Das „Liechtensteiner Volksblatt“ erklärt die sozialistische - E

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Quellenedition 1900-1930
04.12.1920 Kategorie: Quellen 1900-1928 | Mentalitäten und ideologische
Strömungen
Das „Liechtensteiner Volksblatt“ erklärt die sozialistische
Ideologie, welche auf dem Atheismus beruhe, für
unvereinbar mit dem christlichen Glauben (2)
Originaldokument
Veröffentlichung einer Einsendung im „Liechtensteiner Volksblatt“ [1]
4.12.1920
Christentum und Sozialismus
(Eingesandt)
2. Moral und Sozialismus
Im Text erwähnte Personen
Die Sozialdemokratie will nicht die christliche Religion vernichten, sie will auch die
christliche Moral von Grund auf umstürzen.
Nach christlicher Anschauung ist die Sittenlehre ein wesentlicher Bestandteil der
Religion. Gott hat das natürliche Sittengesetz ins Herz geschrieben, wie der hl.
Apostel Paulus lehrt. Und dieses Gesetz kündigt sich im Gewissen aller Menschen an
und nach diesem Gesetz werden sie einst alle am grossen Gerichtstag zur
Rechenschaft gezogen. Das ist aber noch nicht die ganze Sittenlehre. Wir sollen
auch an Christus, den gottgesandten Erlöser glauben, alles, was er gelehrt, für
wahr halten und alle seine Gebote beobachten. „Willst du zum Leben eingehen, so
halte die Gebote", sagte der Heiland. Die Beobachtung der christlichen Sittenlehre
wird über unsere Ewigkeit entscheiden.
Bebel August [Ferdinand August],
deutscher Politiker, Sozialist, Engels
Friedrich, dt. Revolutionär, Philosoph,
Ferrer i Guardia Francesc, span.
Pädagoge, Kautsky Karl [Karl Johann],
dt.-tschech. Philosoph, Politiker, Marx
Karl, dt. Philosoph, Sozial- und
Wirtschaftswissenschaftler, politischer
Journalist, Proudhon Pierre-Joseph,
franz. Ökonom, Soziologe
Im Text erwähnte
Körperschaften
Themen
Christentum, Kapitalismus,
Kommunismus, Marxismus,
Privateigentum, Sittenlehre,
Sozialdemokratie, Sozialismus,
Urchristentum
Nach der Lehre der Sozialdemokratie aber ist, wie die Religion, so auch die Moral
nur Menschenwerk. Schon das von Karl Marx und [Friedrich] Engels1847 verfasste
„Kommunistische Manifest" [2] erklärt die Moral zugleich mit der Religion für ein
„bürgerliches Vorurteil". Und [Karl] Kautsky behauptet: „Ein tierischer Trieb, nichts
anderes ist das Sittengesetz!"
Die Sozialdemokratie predigt eine Moral ohne Religion. „Sittlich ist, was Sitte ist"
sagt [August] Bebel („Die Frau" [3] Seite 17). „Sittlich ist, was dem Bedürfnis einer
bestimmten Zeitperiode entspricht." Nach solcher Lehre kann also später „sittlich"
genannt werden, was heute allgemein als Laster oder Unsitte bezeichnet wird.
Wenn z.B. Kindesmord bei den Chinesen und Menschenfresserei bei den Wilden
„dem Bedürfnis solcher Perioden entspricht", so sind diese scheusslichen Unsitten
nach Bebels Lehre „sittlich". Wahrhaftig eine sehr bequeme Moral! Nach dieser
Moral kann man alle Leidenschaften zu Tugenden stempeln, alle Laster und
Verbrechen als sittliche Taten verherrlichen. Nach dieser Moral kann man alle
sittliche Ordnung im Namen der Moral umstürzen und ungestraft ein EngrosGeschäft in Verbrechen jeglicher Art einrichten. Das ist umso leichter möglich, als
nach sozialistischer Lehre der Mensch keinen freien Willen hat und daher für seine
Taten nicht verantwortlich gemacht werden kann. Verstehst du nun, wieso es
möglich ist, dass die Sozialdemokraten einen Ferrer [Francesc Ferrer i Guardia] als
Märtyrer verehren und Königsmörder als Helden feiern können und handkehrum die
„freie Liebe" predigen.
Die sozialdemokratische Moral ist nichts anderes als die Vernichtung jeder Moral.
Die Sozialdemokraten mögen nur den Versuch machen, ihre Jugend nach diesen
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ihren Lehren zu erziehen. Die Früchte dieser Sittenlehre werden nicht ausbleiben.
Aber Gott möge unser braves Volk davor bewahren, dass es je in einen solchen
Abgrund der Sittenlosigkeit versinke.
3. Katholische Bibel-Auslegung und Moral in Bezug auf Eigentum
„Mein ist die Erde", spricht der Herr. Gott ist der Herr und Eigentümer der Erde und
aller irdischen Güter. Gott hat aber die Erde den Menschen zur Bebauung und die
Früchte zum Genusse, zur Erhaltung des Lebens übergeben. Und zwar sollen die
Früchte der Erde allen Menschen zugut kommen. Die irdischen Güter, zum Beispiel
Grundstücke, können Gemeingut einer Gesellschaft oder aber Privateigentum sein.
In der ganzen hl. Schrift findet sich keine Bibelstelle, welche den Besitz von
Privateigentum als unstatthaft erklärt. Gleichwohl behauptet Broudhon [PierreJoseph Proudhon] und tausend andere Sozialisten schreien mit: „Eigentum ist
Diebstahl!“ [4] Die katholische Moral aber lehrt: „Nicht Eigentum ist Diebstahl,
sondern ungerechte Aneignung und Verletzung des Eigentums ist Diebstahl". Die
Berechtigung auf Privateigentum entspricht dem Naturrecht und dem Gesetze
Gottes, ist zweckmässig und notwendig. Denn das Privateigentum stärkt die
sittliche Selbständigkeit des Menschen. Es regt den Menschen am wirksamsten zur
Tätigkeit und Strebsamkeit und zur allseitigen Entwicklung der Kräfte an.
Privatbesitz ist mehr als Kommunismus geeignet, den Frieden unter den Menschen
zu erhalten, wie die Erfahrung lehrt. Wo mehrere gemeinsamen Besitz haben, gibt
es mehr Streitigkeiten, als wenn jeder seinen Anteil zu eigen hat.
Wer Privateigentum besitzt, der soll sich nicht als unbeschränkter Eigentümer,
sondern als Verwalter nach Gottes Willen betrachten. Insbesondere wer mehr hat
an irdischen Gütern, als er für sich und seine Familie nötig hat, soll sein Eigentum
als Gemeingut betrachten in dem Sinne, dass er von dem Überflusse gerne mitteilt,
um den Bedürfnissen anderer abzuhelfen. Diese Pflicht ist im allgemeinen eine
Liebespflicht. Wenn aber der Mitbruder am notwendigsten Mangel leidet, hat der
Reiche auch die Gerechtigkeitspflicht, ihm zu helfen.
Wer mit ungerechten Mitteln reich geworden ist: durch Diebstahl, Betrug, Wucher,
Vorenthaltung des verdienten Arbeitslohnes, der hat sich Schätze des Zornes
gesammelt auf den Tag des Gerichtes. Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein
Nadelöhr gehe, als dass ein solcher in das Reich Gottes eingehe. Er kann einzig
durch Wiedererstattung, durch Verwendung des Reichtums zu wohltätigen Zwecken
sich den Eingang ins Reich Gottes wieder öffnen.
Es ist Tatsache, dass der lebendige Glaube an Christus und an die ewige Vergeltung
im Urchristentum den Kapitalismus überwunden und eine bewunderungswürdige
Nächstenliebe hervor gebracht hat. Und ebenso ist es sicher, dass in der Neuzeit die
atheistische Welt- und Lebensanschauung und die Lostrennung der
Wirtschaftsmoral von der Religion – der Selbstsucht, dem Wucher und allen
Auswüchsen des Kapitalismus mächtig Vorschub geleistet haben. Nicht der
gottesleugnerische Sozialismus, sondern einzig der Geist des Christentums kann die
heutige kranke, schwerkranke Gesellschaft heilen.
______________________________
[1] L.Vo., Nr. 97, 4.12.1920, S. 1. Vgl. zuvor L.Vo., Nr. 96, 1.12.1920, S. 2
(„Christentum und Sozialismus“) bzw. in weiterer Folge L.Vo., Nr. 98, 11.12.1920,
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S. 1-2 („Christentum und Sozialismus“) und Nr. 99, 14.12.1920, S. 1 („Christentum
und Sozialismus“).
[2] Das Manifest der Kommunistischen Partei erschien am 21.2.1848 in London.
[3] Vgl. August Bebel: Die Frau und der Sozialismus (Zürich 1879).
[4] Zitat aus dem Werk: Qu'est-ce que la propriété? Ou recherches sur le principe
du droit et du gouvernement (Paris 1840).
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