Vortrag-Huber-Vollgeld 1.07 M

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Geldsystem in der Krise
Vollgeld als nachhaltige Alternative
Hochschule für Technik Stuttgart
23 April 2015
Prof Dr Joseph Huber
Em. Lehrstuhl für
Wirtschaftssoziologie
Martin Luther Universität
Halle an der Saale
Teil 1
Giralgeld – Analyse und Kritik
Teil2
Vollgeld
Giralgeld
(fraktionales Reservebanking)
Zweistufiges Bankensystem, zweierlei Geldkreislauf
1. Unbarer
Publikumskreislauf
2. Unbarer
Interbankenkreislauf
mit
Giralgeld
Kunden = Publikum
= Nichtbanken
- private Haushalte
- Firmen, Institutionen
- öffentliche Haushalte
mit
Reserven
Banken
Zentralbank
Geld- und Finanzinstitute
Giralgeld = Guthaben auf Girokonto, jederzeit verfügbar, bargeldloser Zahlungsverkehr
= Bankengeld
Reserven = Guthaben der Banken bei der Zentralbank = Zentralbankgeld.
Beide entstehen per Kredit = unbares Kreditgeld.
Bargeld nur noch Auswechsel- und Wiedereinwechselmenge.
Giralgeldschöpfung
erfolgt uno acto mit Kreditvergabe und Vermögenskäufen
per buchhalterischem Guthabeneintrag in Kunden-Girokonto
Bilanz Bank
Aktiva
Kunde
Passiva
Soll
Haben
10.000
10.000
- 10.000
+ 10.000
Forderung an
Kunden
Verbindlichkeit
gegenüber
Kunde
verzinsliche
Schuld gegenüber Bank
verfügbares
Giro-Guthaben
aus Kredit
Banken erzeugen Kredit (Gutschrift auf Girokonto = Giralgeld) wann immer sie
- Darlehen vergeben oder Überziehungskredit zulassen
- Wertpapiere (Staatsanleihen, Aktien, …) oder Sachwerte kaufen (insb. Immob.)
Buchungssatz :
Kreditkonto/Schuldverschreibungen-Konto/Sachwerte-Konto
an betr. Girokonto (Kunden-KK)
Pro-aktive Giralgeldschöpfung bei fraktionaler Reserve
Die Kunden zahlen durch Übertragung von Giroguthaben.
Die Banken zahlen durch Übertragung von Reserven.
Um 100 Währungseinheiten Giralgeld auf einem Konto gutzuschreiben
und im laufenden Betrieb zu unterhalten, benötigen Banken im
sektoralen Durchschnitt nur einen Bruchteil davon (eine Fraktion)
als 'Deckung' in Zentralbankgeld, bestehend aus
 1,4% Bargeld
 0,1 – 0,6% Überschussreserve (bargeldlose Zahlungsreserve)
 1,0% brach liegende Mindestreserve (auf alle Einlagen,
nicht nur jederzeit fällige Sichteinlagen auf Girokonten)
Insg.
 2,5 – 3% der verfügbaren Giroguthaben.
Kooperative Giralgeldschöpfung im sektoralen Verbund
Wie ist das möglich? 70–90 mal mehr Giralgeld zu erzeugen als jeweils
Bargeld und Reserven vorhanden sind?
1. Es werden nicht alle Giroguthaben gleichzeitig für Zahlungen
bewegt, jeweils nur ein Teil
2. Abflüsse im System sind Zuflüsse ins System. Ausgehende und
eingehende Zahlungen gleichen einander weitgehend aus  Abb 
3. Kundenzahlungen und Eigenzahlungen der Banken laufen über
dasselbe Zentralbankkonto.
Sollten einer Bank dennoch Reserven fehlen, werden diese von der
Zentralbank automatisch zur Verfügung gestellt.
Die Initiative zur Giralgeldschöpfung liegt bei den Banken.
Die Zentralbank refinanziert praktisch immer.
Kunde A 20 E
Kunde B 30 E
15 E Kunde O
Eigeng.
25 E
30 E Kunde P
30 E Kunde Q
Kunde C 15 E
10 E Eigengesch.
90 E
85 E
InterbankenGirokredit
Bank
X
=5E
Spitzenrefinanzierungs-Fazilität
Bank
Y
Kooperative Giralgeldschöpfung im sektoralen Verbund
Wie ist das möglich? 70–90 mal mehr Giralgeld zu erzeugen als Bargeld
und Reserven vorhanden sind?
1. Es werden nicht alle Giroguthaben gleichzeitig für Zahlungen
bewegt, jeweils nur ein Teil
2. Abflüsse im System sind Zuflüsse ins System. Ausgehende und
eingehende Zahlungen gleichen einander weitgehend aus  Abb 
3. Kundenzahlungen und Eigenzahlungen der Banken laufen über
dasselbe Zentralbankkonto.
Sollten einer Bank dennoch Reserven fehlen, werden diese von der
Zentralbank automatisch zur Verfügung gestellt.
100%
90%
80%
M1 Giralgeld vs Bargeld
1905 – 2014
70%
60%
2014
89 unbar : 11 bar
50%
40%
30%
20%
10%
0%
1905 1910 1915 1920 1925 1930 1935 1940 1945 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2014
Demand Deposits
Cash (Coin+Banknotes)
Data: Swiss National Bank, Historical Time Series, No.1, Feb 2007, 1.3, 2.3 - Monatshefte, Tab. B2
Bedingungen der Giralgeldschöpfung aus dem Nichts
1) Effektive Nachfrage nach Geld und Bereitschaft der Banken zur
Kreditvergabe bzw zum Kauf von Anleihen oder anderen Aktiva.
2) Expansion/Kontraktion der Giralgeldmenge ungefähr im sektoralen
Gleichschritt der meisten Banken, national und international
(dadurch gleichen sich Ein- und Auszahlungen in etwa aus)
3) Größe der Banken. Für Großbanken ist es leichter, ihre Bilanzen
zu erweitern als für kleine Banken.
4) Obligatorische Mindestreserven.
5) Eigenmittelvorschriften gemäß Basel Regeln (Verhältnis Aktiva zu
Eigenkapital, oder offene Kredite zu Eigenkapital)
6) Liquiditätsvorschriften (liquide und liquiditätsnahe Aktiva müssen
ausreichen, um täglich fälligen Verbindlichkeiten nachzukommen)
nach H.Seiffert, Geldschöpfung, Nauen 2012, 78–97.
Längerfristig bestehen keine Begrenzungen. Indem die Banken in etwa
im Gleichklang kreditieren u debitieren, kaufen u verkaufen, auszahlen
u einnehmen, erzeugen sich die Banken gegenseitig selbst die Eigenmittel/ Eigenkapital, Sicherheiten und Reserven, die sie benötigen.
Probleme des Giralgeldsystems
(des fraktionalen Reservebanking)
Probleme des Giralgeldsystems – inhärente Instabilität
Das bestehende Giralgeldregime ist störanfällig und krisengeplagt.
Krisen von 1970 bis 2007 weltweit
145 sektorale Bankenkrisen
208 Währungszusammenbrüche
72 Staatsschuldenkrisen
______________________________________________
425 systemische Finanzkrisen
Quellen: Laeven/Valencia 2008. Reinhart/Rogoff 2009, Lietaer et al 2012 49–52. Bundeszentrale
für Politische Bildung: http://www.bpb.de/wissen/DP0D1P. Kennedy 2011, 96.
Der verkannte Faktor der Finanzkrisen – das Geldsystem
Für die Finanzkrise wurden viele Gründe verantwortlich gemacht:
• Verhaltensfaktoren/moral hazard (Gier, falsche Anreize, RisikoIndifferenz wg too big to fail)
• Risiko-verschleiernde Bilanzen, teils irreführende Ratings
• unzureichende Kapital- und Liquiditätspolster (Basel Regeln)
• Deregulierung der Finanzmärkte und Finanzprodukte
• fehlende Firewalls (Abschirmungen) zwischen Eigen- und Kundengeschäft, zwischen Geldservice, Kreditgeschäft und Investmentbanking.
Jedoch wurde ein Faktor von grundlegender Bedeutung – gleichsam der
Ur-Grund für alle diese Gründe – bislang verkannt , nämlich
die Geldordnung, insbesondere die Giralgeldschöpfung der Banken.
Die Giralgeldschöpfung verläuft langfristig überschießend.
Das System ist inhärent inflationär.
Wachstum im Zeitraum 1992 – 2008 in Deutschland
BIP real
23 %
~1/8
BIP nominal
51 %
~1/8
189 %
~6/8
M1
~3/4
Eine solche BIP-überproportionale Ausweitung der Geldmenge über die Jahre
hinweg bedeutet
Inflation (Erzeuger- und Verbraucherpreisinflation) in der Realwirtschaft
und/oder
Asset Inflation (Kursinflation, auch Mengenaufblähung, von Aktien,
Anleihen, Verbriefungen, Derivaten und anderen Geldanlageobjekten,
insb. Immobilien, Kunst) in der Finanzwirtschaft.
Man hält das jedesmal für einen willkommenen Wertzuwachs und verkennt,
dass es sich überwiegend um gefährliche Spekulationsblasen handelt.
Quellen: www.bundesbank.de/statistik/zeitreihen; Deutsche Bundesbank, Monthly Bulletins, tables II.2.
Inflation der realwirtschaftlichen Preise (VPI)
Quelle: literaturforum.net
Assetinflation
Wachstum der Geldmenge überproportional zum nominalen BIP
0,6
Marshallian 'K' Deutschland (M1/BIP nominal)
1950–2014
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
Daten: http://www.bundesbank.de/statistik/statistik_wirtschaftsdaten_tabellen.php#wirtschaftsentwicklung
2010
2007
2004
2001
1998
1995
1992
1989
1986
1983
1980
1977
1974
1971
1968
1965
1962
1959
1956
1953
1950
0
Asset Inflation
Wachstum der Finanzaktiva überproportional zum nominalen BIP
Geldvermögen / BIP ≈ 335 Prozent
Financial assets / GDP ≈ 1.000 per cent
Geldvermögen - Wirtschaftsleistung - Zinsen
Reale Entwicklungen 1950 bis 2007 - in Preisen von 1995
7.000
x 46
Werte in Milliarden Euro
ab 1991 Gesamtdeutschland
6.000
Aktienblase
nominale Größen in Euro - 2007:
5.000
Bruttoinlandsprodukt: 2.424 Mrd
Geldvermögen :
7.917 Mrd
Bankzinserträge:
419 Mrd
4.000
FAZ 10.5.11, 9
Geldvermögen
(=Verschuldung)
3.000
BIP
x8
2.000
1.000
Zinsen*
x 37
0
1950 1960
2000
4.000
Quelle: Bundesbank
Quelle: Bundesbank
1970
1980
1990
2000 07
 Helmut
© Helmut Creutz - Nr. 110 b
Inflation und Asset Inflation durch
überschießende Giralgeldschöpfung der Banken
Es gibt im wesentlichen zwei Kanäle, durch welche die Giralgeldschöpfung
Inflation und Asset Inflation, d.h. einer Aufblähung der Finanzaktiva/Schulden,
beiträgt.
- zum einen Ausweitung der Geldmenge zwecks direkter Aufhebelung von
spekulativen Finanzmarktanlagen per Giralgeldkredit von Banken (leverage)
in Aktien, Immobilien, Derivaten, Devisentradings und Private Equity
- zum anderen Ausweitung der Geldmenge zwecks Finanzierung der
Schuldenaufnahme des Staates durch Staatsanleihen und andere
Schuldverschreibungen.
Verschuldung zwecks Aufhebelung (leverage) von Finanzanlagen
Öffentliche Gesamtschulden in Industrieländern
Japan 1950-2009 (Bln Yen)
USA 1940-2010 (Bln US-Dollar)
Staatsschulden = Anleihevermögen
Staatsschuldenkrise = Platzen einer weiteren Überinvestmentblase (credit bubble),
der Megablase öffentlicher Schuldverschreibungen
Wer sind die Nutznießer, solange die Staaten zahlungsfähig sind?
Banken
 50 %
Fonds und Versicherungen
 40 %
Private Haushalte
 10 %
Besitz öffentlicher Schuldverschreibungen
10%
Banken In- u Ausland
50%
40%
Fonds u Versicherungen
Privathaushalte
Quellen: ECB, Monthly Bulletins, Table 6.2.1 – Bruegel, Sovereign Bond Holdings 2013 -
Unbegrenzt Geld, ungebremste Märkte
Warum versagen die Geld- und Kapitalmärkte immer wieder, anstatt, wie
die Banking-Lehre es behauptet, ein selbstbegrenzendes Gleichgewicht
zu finden?
 Grund: Modernes Geld ist reines Zeichengeld, das frei 'aus dem
Nichts' erzeugt wird. Modernes Geld besitzt keinen natürlichen
Wertanker bzw Knappheitsanker.
Banken und FI leben von Zinsen auf vergebene Kredite, Kapitalgewinnen
auf Finanzaktiva sowie Gebühren/Provisionen im Handel mit letzteren.
Sie haben von daher ein starkes Eigeninteresse an der Ausweitung von
Krediten, Finanzaktiva, Schulden und Giralgeld.
Für diejenigen, die die Befugnis oder Macht dazu haben, ist es 'rational',
auch gegen besseres Wissen überschießend viel Geld zu erzeugen
(durch Finanzierung von Krediten, Wertpapieren, insb. Staatsschulden,
Immobilien u.a.), weil sie die Vorteile für sich hier und jetzt sofort
realisieren, in der Erwartung, dass die Nachteile (Inflation, Blasen, Krisen)
zu einem späteren Zeitpunkt alle treffen.
Unbegrenzt Geld, ungebremste Märkte
Warum bremst die Zentralbank nicht das Geldmengenwachstum?
 Geldmengenpolitik ist im bestehen System unmöglich, denn Initiative
zur Giralgeldschöpfung liegt bei den Banken. Die Zentralbanken
re-finanzieren fraktional im Nachgang immer die Fakten, welche die
Banken zuvor geschaffen haben.
Würden sie es nicht tun, geriete der Zahlungsverkehr und damit die
Wirtschaft ins Stocken.
Unbegrenzt Geld, ungebremste Märkte
Warum bremst die Zentralbank nicht das Geldmengenwachstum?
 Zinspolitik ist nur wenig wirksam, denn
- Banken-Nachfrage nach Reserven ist kurzfristig nicht zins-elastisch.
- Refinanzierungs-Kosten von nur 2,5% können auf die 100% an
Umsätzen bzw Geldbeständen nur einen minimalen Einfluss haben.
- Auch und gerade hohe Zinsen halten Banken nicht davon ab, ihre
Bilanzen zu erweitern. Zinsmarge dann eher höher als geringer.
- Das Zinsniveau hängt nicht von Zentralbank- und Interbanken-Zinsen
ab, sondern von den Finanzmärkten (Assetmärkten, Vermögensm.)
Eher folgen die Zentralbankzinsen dem Zinstrend als dass sie ihn
bestimmen.
- Für die Inflationsrate gilt dies umso mehr.
Probleme und Fehlfunktionen des heutigen Giralgeldregimes




Im bestehenden Giralgeldregime sind die Banken die bestimmende
monetäre Macht, nicht die Zentralbanken.
Die Zentralbanken refinanzieren die Banken stets nach Maßgabe des
von den Banken angemeldeten Bedarfs.
- Bzgl der Ausweitung der Bankbilanzen bzw Geldmengen besteht ein
System-immanentes Geld- und Kapitalmarktversagen.
- Bzgl der nicht ausgeübten Mengenkontrolle des Geldes durch die
Zentralbanken und der überbordenden Staatsverschuldung, das die
Banken bereitwillig finanzieren, besteht Staatsversagen in
Kombination mit Marktversagen.
Im Fall einer systemischen Krise sind Zentralbanken und Regierungen
gezwungen, bedrohte Banken zu stützen. Es handelt sich um ein
staatlich gestütztes bzw staatlich rückversichertes BankenGiralgeldregime. Daran wird sich durch lfd Neureglementierungen im
wesentlichen nichts ändern. Lediglich wird das System immer
bürokratischer und komplizierter.
Ergo: Dieses System ist reformbedürftig
Probleme und Fehlfunktionen des heutigen Giralgeldregimes
Das bestehende Giralgeldregime ist

unnötig kompliziert und unverständlich

Die Giralgeldschöpfung durch Kreditausstellung und Wertpapier- sowie
Sachwertkäufe der Banken befindet sich außer Kontrolle. Sie verläuft
prozyklisch und insg. überschießend, und erzeugt damit
- Inflation, ggf Währungsabwertung, und Asset Inflation
- extreme Konjunktur- und Finanzmarktzyklen, die sich immer wieder in teils
auch sehr schweren, Banken- und Finanzkrisen entladen

Giralgeld ist insoweit instabiles und in Krisen unsicheres Geld.

Das BIP-disproportionale Wachstum von Geldmengen und Geldvermögen
verschärft die ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung zugunsten
von Kapitaleinkünften zulasten von Arbeitseinkommen

ordnungspolitisch gesehen bedeutet die Giralgeldmonopol des Bankensektors
ein unlauteres, neofeudales Privileg:
- Sondervorteile in Form (a) vermiedener Finanzierungskosten sowie
(b) impliziter staatlicher Bestandsgarantie
- Der öffentlichen Hand entgehen hohe Summen an Seigniorage.
- im Krisenfall müssen Staat bzw Steuerzahler für systemisch relevante
Banken einstehen.
Ergo: Dieses System ist reformbedürftig
Übergang von Giralgeld zu Vollgeld
Eine nachhaltige Stabilisierung des Bankensektors und der Finanzwirtschaft wird trotz aller Maßnahmen nicht gelingen, solange nicht
eine lückenlose Kontrolle über die Geldmenge erlangt wird, denn
 Geld bestimmt die Finanzen
 die Finanzen bestimmen die gesamte Wirtschaft.
Um die Finanzwirtschaft in Ordnung zu bringen, muss man zuerst
das Geldsystem in Ordnung bringen – durch einen Übergang
von Giralgeld zu Vollgeld.
Geld bestimmt die Finanzen, die Finanzen bestimmen die Wirtschaft
Realwirtschaft
Finanzwirtschaft
Geldsystem
Reform der Geldordnung:
Übergang von Giralgeld zu Vollgeld,
Zentralbank als Monetative
Übergang von Giralgeld zu Vollgeld
Vollgeld steht für vollgültiges gesetzliches Zahlungsmittel
(auch 'unbeschränktes gesetzliches Zahlungsmittel').
Münzen (vom Finanzministerium) und Banknoten (von der Zentralbank)
sind Vollgeld, ebenso Zentralbank-Reserven (Guthaben der Banken bei
der Zentralbank);
nicht jedoch Giralgeld (Sichtguthaben auf Girokonten). Dieses ist
ein Geldsurrogat, jedenfalls ist es privates Bankengeld im Unterschied
zu staatlichem Zentralbankgeld.
Eine Vollgeldreform ersetzt das Giralgeld durch Vollgeld. Es macht
damit heute mit unbarem Geld (Buchgeld, E-Geld) das Gleiche was
mit Papiergeld im 19. Jhd geschah:
die bis dahin privaten Banknoten wurden ausgeschleust und ersetzt
durch das Banknotenmonopol der Zentralbank, wie es heute existiert.
Übergang von Giralgeld zu Vollgeld
Eine Vollgeldreform beinhaltet drei Komponenten
1. Ausdehnung der Monopole auf Münzen (FiMinist) und Banknoten
(Zentralbank) auf Buchgeld (heutiges Giralgeld der Banken), also
künftigen Vollgeldguthaben auf Geldkonten und elektronischen
Speichern (E-Geld)
2. Beendigung der Giralgeldschöpfung (durch Bilanz-Ausgliederung
der Girokonten; die betreffenden Bank-Verbindlichkeiten nicht
mehr täglich fällig an die Kunden sondern an die Zentralbank)
3. Seigniorage: Langfristige Inumlaufbringung neuen Geldes durch
staatliche Ausgaben (Originäre Seigniorage); ggf kurzfristige
Inumlaufbringung durch Zentralbankkredit an Banken (Zinsseigniorage).
Eine Vollgeldreform stellt die staatliche Geldhoheit uneingeschränkt
wieder her.
Geldpolitisches Ziel einer Vollgeldreform
Wiedergewinnung der Kontrolle über die Geldmenge
Ermöglichung einer potenzialorientierten Geldmengenpolitik anstelle
der heutigen wenig wirksamen Leitzinspolitik der Zentralbanken.
Potenzialorientierte bzw kapazitätsorientierte Geldmengenpolitik
= Ausweitung der Geldmenge gemäß dem kurz- und langfristig zu
erwartenden Wirtschaftswachstum bei Auslastung der Kapazitäten.
Beinhaltet u.a.: Aufhebung des gesplitteten Geldkreislaufs
(Interbanken<>Publikum)
Stattdessen nur einen, integrierten Geldkreislauf unter Banken und
Publikum in gleicher Weise.
Aufhebung der monetären Aggregate M0, M1, M2, M3.
Stattdessen nur eine einzige Geldmenge M.
M2 und M3 wird Teil der Vermögens-Statistik (kufri Kapital = Finanztitel,
keine monetäre Position).
Einheitlicher Geldkreislauf
Seigniorage
Staat
Haushalte
Zentralbank
Kredit
Banken
u andere
Finanzinstitute
Firmen
u.a. realökonomische
Institutionen
Alles Geld ist Vollgeld (bar, unbar). Giralgeld und Reserven nicht mehr existent.
Unterschied Banken vs Nichtbanken nurmehr finanziell relevant, nicht mehr monetär.
Übergang von Giralgeld zu Vollgeld
1. Ausdehnung des staatlichen Geldmonopols auf unbares Geld
(Kontogeld, E-Geld)
Alles Geld wird gesetzliches Zahlungsmittel (Vollgeld),
geschöpft und in Umlauf gebracht von der unabhängigen
staatlichen Zentralbank (Monetative).
Der Übergang von Giralgeld zu Vollgeld stellt die staatliche
Währungs- und Geldhoheit vollständig wieder her 
Wiederherstellung der staatlichen Geldhoheit
Das Geldregal ist ein Hoheitsrecht, d.h. eine staatliche
Prärogative und eine Gewährleistungspflicht von
Verfassungsrang. Das Geldregal beinhaltet:
1. die Bestimmung der nationalen Währung als Preis- und
Recheneinheit
2. die Ausgabe der gesetzlichen Zahlungsmittel in dieser
Währung
3. die Realisierung des damit verbundenen Geldschöpfungsgewinns (der Seigniorage) zugunsten der öffentlichen
Kassen.
Vollständiges Geldregal
Ab einem bestimmten Stichtag…
… erhält die Zentralbank das ausschließliche Recht, zusätzlich zu
Münzen und Noten auch alle unbaren gesetzlichen Zahlungsmittel
zum Umlauf auf Geldkonten und mobilen Geldspeichern (E-Geld) in
Umlauf zu bringen (Erweiterung Art. 128 AEUV bzw. Art.16 EZB- und
ESZB-Satzung; §14 Bundesbankgesetz).
[ Nicht unbedingt erforderlich, aber erwägenswert: die Aufhebung
von Art. 123.1 AEUV (Verbot für die EU-Zentralbanken, auf direktem
Weg zur Staatsfinanzierung beizutragen) bzw Reformulierung zugunsten
der Möglichkeit der direkten Staatsfinanzierung im Rahmen gesetzlicher
Grenzen. ]
Übergang von Giralgeld zu Vollgeld
2. Beendigung und Ausschleusung von Giralgeld
Die Giralgeldschöpfung durch die Banken wird beendet:
Girokonten werden zu Geldkonten, die außerhalb der Bankbilanzen
in eigenem Recht geführt werden.
Gelder der Banken und der Kunden werden damit voneinander
getrennt.
Die Kunden sind im Vollbesitz ihres unbaren Geldes.
Kunden-Vollgeld ist durch Bankgeschäfte nicht mehr tangiert.
Übergang von Giralgeld zu Vollgeld
3. Inumlaufbringung neuen Geldes vorzugsweise durch
staatliche Ausgaben
Neues Geld sollte im Regelfall unverzinslich und unbefristet durch
öffentliche Ausgaben in den langfristigen Umlauf gebracht werden.
Bei Bedarf kann neues Geld auch per verzinslichem kurzfristigem
Zentralbank-Kredit an Banken (ggf auch an öffentliche Körperschaften) in Umlauf gebracht werden.
3. Volle Seigniorage
Vom Stichtag an…
… erzielt die Zentralbank die volle Seigniorage zugunsten der
öffentlichen Hand,
- sei es in Form von originärer Seigniorage, d.h. der Überlassung von
langfristig neu zu schöpfendem Geld zur freien Verfügung des
Staatshaushalts (analog dem traditionalen Münzregal),
- sei es als Zinsseigniorage, d.h. als Zentralbankgewinn aus der
Vergabe von kurzfristigen Darlehen an Banken (im Vergleich zu
heute ein erheblich erweiterter Gewinn).
Vollständiges Geldregal in Händen einer Monetative
Die Prärogative der Geldschöpfung ist eine hoheitliche Funktion,
auszuüben von einem speziellen staatlichen Organ: einer Monetative,
einer unabhängigen monetären Staatsgewalt; unabhängig, ähnlich
den Gerichten, gegenüber Begehrlichkeiten von Parlament und
Regierung (nur dem Gesetz verpflichtet), aber auch gegenüber den
privaten Gewinn- und Machtinteressen von Banken und anderen MFIs.
Die unabhängige Zentralbank wird als oberste Geld- und Währungsbehörde zu einer solchen vierten Gewalt im Staat, zur Monetative.
Sie besitzt volle Kontrolle über das Geld und gewährleistet damit die
wichtigste Voraussetzung einer stabilen Finanzwirtschaft.
Die Monetative (Zentralbank) steuert die Geldmenge diskretionär
gemäß dem erwartbaren Wachstumspotenzial und anderen geldpolitisch
relevanten Faktoren. Knappheitsanker ist also die reale Produktivität
(Hauptindikatoren BIP und Inflation/Deflation), nicht Gold, Ländereien,
Rohstoffe oder dergleichen.
Folgen und Vorteile einer
Vollgeldordnung
Vorteile einer Vollgeldreform
Der Übergang von Giralgeld zu Vollgeld


erfordert ein Minimum an Veränderung. Er lässt die meisten
Strukturen und Praktiken unverändert.
Vorteile des bestehenden Systems, im Vergleich zu vorangegangenen
Zuständen, bleiben erhalten, zum Beispiel
• flexible und genügende Geldversorgung
• Erschwinglichkeit von Kredit
• Fristentransformation (d.h. Fristeninkongruenz statt Befolgung der
Goldenen Bankregel)
• Einfache Bezahl- und Überweisungsvorgänge sowohl im Inland als
auch international
• Konvertibilität der Währung
Zusätzlich realisiert eine Vollgeldreform fünf weitere bedeutende
Vorteile:

Vorteile einer Vollgeldreform im Vgl zu Problemen des Giralgeldes
1. Das Geldsystem wird einfach und transparent. Es wird so, wie fast jeder
es sich spontan vorstellt, ohne dass dem heute so ist.
2. Unbares Geld wird sicher ('unverschwindbar'). Zahlungsverkehr in
Bankenkrisen nicht mehr gefährdet. Staat u Gs nicht mehr erpressbar.
Aufgrund der effektiven Kontrolle der Geldmenge 
3. … keine monetäre Inflation.
4. … keine extremen Blasenbildungen, weil keine prozyklische Über- und
Untersteuerung des Geldangebots.
Verstetigter Geldfluss, gemäßigter Verlauf von Konjunktur- und Börsenzyklen. Kein zusätzlicher monetärer 'Treibstoff' für Spekulation (leverage).
5. Kein monetärer Automatismus zugunsten der Kapitaleinkommen
zulasten der Arbeitseinkommen.
6. Volle Seigniorage zugunsten der öffentlichen Hand (je nach Land in
Höhe von um 1–4% der öffentlichen Gesamthaushalte, teils auch höher)
7. Durch einmalige Übergangs-Seigniorage Abbau der Staatsschuld
(je nach Land zur Hälfte bis zwei Drittel).
Jahr
M1
 M1
 M1
 3 J.
1996
484
53
33
2000
574
17
31
2005
869
88
64
2010
1.305
104
114
2011
1.383
78
121
2012
1.582
199
127
2013
1.675
93
123
2014
1.788
113
135
Geldmenge M1 in Deutschland
in Mrd €
Potenzial der erwartbaren
Seigniorage
≈ in erster Annäherung als
Zuwachs von M1
Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsberichte,
Tabellen II.2.
Laufende Seigniorage bei BIP-proportionalem Geldzuwachs
Mrd SFr
Mrd €
EU-17
2012
2013
2014
D'land
2012
2013
2014
BIP
nachr.
M1
Interbanken
Giralgeld
zs.  M
Seigniorage
approx.
 M bei
 BIP 1-2-3 %
öffentl.
Gesamthaushalt
 M in % des
öff. Gesamthaushalts
9.505
9.603
5.105
517
5.390 1.121
5.622 56 – 112 – 169
6.511 65 – 130 – 195
4.741 1,2 – 2,4 – 3,6
4.773 1,4 – 2,7 – 4,1
2.666
2.738
2.904
1.582
1.675
1.788
1.697
2.023
2.301
1.194 1,5 – 2,9 – 4,4
1.223 1,6 – 3,3 – 5,0
1.294 1,8 – 3,5 – 5,3
115
348
513
17 – 34 – 51
20 – 40 – 61
23 – 46 – 69
Quellen: European Central Bank, Monthly Bulletin, Tables 2.3.1, 2.5.1, 5.2.1, 6.1.2 (www.ecb.int).
Deutsche Bundesbank, Monatsberichte, Tabellen II.1+2, IV.2, X.2 (www.bundesbank.de).
Einmalige Übergangs-Seigniorage EU-17, D
Mrd €
Mrd SFr
A1
Publikum
Giralgeld
A2
A
Interbanken Bestand M
Giralgeld
zu substit.
B
Staatsschuld
A/B
2009 EU17
D
3.744
1.014
312
129
4.425
1.255
7.120
1.767
62 %
71 %
2010 EU17
D
3.912
1.109
359
135
4.588
1.390
7.796
2.056
59 %
68 %
2011 EU17
D
3.943
1.366
390
115
4.970
1.406
8.219
2.088
60 %
67 %
2012 EU17
D
4.349
1.366
517
115
4.866
1.481
8.603
2.166
57 %
68 %
2013 EU17
D
4.480
1.448
1.121
348
5.601
1.796
8.892
2.147
63 %
84 %
2014 EU18
D
4.976
1.558
x
513
x
2.071
x
vorl. 2.155
x
96 %
Untypischer Effekt wg QE. Quellen: Europäische Zentralbank, Monthly Bulletins, Tab. 2.3.2 (SightDepos), 2.5.1
(Interbk Deposits), 6.2.1 (Public Debt). - Deutsche Bundesbank, Monatsberichte, Tab. II.2+3 (Sichteinl), IV.3
(Interbk-Sichteinl), III.2 (Reserven EU+D), X.1 (Staatsschulden).
internationalmoneyreform.org
(ca. 30 Initiativen)
vollgeld.de
sovereignmoney.eu
monetative.de
vollgeld.ch
posititivemoney.org.uk
monetary.org (USA)
Geldsystem in der Krise
Vollgeld als nachhaltige Alternative
Hochschule für Technik Stuttgart
23 April 2015
Prof Dr Joseph Huber
Em. Lehrstuhl für
Wirtschaftssoziologie
Martin Luther Universität
Halle an der Saale
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