Soziologie der Liebe - staff.uni

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Soziologie der Liebe
Vorlesung
Johannes-Gutenberg-Universität Mainz
Wintersemester 2012/13
PD Dr. phil. habil. Udo Thiedeke
„Die Liebe der Gesellschaft“
1) Die Liebe der Gesellschaft
2) Wir und die anderen
3) Zusammenfassung
Soziologie der Liebe
Die Liebe der Gesellschaft
1) Die Liebe der Gesellschaft
Folie 1
-
Gedicht als Heiratsantrag
­
Du bist so toll, bist eine Wucht,
ich liebe Dich, bist meine Sucht,
Bist und bleibst alles im Leben,
würd Dir so gerne ALLES geben,
Bist sensationell und auch sehr schlau,
Du bist einfach 'ne klasse Frau,
bin von Dir so sehr entzückt,
und immer noch nach Dir verrückt,
So wie Du bist, so bist Du gut,
Du hilfst mir, machst mir stetig Mut.
Du bist der wunderschönste Traum,
dass es das gibt, man glaubt es kaum.
(...)
Nun kribbelt es in meinem Bauch,
ich frage Dich, willst Du das auch?
Willst Du Dein Leben mit mir teilen?
so lang es geht mit mir verweilen?
Dann frag ich Dich jetzt, ganz genau:
bitte, bitte werd meine Frau!!!
Anette Pfeiffer­Klärle
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Die Liebe der Gesellschaft
1) Die Liebe der Gesellschaft
Folie 2
Bei der Freundschaft, in Freundschaftsgruppen, besonders aber in
der Liebe geht es um eine Sozialität, bei der, ganz im Gegensatz zu
der in der modernen, funktional differenzierten Gesellschaft normalen
Trennung von Rolle und Person, die einzelne Person ganz individuell
im Mittelpunkt steht.
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Die Liebe der Gesellschaft
1) Die Liebe der Gesellschaft
Folie 3
Man liebt zwar in der Regel zunächst jemanden, der unbekannt ist,
lernt ihn oder sie aber ebenso regelhaft sehr schnell persönlich kennen. ­ Vor allem liebt man aufgrund persönlicher Sympathien und
dann die ganze Person.
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Die Liebe der Gesellschaft
1) Die Liebe der Gesellschaft
Folie 4
Die hier entstehende Intimität zwischen Personen scheint eher zu
einer segmentär differenzierten Gesellschaft zu passen, die auf
Gruppen, Familien oder Clans aufbaut, nicht aber zur modernen
Gesellschaft.
Kinder der Nuer (Afrika)
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Die Liebe der Gesellschaft
1) Die Liebe der Gesellschaft
Folie 5
Dennoch lässt sich gerade für die romantische, individuelle Liebe, für
die letzten 200 Jahre ein außerordentlicher gesellschaftlicher ,Aufstieg‘ behaupten. Sie ist heute der gesellschaftlich akzeptierte Normalfall, der Wahl eines intimen Geschlechts­ oder Lebenspartners.
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Die Liebe der Gesellschaft
1) Die Liebe der Gesellschaft
Folie 6
Liebe konnte sich wohl deshalb derart gesellschaftlich verankern, weil
sie gerade in der modernen Gesellschaft, wo die Individuen hinter den
Personen in ihrer Individualität nicht mehr fassbar sind, eine Möglichkeit bietet, Personen ganz individuell mit ihren abweichenden Eigenarten in die Sozialität intimer Beziehungen einzubinden.
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Die Liebe der Gesellschaft
1) Die Liebe der Gesellschaft
Folie 7
Damit ist Liebe soziologisch gesehen aber alles andere als eine ,Privatsache‘. Sie ist vielmehr zu einer gesellschaftlichen Angelegenheit
geworden und stellt in der funktional differenzierten Gesellschaft eine
Funktion des Einbezugs von Personen in die Gesellschaft zur Verfügung.
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Die Liebe der Gesellschaft
1) Die Liebe der Gesellschaft
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Personen werden in der modernen Gesellschaft zwar auch über Organisationen in die Gesellschaft einbezogen, so z.B. über den Staat in
die Politik, über die Kirchen in die Religion, über Museen und Kunsthallen in die Kunst, über den Markt in die Wirtschaft, über die Universität in die Wissenschaft usw., das geschieht aber nur überindividuell in den Rollen von z.B. Wählern, Kirchenmitgliedern, Kunstinteressierten, Käufern, Studierenden usw.
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Die Liebe der Gesellschaft
1) Die Liebe der Gesellschaft
Folie 9
Erst die intimen Formen der Vergesellschaftung, besonders die Liebe,
mit ihrer höchsten, auch die Körper der Liebenden erfassenden, Exklusivität individueller Relevanz, erlaubt den gesellschaftlichen Einbezug persönlicher Individualität.
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Die Liebe der Gesellschaft
1) Die Liebe der Gesellschaft
Wir können hier also ganz zu recht von der „Liebe der Gesellschaft“
sprechen, denn sie ist gesellschaftlich, also durch alle anderen, geformt und muss auch so, nach diesen Formvorschriften gelernt und
kommuniziert werden.
Folie 10
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Die Liebe der Gesellschaft
2) Wir und die anderen
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Liebe, so erscheint es nun, ist alles andere als eine ,Privatangelegenheit‘. Bereits in der Art und Weise, was wir uns für eine Liebe wünschen können und wie wir Liebe zum Ausdruck bringen können spielt
Gesellschaft mit hinein.
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Die Liebe der Gesellschaft
2) Wir und die anderen
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Nicht nur, dass wir uns in unserer Liebesintimität exklusiv gegen andere (die damit zum Problem werden und die Zweisamkeit stören
können) abgrenzen müssen, nein auch dass wir selbst den Liebespartner individuell wählen sollen, sind Erwartungsmuster, die die gesellschaftliche Liebeskommunikation der sog. romantischen Liebe
vorschreiben.
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2) Wir und die anderen
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Wie Kornelia Hahn gezeigt hat gehört z.B. das Spiel mit der gegenüber den anderen dargestellten Exklusivität der intimen Paarbeziehung zum Grundmuster der heutigen Liebeskommunikation.
[Kornelia Hahn, 2000: Liebe: Ein Testfall für die fragile Grenzkonstruktion zwischen Intimität und Öffentlichkeit, in: dies., Günther Birkart (Hrsg.): Grenzen und Grenzüberschreitungen der Liebe. Studien zur Soziologie intimer Beziehungen II. Opladen.
S. 249­278.]
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Die Liebe der Gesellschaft
2) Wir und die anderen
Folie 14
Dabei gerät die intime Paarbeziehung unter Veröffentlichungsdruck,
wenn es darum geht, gegenüber den anderen Position zu beziehen.
Soll eine rechtliche Anerkenntnis der privaten Verbindung möglich
sein, etwa bei Eheschließungen, dann gibt es von Seiten der anderen
sogar eine bindende Veröffentlichungserwartung, die dann von staatlicher Seite und ggf. kirchlich organisiert wird.
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2) Wir und die anderen
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Die Erwartungen, die mit der romantischen Liebe verbunden sind, beziehen sich also auf die komplizierte Konstellation, dass die liebenden
Individuen, durch den Umgang mit ihrer höchst exklusiven Beziehung
zeigen, ob sie in der Lage sind, sich als Personen gesellschaftlich zu
positionieren.
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2) Wir und die anderen
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Wir sehen jetzt, dass Liebe gesellschaftlich in der Lage ist, individuelle und gesellschaftliche Kommunikationserwartungen gleichermaßen
zu formen. Liebe stellt sich so als ein gesellschaftliches Medium dar,
aber als ein ganz spezielles!
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3) Zusammenfassung
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Zusammenfassung
- Liebe ist zu einer gesellschaftlichen Angelegenheit geworden und stellt in der
funktional differenzierten Gesellschaft eine Funktion des Einbezugs von
Personen in die Gesellschaft dar.
­ Liebe ist also gesellschaftlich, d.h. durch alle anderen, die nicht zur Liebesbeziehung gehören, geformt und muss nach diesen Formvorschriften gelernt
und kommuniziert werden.
­ Das Spiel mit der nach außen dargestellten Exklusivität der intimen Paarbeziehung gehört dabei zum Grundmuster der Kommunikation der heute gültigen Erwartungen der „romantischen Liebe“.
­ Bei der romantischen Liebe müssen die liebenden Individuen, durch den
Umgang mit ihrer höchst exklusiven Beziehung zeigen, ob sie in der Lage
sind, sich als Personen gesellschaftlich zu positionieren.
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