Teilchenidentifikation mit Cherenkov-Detektoren Masterseminar I, 2013 Teilchenidentifikation mit Cherenkov-Detektoren Andreas Düdder∗ Johannes Gutenberg-Universität Mainz Betreuerin: Prof. C. Sfienti Motivation Der Aufbau der Materie durch die Elementarteilchen wird mit dem Standardmodell, beziehungsweise der Erweiterung, der großen vereinheitlichenden Theorie, beschrieben. Um die Annahmen dieser Modelle zu untersuchen und die offenen Parameter in den Theorien zu bestimmen, werden Experimente mit Teilchenkollisionen durchgeführt. In diesen Experimenten werden die Ladung, die Spur, der Impuls und die Energie der entstehenden Teilchen vermessen. Außerdem ist es nötig die Teilchen zu identifizieren. Im folgenden sollen verschiedenen Möglichkeiten zur Teilchenidentifikation vorgestellt werden. Dabei wird insbesondere auf Cherenkov-Detektoren als eine Möglichkeit der Teilchenidentifikation eingegangen. I. Einleitung Teilchen können durch die Bestimmung ihrer Ruhemasse m0 identifiziert werden. Die Masse des Teilchens ist aber in den Experimenten der Teilchenphysik nicht direkt messbar. Der Impuls eines Teilchen ist gegeben durch p = γm0 c = p m0 c 1 − β2 , (1) v c. mit β = Wurde der Impuls bestimmt, kann die Ruhemasse also nach der Messung von β oder γ berechnet werden. Aus diesem Grund sind Methoden zur Teilchenidentifikation Methoden zur Messung von β oder γ. Abhängig vom Impuls der Teilchen, gibt es dafür verschiedenen Möglichkeiten. der Messtrecke, der das Stoppsignal liefert. Die gemessenen Zeiten können dann mit einem Mehrkanalanalysator in elektronische Signale umgewandelt werden. Für p2 m2 c2 ergibt sich die Flugzeitdifferenz für zwei Teilchen der Massen m1 und m2 zu ∆t = (m21 − m22 ) Flugzeitmethode Die Flugzeitmethode ist eine Teilchenidentifikationsmethode für Teilchen mit Impulsen kleiner als 2 GeV. Bei dieser Methode wird die Geschwindigkeit direkt gemessen, indem die Zeit, in der das Teilchen eine bestimmte Strecke zurücklegt, gemessen wird. Dies geschieht mit einem Szintillatordetektor zu Beginn der Messstrecke, der das Startsignal eines Zeitamplitudenkonverters liefert, und einem am Ende (2) Diese Flugzeitdifferenz muss zur Teilchenidentifikation größer als die Detektorauflösung sein. Bei einer Auflösung von 300 ps muss zur Trennung von Pionen und Kaonen mit einem Impuls von p = 2 GeV c die Detektorlänge L = 13 m betragen. Dies zeigt die Einschränkung des Impulsbereichs für diese Methode. I.2. I.1. Lc . 2p2 dE dx -Bestimmung Eine Möglichkeit zur Bestimmung der relativen Geschwindigkeit β ist die Bestimmung des Energieverlust in Materie. Dieser wird in Ionisationskammern gemessen. Für Impulse p < 1 GeV c gilt dE 1 ∼ 2. dx β (3) Der Verlauf des Energieverlust, abhängig vom Impuls der Teilchen, ist in Abb. 1 dargestellt. ∗ [email protected] 1 Teilchenidentifikation mit Cherenkov-Detektoren Man sieht deutlich, dass die Kurven für Pionen und Myonen sehr dicht zusammen liegen. Eine Trennung dieser Teilchen wird mit dieser Methode also nur schwer möglich sein. Auf Grund ihres geringen Wechselwirkungquerschnitts mit Materie können Myonen jedoch einfach am äußeren Detektorrand nachgewiesen werden, da sie die einzigen Teilchen sind, abgesehen von Neutrinos, die in den nachfolgenden Detektoren allerdings nicht nachgewiesen werden können, die auch eine Eisenabschirmung durchdringen können. Masterseminar I, 2013 Annäherung der Ladung an die Grenzfläche ändert. Die Änderung des Dipolmoments geht mit Strahlungsemmision einher. Die Intensität der emittierten Strahlung I ist proportional zum Lorentzfaktor γ. Da dieser im Gegensatz zu β für große Geschwindigkeiten keine asymptotisches Verhalten zeigt, können mit dieser Methoden auch Teilchen großer Impulse identifiziert werden. II. Cherenkovstrahlung Cherenkovstrahlung wird emittiert, falls sich ein Teilchen mit einer Geschwindigkeit v Teilchen bewegt, die größer ist als die Lichtgeschwindigkeit im umgebenden Medium v Teilchen > Abbildung 1: Abhängigkeit des Energieverlust in Materie vom Impuls der Teilchen. [1] Die gemessenen Energiewerte unterliegen einer Landau-Verteilung. Diese hat einen Ausläufer zu hohen Energien, der die Zuordnung erschwert. Aus diesem Grund wird der Energieverlust häufig in ca. 100 aufeinanderfolgenden Detektorlagen gemessen und die Analyse dann mit den 40-60 % der kleinsten Messwerte durchgeführt. Mit dieser Mehrfach- dE dx Bestimmung können Teilchen mit Impulsen von bis zu 100 GeV c identifiziert werden. I.3. Übergangsstrahlung Mit Hilfe der Übergangsstrahlung können Teilchen mit großen Impulsen identifiziert werden. Übergangsstrahlung wird erzeugt, falls ein Teilchen vom optisch dünneren ins optische dichtere Medium übergeht. Dabei wird in dem dichteren Medium eine Spiegelladung erzeugt. Diese bildet zusammen mit der eigentlichen Ladung ein Dipolmoment, dass sich bei der 2 c . n (4) In diesem Fall wird die Ladung im Medium ein lokales Dipolmoment induzieren (Abb. 2). Dieses Dipolmoment kommt zu Stande, da sich die Elektronen der Moleküle des Mediums von der Ladung weg orientieren werden. So entstehen atomare Dipolmomente, die sich mit der Bewegung des Teilchens durch Strahlungsabgabe umorientieren. Für Teilchengeschwindigkeiten, die kleiner sind als die Lichtgeschwindigkeit im Medium, mit der die Änderung der atomaren Dipolmomente abläuft, ergibt sich eine um die Ladung symmetrische Verteilung der atomaren Dipolmomente, sodass die Strahlung aus der Änderung der Momente destruktiv interferiert. Für Geschwindigkeiten, die größer sind als die Lichtgeschwindigkeit jedoch, ist die Verteilung der atomaren Dipolmomente asymmetrisch, sodass ein lokales Dipolmoment, dass sich mit dem Teilchen im Medium bewegt entsteht. Die Verschiebung dieses resultierenden Dipolmoment führt zur Emission der Cherenkovstrahlung. Teilchenidentifikation mit Cherenkov-Detektoren - + + + - + + - +- + + + ++ c n - + - + - + -+ ++ (a) v < - +-+++ - - + + + + + + ++ + - + - - verwendeten Radiatormaterialien und der Sensitivität der Photomultiplier, die zur Auslese des Cherenkovlichts genutzt werden. - - -+ ++ + - + + - - + + + ++ - + + + - - + ++ - + + + - + ++ + - - (b) v > + - II.1. c n Abbildung 2: Orientierung der atomaren Dipolmomente im Medium für Teilchengeschwindigkeiten kleiner und größer der Lichtgeschwindigkeit im Medium Die Cherenkovstrahlung wird unter einem festen Cherenkovwinkel θC von cos θC = 1 βn (5) emittiert. Dieser Winkel lässt sich anschaulich aus dem Huygenschen Prinzip ableiten (Abb. 3). An jedem Punkt der Teilchenbahn entsteht eine Elementarwelle, die sich mit der Lichtgeschwindigkeit im Medium v Licht = nc ausbreitet. Den Cherenkovwinkel kann man nun aus dem Verhältnis der Strecke, die das Licht und das Teilchen in einer festen Zeit t zurückgelegt hat, bestimmen (6) - Die einfachste Art der Teilchenidentifikation mittels des von ihnen ausgesendeten Cherenkovlichts ist die Ausnutzung der Cherenkovschwelle (Gl. 4). Diese Bedingung ist nach Gleichung 1 abhängig von der Ruhemasse der Teilchen. Zur Unterscheidung von Teilchen wird untersucht, in welchen Radiatormaterialien sie zur Emission von Cherenkovstrahlung führen (siehe Abb. 4). Dieses Verfahren kann, eingeschränkt durch den Brechungsindex des Radiatormediums, für Teilchenimpulse bis p =10 GeV c genutzt werden. Abbildung 4: Teilchenunterscheidung mit Schwellendetektoren. Während Pionen in allen Radiatoren zur Strahlungsemission führen, wird beim Durchgang von Protonen des gleichen Impulses nur in einem Radiator Strahlung emittiert. [2] II.2. +-+++ Differentieller Detektor - + + - 1 . βn - - - + + + + + - + -+ + - + + -+ - + - + + + + -+ - + ++ +-+++ - - = βct + - + - - - + + + + + - + -+ + - + + -+ - + - + + + + -+ - + + - - - + - +-+++ - - - + + + + + - + -+ + - + + -+ - + - + + + + -+ - + + - - - - + + + + + - + -+ + - + + -+ - + - + + + + -+ - + ++ - -+ ++ - - - - θC - -+ ++ + - - +-+++ - -+ ++ - c nt - xWelle x Teilchen = Schwellendetektor - -+ ++ x Licht cos θc = Masterseminar I, 2013 - xTeilchen Abbildung 3: Skizze zur Ausbreitung der Cherenkovstrahlung Die Anzahl erzeugten Photonen ergibt sich bei der Berücksichtigung von Wellenlängen von 400 nm < λ < 900 nm zu N ∼ 490 L sin2 θC . (7) Die Einschränkung des Wellenlängenbereichs beruht auf dem Transmissionsvermögen der Bei einem differentiellen Detektor wird der Cherenkovwinkel gemessen. So reicht im Gegensatz zu Schwellendetektoren ein Radiatormedium aus. Das emittierte Cherenkovlicht wird mit Spiegeln und Linsen fokussiert und dann mit einer Blende der gewünschte Winkelbereich ausgewählt (siehe Abb. 5). Da so mit jedem Detektor nur ein Winkelbereich bestimmt werden kann, sind zur Trennung mehrere Teilchen auch wieder mehrere Detektoren nötig. Ein weiterer Nachteil ist, dass der Winkel zu einer festen Achse gemessen wird. Die Teilchen müssen also parallel zu dieser Achse in den Detektor treffen. So wird dieser Detektor3 Teilchenidentifikation mit Cherenkov-Detektoren Masterseminar I, 2013 typ vor allem zur Strahlteilchenidentifikation eingesetzt. Eine Teilchenidentifikation ist für Impulse bis p =100 GeV c möglich. Abbildung 6: Funktionsprinzip eines RICH-Detektors. [2] Abbildung 5: Aufbau eines differentiellen Cherenkovdetektors. [3] II.3. RICH-Detektor Abbildung 7: Cherenkovring [2] Eine Weiterentwicklung des differentiellen Detektors zu beliebigen Einfallsrichtungen ist der RICH (Ring Imaging Cherenkov Detector). Bei diesem Detektortyp wird das parallel einfallende Cherenkovlicht durch einen sphärischen Spiegel auf einen Punkt fokussiert. Der Detektor wird dann mit Photomultipliern in der Fokalebene ausgelesen. Der Kegel der Chrenkovstrahlung wird dabei auf einen Ring abgebildet (Abb. 7). Das einfachste Bauprinzip ist ein sphärischer Spiegel mit Radius RS um den Wechselwirkungspunkt (Abb. 6). Der Ring wird dann auf einer Sphäre mit Radius 12 RS abgebildet. Dies hat jedoch den Nachteil, dass die Lichtauslese in der Teilchenflugbahn stattfinden muss. Dadurch kommt es zu einer Schauerbildung an dem Material der Bauteile zur Auslese. Aus diesem Grund werden RICHDetektoren mit Spiegelsystemen konstruiert, die die Cherenkovringe außerhalb der Teilchenflugbahn abbilden. 4 II.4. DIRC-Detektor DIRC-Detektoren (Detection of Internal Reflected Cherenkov light) sind Ring-ImagingDetectoren, die in Zentralspektrometern verwendet werden können. Ein RICH-Detektor benötigt eine Auslese in der Fokalebene des sphärischen Spiegels, was bei eine 4π-Detektor zu zu viel Material im Akzeptanzbereich führen würde. Ein DIRC-Detektor nutzt daher das Lichtleiterprinzip um die Cherenkovringe außerhalb des Akzeptanzbereichs abzubilden. Das erzeugte Cherenkovlicht wird in Quarzstäben, die gleichzeitig das Radiatormaterial bilden, durch Totalreflexion zu den Endkappen des Zentralspektrometers geleitet und dann dort zu den Ringen fokussiert (Abb. 8). Dabei müssen allerdings hohe Anforderungen hinsichtlich der Planarität der Oberfläche an die Radiatorstäbe gestellt werden. Bei der Reflexion an einer rauhen Oberfläche ginge nämlich Teilchenidentifikation mit Cherenkov-Detektoren die Winkelinformation verloren. Masterseminar I, 2013 Intensität der Übergangsstrahlung der Lorentzparamter γ = √ 1 2 bestimmt werden. Eine 1− β Übersicht über die verschiedenen Möglichkeiten zur Teilchenidentifikation abhängig vom Impuls der einfallenden Teilchen ist für die Pion-Kaon-Trennung in Abbildung 9 gegeben. Abbildung 8: Funktionsprinzip eines DIRC-Detektors. [4] III. Zusammenfassung Die Identifikation von Teilchen, das heißt die Bestimmung ihrer Ruhemasse ist nicht direkt möglich. Aus diesem Grund wird die Ruhemasse aus dem Impuls berechnet. Hierzu muss β = vc bestimmt werden. Dies ist mit Flugzeitdetektoren, der Messung des spezifischen Energieverlusts in Materie oder Cherenkovdetektoren möglich. Cherenkovdetektoren nutzen die für Teilchengeschwindigkeiten, die größer als die Lichtgeschwindigkeit im Medium sind, erzeugte Cherenkovstrahlung aus. Dabei kann einerseits nur das Auftreten solcher Strahlung untersucht werden (Schwellendetektor) oder andererseits auch der Cherenkovwinkel bestimmt werden (differentieller Detektor, RICH, DIRC) Für große Impulse kann außerdem aus der Abbildung 9: Möglichkeiten zur Teilchenidentifikation abhängig vom Teilchenimpuls. [2] Literatur [1] Konrad Kleinknecht: Detectors for Particle Radiation. 2.Auflage, Cambridge Univ. Press, 1998 [2] Claus Grupen: Teilchendetektoren. BI.-Wiss.Verlag, 1993 [3] T. Neumer: Cherenkov-Effekt; Schwellendetektor; differentieller Cherenkov-Detektor, 2010 [4] J. Schwiening: The DIRC-Detector for the PANDA Experiment at FAIR 5