Aufklärungsaktion über die Gefahren des Metabolisch

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Dokumentation der Referate
Organisatoren:
o Deutsche Herzstiftung,
o Dresdner Selbsthilfegruppe „Diabetes und Herz“,
o WHO-Projekt “Gesunde Städte“, Landeshauptstadt Dresden
Veranstaltungsort:
Rathaus Dresden, Festsaal,
13. 09. 2008; 09.30 - 13.00 Uhr
Inhalt
1.
Grußworte
1.1
Grußwort von S. Schmidt, Selbsthilfegruppe
„Diabetes und Herz“, Dresden
4
1.2
Grußwort von Martin Seidel, Beigeordneter für
Soziales der Landeshauptstadt Dresden
5
2.
3.
Anlagen
3.1
Kontakt zu Referenten und Organisatoren
25
3.2
Programm zur Veranstaltung
26
Dokumentation der Referate –
Auszüge bzw. Zusammenfassungen
2.1
Gefäßveränderungen bei Diabetes mellitus,
Referentin: Dr. med. M. Taut, CÄ, Klinik am Tharandter Wald, Niederschöna/OT Hetzdorf
6
2.2
Das Metabolisch-Vaskuläre Syndrom ist der „Silent
Killer Nr. 1“,
Referentin: Dr. med. U. Rothe, Fachkommission
Diabetes Sachsen;
TU Dresden, Universitätsklinikum
8
2.3
Die periphere arterielle Verschlusskrankheit bei
Diabetes mellitus signalisiert hohes Risiko für Herzinfarkt u. Schlaganfall,
Referent: Prof. Dr. med. habil. R. Sternitzky,
Praxisklinik „Herz und Gefäße“,
Akademische Lehrpraxis der TU Dresden 10
2.4
Sinnvolle Diagnostik u. zeitgemäße Therapie bei
herzkranken Diabetikern - Bedroht Diabetes
mein Herz?
Referent: Prof. Dr. med. habil. T. Lohmann,
Städtisches Krankenhaus Dresden-Neustadt
11
2.5
Aktuelles aus der Diabetes-Forschung - Regionale
Präventionsprojekte – Wie können Herzinfarkt und
Diabetes verhindert werden?
Referent: Dr. med. P. Schwarz, Medizinische Klinik
u. Poliklinik III, Universitätsklinikum Dresden;
Leiter des Tumaini-Instituts GbR
15
2.6
Aufgaben und Ziele des Tumaini-Instituts für Präventionsmanagement GbR,
Referent: U. Hühmer, Tumaini-Institut GbR 18
2.7
Gefahren des Metabolisch-Vaskulären Syndroms –
Dem diabetischen Fuß vorbeugen Amputationen verhindern,
Referent: Dr. med. A. Kirsten,
Städtisches Krankenhaus Dresden-Neustadt
19
2.8
Hinweise zur ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung
Referentin: A. Schwerdtfeger, Tumaini-Institut GbR
22
3
1. Grußworte
1.1 Grußwort von Siegfried Schmidt,
Selbsthilfegruppe „Diabetes und Herz“,
Dresden
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Bürgerinnen und Bürger der Stadt Dresden,
im Namen unserer Selbsthilfegruppe „Diabetes und Herz“
möchte ich Sie herzlich begrüßen.
Besonders möchte ich Herrn Bürgermeister Seidel begrüßen
und ihn zur Wahl zum Sozialbürgermeisters beglückwünschen.
Bedanken möchte ich mich für die Unterstützung bei Frau Dr.
Eberhard vom Sächsischen Sozialministerium sowie natürlich
bei allen Referenten, die aus verschiedenen Gesundheitseinrichtungen unserer Stadt und von außerhalb kommen.
Ein Dank geht auch an die Mitarbeiter des WHO-Projekts
“Gesunde Städte“ in Dresden, die uns bei der Organisation
dieser Aufklärungsveranstaltung unterstützt haben sowie an die
Mitarbeiter der Deutschen Herzstiftung, die Medien, das Dresden Fernsehen, die Krankenkassen, Apotheken, Kliniken und
nicht zuletzt an die Mitarbeiter aus den Gesundheitseinrichtungen der Landeshauptstadt, die heute an ihren Informationsständen im Erdgeschoss Beratungen und Messungen durchführen.
Ziel der Veranstaltung ist es, ein Zeichen zu setzen, um auf das
gefährliche Zusammentreffen von Übergewicht, Bluthochdruck,
Überernährung, Fett- und Zuckerstoffwechselstörungen sowie
mangelnde Bewegung hinzuweisen, das als Metabolischvaskuläres Syndrom bezeichnet wird. Dieses Syndrom, das mit
einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität und mit
einer Verringerung der Lebenserwartung verbunden ist, ist die
„Krankheit“ Nummer Eins in unserer Gesellschaft.
Die Initiierung der Veranstaltung erfolgte durch die Selbsthilfegruppe „Diabetes und Herz“, die sich mit den Gefahren dieses
Syndroms auseinandersetzt und deren 17 Mitglieder sich
regelmäßig treffen. Einige Worte zu dieser Selbsthilfegruppe,
deren Mitglied ich bin. Sie wurde im Oktober 2007 mit Hilfe und
Unterstützung von Ärzten und Mitarbeitern der Stadt in Dresden
Prohlis gegründet. Der Erfahrungsaustausch und das persönliche kennen lernen stand in den ersten Gesprächskreisen im
Vordergrund. Die Selbsthilfegruppe soll u. a. helfen, das
manchmal angeschlagene Selbstwertgefühl der Mitglieder zu
stärken, Mut zu machen und Kräfte zu wecken, die im Umgang
mit der Krankheit ständig gebraucht werden. Wir haben uns
vorgenommen, jede Gelegenheit zu nutzen, um uns zu bewegen. Wir wissen, dass die eigenverantwortliche Vorsorge einen
immer höheren Stellenwert erhält. So fahren wir weniger Auto,
laufen zum Einkaufen oder verlassen den Bus eine Haltestelle
eher, um nach Hause zu laufen. Gemeinsam macht unser Sport
mehr Spaß. Wir laden auch andere Bürger zu unseren Sportgruppen recht herzlich ein.
Hinter dem Fachbegriff Metabolisch-Vaskuläres-Syndrom
verbergen sich erhöhte Risiken insbesondere für Herzinfarkt,
Schlaganfall und Diabetes. Unser zentrales Anliegen ist, die
Bürger der Landeshauptstadt über die Gefahren dieses Syndroms aufzuklären und Aktionen und Projekte gemeinsam mit
unseren Partnern zu organisieren. So ist es z. B. nie zu spät,
sich selbst aktiv um den Typ-2-Diabetes zu kümmern, der
wesentlich durch Bewegungsmangel und falsche Ernährung
verursacht wird. Durch eine Veränderung des Lebensstils, das
heißt vor allem Reduzierung von Übergewicht und Steigerung
4
der körperlichen Bewegung, kann mittelfristig der Ausbruch der
Erkrankung erfolgreich verhindert bzw. hinausgezögert werden.
Ein Schlüssel zur wirksamen Prävention des metabolischvaskulären Syndroms liegt in einer gesunden Ernährung nach
dem einfachen Rezept:
!
mehr Obst und Gemüse,
!
mehr Vollkornprodukte und
!
mehr fettarme Milchprodukte.
Angesichts des dramatischen Anstiegs auf bald zehn Millionen
Betroffene allein in Deutschland brauchen wir einen Bewusstseinswandel. Die Bürger müssen mehr Eigenverantwortung
übernehmen. Wichtig ist für jeden Einzelnen, sein persönliches
Risiko zu kennen, um frühzeitig geeignete Gegenmaßnahmen
zu ergreifen. In Anbetracht der Zunahme von DiabetesErkrankungen auch in Sachsen und der fehlenden Möglichkeiten, Diabetes zu heilen, setzen wir gemeinsam mit allen Partnern in der Stadt den Schwerpunkt auf Prävention – also auf
Vorbeugung.
Unserer heutigen Veranstaltung wünsche ich einen guten
Erfolg.
1.2 Grußwort von Martin Seidel, Beigeordneter für Soziales der Landeshauptstadt
Dresden
Sehr geehrter Herr Schmidt, sehr geehrte Teilnehmerinnen und
Teilnehmer, werte Gäste,
im Namen der Landeshauptstadt Dresden heiße ich Sie herzlich willkommen.
Mit der Gründung der Europäischen Union und im Zuge voranschreitender Globalisierungsprozesse ist es auch für deutsche
Städte von zunehmendem Interesse, partnerschaftlich mit den
europäischen Nachbarn zusammenzuarbeiten, gemeinsame
Wege für neue Entwicklungen zu finden und den internationalen Vergleich nicht zu scheuen. Die Landeshauptstadt Dresden
beteiligt sich im Gesundheitsbereich mit verschiedenen Projekten in internationalen Städtenetzwerken. Im WHO-Projekt
„Gesunde Städte“ ist Dresden seit 15 Jahren vertreten und
arbeitet dort aktiv an der Umsetzung des Projektes mit.
Die Weltgesundheitsorganisation definiert Gesundheit als einen
Zustand körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens
und nicht allein als die Abwesenheit von Krankheit. Diese
Sichtweise menschlicher Gesundheit findet sich in allen Dresdner Stadtgesundheitsprofilen wieder und bedeutet, dass Gesundheitsberichterstattung nicht nur die Schau auf Entwicklungen und Krankheitsstatistiken ist, sondern ebenfalls eine Analyse sozialer Indikatoren.
Die Deutsche Herzstiftung ist seit 1993 Ansprechpartner für
Herz- und Kreislaufkrankheiten auch hier in Dresden und
Umgebung. Der Aufbau von sechs Selbsthilfegruppen spricht
dafür, dass ein reges Interesse auf diesem Gebiet besteht.
In einem gemeinsamen Projekt des WHO-Büros für „Gesunde
Städte“ und des Tumaini Institutes sind erste Schritte zur Früherkennung der Erkrankung vor allem bei sozial Benachteiligten
in Dresden unternommen worden.
Die heutige Veranstaltung ist ein weiterer Meilenstein zur
Aufklärung über die Gefahren von Adipositas, Bluthochdruck
und Fettstoffwechselstörungen. In verschiedenen Vorträgen
erfahren Sie aber auch neueste Erkenntnisse zur Diagnostik
bzw. zur Therapie von herzkranken Diabetikern oder erhalten
Ernährungshinweise für diabeteserkrankte Patienten um hier an
dieser Stelle nur einige Punkte zu nennen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich wünsche Ihnen für die heutige Veranstaltung einen guten
Verlauf, neueste Erkenntnisse und bedanke mich bei den
Veranstaltern für die Organisation des heutigen Gesundheitstages.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Typ 2 Diabetes, besser bekannt als Zuckerkrankheit, ist weltweit eine der häufigsten Stoffwechselerkrankungen, an der in
Deutschland momentan etwa 6 Millionen Menschen leiden.
Diese Zahl wird sich nach Expertenschätzungen im Jahr 2025
auf ungefähr 9 Millionen erhöht haben. Die Erkrankung beginnt
meist schleichend und verursacht zunächst wenige Beschwerden, führt aber langfristig zu schwerwiegenden Folgen: Fußamputationen, Erblinden, Dialysefälle, Herzinfarkte, Schlaganfälle.
Verbunden mit dem metabolischen Syndrom kommt es also
ebenso zu einem dramatischen Anstieg von Herz-KreislaufErkrankungen. Damit geht nicht nur ein Verlust an Lebensqualität einher, sondern auch eine Verkürzung der Lebenserwartung. Deshalb ist es dringend erforderlich der DiabetesPrävention einen höheren Stellenwert einzuräumen und diese
flächendeckend intensiv zu fördern.
Viele Menschen wissen nicht, dass sie ein erhöhtes Risiko
haben, an Diabetes zu erkranken. Deshalb ist neben einem
gesunden Lebensstil, der sich vor allem durch gesunde Ernährung und Bewegung auszeichnet, die Wahrnehmung von
Vorsorgeuntersuchungen wichtig, um die Früherkennung und
frühzeitige Behandlung zu ermöglichen. Neuere Studien zeigen,
dass der Typ 2 Diabetes und damit auch seine Folgen durch
entsprechende Behandlungsmaßnahmen verhindert werden
können.
Die Landeshauptstadt Dresden hat es sich mit dem Stadtratsbeschluss zum Aktionsprogramm „Gesundes und aktives
Altern“ in Dresden vom 24.01.2008 unter anderem zur Aufgabe
gemacht, sich an der Prävention von Diabetes mellitus Typ 2
und der Umsetzung des entsprechenden Sächsischen Gesundheitsziels zu beteiligen.
5
2. Dokumentation der Referate
2.1 Gefäßveränderungen bei Diabetes mellitus
Referentin: Frau Dr. med. M. Taut, CÄ, Klinik am Tharandter
Wald, Niederschöna/OT Hetzdorf
(Auszüge aus dem Vortrag wurden mit kleinen Veränderungen
„verschriftlicht“; Bestätigung der Referentin konnte aus Zeitgründen nicht erfolgen)
Was ist Diabetes?
Als „Diabetes mellitus“ wird eine Gruppe von Stoffwechselerkrankungen bezeichnet, die zu erhöhten Blutzuckerwerten führt.
Zu unterscheiden sind vor allem die beiden Typen
!
Typ-1-Diabetes (insulinabhängiger Diabetes mell.): wird
durch den absoluten Mangel am Hormon Insulin verursacht. Meist beginnt die Erkrankung im Kindes- und Jugendalter, kann sich aber auch erst im fortgeschrittenen
Alter entwickeln.
!
Typ-2-Diabetes (nicht insulinabhängiger Diabetes mell.):
beginnt langsam und beruht auf einer zunehmenden Unempfindlichkeit der Zellen gegenüber Insulin. Mit dem Alter erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, an Typ 2-Diabetes
zu erkranken - deshalb wurde früher auch vom „Altersdiabetes“ gesprochen. Diese Bezeichnung ist nicht mehr angebracht, da sich der Trend abzeichnet, dass immer mehr
jüngere übergewichtige Menschen erkranken.
Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang Prädiabetes. Diese
beginnende Stoffwechselstörung, die Vorstufe des Diabetes, ist
durch Insulinresistenz und gestörte Glukosetoleranz gekennzeichnet. Bei vielen Prädiabetikern kommt ein erhöhter Blutdruck hinzu. Weil der Zustand des Prädiabetes aber (noch)
nicht als krankhaft eingestuft wird und überdies weit verbreitet
ist, wird er von Patienten und Ärzten oft ignoriert.
Welche Bedeutung hat Insulin?
Insulin ist für den Transport von Zucker (Glukose) in die Körperzellen verantwortlich. Fehlt Insulin oder sind die Zellen
unempfindlich gegenüber Insulin, dann „hungern“ diese und
Zucker bleibt im Blut, wird über den Urin ausgeschieden u. ist
dort nachweisbar.
Wie häufig kommt Diabetes vor?
Diabetes–Erkrankungen nehmen zu - vor allem Typ 2 Diabetes
und Prädiabetes. 8 bis 10 Prozent der Bevölkerung in Deutschland sind derzeit an Diabetes erkrankt bzw. es liegt eine Vorstufe vor. Weltweit sieht es nicht viel anders aus. Bis 2020 ist ein
Zuwachs von 46 % zu erwarten.
Wieso ist Diabetes auch eine Gefäßerkrankung?
Der Diabetiker verstirbt heute kaum noch an einer Unter- oder
Überzuckerung sondern eher an Gefäßveränderungen. Er
verstirbt vor allem an Herzinfarkt und Schlaganfall, an den
Folgen der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit und an
Nierenveränderungen bzw. -versagen.
Welche Veränderungen treten durch Diabetes am Gefäßsystem auf?
Die Gefäßveränderungen bei Diabetes u. dessen Folgeerkrankungen sind nicht nur darauf zurückzuführen, dass zu viel
Zucker im Blut ist sondern es sind eine Reihe anderer Störungen, die in unterschiedlicher Häufigkeit und Ausprägung vorliegen und dadurch zu Veränderungen am Gefäßsystem führen.
Es kommt zu zusätzlichen Veränderungen in Folge
!
der Anwesenheit von zu viel Fett im Blut - viele Patienten
sind übergewichtig,
6
!
von Bluthochdruck,
!
vom Rauchen.
Diese Veränderung der Blutzusammensetzung führt zu Hyperfibrinogenämie (erhöhter Fibrinogengehalt des Blutes) sowie zu
Entzündungen im Bereich der Innenschicht des Gefäßsystems.
Dieses ist dreischichtig aufgebaut und in Anwesenheit dieser
verschiedenen Risikofaktoren kommt es zu unterschiedlichen
Ausprägungen der Veränderungen innerhalb der Gefäße. Wir
unterscheiden die Veränderungen an den kleinen und den
großen Gefäßen.
!
Bei den kleinen Gefäßen sind vor allem die Augengefäße,
die Nierengefäße, die Gefäße der Geschlechtsorgane, der
Nerven und der Füße betroffen.
!
Bei den großen Gefäßen sind es vor allem die hirnzuführenden Gefäße, die kardiovaskulären Gefäße, die zu Erkrankungen am Herzen führen sowie die Gefäße der langen Beine.
Welche Veränderungen und Folgen treten an einzelnen
Organen bzw. Organsystemem auf?
!
Augen: Im fortgeschrittenen Stadium treten bei fast allen
Patienten Sehstörungen auf. Der Patient sieht die Bilder
nicht mehr klar sondern verschwommen. Im Grunde genommen ist Retinopathie bei fast allen Diabetikern früher
oder später vorhanden. Nach 15 bis 20 Jahren haben
85% der Typ 2-Diabetiker eine diabetische Retinopathie
mit entsprechender Sehstörung oder sogar Blindheit. Folgen sind u. a. erhöhte Unfallgefahr und soziale Barrieren.
!
Hirngefäße: Die Veränderungen beginnen meist mit
Sehstörungen, Gesichtsfeldausfällen, Sprachstörungen,
Gefühlsstörungen oder Kraftlosigkeit in Armen und Beinen. Der Patient sollte sofort in die Klinik gebracht und
entsprechende Untersuchungen wie MRT1 oder CT2
durchgeführt werden. Manchmal sind es nur wenige Minuten, dass solche Gefühls-, Sprach- oder Sehstörungen
anhalten – manchmal sind es einige Stunden. Der Patient
muss nach Einlieferung in die Klinik unverzüglich diagnostiziert werden. Oft ist die Ursache in einer Veränderung
der Halsgefäße zu sehen. Dort lösen sich kleine Partikelchen ab u. werden mit dem Blutstrom zum Gehirn verschleppt. Dadurch kann eine hochgradige Verengung der
Arterie erfolgen, die das Blut zum Gehirn bringt. Diese fast
nur millimeterbreite Zuflussmöglichkeit zum Gehirn muss
sofort operiert werden.
!
Sollten die Patienten einen Schlaganfall erlitten haben,
so werden sie auf eine Stroke Unit gebracht. Hier wird
versucht, den Schaden mit Medikamenten zu begrenzen.
Im weiteren Verlauf ist es oft so, dass Defektheilungen
bleiben wie Halbseitensymptomatik, Rollstuhlmobilisation,
Sehstörungen mit Gesichtsfeldausfällen. Die Patienten
haben eine umfassende Behandlung in Form von Physiotherapie, Ergotherapie, Sehtraining oder auch Sprachtraining nötig. Durch diese zerebrovaskulären Durchblutungsstörungen ist das Sterblichkeitsrisiko der Diabetiker
um das Dreifache erhöht.
!
Niere: Die Niere ist das Organ, das die harnpflichtigen
Substanzen zur Ausscheidung bringt, Wasser ausscheidet
und Albomine (Eiweiße) zurück hält. Bei Diabetikern
kommt es frühzeitig durch Gefäßveränderungen zu einer
Eiweißausscheidung, im fortgeschrittenen Stadium zu einer Blutarmut. Es kommt durch Enzymveränderungen u.
durch Flüssigkeitsüberlagerungen zu Bluthochdruck, zur
1
2
MRT = Magnetresonanztherapie,
CT = Computerthomographie
!
Vermehrung des Blutfettgehaltes so dass hier auch ganz
erhebliche Veränderungen vor allem der Lebensweise der
Diabetiker eintreten können. Ca. 1/3 der Diabetiker entwickeln eine solche Veränderung.
Diabetes ist heute die Hauptursache für die Neuzugänge
zur Dialyse. Durch diese wird dem Patienten das Blut entgiftet, d.h. vor allem werden die harnpflichtigen Substanzen entfernt, so dass ein normales Leben überhaupt möglich ist. Fast 60% aller Patienten mit einer solchen Niereninsuffizienz, die sich zur Transplantation anmelden, sind
Diabetiker.
Kleine und große lange Gefäße: Veränderungen an den
kleinen und an den großen langen Gefäßen führt zu einer
Mischform, der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit
(pAVK). Hauptdiagnostik zumindest im Anfangsstadium ist
der Blutdruck der Beine, der sogenannte corobrachiale
Index. Dieser wird ermittelt, indem man den Blutdruckwert
der Beine ins Verhältnis zum Armblutdruckwert setzt. Dieser Wert muss größer 1 sein, wenn pAVK vorliegt. Im Anfangsstadium ist das eine sehr gute Möglichkeit vorausschauend zu sagen, ob der Patient eine Durchblutungsstörung der Beine hat, die zunächst ohne Beschwerden
vorhanden ist. In fortgeschritteneren Stadien kommen
Beschwerden hinzu wie Ruheschmerzen bis hin zum Gewebeuntergang. Eine Gefäßdarstellung der Beine ist
manchmal kaum möglich, da es durch die gleichzeitig vorliegende Nierenerkrankung oft schwierig ist, Kontrastmittel
zu applizieren. Oft merken die Patienten gar nicht, dass
eine Durchblutungsstörung bzw. pAVK vorliegt, da z. B.
die entstandenen Druckstellen unter den Fußsohlen durch
eine Störung der Schmerzwahrnehmung gar nicht bemerkt werden und es deshalb zu größeren Veränderungen kommen kann. Die Diabetiker haben ein zwei- bis
dreifaches Risiko, eine pAVK zu erleiden. Ca. 1/3 der Diabetiker ist z. Z. daran erkrankt. Viele Diabetiker können
trotz entsprechender Behandlung nicht ausreichend gesund werden. Bei einigen ist es notwendig, dass eine Amputation vom Vorfuß oder auch der Unter- oder Oberschenkel erfolgt. Störungen der Stumpfheilung treten danach häufig auf. Anschließend muss Gleichgewichts-,
Prothesentraining usw. erfolgen mit erheblicher psychischer Belastung sowohl für die Betroffenen als auch für
deren Angehörige.
Was ist bei Herzerkrankung und Diabetes zu beachten?
Die Herzerkrankung, speziell der Herzinfarkt, äußert sich beim
Diabetiker anders als beim Nicht-Diabetiker. Oft fehlen z. B. die
typischen Angina pectoris–Beschwerden, Leitsymptom können
Übelkeit und Erbrechen sein. Herzinfarkt ist eigentlich ein
plötzlicher Verschluss eines zuführenden Gefäßes zur Herzmuskulatur in der eine Deckplatte einreißt. Mit dem vorbeiströmenden Blut kommt es kurzfristig zu einer entsprechenden
Blutpfropfbildung (Thrombus) und schließlich kommt es zum
Ausfall der Blutversorgung des dahinter liegenden Gewebes. Im
weiteren Verlauf kann der Patient dann eine schwere Herzinsuffizienz (Herzschwäche) entwickeln, weil dieses Muskelareal
nicht mehr an der Pumpleistung teilnimmt und das Blut nicht
mehr in die große Hauptschlagader auswerfen kann. Es kommt
zum Rückstau des Blutes in die Lunge und zur Luftnot.
In einigen Fällen ist es möglich, durch die Lysetherapie dieses
Gerinnsel aufzulösen, wenn die Patienten keine wesentlichen
Veränderungen am Augenhintergrund haben (kann ansonsten
zu Einblutungen führen). Man wird vor allem versuchen, einen
Herzkatheter einzuführen um die Engstelle zu finden und diese
dann mit dem Ballon zu erweitern. Dieser Ballon kann über die
Arm- oder Beingefäße bis kurz vor das Herz eingeführt und
dann in die verschlossene Herzarterie eingebracht werden.
Durch Aufblasen des Ballons wird das Gerinnsel dann wieder
geöffnet bzw. das thrombotische Material an den Rand ge-
drückt. Das Gefäß ist wieder frei und die Durchblutung kann
stattfinden. Man setzt heute auch Stents ein, BypassOperationen sind auch möglich. 70% aller Diabetes-Patienten
sterben derzeit trotz aller guter Technik an kardiovaskulären
Erkrankungen.
Wer gehört zu den Risikopatienten?
Es sind in erster Linie die dicken Patienten, die sich nicht
bewegen und die sich ungesund ernähren, Stress haben oder
rauchen. Vor allem der Bauchumfang ist wichtig und die Fettverteilung. Das SterblichkeitsBerechnung BMI: Dieser Wert
risiko von Patienten mit einem
wird errechnet, indem man das
Apfelformbauch ist höher als bei
!
Körpergewicht (in kg)
Patienten mit einem Birnendurch die
formbauch, bei denen das Fett
!
Körpergröße (in Metern,
mehr auf den Hüften liegt. Wir
zum Quadrat) teilt.
Deutschen sind in Europa fast
die dicksten, mehr als 20% der Männer und Frauen sind sogar
fettsüchtig. Mit dem Body Mass Index (BMI) kann man entsprechende Werte ausrechnen. Bei 180 cm Körpergröße haben Sie
bei 80 kg Gewicht ein Übergewicht, wenn Sie 96 kg wiegen
sind Sie schon fettsüchtig.
Was ist beim Blutdruck zu beachten?
Der Blutdruck ist eine Herausforderung für die Internisten und
Diabetologen, da durch die Veränderung der Nervenendigungen das Zusammenziehen der Gefäße nicht mehr richtig funktioniert. Eine entsprechend richtige Blutdruckeinstellung kann
deshalb zu orthostatischen Dysregulationen wie Schwindelanfällen oder „schwarz vor Augen werden“ führen und der Patient
wird die verschriebenen Medikamente nicht mehr einnehmen.
Rein statistisch muss man aber sagen, dass eine optimale
Blutdruckeinstellung mehr Nutzen hinsichtlich des Schutzes vor
HK-Erkrankungen bringt als die Blutzuckereinstellung.
Welche Behandlung ist bei Diabetes erforderlich?
Neben Schulung der Diabetiker sind Ernährungstherapie, viel
Bewegung, Gewichtsreduktion, Nikotinverzicht die Hauptsäulen
der Behandlung.
Was ist bei Prädiabetes zu beachten?
Viele Ärzte oder Patienten sagen „ach, es liegt nur ein bisschen
Diabetes“ vor, wenn ein Wert zwischen 6,1 und 7 mmol/Liter mit
dem Nüchternblutzucker oder zwischen 7,8 und 11,1 nach dem
Glukosebelastungstest vorhanden ist. Ttrotzdem muss der
Patient alle entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen einhalten,
denn in diesem Stadium schreitet die Arteriosklerose fort, vor
allem die der großen Gefäße und endet dann doch in dem
kardiovaskulären Krankheitsstadium. Der manifeste Diabetes
ist nur die Spitze des Eisberges. Es beginnt alles in unserer
Wiege. Die Diabetesgene bekommen wir in die Wiege gelegt
und wenn wir dann den entsprechenden falschen Lebensstil
haben, vergehen 10 bis 20 Jahre bis die Arteriosklerose beginnt
und man hat einen entsprechenden Prädiabetes und zum
Schluss dann die Manifestation des Diabetes.
Welche Kosten entstehen bei Diabetesbehandlung?
Der gesetzlich krankenversicherte Nichtdiabetiker verursacht im
Durchschnitt 1300 € Kosten/Jahr. Bei Diabetikern ohne Folgeerkrankungen ist es etwas mehr. Diejenigen, bei denen Veränderungen an den großen und kleinen Gefäßen vorliegen, haben
4,1-fach vermehrte Ausgaben im Vergleich zu Patienten ohne
Diabetes. Somit ist diese Erkrankung nicht nur ein medizinisches sondern auch ein ökonomisches Problem.
Vielen Dank.
7
2.2 Das Metabolisch-Vaskuläre Syndrom ist
der „Silent Killer Nr. 1“
Fachdisziplinen aus ganz Deutschland die Praxis-Leitlinie
MVS erarbeitet (s. Abb. 4).
Referentin: Dr. med. U. Rothe, Fachkommission Diabetes
Sachsen; TU, Universitätsklinikum
(Zusammenfassung des Vortrags # erhalten von der Referentin)
Das Metabolisch-Vaskuläre Syndrom (MVS) ist medizinisch und
gesundheitspolitisch bedeutungsvoll und der „stille Killer“ Nr. 1.
Das MVS, auch kurz „Metabolisches Syndrom“ oder
„Wohlstandssyndrom“ genannt, besteht aus einem Bündel
verschiedener Risikofaktoren für ein Herz- und Gefäß-Risiko:
zu großer Bauchumfang, Diabetes, Bluthochdruck und
erhöhte Blutfette (s. Abb. 1).
Abb. 3: Problem Leitlinienflut beim Hausarzt
Abb. 1: Tödliches Quartett
Die Praxis-Leitlinie MVS soll eine praktikable und komplexe
Handlungsanleitung für in der Praxis tätige, insbesondere
Hausärzte sein, um Betroffene frühzeitig zu erkennen und sie
rechtzeitig komplex zu behandeln, um Folgekrankheiten wie
den Herzinfarkt zu verhüten. Die Erzielung besserer Diagnostikund Therapieergebnisse erfordert eine effektive interdisziplinäre Zusammenarbeit der Ärzte und somit auch eine komplexe Praxis-Leitlinie MVS, die nicht an den Grenzen einer Fachrichtung Halt macht. Dabei wird der sog. Risiko-Patient mit
dem Syndrom in seiner Komplexität und Ganzheit betrachtet.
Die Leitlinie erörtert den Paradigmenwechsel beim Diabetes
mellitus von der Stoffwechselerkrankung hin zur Herz- und
Gefäß-Erkrankung.
Dieses „tödliche Quartett“ an Risikofaktoren kann sich wechselseitig verstärken und dadurch zum Herzinfarkt, Schlaganfall
und zu weiteren Gefäßkomplikationen führen (s. Abb. 2).
Abb. 4: Praxis-Leitlinie der Fachkommission Diabetes Sachsen
Abb. 2: Folgen des Metabolischen Syndroms
Trotz der großen Häufigkeit dieses Syndroms in der Bevölkerung (25 – 30 %) und seiner Krankheits-Bürde werden Risikopersonen immer noch zu spät erkannt und unzureichend
behandelt. Das Problem liegt nicht allein in der mangelnden
Kenntnis und der ungenügenden Aufklärung der Bevölkerung
über dieses gefährliche Syndrom – z.T. auch bei Ärzten. Das
Problem besteht auch in einer geradezu unüberschaubaren
Flut praktikabler und weniger praktikabler nebeneinanderher
bestehender Leitlinien (s. Abb. 3). Es wird immer schwieriger,
sich in der zunehmenden Informationsflut zurechtzufinden und
die Quintessenz für den Praxisalltag heraus zu filtern.
Die Fachkommission Diabetes Sachsen der Landesärztekammer hat deshalb unter Mitarbeit von Kollegen verschiedenener
8
Diabetes und Herzinfarkt sind dabei zwei Seiten einer Medaille oder zwei Äste ein und desselben Baumes auf einem gemeinsamen Boden (s. Abb. 5). Eine der Hauptursachen ist
unser derzeitiger Lebensstil mit Fehl- bzw. Überernährung und
Bewegungsmangel, der schnell zum Übergewicht und dem
gefährlichen zu großen Bauchumfang führt. 88 cm bei Frauen
und 102 cm bei Männern sind dabei schon zu viel. Daraus
ergibt sich die Notwendigkeit einer umfassenden kompletten
Diagnostik aller Komponenten des Syndroms bereits beim
Auftreten einer Komponente oder Krankheit, da ein Bündel von
Risikofaktoren dann bereits (unerkannt) vorliegt.
!
Abb. 8 : Beispiel für einen Hoch-Risikopatienten (> 30%)
Quelle: www. chd-tascforce.de
Abb. 5: Das Wohlstandssyndrom = gemeinsamer Boden
für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Zur Vermeidung von Fehl-, Unter- und Überversorgung werden
Empfehlungen zur Risikoabschätzung gegeben, um danach
die Therapieziele abhängig vom individuellen Risiko gemeinsam mit dem Patienten festlegen zu können, z.B. mittels des
PROCAM-Scores, der auch online berechnet werden kann (s.
Abb. 6-8).
Was können wir tun?
Mit Hilfe des FINDRISK-Bogens (s. Abb. 11) kann jeder ganz
ohne Laborwerte zu Hause sein Diabetes- und HerzinfarktRisiko ermitteln. Wer im FINDRISK-Bogen auf mehr als 10
Punkte kommt, sollte sich professionelle Hilfe holen, die in
Sachsen z.T. sogar von den Krankenkassen übernommen wird.
Der Änderung des Lebensstils (s. Abb. 9 und 10) wird eine
besondere Bedeutung bei der Behandlung aller Komponenten
des Metabolischen Syndroms beigemessen, ist aber in der
Praxis besonders problematisch umsetzbar.
Abb. 9: Was können wir tun? – Basistherapie
Abb. 6: Risiko-Abschätzung: PROCAM Score (online)
Abb. 10: Was können wir tun? - Lebensstiländerung
Abb. 7: Beispiel für einen Risikopatienten (> 20%)
Quelle: www. chd-tascforce.de
9
Risiko-Test FINDRISK
Testen Sie Ihr Erkrankungsrisiko für Metabolisches Syndrom,
Diabetes und Herzinfarkt!
Beantworten Sie bitte folgende Fragen und zählen Sie dann Ihre Punkte
zusammen.
1. Wie alt sind Sie?
0 Punkte: Unter 35 Jahren
1 Punkt 35 bis 44 Jahre
2 Punkte: 45 bis 54 Jahre
3 Punkte: 55 bis 64 Jahre
4 Punkte: Älter als 64 Jahre
2. Wurde bei Mitgliedern Ihrer Bluts- Verwandtschaft Diabetes
diagnostiziert?
0 Punkte: Nein
5 Punkte: Ja, bei leiblichen Eltern, Schwester, Bruder, Kind
3 Punkte: Ja, bei leiblichen Großeltern, Tante, Onkel, Cousine,
Cousin
3. Welchen Taillenumfang messen Sie auf der Höhe des Nabels?
Frau / Mann
0 Punkte Unter 80 cm / Unter 94 cm
3 Punkte 80-88 cm / 94-102 cm
4 Punkte Über 88 cm / Über 102 cm
4. Haben Sie täglich mindestens 30 Minuten körperliche Bewegung
(in der Arbeit z.B. Verkaufsregale befüllen, im Haushalt z.B. Fensterputzen, in der Freizeit z.B. Radfahren, flott Spazierengehen,
etwas anstrengendere Gartenarbeiten….)?
0 Punkte: Ja 2 Punkte: Nein
5 .Wie oft essen Sie Gemüse, Obst oder dunkles Brot (Roggenbrot
oder Vollkornbrot?
0 Punkte: jeden Tag 1 Punkt: nicht jeden Tag
6 .Wurden Ihnen schon einmal Medikamente gegen Bluthochdruck
verordnet?
0 Punkte: Nein 2 Punkte: Ja
7. Hatten Sie bei ärztlichen Untersuchungen schon einmal zu hohe
Blutzuckerwerte (z.B. während einer Krankheit, während einer
Schwangerschaft)?
0 Punkte: Nein 5 Punkte: Ja
8. Wie ist bei Ihnen das Verhältnis von Größe zu Gewicht (BodyMass-Index)?
0 Punkte: Unter 25 kg/m²
1 Punkt: 25 bis 30 kg/m²
3 Punkte: Höher als 30 kg/m²
Abb. 11: FINDRISK-Test: Bei mehr als 10 Punkten sollte man sich
professionelle Hilfe holen
Eine frühzeitige Umstellung des Ernährungsstils und körperliche Aktivität sind besonders bei übergewichtigen Kindern und
Jugendlichen wichtig und zielführend (s. Abb. 12). Damit sollte
schon in Schule und Elternhaus begonnen werden.
Abb. 12: Übergewicht bereits im Kindesalter erkennen und behandeln
Schlussfolgerung:
Dieser Gesundheitstag sollte neben der Leitlinie der Früherkennung von Risikopersonen dienen, um die Herz- und
Gefäß-Komplikationen dieses gefahrvollen Syndroms wie
Herzinfarkt, Schlaganfall und Beinamputationen wirksam
zu verhindern.
10
2.3 Die periphere arterielle Verschlusskrankheit („PAVK“) bei Diabetes mellitus
signalisiert hohes Risiko für Herzinfarkt u.
Schlaganfall
Referent: Prof. Dr. med. habil. Reinhardt Sternitzky
(Zusammenfassung des Vortrags# erhalten vom Referenten)
Das Schicksal der Diabetiker wird heute von Gefäßerkrankungen als Manifestation und Folgekomplikation der Zuckerstoffwechselstörung bestimmt, wobei insbesondere die Gefahr für
Herz- und Hirninfarkt erhöht ist. Patienten mit Diabetes mellitus
entwickeln in Abhängigkeit von weiteren Risikofaktoren, wie z.
B. Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und Rauchen,
häufiger, früher und zumeist schwerer eine Atherosklerose
(„Verkalkung“ der Arterien) als Nichtdiabetiker. Diabetes mellitus wird daher auch als „metabolisch-vaskuläres Syndrom“
angesehen, d. h. eine enge Verflechtung aus Stoffwechselstörung(en) und Gefäßerkrankung(en).
Um rechtzeitig effektive vorbeugende Maßnahmen („Prävention“) einleiten zu können, sind die Früherfassung von Patienten
mit erhöhtem Herz- und Hirninfarktrisiko und die Ermittlung des
individuellen Gefährdungsgrades notwendig.
Durchblutungsstörungen der Herzkranzgefäße, der Hirnarterien
und der Becken-Bein-Arterien (PAVK) sind unterschiedliche
Lokalisationsformen ein und derselben Grunderkrankung, der
Atherosklerose. Bei zusätzlicher Blutgerinnselbildung („Thromben“) spricht man von „Atherothrombose“, die häufig akute
Ereignisse auslöst.
Resultierende Verengungen oder Verschlüsse der Arterien
bestehen häufig gleichzeitig in mehreren der genannten Gefäßgebiete und signalisieren somit bei Nachweis in einer Region
ein hohes Risiko für ein Auftreten in den jeweils anderen.
In diesem Zusammenhang hat sich die periphere arterielle
Verschlusskrankheit (auch „Schaufensterkrankheit“ genannt)
als wichtiger Signalgeber für das Auftreten von Herz- und
Hirninfarkt und somit ein hohes Erkrankungs- und Sterblichkeitsrisiko erwiesen. Dies trifft ganz besonders auch auf die
PAVK bei Diabetes mellitus zu, die einige wenige Besonderheiten gegenüber der PAVK bei Nichtdiabetikern aufweist. Durchblutungsstörungen der großen Arterien („Makroangiopathie“)
und kleinen Blutgefäße („Mikroangiopathie“) sind insbesondere
bei „diabetischem Fußsyndrom“ Hauptrisikofaktoren für eine
größere Beinamputation.
Zur Erfassung von beschwerdefreien Patienten mit erhöhtem
Herz- und Hirninfarktrisiko (z. B. Diabetiker) ist daher der
Nachweis oder Ausschluss einer Beindurchblutungsstörung mit
der Bestimmung des Knöchel-Arm-Index („ABI“) sehr hilfreich.
Dieser Quotient aus Bein- und Armblutdruck hat sich als überwiegend zuverlässiger Gradmesser für die bestehende Gefahr
des Auftretens bedeutsamer Durchblutungsstörungen auch und
gerade in anderen Gefäßgebieten erwiesen. Eine Abhängigkeit
der Prognose des Patienten vom Schweregrad der PAVK und
vom ABI konnte mehrfach nachgewiesen werden. Die einfache
und wenig aufwendige nichtinvasive Untersuchung ist mit
speziellen mobilen Ultraschall-Geräten auch in Hausarztpraxen
weitgehend problemlos zur Suche nach einer PAVK und der
Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der Atherosklerose / Atherothrombose in den anderen Gefäßregionen einsetzbar.
Bei Verdacht auf Vorliegen oder Nachweis einer PAVK anhand
des ABI ist im Rahmen der weiterführenden nichtinvasiven
gefäßmedizinischen Funktionsdiagnostik die farbkodierte
Duplexsonografie Methode der ersten Wahl zur Erfassung von
Grad und Art der Verschlussprozesse. Bei unklaren Befunden
und insbesondere vor geplanter invasiver Therapie (Gefäßdehnungen, Einsetzen von „Stents“, Gefäßoperation) kommen je
nach Verfügbarkeit teilinvasive Verfahren, wie die kontrastmittelverstärkte Magnetresonanz-Angiografie (MR-A) bzw. ggf.
Computer-Tomografie-Angiografie (CT-A) oder als invasive
Methode die intraarterielle digitale Subtraktionsangiografie
(„DSA“ = Röntgen mit Kontrastmittel) zur Anwendung.
Wenn spezifische Beschwerden auf gleichzeitige Durchblutungsstörungen im Bereich der Herzkranzgefäße oder der
Hirnarterien hindeuten, ist auch diesbezüglich eine zunächst
nichtinvasive Diagnostik zu empfehlen, beispielsweise ein
Belastungs-EKG bzw. eine Farbduplexsonografie der Halsschlagarterien.
Ergänzend können spezielle Untersuchungen zur Beurteilung
der bei Diabetikern in Abhängigkeit von der Stoffwechselsituation oft deutlich gestörten Fließfähigkeit des Blutes hilfreich sein,
die die „Übersterblichkeit“ an Gefäßleiden von diabetischen
Patienten mit verursacht.
Die Verbreiterung der inneren Gefäßwandschicht („IntimaMedia-Komplex“) der Halsschlagadern gilt ebenfalls als unabhängiger Hinweisgeber für eine im arteriellen Gefäßsystem
insgesamt zu erwartende („generalisierte“) Arteriosklerose und
insbesondere akute Ereignisse infolge Mangeldurchblutung der
Hirnarterien, aber auch der Herzkranzgefäße. Sie ist durch
erfahrene Untersucher mit der sogenannten B-ModeSonografie (Ultraschalluntersuchung) zuverlässig bestimmbar.
2.4 Sinnvolle Diagnostik und zeitgemäße
Therapie bei herzkranken Diabetikern Bedroht Diabetes mein Herz ?
Referent: Prof. Dr. med. habil. T. Lohmann,
Städtisches Krankenhaus Dresden-Neustadt
(vom Referenten bestätigter „verschriftlichter“ Vortrag)
Auszüge aus dem Vortrag
Eine Anmerkung: Den Vortrag habe ich zusammen mit Herrn
Dr. Dörr von der Praxis-Klinik „Herz und Gefäße“ erarbeitet. Ich
selbst komme vom Städtischen Krankenhaus DresdenNeustadt. Wir behandeln an unserem Standort am Weißen
Hirsch gemeinsam Patienten mit Herzproblemen. Die Herzkatheteruntersuchung erfolgt in der Praxisklinik „Herz und Gefäße“, die stationäre Nachbetreuung (wenn erforderlich) im Krankenhaus.
Zur Epidemiologie
!
Jeder 3. Patient mit einem Gefäßereignis (Herzinfarkt,
Schlaganfall, Amputation) hat Diabetes, ein weiteres Drittel hat einen bisher nicht bekannten Diabetes bzw. eine
Vorstufe des Diabetes. 80% der Patienten mit Typ 2 Diabetes sterben an diesen Herz-Gefäß-Komplikationen!
!
In einer eigenen Studie untersuchten wir bisher 750
Patienten, die zu einem „Routine-Herzkatheter“ kamen
und bei denen ein Glukose-Belastungstest durchgeführt
wurde. Bei 150 Patienten haben wir die schwerste Form
einer Herzkrankheit, die 3-Gefäß-Erkrankung (3-GE)
festgestellt. Diese Patienten müssen meistens zum Chirurgen. Weniger als die Hälfte hatte einen normalen Glukosestoffwechsel, 13 % hatten Diabetes und wussten das
nicht, bei 42% lag eine Vorstufe des Diabetes vor (s. Abb.
1).
Abb. 1: Glukosestoffwechsel bei Patienten mit koronarer 3-GE (n = 150)
!
!
Die bekannten Diabetiker sind oft nur die Spitze des
Eisberges. Untersucht der Hausarzt den Nüchtern- oder
Zufallsblutzucker, so findet er immer noch 2/3 der Problempatienten nicht heraus. Das Herausfiltern der Risikofälle ist nur mit einem oralen Glukosetoleranztest3 möglich.
Das größte bekannte Risiko für einen weiteren Herzinfarkt
hatte bisher der Patient, der bereits einen Herzinfarkt erlebt hat– ein ebenso großer Risikofaktor ist heute der Diabetes mellitus.
3
Der orale Glukosetoleranztest (oGTT) ist ein Zuckerbelastungstest.
Mit Hilfe dieser Untersuchung wird festgestellt, wie der Körper eine
festgelegte, von außen zugeführte Zuckermenge verarbeitet. Der oGTT
kann die Messung des Blutzuckerspiegels ergänzen.
11
!
!
!
!
Die Diabetesepidemie betrifft auch die Stadt Dresden. Ca.
50.000 Diabetiker leben allein hier, das sind etwa 10% der
Bevölkerung. Sachsen hat die älteste Bevölkerung in
Deutschland und das Durchschnittsalter steigt weiter.
Vermutlich haben wir auf Grund der ungünstigen Altersstruktur noch mehr Diabetiker als im deutschlandweiten
Durchschnitt, denn die Diabeteshäufigkeit steigt mit dem
Lebensalter. 15-20% der über 65-Jährigen haben einen
manifesten Diabetes.
Hinsichtlich der Steigerung der Diabetesfälle gibt es eine
zweite Säule. Es ist das Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen, das zur Zunahme der Diabetes-Erkrankung
auch in jüngeren Altersstufen führt.
Erfreulich ist, dass durch die bessere medizinische Behandlung mehr Menschen Akutereignisse wie Herzinfarkt
und Schlaganfall überleben. Das trifft auch auf herz- und
gefäßkranke Menschen mit Diabetes zu. Aber auch dies
führt zu einer Zunahme der Zahl von Menschen mit Diabetes und seinen Komplikationen.
Die Diabeteslawine rollt ungebremst weiter. Das ist nicht
nur ein Problem in Deutschland sondern ein weltweites
Problem - aus Ländern wie China und Indien kommen die
meisten Patienten dazu.
Was sind die besonderen Probleme beim herzkranken
Diabetiker?
!
Klassische Symptome wie Brustschmerzen müssen nicht
vorhanden sein – das erschwert die Diagnosestellung,
!
Im Hintergrund ist in der Regel ein Risikoquartett vorhanden, d. h. neben Diabetes spielen eine Rolle: Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung, Übergewicht/Bauchumfang. Liegt letzterer bei Frauen über 88 cm und bei Männern über 102 cm, so ist man bereits im Risikobereich für
Herz-Kreislauferkrankungen,
!
!
!
!
Die Patienten sind besonders anfällig für Rhythmusstörungen z.B. durch eine Nervenerkrankung der inneren Organe (autonome Neuropathie),
Durch eine diabetische Nervenschädigung merken Diabetiker ihre Herzerkrankung häufig zu spät oder gar nicht,
Es stimmt nur bedingt, dass Frauen weniger anfällig sind
für einen Herzinfarkt oder eine koronare Herzerkrankung.
Frauen mit Diabetes mellitus haben sogar eine höhere
Herzinfarkt-Sterblichkeit als Männer. Auch das ist eine
Gruppe, um die wir uns besonders kümmern müssen,
Die Sterblichkeit ist beim Diabetiker nach einem Akutereignis höher als beim Nichtdiabetiker.
Wie sollte bei der Diagnosestellung vorgegangen werden?
Wir empfehlen eine Stufendiagnostik, d. h.:
wenn die Diabetesdauer mehr als 10 Jahre beträgt, sollten
Patienten mit und ohne Beschwerden
!
nach der Krankengeschichte (Anamnese) befragt, untersucht und ein EKG4 durchgeführt werden.
!
Außerdem sollten nichtinvasive5 Untersuchungen erfolgen
wie Herzultraschall, Fahrrad-Ergometrie6, Untersuchung
der Halsschlagader, Blutdruckmessung zum Bein-ArmIndex, Myokardszintigraphie7,
!
Im Zweifel – also auch bei nichttypischen Beschwerden
oder bei pathologischen Befunden z. B. im Ultraschall
oder bei der Fahrrad-Ergometrie – sollte sofort eine Herzkatheteruntersuchung durchgeführt werden – ggf. indem
die weitere Diagnostik übersprungen wird!
Was sind Besonderheiten bei der Behandlung von herzkranken Diabetikern?
Bei Herzinfarkt ist die Prognose beim Diabetiker schlechter als
beim Nichtdiabetiker. Das lag in der Vergangenheit auch daran,
dass Diabetiker weniger aggressiv behandelt wurden. Bestimmte Prozeduren wurden auf Grund der schlechten Prognose bei
ihnen nicht durchgeführt. Das ist grundfalsch – man muss diese
Patienten eher aggressiv behandeln, d.h. schneller einen
Herzkatheter oder einen Stent einlegen - ggf. die neuen medikamentenbeschichteten Stents (drug-eluting stents) verwenden,
denn diese sind vorteilhaft für Diabetiker.
Nach dem Ereignis muss man sich um Risikofaktoren wie
Rauchen, Blutdruck, Blutfette, Diabetes kümmern, wenn es
zuvor nicht getan wurde. Es stehen bestimmte Standardmedikamente zur Verfügung wie ASS/Iscover oder Plavix, Statin,
ACE-Hemmer/ AT-Rezeptorblocker, Betablocker.
Abb. 2: Das Risikoquartett
Abb. 3: Der Bauchumfang lässt auf das Risiko für Herz-KreislaufErkrankungen und Diabetes schließen
12
4 Das Elektrokardiogramm (EKG) ist die Registrierung der Summe der
elektrischen Aktivitäten aller Herzmuskelfasern. Mit dem EKG lassen
sich vielfältige Aussagen zu Eigenschaften und Erkrankungen des
Herzens treffen,
5 Prozeduren, bei denen Geräte oder Katheter nicht in den Körper
eindringen,
6 EKG-Aufzeichnung während des Fahrradfahrens,
7 Die Myokardszintigrafie ist ein nuklearmedizinisches Untersuchungsverfahren, das je nach Durchführung Informationen über die Durchblutungsverhältnisse, Vitalität und Funktion des Herzmuskels liefert.
Fallbeispiel:
Herzinfarkt als Erstsymptom eines Diabetes mellitus
Patient: 39-jähriger Mann, 1,67 m groß, 110 kg Körpergewicht
Vorgeschichte: War nie ernsthaft krank, hat deshalb keinen
Hausarzt. Am 23.05.2002, 7:00 Uhr erstmalig Übelkeit,
Schweißausbruch, leichtes Druckgefühl in der Brust (Es klingt
gar nicht gefährlich!) Gegen 24:00 Uhr Notarzt gerufen. Durch
ihn erfolgt Einweisung unter Herzinfarktverdacht in die Klinik.
Risikofaktoren:
!
Die Untersuchung zeigt, dass der Patient Diabetiker ist
(Erstdiagnose bei Blutzuckerwert von 15,5 mmol/l) – er
selbst wusste es nicht.
!
Außerdem liegt deutliches Übergewicht vor.
EKG-Untersuchung: akuter Herzinfarkt8
Behandlung: Dabei geht es vor allem um Schnelligkeit zur
Sicherung des Herzgewebes, um eine spätere Minderung der
Herzleistung zu verhindern. Die Abbildungen unten zeigen das
rechte Herzkranzgefäß vor und nach der Behandlung mit einem
Stent.
Wie kann der Patient dazu beitragen, Herzkomplikationen
zu vermeiden?
Ein gesunder Lebensstil ist von großer Bedeutung – evtl. muss
eine generelle Lebensstiländerung erfolgen. Das allerwichtigste
ist - neben viel Bewegung, evtl. Herzsport, gesunder Ernährung
und Gewicht im „Normalbereich halten“ - mit dem Rauchen
aufzuhören.
Abb. 7: Lebensstiländerung – davon hängt es ab!
Abb. 4: Verschluss: rechtes Herzkranzgefäß (RCA)
Ich möchte mit einer positiven Botschaft enden: Es ist nicht
sinnlos, mit dem Rauchen aufzuhören. Abb. 8 zeigt den Vergleich von Patienten, die nach einem Infarkt weiter geraucht
bzw. damit aufgehört haben. Nach 13 Jahren sind ca. 90 % der
Raucher gestorben; von denen, die mit dem Rauchen aufgehört
haben, sind 70 % noch am Leben. Es ist also nie zu spät mit
dem Rauchen aufzuhören.
Mortalität in Prozent
Zeit nach Herzinfarkt in Jahren
Abb. 5: Stent-Implantation RCA
Abb. 8: Sterblichkeit von Patienten, die nach einem Infarkt weiterrauchen (rot), im Vergleich zu denen, die nicht mehr rauchen (blau).
Weitere Informationen
Im Internet erhalten neben Ärzten auch Patienten Informationen
unter www.khk.versorgungsleitlinien.de zum Vorgehen bei
bestimmten Erkrankungen – Beispiel s. Abb. 9 „Herzdiagnostik
bei Diabetikern“.
Abb. 6: RCA offen, Durchblutung in die übrigen
Herzgefäße erfolgt wieder
8
Akuter Hinterwandinfarkt (NSTEMI)
13
Diabetiker mit herzspezifischen Symptomen
!
!
!
!
Instabile oder mäßig schwere
Angina pectoris
Milde Angina pectoris und Zustand nach Myokardinfarkt
EKG mit eindeutigen
Ischämiezeichen
Milde Angina pectoris und
Herzinsuffizienz
Individuelle Strategieplanung durch Kardiologen, z. B.
!
!
!
!
Echokardiographie
Belastungs-EKG
Stressechokardiographie
Myokardszintigraphie
!
!
Milde Angina pectoris und
normales EKG
Atypische Symptomatik und
pathologisches EKG
Echokardiographie
Belastungs-EKG
unauffällig
pathologisch
Stresskardiogramm oder
Myokardszintigraphie
unauffällig
pathologisch
Jährlich individuelle
Strategieplanung durch
Kardiologen, z. B.:
!
!
!
!
Echokardiographie
Belastungs-EKG
Stressechokardiographie
Myokardszintigraphie
unauffällig
pathologisch
Linksherzkatheter
(Lävokardiogramm,
Koronarangiographie)
!
Atypische Bauchschmerzen mit
normalem EKG
Echokardiographie
Belastungs-EKG
pathologisch
Stresskardiogramm oder
Myokardszintigraphie
unauffällig
pathologisch
Weitere
internistische
Diagnostik
Abb. 9: Herzdiagnostik bei Diabetikern (nach Leitlinie „Diabetes mellitus und Herz“ der
Deutschen Diabetes Gesellschaft)
14
unauffällig
2.5 Aktuelles aus der Diabetes-Forschung Regionale Präventionsprojekte –
Wie können Herzinfarkt und Diabetes verhindert werden?“
Referent: Dr. med. P. Schwarz, Medizinische Klinik u. Poliklinik
III, Universitätsklinikum Dresden u. Leiter des Tumaini-Instituts
(vom Referenten bestätigter „verschriftlichter“ Vortrag)
Auszüge aus dem Vortrag
Das Thema meines Vortrages beinhaltet eigentlich zwei Themen, die im Moment die entscheidenden Herausforderungen
auf unserem Gebiet darstellen, nämlich „Neues in der Diabetologie“ und „Prävention von Diabetes“. Da wir tagelang darüber
reden könnten, möchte ich einzelne Aspekte herausgreifen. ...
Im Folgenden wird versucht, zusammenzufassen, warum
Diabetes aus unterschiedlichen Sichtweisen heute ein Problem
darstellt:
Das Problem Diabetes - unterschiedliche Sichtweisen
1.
2.
3.
4.
5.
9
Die Prävalenz (Häufigkeit) des Typ 2 Diabetes mit seinen
kardiovaskulären Komplikationen steigt in Deutschland
drastisch - Jeder 2. im Jahr 2000 Geborene wird an Diabetes mellitus erkranken.
Risikofaktoren für die Entwicklung des Typ 2 Diabetes
haben substanziell zugenommen.
Bereits bei Diagnosestellung haben fast alle Patienten
bereits bestehende schwerwiegende (kardio-)vaskuläre
Komplikationen.
Die Behandlung der Erkrankung, insbesondere ihrer
Komplikationen, ist ausgesprochen kostenintensiv – direkt
und indirekt (Diabetes führt zu einer deutlichen 4%igen
Reduktion des Bruttosozialproduktes).
Immer mehr jüngere Menschen bekommen einen Typ-2Diabetes.
Hierzu ist zu bemerken, dass
!
jedes 2. im Jahr 2000 geborene Kind im Laufe seines
Lebens an Diabetes mellitus erkranken und an Hand der
Komplikationen dieser Erkrankung vom Alter her vor seinen Eltern versterben wird. Das ist etwas Neues, vor 5
Jahren haben wir dieses Problem noch nicht erkannt.
!
Diabetes als Erkrankung ein Wirtschaftsfaktor geworden
ist. In Deutschland geben wir z. Z. 17,3% bis 17,8% unseres Gesundheitsbudgets aus, um Diabetes oder damit
verbundene Komplikationen zu behandeln. Vor 20 Jahren
erkrankte der 65-jährige Rentner, heute ist es der 42Jährige, der im Arbeitsprozess steht. Wenn wir im Jahr
2000 jeden 2. Diabetiker nicht gehabt hätten, so wäre das
Bruttosozialprodukt in Deutschland um 3,8% höher gewesen, d. h. wir hätten ein um 1,2% höheres Wirtschaftswachstum gehabt. Das sind viele Milliarden EURO, die
durch eine eigentlich einfach zu verhindernde Krankheit
vergeudet werden.
9 Quelle: Zimmet, P., K.G. Alberti, and J. Shaw, Global and societal
implications of the diabetes epidemic. Nature, 2001. 414(6865):
p. 782-7. Alberti, K.G., Yes we can prevent Type 2 diabetes. Diabetes
Voice, December 2002, Volume 47, Issue 4
Welchen Anteil haben die Gene bzw. die Evolution?
Manche sagen, wir sind unschuldig daran, dass die Entwicklung
so verläuft, da hier Vieles mit unseren Genen bzw. der Evolution zusammenhängt. Das stimmt nur zum Teil. Mehr als 50
Millionen Jahre haben wir gebraucht, um uns zum Homo sapiens zu entwickeln. Für diesen war es ein Vorteil, wenn er in
der Lage war, die aufgenommene Nahrung im Bauchfett zu
speichern. Indianer haben z. B. zwei Wochen lang gejagt und
nichts gefunden, manchmal wurde ein Bär erlegt. Dann war es
gut, wenn sehr viel gegessen wurde – es war sogar von Vorteil,
wenn man weiteressen konnte, obwohl man schon satt war.
Energie wurde in Form von Fett gespeichert. Im Winter, wenn
unsere Vorfahren in der Höhle gelebt haben, konnten sie dann
davon zehren. Es war so, dass sie im Sommer bzw. Herbst
immer wieder dick geworden sind, um im Winter wieder schlanker zu werden. Diese Lebensweise hat sich auf unsere Gene
ausgewirkt - vor allem in den letzten 50 Jahren hat sich unsere
„Art zu leben“ stark verändert. Heute müssen wir uns nicht
mehr körperlich anstrengen, um in der Savanne einen Bären zu
erlegen oder den Acker zu pflügen sondern wir gehen gemächlich zum Supermarkt und „erlegen“ dort den Joghurt oder Käse,
manchmal Nahrungsmittel auf denen steht: „DU darfst“ und
können davon so viel essen (weil es billig ist und gut schmeckt)
wie wir wollen. Das führt dazu, dass wir immer dicker werden
und nur 50 Jahre gebraucht haben, um zum Homo McDonald`s
zu werden. Dieser hat vor allem am Bauch sehr viel Fett.
Abb. 1: Die Evolution ist schuld?
Dieses Fett ist dafür verantwortlich, dass viele Menschen
Diabetes mit der häufigen Folge Herzanfall und/oder Schlaganfall bekommen. Es gibt in Deutschland sehr viele dicke Menschen - wir haben inzwischen die US-Amerikaner überholt und
sind um 0,3% dicker als diese – noch schlechter sieht es in
Europa lediglich bei den Engländern aus.
Wie nimmt man ab?
Man nimmt nur dann zu, wenn man sich mehr Energie zuführt
als man verbrauchen kann. Energiezufuhr erfolgt fast immer
über das Essen, ist viel Fett in der Nahrung, dann schmeckt es
besser. Dadurch neigen wir dazu, mehr Fett zu uns zu nehmen. Um ca.18% ist heute in Sachsen das Essen fettiger als
vor 20 Jahren. Es ist aber nicht einfach, das zu viel aufgenommene Fett wieder los zu werden - Abnehmen ist nur möglich, wenn mehr Energie abgegeben wird als aufgenommen
wurde. Energie verliert man u. a. durch Wärmeproduktion, d. h.
durch schwitzen. Will man z. B. die aufgenommene Energie
eines „Hamburgers“ lediglich durch schwitzen verlieren, dann
müsste man wahrscheinlich 4 Tage lang permanent schwitzen.
Auch durch Stuhl und Urin verliert man Energie, aber relativ
wenig. Der einfachste Weg, Energie wieder los zu werden, ist
körperliche Aktivität. Die körperliche Betätigung ist das Geheimnis, wodurch man Fett wieder los wird. Ist man an Diabetes erkrankt, dann geht das allerdings ohne Hilfsmittel nicht auf
diesem Weg.
15
!
hypoglykämischen Schock oder anderen Missempfindungen kommen – vor allem, wenn nichts dazu gegessen
wurde.
DPP-4-Inhibitoren (u. a. auch genannt: Inkretinhormone,
GLP1-Antagonisten) sind neue hoffnungsvolle Medikamente für die Zukunft (seit ca. 2 Wochen auf dem Markt)
deren Wirkungsweise auf eine Echse zurückgehen. Diese
Hormone helfen, dass das Insulin im Körper besser wirkt.
Es gibt diese Medikamente als Spritze oder in Tablettenform.
Abb. 2: Gewichtsreduktion – ein Bilanzproblem
Welche Medikamente werden bei der Diabetes-Behandlung
eingesetzt?
Mittlerweile gibt es ca.180 verschiedene Medikamente, mit
denen wir Diabetes behandeln können. All diese Medikamente
tun was Gutes für den Erkrankten, fast alle Medikamente haben
aber auch Nebenwirkungen. Keiner von Ihnen kennt alle Substanzen, die auf dieser Liste stehen (s. Abb. 3) – auch bei
vielen Ärzten ist das so. Es gibt aber unterschiedliche Wirkmechanismen – danach kann eine Einteilung erfolgen:
Abb. 3: Medikamente zur Diabetesbehandlung nach Wirkmechanismen
Einige Bemerkungen zu den Medikamenten:
!
!
!
!
!
Ein Wirkstoff ist das Metformin. Dieses Medikament kann
sogar dabei helfen, etwas abzunehmen. Gerade, wenn
man etwas älter und übergewichtig ist.
Insulin-Sensitizer sind Medikamente, die die Wirkungsweise des vom Körper erzeugten Insulins oder des gespritzten Insulins erhöht. Das führt dazu, dass der Körper
evtl. weniger Insulin braucht - allerdings ist es nicht so
gut, das Medikament zusammen mit „Insulinspritzen“ zu
verabreichen.
Die Einnahme von prandialen Glucoseregulatoren (kleine
Tabletten, die zum Essen eingenommen werden) führt
dazu, dass die Bauchspeicheldrüse des Patienten mehr
Insulin ausschüttet.
Resorptionsverzögerer behindern im Darm die Blutzuckeraufnahme (bzw. der Vorstufen). Das führt dazu,
dass weniger Insulin gebraucht wird, falls man spritzen
muss - unangenehme Nebenwirkungen wie Bauchschmerzen, häufiger Stuhldrang können auftreten.
Sulfonylharnstoffe: von diesen Medikamenten gibt es sehr
viele10. Bei ihnen kann es bei zu hoher Dosis zu einem
10 Sie kommen ursprünglich aus Dresden. In den Räumen der Universitätsklinik, in denen Frau Rothe und ich heute sitzen, hat Herr Rostowski
16
Abb. 4: Eine Echse half bei der Entwicklung neuer Medikamente
!
Inselzelltransplantation ist eine weitere neue Behandlungsmethode bei der insulinproduzierende Zellen von
Verstorbenen dem Diabetes-Patienten übertragen werden. Über diese Methode wird viel geschrieben - deshalb
nehmen viele Diabetiker an, dass ihnen in Kürze wirkungsvoll geholfen werden kann. Dem ist aber nicht so.
Es ist eine experimentelle Methode, die heute schon funktioniert, die aber für die 10 Millionen Diabetiker in
Deutschland noch in weiter Zukunft liegt. Z. Z. ist diese
Methode nur eine Alternative für ganz wenige Menschen
mit Diabetes mellitus Typ 1 (bisher wurden weltweit 183
Patienten damit behandelt). In ca. 50 Jahren könnte dieses Verfahren in der Therapie einen hohen Stellenwert
einnehmen.
An wen wendet sich das Diabetes-Präventionsprogramm?
Diabetes ist eine verhinderbare Erkrankung. Sachsen ist das
einzige Bundesland, das ein Präventionsprogramm aufgelegt
hat für Personen mit erhöhtem Risiko, an Diabetes zu erkranken. Die Basis für dieses Programm ist der Risikofragebogen
(Beispiel s. S. 10). Zielgruppe sind z. B. Angehörige von Diabetikern, denn diese haben – egal ob Bruder oder Schwester,
Kinder oder Enkel von Diabetes-Patienten – ein deutlich erhöhtes Risiko, ebenfalls Diabetes zu bekommen. Hat man nach
diesem Fragebogen mehr als 10 Punkte erreicht, so liegt das
Risiko, in den nächsten 5 Jahren ebenfalls an Diabetes zu
erkranken bei 30%. Sind es mehr als 15 Punkte, so erhöht sich
das Risiko auf bis zu 50%.
Wie ist Diabetes zu verhindern?
Bei der Diabetesprävention gibt es 5 Kernziele:
1. Gewichtsreduktion, 5-7%
2. Steigerung der körperlichen Aktivität, 150 min/Woche –
die wichtigste Maßnahme,
3. Steigerung des Anteils faserhaltiger Ballaststoffe an der
Nahrungsaufnahme, 15g/1000kcal
4. Reduktion des Fettanteils der tgl. Nahrung, <30%
5. Reduktion der gesättigten Fettsäuren an der tgl. Nahrung,
<10%.
Eine Bemerkung zu den Fettsäuren:
Die gesättigten Fettsäuren sind in den fetthaltigen Nahrungsmitteln enthalten, die hart sind - dazu gehört z. B. Butter. Die zu
1921 die erste deutsche Diabetesklinik eröffnet. Hier wurden 30 Jahre
später die Vorläufer dieser Medikamente entwickelt.
bevorzugenden ungesättigten Fettsäuren sind z. B. im Oliven-,
Raps- oder Sonnenblumenöl zu finden. Alles basiert darauf,
Menschen zu motivieren, einen veränderten Lebensstil umzusetzen. Das ist so einfach und so problematisch wie der Ersatz
von Olivenöl durch Butter. Hat man 30 Jahre lang nur mit
Butter gebraten, so fällt es uns nicht leicht, das zu ändern. An
dieser Stelle beginnt es aber, Diabetes zu verhindern.
Auf welche Ergebnisse können wir verweisen?
In einem großen Projekt mit 155 Personen haben wir in Sachsen gezeigt, dass Diabetes-Prävention funktionieren kann. Wir
konnten zeigen, dass bei mehr als der Hälfte der Personen mit
erhöhtem Diabetes-Risiko bei einer ganz normalen ärztlichen
Versorgung die Erkrankung nicht auftrat.
Abb. 5: Ergebnisse des Projektes zur Diabetesprävention (n =155)
Wo finden Sie Hilfe und Informationen?
Solch unterstützende Materialien wie Kalender zur Diabetesprävention oder spezielle Back- und Kochbücher z. B. vom
Tumaini-Institut können bei einer gesunden Ernährung helfen.
Informationen dazu erhält man auch über Krankenkassen,
Apotheken, Hausarzt. Regelmäßiges Bewegungsprogramme
bieten Sportvereine bzw. Fitness-Studios an. Diejenigen, die
Internet haben, können sich beim Tumaini-Institut
www.tumaini.de informieren aber z. B. auch auf den Webseiten
www.diabetes-risiko.de bzw. www.nafdm.de .
Damit danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Diskussion:
Welche Rolle spielt Fett bei der Ernährung?
Es wäre ein Trugschluss, anzunehmen, Sie brauchen kein Fett.
Fett wird z. B. benötigt, um die im Darm enthaltenen Vitamine in
die Blutbahn zu transportieren. Der Fettanteil sollte aber bei
weniger als 30% der täglichen Nahrung liegen. In Sachsen
nehmen wir im Durchschnitt 54% Fett zu uns. Bei Butter oder
Öl ist zu sehen, was man zu sich nimmt - das Problem sind
jedoch die versteckten Fette. Wenn Sie im Supermarkt einkaufen, so wissen Sie oft nicht, wie die Zusammensetzung der
Nahrungsmittel ist – auch bei solchen, bei denen „Du darfst“
drauf steht. Das macht es gar nicht so einfach, einen gesünderen Lebensstil umzusetzen. Das trifft auch auf Kinder zu. So
werden kleine Fruchtzwerge oder Milchschnitten für zwischendurch propagiert, obwohl das nicht bedeutet, dass das „gesunde Ernährung“ ist. Oft ist in solchen Nahrungsmitteln sehr viel
Fett enthalten.
Wie ist der Stand bei der Kennzeichnung von „gesunden
Lebensmitteln“?
Wenn ich Politiker wäre, so würde ich jetzt mächtig in Verlegenheit kommen, denn das ist ein ganz großes Problem, das
Sie ansprechen. Stellen Sie sich mal vor, Sie würden zum
Supermarkt gehen und an jedem Lebensmittel wäre ein roter,
ein gelber oder ein grüner Punkt. Der grüne Punkt würde darauf
hinweisen, das ist ein gesundes Nahrungsmittel, der rote Punkt
darauf, dass dieses Nahrungsmittel nur einmal in der Woche
gegessen werden sollte und der gelbe Punkt darauf, dass das
Nahrungsmittel zwischen der Empfehlung „häufig essen“ oder
„ganz selten essen“ liegt. Die EU-Kommission bemüht sich
schon seit ca. 8 Jahren um die Einführung einer solchen Kennzeichnung. Zunächst waren alle für dieses Ampelsystem –
sogar die Nahrungsmittelindustrie. Der jetzige Stand ist: ein
Ampelsystem wird kommen, wird aber durch sehr viele Ausnahmeregelungen aufgeweicht sein. Wir unterstützen ganz
nachhaltig die Kennzeichnung von Nahrungsmitteln, die es dem
Verbraucher einfacher macht, zu entscheiden, liegt ein gesundes oder ein weniger gesundes Nahrungsmittel vor. Schade ist,
dass wir lediglich ein Hilfsmittel bekommen werden für den
intelligenten studierten Verbraucher aber nicht für den Großteil
der Bevölkerung. Hier ist noch viel Arbeit zu leisten - vielleicht
können wir in ca. 10 Jahren ein günstigeres Fazit ziehen?
Ist die Ernährungspyramide gedreht worden?
Herr Huehmer: Das ist immer schwierig mit solchen bildlichen
Darstellungen, wenn die „gesunden Nahrungsmittel“ einheitlich
dargestellt werden sollen (Ernährungspyramide s. S. 23).
Richtig ist, dass sich manches verschoben hat. So wurde früher
das Obst mehr in den Vordergrund gerückt. Heute weiß man,
dass in unserer Gesamtnahrung ein Überschuss an Fruktose
vorhanden ist. Es wird nach wie vor empfohlen, viel Obst zu
essen, es sollte aber nicht nur Obst verzehrt werden, die sogenannte Mischkost ist nach wie vor das Beste.
Prävention chronischer Erkrankungen – wie
weit sind wir und wie geht es weiter?
(Zusammenfassung # erhalten vom Referenten Dr. med. P.
Schwarz)
Prävention als gesellschaftliche Aufgabe
Eine systematische und wirksame Prävention gilt politisch,
wirtschaftlich und medizinisch als zentrale Herausforderung der
Gesundheitsversorgung. Wir wissen heute, dass:
!
chronische Erkrankungen mit unserem derzeitigen Wissen
durch Maßnahmen der Gesundheitsförderung signifikant
reduziert werden können.
!
die vorhandenen und wissenschaftlich evaluierten Strategien der Prävention und Gesundheitsförderung wirksam
und zugleich kosteneffektiv sind.
Die weltweite Ausbreitung der Adipositas (Fettsucht) entspricht
bereits einer Epidemie, bzw. Pandemie11. Nicht nur die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit), auch das Ausmaß ist besorgniserregend und variiert je nach Definition zwischen 6 und über 20
Prozent. Bereits im Kindesalter sind immer jüngere Kinder
betroffen mit immer größeren Extremgewichten. Die Problematik liegt darin, dass ein Großteil der Kinder und Jugendlichen
das Übergewicht mit ins Erwachsenenalter nehmen. Dies
bedeutet nicht nur für die Kinder Nachteile in ihren psychosozialen Möglichkeiten und die Gefahr von Erkrankungen vor
allem des Bewegungsapparates, sondern zieht das Risiko von
mit Adipositas-assoziierten Krankheiten im Erwachsenenalter
mit sich. Die Implementierung von strukturierten PräventionsProgrammen ermöglicht eine flächendeckende Umsetzung der
Pandemie - eine länder- und kontinentübergreifende Ausbreitung
einer Krankheit. Im Gegensatz zur Epidemie ist eine Pandemie somit
örtlich nicht beschränkt.
11
17
Intervention mit hohen Qualitätsstandards, ohne das Gesundheitsbudget stark zu belasten.
Im Diabetessektor haben die Projektgruppe Prävention des
Nationalen Aktionsforum Diabetes mellitus (NAFDM) in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft Prävention des Diabetes
mellitus Typ 2 (AG P2) der Deutschen Diabetes-Gesellschaft
(DDG) sowie der Deutschen Diabetes-Stiftung (DDS) ein
3-schrittiges Konzept für ein nationales Präventionsprogramm
entwickelt. Dieses Konzept wurde von der Arbeitsgruppe
„gesundheitsziele.de“ als Vorlage für ein nationales Programm
zur Prävention des Typ 2 Diabetes ausgewählt.
Das Konzept besteht in
!
einem ersten Schritt aus effektiven Maßnahmen zum
Screening, um Risikopersonen mit einem erhöhten Diabetes Risiko zu finden.
!
Darauf folgen in einem 2. Schritt zeitlich begrenzte Interventionen mit dem Ziel, eine Motivation für eine Lebensstil-Änderung aufzubauen.
!
Der dritte Schritt beinhaltet kontinuierliche Maßnahmen,
um eine Motivation zur Lebensstil-Änderung zu erhalten
und zu verstärken und eine Umsetzung der LebensstilÄnderung effektiv zu begleiten. Dieser Schritt ist dabei für
die Nachhaltigkeit der Intervention entscheidend.
Dieses Vorgehen wird in Sachsen derzeit implementiert.
2.6 Aufgaben und Ziele des TUMAINI – Instituts für Präventionsmanagement GbR
Referent: U. Hühmer, Tumaini-Institut GbR, Dresden
(Zusammenfassung des Vortrags # erhalten vom Referenten)
Das TUMAINI – Institut wurde von den Eheleuten, Dipl. psych.
Jaqueline Schwarz und Dr. med. habil. Peter Schwarz 2003
gegründet, um wissenschaftliche Erkenntnisse so aufzubereiten, dass davon die breite Öffentlichkeit profitieren kann und
somit vor allem aktuelle wissenschaftliche Forschungsergebnisse direkt für den Patienten umgesetzt werden können.
Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Entwicklung von praxisnahen Präventionsprogrammen, deren Umsetzung und die anschließende Überprüfung der Wirksamkeit und Nachhaltigkeit.
Abb. 1: Aufgaben des TUMAINI – Instituts
Abb. 2: Ziele des TUMAINI – Instituts
Das Sächsische Präventionsprojekt Diabetes mellitus Typ 2 ist
das derzeit umfangreichste Konzept das flächendeckend der
Gesamtbevölkerung angeboten wird. Dabei wurde insbesondere darauf geachtet, dass
!
in möglichst vielen Orten Sachsens Kurse stattfinden,
!
die Kosten für die Teilnehmer gering ausfallen und
!
die Betreuung der Teilnehmer auch längerfristig gewährleistet werden kann.
18
2.7 Gefahren des Metabolisch-Vaskulären
Syndroms – Dem diabetischen Fuß vorbeugen - Amputationen verhindern
Referent: Dr. med. A. Kirsten, Städtisches Krankenhaus Dresden-Neustadt, Akademisches Lehrkrankenhaus der TU Dresden
(vom Referenten bestätigter „verschriftlichter“ Vortrag)
Auszüge aus dem Vortrag
Abb. 3: Ziele des Tumaini-Instituts – ein breit gestreutes Kursangebot
Dabei werden auch neue Wege gegangen, wie z.B.
!
die Einbindung von neuen Medien,
!
die teilweise telefonische Betreuung der Teilnehmer, um
Fahrtkosten zu sparen und
!
verschiedene gesellige Gruppenveranstaltungen, um
zwischen den Teilnehmern den Kontakt zu pflegen und
daraus auch länger anhaltende gegenseitige Motivation
zu generieren.
Zur Entwicklung des Fußes
Die Entwicklung des Fußes an sich ist eng mit der Entwicklung
der Menschheit verbunden. Der Fuß besteht aus 26 Knochen
und 31 Gelenken. Er trägt uns im Laufe unseres Lebens etwa
120 000 km durch die Welt – bei dem einen mehr, bei dem
anderen weniger. Pro Tag hat er eine Last von etwa 1000 t zu
tragen. Das älteste gefundene Fußskelett ist etwa 1,8 Millionen
Jahre alt. Dort ist zu sehen, dass der Fuß bereits damals ein
Standorgan war, denn die Großzehe ist nicht wie bei der Greifhand abgewinkelt. Der Fuß war zu Beginn das einzigste Fortbewegungsmittel, später das Wichtigste. Im Zeitalter der Industrialisierung hat die Bedeutung des Fußes leider immer mehr
nachgelassen. Der Fuß war für unsere Vorfahren nicht nur ein
Fortbewegungsmittel, sondern auch ein Mittel von Macht und
Unterwerfung. So wurde der Besiegte dem Sieger zu Füßen
gelegt oder der Sieger setzte den Fuß in den Nacken des
Besiegten. Die alten Römer und Ägypter malten die Gesichter
ihrer Feinde auf die Sohlen ihrer Sandalen, um diese regelrecht
mit den Füßen zu treten.
Abb. 1: Entwicklung des Fußes
Zum Diabetischen Fuß
Nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist
der Diabetische Fuß eine Entzündung, ein Geschwür oder eine
Zerstörung von tiefem Gewebe am Fuß - verbunden mit einer
Nerven- und/oder Durchblutungsstörung am Bein. Wir gehen
davon aus, dass in Deutschland knapp 60 000 Fußgeschwüre
pro Jahr neu entstehen und etwa 45 000 Amputationen durchgeführt werden. Ca. 72 % der nichttraumatischen Amputationen
sind auf Diabetes zurückzuführen. Das bedeutet nicht nur einen
schweren Einschnitt in das soziale Leben der Patienten sondern ist auch ein sehr schwerer Einschnitt in die Ökonomie
unseres Landes. 1,5 Milliarden € kostet in etwa die Behandlung
des Diabetischen Fußes pro Jahr. Das macht etwa ein Viertel
der stationären Krankenhauskosten aus sowie ca. 50% aller
Krankenhaus-Tage von Diabetikern.
Da der Diabetische Fuß nicht nur in Deutschland ein großes
Problem ist, haben sich die europäischen Gesundheitsminister
bereits 1989 zusammengesetzt und beschlossen, die DiabetesKomplikationen bis 1994 deutlich zu senken und die diabetesbedingten Amputationen der unteren Extremität um etwa 50%
zu senken.
Was hat man erreicht? 2002 sind in Deutschland ca. 41 500
Amputationen durchgeführt worden - 1 Jahr später ca.
45 00012. Die Zahlen sind nicht gesunken, sondern leider
12 Quelle: G. Heller et al Dtsch Med Wochenschr 2005; 130: 1689-1690
19
gestiegen, da u. a. die Prävention zu gering ist. Diese könnte
bereits durch ganz einfache Maßnahmen verbessert werden. In
den USA wurde z. B. eine Studie durchgeführt, bei der die
Patienten barfuss in das Sprechzimmer ihres Hausarztes gehen
mussten. Bereits dadurch, dass sie ihre Füße zeigen mussten
und sich der Hausarzt diese anschauen durfte und musste,
konnte die Amputationsrate nachweislich gesenkt werden.
Was sind die Risiken beim Diabetischen Fuß?
Dazu gehören Fußveränderungen wie Fußdeformitäten/Verformungen, Geschwüre, Risse, Rhagaden, Hornschwielen, Blasen, operative Eingriffe. Auch der Fußpilz spielt eine
große Rolle, da daraus eine schwere Entzündung des Fußes
entstehen kann.
Außerdem gehören zu den Risiken:
!
diabetische Nervenstörung und andere Spätfolgen bei
schlechten Blutzucker-Werten,
!
Durchblutungsstörungen der Beine,
!
Fußgeschwüre in der Krankengeschichte sowie
!
individuelle Risiken wie keine oder schlechte Fußpflege,
inadäquates Schuhwerk, Übergewicht, Nikotin- und Alkoholgenuss, Bettlägerigkeit und Sehbehinderung.
30 bis 50 % der Fußgeschwüre entstehen durch nicht passgerechtes Schuhwerk. In Schottland wurde in einer Studie bei
Diabetikern festgestellt, dass deren Schuhe zu klein oder zu
schmal waren. 63% der Diabetiker13 trugen Schuhwerk, das in
Bezug auf Länge und Weite nicht die korrekte Passform besaß. Man fragte auch, ob sich die Patienten jeden Tag ihre
Füße anschauen. Lediglich bei 29% war das der Fall, 22%
verneinten diese Frage.
Welche Eigenschaften sollte Schuhwerk für Diabetiker
haben?
Diabetesadaptiertes Schuhwerk sollte sein:
!
praktikabel (für den Patienten),
!
akzeptabel (für Patient und Arzt) und
!
indikationsgerecht, d.h. angepasst an Veränderungen
bzw. bestimmte Erkrankungen.
Schuhe für Diabetiker müssen nicht immer von einem Orthopädieschuhmeister angefertigt worden sein, es gibt auch spezielle
Konfektionsschuhe für Diabetiker.
Ein diabetischer Fuß muss im Team behandelt werden!
Zuerst kümmert sich neben dem Hausarzt der Podologe (medizinischer Fußpfleger) darum. Gibt es hier Komplikationen, muss
der Diabetologe mit ins Boot geholt werden. Er entscheidet, wie
es weiter geht, d. h. ob ein Chirurg oder die Klinik gebraucht
wird, ob Gefäße untersucht werden müssen. Braucht der Patient orthopädisches Schuhwerk, dann ist der Orthopädieschuhmachermeister gefragt oder evtl. ein Orthopädiemechanikermeister. Wichtig ist auch ein Psychologe, oft ist ein solcher Fuß
auch ein psychologisches Problem. Darüber hinaus haben
Diabetesberater die Aufgabe, die Patienten immer wieder auf
dem Gebiet der gesunden und „krankheitsangepassten“ Lebensführung und über alle weiteren Belange des Diabetes
mellitus zu schulen.
Was sind die Ursachen für das diabetische Fußsyndrom?
Als Ursache finden wir bei 2/3 der Betroffenen eine reine Diabetische Nervenstörung, die reine Durchblutungsstörung tritt nur
in 10-20% der Fälle auf. Bei der Mischform - 30% der Fälle liegt sowohl eine Nervenstörung als auch eine Durchblutungsstörung vor. Bei dieser Form heilen die Wunden schlecht und
die Patienten haben meist das Schmerzempfinden verloren.
Gerade durch den Verlust dieses Warnsymptoms ist diese
Erkrankung so schwerwiegend.
13
Leese G, et al. International Journal of Clinical Practice
20
Abb.2: Diabetische Nervenstörung ist die häufigste Ursache des diabetischen Fußsyndroms
Welche Beschwerden treten beim Diabetischen Fußsyndrom infolge einer diabetischen Nervenstörung auf?
Die Beschwerden äußern sich durch:
!
taube und brennende Füße, Gefühl des Ameisenlaufens,
Missempfinden,
!
auftretende Schmerzen - vor allem nachts (Bettdecke oft
zu schwer),
!
Gangfehler, Gangunsicherheit, watschelnden Gang (durch
Verformung des Fußes u. Nervenstörung),
!
trockene, rissige u. warme Haut,
!
geschwollenen Fußrücken und voluminösen Fuß,
!
Deformierung der Zehen (Krallen- oder Hammerzehen),
!
Geschwüre an der Fußsohle - scharf ausgestanzt mit
Hornwall.
Empfehlung an Patienten mit diabetischer Nervenstörung:
Betroffene Patienten sollten immer in die Schuhe schauen,
bevor sie diese anziehen. Der Referent hat dort schon Geld,
Topfkratzer oder Glassplitter gefunden.
Abb. 3: Fehlende Schmerzempfindung ist oft die Ursache schwerster
Geschwüre, da Gegenstände in den Schuhen nicht bemerkt werden
Fallbeispiel: Ein Patient berichtete, dass ihm beim Einreiben
des Rückens die Verschlusskappe der Salbentube in die Hausschuhe gefallen war. Er konnte sie nicht selbst herausholen und
hat den Vorfall bald danach vergessen. 3 Tage lief er mit dieser
Kappe im Hausschuh herum, da er auf Grund der Nervenstörung keinen Schmerz bemerkte. Die Folge waren schwerste
Geschwüre an den Zehen.
Wie erfolgt die Diagnostik der diabetischen Nervenstörung?
Eigentlich kann die Diagnose durch jeden Arzt gestellt werden,
da die dazu benötigten Instrumente (s. Abb. unten von links
nach rechts) auf jedem Schreibtisch liegen könnten. So kann
getestet werden mit Hilfe
!
der Stimmgabel - das Vibrationsempfinden,
!
des Reflexhammers - die Nervenreflexe,
!
von Kanüle und Wattebausch - ob Unterscheidung von
spitz und stumpf möglich ist,
!
!
des Monofilaments – das Druckempfinden an der Fußsohle,
des Temperaturfühlers (ypsilonförmiges Gerät bei dem ein
Fühler aus Plaste, der andere aus Metall ist) - ob Warmoder Kaltempfinden vorhanden ist.
Abb. 4: Instrumente zur Diagnostik der diabetischen Nervenstörung
Mögliche Auswirkungen des Diabetischen Fußsyndroms
bei Nervenstörung
Zunächst existiert eine diabetische Nervenstörung. Durch diese
kommt es zu einer Fußverformung und Fehlbelastungen,
besonders im Vorfußbereich. Es entstehen Minitraumata, die zu
Verletzungen führen, wie Einblutung unter der Hornschwiele
oder Blasen an den Füßen (z. B. bei neuen Schuhen). Wird
hier kein Einhalt geboten, so entsteht ein Geschwür. Mitunter
existiert eine Wundheilungsstörung und dann kann sich daraus
eine schwerste Infektion entwickeln, die bis zur eitrigen Entzündung führt. Dieser Verlauf muss so schnell wie möglich unterbrochen werden, damit keine Amputation erfolgen muss.
den, ob die Gefäße durchgängig sind oder eine Verengung
vorliegt. Goldstandard15 ist, die Gefäße mit Kontrastmittel
darzustellen. Das ist ein unter Lokalanästhesie durchgeführter
Eingriff, bei dem in der Leistenbeuge ein Katheter eingeschoben wird. Unterbrechungen der Blutversorgung lassen sich
dadurch schnell erkennen. In der gleichen Sitzung kann dann
mit Hilfe eines eingeschobenen Ballons eine Aufdehnung
erfolgen. Das ist eine sehr elegante, aber auch einfache Methode, die ohne Operation auskommt.
Eine andere Methode ist, so wie beim Herzen, einen Stent zu
legen. Dabei werden kleine Metallhülsen, die sich selbst entfalten, in das Gefäß eingeführt. Folge ist, dass dieses offen gehalten wird. Auch dieses Vorgehen erfolgt unter Lokalanästhesie,
d. h. ohne Operation und damit ohne große Belastung des
Patienten.
Was sollten Patienten zur Vorbeugung eines Diabetischen
Fußsyndroms unbedingt beachten?
Zur Vorbeugung eines Diabetischen Fußsyndroms sollten
Patienten mit diabetischer Nervenstörung und/oder Durchblutungsstörung darauf achten, dass:
!
der Sensibilitätsverlust (z. B. Schmerzwahrnehmung)
durch tägliches Anschauen der Füße ersetzt wird - wer
sich nicht selbst bücken kann, sollte dafür einem Spiegel
verwenden oder einen Partner um Hilfe bitten,
!
Fußläsionen vermieden werden z. B. durch Barfußlaufen
in der Wohnung oder in den Schuhen,
!
regelmäßig eine podologische Fußpflege besucht wird,
!
nur adäquates Schuhwerk verwendet wird (keine kaputten, zu kleinen oder sonstige ungeeignete Schuhe tragen),
!
die Stoffwechseleinstellung optimal ist. Ggf. sollte eine
Mitbehandlung in einer Fußambulanz oder fußerfahrenen
diabetologischen Schwerpunktpraxis erfolgen.
Worauf sollte außerdem geachtet werden?
Wer eine Nervenstörung hat, sollte zur Pflege der Füße selbst
keine Metallinstrumente verwenden. Diese dürfen nur von
geschultem Personal, z. B. einem Podologen, eingesetzt werden.
Abb. 5: Ursache-Wirkungs-Kette beim diabetischen Fußsyndrom
Durchblutungsstörungen, Diagnose und mögliche Behandlung
Neben der Nervenstörung spielt beim diabetischen Fuß auch
die Durchblutungsstörung eine große Rolle. Sie tritt beim Diabetiker früher sowie 4 bis 5 mal häufiger auf als beim Nichtdiabetiker und schreitet schneller voran. Risikofaktoren sind:
Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörung, Übergewicht, Bluthochdruck, Rauchen.
Eine Durchblutungsstörung kann mit Hilfe der Duplexsonographie14 nachgewiesen werden. Es kann festgestellt wer-
14 Ultraschallverfahren, das nach einem Echolotverfahren funktioniert.
Die Duplexsonographie dient der Beurteilung der Blutgefäße. Sie ist ein
unblutiges diagnostisches Verfahren, welches ohne großen Aufwand
durchgeführt werden kann. Aus der sonographischen Beschaffenheit
Abb. 6: Metallinstrumente zur Fußpflege – sie sollten bei Vorliegen
einer Nervenstörung nur von geschultem Personal und nie vom Patienten selbst eingesetzt werden.
von Gefäßen lassen sich Rückschlüsse auf die Durchblutungssituation
ziehen. Nach: http://www.charite.de/med_poli/Patinfo_35.html (6.10.08)
15 In der Medizin wird das jeweils beste Handeln bezüglich einer
Krankheit als Goldstandard bezeichnet.
21
„August der Starke“ und Diabetes
Noch eine Bemerkung zum sächsischen Kurfürsten und polnischen König „August der Starke“ (*1670 – +1733). Dieser hatte
auf Grund von Diabetes einen entzündeten Fuß mit einer
entzündeten Zehe. Seine Ärzte hoben die Schultern und wussten nicht, wie sie ihn behandeln sollten. Sein Leibchirurg und
Babier dagegen handelte revolutionär, indem er eine Minimaloperation durchführte, bei der nur ein Teil der betroffenen Zehe
entfernt wurde. Dieser Eingriff verlängerte das Leben des
sächsischen Regenten um etwa 6 Jahre. Er starb an einem
dritten Fußrezidiv (Rückfall).
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
2.8 Hinweise zur ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung
Referentin: A. Schwerdtfeger, Tumaini-Institut GbR, Dresden
(Zusammenfassung des Vortrags # erhalten von der Referentin)
Diabetes, Übergewicht und andere Erkrankungen des Metabolischen Syndroms nehmen heute immer mehr zu und auch die
Zahl der Betroffenen in Deutschland steigt stetig an. Rechtzeitige Prävention ist deshalb besonders wichtig. Mit einem aktiven
Lebensstil ist vorbeugen möglich. Aktiv bedeutet Kombination
von ausreichend Bewegung mit abwechslungsreicher,
ausgewogener Ernährung.
Ziele
!
!
!
!
Versorgung des Körpers mit
Energie und Nährstoffen,
Krankheitsvorbeugung,
Körperliches Wohlbefinden,
Vermeidung
von
Übergewicht, aber auch von
Mangelernährung, …
Abb. 1: Ziele bei abwechslungsreicher u. ausgewogener Ernährung
Grundlegend bedeutet abwechslungsreich und ausgewogen
ernähren: Es gibt keine Verbote. Alles ist erlaubt, vorausgesetzt
die Menge stimmt.
Abb. 2: Grundsätze einer gesunden Ernährung
Um eine Übersicht zu bekommen, welche Lebensmittel reichlich verzehrt werden können und bei welchen Einhalt geboten
ist, hilft die Ernährungspyramide. Je breiter die Kategorie der
Lebensmittel in der Pyramide ist, desto häufiger können diese
im täglichen Speiseplan vorkommen.
22
Abb. 5: Kategorie B/C der Ernährungspyramide
Abb. 3: Ernährungspyramide – je breiter die Kategorie der Lebensmittel,
desto häufiger können diese im täglichen Speiseplan vorkommen
Die Getränke (A) bilden die Basis. Von ihnen darf es reichlich
sein. Die Empfehlungen liegen bei
!
1,5-2 l Trinkflüssigkeit täglich. Dabei sollte möglichst
wenig Energie zugeführt werden. Gut geeignet sind Mineralwasser, ungesüßte Tees oder selbstgemachte Saftschorlen.
!
2-4 Tassen Kaffee dürfen durchaus zur Deckung des
Flüssigkeitsbedarfes gezählt werden. Cola oder andere
stark gesüßte Getränke sind eher ungeeignet. Sie liefern
zu viel Energie, Lightgetränke können da eine Alternative
bilden. Sie enthalten statt Zucker meist Süßstoff und wirken somit nicht auf den Blutzuckerspiegel. Hier sollte vor
dem Gebrauch trotzdem die Zutatenliste genau überprüft
werden.
!
Zu den weniger geeigneten Getränken zählt Alkohol. Er
liefert mit 7 kcal/g sehr viel Energie. Alkoholische Getränke wirken außerdem appetitanregend. Da im Körper zuerst der Alkohol abgebaut wird, erfolgt die Fettverbrennung verzögert.
„Nimm 5 am Tag“, lautet der Slogan für den Verzehr von Gemüse und Obst (D). Das bedeutet:
!
zwei Mal täglich Obst und
!
mindestens drei Mal täglich Gemüse.
Eine Portion entspricht dabei etwa einer Handvoll. Gemüse und
Obst liefern viele Mineralstoffe und Vitamine. Da Obst einen
höheren Anteil an Energie liefert, liegt die Verzehrsempfehlung
unter der des energieärmeren Gemüses. Hülsenfrüchte sind
außerdem sehr gute Eiweißlieferanten und sättigen durch einen
hohen Anteil an Ballaststoffen.
Abb. 6: Kategorie D der Ernährungspyramide
Milch und Milchprodukte liefern ebenfalls Eiweiß (E). Dieses
tierische Eiweiß kann der Körper besser in eigenes Eiweiß
umwandeln als pflanzliche Proteine. Außerdem ist das in der
Milch enthaltene Calcium wichtig für den Aufbau von Knochen
und Zähnen. Bevorzugt werden sollten fettarme Varianten.
Damit wird nicht nur Fett, sondern auch Cholesterin gespart,
das in allen tierischen Fetten enthalten ist.
Abb. 4: Zu Kategorie A der Ernährungspyramide
Die zweite Ebene der Pyramide bilden Getreideprodukte und
Gemüse (B/C). Getreideprodukte, wie Brot oder Nudeln sättigen gut und lange, wenn sie viele Ballaststoffe enthalten.
Vollkornprodukte liefern mehr davon, als stark verarbeitete
Lebensmittel aus Getreide.
Abb. 7: Kategorie E der Ernährungspyramide
23
Fleisch, Wurst, Fisch und Eier liefern ebenfalls hochwertiges
Eiweiß (F). Das enthaltene Cholesterin kann, wenn über einen
längeren Zeitraum in größeren Mengen verzehrt, bei genetischer Veranlagung zu erhöhten Cholesterinwerten führen.
Diese Lebensmittel sollten deshalb maximal zwei bis drei Mal
pro Woche verzehrt werden. Seefisch ist ein Lieferant für
wichtige Omega-3- Fettsäuren. Diese sind lebenswichtig, da
einige von ihnen vom Körper nicht selbst gebildet werden
können. Da aus verschiedenen Gründen (z.B. Überfischung)
Salzwasserfische als natürliche Reserve von Omega-3Fettsäuren immer weniger werden, sind Alternativen gefragt.
Mit der richtigen Auswahl an pflanzlichen Ölen, kann der Bedarf
auch gedeckt werden. Hierzu zählen z.B. Raps-, Soja-, und
Walnussöl. Beim Fett ist aber die hohe Energiedichte zu beachten. Ein Gramm liefert etwa 9 kcal, deshalb sollte der Genuss
von Fetten in kleinen Mengen erfolgen. Auch versteckte Fette,
die man in Wurstwaren oder Chips findet, müssen beachtet
werden.
Abb. 8: Kategorie F der Ernährungspyramide
Fett ist neben Zucker auch in vielen Süßwaren enthalten (G).
Diese liefern somit auch sehr viel Energie. Außerdem besitzen
Süßwaren eine hohe Blutzuckerwirksamkeit. Eine geringe
Aufnahme ist deshalb günstig.
Durch eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung
in Verbindung mit täglichen Bewegungseinheiten kann vielen
Erkrankungen vorgebeugt werden. Dabei spielt nicht nur die
Reduktion von Fett eine wichtige Rolle. Es kommt auf die
Gesamtenergieaufnahme an. Viele kcal werden oft durch
Süßwaren zugeführt.
Abb. 9: Kategorie G der Ernährungspyramide
Übergewicht kann vermieden werden. Damit kommt es zu einer
besseren Insulinwirkung und dem Diabetes mellitus Typ 2 kann
ein Stück weit vorgebeugt werden. Das Risiko für Fettstoffwechselstörungen kann ebenfalls gemindert werden. Bluthochdruck und andere Herz-Kreislauferkrankungen treten seltener
auf, zusätzlich wird das körperliche Wohlbefinden verbessert.
24
3 Anlagen
3.1 Kontakt zu Referenten u. Organisatoren
Ulrich Hühmer,
Tumaini-institut GbR, Freiberger Str. 39, 01067 Dresden,
Tel.: 0351 3115051/ 4865500
[email protected]
Dr. med. Andreas Kirsten,
Städt. Krankenhaus Dresden-Neustadt,
Akademisches Lehrkrankenhaus der TU Dresden,
Med. Klinik, Industriestraße 40, 01129 Dresden,
Tel: 0351 8562230;
[email protected]
Prof. Dr. med. Tobias Lohmann, CA
Städt. Krankenhaus Dresden-Neustadt,
Akademisches Lehrkrankenhaus der TU Dresden,
Med. Klinik, Industriestraße 40, 01129 Dresden,
Tel.: 0351 8562201
[email protected]
Dr. med. Ulrike Rothe,
Med. Fakultät der TU Dresden,
01307 Dresden, Fetscherstr. 74,
Tel.: 0351 3177231,
[email protected]
Deutsche Herzstiftung e. V.
Vogtstraße 50
60322 Frankfurt am Main
Tel.: 069 955128-0
[email protected]
www.herzstiftung.de
Selbsthilfegruppe „Diabetes und Herz“,
Dresden-Prohlis,
Ansprechpartner: Siegfried Schmidt
Tel.: 0351 2593513
WHO-Projekt „Gesunde Städte“,
Landeshauptstadt Dresden,
Geschäftsbereich Soziales,
!
Postanschrift: PF 120020,
01001 Dresden
!
Besucheranschrift: Dr.-Külz-Ring 19,
01067 Dresden
Tel: 0351 488 7154
[email protected]
www.dresden.de/WHO
Siegfried Schmidt – Ehrenamtlicher Beauftragter der
Deutschen Herzstiftung e. V.,
Pochmannstr. 14, 01219 Dresden,
Tel.: 0351 2593513,
Fax: 0351 2593513
Dr. med. Peter E.H. Schwarz, Medizinische Klinik III, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden, Fetscherstrasse 74, 01307 Dresden
Tel.: 0351 4582715,
[email protected]
Prof. Dr. med. habil Reinhardt Sternitzky,
Praxisklinik „Herz und Gefäße“, Akademische Lehrpraxis der
TU Dresden,
Forststraße 3, 01099 Dresden,
Tel.: 0351 8064338,
[email protected]
www.praxisklinik-dresden.de
Dr. med. Marianne Taut, CÄ Innere Medizin/Kardiologie,
Klinik am Tharandter Wald, Herzogswalder Str. 1,
09600 Niederschöna/OT Hetzdorf
Tel.: 035209 27 715
[email protected]
Antje Schwerdtfeger,
Tumaini-institut GbR, Freiberger Str. 39, 01067 Dresden,
Tel.: 486 55 00
[email protected]
25
3.2 Programm
1. Dresdner Gesundheitstag der Deutschen Herzstiftung
Eine Aufklärungsaktion über die Gefahren des
Metabolisch-Vaskulären Syndroms
Rathaus Dresden, Festsaal
Samstag, den 13. 09. 2008 von 09.30 Uhr bis13.00 Uhr
Moderation:
Programm:
09:30 Uhr
Frau Dr. med. U. Rothe; Herr Dr. med. habil. P. Schwarz
Begrüßung,
Herr Siegfried Schmidt, Leiter der Selbsthilfegruppe „Diabetes und Herz“
09:35 Uhr
Gefäßveränderungen bei Diabetes mellitus, Frau Dr. med. M. Taut, CÄ,
Klinik am Tharandter Wald, Niederschöna/OT Hetzdorf
09:50 Uhr
Das Metabolisch-Vaskuläre Syndrom ist der „Silent Killer Nr. 1",
Frau Dr. med. U. Rothe, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der
Medizinischen Fakultät der TU Dresden
10:05 Uhr
Die periphere arterielle Verschlusskrankheit des Diabetikers Signal für Herzinfarkt- und Schlaganfallgefahr,
Herr Prof. Dr. med. habil. R. Sternitzky, Praxisklinik „Herz und Gefäße“,
Akademische Lehrpraxisklinik der TU Dresden
10:20 Uhr
Sinnvolle Diagnostik u. zeitgemäße Therapie bei herzkranken Diabetikern –
Bedroht Diabetes mein Herz? Herr Prof. Dr. med. habil. T. Lohmann,
Städtisches Krankenhaus Dresden-Neustadt
10:35 Uhr
Pause
11:00 Uhr
Aktuelles aus der Diabetes-Forschung - Regionale Präventionsprojekte –
Wie können Herzinfarkt und Diabetes verhindert werden?
Herr Dr. med. habil. P. Schwarz, TU Dresden, Med. Klinik u. Poliklinik III;
fachlicher Berater des Tumaini-Instituts
11:15 Uhr
Aufgaben und Ziele des Instituts für Präventionsmanagement,
Herr U. Hühmer, Wissenschaftl. Mitarbeiter am Tumaini-Institut Dresden
11:30 Uhr
Dem diabetischen Fuß vorbeugen - Amputationen verhindern,
Herr Dr. med. A. Kirsten, Städtisches Krankenhaus Dresden-Neustadt,
11:45 Uhr
Hinweise zur abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung,
Frau A. Schwerdtfeger, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Tumaini Institut Dresden
12:00 Uhr
Fragen an die Referenten
9:30 – 13:00 Uhr
Messaktionen, Infostände, Beratung
13:00 Uhr
Ende
26
Impressum
Herausgeber:
Landeshauptstadt Dresden
Die Oberbürgermeisterin
Geschäftsbereich Soziales
WHO-Projekt „Gesunde Städte“ Dresden
Telefon (0351) 4 88 21 74
Telefax (0351) 4 88 22 82
E-Mail [email protected]
Amt für Presse und Öffentlichkeitsarbeit
Telefon (0351) 4 88 23 90
und
(0351) 4 88 26 81
Telefax (0351) 4 88 22 38
E-Mail [email protected]
Postfach 12 00 20
01001 Dresden
www.dresden.de
Redaktion
Frau Kasimir-Glaeser
Frau Wolff
1. Auflage, September 2008
Kein Zugang für elektronisch signierte und verschlüsselte Dokumente. Verfahrensanträge oder Schriftsätze können elektronisch,
insbesondere per E-Mail, nicht rechtswirksam eingereicht werden. Dieses Informationsmaterial ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit der
Landeshauptstadt Dresden. Es darf nicht zur Wahlwerbung benutzt werden. Parteien können es jedoch zur Unterrichtung ihrer
Mitglieder verwenden.
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