: [email protected] 3 Über den Deutschen Pflegetag Der Deutsche Pflegetag ist eine Veranstaltung des Deutschen Pflegerats e.V. und gilt als die zentrale Veranstaltung für Pflege in Deutschland. Hier gestalten Experten und Entscheider aus Politik, Wirtschaft, Pflege und Gesellschaft die Zukunft der Pflege. Über den Deutschen Pflegerat Der Deutsche Pflegerat e.V. ist seit 1998 Dachverband der bedeutendsten Berufsverbände des deutschen Pflege- und Hebammenwesens. Er vertritt die Interessen der insgesamt 1,2 Millionen Beschäftigten in der Pflege. Der Einsatz für eine nachhaltige, qualitätsorientierte Versorgung der Bevölkerung ist oberstes Anliegen des Deutschen Pflegerats. Über die Schlütersche Die Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG ist ausführender Veranstalter des Deutschen Pflegetags. Das Themenfeld Gesundheit und Pflege gehört zu den Kernkompetenzen der Schlüterschen: Ihr Portfolio umfasst das Service-Portal pflege.de, das digitale Pflegemagazin Lebenlang und zahlreiche Fachbücher. 4