Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Eichtheorien und das Standardmodell der Elementarteilchenphysik Mark Hamilton 21. Juli 2014 1 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Inhaltsverzeichnis 1 Das Standardmodell 2 Eichtheorien – geometrisch und physikalisch 3 Beispiele 2 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Das Standardmodell Das Standardmodell ist die erfolgreichste Theorie der Elementarteilchenphysik. Die Vorhersagen wurden in zahlreichen Experimenten an Teilchenbeschleunigern bestätigt. Es beschreibt alle bekannten elementaren Wechselwirkungen zwischen Elementarteilchen, bis auf die Gravitation. Die mathematische Grundlage des Standardmodells ist eine Eichtheorie, die auf der Symmetriegruppe U(1) × SU(2) × SU(3) basiert. Die Teilchen des Standardmodells bestehen aus drei Generationen von Fermionen (Elektron, Neutrino, Quarks, etc.), den Eichbosonen (Photon, Gluonen, etc.), welche die Wechselwirkung unter den Fermionen vermitteln und dem Higgs-Boson, das ein Teil des Higgs-Feldes ist, welches den Fermionen und einigen der Eichbosonen eine Masse verleiht. 3 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Die Teilchen des Standardmodells Abbildung: Die Elementarteilchen des Standardmodells (aus: en.wikipedia.org) 4 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Geschichte 1940er Jahre: Entwicklung der Quantenelektrodynamik. 1954: Yang und Mills entwickeln nicht-abelsche Eichtheorie. 1956: Lee, Wu und Yang entdecken Chiralität der schwachen Wechselwirkung. 1961: Glashow vereinigt elektromagnetische und schwache Wechselwirkung. 1964: Gell-Mann und Zweig postulieren Existenz von Quarks. 1964: Higgs und andere entwickeln den Higgs-Mechanismus. 1967: Salam und Weinberg kombinieren Glashows Modell mit dem Higgs-Mechanismus. 1972: t’Hooft und Veltman beweisen Renormierbarkeit der elektroschwachen Wechselwirkung. 1973-74: Entwicklung der Quantenchromodynamik. Mehrere Nobelpreise für Entwicklung des Standardmodells (unter anderem 1979 für Glashow, Salam und Weinberg, 1999 für t’Hooft und Veltman sowie 2013 für Higgs und Englert). 5 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Eichtheorien als Feldtheorien Eichtheorien sind Feldtheorien, die zwei Arten von Symmetrien haben: Lorentzinvarianz Eichinvarianz Wir werden im Folgenden zwei Modelle für Eichtheorien beschreiben: Geometrisches Modell, in dem die Symmetrien implizit sind Physikalisches Modell, in dem die Symmetrien explizit sind. Außerdem beschreiben wir den Übergang vom geometrischen zum physikalischen Modell. Wir werden nur die klassische Feldtheorie beschreiben, insbesondere die Lagrangedichte. In der Physik wird die Feldtheorie quantisiert (Quantenfeldtheorie), wobei von der Lagrangedichte ausgehend die Feynman-Regeln abgeleitet werden. Die Elementarteilchen entsprechen Quanten, d.h. minimalen Anregungen der Felder. 6 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Bündel Eichtheorien werden geometrisch in der Sprache der Bündel über Mannigfaltigkeiten formuliert, insbesondere mit Prinzipalbündeln und Vektorbündeln (Spinorbündel, assoziierte Bündel). Es gilt dabei folgende fundamentale Tatsache: Bemerkung Alle Bündel über M = R4 sind trivial, d.h. ein Produkt M × Σ aus der Basis M und der Faser Σ, da R4 zusammenziehbar ist. Sie sind aber nicht kanonisch trivial. Mit anderen Worten: Es gibt Trivialisierungen, aber im allgemeinen ist keine von ihnen ausgezeichnet. Damit ähneln Bündel anderen mathematischen Objekten. Zum Beispiel hat jeder Vektorraum eine Basis, aber im allgemeinen keine ausgezeichnete. In der Physik wählt man in der Formulierung oft Trivialisierungen und die (geometrische) Unabhängigkeit von der Wahl einer solchen zeigt sich dann in Invarianzen und Symmetrien. 7 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Das geometrische Modell Das geometrische Modell einer Eichtheorie besteht aus folgenden Daten: 1 Die Raumzeit (M, η), eine differenzierbare Mannigfaltigkeit mit einer Metrik der Signatur (+, −, . . . , −), und das Spinorbündel S über M. 2 Die Eichgruppe G, eine kompakte, halbeinfache Liegruppe. 3 Das Eichbündel P → M, ein G-Prinzipalbündel. 4 Eine unitäre Darstellung G × V → V auf einem komplexen Vektorraum V . 5 Das assoziierte Bündel E = P ×G V . 6 Das Fermionenbündel oder Multiplettbündel F = S ⊗ E . 7 Das Eichbosonenfeld, ein Zusammenhang A auf dem Prinzipalbündel P mit Krümmung FA . 8 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Spinorbündel Das Spinorbündel ist ein gewisses komplexes Vektorbündel über der Mannigfaltigkeit M (es existiert, falls M spin ist). Auf dem Spinorbündel existiert eine Clifford-Multiplikation TM × S → S, (v , ψ) 7→ v · ψ, so dass v · (v · ψ) = −2η(v , v )ψ. Ist (M, η) = dann ist S ∼ = M × C4 nach Wahl eines Inertialsystems. In diesem Fall ist die Clifford-Multiplikation mit einem Basisvektor eµ in einem Inertialsystem gegeben durch Multiplikation eines Spinors in C4 mit iγµ , wobei γµ gewisse 4 × 4-Dirac-Matrizen sind, die (R4 , ηMink ), {γµ , γν } = γµ γν + γν γµ = 2ηµν Id erfüllen. 9 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Prinzipalbündel Ein G-Prinzipalbündel ist eine Mannigfaltigkeit P mit einer Projektion π : P → M und einer Wirkung P × G → P, so dass gilt: 1 2 Jede Faser von P ist diffeomorph zu G und die Wirkung von G erhält die Fasern und ist auf ihnen einfach transitiv. P ist über kleinen offenen Mengen U in M von der Form U × G. Mit anderen Worten, P ist lokal trivial. Ist (M, η) = (R4 , ηMink ), dann ist P global trivial. In diesem Fall gilt P ∼ = M × G, zusammen mit der Standardwirkung von G. Es ist wichtig, dass diese Trivialisierung nicht kanonisch ist: Eine Trivialisierung ist gegeben durch einen globalen Schnitt s : M → P. Jedes Element von P erhält man dann durch s(x ) · g, für x ∈ M. 10 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Eichung Definition (Eichung) Wir nennen einen globalen Schnitt s des Prinzipalbündels P eine Eichung. Jede Eichung definiert eine Trivialisierung von P. Der Begriff der Eichung ist von zentraler Bedeutung in der Eichtheorie (Standardbegriff?). Er spielt dieselbe Rolle wie der Begriff des Inertialsystems für die Relativitätstheorie. In beiden Fällen gibt es eine Mannigfaltigkeit, die in gewissem Sinne trivial ist, für die es aber keine bevorzugte Trivialisierung gibt. Der Wechsel zwischen zwei Trivialisierungen wird durch Lorentz– bzw. Eichtransformationen beschrieben. Die Wahl einer Eichung ist die Wahl eines Koordinatensystems. Eichinvarianz wird später bedeuten: Unabhängigkeit von der Wahl einer Eichung. 11 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Assoziierte Bündel Sei G × V → V eine Darstellung. Dann operiert G auf P × V von rechts durch (p, v ) · g = (p · g, g −1 · v ). Das assoziierte Bündel ist der Quotient E = (P × V )/G = P ×G V . Es ist ein Vektorbündel über M mit Faser isomorph zu V . Ist (M, η) = (R4 , ηMink ), dann ist E trivial, E ∼ = M × V. Eine Trivialisierung ist nicht kanonisch, sondern durch eine Eichung gegeben: Ist s : M → P eine Eichung, dann entsprechen Schnitte Φ : M → E gerade Abbildungen φ : M → V , durch Φ = [s, φ]. 12 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Fermionenbündel Das Fermionenbündel F ist gegeben durch F = S ⊗ E . Sei (M, η) = (R4 , ηMink ). Wir wählen ein Inertialsystem und eine Eichung s : M → P. Sei r die komplexe Dimension des Darstellungsraumes V . Dann ist ein Schnitt Ψ in F gegeben durch ψ1 .. Ψ = . , ψr wobei jede Komponente ψi : M → C4 ein Spinor ist. Ein Fermion, d.h. ein Schnitt in F , wird also durch einen Vektor beschrieben, der r Komponenten hat, von denen jede ein Spinor ist (Multiplett). Die Darstellung von G ”mischt” diese Komponenten. 13 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Zusammenhang und Krümmung I Ein Zusammenhang A auf dem Prinzipalbündel P ist eine gewisse invariante 1-Form auf P mit Werten in der Liealgebra g. Die Krümmung von A ist definiert durch 1 FA = dA + [A, A]. 2 Hier ist der Kommutator in g zu nehmen. Die Krümmung FA ist eine 2-Form auf P mit Werten in g. Man kann die Krümmung als 2-Form auf der Basis M mit Werten in dem assoziierten Bündel Ad(P) = P ×G g, das durch die adjungierte Wirkung definiert wird, auffassen. Die Differenz zweier Zusammenhänge ist eine 1-Form auf M mit Werten in diesem Bündel. Man sagt deshalb, dass Eichbosonen in der adjungierten Darstellung der Eichgruppe G transformieren. 14 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Zusammenhang und Krümmung II Sei (M, η) = (R4 , ηMink ) und s : M → P eine Eichung. Dann definiert das Differential von s die folgenden Formen auf M mit Werten in der Liealgebra g: A = A ◦ ds F A = F(ds(·), ds(·)). Mit Aµ = A(eµ ), A Fµν = F A (eµ , eν ) gilt die fundamentale Gleichung Krümmung A = ∂ A − ∂ A + [A , A ]. Fµν µ ν ν µ µ ν 15 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Kovariante Ableitung Jeder Zusammenhang A auf P definiert eine kovariante Ableitung ∇A auf dem assoziierten Bündel E : Sei (M, η) = (R4 , ηMink ) und s : M → P eine Eichung. Dann wird jeder Schnitt Φ in E durch eine Abbildung φ : M → V beschrieben, so dass Φ = [s, φ]. In einem Inertialsystem ist die entsprechende kovariante Ableitung Kovariante Ableitung ∇A µ φ = ∂µ φ + Aµ φ. Auf der rechten Seite wirkt die g-wertige Funktion Aµ auf der V -wertigen Funktion φ durch die Darstellung der Gruppe G. 16 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Eichfelder Sei n die Dimension von G. Wählt man eine Basis T a von g, mit a = 1, . . . , n, dann kann man schreiben Aµ = Aaµ T a (Einstein Summenkonvention). Der Zusammenhang Aµ entspricht dadurch über die Lorentzmetrik n Vektorfeldern A1µ , A2µ , . . . , Anµ auf M. Diese Vektorfelder beschreiben die Eichbosonen. Es gibt also genau dim(G)-viele Eichbosonen in der Eichtheorie. Die analoge kovariante Ableitung auf F = S ⊗ E beschreibt die Kopplung der Eichbosonen an die Fermionen (Fermionen wechselwirken mit dem Eichfeld und dadurch indirekt miteinander, Emission/Absorption von Eichbosonen). Der Term [Aµ , Aν ] beschreibt die Wechselwirkung der Eichbosonen untereinander in nicht-abelschen Eichtheorien. 17 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Dirac-Operator Die kovariante Ableitung ∇A auf E definiert mit dem Spinorzusammenhang ∇S auf dem Spinorbündel S eine kovariante Ableitung ∇F auf dem Fermionenbündel F = S ⊗ E . Diese definiert mit der Clifford-Multiplikation einen getwisteten Dirac-Operator D A : C ∞ (S ⊗ E ) −→ C ∞ (S ⊗ E ). Wir brauchen nur die Formel für (M, η) = (R4 , ηMink ): Sei s : M → P eine Eichung. Dann gilt in einem Inertialsystem Dirac-Operator ψ1 .. für Ψ = . . ψr µ D A Ψ = iγ µ ∇A µ Ψ = iγ (∂µ + Aµ )Ψ, Die Dirac-Matrizen γµ wirken hier auf jeder 4-Spinor Komponente ψi , die Eichfelder Aµ auf den r Komponenten von Ψ. 18 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Lagrangedichte I Wir können jetzt die Lagrangedichte L der Eichtheorie aufstellen. Die Lagrangedichte ist eine reellwertige Funktion auf M. Sie ist gegeben durch L = LFermion + LYM mit LFermion = hΨ, (D A − m)Ψi c LYM = 2 FA · FA . 4g Hier ist h· , ·i ein hermitesches Skalarprodukt auf F = S ⊗ E , m die Masse des Fermions, c eine von der Gruppe G abhängige Konstante, g die Kopplungskonstante und · ein Skalarprodukt auf den Ad(P)-wertigen 2-Formen auf M. 19 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Lagrangedichte II Wir können die Lagrangedichte auch für (M, η) = (R4 , ηMink ) formulieren. Wir wählen eine Eichung s : M → P und ein Inertialsystem. Dann gilt LFermion = Ψ̄(iγ µ ∇A µ − m)Ψ 1 1 Aa A LYM = 2 F Aaµν Fµν = 2 tr(F Aµν Fµν ). 4g 2g Hier ist Ψ̄ = Ψ† γ 0 , damit Terme wie Ψ̄Ψ und Ψ̄γ µ ∇A µΨ als Skalar transformieren. Außerdem wählen wir eine Basis T a der Matrixalgebra g, so dass tr(T a T b ) = 12 δ ab ist. Dann schreiben wir A Aa a Fµν = Fµν T . 20 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Das physikalische Modell Das physikalische Modell ist gerade durch diese zweite Lagrangedichte gegeben. Es soll folgende Symmetrien haben: Definition (Lorentzinvarianz) Die Lagrangedichte ist unabhängig von der Wahl des Inertialsystems. Definition (Eichinvarianz) Die Lagrangedichte ist unabhängig von der Wahl der Eichung. Es ist klar, dass die Lagrangedichte lorentzinvariant ist. Wir müssen nur die Eichinvarianz überprüfen. 21 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Eichinvarianz I Seien s, s 0 : M → P zwei Eichungen. Dann gibt es eine Eichtransformation U : M → G, so dass s = s 0 · U. Ist Φ ein Schnitt in E , dann wird Φ beschrieben durch φ, φ0 : M → V mit Φ = [s, φ] = [s 0 , φ0 ]. Es gilt daher φ0 = U · φ. Der Zusammenhang A wird in den Eichungen durch 1-Formen A, A0 auf M beschrieben mit A = A ◦ ds, A0 = A ◦ ds 0 . Man rechnet nach (für eine Matrixgruppe G): A0µ = U · Aµ · U −1 + U · ∂µ (U −1 ). 22 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Eichinvarianz II Es folgt 0 0 A −1 · φ0 ) ∇A µ φ = U · ∇µ (U 0 A A Fµν = U · Fµν · U −1 . Aus diesen Gleichungen folgt die Eichinvarianz der Lagrangedichten LFermion und LYM (für LFermion geht ein, dass die Darstellung von G auf V unitär ist). Satz Die Lagrangedichte L = LFermion + LYM ist eichinvariant. Das war aus der geometrischen Formulierung implizit klar. 23 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Normierte Eichfelder Oft verwendet man in der Physik die normierten Eichfelder 1 Aµ ig 1 A . = Fµν ig Wµ = W Fµν Dann gilt W Fµν = ∂µ Wν − ∂ν Wµ + ig[Wµ , Wν ] ∇W µ φ = ∂µ φ + igWµ φ i Wµ0 = UWµ U −1 − U∂µ (U −1 ) g 1 W LYM = − tr(F W µν Fµν ). 2 24 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Beispiele In diesem Abschnitt beschreiben wir einige Beispiele für Eichtheorien sowie das Standardmodell der Elementarteilchenphysik. In jedem Beispiel geben wir insbesondere die Liegruppe G und den Vektorraum V an. Die Darstellung von G auf V hängt von gewissen (rationalen) Zahlen ab, die Ladungen heißen. Beispiel (Ladungen) Die Quantenelektrodynamik hat Eichgruppe U(1). Die Ladung Q heißt elektrische Ladung. Die elektroschwache Wechselwirkung hat Eichgruppe U(1)Y × SU(2)L . Die Ladungen heißen schwache Hyperladung Y und schwacher Isospin T3 . Es gilt Q = T3 + Y2 . 25 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele QED Das einfachste Beispiel ist die Quantenelektrodynamik (QED). Es ist G = U(1) (abelsch). Die 1-Form Wµ hat Werte in u(1) ∼ = R, ist also nach Wahl einer Basis von R eine gewöhnliche 1-Form. Das Eichfeld Wµ heißt Photon. Die Krümmung Fµν wird als Feldstärke aufgefaßt. V = C. Daher ist F = S ⊗ E = S, d.h. Fermionen werden durch 4-Komponenten-Spinoren Ψ beschrieben. Es gilt g = e (Elementarladung). Häufig schreibt man Aµ statt Wµ . Es gilt L = LFermion + LYM 1 = Ψ̄(iγ µ ∇µ − m)Ψ − F µν Fµν 4 mit ∇µ = ∂µ + iqAµ (Ladung q) und Fµν = ∂µ Aν − ∂ν Aµ . 26 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele QCD I Das nächste Beispiel ist die Quantenchromodynamik (QCD). Sie beschreibt die starke Wechselwirkung der Quarks. Es ist G = SU(3). Das Eichfeld Wµ hat dim(SU(3)) = 8 Komponenten (Gluonen). Da die Gruppe nicht-abelsch ist, gibt es eine Wechselwirkung der Gluonen untereinander. V = C3 mit der Standarddarstellung. Ein Quark (Schnitt in F = S ⊗ E ) ist von der Form qr gf qf = qf , qfb wobei f = u, d, c, s, t, b eines von sechs Flavours, r , g, b eine der drei Farben (rot, grün, blau) und qfi ein 4-Komponenten-Spinor ist. Die Gruppe SU(3) mischt die Farben. 27 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele QCD II Die Bezeichungen “Farbe” und damit “Quantenchromodynamik” kommen von der Dreiheit der Grundfarben und dass man immer nur weiße Kombinationen in der Natur beobachtet (color confinement). Man schreibt häufig Gµ statt Wµ . Es gilt L = LFermion + LYM = X f 1 q¯f (iγ µ ∇µ − mf )qf − tr(F µν Fµν ) 2 mit ∇µ = ∂µ + igGµ Fµν = ∂µ Gν − ∂ν Gµ + ig[Gµ , Gν ]. Die Emission eines Gluons kann die Farbe eines Quarks ändern, anders als die Emission eines Photons die elektrische Ladung. 28 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Chiralität Jeder 4-Komponenten-Spinor Ψ (Dirac-Spinor) über einer 4-Mannigfaltigkeit M mit einer Lorentzmetrik zerfällt in die direkte Summe von zwei 2-Komponenten-Spinoren (Weyl-Spinoren) ΨR und ΨL , ! ΨR , Ψ= ΨL die Eigenvektoren unter dem Chiralitätsoperator γ 5 = iγ 0 γ 1 γ 2 γ 3 (Orientierung) zu den Eigenwerten ±1 sind (rechts- und linkshändige Spinoren). In den bisherigen Beispielen transformieren rechts- und linkshändige Spinoren in derselben Darstellung der Eichgruppe, weswegen man sie zu einem 4-Komponenten-Spinor zusammenfassen kann. Die elektroschwache Wechselwirkung dagegen ist eine chirale Eichtheorie – rechts- und linkshändige Spinoren transformieren in verschiedenen Darstellungen der Eichgruppe. 29 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Elektroschwache Wechselwirkung I G = U(1)Y × SU(2)L . Man schreibt Bµ für das Eichboson, das zu U(1)Y gehört (mit Kopplungskonstante g 0 ) und Wµ für die Eichbosonen, die zu SU(2)L gehören (Kopplungskonstante g). Die Darstellungen von G unterscheiden zwischen rechts- und linkshändigen Spinoren. Für linkshändige Spinoren ist V = C2 mit der Standarddarstellung von SU(2). Die Fermionen sind von der Form νeL eL− ! , uL dL0 ! . Hier ist νe das Elektron-Neutrino, e − das Elektron, u das Up-Quark und d das Down-Quark. Analoge Doublets gibt es für die anderen Generationen. Jede Komponente ist ein linkshändiger 2-Komponenten-Spinor. Der Isospin ist T3 = ± 12 . Die Hyperladung ist Y = −1 (Leptonen) bzw. Y = 13 (Quarks). 30 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Elektroschwache Wechselwirkung II Für die linkshändigen Quarks gilt dL d0 L0 s = V · sL L bL bL0 mit der sogenannten CKM-Matrix V . Ein Quark von Typ uL kann so über die schwache Wechselwirkung zu verschiedenen Quarks von Typ dL werden und umgekehrt (Änderung des Flavours, β-Zerfall d → u + e − + ν̄e ). Für rechtshändige Spinoren ist V = C mit der trivialen Darstellung von SU(2). Die Fermionen sind rechtshändige 2-Komponenten-Spinoren von der Form eR− , uR , dR (mit T3 = 0 und Y = −2, 43 , − 23 ). Es wurde kein rechtshändiges Neutrino beobachtet (steril). Analoge Singlets gibt es für die anderen Generationen. 31 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Das Higgs-Feld I Es gibt zwei Probleme: In chiralen Theorien sind nur Massenterme mit m = 0 in der Lagrangedichte eichinvariant. Alle Fermionen bis auf die Neutrinos haben aber eine Masse ungleich Null. In Eichtheorien haben die Eichbosonen Masse Null. Man beobachtet aber, dass die Eichbosonen W ± , Z 0 der schwachen Wechselwirkung eine Masse ungleich Null haben. Lösung: Die Fermionen und Eichbosonen haben “an sich” Masse Null und bekommen eine Masse erst durch Wechselwirkung mit einem skalaren Feld (Higgs-Feld). Dieses Feld hat als einziges einen Vakuum-Erwartungswert ungleich Null (das Vakuum mit Higgs-Feld gleich Null ist instabil). Da das Feld im Vakuum einen Wert ungleich Null hat, ist das Vakuum nur noch unter einer Untergruppe U(1)em von U(1)Y × SU(2)L invariant (spontane Symmetriebrechung). Außerdem entsteht ein weiteres Teilchen, das Higgs-Boson, mit Masse ungleich Null. 32 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Das Higgs-Feld II Die Lagrangedichte des Higgs-Feldes φ = φ1 φ2 ! ist: 1 1 1 L = (∇µ φ)† (∇µ φ) − V (φ), mit V (φ) = − µφ† φ + λ(φ† φ)2 . 2 2 2 Das Minimum des Potentials (Vakuum) liegt bei v = |φ| = Die Masse der Fermionen und schwachen Eichbosonen sind √ proportional zu v . Die Masse des Higgs-Bosons ist µ. q µ 2λ . Abbildung: Das Potential V (φ) des Higgs-Feldes (aus: en.wikipedia.org) 33 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Weitere Themen Feldquantisierung, Störungstheorie: freie Felder → wechselwirkende Felder (Pfadintegrale, Feynman-Diagramme, Renormierung). Grand Unified Theories (SU(5) → U(1) × SU(2) × SU(3), Protonzerfall p → e + + 2γ). Supersymmetrie, Minimal Supersymmetric Standard Model (MSSM, Superpartner: Squark, Slepton, Gluino, etc.), Kandidaten für Dunkle Materie (WIMPs, Weakly Interacting Massive Particles) neben sterilen Neutrinos. Quantentheorie der Gravitation, Superstrings. 34 / 35 Das Standardmodell Eichtheorien – geometrisch und physikalisch Beispiele Literatur Helga Baum, Eichfeldtheorie, Springer-Verlag 2014. Ulrich Mosel, Fields, Symmetries, and Quarks, Springer-Verlag 1999. Vielen Dank! Stehempfang in ca. einer Stunde in 7.530 (Seminarraum IGT). 35 / 35