Evangelische Hoffnungskirchengemeinde Berlin-Pankow PREDIGT im Gottesdienst am 09.06.2013 in der Hoffnungskirche (Textgrundlage: Jes 55,1-3b) von Pfarrer Matthias Motter Kommt her und kauft! Das, liebe Gemeinde, ist die Grundbotschaft all der Werbeprospekte, Werbespots und Werbezettel, mit denen wir jeden Tag umworben werden. Meist natürlich schöner verpackt, schöner formuliert, aber im Kern eben eigentlich nur dieses: Kommt her und kauft! Wer hätte gedacht, dass dies ein Satz ist, der genau so in unserer Bibel steht. Vor über zweieinhalbtausend Jahren aufgeschrieben und uns bis heute überliefert im Buch des Propheten Jesaja. Werbung in der Bibel. Ja, Werbung! Aber Werbung einer ganz anderen Art. Gott spricht, so lesen wir es im Prophetenbuch. Gott macht Werbung. Hören wir aus Jesaja 55: Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser! Und die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und eßt! Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst Wein und Milch! Warum zählt ihr Geld dar für das, was kein Brot ist, und sauren Verdienst für das, was nicht satt macht? Hört doch auf mich, so werdet ihr das Gute essen und das Köstliche genießen. Neigt eure Ohren her und kommt her zu mir! Höret, so werdet ihr leben! Gott macht Werbung. Gott wirbt um uns! Das allein ist schon bemerkenswert. Das lässt uns nämlich spüren, dass wir frei sind. Gottes Werben um uns ist Zeichen unserer Freiheit. Wir sind keine willenlosen Marionetten eines alles lenkenden Gottes. Nein, Gott hat uns Freiheit geschenkt. Freiheit, uns zu entscheiden. Wie wir leben wollen. Was wir uns zum Leben nehmen – und zu welchem Preis. Wem wir Glauben schenken. Wem wir uns anvertrauen. Diese Freiheit ist die große Aufgabe unseres Lebens. Sie ist Verantwortung. Und die große Gefahr ist, dass wir unsere Freiheit aufgeben, unsere Verantwortung abgeben, weil sie uns zu schwer wird, zu anstrengend. Deshalb wirbt Gott um uns. Gegen diese Gefahr wirbt Gott um uns. Um uns als freie Menschen. Damit wir uns nicht abwenden von der Quelle – der Quelle des Lebens, der Quelle der Freiheit. Gott wirbt um uns – und hat ein Angebot, das ganz anders ist, als die Angebote der Werbeprospekte und Ideologien dieser Welt. Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser! Und die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und eßt! Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst Wein und Milch! Kommt her und kauft ohne Geld, umsonst … Ohne Geld, ohne Leistung das bekommen, was man braucht. Was für ein Angebot! Aus der Quelle schöpfen, ohne sich zuvor als geeignet, als würdig und wert erweisen zu müssen. Kraft tanken ohne Antrag. Sein-Dürfen ohne Angst. Und dann: Augen und Ohren öffnen für das Wesentliche. Orientierung bekommen für den Weg. Denn Gottes Werbung ist noch nicht zuende. Hört doch auf mich, so werdet ihr das Gute essen und das Köstliche genießen. Neigt eure Ohren her und kommt her zu mir! Höret, so werdet ihr leben! Wie leicht verlieren wir in unserer Freiheit die Orientierung. Wer nicht frei ist, braucht keine Orientierung. Wer aber frei ist, sich zu entscheiden, braucht Entscheidungshilfen, Maßstäbe, Werte. Hier bietet Gott sich an, wirbt Gott um uns: Hört doch auf mich! Wir müssen nicht bei uns selbst bleiben. Wir dürfen unsere Augen und Ohren öffnen über uns selbst hinaus. Der – wie Martin Luther es sagt – in sich selbst verkrümmte Mensch darf sich öffnen. Denn ich darf hören, dass Gott sich um mich sorgt. Und wenn er sich um mich sorgt, dann muss ich mich nicht immer nur um mich sorgen, vermeintliche Sicherheiten anhäufen und mein Leben durch meine Leistung rechtfertigen wollen. Es ist doch schon längst für mich gesorgt – und das noch besser, als es vorstellbar ist. Warum zählt ihr Geld dar für das, was kein Brot ist, und sauren Verdienst für das, was nicht satt macht? So müssen wir uns mit den Worten aus dem Prophetenbuch fragen lassen. Hört doch auf mich, so werdet ihr das Gute essen und das Köstliche genießen, spricht Gott. Wenn wir bei Gott Orientierung suchen, auf ihn hören, danach fragen, welche Orientierung er für uns hat, dann – so sagt Gott – wird es gut werden. Höret, so werdet ihr leben! Leben! Leben in der Weite, der Fülle der Dimensionen eines erfüllten, sinn-reichen Lebens. Wir alle wissen, spüren, dass Leben mehr ist als das schlichte Existieren, dass aber das Leben auch ganz konkret Lebensmittel braucht. Schon der Wortlaut dieses Satzes in der Bibel führt uns in diese Fülle der Dimensionen hinein. Wo Martin Luther mit Höret, so werdet ihr leben! übersetzt, steht im Urtext des Prophetenbuchs ein mehrdeutiges hebräisches Wort. Dieses Wort bezeichnet zum einen die Kehle, den Hals. Zum anderen, im weiteren, übertragenen Sinn, steht dieses Wort aber auch für die Lebendigkeit, das, was einen Körper zu einem lebendigen Wesen macht – die Seele. Die umfassende Sorge Gottes klingt so aus diesen alten Worten zu uns. Sorge um das Leben der Menschen, seiner Geschöpfe, im ganz konkreten Sinn. Es kann nicht im Sinne Gottes sein, dass die Einen ihren Wohlstand auf Kosten anderer vergrößern. Es kann nicht im Sinne Gottes sein, dass Lebensmittel zu Spekulationsobjekten an den Börsen der reichen Länder werden und in zwei Dritteln der Welt sich die Menschen ihre Grundnahrungsmittel nicht mehr leisten können. Es kann nicht im Sinne Gottes sein, wenn die Fischfangflotten Europas das Meer vor den Küsten Afrikas leerfischen und Tausende Menschen ihre Existenzgrundlage verlieren – wie Europa gegenwärtig mit denjenigen umgeht, die sich dann in ihrer Verzweiflung und in der Hoffnung auf sichere Lebensmittel auf den Weg hierher machen, davon haben wir hier am Montag im Vortrag von Professor Mandry gehört. Die Sorge also um eine gerechte Welt im ganz konkreten Sinn bezogen auf das tägliche Brot, die täglichen Lebensmittel, ist uns in der Verantwortung vor Gott aufgetragen. Hier gibt Gott unserem Leben und Tun Orientierung – und wirbt um unsere Aufmerksamkeit: Hört doch auf mich! – Und handelt danach!, so ist zu ergänzen. Aber der Mensch lebt nicht vom Brot, von den äußeren Lebensnotwendigkeiten allein – Gottes Sorge gilt auch der Seele. Gott weiß um unsere Sehnsucht nach erfülltem Leben, nach Sinn und Hoffnung. Und auch hier gilt uns Gottes Werben: Hört doch auf mich! Höret, so werdet ihr leben! Im Vertrauen auf Gott, im Hören auf seine Versprechen, im Blick auf seine Offenbarungen können wir unserer Sehnsucht nach dem Guten eine Orientierung geben, Hoffnung gewinnen – und vielleicht ja schon etwas spüren, schmecken von dem Guten, dem Köstlichen, das Gott verspricht. Und Gott hält, was er in seiner Werbung verspricht. Amen. Es gilt das gesprochene Wort.