Immunoassay-Optimierung für verschiedene Probenmatrices RHOMBOS Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar Umschlagfoto: Umschlaggestaltung : Rhombos-Verlag, Bernhard Reiser, Berlin RHOMBOS-VERLAG Kurfürstenstr. 17 D-10785 Berlin www.rhombos.de [email protected] VK-Nr. 65 859 © 2008 RHOMBOS-VERLAG, Berlin Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, verboten. Kein Teil dieses Werkes darf außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ohne schriftliche Einwilligung des Verlages in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Eine Haftung für die Richtigkeit der veröffentlichten Informationen kann trotz sorgfältiger Prüfung vom Verlag nicht übernommen werden. Druck: dbusiness.de GmbH, Berlin Printed in Germany ISBN 978-3-938807-72-9 Immunoassay-Optimierung für verschiedene Probenmatrices DISSERTATION der Fakultät für Chemie und Pharmazie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen zur Erlangung des Grades eines Doktors der Naturwissenschaften 2007 vorgelegt von Nina Dominique Käppel RHOMBOS Tag der mündlichen Prüfung: Dekan: Erster Berichterstatter: Zweiter Berichterstatter: 9. November 2007 Prof. Dr. L. Wesemann Prof. Dr. G. Gauglitz Priv. Doz. U. Weimar Danksagung Für den erfolgreichen Abschluss der vorliegenden Arbeit schulde ich vielen Menschen meinen herzlichen Dank. An erster Stelle danke ich meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Günter Gauglitz, der mir viel Geduld und Vertrauen entgegengebracht und mich in schwierigen Situationen mit seiner Diskussionsbereitschaft und seinen wertvollen Ratschlägen zum Weitermachen motiviert hat. Herrn Privatdozent Dr. Udo Weimar gilt mein Dank für die Übernahme des Zweitgutachtens. Herrn Professor Dr. Alfred Meixner danke ich für die Übernahme des Vorsitzes der Promotionskommission. Herrn Professor Dr. Klaus Albert und Herrn Professor Dr. Lars Wesemann danke ich für die Abnahme meiner Prüfung. Ich bedanke mich bei allen Projektpartnern, die ich über die letzten Jahre bei Ihrer und meiner Arbeit begleiten durfte. Die vielen Einblicke in die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in den verschiedenen Ländern und Institutionen waren sehr interessant und motivierend. Besonders danke ich Professor Dr. Marco Mascini und Dr. Sonia Centi für die Betreuung während meines Aufenthaltes an der Universität von Florenz, bei dem die BiacorUntersuchungen entstanden sind, Frau Dr. Elisabeth Kremmer und Frau Dr. Petra Krämer vom GSF in München für die Bereitstellung des ProcalcitoninAntikörpers und Peptids und der Firma Exbio in Prag für die Versorgung mit verschiedenen Antikörpern und Antigenen. Großen Dank schulde ich meinen Kollegen des Arbeitskreises Gauglitz, speziell Goran Markovic und Jochen Mehne für die Unterstützung bei Messungen mit der Reflektometrischen Interferenz-Spektroskopie, Nina Schweizer für die Rasterkraftmikroskopie-Aufnahmen und Karin Wöllner für die Ellipsometrie-Messungen. Besonderer Dank gilt Florian Pröll, der diese Arbeit mit seinen Ideen, seiner Geduld und Erfahrung und vielen fruchtbaren Diskussionen immer wieder vorangetrieben und bereichert hat und stets ein offenes Ohr für alle anfallenden Probleme hatte. Auch seinen Eltern bin ich für Ihre liebevolle Unterstützung und Förderung sehr dankbar. Last but not least habe ich mich auf die Unterstützung meiner Eltern und Schwestern immer verlassen können. Sie haben mich bestärkt, wenn ich selbst an der erfolgreichen Fertigstellung meiner Doktorarbeit gezweifelt habe. Zudem haben sie mir den Rücken freigehalten, damit ich mich ganz auf meine wissenschaftliche Arbeit konzentrieren konnte. Ihnen möchte ich diese Arbeit widmen. 5 6 Inhalt 1 Einleitung 9 2 Theoretischer Teil 13 2.1 Biochemische Grundlagen 13 2.1.1 Biologische Erkennungssysteme: Antikörper 13 2.1.2 Biologische Erkennungssysteme: Aptamere 18 2.1.3 Prinzip des Immunoassays 19 2.1.4 Matrixeffekte 23 2.1.5 Probenmatrix: Wasser 24 2.1.6 Probenmatrix: Lebensmittel (Milch) 25 2.1.7 Probenmatrix: Serum & Plasma 28 2.2 Optische Spektroskopie 32 2.2.1 Spektroskopische Grundlagen 32 2.2.2 Reflexion und Brechung von Licht 33 2.2.3 TIRF - Fluoreszenzanregung mit interner Totalreflexion 35 2.2.4 RIfS - Reflektometrische Interferenz-Spektroskopie 36 3 Materialien und Methoden 39 3.1 Verbrauchsmaterialien 39 3.1.1 Analyte, Derivate und Antikörper 39 3.1.2 Chemikalien 41 3.1.3 Lösungen 44 3.2 Methoden 45 3.2.1 Oberflächenchemie 45 3.2.2 Fluoreszenzmarkierung der Antikörper 47 3.2.3 Bindungshemmtest 47 3.2.4 Sandwich-Immunoassay 49 3.2.5 Messungen mit dem TIRF-Sensor und Datenauswertung 50 3.2.6 Messungen mit dem RIfS-Sensor und Datenauswertung 53 3.2.7 UV-Spektroskopie 54 7 Inhaltsverzeichnis 3.2.8 Rasterkraftmikroskopie (AFM) 55 3.2.9 Ellipsometrie 55 3.2.10 Top-Spot 56 4 Ergebnisse und Diskussion 57 4.1 Assayoptimierung anhand eines Modell-Assays für verschiedene Probenmatrices 57 4.1.1 Charakterisierung der verwendeten Progesteron-Antikörper 57 4.1.2 Charakterisierung der Sensoroberfläche 59 4.1.3 Untersuchungen in der Probenmatrix Wasser 62 4.1.4 Untersuchungen in der Probenmatrix Milch 64 4.1.5 Untersuchungen in der Probenmatrix Serum 67 4.1.6 Vergleich der unterschiedlichen Matrices 69 4.2 Anwendungsbeispiele aus dem Bereich der Wasseranalytik 72 4.3 Anwendungsbeispiele aus dem Bereich der Lebensmittelanalytik 76 4.4 Anwendungsbeispiele aus dem Bereich der Humandiagnostik 78 4.4.1 Untersuchungen zum C-Reaktiven Protein 79 4.4.2 Untersuchungen zum Myoglobin 91 4.4.3 Untersuchungen zum Procalcitonin 94 4.4.4 Untersuchungen zum Prostata-spezifischen Antigen 97 4.5 Anwendungsbeispiele aus dem Bereich der Veterinärdiagnostik 103 5 Zusammenfassung und Ausblick 107 6 Literaturverzeichnis 111 7 Abbildungsverzeichnis 119 8 Tabellenverzeichnis 124 9 Anhang 125 9.1 Abkürzungen 125 9.2 Assaybedingungen 127 9.3 Akademische Lehrer 133 9.4 Lebenslauf 134 8 1 Einleitung Motivation und Zielsetzung der Arbeit Immunoassays sind heute kaum noch aus bioanalytischen und biochemischen Laboratorien wegzudenken. Sie werden für die Forschung, die Lebensmittelüberwachung, das Umweltmonitoring und vor allem für medizinische Fragestellungen entwickelt und eingesetzt. Sie sind relativ einfach durchführbar, in der quantitativen und qualitativen Aussage effektiv und in der Regel sehr spezifisch. Diese Spezifität lässt sich auf den Einsatz von Antikörpern oder anderen Erkennungsstrukturen zurückführen, die hochspezifisch ein spezielles Antigen in der Probe binden. In der Praxis trifft man bei der Entwicklung und Durchführung von Immunoassays jedoch auf verschiedene Herausforderungen. So erhält man z.B. unerwartete falsche Banden im Western Blot, die Leerwert-Kontrolle im ELISA zeigt ein deutliches Signal oder der Proteinchip leuchtet flächendeckend. Weitere Störeffekte stellen unspezifische Bindungen, Kreuzreaktivitäten und Matrixeffekte dar. Die meisten dieser Effekte basieren auf direkter Interaktion des Analyten, des Beschichtungs-Antikörpers oder des Detektions-Antikörpers mit fremden Substanzen oder Oberflächen. Dies sind nur einige der unerhofften Ergebnisse, die man von Zeit zu Zeit im Laboralltag erhält. Dabei bedeutet jedes falsche Ergebnis Mehrarbeit, Folgekosten oder gar Fehldiagnosen mit entsprechenden Folgen für Patienten oder Wirtschaft. Die drei Haupteffekte für mögliche Störungen sollen im Folgenden näher beleuchtet werden. Zunächst ist unspezifische Bindung ein wichtiger Faktor. Hierbei erfolgt die Bindung an Substanzen, die neben dem Zielanalyt in der Probe vorkommen, an Oberflächen oder an Spots aus immobilisierten Antikörpern bei Proteinchips. Besonders stark davon betroffen sind hiervon Immunoassays mit schlechter Blockierung der Oberfläche oder in problematischen Matrices, die z.B. starke Albuminanteile oder hohe Konzentrationen endogener Störfaktoren enthalten (z.B. Serum, Blut). Neben der unspezifischen Bindung spielen auch Kreuzreaktivitäten eine wichtige Rolle. Mit Kreuzreaktivität ist die Fähigkeit des Antikörpers gemeint, auch an andere Strukturen als die des eigentlichen Zielanalyten zu binden. Oftmals handelt es sich um Strukturen, die eine hohe Ähnlichkeit zum Analyten haben. Beispiele hierfür sind Metabolite oder chemische Substanzen mit einer ähnlichen molekularen Struktur. Auch Proteine mit einer zufälligen Ähnlichkeit oder mit evolutionären Homologien der Aminosäuresequenz können kreuzreagie9 1 Einleitung ren. Im Rahmen der Entwicklung eines Multianalyt-Assays sollten mögliche kreuzreagierende Substanzen identifiziert und deren Kreuzreaktivität im Experiment quantifiziert werden. Ist diese zwischen einzelnen Reaktionspartnern sehr hoch und lässt sie sich durch die Wahl der Assay-Bedingungen nicht reduzieren, müssen diese ausgetauscht werden. Als ein weiterer Störfaktor sollten Matrixeffekte berücksichtigt werden. Unter dem Begriff Matrixeffekte versteht man die Summe der Störeffekte aller Komponenten, die in einer Probe vorkommen und die die Messung des Zielanalyten beeinflussen. Hierbei ist die genaue Ursache einer Störung nicht bekannt, sie kann aber mit der Zusammensetzung der zu vermessenden Probe in Verbindung gebracht werden. Für Matrixeffekte können Antikörper gegen tierische Antikörper, endogene Störer oder Einflüsse der Viskosität, des pHWerts oder der Salzkonzentration verantwortlich sein. Es gibt auch Störeffekte, die weitgehend auf medizinische und diagnostische Assays beschränkt sind. Diese beruhen auf Faktoren, die in humanen Proben, wie Blutplasma, Serum oder Gewebeproben zu finden sind (z.B. Albumine, Lysozyme und Fibrinogen). Da die Ergebnisse von Assays in der medizinischen Forschung oder auch der Diagnostik häufig die Basis für spätere Therapien an Patienten bilden, können Störungen und damit falsche Ergebnisse in derartigen Assays zu Fehlbehandlungen und somit zu besonders schwerwiegenden Folgen führen. Um die genannten Problemstellungen zu minimieren, bieten sich dem Anwender verschiedene Ansätze. Die bekannteste Strategie, die aber aus den verschiedenen Ursachen für die Störungen heraus nicht in allen Fällen zum Ziel führen kann, ist die angepasste Blockierung. Hierfür gibt es hunderte mitunter eher als „kreativ“ denn als zielführend zu bezeichnende Blockierungslösungen, die in der Literatur beschrieben sind. Je größer der Analyt ist, desto einfacher kann die Blockierung sein. Kleinere Analyte erfordern meist jedoch eine sehr gute Blockierung. Der Austausch bzw. die Optimierung der Blockierung führt aber in sehr vielen Fällen alleine nicht zum Ziel, da sie sich nur auf einen Teil der Störungen bei Immunoassays auswirken kann. Ein weiterer Ansatz ist die Optimierung des Puffersystems. Auch hier bietet sich dem Nutzer eine Vielzahl von Möglichkeiten und nicht immer ist die richtige Auswahl an Salzen, pH-Bereich und weiteren Parametern einfach. So können bestimmte Ionen den Ablauf einer Antikörper-Antigen-Bindung verstärken, den einer anderen aber gleichzeitig blockieren. Die Erarbeitung eines optimalen Immunoassays erfordert somit viel Erfahrung und intensive Arbeit, um alle möglichen störenden Effekte zu 10 1 Einleitung minimieren. Vor diesem Hintergrund soll die vorliegende Arbeit die Problematik bei der Entwicklung eines Immunoassays nachvollziehen und die Herausforderungen, die unterschiedliche Probenmatrices an das Assaydesign stellen, beleuchten. Hierfür soll zum einen anhand eines Modell-Assays zur Detektion von Progesteron die Durchführbarkeit in verschiedenen Probenmatrices (Wasser, Milch, Serum) getestet, optimiert und verglichen werden, zum anderen sollen zusätzliche, entsprechend der Matrix gewählte Parameter charakterisiert und getestet werden. Hierfür müssen jeweils neue Immunoassays entwickelt werden, die für den gewählten Analyten in der jeweiligen Matrix optimiert und validiert werden sollen. Die entwickelten Immunoassays sollen im Laufe der Arbeit charakterisiert werden, um Aussagen über das Verhalten der Analyten bzw. der Erkennungsstrukturen an der Sensoroberfläche treffen zu können und den Einfluss verschiedener Störfaktoren auf den jeweiligen Immunoassay zu untersuchen. 11 12 2 Theoretischer Teil 2.1 Biochemische Grundlagen 2.1.1 Biologische Erkennungssysteme: Antikörper Antikörper sind Proteine, die zur Familie der γ-Globuline gehören. Sie sind aus zwei schweren (H) und zwei leichten (L) Ketten aufgebaut. Sie spielen im Immunsystem eine wichtige Rolle bei der Immunabwehr. Ein Antikörper erkennt und bindet mit den sogenannten variablen Enden der schweren und leichten Kette einen definierten Strukturbereich auf der Oberfläche eines Antigens (Epitop), der in der Größenordnung von 5-6 Aminosäuren oder 5-6 Monosaccharid-Einheiten liegt. Die beiden leichten Ketten bilden zusammen mit dem oberhalb der Gelenkregion liegenden Anteil der schweren Ketten die antigenbindende Fab-Region, welche enzymatisch mit Hilfe von Papain von der darunterliegenden Fc-Region abgespalten werden kann. Antikörper werden klassischer Weise aus dem Blut immunisierter Versuchstiere gewonnen, wobei man stets ein Gemisch aus verschiedenen Antikörpermolekülen erhält, die gegen verschiedene Epitope gerichtet sind (polyklonale Antikörper). Abbildung 1: Struktur des Immunglobulin G. 13 2 Theoretischer Teil Die Herstellung einheitlicher Antikörpermoleküle, die lediglich ein Epitop erkennen, ist durch die von Cesar Milstein und Georges Köhler 1975 publizierte Hybridoma-Technik möglich geworden [Köhler und Milstein (1975), Gafre et al. (1977), Winter und Milstein (1991)]. Mit dieser zellbiologischen Technik können monoklonale Antikörper hergestellt werden, deren Eigenschaften eine Reihe neuer Anwendungen in der Diagnostik, Therapie, präparativen Biochemie und als Werkzeug im Rahmen gentechnischer Arbeiten ermöglichen. Monoklonale Antikörper werden von Hybridomzellen produziert, die durch die In-vitro-Fusion von Zellen, die Antikörper produzieren (B-Zellen, d.h. BLymphozyten aus der Milz eines immunisierten Tieres, z.B. einer Maus), mit Myelomzellen (permanente B-Zell-Tumorzellen) der gleichen Tierart hergestellt werden. Abbildung 2: 14 Hybridoma Technik: Produktion monoklonaler Antikörper (Quelle: Folienserie des Fonds der Chemischen Industrie). 2 Theoretischer Teil Bei der Fusion entstehen Zellen, die die wichtigsten Eigenschaften beider Elternzellen enthalten: a) die Antikörperproduktion der B-Zelle b) die Unsterblichkeit der Tumorzelle. Jede Hybridomzelle produziert kontinuierlich ein spezifisches Antikörpermolekül, das nur gegen ein einziges Epitop eines Antigens gerichtet ist. Die Fusion beider Zellarten erfolgt innerhalb von wenigen Sekunden bei sehr engem Zellkontakt in einem Polyethylenglykol enthaltenden Medium. Jedoch ist die Fusion ein eher seltenes Ereignis (Hybridomzellen/Myelomzellen = 1/10.000). Aus diesem Grund müssen die entstandenen Hybridomzellen zunächst aus der Mischung von nicht-fusionierten B- und Myelomzellen sowie Hybridisierungsprodukten mehrerer Zellen gewonnen werden. Während die nicht-fusionierten B-Lymphozyten und die falschen Hybridome (Hybridisierungsprodukte aus mehreren Zellen) nach wenigen Wochen in Kultur von selbst absterben, liegt die Hauptaufgabe darin, die wenigen Hybridomzellen von den zahlreichen Myelomzellen zu trennen, die beide eine unbegrenzte Teilungsfähigkeit besitzen. Lediglich die entstandenen Hybridomzellen sollen weiter kultiviert werden, sie werden vereinzelt, teilen sich und wachsen zu einem Klon heran, dessen Zellen alle denselben, nämlich monoklonalen Antikörper produzieren. Solche Antikörper sind bezüglich ihrer chemischen Struktur und damit auch hinsichtlich ihrer immunologischen Spezifität, ihrer Bindungsfähigkeit (Affinität) und ihrer Immunglobulinklasse identisch. Nach etwa 7-10 Tagen werden die Kulturüberstände der verschiedenen Hybridomkulturen auf Produktion und Spezifität von Antikörpern getestet. Ein wesentlicher Vorteil von Hybridomzellen ist, dass sie monoklonale Antikörper in Kultur ohne weitere Stimulierung durch das Antigen produzieren (konstitutive Produktion). Dieser Vorteil kommt besonders zum Tragen, wenn therapeutisch anwendbare menschliche monoklonale Antikörper hergestellt werden, da die Immunisierung von Freiwilligen, die immer mit Risiken verbunden ist, entfällt. Hinzu kommt, dass beim Einsatz monoklonaler Antikörper für diagnostische und therapeutische Anwendungen eine hohe Reproduzierbarkeit gegeben ist und ein aufwendiges Standardisierungsverfahren entfällt. 15 2 Theoretischer Teil Monoklonale Antikörper + Antikörper gegen einzelne Epitope, dadurch homogene Antikörperfraktion hohe Antigen- und Epitopspezifität + Konstante Affinitäts- und Bindungseigenschaften + + + - Polyklonale Antikörper + Hohe Affinität + Einfache Herstellung und Gewinnung + Billiger Herstellungsprozess - Heterogene Antikörperfraktion - Geringer Gehalt an spezifischen Antikörpern Selektion spezifischer Merkmale keine absolute möglich Epitopspezifität Gewinnung unbegrenzter - Zur Erzeugung werden große Antikörpermengen in vitro, Mengen des gereinigten deshalb konstante ChargenAntigens benötigt produktion - Unterschied von Charge zu Geringere Anforderung Charge bezüglich Antigenmenge und Reinheitsgrad - Reinigung mittels Immunadsorption zur Zeitintensive Herstellung, Verbesserung der Spezifität Charakterisierung und Reinigung notwendig Tabelle 1: Vergleich konventioneller polyklonaler Antikörper mit monoklonalen Antikörpern. Antigen-Antikörper-Bindung Die Erkennung und Bindung eines Antigens (Epitop) erfolgt mit den variablen V-Domänen, dem obersten Teil der Fab-Regionen. Es können gleichzeitig zwei identische Epitope gebunden werden, sofern dies sterisch möglich ist. Diese Epitope können auf einem einzigen Antigen oder auch auf zwei verschiedenen Antigenen liegen. Dies gilt weder für das IgM, das zehn potentielle Antigenbindungsstellen aufweist (praktisch sind nur bis 5 Stellen besetzbar), noch für das IgA, das vier Fab-Regionen besitzt. Wenn die Epitope, welche gebunden sind, auf mehreren Antigenen liegen, werden diese „kreuzvernetzt“. 16 2 Theoretischer Teil Die Bindung eines Antigens an den Antikörper geschieht über die Ausbildung von vielen nicht-kovalenten Bindungen zwischen Antigen und Antikörper. Die intermolekularen Anziehungskräfte können nur wirken, wenn Antigen und Antikörper sehr nahe aneinander liegen. Obwohl jede einzelne beteiligte Bindungskraft für sich gesehen schwach ist (im Vergleich mit kovalenten Bindungen), ergibt die Summe aller dieser schwachen Bindungen eine beachtliche Bindungsenergie. Van der Waals-Kräfte Zusammensetzung aus der Keesom-Wechselwirkung zwischen zwei Dipolen, der DebyeWechselwirkung zwischen einem Dipol und einem polarisierbaren Molekül und der londonsche Dispersionwechselwirkung. Bindungsstärke: 0,5 - 5,0 kJ mol-1 Wasserstoffbrückenbindungen Brückenbildung zwischen Wasserstoff- und Sauerstoff- oder Stickstoffatomen von Antigen und Antikörper. Bindungsstärke: 12 - 30 kJ mol-1 Elektrostatische Kräfte Entstehen, wenn sich positive und negative freie Ladungen auf Antigen und Antikörper gegenüber liegen. Bindungsstärke: 20 kJ mol-1 Hydrophobe Wechselwirkungen Basieren auf einer Verdrängung von WasserMolekülen durch apolare, hydrophobe Gruppen (aromatische Aminosäuren). Diese Bindungsart kann bis zu 50% der Bindungskräfte ausmachen. Bindungsstärke: bis zu 40 kJ mol-1 Tabelle 2: Arten von intermolekularen Anziehungskräften. Diese Kräfte können nur bei einer starken räumlichen Annäherung der interagierenden Gruppen wirksam werden. 17 2 Theoretischer Teil Thermodynamik der Antigen-Antikörper-Bindung Die verschiedenen hochvariablen Schlaufen der Antikörperbindungstaschen enthalten ungefähr 100 Aminosäurereste. Die Affinitäten reifer Antikörper für natürliche Antigene (hauptsächlich immunogene organische Moleküle, Proteine, Kohlenhydrate und Nucleinsäurefragmente) verteilen sich über einen weiten Bereich von 104 bis 1014 M-1. Die ΔG0-Werte erreichen im günstigsten Fall 19 kcal mol-1 [Portmann et al. (1975)]. Für Komplexe von Antikörpern mit organischen Molekülen wurden typische Assoziationskonstanten (Ka) von 107,3±1,9 M-1 bestimmt. Dies entspricht einer Gibbs-Bindungsenergie von -10±3 kcal mol-1. Die Bindung in Antikörper-Protein-Komplexen ist stärker (Ka=108,9±1,7 M-1), da Proteine die natürlichen Liganden von Antikörpern in vivo sind. Die Bindungsstellen von Antikörpern für Proteine sind größer und flacher als die für kleine organische Moleküle [Huston et al. (1996), Wilson et al. (1993), Stanfield et al. (1995)]. Die Bindungskonstanten Ka können in zwei Geschwindigkeitskonstanten zerlegt werden, in die der Bindung (k1) und der Freisetzung (k-1). Es gilt: Ka=k1k-1-1. Für Antikörper liegt k1 etwa zwischen 105-108 M-1s-1 [Foote und Eisen (1995), Roost et al. (1995)]. Die Bindung verläuft somit etwa 100-mal langsamer als die Diffusion in Wasser, kann aber dennoch als sehr schnell aufgefasst werden, da die Bindungstasche beim Bindungsprozess desolvatisiert und zu einem gewissen Ausmaß reorganisiert werden muss. k-1 liegt typischerweise zwischen 10-3-10-4 s-1, so dass die Bindungskonstanten der Antikörper-Antigen-Komplexe etwa 108-1012 M-1 betragen [Houk et al. (2003)]. 2.1.2 Biologische Erkennungssysteme: Aptamere Neben Antikörpern, die zu den bekanntesten molekularen Erkennungssystemen gehören und für ein breites Spektrum an Anwendungen genutzt werden, gibt es Oligonukleotidsequenzen, die hoch spezifisch jede Art von Zielmolekül erkennen können. Diese Oligonukleotidsequenzen, die unter dem Namen Aptamer bekannt sind, entwickeln sich zu einer Molekülgruppe, die alternativ zu Antikörpern in therapeutischen und diagnostischen Anwendungen eingesetzt werden können. „Systematic Evolution of Ligands by EXponential enrichment“ (SELEX) [Fitzwater und Polisky (1996), Tuerk und Gold (1990)] ist eine kombinatorisch chemische Methode, welche die Eigenschaft von einzelsträngigen 18 2 Theoretischer Teil Nukleinsäuren (RNA, ssDNA) nutzt, diese zu stabilen 3-dimensionalen Strukturen zu falten und somit in Analogie zu Antikörpern eine selektive und hochaffine Bindung von Zielmolekülen ermöglicht. Der Einsatz von Aptameren als biologisch aktiver Teil von Biosensoren bietet gegenüber Antikörpern eine Reihe potentieller Vorteile. Aptamere können mit hoher Genauigkeit und Reproduzierbarkeit durch automatisierte Prozesse synthetisiert werden und ermöglichen eine relativ einfache, kovalente Bindung von Reportermolekülen an definierten Stellen. Immobilisierte Aptamere können recycelt werden und gegen jegliche Art von Zielmolekülen gerichtet sein (auch gegen toxische oder nicht immunogene Proteine oder kleine organische Moleküle) [Gold et al. (1995)]. 2.1.3 Prinzip des Immunoassays Als Immunoassay bezeichnet man im Allgemeinen die Erkennung und damit den Nachweis eines Analyten in einer flüssigen Phase durch die Bindung an eine Erkennungsstruktur, z.B. einen Antikörper. Anstelle des Antikörpers können auch Aptamere, Rezeptoren oder andere spezifische Erkennungsstrukturen eingesetzt werden. Je nach Konfiguration des Assays können sowohl Antigen als auch Antikörper der nachzuweisende Analyt sein. Bei der Durchführung von Immunoassays wird die hohe Spezifität und Bindungsstärke der Bindung zwischen Antigenen und Antikörpern genutzt. Zu den bekanntesten Immunoassays zählt der ELISA (enzyme-linked immunosorbent assay). Hierbei werden die Antikörper auf einem Trägermaterial immobilisiert und mit der Probe inkubiert. Ist dann in der Probe der gesuchte Analyt vorhanden, binden ihn die Antikörper. Dabei wird eine von Enzymen gesteuerte Reaktion ausgelöst, die zu einem sichtbaren Farbniederschlag führt. Es existieren eine Vielzahl an Fluoreszenz-basierten Biosensorplattformen zur Durchführung von Einzel- und Multianalyt-Immunoassays. Hierbei kommen verschiedene Techniken zum Einsatz. Viele der Systeme arbeiten mit einem direkten Bindungsassay oder einem Sandwich-Immunoassay. Als weitere Formate werden der kompetitive Immunoassay und der Verdrängungs-Immunoassay eingesetzt. 19 2 Theoretischer Teil Direkter Immunoassay Beim direkten Immunoassay wird in einem ersten Schritt der Antikörper auf einer festen Phase, z.B. Mikrotiterplatte, immobilisiert. Nach einem Waschschritt, bei dem ungebundene Antikörper entfernt werden, erfolgt die Inkubation mit der Probe. Das in der Probe enthaltene Antigen bindet spezifisch an den Antikörper. Anschließend erfolgt die Inkubation mit dem Tracer, d.h. das markierte Antigen wird zugegeben und bindet an freie Bindungsstellen des Antikörpers. Als Markierung können hier z.B. Enzyme, Fluoreszenzfarbstoffe oder radioaktive Substanzen verwendet werden. Im letzten Schritt erfolgt die Detektion des markierten Tracers. Hierbei erhält man für eine hohe Antigenkonzentration in der Probe ein niedriges Signal, und bei einer niedrigen Konzentration ein hohes Signal. Der Verlauf des direkten Immunoassays ist in Abbildung 3 schematisch dargestellt. Abbildung 3: Direkter Immunoassay. Verschiedene Einsatzgebiete des direkten Immunoassays können in der nachfolgenden Literatur gefunden werden [Sapsford et al. (2001), Anderson und Hartmann (1985)]. Sandwich-Immunoassay Das Prinzip dieses Immunoassays basiert auf zwei spezifischen Antikörpern, von denen der eine an einer festen Phase immobilisiert ist und als sekundär oder Beschichtungs-Antikörper bezeichnet wird, während der zweite Antikörper eine Markierung trägt und zur Detektion verwendet wird. Beide 20 2 Theoretischer Teil Antikörper können gleichzeitig durch die Erkennung verschiedener Epitope das Antigen binden. In einem ersten Schritt wird eine Oberfläche, z.B. eine Mikrotiterplatte, mit dem sekundären Antikörper beschichtet. Anschließend wird die beschichtete Oberfläche mit der Probe, die das Antigen enthält inkubiert. In einem weiteren Schritt wird der markierte Antikörper auf die Oberfläche gegeben und kann an das dort gebundene Antigen binden. Anschließend erfolgt die Detektion über die Markierung des zweiten Antikörpers. Als Markierung können hier unter anderem Fluoreszenzfarbstoffe oder Enzyme dienen. Beim Sandwich-Immunoassay entsteht ein Signal, das proportional zur Antigenkonzentration ist. Der Verlauf des Sandwich-Immunoassays ist in Abbildung 4 schematisch dargestellt. Abbildung 4: Sandwich-Immunoassay. Das bekannteste Beispiel stellt der ELISA-Assay dar, verschiedene weitere Einsatzgebiete des Sandwich-Immunoassays können in der nachfolgenden Literatur gefunden werden [Plowman et al. (1999), Rowe et al. (1999), RoweTaitt et al. (2000)]. Kompetitiver Immunoassay Beim kompetitiven Immunoassay kann entweder der Antikörper oder das Antigen an der Oberfläche gebunden sein. In Abbildung 5 ist der schematische Verlauf des kompetitiven Immunoassays mit dem Antigen auf der Oberfläche dargestellt. Hierbei wird in einem ersten Schritt die Oberfläche mit dem Antigen oder einem entsprechenden Derivat beschichtet. In einem zweiten Schritt erfolgt eine Vorinkubation der Probe. Im beschriebenen Fall 21 2 Theoretischer Teil wird das Prinzip des Bindungshemmtestes verwendet. Hierbei wird zur Probe ein markierter Antikörper gegeben. Dieser kann während der Inkubationszeit vorhandenes Antigen in der Probe binden. Anschließend wird die vorinkubierte Probe auf die Oberfläche gegeben. Der Antikörper kann hier mit noch freien Bindungsstellen an das immobilisierte Antigen binden. Dann erfolgt die Detektion des Signals. Hierbei erhält man für eine hohe Antigenkonzentration in der Probe ein niedriges Signal und bei einer niedrigen Konzentration ein hohes Signal. Abbildung 5: Kompetitiver Immunoassay. Verschiedene Einsatzgebiete des kompetitiven Immunoassays können in der nachfolgenden Literatur gefunden werden [Tschmelak et al. (2006), Schult et al. (1999), Brecht et al. (1998), Klotz et al. (1998)]. Verdrängungs-Immunoassay Beim Verdrängungs-Immunoassay wird in einem ersten Schritt ein Antikörper an die Oberfläche gebunden. Dieser wird anschließend mit markiertem Antigen abgesättigt. Fließt nun die Probe, die das nicht markierte Antigen enthält über die Oberfläche, verdrängt dieses einen Teil des gebundenen markierten Antigens von den Antikörpern. Anschließend erfolgt die Detektion. Das Signal verhält sich hierbei umgekehrt proportional zur Konzentration an Antigen in der Probe. Der Verlauf des VerdrängungsImmunoassays ist in Abbildung 6 schematisch dargestellt. 22 2 Theoretischer Teil Abbildung 6: Verdrängungs-Immunoassay. Verschiedene Einsatzgebiete des kompetitiven Immunoassays können in der nachfolgenden Literatur gefunden werden [Anderson et al. (2006), Holt et al. (1999), Rabbany et al. (1998), Hinds et al. (1984)]. In der vorliegenden Arbeit wurden hauptsächlich der kompetitive Immunoassay und der Sandwich-Immunoassay eingesetzt. Gründe hierfür waren zum einen die einfache Regeneration des verwendeten Immunoassays, da sich der gebundene Antikörper bzw. der Antigen-Antikörper-Komplex leicht entfernen lässt, ohne die Sensoroberfläche zu beschädigen. Zum anderen stellt der kompetitive Immunoassay ein sehr einfaches und selektives Verfahren dar, das auch eine komfortable Lösung für Multianalyt-Assays bietet. Der Sandwich-Immunoassay wurde aufgrund seiner Sensitivität und dem hohen Etablierungsgrad in Literatur und Praxis verwendet. 2.1.4 Matrixeffekte Ein fundamentales Problem beim Messen biologischer Proben stellt die extrem komplexe und variantenreiche Mischung von Proteinen, Kohlenhydraten, Lipiden, kleinen Moleküle und Salzen dar, aus denen sich die Probe zusammensetzt. Den Effekt, der hierbei von den unterschiedlichen Komponenten auf das analytische System ausgeübt wird, bezeichnet man als Matrixeffekt und kann das Ergebnis einer Messung schwerwiegend verändern [Marx et al. (2006)]. Matrixeffekte können als Summe aller Effekte der Komponenten eines Systems mit Ausnahme des Analyten selbst definiert werden [Wood (1991)]. Dies schließt natürlich auch alle verwendeten 23 2 Theoretischer Teil Reagenzien mit ein. Bei der Untersuchung von Matrixeffekten sollten die folgenden Komponenten berücksichtigt werden: • Effekte der Reagenzien o Assay Puffer o Monoklonale oder polyklonale Antikörper o Markierung der Erkennungsstruktur o Trennung der gebundenen Erkennungsstruktur von der freien Fraktion (beim heterogenen Format) • Effekte von Proteinen o Eiweiß o Rheumatoide Faktoren o Lysozyme o Komplementsysteme o Endogene Hormon bindende Proteine o Abnormale Formen endogen bindender Proteine o Autoantikörper • Mechanische Beeinträchtigung • Nicht-spezifische Wechselwirkungen • Hook-Effekt Die Problematik ist ausführlich von Colin Selby [Selby (1999)] beschrieben. 2.1.5 Probenmatrix: Wasser Die Versorgung mit sauberem Trinkwasser wurde weltweit als eines der wichtigsten Zukunftsthemen eingeordnet (WHO 2003; UN 2005). Um Wasserresourcen zu schützen und um eine ständige Überwachung der Wasserqualität zu gewährleisten, ist es notwendig, schnelle, sensitive, kostengünstige und einfach zu bedienende analytische Systeme zu entwickeln, die eine Vielzahl kleiner organischer Schadstoffmoleküle im Wasser detektieren können. Sehr vielversprechend ist hierbei der Einsatz der sehr sensitiven immunochemischen Methoden, die bis in den ngL-1-Bereich arbeiten. Damit können die festgelegten Grenzwerte problemlos kontrolliert werden. Im Trinkwasser 24 2 Theoretischer Teil wurde z.B. für Pflanzenbehandlungsmittel unabhängig von deren Giftigkeit ein einheitlicher Grenzwert von 0,1 µgL-1 festgelegt (Oktober 1989). Im Rahmen der hier vorgestellten Arbeit sollen beispielhaft verschiedene Immunoassays aus dem Bereich der Wasseranalytik vorgestellt und beurteilt werden. Hierfür wurden verschiedene Pestizide, Herbizide und Hormone gewählt, die alle im Wasser gefunden werden können: Alachlor, Atrazin, Isoproturon, Progesteron und Testosteron. Alachlor wird zur selektiven Bekämpfung von Ungräsern und Samenunkräutern im Mais-, Sojabohnen-, Erdnuss-, Baumwoll-, Raps- und Sonnenblumenanbau eingesetzt. Das Herbizid mit systemischer Wirkung wird überwiegend über den Boden aufgenommen, wobei es hauptsächlich über die unteren Sprossteile in die Pflanze eindringt. Atrazin gilt als eines der bekanntesten Herbizide und wurde vor allem im Maisanbau eingesetzt. Atrazin gilt als schädlich für die Umwelt, vor allem für Pflanzen, Wasserlebewesen und Bodenorganismen und wird als wassergefährdend nach WGK 2 eingestuft. Seit März 1991 ist zum Schutz des Grundwassers die Anwendung von Atrazin verboten. Eine Kontamination im Grundwasser wird jedoch noch auf Jahre hinaus nachweisbar sein. Isoproturon wird als Phenylharnstoff-Herbizid gegen einjährige Gräser sowie Unkräuter besonders in Getreidekulturen eingesetzt. Progesteron und Testosteron sind Hormone, die z.B. im menschlichen Körper vorkommen. Es sind endokrin wirksame Substanzen, die bei einer erhöhten Aufnahme aus der Umwelt eine Störung des Hormonhaushaltes verursachen können. Dies kann z.B. eine schädliche Wirkung auf die Fortpflanzung, das Wachstum und die Entwicklung des Menschen und verschiedener Tierarten zur Folge haben. 2.1.6 Probenmatrix: Lebensmittel (Milch) Neben der weit entwickelten und stark reglementierten Wasseranalytik hat sich über die letzten Jahre auch die Analytik im Lebensmittelbereich stark weiterentwickelt. Hierbei liegt das Hauptaugenmerk nicht nur auf der Kontrolle der Inhaltsstoffe von z.B. Nahrungsmitteln und damit möglicher Schadstoffe im Endprodukt (z.B. Pestizide in Fruchtsaft), sondern auch in der Überwachung des Herstellungsprozesses (z.B. das Fortschreiten des Gärprozesses). 25 2 Theoretischer Teil In der vorliegenden Arbeit wurde an der Implementierung verschiedener Immunoassays in Milch gearbeitet. Hauptaugenmerk lag hierbei auf der Entwicklung eines Progesteronassays für die Milchproduktion. Der biologische Hintergrund und Ziel der Anwendung sind im Nachfolgenden kurz beschrieben. Die Rolle des Progesterons in der Milchproduktion Oberstes Ziel moderner Milchkuhhaltung ist eine ertragreiche, effiziente Milchproduktion. Wünschenswert ist, dass die Tiere täglich gemolken werden können. Doch dafür müssen sie Milch produzieren und das geschieht üblicherweise nur nach der Geburt eines Kalbs. Die industrielle Milchviehhaltung sorgt deshalb dafür, dass die Milchkühe regelmäßig trächtig werden, um die Milchproduktion nicht zum Versiegen zu bringen. Dafür bedient sie sich in der Regel künstlicher Besamung. Die erfolgreiche Besamung hängt entscheidend vom Zyklus der Kuh ab. Nur wenn der Eisprung verlässlich bestimmt ist, wird das Tier trächtig. Derzeit bestimmt der Landwirt den Eisprung üblicherweise, indem er das Verhalten der Kuh beobachtet. Allerdings liegen die Erfolgsquoten hierbei lediglich zwischen 35-70 Prozent – und das bei einem vergleichsweise hohen Aufwand für den Landwirt, da er in engem Kontakt zu den Kühen stehen muss, um überhaupt eine Aussage zu dem Verhalten der Tiere machen zu können. Angesichts der Tatsache, dass auf einem Bauernhof durchschnittlich 39 Kühe leben, ist der zeitliche Aufwand enorm. Deutlich klarer lässt sich der richtige Zeitpunkt für die künstliche Besamung durch das Hormon Progesteron bestimmen. Progesteron ist ein weibliches Sexualhormon, das im Laufe des Sexualzyklus der Kuh gebildet wird und bereits zur Diagnose des Eisprungs und damit des Besamungszeitpunkts genutzt wird. Abbildung 7 zeigt einen schematischen Verlauf des Sexualzyklus, der eine Dauer von etwa 21 Tagen hat. Er lässt sich in vier Phasen unterteilen. Während der Vorbrunst (Proöstrus) entwickelt sich einer der Follikel im Eierstock. Der Östrus (Brunst) bezeichnet den Zyklusabschnitt, in dem die Kuh begattungsbereit ist. Im Eierstock entsteht der sprungreife Follikel und gegen Ende des Östrus erfolgt der Eisprung. Als Metöstrus bezeichnet man die Zeit bis zum Abklingen aller Brunstsymptome. Im Eierstock bildet sich aus den Follikelresten der Gelbkörper (Corpus luteum), der das Hormon Progesteron bildet. Der Verlauf der letzten Phase des Zyklus, dem Diöstrus, ist abhängig davon, ob eine Befruchtung der Eizelle erfolgt ist oder nicht. 26 2 Theoretischer Teil Sexualzyklus der Milchkuh Abbildung 7: Schematische Darstellung des Sexualzykluses der Milchkuh. Zunächst bildet sich am Eierstock der Gelbkörper zur vollen Blüte. Unter der Wirkung des Progesterons bereitet sich die Gebärmutterschleimhaut auf eine mögliche Schwangerschaft und Einnistung einer befruchteten Eizelle vor. Kommt es zu keiner Schwangerschaft, beginnt der Gelbkörper nach der Ovulation zu schrumpfen und produziert dabei immer weniger Progesteron. Kommt es allerdings zur Einnistung eines befruchteten Eies, bildet sich aus dem Corpus luteum der Trächtigkeitsgelbkörper (Corpus luteum graviditatis), die Progesteronkonzentration in der Milch bleibt konstant. Enzymimmunoassays (z.B. ELISA) bieten die Möglichkeit, die Konzentration an Progesteron vor Ort zu bestimmen. Hierbei wird meist eine Positiv/Negativ-Aussage getroffen, d.h. trächtig oder nicht-trächtig. Der Landwirt kann die Milchproben auch an ein Labor schicken, das die genaue Konzentration des Progesterons bestimmt. Es gibt verschiedene Verfahren zur onlineDetektion des Progesterons, d.h. die Bestimmung findet parallel zum Melkvorgang statt. Sie zeigen aber meist eine schlechte Sensitivität oder sind zu kompliziert zur Anwendung im Kuhstall. Wünschenswert ist ein Analyseverfahren, das erstens eine kontinuierliche Überwachung der Kuh ermöglicht, zweitens genau, zuverlässig, robust und automatisch den Eisprung erkennt und drittens minimale oder keine Laborarbeiten erfordert. Zusätzlich sollte das Verfahren leicht zu handhaben sein, einen wirtschaftlichen Anschaffungspreis aufweisen und geringe laufende Kosten nach sich ziehen. 27 2 Theoretischer Teil 2.1.7 Probenmatrix: Serum & Plasma In der Human- sowie in der Veterinärmedizin werden Analysen fast ausschließlich unter Verwendung von Serum und Plasma durchgeführt. Serum wird aus spontan geronnenen Vollblutproben gewonnen, während Plasma durch den Zusatz von Antikoagulantien (EDTA, Zitrat, Oxalat, Heparin) erhalten wird. Unterschiede zwischen Serum und Plasma sind im Wesentlichen nur bei Kalium, anorganischem Phosphat, LDH und dem Fibrinogen zu beobachten. In der vorliegenden Arbeit wurden zum einen Parameter aus dem Bereich der Humanmedizin untersucht. Der Schwerpunkt lag hierbei in der Charakterisierung von Parametern aus den Bereichen Koagulationsstörung, Entzündungen und Sepsis, Schilddrüsenstörungen und verschiedenen Krebsarten. Zum anderen wurde der in Milch bereits implementierte Progesteron-Assay in die Probenmatrix Serum übertragen, um auch hier Aussagen über den Sexualzyklus bei Tieren zu treffen. Hierfür wurden verschiedene Hundeseren untersucht. Im Nachfolgenden sollen die einzelnen untersuchten Problemstellungen und Parameter kurz beschrieben werden. Humanmedizin C-reaktives Protein (CRP) CRP ist ein Akute-Phase-Protein und wird seit vielen Jahren als unspezifischer Entzündungsmarker verwendet. Es ist ein kohlenhydratfreies Protein, das in der Leber gebildet wird. Die CRP-Konzentration reagiert bei Entzündungen infektiöser und nichtinfektiöser Art, wobei die Reaktion schneller und deutlicher als bei anderen Parametern ausfällt. CRP bindet an den eingedrungenen Fremdstoff und aktiviert mit Makrophagen und dem Komplementsystem wichtige Schritte der Immunabwehr. Da die Halbwertszeit mit 24 Stunden relativ kurz ist, machen sich Veränderungen im entzündlichen Geschehen direkt in der CRPKonzentration bemerkbar. Molekularbiologisch gesehen, handelt es sich bei dem Protein um einen Vertreter der Pentraxin-Familie, die sich durch eine pentamerische Anordnung von identischen Untereinheiten auszeichnet. Beim CRP besteht jede dieser Untereinheiten aus 206 Aminosäuren bei einem Gewicht von ca. 23 28 2 Theoretischer Teil kD. Die fünf Monomere sind zyklisch angeordnet und über nicht kovalente Bindungen verknüpft [Oliveira et al. (1979); Pepys und Hirschfield (2003)]. Abbildung 8: Banddiagramm der Kristallstruktur des C-reaktiven Proteins. [Quelle: Pepys et al. (2003)]. Das CRP wurde bereits zu Anfang des 20. Jahrhunderts erstmals beschrieben und erhielt seinen Namen, da es zusammen mit Calciumionen mit dem CPolysaccharid des Streptococcus pneumoniae reagiert und eine Präzipitation hervorruft. Referenzbereich in humanem Serum/Blut: bis 18 Jahre < 15 mg/L über 18 Jahre < 5,0 mg/L Myoglobin Myoglobin ist ein sauerstoffbindendes Protein mit einem Molekulargewicht von ca. 17 kDa. Abbildung 9: Myoglobin-Molekül (Quelle: David S. Goodsell, The Scripps Research Institute). Abbildung 10: 3D-Struktur des Myoglobins ohne Häm [Quelle: Phillips (1980)]. 29 2 Theoretischer Teil Die Synthese des Myoglobins findet ausschließlich in der quergestreiften Muskulatur statt, so dass in anderen Geweben kein Myoglobin nachweisbar ist. Myoglobin dient als Sauerstoffspeicherprotein und bindet mit hoher Affinität ein Molekül Sauerstoff pro Molekül. Die Halbwertszeit im Plasma beträgt nur 10-20 Minuten, da es rasch durch glomeruläre Filtration eliminiert wird. Myoglobin wird zur Erkennung und Verlaufsbeobachtung eines Herzinfarkts, zur Erfolgskontrolle der Herzinfarktbehandlung, bei Skelettmuskelerkrankungen und als sportmedizinischer Test zur Leistungsbeurteilung bestimmt. Referenzbereich in humanem Serum/Blut: Weiblicher Patient: 14-65 µg/L Männlicher Patient: 17-105 µg/L Procalcitonin (PCT) PCT ist ein Protein aus 116 Aminosäuren, einem Molekulargewicht von 14,5 kDa und stellt das Prohormon von Calcitonin dar [Meisner (2000)]. Abbildung 11: Schematische Darstellung der Aminosäuresequenz von PCT [Quelle: Meisner (2000)]. 30 2 Theoretischer Teil PCT stellt einen Diagnoseparameter zur Verfügung, der schwere bakterielle Infektionen anzeigt und deren Komplikationen infolge systematischer Inflammationen zuverlässig erkennt. PCT reagiert bei Sepsis, Schock und den Symptomen einer schweren systematischen Inflammationsreaktion. Es ermöglicht bei diesen Erkrankungen im Vergleich zu anderen Parametern eine sichere Verlaufsbeurteilung. Bei schweren bakteriellen Infektionen oder Multiorganversagen steigt der Wert auf über 2 µg L-1 an und liegt häufig zwischen 10 - 100 µg L-1. Referenzbereich in humanem Serum/Blut: < 0,5 µg/L Prostataspezifisches Antigen (PSA) PSA ist ein organspezifisches Glykoprotein mit einem Molekulargewicht von ca. 34 kDa. Es ist ein Sekretionsprodukt der Prostata und kommt in unterschiedlichen Konzentrationen in normalem und malignem Prostatagewebe vor. Im Serum liegt PSA als Komplex mit α1-Antichymotrypsin vor. Sowohl PSA, als auch saure Phosphatase können als Marker der Therapiekontrolle und des Rezidivs eines Prostatakarzinoms eingesetzt werden. Referenzbereich in humanem Serum/Blut: bis 40 Jahre < 1,4 µg/L über 40 Jahre < 4,4 µg/L Veterinärmedizin Der Hund gehört im Gegensatz zur Kuh zu den diöstrischen Tieren, d.h. er hat nur zwei Zyklen pro Jahr. Hierbei unterscheidet sich der Zyklus im Verlauf nicht wesentlich von dem unter 2.1.6 beschriebenen Verlauf bei der Kuh (Abbildung 7). Die Zyklusdauer beträgt jedoch 16-56 Wochen. Über das Messen von Progesteron im Serum lässt sich nun entsprechend der Messungen in der Kuhmilch der Verlauf des Zyklus charakterisieren und dies kann dem Züchter Aufschluss über das Eintreten einer Schwangerschaft und den erfolgreichen Verlauf dieser geben. 31 2 Theoretischer Teil 2.2 Optische Spektroskopie 2.2.1 Spektroskopische Grundlagen Trifft Licht mit einer geeigneten Frequenz ν auf ein Molekül im Grundzustand so kann es absorbiert werden und das Molekül in einen angeregten Zustand überführen. Das Molekül kann durch Lichtemission oder durch andere Prozesse wieder in den Grundzustand zurückkehren. Die durch Elektronenübergänge verursachten photophysikalischen Prozesse können im Jablonski-Termschema zusammengefasst werden (Abbildung 12). Absorption: Übergang vom Grundzustand in einen angeregten Zustand. Innere Umwandlung (internal conversion, IC): Strahlungsloser isoenergetischer Übergang zwischen verschiedenen angeregten Elektronenzuständen gleicher Spinmultiplizität. Durch thermische Äquilibrierung kann das Molekül weiter in den Schwingungsgrundzustand relaxieren. Fluoreszenz: Durch Abgabe elektromagnetischer Strahlung kann das Molekül aus dem elektrisch angeregten Zustand S1 in die verschiedenen Schwingungszustände des S0-Zustandes zurückkehren. Die freiwerdende Strahlung ist aufgrund der strahlungslosen Energieverluste energieärmer als die Anregung, also rotverschoben. Interkombinationsübergang (intersystem crossing): Es findet ein Übergang zwischen angeregten Zuständen unterschiedlicher Spinmultiplizität statt und relaxiert meist weiter durch vibratorische Relaxation. Nach dem Pauli-Prinzip ist dies ein verbotener Übergang, da er mit einer Spinumkehr verbunden ist. Phosphoreszenz: Emission elektromagnetischer Strahlung bei der Desaktivierung T1S0. Da der T1-Zustand energieärmer ist als der S1-Zustand, erscheint Phosphoreszenzlicht gegenüber dem Fluoreszenzlicht rotverschoben. Photoreaktion: Das Anregungslicht kann auch für eine chemische Reaktion ausgenutzt werden. Dabei wird die aufgenommene Energie genutzt, um z.B. Radikale zu bilden. Resonante Energieübertragung: Die Energie der Fluoreszenzstrahlung kann direkt auf ein benachbartes Molekül (Fluoreszenzlöscher, Quencher), z.B. durch Stöße oder Dipol-Dipol-Wechselwirkungen übertragen werden, wobei die Emission von Licht unterbleibt [Chance (1978)]. 32 2 Theoretischer Teil Abbildung 12: Jablonski-Termschema. 2.2.2 Reflexion und Brechung von Licht Trifft ein Lichtstrahl unter einem Winkel α auf eine Grenzfläche zweier Medien mit den Brechungsindices n1 und n2, wobei n2>n1 sei, so wird ein Teil des Lichtes reflektiert und ein Teil transmittiert. Der transmittierte Teil wird dabei gebrochen. Abbildung 13: Reflexion und Brechung (Einfallswinkel α, Ausfallswinkel α‘, Grenzwinkel αT, Winkel des gebrochenen Lichtstrahls β, Brechungsindices der zwei Medien n1 und n2, Intensität des einfallenden Lichts I0, Intensität des reflektierten Lichts Ir). 33 2 Theoretischer Teil Reflexion Für den reflektierten Teil des Lichtes ist der Einfallswinkel α gleich dem Ausfallswinkel α‘. Die Reflektivität R der Grenzfläche ist nach Gleichung 1 das Verhältnis von der reflektierten Intensität Ir zur eingestrahlten Lichtintensität Ie. R = Ir Ie (Gleichung 1) Das Reflexionsvermögen für die senkrecht bzw. parallel zur Einfallsebene stehende Komponente des Lichtes kann unterschiedlich sein und hängt nach den FRESNEL-Formeln (Gleichung 2 und 3) sowohl vom Einfallswinkel α, von den Brechungsindizes n1 und n2 als auch von der Polarisation der einfallenden Welle ab [Demtröder (2004)]. 2 ⎛ n cos α − n1 cos β ⎞ Rs = ⎜ 2 ⎟ ⎝ n1 cos α − n2 cos β ⎠ ⎛ n cos α − n2 cos β ⎞ Rp = ⎜ 1 ⎟ ⎝ n2 cos α − n1 cos β ⎠ (Gleichung 2) 2 (Gleichung 3) Brechung Für den gebrochenen Teil des Lichtes gilt das Brechungsgesetz nach Snellius (Gleichung 4). Tritt ein Lichtstrahl von einem optisch dünneren Medium (n1) in ein optisch dichteres Medium (n2), wird das Licht zum Einfallslot hin gebrochen. Tritt das Licht hingegen von einem dichteren in ein dünneres Medium ein, so wird es vom Einfallslot weg gebrochen, und zwar immer stärker je schräger es einfällt bis schließlich nach dem Überschreiten des Grenzwinkels αT Totalreflexion eintritt (Gleichung 5). sin α n2 = sin β n1 sin α T = n2 sin90° n1 (Gleichung 4) (Gleichung 5) Brechungsindex Der Brechungsindex n eines Mediums ist das Verhältnis der Phasengeschwindigkeit c des Lichtes im Vakuum zur Phasengeschwindigkeit c‘ des Lichtes im Medium (Gleichung 6). Dabei hängt n auch von der Wellenlänge des Lichtes ab (Dispersion). Mikroskopisch betrachtet findet man, dass der 34 2 Theoretischer Teil Brechungsindex eine komplexe Größe ist und außer von der Wellenlänge auch noch stark von der Temperatur abhängig ist. n= c c '(n) (Gleichung 6) 2.2.3 TIRF - Fluoreszenzanregung mit interner Totalreflexion Ein einfallender Lichtstrahl wird nach Überschreiten des Grenzwinkels αT totalreflektiert (siehe Kapitel 2.2.2). Hierbei entsteht ein elektromagnetisches Feld, das sogenannte „evaneszente Feld“, das über eine kurze Distanz in das flüssige Medium eindringt und sich parallel zur Oberfläche der Einfallsebene fortsetzt. Das evaneszente Feld ist im Stande fluoreszente Moleküle anzuregen, die sich nahe der Oberfläche befinden. Dieser Effekt wird als Beweis für das Entstehen einer evaneszenten Welle gesehen [Wood (1934)]. Die Intensität des evaneszenten elektrischen Felds I(z) fällt exponentiell senkrecht zur Einfallsebene mit der Distanz z ab: I( z) = I0e−z / d (Gleichung 7) wobei d= −1 / 2 λ0 2 ⎡n1 sin2 Θ − n22 ⎤ ⎦ 4π ⎣ für Einfallswinkel Θ > Θc (Gleichung 8) und Wellenlängen im Vakuum λ0 . Die Eindringtiefe d ist unabhängig von der Polarisation des einfallenden Lichts und nimmt mit ansteigendem Θ ab. Mit Ausnahme von Θ≅Θc (wo d→∞), ist d in der Größenordnung von λ0 oder kleiner. Die Intensität bei z=0, I0, hängt sowohl vom Einfallswinkel Θ als auch von der Polarisation des einfallenden Strahls ab. I0 ist proportional zum Quadrat der Amplitude des evaneszenten elektrischen Feldes E bei z=0. Die Intensität des evaneszenten Feldes, das Fluorophore anregt, ist gegeben durch ⏐E⏐2 [Carniglia et al. (1972)]. Im Allgemeinen ist der Energiefluss des elektromagnetischen Feldes durch den Realteil des Poynting-Vektors gegeben, S=(c/4π)E×H, wobei H das magnetische Feld ist. Für ein quer verlaufendes Feld ist ⏐S⏐ proportional zu ⏐E⏐2. Für eine evaneszente Welle ist ⏐S⏐ nicht proportional zu ⏐E⏐2. 35