bewegt – nachhaltig – natürlich – zielorientiert Erlebnisorientierte Trainingsmethoden (Erlebnispädagogik) „Das Erlebnis kann man nicht rational vermitteln, es muss emotional erfahren werden. Man kann es nicht lehren, man muss es bisweilen inszenieren.“ (Kurt Hahn) „Erlebnispädagogik ist eine handlungsorientierte Methode und will durch exemplarische Lernprozesse, in denen (…) Menschen vor physische, psychische und soziale Herausforderungen gestellt werden, diese in ihrer Persönlichkeitsentwicklung fördern und sie dazu befähigen, ihre Lebenswelt verantwortlich zu gestalten.“ (Heckmair und Michl in: Reiners 2007, 13) Pädagogik im Allgemeinen und Erlebnispädagogik im Speziellen hat den Auftrag und das Ziel, den Menschen „fit“ für das Leben zu machen. Das Besondere an der Erlebnispädagogik ist, dass sie sich das „Erlebnis“ zunutze macht: lernen vollzieht sich dabei in einem Prozess, der mit dem aktiven Erleben beginnt und unterscheidet sich damit vom theoretischen oder dedukiven Lernen. Je mehr Sinne durch das Erlebnis angesprochen werden, desto intensiver und nachhaltiger gestaltet sich das Erlebnis bei den Teilnehmern. Damit ist aber gleichzeitig auch schon eine Schwierigkeit der Erlebnispädagogik benannt: Sowohl die Erlebnisqualität als auch deren Bewertung sind von Mensch zu Mensch verschieden. Je nach persönlichen Vorerfahrungen und Veranlagungen, sind sowohl die Wahrnehmungen als auch die Verarbeitung des Erlebnisses völlig unterschiedlich. Es ist deshalb kaum möglich vorher zu sagen, welches Erlebnis vom Einzelnen zu einer bleiben Erfahrung verarbeitet werden kann. Das heißt, dass sich Erlebnisse schlecht operationalisieren lassen: Demnach ist eine genaue Vorhersage der Wirkung von Erlebnispädagogik schwierig. Auf der anderen Seite ist es aber gerade dieser Unterschied im Erleben, der uns Menschen in Kommunikation treten läßt und von dem wir alle profitieren können. (vgl. Senninger 2000, 8) Ziele der Erlebnispädagogik sind (vgl. Senninger 2000, 16): Persönlichkeitsentwicklung Erlebnispädagogik fördert die Selbstwahrnehmung und Reflexionsfähigkeit des einzelnen Menschen durch Offenlegung persönlicher Grenzen, Klärung von Zielen und Bedürfnisse, Definition von Rolle und Verantwortung in der Gemeinschaft und gemeinsamen Spaß. Am Ende sollten eine besseres Selbstverständnis und höheres Selbstbewusstsein stehen. Durch Selbsterfahrung und Selbstbeurteilung anhand der selbst gestellten Ziele lernen die Teilnehmer etwas aber sich selbst und über das eigene Verhalten im Gruppenprozess. Selbstwert entsteht, wenn die Teilnehmer etwas schaffen, was sie sich vorher nicht unbedingt zugetraut hatten. Erlebnisorientierte Trainingsmethoden © Dr. Andrea Cerny, 2016 Seite 1 bewegt – nachhaltig – natürlich – zielorientiert Soziale Kompetenz Erlebnispädagogik steigert kommunikative Kompetenzen und Fertigkeiten durch konstruktives Feedback, gemeinsame Arbeitsvereinbarungen und Empathie. Erlebnis ist ein größeres Wissen über Zusammenarbeit und Kommunikation in Gruppen und ein gesteigertes Bewusstsein auch für andere. Als Menschen sind wir auf soziale Kontakte angewiesen. Unsere Identität erwächst aus dem steten Vergleich von Fremd- und Selbstbild. Anerkennung und Wertschätzung sind demnach elementare Bedürfnisse und werden in Abenteuerprojekten bewußt unterstützt. Lernbereitschaft Erlebnispädagogik fördert die individuelle Zielfindung der Teilnehmer und ermöglicht sich zu riskieren, Herausforderungen als Motivatoren zur Selbstverwirklichung und Wachstum zu erkennen und eigene in unbekannte Situationen zu erforschen. Werthaltungen Erlebnispädagogik regt zur Bildung grundlegender Haltungen und Einstellungen durch gemeinsame Zieldefinitionen und Entwicklung von Verhaltensnormen in der Gruppe an. Damit wird die Entwicklung persönlicher Werteinstellungen durch die Vereinbarung gemeinsamer Normen und Umgangsweisen gefördert. Problemlösungsfähigkeit Erlebnispädagogik unterstützt durch eine Vielzahl von Interaktionsübungen und Aufgaben den Paradigmenwandel weg von Problemorientierung hin zur Lösungsorientierung: Durch das Erproben verschiedener Problemlösungsstrategien und Reflexion des eigenen Handelns entsteht als Ergebnis eine größere Entscheidungsfreude. Vertrauen ist der Schlüssel der Sicherheit, der die Tür zur Experimentierfreude und Risikobereitschaft öffnet. Vertrauen erlaubt etwas mit anderen Menschen zu teilen, ohne die Angst davor zu haben, ausgelacht oder ignoriert zu werden. Und Vertrauen ist die Basis dafür Herausforderungen zu wagen; immer in dem Bewusstsein, dass andere helfen und unterstützen. Eine Atmosphäre der gegenseitigen Unterstützung und Anerkennung trägt wesentlich dazu bei, dass man sich angenommen, akzeptiert und geliebt fühlt. Lob und Wertschätzung auszusprechen ist allerdings in einer Leistungsgesellschaft wie unsere eher in Vergessenheit geraten. Lob und Anerkennung zu geben und anzunehmen ist ein Schwerpunkt aller erlebnisorientierten Projekte. Kommunikationsfähigkeit In jeder Gruppe herrschen ausgesprochen oder unausgesprochen Umgangsregeln. Die Erlebnispädagogik plädiert hier für einen möglichst klaren Umgang miteinander und bespricht regelmäßig die Grundlagen für die Zusammenarbeit: Der gemeinsame Arbeitskontrakt schafft die Basis für die Kommunikation der Teilnehmer untereinander. Erlebnisorientierte Trainingsmethoden © Dr. Andrea Cerny, 2016 Seite 2 bewegt – nachhaltig – natürlich – zielorientiert Kooperationsfähigkeit heißt den Einzelnen in der Gruppe fördern: dabei wird Teamkultur entwickelt und gepflegt. Vordringliche Haltung ist „win/win“: Wenn alle gewinnen, fühlt sich niemand ausgegrenzt. Das Gewicht liegt mehr auf der gegenseitigen Unterstützung, um das gemeinsame Gruppenziel zu erreichen. Damit machen alle Teilnehmer die Erfahrung, am Erfolg der Gruppe beteiligt zu sein. In einem funktionierenden Team ist Synergie erlebbar. Die Mitglieder wissen, dass sie sich gegenseitig brauchen, um ein gewünschtes Erlebnis zu erzielen: „Alle ziehen an einem Strang.“ Spaß ist nicht nur wichtig, sondern ein wesentlicher Bestandteil der Erlebnispädagogik. Mit Spaß sind Menschen stärker motiviert, ihre Aufmerksamkeit ist höher und ihr Energiepotenzial größer. Humor und Spaß sind ansteckend! Spaß vermittelt sofort ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und Kameradschaft und das ist wesentlich für einen guten Gruppenprozess. Wenn der Spaß verschwindet, dann verschwinden oft als Nächstes auch Energie und Begeisterung. Spaß miteinander zu haben, muss gelernt sein. Denn auch hier gilt: Spaß auf Kosten anderer ist destruktiv, er zerstört Vertrauen und damit die Bereitschaft sich ehrlich und offen zu begegnen! Jede Art des gemeinsamen geteilten Vergnügens ist deshalb Bestandteil der Betrachtung in der Reflexion. Im Sinne des systemtheoretischen Denkens, der das Individuum als autopoietisches System, dass lediglich pertubiert und somit zum Lernen aus sich selbst angeregt werden kann, kommen diese Versprechungen jedoch nur zum Tragen, wenn das teilnehmende Individuum diese Ziele auch selber verfolgen will. Deswegen geht es auf der methodischen Ebene der Erlebnispädagogik auch vielmehr darum, für Lernende und Lehrende Gelegenheiten zu schaffen, in denen die eigenen Werte erfahrbar und überprüfbar werden, als sich auf den oben genannten wohlklingenden Allgemeinplätzen zu tummeln. Erlebnispädagogische Maßnahmen sind, kurz gesprochen, dadurch gekennzeichnet, dass der Einzelne mit sich und / oder in der Gruppe intensive Erlebnisse erfährt, die den Kern seiner Persönlichkeit treffen und mit denen er sich zuerst handelnd und dann reflexiv auseinandersetzt. Wichtig für den Transfer, sprich für die Überleitung des Gelernten in den Alltag, sind folgende Faktoren: Die Erfahrung sollte im Gruppenverband der Erfahrung der Risikosituation zumindest gleichgestellt sein; Die Gruppe sollte sich nach der Aktivität treffen und sich über die in ihrem Alltag gemachten Erfahrungen austauchen können; Es sollte eine reflexive Vertiefung der Erfahrung stattfinden; Die Kursaktivität sollte eine hohe Strukturähnlichkeit zur Alltags-/Berufssituation aufweisen, so daß ein unbewusster Transfer bereits in der Aktion erfolgt. Der Prozess: Erleben -> Reflektieren -> Lösungsidee -> Umsetzung der Lösung -> Transfer in den Alltag wird im Laufe eines Seminars mehrmals durchlebt und gewährleistet eine nachhaltige Veränderung des Verhaltens von Einzelpersonen und Gruppen. Erlebnisorientierte Trainingsmethoden © Dr. Andrea Cerny, 2016 Seite 3 bewegt – nachhaltig – natürlich – zielorientiert Zusammenfassend können folgende Besonderheiten erlebnisorientierter Trainingsmethoden bzw. allgemein der Erlebnispädagogik, genannt werden: Erlebnispädagogik fördert die Persönlichkeitsentwicklung; steigert die soziale Kompetenz, das soziale Miteinander; unterstützt die Orientierung hin zur Lösung (und somit weg vom Problem); schafft Vertrauen in sich selbst (Selbstwertgefühl) und gegenüber anderen; entwickelt die Teamkultur; bringt die Menschen zum lachen, was sie Aufmerksamkeit und Motivation erhöht. Erlebnisorientierte Methoden wollen weniger ‚lehren‘. Die teilnehmenden Individuen sollen mehr dazu angeregt werden, eigene Werte erfahrbar zu machen und selbständig über sich selbst zu lernen. Erlebnisorientierte Methoden erfüllen ihre Ziele daher nur dann, wenn die Teilnehmer dazu bereit sind, zu erleben und zu lernen. Damit ein Transfer stattfinden kann ist es wichtig, dass die Methoden an die Alltags-/Berufssituation der Teilnehmenden angepaßt sind und dass nach jeder Aktivität eine reflexive Vertiefung des Erlebten stattfindet. Erlebnisorientierte Trainingsmethoden © Dr. Andrea Cerny, 2016 Seite 4