Leon M. Lederman Melvin Schwartz Jack Steinberger Experiment zum Unterschied von νμ und νe Patrick Czodrowski Betreuer: Dr. Lacker 03.01.2006 L.Lederman M.Schwartz J.Steinberger “Neutrino“-Group Steinberger, Goulianos, Gaillard, Mistry, Danby, Hayes, Lederman, Schwartz Gliederung 1. Historischer Abriss 2. Fragestellung 3. Das Experiment 4. Die Auswertung 5. Folgezeit Gliederung 1. Historischer Abriss 2. Fragestellung 3. Das Experiment 4. Die Auswertung 5. Folgezeit 1. Historischer Abriss • 1914: Entdeckung J.Chadwick ß-Zerfälle: kontinuierliche Energieverteilung der Elektronen ÆEnergieerhaltung ? J.Chadwick 1. Historischer Abriss • 1927: C.D.Ellis & W.A.Wooster durch Präzisions-Kalorimetrie: scheinbare Verletzung der Energieerhaltung bei ß-Zerfall! ÆW.Pauli: unsichtbares d.h. nichtdetektierbares Teilchen, um die Drehimpulserhaltung zu garantieren 1. Historischer Abriss • 1930: Vorschlag von W.Pauli (1933 publiz.): neutrales Spin ½-Teilchen mit kleiner Masse und Wechselwirkung • 1932: Entdeckung Neutron (ebenfalls J.Chadwick) ÆNeues Bild des Atomkerns 1. Historischer Abriss • 1934: E.Fermi: „Versuch einer Theorie der ß-Strahlen“, die Theorie der schwachen WW Æ mögliche Form des ß-Zerfalles: n → p + e- + ν 1. Historischer Abriss • 1956: F.Reines & G.Cowan am „Savannah River H-Bomb tritium production plant“: Beobachtung der Reaktion: ν + p → n + e+ (Antineutrinos aus Neutronenzerfällen) F.Reines G.Cowan 1. Historischer Abriss • 1958: G.Feinberg: µ → e + γ müsste mit BR(µ → e + γ)/(µ → e + ν + ν) = 10-4 existieren ↔ νμ = νe ! Trotz intensiver Suche NICHT beobachtet! experimentell : BR(µ → e + γ)/(µ → e + ν + ν) ≤ 10-8 G.Feinberg Notiz • Idee Feinberg, ab 1960 Vertiefung durch Lee und Yang: BR (µ → e + γ)/(µ → e + ν + ν) = 10-4 , wegen Verletzung der Unitarität (Wahrscheinlichkeit nicht mehr erhalten) durch die Fermi-Theorie (Punkttheorie Æ WQ (Wirkungsquerschnitt) proportional zu S=Quadrat der Schwerpunktsenergie) bei Energien>300GeV Æ Um Unitarität zu Erhalten: Eintreten einer Dämpfung des WQ vor diesen Energien, diese wäre verbunden mit räumlicher Ausbreitung Æ Ströme und Ladungen Æ elektro-magnetisches Feld Æ Photon koppelt an e.-m. Feld Æ Photon sichtbar! Notiz • Zu Feinberg: Ziel seiner Arbeit: Widerlegen der Existenz von Eichbosonen, Argumentation stimmt, wenn νμ = νe , wovon er ausging! Ebenso Möglichkeit: Existenz der Eichbosonen Verbunden mit νμ ≠ νe ! “unbekannte Dämpfung“= schraffierte Fläche 1. Historischer Abriss • Nebenbemerkung: heutiger Stand: • BR (µ- → e- + ν e + ν µ) ≈ 100% • BR (µ- → e- + γ) < 1,2 · 10-11 (CL = 90%) unterdrückt im Standartmodell, da Leptonenfamilienzahl erhalten. Nur Neutrino-Oszillationen können diese verletzten, jedoch sehr klein im STM Gliederung 1. Historischer Abriss 2. Fragestellung 3. Das Experiment 4. Die Auswertung 5. Folgezeit 2. Fragestellung • 1959: B.Pontecorvo und M.Schwartz unabhängig: Vorschläge für Experimente zur Unterscheidung von νμ = νe und νμ ≠ νe M. Schwartz 2. Fragestellung • νμ - Fluss aus π- → νμ + µzur Untersuchung der Reaktionen: 1. νμ + p → µ+ + n 2. νμ + p → e+ + n 2. Fragestellung 1. 2. Notiz • Wegen (1/m)4 des Energieverlustes in Materie verlieren Elektronen ≈ (200)4 mehr Energie als Myonen in Materie Æ Bremsgamma Æ e+ - e- - Paar Æ ….. Æ Schauerbild für Elektronen in einer Funkenkammer 2. Fragestellung • Sei νμ = νe dann vergleichbare Reaktionsraten von 1. und 2. • Sei νμ ≠ νeÆ kein Auftreten der 2. Reaktion • M.Schwartz: Nutzen höherer ProtonenEnergien am AGS (Brookhaven) oder PS (CERN) Æ höhere ν-Energien aus π-Zefall 2. Fragestellung • Der Nutzen höherer Neutrino-Energien: 1. σ (νμ + p → µ+ + n) steigt linear, mit Eπ im Laborsystem, mit S im CoM-System 2. Intensität des Neutrinostrahles steigt quadratisch mit Eπ wegen höherem boost (νμ aus π--Zefall isotrop im Ruhesystem) 3. einfachere Detektion der Reaktionsprodukte 2. Fragestellung • 1960 Paper von T.D.Lee und C.N.Yang: - Studie zu B.Pontecorvo´s Reaktionen - Suche nach „neutral currents“ - Möglichkeit der Existenz der Bosonen W+/- Gliederung 1. Historischer Abriss 2. Fragestellung 3. Das Experiment 4. Die Auswertung 5. Folgezeit 3. Das Experiment • Erste Idee: eine 30“ Propan-BlasenKammer (bereits von Steinberger gebaut) • Ende 1960: Planänderung zu Gunsten neu erfundener Funkenkammer (SparkChamber) ÆVorteile: da Detektor gleichzeitig Target viel höhere Masse als max. 200kg Propan möglich (hier 10 x 1 Tonne Detektor) Notiz • Wegen dem kleinen Wirkungsquerschnitt der Reaktion von Neutrinos mit Materie ist eine höhere Targetmasse nicht nur vorteilhaft, sondern unbedingt notwendig, damit die gesuchten Ereignisse nicht im Untergrundrauschen untergehen! 3. Das Experiment • Durchführung am AGS (Alternating Gradient Synchrotron) Brookhaven National Laboratory • nahezu zeitgleich Experiment am PS (Proton Synchrotron) CERN mit einer Blasenkammer • maximale AGS - Protonenenergie 30 GeV • genutzte Protonenenergie 15 GeV Notiz • Am CERN waren Ergebnisse früher zu erwarten d.h. Konkurrenz! (Zeitdruck für das AGS-Team, deshalb schlampige Art des Papers?) • Jedoch CERN Versuch vorzeitig abgebrochen, da mit Blasenkammer zu wenig Ereignisse. Statt dessen ebenfalls Funkenkammer konstruiert und damit später die Ergebnisse des AGS-Teams bestätigt 3. Das Experiment • Weitere Daten des AGS: • • • • 2 - 4·1011 Protonen pro Puls 3000 Pulse pro Stunde insgesamt 3,48·1017 Protonen genutzt 3,5 µs sensitive Messzeit pro Puls → effektive Gesamtmesszeit 5,5s 3. Das Experiment • 1 Protonen-Puls dauert 1,2 s • alle 220 ns ein 20 ns breiter Protonenstrahl • periodische 20-30 µs Ablenkung auf ein Be-Target Æ1 Pionen-Burst Länge: 20-30 µs • 1 Pionen-Burst wegen ProtonenPulsstruktur unterteilt: alle 220 ns ein 20 ns breiter Pionenstrahl 3. Das Experiment Notiz Æ15 GeV Protonen auf Beryllium-Target ÆMeist Pionen & Kaonen (p + Be→ π/K + x) Æ21m Luftweg, Zerfall (π/K→µ + ν) ÆCherenkov - Trigger öffnet Gate (30 ns) Æ13,5m Stahl, Blockieren fast alle nicht Neutrino-Teilchen und µ´s mit E<17 GeV ÆDetektor 3. Das Experiment Der Detektor: Antikoinzidenzschaltung, gegen kosmische und Untergrundstrahlung 3. Das Experiment Detektor: 10 X 1-Tonne Module 1 Modul besteht aus: - 9 Aluminiumplatten (110X110X2,5)cm - 1cm Plexiglasrahmen zwischen Al-Platten - Triggering Slabs: 2 Szintillatorstreifen in Koinzidenzschaltung getrennt durch eine Al-Platte - Aufnahmegerät: Fotokameras 3. Das Experiment M.Schwartz vor der Funkenkammer 3. Das Experiment • Vorbereitungen: • Monte-CarloBerechnung des Energiespektrums der einfliegenden Neutrinos Notiz • hierzu musste der doppelt differentielle WQ von p + Be → K / π bekannt sein • BR (K+ → µ+ + νµ ) = 63,44 % • BR (π+ → µ+ + νµ ) = 99,99 % • m(K+) = 493,677 MeV • m(π+) = 139,570 MeV ÆNeutrino aus Kaon-Zerfall kriegt viel mehr Energie mit 3. Das Experiment • Kalibrieren des Detektors: mit 400 MeV - Elektronen des COSMOTRONBeschleunigers und mit Myonen aus 30 GeV-ProtonenBetrieb des AGS Gliederung 1. Historischer Abriss 2. Fragestellung 3. Das Experiment 4. Die Auswertung 5. Folgezeit 4. Die Auswertung • Untergrundmessungen: 1. ohne AGS, mit Antikoinzidenzschaltung Triggerevents: 10/h (zufällige Koinzidenz) 2. ohne AGS, ohne Antikoinzidenzschaltung Triggerevents: 80/s I mit AGS, Antikoinzidenzschaltung und 1m Schild entfernt (Neutronentest) II wie I, jedoch mit 1m Blei direkt hinter dem Be-Target (Neutrino-“Abschaltung“) Notiz • Das Entfernen von 1m Stahl hätte die Eventrate, falls Neutroneninduziert, auf ein hundertfaches erhöht! Æ Dies war nicht der Fall! 4. Die Auswertung 4. Die Auswertung Notiz • Beachte! Nach halber Messzeit, Abschirmungsmaßnahmen für den Fußboden, da dieser Quelle für erheblichen Neutronenfluss im Detektor 4. Die Auswertung • „Event“ -Kriterien: • Antikoinzidenztrigger aktiviert ÆEntstehung des Events innerhalb des Detektors • Funkenspur-Neutrinostrahl-Winkel < 60° • nur 113 Events genügen diesen Kriterien 4. Die Auswertung • Untergliederung dieser 113 Events: a) 49 kurze Einzelspuren: falls µ´s dann pµ< 300 MeV/c (darunter auch µ´s welche den Detektor verlassen) 19 aus 49 mit Spuren < 4 Al-Platten 16 dieser 19 in erster Hälfte gemessen Æ Neutronenprodukte Notiz • Im Nachhinein waren einige Events dieser Kategorie wahrscheinlich “neutral current“Events 4. Die Auswertung b) 34 “Einzel- µ“-Spuren mit pµ> 300 MeV/c c) 22 “Vertex“-Events Æ mehr als eine Spur mit eindeutigem Ursprung im Detektor d) 8 Schauer-Events Æ 6 davon mit relevanter Multiplizität 6 der 8 in erster Hälfte gemessen 4. Die Auswertung • nur “Einzel“-Spuren + “Vertex“-Events = 56 sind relevante Events wobei 5 ± 1 Event aus kosmischer Strahlung • kosmische Events, siehe auch Fig. 7 Æ asymmetrische Winkelverteilung der Plots zueinander 4. Die Auswertung 4. Die Auswertung 4. Die Auswertung • “Einzel- µ“-Spuren: sehr geringe WW mit Materie Æ Annahmen über Art der Teilchen: 1) Pionen: hätten 8 x typ. freie Weglänge 2) Hadronen: hätten 4 x typ. freie Weglänge Æ Es sind Myonen aus der Reaktion νμ + p → µ + + n 4. Die Auswertung • Wo sind die Elektronen-Events? • einzig mögliche Kandidaten für Elektronen 6 Events der Kategorie Schauer • wegen gleicher Rate bei νμ = νe jedoch ungefähr 29 Elektronenschauer erwartet • Vergleiche Anzahl von Funken der Schauerevents mit typischen Elektronenschauern des Cosmotron-Laufes 4. Die Auswertung 4. Die Auswertung • 1-2 Elektronen während gesamter Messzeit aus folgenden Reaktionen möglich: • K+ → e+ + νe + π0 und K0 → e± + νe/νe + π± • Monte Carlo Simulation des Aufbaus Æ theoretische µ-Rate von 0,75 Events pro 1016 Protonen • experimentelle µ-Rate aus Einzel-µ-Spuren (0,84 ± 0,16) Events pro 1016 Protonen 4. Die Auswertung Schlussfolgerung: νμ ≠ ν e Gliederung 1. Historischer Abriss 2. Fragestellung 3. Das Experiment 4. Die Auswertung 5. Folgezeit 5. Folgezeit • Bestätigung der Ergebnisse durch äquivalentes Experiment am CERN • Bestätigung der FERMI-Theorie • Wechsel von J.Steinberger zu CERN 5. Folgezeit • 1970 - 1973 CERN: Gargamelle-BubbleChamber, direkte Suche nach W±-Boson, P.Musset: Fund der neutral-currents Æ Indiz auf Z0-Boson • Wendepunkt im Verständnis der schwachen WW, Ausgangspunkt für weitere Theorien • Erste Bestimmung des Weinberg-Winkels Notiz • Weinbergwinkel: • Der Weinberg-Winkel ist eine elementare Naturkonstante und verknüpft die elektrische Elementarladung e mit der schwachen Elementarladung g. Das Quadrat vom Sinus des Weinberg-Winkels entspricht (ohne so genannte Strahlungskorrekturen, also dem Austausch virtueller Teilchen) gerade dem Quadrat des Verhältnisses von elektrischer zu schwacher Elementarladung (siehe Gleichung). Mithilfe der Massen der Schwachen Wechselwirkung, dem Z-Teilchen und den WTeilchen (Weakonen), folgt der Weinberg-Winkel experimentell. Er wird allerdings nicht vom Standardmodell theoretisch vorhergesagt! Der Weinberg-Winkel hängt auch mit der Feinstrukturkonstanten und der FermiKonstanten zusammen und kann so alternativ bestimmt werden. In der Elektroschwachen Theorie, einer unifizierten Theorie aus und elektromagnetischer und schwacher Wechselwirkung gibt der Weinberg-Winkel die "Mischung" zwischen Photon und Z-Teilchen an. 5. Folgezeit • 1974 SPEAR e+e--Collider at Mark I (SLAC + LBL): Entdeckung des τ-Leptons • 1983 UA1 und UA2 am CERN: direkte Beobachtung von W-und Z-Bosonen • 1988 Nobelpreis für Physik geht an: L.Lederman, M.Schwartz, J.Steinberger Quellen • original work: Physical Review Letters, Volume 9, Number 1, July 1, 1962, pages 36-44. • Nobel lecture, December 8, 1988 by Melvin Schwartz (www.nobelprize.org) • pictures: American Institute of Physics (www.aip.org) Quellen • The Ultimate Neutrino Page (http://cupp.oulu.fi/neutrino) • Journal of Physics G: Nuclear and Particle Physics, Volume 33 • “ Learning about Particles “, by Jack Steinberger (SLUB) • “ The Elusive Neutrino “, by Nickolas Solomey (SLUB)