CHIRURGISCHE ABTEILUNG Allgemein- und Viszeralchirurgie CHEFARZT DR. MED. CH. METZNER CHIRURG - GEFÄSSCHIRURG Stand: 12.08.2010 Klinik Standards 5.2.7.11.2 Carotisstenose - Übersicht Einleitung Praktisch gesehen ist die Endarteriektomie der Carotisgabel (CEA) ein einfacher und gut standardisierbarer Eingriff mit geringem chirurgischen Trauma. Die Komplikationsrate dürfte in den Kliniken mit eingeübtem kardiovaskulären Risikomanagement ohne Frage unter den tolerablen Risikomarken von 6 % für symptomatische und 3 % für asymptomatische Carotisstenosen zu halten sein [25]. Wer nur diese Zahlen im Hinterkopf behält und sich von deren Einhaltung anhand der in Deutschland obligatorischen Qualitätssicherung überzeugt, begeht mit Sicherheit keinen gravierenden Fehler. Die komfortable Situation, allein eine Carotisstenose beseitigen und damit einem Patienten die Furcht vor einem Schlaganfall nehmen zu können, bewahrte den Chirurgen lange Zeit davor, sich detaillierter mit einer Risiko-Nutzen-Analyse seines Eingriffs auseinandersetzen zu müssen. In der Zwischenzeit hat das chirurgische Verfahren in Form des Carotisstentings (CAS) eine Alternative erhalten, die von Kardiologen und Radiologen mit Nachdruck zum Einsatz gebracht wird. Um bei dem in Gang gekommenen Wettbewerb argumentativ bestehen zu können, sollte der Chirurg mit den Rahmenbedingungen vertraut sein, unter denen die Therapie der Carotisstenose stattfindet. Ungeachtet der umfangreichen Literatur, nach deren Studium man den Eindruck gewinnt, alle Facetten des Themas seien bereits im Übermaß abgehandelt, bietet sich eine aktuelle Zusammenfassung an. Vorgeschichte Dem Zusammenhang von Carotisobstruktion und Schlaganfall wurde bis zu einer 1951 erschienenen Publikation von Fisher praktisch keine wesentliche Beachtung geschenkt [13]. Bis dahin führte man den ischämischen Schlaganfall im Allgemeinen auf intrazerebrale Gefäßobstruktionen zurück. Unter Kenntnisnahme der Arbeit Fishers führten Carrea, Molins und Murphy 1951 die erste erfolgreiche Operation einer Carotisstenose als Transposition der A. carotis externa zur A. carotis interna durch [3]. Die der heutigen Standardoperationstechnik entsprechende Desobliteration der Carotisbifurkation wurde 1953 erstmals von DeBakey angewandt; der Fallbericht des operierten Patienten,der den Eingriff lange überlebte,wurde allerdings erst sehr viel später publiziert Die erste, von einem größeren Kreis wahrgenommene Publikation über die erfolgreiche Beseitigung einer Carotisstenose stammt von Eastcott, Pickering und Rob [7]. Ihnen gebührt der Verdienst,die Entwicklung der Chirurgie der extrazerebralen Hirnarterien in Gang gesetzt zu haben. Von 1959 an wurde die sich schnell verbreitende Carotischirurgie durch eine kontrollierte Studie begleitet, der sich ab 1961 mehrere Zentren anschlossen [11]. Eine Antwort hinsichtlich des Nutzens der Carotischirurgie blieb diese Studie jedoch schuldig. Anfang der 80er Jahre wurden aufgrund hoher Komplikationsraten erhebliche Zweifel am Nutzen der Carotischirurgie laut, deren Umfang vor allem in den USA rasant zugenommen hatte. Diese Entwicklung erfuhr einen dramatischen Einbruch, nachdem Ende der 80er Jahre die Vermutung geäußert wurde, dass lediglich 35 % der Carotisoperationen tatsächlich indiziert waren. Der heftigen Kritik von neurologischer Seite und des Mangels eindeutiger Fakten wegen kam es darauf hin zu einem deutlichen Rückgang der chirurgischen Eingriffe. Erst die Veröffentlichung prospektiv randomisierter Studien zur Chirurgie der symptomatischen Carotisstenose konnte die Diskussion wieder versachlichen [8, 26]. Unklar blieb zunächst die Rolle der chirurgischen Behandlung der asymptomatischen Carotisstenose. Weitere prospektive Studien hierzu belegten dann aber doch einen Rückgang der Schlaganfallrate durch deren operative Beseitigung, was eine erneute große Zunahme an Carotisoperationen auslöste; von neurologischer Seite wurde der Nutzen der Operation für diese Patientengruppe jedoch nie akzeptiert . Gegenwärtig entsteht durch die Zusammenführung der Daten der großen amerikanischen und europäischen Studien und sich dadurch ermöglichender Subanalysen ein schärferes Bild von dem, was die Carotischirurgie leisten kann .Ob sich die Befunde der Carotischirurgie auf das Carotisstenting übertragen lassen, darf man anhand der bisher vorliegenden prospektiven Vergleichsuntersuchungen bezweifeln. Obwohl dieses Verfahren klinisch bereits weitläufig angewandt wird, hat es nach Übereinkunft involvierter Fachgesellschaften momentan das Stadium einer Überprüfung mittels wissenschaftlicher Vergleichsuntersuchungen noch nicht überwunden. Epidemiologie Verlässliche epidemiologische Daten zu Häufigkeit und Art des Schlaganfalls in Deutschland können der Hessischen Schlaganfall-Datenbank und dem Erlanger Schlaganfallregister entnommen und für Gesamtdeutschland hochgerechnet werden. Demnach ist jährlich unter 100 000 Einwohnern mit 100 ischämischen Hirninsulten, 15 Hirnblutungen,drei Antikoagulantien-assoziierten Hirnblutungen und 66 transitorisch ischämischen Attacken (TIA) zu rechnen. Einhergehend mit dem demographischen Wandel hin zu einer immer weiter alternden Bevölkerung werden diese Zahlen in den kommenden Jahren eklatant zunehmen. Die Folgen des Schlaganfalls sind sowohl für Betroffene als auch hinsichtlich der Kosten für das Gesundheitssystem schwerwiegend: 30 % der Betroffenen sterben früh, womit die Erkrankung zu den drei führenden Todesursachen zählt, 30 % erleiden eine schwere pflegebedürftige Behinderung, weitere 30 % können rehabilitiert werden, lediglich etwa 5 % können in das Berufsleben zurückkehren.Für ca. 20 % der ischämischen Hirninsulte dürften extrakranielle Gefäßprozesse verantwortlich sein [1]. Anhand der amerikanischen Cardiovascular Health Study und den Framingham-Beobachtungen kann man annehmen, dass zwischen 7 und 10 % der über 65jährigen Männer und zwischen 5 und 7 % der über 65-jährigen Frauen eine nicht diagnostizierte Carotisstenose > 50 % aufweisen. Bezogen auf die Einwohnerzahl der BRD ergibt sich eine Prävalenz von 1,1 Millionen asymptomatischer Carotisstenosen. Entsprechend den prospektiven Studien zur asymptomatischen Carotisstenose ist in diesem Kollektiv mit einer jährlichen Schlaganfallrate von 2,3 % (entsprechend ca. 25 000 Schlaganfällen) zu rechnen. Pathophysiologie Nur 25 % der Patienten, die einen Verschluss einer A. carotis interna entwickeln, erleiden einen Hirninfarkt. Bei akuter Ligatur der A. carotis interna einer Kriegsverletzung wegen wurde in 30 % der Fälle eine Schlaganfallsymptomatik registriert . Demzufolge hat das Gehirn unter allen mit Gefäßligaturen behandelten Gefäßprovinzen das am besten kollateralisierte Gewebe. Der wichtigste kollaterale Zufluss erfolgt durch die anderen extrazerebralen Arterien, die über den Circulus arteriosus Willisi verbunden sind, welcher allerdings nur bei 80 % der Menschen komplett angelegt ist [10]. Neben den großen extrakraniellen Hirnarterien ist in Form leptomeningealer Anastomosen eine weitere Blutversorgung mit Zugang zum Hirngewebe angelegt. Anhand der Ausfallmuster in Computer- und Magnetresonanztomographie wird auf den Entstehungsmechanismus von Hirninfarkten rückgeschlossen . Zusammenhängende große Territorialinfarkte entstehen durch einen Erstellt Dr. Seel OAP 2010-08-17 Verschluss der A. cerebri media oder auch der A. carotis interna. Lacunäre Infarkte sollen auf dem Boden einer Arteriosklerose oder als Folge arterioarterieller Embolien etwa aus einer Atheromatose des Aortenbogens oder auch aus aufgebrochenen Plaques der Carotisgabel entstehen. Hämodynamisch wirksame Carotisstenosen führen zu Perfusionsausfällen in den Grenzgebieten einzelner Gefäßprovinzen, woraus sog.Wasserscheideninfarkte resultieren. Bei Territorialinfarkten entwickelt sich der Infarkt zeitabhängig aus einem zentralen Kern in die Peripherie. Ab einer gewissen Restdurchblutung, deren Umfang man auf 20 ml/min/100g Hirngewebe schätzt, bleibt die Zellintegrität erhalten. Durch Verbesserung der Kollateraldurchblutung kann der als Penumbra bezeichnete Außenbezirk des Infarkts wiederbelebt werden. Hier ergeben sich therapeutische Ansätze für die Akutbehandlung mittels thrombolytischer oder gegebenenfalls chirurgischer Therapie. Studien zum Wirksamkeitsnachweisder Carotischirurgie Symptomatische Carotisstenosen Bis Anfang der 90er Jahre war die „Joint study of extracranial arterial occlusion“, allgemein nach dem Erstautor unter der Bezeichnung „Fields-Studie“ bekannt, die einzige prospektiv randomisierte Untersuchung zu der schon weit verbreiteten Carotischirurgie. Die Studie hat aus heutiger Sicht eine Reihe methodischer Schwächen, weshalb sie praktisch nicht mehr zitiert wird. Die Frage, ob er sich selbst an der Carotis operieren ließe, bejahte der Neurologe W. S. Fields stets mit der Einschränkung, dass er sich den Chirurgen aussuchen wolle; eine Aussage, die wohl das wichtigste Fazit aller weiteren Studien und Analysen geblieben ist. Eine weitere frühe, prospektiv randomisierte Studie wurde wegen einer intolerabel hohen Komplikationsrate frühzeitig abgebrochen. 1991 wurden die Zwischenergebnisse von drei prospektiv randomisierten Studien zu symptomatischen Carotisstenosen publiziert: North American Symptomatic Carotid Endarterectomy Trial (NASCET) , European Carotid Surgery Trial (ECST) und Veterans Affairs Cooperative Symptomatic Carotid Stenosis Trial (VACS) . Letztere wurde gestoppt nachdem die Daten der beiden großen Studien publiziert waren. Von NASCET wurde zunächst lediglich der Studienarm der hochgradigen, 70- bis 95- %igen Stenosen veröffentlicht. Die Ergebnisse eines zweiten Studienarms mit mäßiggradigen 50- bis 69- %igen Stenosen wurden 1998 gesondert publiziert. Innerhalb ECST wurden keine gesonderten Studienarme gebildet und die Ergebnisse zusammenhängend präsentiert. Sie ließen sich aber in Abhängigkeit vom Stenosegrad analysieren,so dass ein Vergleich mit den NASCETErgebnissen möglich ist. Stenosegrade Die Stenosegradmessung wurde in denStudien unterschiedlich gehandhabt. NASCET wählt als Bezugsgröße den Durchmesser der A. carotis interna jenseits der Stenose, wo die Gefäßdarstellung wieder einen parallelen Verlauf nimmt. Bei ECST wird als Bezugsgröße der angenommene Durchmesser in Höhe der Carotisstenose gewählt. Die Überführung der Daten ist nicht ohne weiteres möglich, da sie eher einer parabolischen als einer linearen Funktion folgen. Als Faustformel sollte man sich merken, dass eine 70- %ige NASCET-Stenose in etwa einer 80- %igen ECST-Stenose entspricht. Bei einer späteren Zusammenführung der Daten dieser drei Studien wurden die ECSTAngiogramme nach der NASCET-Methode neuvermessen [32]. Bei der Dokumentation der Stenosegrade wird in der Literatur die verwendete Messmethode nicht verlässlich angegeben; man kann aber annehmen,dass die NASCET-Messung sich weitestgehend durchgesetzt hat und entsprechend auch die Bezugsgröße für sonographisch ermittelte Stenosegrade ist. Da der Stenosegrad bei asymptomatischen Stenosen, unabhängig davon, dass sie hochgradig, also > 60 % (NASCET) sein sollten, keine ähnlich große Bedeutung wie bei symptomatischen Stenosen hat, wurde innerhalb ACTS auf die sonst obligate Angiographie verzichtet und allein eine sonographische Stenosegradbestimmung zugelassen. Der Abgleich der Sonographiebefunde zu den in der angiographischen Beurteilung üblichen Prozentangaben wurde den einzelnen Gefäßlaboren überlassen. Da die alleinige Bestimmung der Flussgeschwindigkeit innerhalb der Stenose beispielsweise bei herzinsuffizienten Patienten zu verfälschten Ergebnissen führen kann, wird auch Erstellt Dr. Seel OAP 2010-08-17 der Quotient aus integraler Mittelflussmessung in A. carotis interna und A. carotis communis zu Hilfe genommen und. Abb. 1 zeigt in etwa die Relation der einzelnen Messmethoden zueinander. Bei angiographischen Messungen sollte man keine approximativen Bestimmungen mit dem bloßen Auge vornehmen; es kommt dabei in aller Regel zu einer Überschätzung des Stenosegrades. Die Verwendung eines Stechzirkels, einer skalierten Diamantlupe oder einer elektronischen Distanzmessung auf einem hochauflösenden Monitorsollte obligat sein. Rolle der Carotischirurgie in der Behandlung des akuten Schlaganfalls Mit dem flächendeckenden Aufbau von „Stroke Units“ wird die von Gefäßchirurgen nach anfänglich schlechten Ergebnissen aufgegebene Notfalloperation zur Akutbehandlung des Schlaganfalls wieder aktuell. Die hauptsächlich auf den Erfahrungen der Joint Study of Extracranial Arterial Occlusion beruhende, auch gegenwärtig vorherrschende Einstellung empfahl eine Operation frühestens 1 bis 2, am günstigsten 4 bis 6 Wochen nach dem Ereignis. Bei frühzeitiger Operation befürchtete man eine durch Autoregulationsstörungen und Integritätsverlust der Bluthirnschranke begünstigte Hämorrhagie und Infarktvergrößerung. Diese in der Ära vor routinemäßigem Einsatz der CT kaum belegte Vermutung wurde in späteren Untersuchungen nicht bestätigt. Eine 1997 erschienene Übersichtsarbeit kam unter Sichtung der bis dahin veröffentlichten Literatur zu der Einschätzung, dass eine frühzeitige Operation bei stabilem Schlaganfall mit persistierenden Ausfallerscheinungen bei voll erhaltenem Bewusstsein und normaler CT oder Infarktzeichen mit geringem Dichteverlust den Verlauf günstig beeinflussen kann Entsprechend dem Schlaganfallregister der deutschen Stroke Units wird unter 4637 dort behandelten Schlaganfällen 269-mal ein Verschluss der proximalen A. carotis gefunden. Die Düsseldorfer Stroke Unit und die gefäßchirurgische Gruppe um Sandmann hat bei entsprechenden Patienten eine akute chirurgische Therapie versucht. Voraussetzung war, dass in der MRT ein deutliches „Mismatch“ zwischen diffusions- und perfusionsgewichteter Bildgebung entsprechend einer großen wiederbelebbaren Penumbra nachzuweisen war. Die Infarktgröße in der diffusionsgewichteten Bildgebung sollte ein Drittel des Versorgungsgebietsder A. cerebri media nicht überschreiten. Bei 35 so behandelten Patienten konnte man bei 30 eine Wiederherstellung der Strombahn erreichen; etwa die Hälfte der Patienten hatte durch die Operation bereits eine deutliche Besserung erfahren. 13 Patienten hatten im Langzeitverlauf keinerlei Residuen des Schlaganfalls. Eine weitere Indikation für Erstellt Dr. Seel OAP 2010-08-17 die Akutchirurgie könnte eine persistierende subtotale Carotisstenose nach Thrombolysebehandlung sein. McPherson und Mitarbeiter haben fünf solcher im Rahmen der Stroke-Unit- Behandlung identifizierte Patienten operiert und konnten damit ein frühes Schlaganfallrezidiv verhindern .Sollte die MRT zunehmend Verbreitung in der Akutdiagnostik des Schlaganfalls finden, was zur Zeit noch auf logistische Probleme stößt, kann wahrscheinlich eine größere Anzahl solcher für die Sofortoperation in Frage kommenden Patienten identifiziert werden. CEA versus CAS Das Carotisstenting (CAS) findet rasante Verbreitung unter Radiologen, Kardiologen und auch Gefäßchirurgen, die so eine Hauptdomäne ihrer Tätigkeit nicht verlieren wollen. Unterstützt werden sie durch Herstellerfirmen von Stentdevices und Protektionssystemen, die geschultes Personal bei der Einführung der Methode zur Verfügung stellen. Die potenziellen Vorteile der Stentbehandlung liegen in der Vermeidung von Allgemeinnarkose, Hirnnervenverletzungen, chirurgischen Wundkomplikationen und eventuell auch kardialen Zwischenfällen. Es besteht kein Zweifel, dass die Methode heute schon zu beeindruckenden, die Stenose komplett beseitigenden Ergebnissen führt. Inwieweit sie mit der Chirurgie vergleichbar ist und zu ähnlichen Ergebnissen kommt, wäre nur durch prospektiv randomisierte Vergleichsuntersuchungen zu klären. Sollte dabei der Beweis der Nichtunterlegenheit der interventionellen im Vergleich zur operativen Therapie erbracht werden können, würde CAS der geringeren Invasivität wegen einen Großteil der Operationen ersetzen. Die Nichtunterlegenheit (noninferiority) nachzuweisen, war das Ziel einer Reihe mit diesem Studiendesign durchgeführten prospektiv randomisierrandomisierter Vergleichsuntersuchungen. Fünf frühe Vergleichsuntersuchungen konnten das Studienziel nicht bestätigen: Die Leicester-Studie von 1998 wurde früh gestoppt nachdem 5 von 7 Patienten der Stentgruppe eine zerebrale Komplikation aufwiesen. Die CAVATAS-I-Studie hatte eine hohe Komplikationsrate von 10 vs.9,9 % in beiden Gruppen. Die Kentucky- Studie von 2001 und 2004 hatte weder in der einen noch der anderen Gruppe eine Komplikation. In der Wallstent-Studie von 2001 war die Komplikationsrate in der Stentgruppe mit 12,1 % signifikant höher als in der operativen Gruppe (4,5 %). Von Stentbefürwortern wird am häufigsten die Sapphire-Studie zitiert, die mutmaßlich eine Gleichwertigkeit des CAS nachwies, schloss man als primäre Endpunktbetrachtung den Myokardinfarkt ein .Zu dieser Studie lassen sich erhebliche Einwände vorbringen: So wurden 71 % der Patienten mit einer asymptomatischen Carotisstenose eingeschlossen, der „Principle Investigator“ der Studie war zugleich der Entwickler des verwendeten Protektionssystems und deshalb nicht frei von einer Interessenkollision, außerdem waren zwei weitere Mitarbeiter der Firma Cordis an der Studie beteiligt. Erstaunlicherweise wurde nach dieser Studie CAS in den Vereinigten Staaten von den Versicherungen Medicare und Medicaid vergütet. Inzwischen sind die prozeduralen Ergebnisse zweier großer unabhängiger Studien veröffentlicht: die in deutschsprachigen Ländern durchgeführte SPACE Studie und die französische EVA-3S-Studie [22, 30]. Weitere Studien, CREST in Nordamerika und ICSS in Europa, befinden sich noch in der Rekrutierungsphase. Die beiden veröffentlichten Studien verfehlten jeweils das Ziel, die Nichtunterlegenheit von CAS unter Beweis zu stellen. In der französischen Studie war sogar ein derart erheblicher Unterschied festzustellen,dass CAS dem chirurgischen Verfahren nach statistischen Regeln unterlegen ist. Die anschließende Kritik an dieser Studie zielte darauf, dass unerfahrene Stentimplanteure zugelassen waren, bei 17,1 % der Stentpatienten keine doppelte thrombozytenfunktionshemmende Therapie verwendet, nicht routinemäßig Protektionssysteme eingesetzt und die Patientenselektion hinsichtlich der Angiomorphologie ungeeignet gewesen seien. Die Studienleiter konnten diese Einwände mit dem Hinweis entkräften, dass erfahrene Interventionalisten (> 50 Prozeduren) sogar eine leicht höhere Komplikationsrate aufwiesen als weniger erfahrene. Letztere waren auch nur in einem geringen Anteil (7,15 %) beteiligt. Lediglich bei 20 von 247 Patienten sei kein Protektionssystem verwendet worden; bezog man diese 20 Patienten nicht in die Auswertung ein, ergab sich kein Einfluss auf das vorab ermittelte Ergebnis. Zum Einwand der falschen Patientenauswahl wird zudem angemerkt, dass die Auswahl des richtigen Patienten zum Stenting fraglos der entscheidende Schlüssel für eine erfolgreiche Anwendung von CAS ist, dass diesbezügliche Kriterien seitens der Erstellt Dr. Seel OAP 2010-08-17 Morphologie einer Carotisstenose aber nicht existieren. Auch von anderer Seite konnten bislang keine Kriterien identifiziert werden, die prinzipiell für oder gegen die Verwendung von CAS sprechen. Für die Verwendung von CAS aus anatomischen Gründen werden Situationen wie kontralateraler Carotisverschluss, Rezidivstenose, Zustand nach „radical neck dissection“ und Nachbestrahlung, Tracheostoma, gegenseitige Stimmbandlähmung oder eine über C2 hinausgehende chirurgisch unerreichbare Stenose genannt . In Frage kämen auch physiologische Gründe im Sinne eines erhöhten Operationsrisikos von Seiten des Allgemeinzustands. Ricotta hat ein umfangreiches Krankengut hinsichtlich anatomischer und physiologischer Risiken für die Carotisoperation untersucht; eine abweichend höhere Komplikationsrate bei größerem Risiko konnte er nicht feststellen. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass entsprechend der Lead-in-Studie von CREST ältere Patienten durch CAS besonders gefährdet werden: während die Schlaganfallrate bei 70- bis 79-jährigen Patienten noch bei 5,1 % lag, stieg sie bei > 80-Jährigen auf 12,1 % an Fazit für die Praxis Für die Chirurgie symptomatischer und asymptomatischer Carotisstenosen gelten unterschiedliche Gesichtspunkte. Indem der beste Operationseffekt symptomatischer Carotisstenosen innerhalb der ersten 14 Tage nach einer TIA erreicht wird, kommt ihr praktisch eine therapeutische Indikation ähnlich wie bei koronarer Herzkrankheit im Stadium III und IV zu. Die Operation asymptomatischer Carotisstenosen ist nachgewiesenermaßen eine langfristige Investition in die Zukunft. Je länger die Lebenserwartung des Patienten, umso leichter fällt die Entscheidung für eine Operation, nicht zuletzt auch unter Kostengesichtspunkten. Der Nachweis eines anhaltend protektivenEffekts über fünf Jahre hinaus würde diese Einschätzung untermauern. Für das Carotisstenting liegen bislang keinerlei Langzeitbeobachtungen vor. Da beim Stenting eine erhöhte Rezidivstenoserate nicht ausgeschlossen ist, besteht keine Veranlassung, das Stenting asymptomatischer Stenosen zu befürworten. Erstellt Dr. Seel OAP 2010-08-17