Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen - Abteilung Münster Fachbereich Sozialwesen Studiengang Heilpädagogik B.A StEP-Bericht Sozial-emotionale Belastungsfaktoren in Familien mit Schwerhörigen Begleitdozentin Frau Schäper Studierende Sarah Kellou Martina Dietz Tatjana Soenen Kerrit Lena Vanselow Datum 13.02.2013 1 Das Ziel dieses Projekts und der Inhalt dieses Berichts ist die Ermittlung der sozialemotionalen Belastungsfaktoren in Familien durch die Schwerhörigkeit eines Elternteils. Dazu wurde auf Grundlage von Literatur zum Thema Schwerhörigkeit ein Interview-Leitfaden erstellt. Dieser deckte die Bereiche „Hilfsmittel“, „Belastungsfaktoren“, „Beziehungen der Familienmitglieder zueinander“ und „Umgang mit der Schwerhörigkeit“ ab. Diese Bereiche wurden miteinander in Verbindung gesetzt, um einen möglichst umfassenden Eindruck über Belastungen und deren Auswirkungen auf die Familie zu gewinnen. Befragt wurden drei Familien mit Kind(-ern) und jeweils einem schwerhörigen Elternteil. Insgesamt wurden somit acht Probanden befragt. Die Ergebnisse der Befragungen weisen auf, dass die Kommunikation unter den Familienmitgliedern einen der größten Belastungsfaktoren darstellt. Zugleich kann sich diese aber auch positiv auf die Beziehungen innerhalb der Familie auswirken. Auch stellte es sich heraus, dass die familiären und außerfamiliären Belastungsfaktoren nicht voneinander zu trennen sind. Vor allem, da bereits die Anzahl der verschieden Faktoren Einfluss auf das Wohlbefinden der Familienmitglieder und somit auch auf ihre internen Beziehungen hat. Dasselbe gilt für die Art des Umgangs mit der Schwerhörigkeit, sowohl von Seiten des Betroffenen als auch von Seiten der Angehörigen. Der enge Zusammenhang zwischen der Art der Beziehungen und dem Umgang mit der Schwerhörigkeit wurde dargestellt und es wird deutlich, dass diese sich gegenseitig beeinflussen. Des Weiteren stellte sich heraus, dass die Tabuisierung des Themas Schwerhörigkeit und die teils vorhandene Stigmatisierung der Schwerhörigkeit erschwerend hinzukommen und von den Betroffenen zusätzlich als Belastung empfunden werden. 2 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis.........................................................................................................................3 1. Projektvorstellung ....................................................................................................................4 2. Forschungsprozess....................................................................................................................4 2.1 Aktueller Forschungsstand.....................................................................................................4 2.2 Forschungsmethode...............................................................................................................7 2.3 Durchführung.........................................................................................................................8 2.4 Auswertung............................................................................................................................9 3. Ergebnisse................................................................................................................................9 3.1 Sozialemotionale Belastungsfaktoren.....................................................................................9 3.2 Verwendung von Hilfsmitteln...............................................................................................11 3.3 Beziehungen der Familienmitglieder ...................................................................................11 3.4 Umgang mit der Schwerhörigkeit innerhalb der Familie......................................................12 4. Fazit........................................................................................................................................13 5. Diskussion der Ergebnisse.......................................................................................................15 6. Danksagung............................................................................................................................17 7. Literaturverzeichnis................................................................................................................18 3 1. Projektvorstellung An dem für alle Studierenden der Heilpädagogik durchgeführten „Markttag“ am 02.10.12 für das StEP-Projekt, stellte sich unter anderem der „Deutsche Schwerhörigenbund e.V Landesverband NRW“ (DSB), vertreten durch Anna Maria Koolwaay und Stefan Hanses, mit ihrem Projekt „Belastungsfaktoren in Familien mit Schwerhörigen“ vor. Die Intention des Schwerhörigenbundes war es hierbei allgemein, aber auch durch die Bearbeitung des Projektauftrages, mehr Präsenz sowie Akzeptanz der Schwerhörigkeit in der Öffentlichkeit/Gesellschaft zu erlangen, um somit eventuell zusätzlich in ferner Zukunft die Unterstützung für mehr Hilfestellungen für Betroffene zu erhalten. Zur umfassenden Bearbeitung der Projektaufgabe in den darauf folgenden sieben Wochen bildete sich eine vierköpfige, zufällig zusammengestellte Gruppe. Es trafen vier Personen mit jeweils unterschiedlichen Beweggründen zur Wahl des Projektes, Erwartungen, Vorannahmen sowie vor allem Erfahrungen aufeinander. Dementsprechend gab es Beteiligte, welche bereits im engen familiären Kreis mit dem Thema Schwerhörigkeit konfrontiert wurden, andere, die bereits selbst die Erfahrung der Schwerhörigkeit im Kindesalter erlebten und aber auch Mitglieder, die noch keinerlei persönliche Erfahrungen bei diesem Thema gesammelt hatten. Zur adäquaten Nutzung dieser individuellen Erfahrungen und Erwartungen der einzelnen Mitglieder und um dabei ebenfalls mit den Erwartungen der Vertreter des DSB übereinzustimmen, galt es sich als nächsten Schritt durch die Literaturanalyse Grundwissen anzueignen und einen Überblick über den aktuellen Stand der Forschung zu erhalten, um gegebenenfalls den Projektauftrag zu spezifizieren. 2. Forschungsprozess 2.1 Aktueller Forschungsstand Zum allgemeinen Verständnis des umfassenden Themas „Schwerhörigkeit“ war es zunächst von Bedeutsamkeit, sich anhand von Fachliteratur ein Grundwissen über dieses Phänomen anzueignen. Hierzu konnten aus naturwissenschaftlicher Literatur, spezifischen Fachbüchern über das Thema Schwerhörigkeit sowie über das Internet ausreichende Informationen über das menschliche Gehör allgemein, die Arten der Schwerhörigkeit sowie deren Ursachen eingeholt werden. Eine verständliche Definition 4 des Begriffes formulierte Krüger: „Als schwerhörig gelten diejenigen Menschen, die durch eine periphere und/oder zentrale Schädigung ihres Gehörs erheblich in der Wahrnehmung akustischer Reize und insbesondere normallauter Umgangssprache beeinträchtigt sind, bei denen aber prinzipiell die Auffassung von zusammenhängender Sprache einschließlich der Kontrolle des eigenen Sprechens auf auditivem Weg noch möglich ist, wobei optische und kinästhetische Empfindungen eine Unterstützungsfunktion übernehmen“ (Krüger 1982, 20). Um zu überprüfen, dass Schwerhörigkeit kein seltenes Phänomen und dennoch weitestgehend unbeachtet ist, war die Betrachtung der Anzahl betroffener Schwerhöriger ein relevanter Bestandteil unseres Vorgehens. In Deutschland gibt es zum Thema Schwerhörigkeit nur eine umfassende repräsentative Querschnittstudie. Diese wurde 1984/1985 vom Deutschen Grünen Kreuz initiiert und in Zusammenarbeit mit dem Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung und Infratest Gesundheitsforschung über ein Jahr lang durchgeführt. Zu den wesentlichen Ergebnissen gehört, dass die audiometrisch festgestellte betroffene Personenzahl mit einer behandlungsbedürftigen Hörminderung bei 12.736.800 liegt. Das entspricht 26,8% der damaligen Bevölkerung der BRD zwischen 15 und 75 Jahren (Pelz 2007, 15ff.). Eine weitere Aussage zur Personenanzahl Hörgeschädigter veröffentlichte Dr. Sohn von der Universität Witten/Herdecke in Zusammenarbeit mit Siemens Audiologische Technik nach eingehender Untersuchung im Jahre 2000 bei einer Pressekonferenz in Berlin. Dazu bediente er sich einer Einzeluntersuchung aus dem Jahr 1999, welche auf der Basis 2000 hausärztlicher Befragungen entstanden war. Er kam zu dem Ergebnis, dass 19 Prozent der deutschen Bevölkerung über 14 Jahre hörbeeinträchtigt sind und mit zunehmendem Alter der Prozentsatz der Hörgeschädigten zunimmt. Die Zahl der Fälle von Schwerhörigkeit nimmt dabei stetig zu. (Ständer 2007, o.S). Der Fakt, dass es nur eine repräsentative umfangreiche Studie zum Thema Schwerhörigkeit gibt, zeigt, dass diese Beeinträchtigung deutlich wenig Präsenz in der Forschung sowie der Gesellschaft allgemein aufweist. Ein ebenfalls bedeutsamer Aspekt war es, einen Überblick darüber zu bekommen, inwieweit die Begriffe „Taubheit“ und „Schwerhörigkeit“ differenziert werden und zu überprüfen, ob Gehörlosigkeit tatsächlich mehr Präsenz in der Öffentlichkeit erfährt. Hierzu schrieb Corinna Pelz: „Ertaubte Menschen haben bestimmte Standards und Rollenschemata gibt, an die sich die Betroffenen halten können. Da diese aber nicht für Schwerhörigkeit existieren, ist die Situation für die Betroffenen sogar schwieriger. Trotz ihrer geringen Zahl im Vergleich zu Menschen mit leichtem und mittlerem Hörverlust wird gehörlosen Menschen in der Öffentlichkeit mehr Beachtung geschenkt.“ (Pelz 2007, 60), wodurch die oben genannte These bestätigt wird. Nach der Einholung und Analyse des aktuellen 5 Forschungsstands soll nun der Fokus auf die Belastungsfaktoren gerichtet werden. Hierbei sollte im Hinblick auf den Projektauftrag der Praxisstelle nach bereits vorhandenen empirischen Fakten zu allgemeinen (Belastungs-) Faktoren recherchiert werden. Der wesentlichste Faktor zeigt sich in der Kommunikation. „Gemeinschaft und Kommunikation bauen aufeinander auf und brauchen einander. Dieses sorgt für den nötigen Lebensstandard und für Wohlbefinden, Zugehörigkeit, Inklusion statt Ausschluss.“ (Andeoud/Hintermair/ Reiser 2010, 164f). Darin besteht demnach ein großer Bedarf unter anderem für die Beziehungspflege. Die Lautsprache geprägte Welt setzt eine Kommunikation voraus. Schwerhörigkeit führt jedoch zur Einschränkung in der Kommunikation und gilt daher als Hochbelastung und sehr Energie raubend. (Andeoud, Hintermair, Reiser 2010, 164f.). Die Hauptmerkmale und Schwierigkeiten innerhalb der Kommunikation von und mit Schwerhörigen sind unter anderem mangelndes Verstehen, Frustration, Unsicherheit, Anstrengung, Probleme bei Gesprächen von mehr als zwei bis drei Personen, Ermüdung, Konzentrationsmangel, Zurücknahme der eigenen Beiträge, Passivität und Probleme beim Hörer-SprecherWechsel (Koske 2000, 169). Weitere Belastungsfaktoren von schwerhörigen Menschen sind ein negatives Selbstbild, Veränderungen im sozialen Leben, soziale Zurückweisung, Selbstisolation, Diskriminierung im Beruf, das Unbehagen, sich lächerlich zu machen und psychologischer Schmerz wie zum Beispiel Angst, Frustration, Stress und Depression (Pelz 2007, 56). Diese Faktoren lassen sich jedoch häufig auf die Kommunikation zurückführen, so dass sie sich als eine Art Ursprung für die Probleme darstellt und allgemein ein signifikanter, sich bedingender Zusammenhang zu anderen Lebensbereichen vorhanden ist. Ein letzter wichtiger Aspekt war die Frage, ob und inwieweit sich die Nutzung technischer Hilfsmittel, positiv wie auch negativ, auf die Belastungen auswirkt. Corinna Pelz fasst dies zusammen: „Besonders positive Einflüsse haben Hörgeräte auf folgende Gesichtspunkte: Größere Ertragskraft, Verbesserung von Beziehungen, Reduktion von Ärger, depressiven Symptomen und Frustration, Verbesserung der emotionalen Stabilität, reduzierte Selbstkritik, verbesserte kognitive Fähigkeiten und erweiterte und verbesserte soziale Gruppenaktivitäten.“ (Pelz 2007, 37). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Thema Schwerhörigkeit durchaus komplex und umfangreich ist. Dennoch wurden im Vergleich zu anderen Phänomenen kaum Studien durchgeführt. Die meist beschriebenen empirischen Studien beziehen sich hierbei auf die Häufigkeit der Erkrankung, technische Hilfsmittel oder aber die Stigmatisierung. Grundsätzlich wurden zwar Belastungsfaktoren genannt, doch auch diese beziehen sich häufig auf technische Hilfsmittel und die Stigmatisierung sowie Belastungen im Beruf und im sozialen Umfeld, so dass der sozialemotionale 6 Beziehungsbereich kaum in den Fokus gestellt wurde. Aus diesem Grund wurden die Belastungsfaktoren auf den sozialemotionalen Bereich spezifiziert und in Absprache mit dem DSB umformuliert. Unseren Forschungsauftrag beziehungsweise die Forschungsfrage lautet: „Was sind die sozialemotionalen Belastungsfaktoren in Familien mit Schwerhörigen?“. 2.2 Forschungsmethode Zeitgleich mit der Sichtung des aktuellen Forschungsstandes zum Thema Schwerhörigkeit sowie mehrerer Treffen mit den Projektangehörigen und zwei Besuchen von Selbsthilfegruppen zur Wissenserweiterung, war es erforderlich, sich für eine Forschungsmethode zu entscheiden. Zur adäquaten Erfüllung des Forschungsauftrages bot sich hierbei die lineare, qualitative Forschungsmethode an, da sowohl bei den einzelnen Gruppenmitgliedern, als auch in der Literatur nur wenig Vorwissen vorhanden war und durch diese Methode eine möglichst große Bandbreite an Informationen eingeholt werden kann, „denn bei der qualitativen Forschungsmethode geht es nicht nur um die reine Analyse der Gegenstände, Zusammenhänge und Prozesse, sondern vielmehr darum, sich in sie hineinzuversetzen und nachzuvollziehen.“ (Mayring 2010, 19). Eine für diese Methode typische Vorgehensweise zur Erhebung von Daten ist das Leitfadeninterview, bei dem die Befragten möglichst frei über subjektive Empfindungen und Erfahrungen berichten können, so dass bezogen auf die Forschungsfrage eine große Bandbreite an Belastungsfaktoren gesammelt werden kann. Nach Festlegung der Methode der Datenerhebung musste nun die Stichprobe festgelegt und somit eine Zielgruppe definiert werden, welche zur Beantwortung der Forschungsfrage geeignet schien. In Absprache mit dem DSB wurde diese folgendermaßen formuliert: „Erwachsene Betroffene mittleren Alters mit Kind(-ern) und bestenfalls (Ehe-)Partner“. Der Umfang der zu befragenden Familien beschränkte sich auf drei bis vier Familien, da die Befragung weiterer Familien im Rahmen von sieben Wochen nicht möglich war. Daraufhin musste überlegt werden, wie der Zugang zum Feld vonstattengehen sollte. Dies geschah zum einen durch die Vermittlung des DSB sowie durch einen selbst angefertigten Aushang, auf dem knapp das Team, der DSB, die Katholische Hochschule NRW sowie das Projekt vorgestellt und die an die Betroffenen gestellten Wünsche beschrieben wurden. Dieser Aushang wurde bei jeweils drei Halsnasenohren- Ärzten und Akustikern ausgehängt und mit einer E-Mail-Adresse wie auch einer Telefonnummer versehen, so dass ein Rücklauf möglich war. Die Projektgruppe richtete hierfür einen E-Mail-Account ein, um die Rückmeldung der 7 Interessierten über den DSB zu vermeiden und somit die Anonymität gewährleisten zu können. Neben der Festlegung all der oben genannten Vorgehensweisen war es zeitgleich notwendig, einen Zeitplan beziehungsweise eine Projektskizze anzufertigen, in welcher der Zeitrahmen von sieben Wochen berücksichtigt und daher wöchentlich zu erreichende Aufgaben und Meilensteine formuliert wurden, um ein strukturiertes und zielstrebiges Arbeiten zu ermöglichen und zeitgerecht das Projekt abschließen zu können. 2.3 Durchführung Nachdem die Vorgehensweise geplant und erste Schritte durchgeführt wurden, galt es nach einer Rücklaufdauer von etwa zwei Wochen ein Sampling aus den insgesamt vierzehn interessierten Familien zu treffen. Unter den vierzehn Betroffenen befanden sich nur weibliche Schwerhörige. Die Probandenauswahl geschah neutral anhand der zuvor definierten Stichprobe, sodass anschließend drei Familien per E-Mail oder aber per Telefon zu einem Interview eingeladen wurden. Zwar wurden alle Interessierten direkt zu Anfang darüber informiert, dass erst eine Auswahl getroffen werde und sie demnach eventuell nicht die Möglichkeit zu einem Interview hätten, dennoch luden wir diese als Dank zu einer öffentlichen Präsentation der Ergebnisse in Zusammenarbeit mit dem DSB ein, um eine eventuelle Enttäuschung zu mindern und ihnen zu ermöglichen, trotzdem an dem Projekt teilhaben zu können. Die ausgewählten Familienmitglieder wurden dann auf die einzelnen Gruppenmitglieder aufgeteilt, sodass jeder zwei Interviews durchzuführen hatte. Die Terminabsprache fand hier über die jeweilig zuständigen Gruppenmitglieder anhand von E-Mail- und Telefonaustausch statt. In Absprache mit den Familien wurden die Interviews in ihrem häuslichen Umfeld durchgeführt. Zum einen, da die Aufzeichnung des Gespräches mit einem vorab kaum überschaubaren Maß an Offenlegung des eigenen Alltags und ihrer Gefühlswelt für die Beteiligten verknüpft ist und ihnen hierbei das eigene Umfeld mehr Sicherheit bot. Zum anderen, da die betroffenen Schwerhörigen dort an ihre Hörschädigung angepasste Räumlichkeiten haben und es ihnen somit leichter fällt, über eine gewisse Dauer kontinuierlich aufmerksam zuzuhören. Wichtig und ebenso schwierig bei der Durchführung des Interviews in der Rolle des Forschers war es bei diesem Eingriff in die Privatsphäre dieses sensiblen Themas aufzubauen. Um dies feinfühlend adäquat vorzugehen umsetzen zu und können, eine galt Vertrauensbasis es nach der Probandenauswahl nun jeweils für den Betroffenen, den (Ehe-)Partner sowie das Kind 8 einen Leitfaden für das Interview zu entwickeln. Hier war es bedeutsam, vorab die Fragen zur Anonymität sowie zum Verweigerungsrecht zu klären. Der Leitfaden wurde in drei Bereiche eingeteilt. So sollte zunächst das Abfragen von Daten und Fakten die Atmosphäre auflockern und das Vertrauen aufbauen. Im Hauptteil wurden dann unter anderem Alltagssituationen sowie belastende Faktoren und als Abschluss drei Wünsche abgefragt, um die Interviewten nicht abrupt aus der aufwühlenden Situation herauszureißen und um zusätzlich das Gesprächsende in eine positive Richtung zu lenken. 2.4 Auswertung Nach der Durchführung aller Interviews galt es, diese anschließend von den einzelnen Gruppenmitgliedern Vergleichstabellen zu zu transkribieren. entwickeln, in Anschließend welcher alle war es Aussagen hilfreich, der vier einzelnen Familienmitglieder anhand einer Gegenüberstellung übersichtlich zusammengefasst wurden. Hierbei wurden die Strukturdimensionen und Kategorien des Leitfadens verwendet und diese wiederum in einer weiteren Tabelle definiert. Zusätzlich wurde aus dem Raster der Vergleichstabellen eine deduktive Tabelle mit einer Sammlung aller relevanten Literaturangaben und Zitate erstellt. Dadurch konnten die Ergebnisse der Interviews mit denen aus der Literatur verglichen werden. Nach der Aufstellung dieser vier Tabellen sowie deren Vergleich war es nun erforderlich zu prüfen, ob mit den Ergebnissen die Forschungsfrage beantwortet und abgedeckt wurde. Dies war der Fall, da durch die Befragung der drei Familien eine Sammlung der sozialemotionalen Belastungsfaktoren in Familien mit Schwerhörigen zustande kam, bei der die Beeinflussung durch technischen Hilfsmitteln und die unterschiedlichen Umgangsformen innerhalb der Familie mit einbezogen wurde. 3. Ergebnisse 3.1 Sozialemotionale Belastungsfaktoren Durch die Auswertung der acht Interwies haben sich sozialemotionale Belastungsfaktoren herausgestellt, die vor allem für die drei befragten Familien gültig sind. Teilweise können diese jedoch ebenfalls verallgemeinert und so auf andere betroffene Schwerhörige bezogen werden. Einer der benannten Belastungsfaktoren ist die erhaltene sowie auch die gegebene Unterstützung innerhalb der Familie. Damit sind die Verhaltensweisen der jeweiligen Familienmitglieder gemeint, die den Umgang 9 mit der Schwerhörigkeit betreffen. Von Seiten der Betroffenen wurde bemängelt, dass im Alltagsgeschehen immer wieder an die Problematik der Schwerhörigkeit erinnert werden müsse. Im Gegensatz dazu versuchen die Angehörigen in ihrem Maße den Betroffenen Unterstützung entgegenzubringen und ihnen zu helfen. Dies geschieht zum Beispiel dadurch, dass die Kinder Telefonate der schwerhörigen Mutter übernehmen. Eng daran gekoppelt ist ein weiterer Faktor, der die Familiensituation belastet. Aufgrund der ständig geforderten und auch gebrauchten Hilfe der Betroffenen durch die Familienmitglieder kann leicht ein Abhängigkeitsgefühl entstehen. Dies bedeutet, dass der Schwerhörige das Gefühl entwickeln kann, nichts alleine erledigen oder planen zu können. Daraus wiederrum resultiert eine ständige Rücksichtnahme der Angehörigen. Sie versuchen so gut wie möglich ihren Alltag an die Hörbeeinträchtigung anzupassen und auf den Schwerhörigen zu achten. Dazu wird auch das Können benötigt sich in den anderen hineinversetzen zu können. Empathie kennzeichnet somit einen weiteren Belastungsfaktor. Es ist für beide Parteien schwierig sich in den anderen hineinzuversetzen. Zwar ist ein empathisches Zusammenleben teilweise vorhanden und erleichtert so die Beziehungen innerhalb der Familie, doch eine ständige Bewusstmachung der Situation ist nicht möglich. Zu oft geht die Schwerhörigkeit als eine „blinde“ Behinderung im Stress des Alltages unter und wird übersehen (Schramek 2002, 22f). Somit stellt sich ein weiterer Belastungsfaktor heraus. Das Thema „Schwerhörigkeit“ muss ständig wieder in der Familie angesprochen und besprochen werden. Es kommt diesem Thema so eine große Aufmerksamkeit und Präsenz im Familienleben zu. Jeder sieht sich ständig mit diesem Thema konfrontiert und es kann so zu einer Überbetonung innerhalb der Familienkommunikation kommen. Aus diesem Grund versuchen die Hörgeschädigten oftmals ihre Hörbehinderung zu übergehen und aktiv zu hören. Aktives Hören ist der Versuch, trotz der nachgewiesenen Hörschädigung wie ein gesunder Mensch zu hören. Doch die extreme und andauernde Anstrengung bedeutet ebenfalls eine starke körperliche Belastung, die sich zum Beispiel durch Kopfschmerzen, Müdigkeit (Schramek 2002, 124) oder einem zusätzlichen, zeitweiligen Tinnitus zeigen kann. Die bereits genannten Belastungsfaktoren stellen nur einen Teil der Schwierigkeiten dar. Dennoch kann man einen Faktor hervorheben, der alle anderen in sich bündelt und ebenfalls von allen drei befragten Familien als stärkster Belastungsfaktor benannt wurde: die Kommunikation. Denn die Kommunikation ist für Familien allgemein von großer Bedeutung. Somit spielen weniger die „Hör-, sondern vor allem die 10 kommunikativen Probleme“ (Schramek 2002, 22) eine Rolle. Desweiteren besagt die Literatur, dass „erfolgreiches Zusammenleben in einer Gruppe […] nur durch kontinuierlichen Informationsaustausch möglich“ (Hoffmann 1997, 6) und „jede Aufgabenverteilung […] mit Kommunikation verbunden“ ist (Hoffmann 1997, 6). Durch die Schwerhörigkeit können manche Worte oder Sinninhalte nicht vollständig verstanden werden und führen so schnell zu Missverständnissen. Diese führen wiederum oftmals zu Konflikten. 3.2 Verwendung von Hilfsmitteln Desweiteren wurden in den Interviews Informationen über den Gebrauch und den Besitz von Hilfsmittel eingeholt. Die einzelnen Probanden wurden befragt, ob und wie intensiv Hilfsmittel innerhalb der Familie verwendet werden. Dabei ist es wichtig zu erwähnen, dass zwischen technischen und anderen Hilfsmitteln zu unterscheiden ist. Unterstützungen, wie zum Beispiel das Ablesen von Mund- und Lippenbewegungen, das Vermeiden von Nebengeräuschen und das Verstehen einer Aussage durch das Kombinieren einzelner Satzteile, werden von allen befragten Familien bewusst, sowie auch unbewusst angewendet (Hartogh/Wickel 2006, 62; Leonhardt 2010, 87). Technische Hilfsmittel, davon ausgenommen das Hörgerät, welches alle drei Betroffenen gebrauchen, sind in den Familien jedoch unterschiedlich vertreten. Durch die Auswertung der Interviews stellte sich heraus, dass die technischen Unterstützungen größtenteils sehr intensiv genutzt werden. Die Betroffenen, sowie auch die restlichen Familienmitglieder bewerten die Hilfsmittel als Unterstützungen, die den Familienalltag erleichtern. Zudem ist die Anschaffung weiterer Hilfsmittel in Planung. Dafür müssen sie jedoch über die passenden finanziellen Mittel verfügen. Jedoch ist zu erwähnen, dass nicht alle Betroffenen technische Unterstützung in ihren Alltag mit einbeziehen. 3.3 Beziehungen der Familienmitglieder Die Schwerhörigkeit eines Familienmitgliedes bedeutet eine zusätzliche Belastung für den Familienalltag. Der Einzelne muss sich Strategien überlegen, wie er selber mit der Situation und mit den Anderen umgeht. Diese persönlichen Verhaltensweisen der Familienmitglieder treffen aufeinander und bedingen sich gegenseitig. Demzufolge entstehen in jeder Familie individuelle Beziehungen untereinander und ebenso individuelle Strategien des Umgangs miteinander (Schramek 2002, 28). Dabei gibt es 11 verschiedene Faktoren, die die Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern beeinflussen. Grundlegend stellt sich bereits die Frage, ob und inwieweit die Schwerhörigkeit als Belastung und Behinderung empfunden wird. Denn sowohl eine positive als auch negative Bewertung spiegeln sich in den Beziehungen wieder und wirken sich wechselseitig aufeinander aus. Gegenseitige Rücksichtnahme, Unterstützung und Empathie spielen eine ebenso wichtige Rolle. Jedes Familienmitglied zeichnet sich durch individuelle Stärken und Schwächen aus, die in den Familienalltag integriert werden müssen. Dies bedeutet, dass die Problematik, die durch die Schwerhörigkeit entsteht, der Familie bewusst ist. Gleichzeitig aber auch, dass den Problemen und Herausforderungen der restlichen Familienmitglieder genügend Raum gegeben wird. Innerfamiliäre Kommunikation stellt mit den wichtigsten Faktor dar, der die Beziehungen beeinflusst. Eine offene und ehrliche Kommunikation über die eigenen Wünsche und Bedürfnisse, sowie die Erwartungen an den anderen werden als beziehungsfördernd empfunden. Im Gegensatz dazu kann sich mangelnde Kommunikation unter den Familienmitgliedern durch Zweifel an Akzeptanz und Unterstützung äußern. Kommunikation erweist sich also nicht nur als Belastungsfaktor, sondern ist auch in der Lage die Belastungen zu reduzieren und die Beziehungen zu fördern. 3.4 Umgang mit der Schwerhörigkeit innerhalb der Familie Der Umgang der drei Familien mit dem Thema Schwerhörigkeit in ihrem Familienalltag ist eng mit der Beziehungsgestaltung der Familienmitglieder gekoppelt. Zum Beispiel können die Erwartungen des Einzelnen an die restliche Familie leichter formuliert werden, wenn Schwerhörigkeit kein Tabuthema ist und offen angesprochen wird (Hartogh/Wickel 2006, 137). In der Literatur werden von Jambor und Elliot drei Strategien benannt, die den Umgang mit der Schwerhörigkeit beschreiben, „Withdrawl“, „Covering“ und „Bicultural skills“ (Jambor/Elliot 2005 in Audeoud/Hintermair/Reiser 2010, 164f): Beim Auswerten der verschiedenen Interviews stellten sich in den Familien Ansätze unterschiedlicher Strategien heraus. 12 Nach Jambor und Elliot ist eine Strategie, die der „bikulturellen Fähigkeiten“ („Bicultural skills“) (Jambor/Elliot 2005 in Audeoud/Hintermair/Reiser 2010, 164). Diese Strategie zeichnet sich dadurch aus, dass sich die Schwerhörigen aktiv mit ihrer hörenden Umwelt auseinandersetzten. Dabei ist es wichtig, dass sie in ihren Handlungen authentisch bleiben und ihre Beeinträchtigungen durch die Schwerhörigkeit nicht verstecken (Andeoud/Hintermair/Reiser 2010, 164). Vielmehr versuchen sie „im Rahmen kommunikativer Begegnungen Rücksichtnahme von Seiten der Hörenden mit dem Ziel gleichberechtigter Teilhabe einzufordern“ (Andeoud/Hintermair/Reiser 2010, 165). Eine weitere Strategie ist das „Verhüllen“ („Covering“). Das „Verhüllen“ bedeutet, dass die Betroffenen ihre Hörprobleme ihrem Gegenüber nicht erkennbar machen wollen. Es wird versucht Situationen des Nicht-Verstehens durch andere Verhaltensweisen oder durch das Verringern der eigenen Erwartungen zu verhüllen. So wird unbewusst versucht peinliche Situationen für die Betroffene zu verhindern (Andeoud/Hintermair/Reiser 2010, 165). Mit Hilfe der dritten Strategie „Vermeidung“ („Withdrwal“) versuchen die Betroffenen sich ihrer kommunikativen Umwelt völlig zu entziehen. Sie verzichten freiwillig auf den Austausch mit der hörenden Welt, um von Beginn an die Möglichkeit für misslingende Kommunikation und die Entstehung von Missverständnissen einzugrenzen (Andeoud/Hintermair/Reiser 2010, 165). Dies führt unter Umständen zu einem sozialen Rückzug bis hin zur „völligen, inneren Emigration“ (Hartogh/Wickel 2006, 136). 4. Fazit Nach eingehender Auseinandersetzung mit den Interviews und deren Auswertung, lassen sich abschließende Aussagen treffen, die in sich in allen Angaben der Probanden widerspiegeln und teilweise ebenfalls eine Allgemeingültigkeit für Menschen mit einer Hörbeeinträchtigung darstellen. Eine Feststellung besagt, dass die vorhandenen sowie die nicht vorhandenen technischen Hilfsmittel in einer Familie mit einer Schwerhörigen Person den Umgang mit diesem sensiblen Thema und die Beziehungen innerhalb der Familie beeinflussen. Sind technische Hilfsmittel vorhanden, fällt es den Betroffenen leichter sich im Familienalltag mit ihrem Hörverlust auseinanderzusetzen. Zum Beispiel unterstützt ein Sennheiser-Kopfhörer die Teilnahme der Hörgeschädigten an gemeinsamen Fernsehabenden und verringert die Angst vor dem „Nicht-Verstehen“. Ebenso zeigt die 13 Nutzung und Planung von Hilfsmitteln, dass sich die Familie aktiv mit der Beeinträchtigung auseinandersetzt. Desweiteren stellte sich heraus, dass Kommunikation vor allem im Familienleben unverzichtbar ist. Dies bestätigt sich erneut durch das bereits genannte Zitat: „Gemeinschaft und Kommunikation bauen aufeinander auf und brauchen einander. Dieses sorgt für den nötigen Lebensstandart und für Wohlbefinden, Zugehörigkeit, Inklusion statt Ausschluss“ (Andeoud/Hintermair/Reiser 2010, 164). Kommunikativer Austausch bildet somit ein wichtiges Kernelement für ein gelingendes und harmonisches Familienleben. Für Menschen mit einer Hörbeeinträchtigung ist dies eine große Schwierigkeit. Denn genau an der für sie so wichtigen Kommunikation können sie nur bedingt teilnehmen, da sie trotz ständiger Anstrengung häufig Informationen nicht verstehen oder missverstehen. Die Entstehung von Missverständnissen wird so erleichtert und der Schwerhörige fühlt sich teils als deren Verursacher. Kommunikation bildet somit einen „wunden Punkt“ im Familienalltag und ist zugleich für diesen unerlässlich. Somit bildet die Kommunikation den basalen Ursprung für viele Konflikte, die im Alltag entstehen (Pelz 2007, 45). Wichtig ist auch, dass die Gesamtbelastung einer Familie mit Schwerhörigen nicht darin besteht, dass hin und wieder etwas missverstanden wird. Vielmehr bildet die Gesamtheit aller kleinen Missverständnisse und Konflikte, die im Alltag entstehen eine große Gesamtbelastung, die bewusst und unbewusst Druck auf die einzelnen Familienmitglieder auslöst. Mit jedem neuen Konflikt erhöht sich demnach der Druck auf die Familie sowie der Drang der Situation zu entfliehen, um der Belastung und der damit gestellten Anforderungen an die Familienmitglieder zu entkommen. Oftmals wird Schwerhörigkeit schnell mit Dummheit verglichen. Auch das ist ein Grund, warum sich viele Hörbeeinträchtigten schnell aus ihrer kommunikativen Umwelt zurückziehen (Pelz 2007, 17ff). Abschließend zeigt sich, dass einzelne Faktoren, wie zum Beispiel die vorhandenen Hilfsmittel oder die Beziehungen in der Familie, nicht isoliert betrachtet werden können. Die Nutzung technischer Hilfsmittel hat immer auch eine Auswirkung auf das Befinden der Hörgeschädigten und ihrer Bereitschaft sich am Familienleben zu beteiligen. Dies wiederum wirkt sich auf die gesamten familiären Beziehungen und den Umgang mit der Schwerhörigkeit aus. Daher kann man die Belastungsfaktoren, die innerhalb der Familie entstehen, auch nicht von den außerfamiliären Faktoren trennen. Ob sich schwerhörige Personen mit ihrer Beeinträchtigung und ihrer Familie auseinandersetzen hängt davon ab, inwiefern sie sich außerhalb der Familie, also zum Beispiel im Beruf oder unter Freunden, akzeptiert und unterstützt fühlen. Denn wenn sie dort stetig 14 entmutigt und ausgegrenzt werden, können sie den Mut und die Bereitschaft verlieren sich aktiv an Kommunikation überhaupt zu beteiligen. Aus diesem Grund spielt ebenso die finanzielle Lage und die Unterstützung durch die Krankenkasse eine wichtige Rolle. 5. Diskussion der Ergebnisse Bereits beim ersten Vergleich der erstellten Tabellen wurde ersichtlich, dass die aus den Interviews gewonnen Ergebnisse größtenteils denen aus der im Forschungsstand beschriebenen Literaturrecherche gleichen. Vor allem die in der Literatur angegebenen Belastungsfaktoren decken sich mit den Angaben der Befragten. Bei den Belastungsfaktoren aus der Literatur handelt es sich größtenteils um allgemein formulierte Belastungen wie Stigmatisierung und Probleme in der Kommunikation, sowie den daraus bedingten möglichen Rückzug der Betroffenen aus ihrem sozialen Umfeld (Pelz, 2007, 40-70; Koske 2000, 29ff). In dieser Befragung wurde gemäß der Forschungsfrage spezifizierend ermittelt, inwieweit eben diese Faktoren durch den Umgang der Familie mit der Schwerhörigkeit beeinflusst werden, welche Auswirkungen sie auf die Beziehungen innerhalb der Familie haben und welche Belastungsfaktoren daraus wiederum entstehen. Bereits vor Beginn der Interviews stellten wir einen signifikanten, geschlechterspezifischen Unterschied fest. Wie bereits in der Beschreibung der Durchführung des Forschungsprozesses erwähnt, meldeten sich bei uns nur Frauen mit einer Hörbeeinträchtigung oder deren Ehepartner, welche jedoch auch angaben, dass die Intention der Teilhabe an diesem Projekt von ihren Partnerinnen ausgehe. Dieselbe Auffälligkeit zeigt sich auch in den zwei besuchten Selbsthilfegruppen. Auch dort waren betroffene Frauen deutlich stärker vertreten als betroffene Männer. Uns wurde dort dieser Eindruck von den Mitgliedern der Gruppen selbst bestätigt. Diese merkten zudem auch an, dass häufiger eine gut hörende Frau ihren betroffenen Ehemann begleite als andersherum, was zusätzlich die Frauenquote in den Selbsthilfegruppen erhöhe. Uns stellte sich die Frage woran dies liegen könnte, da nicht davon auszugehen ist, dass es mehr Frauen als Männer mit Hörbeeinträchtigung gibt. Die Beantwortung dieser Frage ist allerdings im Rahmen dieses Projekts nicht möglich gewesen, somit bleibt dies eine offene Frage, die möglicherweise im Verlauf anderer Forschungen geklärt werden kann. 15 Zu Anfang der Auswertung wurde deutlich, dass die familieninternen Belastungen und solche, die von der Außenwelt bedingt sind, sich beeinflussen und zum Teil nicht klar trennbar sind. Ein deutliches Bespiel dafür sind die hohen Kosten der Hilfsmittel, da nicht alle Kosten von der Krankenkasse übernommen werden können. Dies wirkt sich auf die Möglichkeit zur Nutzung der Hilfsmittel, welche die Schwerhörigen entlasten, aus und wird zusätzlich auch zu einer finanziellen Belastung für die Betroffenen. Diese finanzielle Belastung beeinträchtigt ebenfalls die Beziehungen in der Familie, da diese immer auch unmittelbar von den empfundenen Belastungen - in diesem Fall wird sich vor allem auf jene bezogen, welche mit der Schwerhörigkeit in Verbindung stehen jedes Einzelnen abhängig sind. Der finanzielle Aspekt wurde neben dem Faktor der erschwerten Kommunikation immer wieder von den Befragten als sehr belastend beschrieben. Die Meinung der Befragten über die Krankenkasse ist vermutlich auch aus diesem Grund überwiegend kritisch. Die Entscheidungen über die Kostenübernahme scheinen ungerecht und werden oft als Willkür gesehen. Diese Beschreibung ist jedoch sehr einseitig, da bedacht werden muss, dass die Krankenkassen sich an die gesetzlichen Vorgaben halten müssen. Dies hat zur Folge, dass sie nicht alle Leistungen genehmigen können. Eben diese Vorgaben führen auch zu der, von den Probanden oft als willkürlich dargestellten, (Nicht-)Übernahme von Leistungen. Auch in dem folgenden und letzten Punkt dieser Diskussion geht es um Kommunikation, wenn auch auf einer anderen Ebene. Die Probanden äußerten in den Interviews wiederholt, dass auch die mangelnde Information der Öffentlichkeit über die Schwerhörigkeit und die Hilfsmittel oftmals dazu führt, dass Menschen, die selbst keine Erfahrungen mit Schwerhörigkeit beziehungsweise Schwerhörigen haben, sich oftmals nicht angepasst verhalten können. Das heißt sie haben Schwierigkeiten ihr Sprachverhalten an die, für eine Kommunikation mit Schwerhörigen notwendigen Regeln, anzupassen. Hier sahen die Befragten selbst noch großen Handlungsbedarf und in Zeiten der Inklusion erscheint es umso notwendiger, dass in der Öffentlichkeit auch die Schwerhörigkeit nicht mehr tabuisiert wird. Denn das Wissen, dass die Schwerhörigkeit eine bleibende Einschränkung für die Betroffenen darstellt, aber vor allem auch das Wissen darum, dass diese Einschränkungen durch Anpassung der Umwelt und des Umfeldes sowie durch gezielte Hilfestellung und den Einsatz von Hilfsmitteln womöglich deutlich verringert werden können und welche Möglichkeiten es dazu konkret gibt, würden die Integration weiter voranbringen. 16 6. Danksagung Was neben dem Einblick in die Forschungsarbeit bleibt, ist der Einblick in die Welt der Schwerhörigen und die Erfahrung, die wir in der Auseinandersetzung mit unserer Forschungsfrage sowie in der Zusammenarbeit mit den Probanden und Projektleitern machen durften. Denn in den sieben Wochen intensiver Arbeitszeit konnten wir nicht nur unser Fachwissen über Hörbeeinträchtigungen erweitern, sondern durften Menschen zur Seite stehen, an ihren Gefühlswelten teilhaben und unsere Sensibilität für unsere Mitmenschen um uns herum schulen. Wir möchten uns bei allen bedanken, die an unserem Projekt mitgewirkt und uns tatkräftig unterstützt haben 17 7. Literaturverzeichnis Audeoud/Hintermair/Reiser (2010): Zeitschrift für Heilpädagogik, Auflage 5, Emotionale „Belastung schwerhöriger Menschen“ Fink, Verena (1995): Schwerhörigkeit und Spätertaubung. Eine Untersuchung über Kommunikation und Alltag hörgeschädigter Menschen; Neuried: Ars una., 1. Aufl. Hoffmann, Eckhard (1997): Hörfähigkeit und Hörschäden junger Erwachsener. [unter Berücksichtigung der Lärmbelastung]. Heidelberg: Median-Verl. Horsch, U. (1991): Schwerhörigkeit. Die verkannte Behinderung. [Hörgeschädigtenpädagogik]. In: Pelz Corinna (2007): Das Stigma Schwerhörigkeit. Empirische Studien und Ansätze zur Erhöhung der Akzeptanz von Hörgeräten. 1. Aufl. Heidelberg: Median-Verl. Koske, Renate (2000): Einschätzung, Veränderungsprozesse und Rehabilitation bei Schwerhörigen im Alter. Dortmund; https://eldorado.tudortmund.de/bitstream/2003/2925/1/koskeunt.pdf - gesehen 12. November 2012 Leonhardt, Annette (2002): Einführung in die Hörgeschädigtenpädagogik. Mit 76 Übungsaufgaben und zahlreichen Tabellen. 2. Aufl. München ;, Basel: E. Reinhardt. Pelz, Corinna (2007): Das Stigma Schwerhörigkeit. Empirische Studien und Ansätze zur Erhöhung der Akzeptanz von Hörgeräten. 1. Aufl. Heidelberg: Median-Verl. Schramek, Renate (2002): Alt und schwerhörig? Hörgeschädigtengeragogik - eine rehabilitativ orientierte Bildungsarbeit. 1. Aufl. Oberhausen: Athena. Tesch-Römer, Clemens (2001): Schwerhörigkeit im Alter. Belastung, Bewältigung, Rehabilitation. Heidelberg: Median-Verlag von Killisch-Horn. Wickel, Hans Hermann; Hartogh, Theo (2006): Musik und Hörschäden. Grundlagen für Prävention und Intervention in sozialen Berufsfeldern. Weinheim ;, München: Juventa 18 19