Verkehrssicherheit – dringender Handlungsbedarf Die Schieflage beim Vormerksystem (Punkteführerschein) ist rasch zu beseitigen. Pressegespräch Prof. Knoflacher Datum: 9.8.2006 Ort: Cafe Landtmann, Wien Inhalt Verkehrssicherheit – dringender Handlungsbedarf .................................................. 1 Inhalt....................................................................................................................... 1 Zusammenfassung .................................................................................................. 2 Zur Logik des Punktesystems.................................................................................. 4 Vergleich mit anderen europäischen Ländern ....................................................... 5 Unfallstatistik ....................................................................................................... 5 Punktesysteme .................................................................................................... 6 Unfallrisiko.............................................................................................................. 6 Anhang....................................................................................................................... 9 Das österreichische Vormerksystem ...................................................................... 9 Allgemein............................................................................................................ 9 Vormerkdelikte ................................................................................................... 9 Führerscheinentzugsdelikte in Österreich............................................................ 10 Der spanische Punkteführerschein ....................................................................... 10 Der französische Punkteführerschein ................................................................... 12 Der englische Punkteführerschein........................................................................ 12 Der deutsche Punkteführerschein......................................................................... 12 Physikalische Grundlagen .................................................................................... 13 Details aus der österreichischen Unfallstatistik..................................................... 15 Bahnübergänge................................................................................................. 15 Ungeschützte Verkehrsteilnehmer .................................................................... 15 Schwerfahrzeuge............................................................................................... 16 Vergleich des Schadenspotentials mit der Unfallstatistik ..................................... 17 Literatur ................................................................................................................ 18 Kontakt: Univ. Ass. Dipl. Ing. Dr. Paul C. Pfaffenbichler Technische Universität Wien Institut für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik Gußhausstr. 30/231 A-1040 Wien Tel.: +43 (1) 58 801 231 14 Fax: +43 (1) 58 801 231 99 Email: [email protected] Web: www.ivv.tuwien.ac.at 1 von 18 Zusammenfassung Das Unfallrisiko auf österreichischen Straßen übersteigt den Durchschnitt der EU15 um mehr als das Doppelte. Das Risiko getötet zu werden ist um etwa 10 % höher als der EU Durchschnitt, um 50% höher als in der Schweiz und Deutschland und um rund 100% höher als in England und Schweden. Offensichtlich ist es mit den bisherigen Maßnahmen nicht gelungen, die Verkehrssicherheit in Österreich auf das internationale europäische Niveau anzuheben. Mit der Einführung des Vormerksystems wurde zwar eine Verbesserung erzielt, es bestehen aber weiterhin erhebliche Lücken. Das Schadenspotential eines Unfallereignisses steigt mit der kinetischen Energie, also dem Quadrat der Geschwindigkeit. Die Wahrscheinlichkeit eines Unfalleintritts steigt ebenfalls überproportional mit der Geschwindigkeit. Bei Geschwindigkeiten ab etwa 30 km/h überschreiten Fahrzeuglenker zudem die Grenzen ihrer evolutionär vorgegebenen Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit. Nur eine dem Risiko proportionale Kompensation durch Ordnungsmaßnahmen, wie ein Vormerksystem, Führerscheinentzug und sonstige Strafen, kann das Unfallrisiko wirksam reduzieren. Der Vergleich des österreichischen Vormerksystems mit in anderen europäischen Ländern eingeführten und bewährten Punktesystemen zeigt zwei wesentliche Mängel auf: a. die nicht adäquate Berücksichtigung der Geschwindigkeitsüberschreitungen und b. die Unterbewertung des Unfallrisikos durch Gefahrenguttransporte in Tunnel. Die Geschwindigkeit als zentraler Faktor des Unfallrisikos hat in allen Ländern, in denen Punkteführerscheine eingeführt wurden, im Ortsgebiet bereits ab einer Überschreitung um 20 km/h Folgen im Punktesystem. Bei Überschreitungen von 20 bis 30 km/h sind es in Spanien zwei Punkte, bei 30 bis 40 km/h drei Punkte, bei 40 bis 45 km/h vier Punkte und darüber sechs Punkte. In Deutschland ein Punkt bei über 20 km/h, bei über 25 km/h drei Punkte bzw. Führerscheinentzug bei Wiederholung, bei Überschreitungen von über 40 km/h vier Punkte und Führerscheinentzug. In Österreich passiert in Bezug auf das Punktesystem bis 40 km/h Tempoüberschreitung im Ortsgebiet nichts! Ab 40 km/h Überschreitung (das bedeutet erst ab 90 km/h im Ortsgebiet!) erfolgt ein Führerscheinentzug. Vorschlag des Institutes: Das Vormerksystem muss der physikalischen Realität Rechnung tragen. Die Physik macht keine politischen Kompromisse. Korrektur des Vormerksystems: eine Vormerkung bei Tempoüberschreitungen ab 20 km/h, eine Überschreitung um 30 bis 40 km/h zählt wie zwei Vormerkungen und bewirkt deshalb unmittelbar eine Nachschulungsmaßnahme. Bei Überschreitungen um mehr als 40 km/h erfolgt wie bisher Führerscheinentzug. (In der Schweiz wird bereits bei 30 km/h Tempoüberschreitung der Führerschein entzogen.) 2 von 18 Das enorme Risiko, das aus dem Transport gefährlicher Güter in Tunnelanlagen resultiert, wird im derzeitigen Vormerksystem geradezu fahrlässig gehandhabt. Soll dem verursachten Risiko nur einigermaßen Rechnung getragen werden, dann muss die „Missachtung des Fahrverbotes für Kfz mit gefährlichen Gütern in Tunnelanlagen“ und die „Übertretung der Verordnung über Beschränkungen für Beförderungseinheiten mit gefährlichen Gütern beim Befahren von Autobahntunnels“ aus den Vormerkdelikten in die Führerscheinentzugsdelikte verlegt werden. Begründung: a. Das enorme Schadenspotential für Menschen und Gesellschaft und b. Es handelt sich um Berufskraftfahrer, also einem Personenkreis mit besonders hoher Verantwortung. Nach Auffassung des Institutes geht es aber nicht nur um physikalisch bedingte Risken, sondern auch um Risken, die die Gesundheit des Menschen beeinträchtigen und zum vorzeitigen Tod führen können. Dazu gehören Abgas- und Lärmbelastungen aus dem Straßenverkehr. Das Vormerkdelikt „Lenken eines Kraftfahrzeuges, dessen technischer Zustand eine Gefährdung der Verkehrssicherheit darstellt“, sollte ergänzt werden durch „dessen technischer Zustand eine unzumutbare Lärm- oder Abgasbelastung zur Folge hat“. Zu Recht wird die Nichteinhaltung des Sicherheitsabstandes bei den Vormerkdelikten, ja sogar unter den Führerscheinentzugsdelikten geführt – obwohl dies in der Praxis kaum überwachbar ist. Unzumutbare Lärmbelastung dagegen ist in der Praxis wesentlich leichter zu messen, stellt ein Risikopotential mit Langfristwirkungen dar und wäre daher ebenso in das Vormerksystem aufzunehmen. 3 von 18 Zur Logik des Punktesystems Zweck eines Führerscheinpunktesystems ist die Änderung des Verhaltens der Verkehrsteilnehmer hin zu weniger Risiko. Das Risiko resultiert aus zwei Komponenten: a. den physikalischen Gegebenheiten und Gesetzen (siehe dazu im Anhang Seite 13) und b. dem rücksichtslosen Verhalten gegenüber Mensch und Umwelt. Jedes effiziente Punktesystem hat den folgenden Prinzipien zu folgen: a. Verringerung des physikalischen Risikos, welches durch Masse und Geschwindigkeit bestimmt ist, entweder durch die Wahl eines geeigneten Verkehrsmittels oder durch die Reduktion der Geschwindigkeit. b. Reduktion der Rücksichtslosigkeit im Straßenverkehr durch ein klares, lebenserhaltendes Wertesystem, das den Prinzipien folgt: Leben und Gesundheit der Menschen (und der Natur) haben eindeutig Vorrang vor finanziellem Gewinn, Bequemlichkeit, Gedankenlosigkeit und Vergnügen. Die wissenschaftliche Analyse des österreichischen Vormerksystems zeigt, dass diese fundamentalen Prinzipien unzureichend beachtet werden. Das bestehende Vormerksystem entspricht elementaren, logischen Anforderungen nicht. Damit kann die beabsichtigte Wirkung einer Erhöhung der Verkehrssicherheit nicht erreicht werden. Um nur die wichtigsten Mängel hervorzuheben: • Durch die Ausklammerung der Geschwindigkeit aus den Vormerkdelikten wird das physikalische Risiko nicht ausreichend angesprochen. • Durch die nicht adäquate Ahndung unzulässiger Gefahrguttransporte durch Tunnel wird sowohl dem physikalischen Risiko wie auch der Rücksichtslosigkeit nicht entgegengewirkt. Ein wirksames Vormerk/Punktesystem wirkt sowohl präventiv wie auch kurativ. Präventiv nach außen, indem es die Verkehrssicherheit erhöht und kurativ nach innen auf die Verkehrsteilnehmer, indem es hilft, deren Fehlverhalten zu vermeiden. 4 von 18 Vergleich mit anderen europäischen Ländern Unfallstatistik Im Vergleich mit den Ländern der EU-25 schneidet Österreich im Bezug auf Verkehrssicherheit schlecht ab. Die Zahl der Unfälle mit Personenschaden bezogen auf die Einwohnerzahl ist etwa doppelt so hoch wie der Durchschnitt der EU-25. Österreich belegt in dieser Statistik den vorletzten Platz. Nur Slowenien hat mehr Unfälle je Einwohner als Österreich. Die Zahl der Getöteten je Million Einwohner liegt in Österreich etwa 12% über dem EU-25 Durchschnitt. Von den EU-15 Staaten liegen Belgien, Spanien, Luxemburg, Griechenland und Portugal hinter Österreich. Alle neuen Mitgliedstaaten der EU haben höhere Getötetenraten als Österreich. Unfälle Getötete EU-25 Schnitt EU-25 Schnitt 250 6,000 200 5,000 150 4,000 3,000 100 2,000 50 1,000 0 Getötete je Million Einwohner im Jahr 2004 Unfälle mit Personenschaden je Million Einwohner im Jahr 2004 7,000 0 DK FI PL FR EL LV IE SK EE LU NL SE HU ES CZ CY LT MT UK IT DE PT BE AT SI Quelle: Europäische Kommission (http://ec.europa.eu/transport/roadsafety/index_en.htm) und Statistisches Jahrbuch Österreichs 2006 Abbildung 1: Vergleich der Zahl der Unfälle mit Personenschaden und Getöteten je Million Einwohner in der EU-25 5 von 18 Punktesysteme Anders als in Österreich beinhalten die Punktesysteme in Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Spanien das Delikt Geschwindigkeitsübertretung. Abbildung 2 zeigt einen Vergleich der Folgen des Vergehens Geschwindigkeitsübertretung im Ortsgebiet. 100 90 Führerscheinentzug Führerscheinentzug 6 Punkte (Entzug bei Wiederholung) 4 Punkte 3 Punkte Geschwindigkeit (km/h) 80 2 Punkte 70 Keine Punkte 4 Punkte & Entzug 4 Punkte 3 Punkte 3 Punkte (Entzug bei Wiederholung) 1 Punkt 2 Punkte Keine Punkte 60 Keine Punkte Keine Punkte 1 Punkt 50 40 30 Limit Limit Limit Limit Limit Österreich Schweiz Spanien Deutschland Frankreich 20 10 0 Abbildung 2: Vergleich der Konsequenzen des Delikts Übertretung der Geschwindigkeitsbeschränkung im Ortsgebiet Unfallrisiko Risiko ist immer Schadensausmaß mal Eintrittswahrscheinlichkeit. Bei einem Unfall hängt das Schadensausmaß von der involvierten Bewegungsenergie (kinetische Energie) ab. Diese steigt linear mit der Masse und quadratisch mit der Geschwindigkeit (siehe Abbildung 3 und Abbildung 6). Die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls nimmt mit dem Bremsweg und der Querbeschleunigung in Kurven zu. Auch diese hängen quadratisch von der Geschwindigkeit ab. Die Geschwindigkeit ist daher der das Unfallrisiko dominierende Einflussfaktor und MUSS in einem effektiven Vormerk/Punktesystem Berücksichtigung finden. Die Vormerkungen/Punkte müssen quadratischen Anstieg des Risikos mit der Geschwindigkeit reflektieren. D.h. die Konsequenzen müssen progressiv mit der Höhe der Übertretung zunehmen. In Spanien, Frankreich und Deutschland ist dies auch der Fall (Abbildung 5). 6 von 18 120 Bewegungsenergie (kJ) 100 80 Radfahrer Pkw 60 40 20 0 0 10 20 30 40 50 60 Geschwindigkeit (km/h) Abbildung 3: Vergleich der Bewegungsenergie eines Radfahrers und eines Pkw 3,500 Bewegungsenergie (kJ) 3,000 2,500 2,000 Pkw Lkw 1,500 1,000 500 0 0 20 40 60 80 100 120 Geschwindigkeit (km/h) Abbildung 4: Vergleich der Bewegungsenergie eines Pkw und eines Lkw 7 von 18 7 6 Punkte 5 4 Spanien Frankreich 3 2 1 0 0 20 40 60 80 100 Geschwindigkeit (km/h) Abbildung 5: Progressiver Anstieg der Punktezahl für das Delikt Geschwindigkeitsübertretung im Ortsgebiet in Spanien und Frankreich 8 von 18 Anhang Das österreichische Vormerksystem Quelle: http://www.help.gv.at/Content.Node/4/Seite.041030.html Allgemein Am 1. Juli 2005 ist das Vormerksystem (Maßnahmen gegen Risikolenker und Risikolenkerinnen) in Kraft getreten. Es kennt 13 risikobehaftete Vormerkdelikte. Daneben bleiben die so genannten Führerscheinentzugsdelikte und Verwaltungsstrafen bestehen. Bei einer Begehung eines Vormerkdelikts ist Folgendes vorgesehen: 1. Mal: Vormerkung 2. Mal: Maßnahme 3. Mal: Entzug von mindestens drei Monaten. Bei der ersten Begehung eines Vormerkdeliktes wird ein Eintrag im Örtlichen Führerscheinregister durchgeführt. Nach zwei Jahren wird diese nicht mehr berücksichtigt. Bei der zweiten Begehung eines Vormerkdelikts innerhalb von zwei Jahren wird von der Behörde eine geeignete Maßnahme angeordnet. Maßnahmen sind: • Teilnahme an Nachschulungen, • Perfektionsfahrten, • Fahrsicherheitstrainings oder • Teilnahme an Vorträgen und Seminaren über Ladungssicherheit. Vormerkdelikte • • • • • • • • • • Lenken oder Inbetriebnahme von Kfz mit einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,5 bis weniger als 0,8 Promille Lenken oder Inbetriebnahme von Kfz mit einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,1 bis weniger als 0,5 Promille bei C-Lenkern und C-Lenkerinnen Lenken oder Inbetriebnahme von Kfz mit einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,1 bis weniger als 0,5 Promille bei D-Lenkern und D-Lenkerinnen Behinderung am Schutzweg bei Gefährdung eines Fußgängers oder einer Fußgängerin Nichtbeachtung des Zeichens "Halt", wenn Vorrangberechtigte zu unvermitteltem Bremsen oder Ablenken genötigt und dabei gefährdet werden Nichtbeachtung des Rotlichtes bei Gefährdung anderer Befahren des Pannenstreifens und dadurch Behinderung von Einsatzfahrzeugen Missachtung des Fahrverbots für Kfz mit gefährlichen Gütern in Tunnelanlagen Übertretungen der Verordnung über Beschränkungen für Beförderungseinheiten mit gefährlichen Gütern beim Befahren von Autobahntunneln Übertretungen des vorschriftsmäßigen Verhaltens bei Eisenbahnkreuzungen, insbesondere 9 von 18 • • • o ein Übersetzen der Eisenbahnkreuzung zu versuchen, wenn nach der Lage des Straßenverkehrs (z.B. bei Verkehrsstockung) ein Anhalten auf der Eisenbahnkreuzung erforderlich werden könnte, o Schranken unbefugt zu betätigen, geschlossene Schranken zu übersteigen, zu umfahren oder zu umgehen oder sich sonst unbefugt in den abgesperrten Raum zu begeben. Lenken eines Kfz, dessen technischer Zustand oder nicht entsprechend gesicherte Beladung eine Gefährdung der Verkehrssicherheit darstellt Nichtbeachtung der Vorschriften über die Kindersicherung Nichteinhaltung des Sicherheitsabstandes von 0,2 bis 0,4 Sekunden Führerscheinentzugsdelikte in Österreich • • • • • • • • • Lenken oder Inbetriebnahme von Kfz mit einem o Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 bis weniger als 1,2 Promille oder o durch Suchtmittel beeinträchtigter Zustand Lenken oder Inbetriebnahme von Kfz mit einem Alkoholgehalt des Blutes von 1,2 bis weniger als 1,6 Promille Lenken oder Inbetriebnahme von Kfz o mit einem Alkoholgehalt des Blutes von 1,6 Promille oder mehr oder o Verweigerung der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt wiederholtes Lenken oder Inbetriebnahme von Kfz mit einem Alkoholgehalt von 0,5 bis weniger als 0,8 Promille innerhalb von 12 Monaten Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit um mehr als o 40 km/h innerhalb des Ortsgebiets o 50 km/h außerhalb des Ortsgebiets oder o Überschreitung der Geschwindigkeit von 180 km/h, sofern dies mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde Autobahn: o Fahren gegen die Fahrtrichtung o Umkehren o Rückwärtsfahren o Halten oder Parken auf dem Fahrstreifen Lenken eines Kfz unter besonders gefährlichen Verhältnissen, insbesondere o erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten, Schutzwegen oder Radfahrerüberfahrten o Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen Unterlassen, nach einem durch das Lenken eines Kfz selbst verursachten Verkehrsunfalls, bei dem eine Person verletzt wurde, sofort anzuhalten oder erforderliche Hilfe zu leisten oder herbeizuholen Nichteinhaltung des Sicherheitsabstandes bis 0,2 Sekunden Der spanische Punkteführerschein Quelle: http://www.permisoporpuntos.es/, Zugriff: 11.07.2006; 15:33 10 von 18 Der Spanische Punkteführerschein trat 2006 in Kraft. Im Spanischen Punkteführerscheinsystem beträgt die Anfangspunktezahl 12 (8 wenn der Führerschein vor weniger als 3 Jahren erworben wurde). Von diesem Konto werden für begangene Delikte Punkte abgezogen. Tabelle 1: Punkte nach Delikten in Spanien Punktezahl 2 3 4 6 Vergehen Parken und Halten in gefährlichen Zonen und auf Verkehrsflächen die dem öffentlichen Verkehr vorbehalten sind Verwendung eines Gerätes zur Ortung von Radargeräten Fahren ohne Licht wenn es vorgeschrieben wäre oder missbräuchliche Verwendung des Lichts Mitnahme von unter 12-Jährigen auf Motorrädern oder Mopeds Geschwindigkeitsübertretung von 21 bis 30 km/h Fahrtrichtungswechsel der nicht den Vorschriften entspricht Mobiltelefonieren ohne Freisprecheinrichtung, Verwendung von Kopfhörern oder anderen Geräten, die die Aufmerksamkeit beeinträchtigen Nicht Einhalten des Sicherheitsabstands Fahren ohne Gurt, Helm oder anderen vorgeschriebenen Sicherheitsvorrichtungen Geschwindigkeitsübertretung von 31 bis 40 km/h Fahren mit einem nicht dafür zugelassenen Fahrzeug auf der Autobahn Überschreiten der zugelassenen Personenzahl um 50% oder mehr Inbetriebnahme eines Fahrzeuges, ohne den entsprechenden Führerschein dafür zu besitzen Aus dem Fenster werfen von Gegenständen die Brände oder Unfälle auslösen können Rücksichtsloses, andere gefährdendes Fahren Geschwindigkeitsübertretung um mehr als 40 km/h aber nicht mehr als 50% der erlaubten Höchstgeschwindigkeit Überfahren eines Stoppschildes oder einer roten Lichtsignalanlage, Nichtrespektieren des Vorranges von Fußgehern Gefährliches, den Gegenverkehr behinderndes Überholen, Überholen an Stellen oder unter Umständen mit nicht ausreichender Sichtweite Gefährdung oder Behinderung von Radfahrern Fahren gegen die vorgeschriebene Richtung auf Autobahnen und Schnellstraßen Nichtbeachten der Signale von Verkehrspolizisten Fahren mit einem Blutalkoholgehalt von 0,25 mg/l bis 0,50 mg/l (Berufsfahrer 0,15 mg/l bis 0,30 mg/l) Erhöhen der Geschwindigkeit oder Ausführen gefährdender Manöver beim Überholt werden Fahren mit einem Blutalkoholgehalt von mehr als 0,50 mg/l (Berufsfahrer 0,30 mg/l) Fahren unter dem Einfluss von Drogen oder anderen beeinträchtigenden psychoaktiven Stoffen Teilnahme an illegalen Rennen Verweigerung von Alkohol- oder Drogentests Geschwindigkeitsübertretung um mehr als 50% der erlaubten Höchstgeschwindigkeit, mindestens aber um 30 km/h Berufsfahrer, die die erlaubten Lenkzeiten um mehr als 50% überschreiten oder die vorgeschriebenen Ruhezeiten um mehr als 50% unterschreiten 11 von 18 Der französische Punkteführerschein Quelle: http://www.permisoporpuntos.es/, Zugriff: 11.07.2006; 15:33 In Frankreich wurde der Punkteführerschein bereits im Jahr 1992 eingeführt. Das französische System basiert ebenfalls auf einer Anfangspunktzahl von 12 von der je nach begangenen Delikten Punkte abgezogen werden. Tabelle 2: Punkte nach Delikten in Frankreich Punktezahl 1 2 3 4 6 8 Vergehen Überfahren einer Sperrlinie Falsche Verwendung der Beleuchtung Geschwindigkeitsübertretung bis 20 km/h Geschwindigkeitsübertretung 20 bis 30 km/h Mobiltelefonieren während des Fahrens Beschleunigen beim überholt werden Halten auf einer Autobahn oder Schnellstraße Geschwindigkeitsübertretung 30 bis 40 km/h Fahren auf der linke Spur ohne Grund Halten an einer gefährlichen Stelle Nicht anlegen des Sicherheitsgurts Nicht verwenden des Sturzhelms Geschwindigkeitsübertretung über 40 km/h Überfahren eines Stoppschildes oder einer roten Ampel Fahren unter Alkoholeinfluss oder Verweigerung der Alkoholkontrolle Verursachung eines Unfalls unter Alkoholeinfluss Fahrerflucht Der englische Punkteführerschein Quelle: http://www.permisoporpuntos.es/, Zugriff: 11.07.2006; 15:33 Der englische Punkteführerschein ist seit 1982 in Kraft. Im englischen System werden die Punkte aufsummiert. Erreicht ein Fahrer mehr als 12 Punkte, dann wird der Führerschein entzogen. Im englischen System gibt es drei Typen von Verkehrsdelikten: Typ A: sehr schwer (z.B. Fahren unter Alkoholeinfluss), zieht den sofortigen Führerscheinentzug nach sich Typ B: mittelschwere Verfehlungen (z.B. nicht Anlegen des Sicherheitsgurtes, Geschwindigkeitsübertretungen), mit Punkten geahndet Typ C: leichte Verfehlungen (z.B. Falschparken), nur mit Bußgeldzahlung bestraft Der deutsche Punkteführerschein Quelle: http://www.kba.de/, Zugriff: 02.08.2006; 10:48 Der deutsche Punkteführerschein ist seit 1999 in Kraft. Auch im deutschen System werden die Punkte aufsummiert. Lenker mit mehr als 18 Punkten verlieren ihren Führerschein. Der deutsche Punktekatalog ist äußerst umfangreich. Ein Kritikpunkt am deutschen System ist daher auch die ausufernde Bürokratie. In Tabelle 3 sind beispielhaft die Punkte für das Vergehen Geschwindigkeitsübertretung dargestellt. 12 von 18 Tabelle 3: Punkte für das Delikt Geschwindigkeitsübertretung in Deutschland BKatNr. *) Delikt Punkte FaPKate gorie**) Regelsatz EUR Fahrverbot 11.3.4 11.3.4 11.3.5 Zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten mit anderen Kraftfahrzeugen (z. B. PKW, Motorrad) geschlossene Ortschaften 21 - 25 km/h - innerhalb 21 - 25 km/h - außerhalb 26 - 30 km/h - innerhalb 1P 1P 3P A A A 50 40 60 11.3.5 26 - 30 km/h - außerhalb 3P A 50 11.3.6 11.3.6 31 - 40 km/h - innerhalb 31 - 40 km/h - außerhalb 3P 3P A A 100 75 nein nein nein; ja ***) nein; ja ***) ja nein; ja ***) ja ja ja ja ja ja ja ja 11.3.7 41 - 50 km/h - innerhalb 4P A 125 11.3.7 41 - 50 km/h - außerhalb 3P A 100 11.3.8 51 - 60 km/h - innerhalb 4P A 175 11.3.8 51 - 60 km/h - außerhalb 4P A 150 11.3.9 61 - 70 km/h - innerhalb 4P A 300 11.3.9 61 - 70 km/h - außerhalb 4P A 275 11.3.10 über 70 km/h - innerhalb 4P A 425 11.3.10 über 70 km/h - außerhalb 4P A 375 *) BKat-Nr. = Bußgeldkatalog-Nummer **) FaP = "Fahrerlaubnis auf Probe". A und B bezeichnet die FaP-Kategorie (A steht für schwerwiegende und B für weniger schwerwiegende Zuwiderhandlung). ***) Ein Fahrverbot kommt in der Regel in Betracht wenn gegen den Führer eines Kraftfahrzeuges wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h bereits eine Geldbuße rechtskräftig festgesetzt worden ist und er innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft der Entscheidung eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h begeht (§ 4 Abs. 2 Bußgeldkatalog-Verordnung). Physikalische Grundlagen Das Schadenspotential eines Ereignisses steigt mit der kinetischen Energie: (1) Ekin = m* v2 2 Die kinetische Energie Ekin (1) nimmt linear mit der Masse m und quadratisch mit der Geschwindigkeit v zu. Bsp.: ein Lastzug mit 38 Tonnen Gesamtgewicht hat bei gleicher Geschwindigkeit ein 38 mal höheres Schadenspotential als ein Pkw mit 1000 Kilogramm Gesamtgewicht. Ein 100 km/h schnelles Fahrzeug hat bei gleichem Gesamtgewicht ein viermal so hohes Schadenspotential wie ein 50 km/h schnelles Fahrzeug. Die Ursache eines Unfalls ist entweder, dass der Fahrer durch zu hohe Zentrifugalbeschleunigungen (2) die Kontrolle über das Fahrzeug verliert oder dass der 13 von 18 Bremsweg (3) zu lange ist. Beide Größen steigen quadratisch mit der Geschwindigkeit an. (2) Fz = m * v2 R (3) sb = v * t R + v2 2* a Mit der Zunahme der Querbeschleunigung und des Bremsweges steigt der Handlungsbedarf des Fahrzeuglenkers. Die Handlungsmöglichkeiten sind durch die menschlichen Wahrnehmungsfähigkeiten begrenzt. Beim Zusammenstoss zweier Körper (hier vereinfachend als elastische Körper angenommen) bewegen sich die beiden Körper kurz nach dem Zusammenstoss mit gleicher Geschwindigkeit c (4). Dabei verschwindet kinetische Energie (5). Diese wandelt sich Verformungsenergie, Wärme und Federarbeit um. m1 * v1 + m2 * v 2 (4) c = m1 + m2 ( ) 1 1 m * m2 2 (5) ΔE = * m1 * v12 + m2 * v 22 − m1 * c 2 − m2 * c 2 = * 1 * (v1 − v 2 ) 2 2 m1 + m2 Nach dem Zusammenstoss bewegen sich die beiden Körper mit den Geschwindigkeiten c1 (6) und c2 (7). Der leichtere, „schwächere“ Körper erfährt dabei viel höhere Beschleunigungen und Verformungen als der schwerere Körper. (6) c1 = (m1 − m2 )* v1 + 2 * m2 * v2 m1 + m2 (m − m1 )* v 2 + 2 * m1 * v1 (7) c 2 = 2 m1 + m2 Bsp.: Kollision eines 50 km/h schnellen 38 Tonnen schweren Lkws mit einem stehenden 100 kg schweren Fußgeher (elastischer Stoss). (38000 − 100)* 50 + 2 * 100 * 0 m km 3,6 =13,8 = 49 ,7 c Lkw = 38000 + 100 s h (100 − 38000)* 0 + 2 * 38000 * 50 m km 3,6 = 27 ,7 = 99 ,7 c FG = 38000 + 100 s h 14 von 18 Details aus der österreichischen Unfallstatistik Bahnübergänge Im Jahr 2005 ereigneten sich ca. 0,4% aller Straßenverkehrsunfälle an Bahnübergängen (Statistik Austria 2006b). Bedingt durch die Masse des Unfallgegners „Eisenbahn“ zeichneten sich diese Unfälle allerdings durch eine sehr hohe Unfallschwere aus. Etwa 3,4% aller Getöteten kamen bei Unfällen an Bahnübergängen ums Leben. Dies entspricht rund 144 Getöteten je 1000 Unfällen an Bahnübergängen. Damit weist die Unfallstelle Bahnübergang die mit Abstand höchste Unfallschwere auf (Abbildung 6). Eine Verankerung im Katalog der Vormerkdelikte erscheint daher sinnvoll. 160 Getötete je 1000 Unfälle 140 120 100 80 60 40 20 Fu ei Kr ßg än ge rz on e sv er ke hr G Ei e n R hs ba ad te hn fa ig /G hr st e hw re Fa ife eg hr n/ ba H R au hn ad sw m ,G eg it Sc ru nd hi en st üc en Kr St ks eu ra ei zu ße nf ah ng nb rt ah in sg nes ,B a us m ha t l te Ve st e rk lle Sc eh hu rs be tz w ru eg hi gt e Fa Zo ne hr U ba nt er hn fü en hr ge un g/ Ö T un rtl ic ne he l Ba Si us ch te tb lle eh in de N e r un Ba be g nf nk ah et Ba rb t/S ul a ei hn ic te h ns ge tre te ilt ife e n Fa hr Fa b hr ah ba n hn ku pp e Ba K hn ur ve üb er Br ga üc ng ke in sg es am t 0 Abbildung 6: Unfallschwere für die verschiedenen Unfallstellen im Jahr 2005; Quelle: (Statistik Austria 2006b), eigene Berechnungen Ungeschützte Verkehrsteilnehmer Aufgrund der großen Unterschiede in den Massen und Geschwindigkeiten sowie dem fehlenden passiven Schutz zeichnen sich Fußgeherunfälle durch eine besonders hohe Unfallschwere aus (Abbildung 7). Der Schutz der schwächeren Verkehrsteilnehmer muss daher im Vormerksystem besonders verankert sein. Durch das Vormerkdelikt „Behinderung am Schutzweg bei Gefährdung eines Fußgängers oder einer Fußgängerin“ ist dies auch geschehen. 15 von 18 Ortsgebiet Freiland Fußgängerunfälle Unfälle im Begegnungsverkehr Sonstige Unfälle mit zwei oder mehreren Beteiligten Alle Unfälle mit nur einem Beteiligten Unfälle mit haltenden oder parkenden Fahrzeugen Rechtwinkelige Kollisionen auf Kreuzungen beim Einbiegen Unfälle beim Abbiegen oder Umkehren - entgegengesetzte Richtung Rechtwinkelige Kollisionen auf Kreuzungen beim Queren Unfälle im Richtungsverkehr Unfälle beim Abbiegen oder Umkehren - richtungsgleich 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 Getötete je 1000 Unfälle Abbildung 7: Unfallschwere der verschiedenen Unfalltypenobergruppen; Quelle: (Statistik Austria 2006b), eigene Berechnungen Schwerfahrzeuge Entsprechend ihrer höheren Masse haben Schwerfahrzeuge ein höheres Schadenspotential. Entsprechend diesem höheren Schadenspotential müssen die gesetzlichen Regelungen für Lenker von Schwerfahrzeugen entsprechend strenger gestaltet sein. Die Unfallschwere von Unfällen mit Beteiligung von Lkws über 3,5 Tonnen ist etwa 3 mal so hoch wie die Unfallschwere von Unfällen mit Busbeteiligung oder ausschließlicher Beteiligung von Fahrzeugen unter 3,5 Tonnen (Abbildung 8). 16 von 18 90 Getötete je 1000 Unfälle 80 70 60 Lkw >3,5 t Bus Fahrzeuge <3,5 t 50 40 30 20 10 0 Ortsgebiet Gesamt Freiland Abbildung 8: Unfallschwere von Unfällen mit und ohne Beteiligung von Schwerfahrzeugen; Quelle: (Statistik Austria 2006b) Tabelle 8 und Tabelle 52, eigene Berechnungen Vergleich des Schadenspotentials mit der Unfallstatistik Abbildung 9 vergleicht die aus theoretischen, physikalischen Überlegungen abgeleiteten Schadenspotentials mit der in der Unfallstatistik beobachteten Unfallschwere. Entsprechend den theoretischen Überlegungen ist im Ortsgebiet das Schadenspotential eines Unfalles mit Lkw-Beteiligung rund 6,5 mal so hoch wie jenes eines Unfalles ohne Lkw-Beteiligung. Das in der Unfallstatistik beobachtete Verhältnis beträgt etwa 5,2. Im Freiland beträgt das Verhältnis des Schadenspotentials rund 3,4 und jenes der Unfallschwere rund 2,7. Das aus theoretischen Überlegungen abgeleitete Schadenspotential spiegelt somit die reale Unfallschwere sehr gut wieder. 17 von 18 Verhältnis Lkw-Beteiligung zu Pkw-Beteiligung 7 6 5 4 Unfallschwere Schadenspotential 3 2 1 0 Ortsgebiet Freiland Abbildung 9: Vergleich des Verhältnisses der Unfallschwere von Unfällen mit Schwerfahrzeugsbeteiligung zu Unfällen ohne Schwerfahrzeugsbeteiligung mit dem Verhältnis des Schadenspotentials (Bewegungsenergie); Quelle: (Statistik Austria 2006a; Statistik Austria 2006b), eigene Berechnungen Literatur Statistik Austria. (2006a). Statistik der Kraftfahrzeuge - Bestand am 31.12.2005, Statistik Austria, Wien, Statistik Austria. (2006b). Straßenverkehrsunfälle 2005, Statistik Austria, Wien, 18 von 18