Anatomy. - Verdopplung der Frontzähne. Von TH. E. DE JONGE-COHEN. (Communicated by Prof. M. W. WOERDEMAN.) (Communicated at the meeting of January 29, 1938.) Das Problem der Zahnverdopplung hat in der Literatur zu mancher Controverse Anlass gegeben: dies gilt namentlich für die prremaxillaren Gebisselemente, bei welchen zahlreiche casuistische Mitteilungen - bis zum heutigen Tage - eine ungenügende Einsicht in die Entstehungsweise der Difformität verraten. In diesem Lichte betrachtet möge es daher verständlich sein, dass wir, auch in Zusammenhang mit den recenten Mitteilungen van WESKI (1), HERBST (2 und 3) und anderen, glaubten, mit ausführlicherem Studium dieses Themas keine überflüssige Arbeit zu leisten. Indem wir hiermit unserer eindgüItigen Veröffentlichung vorgreifen. gibt uns die äusserst seItene Beobachtung eines Falles van Eckzahnverdopplung den willkommenen Anlass. diesem Gegenstand einige Worte zu widmen. Dabei wollen wir uns hauptsächlich auf Beschreibung und Abbildung unserer Fälle beschränken - nur einige theoretische Betrachtungen zur Einleitung. * * * Im voraus sei bemerkt. dass nicht alle überzähligen Vorderzähne das Substrat einer Verdopplung darstellen: wir kennen den gewöhnlich in Höhe der Medianfläche - nicht seIten bilateral - durchbrechenden mesiodens, nach BUSCH [4 1)] und HERBST eine fissurale Dysmorphie. van BOLK (5. 6 und 7) als die Manifestation des dritten incisivus der Urprimaten interpretiert. Seine rudimentäre Kronenstructur stellt einen scharfen Contrast mit der der echten Zwillinge dar. die - ab origine ja Derivat ein und desselben Keimes - sich auch in erwachsenem Zustande durch den rein incisiviformen Bau ihrer Kronen kennzeichnen. Wenn man auch daneben nicht aus dem Auge verlieren darf. dass ihre Formdifferenzierung ebenso sehr von der in nuce vorhandenen Teilungstendenz abhängig ist: neben der Entwicklung zu zwei vollkommen selbständigen Gebisselementen kennen wir Uebergangsformen in mancherlei Gradationen. welche - weniger propulsiv entwickelt - die Erinnerung an beschränktere Spaltungspotenz fixiert halten. Sie haben den Weg gleichsam nicht ganz zurückgelegt. sondern sind mittendrin stecken geblieben und bilden gewissermassen Zwischenstationen. welche als solche erheblich dazu beigetragen haben. unsern Einblick in den ganzen Entwicklungsmechanismus zu schärfen. 1) Op. cito S. 456. Proceedings Roya1 Netheriands Acad. Amsterdam. Vol. XLI, 1938. 12 182 Namentlich Einden wir sie bei dem medialen Schneidezahn, wo die Neigung zur Verdopplung nun einmal nicht so prononciert zu sein scheint wie bei seinem lateralen Synergeten. Zur Vervollständigung wollen wir mit der Bemerkung schlieszen, dass auch Synodontie - gleichfalls vorzugsweise bei den Frontzähnen - zur Bildung sogenannter Zwillingszähne Anlass geben kann, welche morphotisch völlig, genetisch keineswegs mit den Fällen echter Zahnverdopplung identisch sind: nur in parenthesi erinnern wir daran, dass wir auch bei Fingerverdopplung und Syndactylie analoge Isomorphie antreffen! * * * Bei der Erläuterung unserer Fälle wollen wir von den seitlichen Schneidezähnen in Abb. 1 1), Fall bilateraler Spaltungstendenz, ausgehen, welcher ausserdem ad oculos demonstriert, wie wir uns die formale Genesis der dentalen gemini vorstellen müssen: die Einschnürung links BOLK'S schizogene Variation - stellt eine Formphase dar, woraus sich gleichsam automatisch der Zustand auf der andern Seite der Medianlinie ableiten lässt. Auch in den nächsten Abbildungen (2, 3 und 4) sehen wir zwei aufeinanderfolgende Entwicklungsstadia auf instruktive Weise dargestellt: während auf dem centralen incisivus links von Abbildung 2 ein mit dem blossen Auge kaum wahrnehmbare sulcus sich in der Mitte der oralen Kronenfläche verliert, ist rechts - wo sich eine tiefe Incisur ununterbrochen bis zu gingival verfolgen läszt - der manifeste Ausdruck progredienterer Spaltungspotenz unverkennbar. Die mittleren Segmente beider Kronen jedoch stehen durchaus in Entwicklung hinter den beiden lateralen zurück 2). Auffallender noch in diesem Zusammenhang sind die zwei nächsten Abbildungen: während in Abbildung 3 der erste Schneidezahn rechts höchstens durch seine etwas langgestreckte Form auffällt, hat sich bei der Krone seines linken Namensvetters die mediale Zone scharf von einer breiteren distalen abgegrenzt. Dass die Verdopplungstendenz beider hier ausserdem von der Reduction ihrer lateralen Synergeten und Agenesie der vier zweiten prremolares begleitet wird, finden wir zum Ueberfluss noch in den Röntgenogrammen bestätigt. Auch in Abb. 4 wir verdanken diesen casus der freundlichen Bereitwilligkeit Herrn Dr. ARNO MOELLER'S, der ihn an anderer Stelle 1) .Entliehen an BOLK's Veröffentlichung über den gleichen Gegenstand: ibkiem Seite 209. Abb. 33. 2) Neuerdings hat VOLLRATH in der De:utschen zBhnärztlichen Wochenschrift einen fast identischen Fall bekannt gegeben (v.d. Jahrgang XL. Ab!. 50. 1937). TH. E. DE }ONGE-COHEN: VERDOPPLUNG DER FRONTZÄHNE. Abb. 1 Abb.2 Abb.3 Abb.6 Abb.5 Abb. -4 Proceedings Royal Netherlands Acad. Amsterdam. Vol. XLI. 1938. Abb.7 Abb.8 183 bereits selber beschrieb und abbildete ( 8) - sehen wir die V erdopp~ lung des mittleren Schneidezahnes links gewissermassen durch die partielIe Teilung seines rechten Nachbarn eingeleitet, dessen schmales mediales Kronensegment zu dem bedeutend breiteren distalen in scharfem Contrast steht. Sodann betreffen Abb. 5 u. 6 Fälle bimaxillarer Verdopplung des late~ ralen incisivus. Dabei möchten wir besonders die Aufmerksamkeit auf die letztere der beiden Abbildungen lenken, weil hier alle Frontzähne, sowohl im Ober~ als Unterkiefer, auffallend regelmässig inplantiert stehen. Dasselbe gilt für Abb. 7, Beispiel Elementes im lactealen Gebiss. bilateral~é:Equaler gemini desselben Wir schliessen unsere Beispiele mit der Abbildung des Oberkiefers, bei welchem der Durchbruch van zwei rechten Milchcuspidati jeden Zwei fel über die Möglichkeit von Eckzahnverdapplung ipso facto und mit einem Schlag beseitigt. Beide sind van normaler Gestalt, für beide liegt ausserdem bereits der bleibende Nachfolger im Kiefer fertig. Für heute begnügen wir uns mit der Abbildung ihres Gipsabgusses auf die besandere Bedeutung van dies und jenem beabsichtigen wir, in unserer endgültigen Veröffentlichung über denselben Gegenstand ausführlicher zurück~ zukammen! ZUSAMMENFASSUNG . Im Anschlusz an einige Beispiele van Verdapplung der Schneidezähne - odontoschizis partialis bzw. totalis - bitten wir urn Aufmerksamkeit für einen Fall van Verdapplung des cuspidatus in der Milchdentitian und im bleibenden Gebisz (varläufige Mitteilung). SUMMARY. Referring ta same examples of the doubling of the incisars - odonto~ schizis partialis resp. totalis - the attention is invited far a case of daubling of the canine in temparary and permanent dentition (preliminary information) . RÉSUMÉ . Paur faire suite à une série d 'exemples de dédoublement des incisives odontoschizis partialis resp. totalis - nous appelIons votre attention sur un cas de dédoublement de canine dans la dentition temporaire et perma~ nente (communication provisoire). Laboratorium für Anatomie und Embryologie der Universität Amsterdam. 184 BIBLIOGRAPHIE. 1. WESKI, 0., Röntgenanatornie des Schädels, der Kiefer und der Zähne. Berlinische Verlagsanstalt, Berlin. 2. HERBST, E. und M. APFELSTAEDT, Atlas und Grundriss der Missbildungen der Kiefer und Zähne. LEHMANN's medicinische Handatlanten. Ab!. XLI (1928). 3. HERBST, E., Doppelbildungen der Zähne - eine vergleichende Studie. Deutsche zahnärztliche Wochenschrift. Jahrgang XXXVII, Ab!. 47 (1914) und Jahrgang XXXVIII, Ab!. 16 (1935). 4. BUSCH, Die Ueberzahl und Unterzahl in den Zähnen des rnenschlichen Gebisses rnit Einschlusz der sogenannten dentitio tertia. Deutsche Monatschrift für Zahnheilkunde. Jahrgang IV, Ab!. 12 (1886) und Jahrgang V, Ab!. 1 und 2 (1887). 5. BOLK, L., Schets der ontwikkelingsgeschiedenis van het rnenscheliJk gebit. Genees~ kundige Bladen uit Cliniek en Laboratorium. Serie XVII, Ab!. 6 und 7 (1912). 6. - - - , Odontologische Studien 11. Die Morphogenie der Prirnatenzähne. Eine weitere Begründung und Ausarbeitung der Dirnertheorie, Jena (1914). 7. , Die iiberzähligen oberen Inzisivi des Menschen. Deutsche Monatschrift für Zahnheilkunde. Jahrgang XXXV, Ab!. 4 (1917). 8. MÖLLER, A., Ein Fall von dentes confusi. Deutsche Zahnärztliche Wochenschrift. Jahrgang XL, Ab!. 11 (1937) .