Horzinek / Schmidt / Lutz Krankheiten der Katze Reading excerpt Krankheiten der Katze of Horzinek / Schmidt / Lutz Publisher: MVS Medizinverlage Stuttgart http://www.narayana-verlag.com/b11091 In the Narayana webshop you can find all english books on homeopathy, alternative medicine and a healthy life. Copying excerpts is not permitted. Narayana Verlag GmbH, Blumenplatz 2, D-79400 Kandern, Germany Tel. +49 7626 9749 700 Email [email protected] http://www.narayana-verlag.com 11.8 Verletzungen 327 A 33 Zwei U-Nähte umschlingen die Canini. A 35 Röntgenaufnahme einer einseitigen Luxation der Mandibula nach rostal. nach hinten, weil dort der Processus retroarticularis einen Widerstand darstellt. A 34 Adaption des Hautlappens. Im Incisivusbereich wurden zusätzliche Fixationsnähte um die Schneidezähne gelegt. den Unterkiefer (A 34). Antibiotische Nachbehandlung (Suanatem®) ist empfehlenswert. Die Nähte können nach 10–14 Tagen entfernt werden. In seltenen Fällen kann die Anheilung mehrere Wochen dauern, nach eigenen Erfahrungen ist dies nur in Fällen mit Immundefizienz (virale Infekte) zu erwarten. 11.8.2 Kieferluxation Die isolierte Kieferluxation kommt äußerst selten vor, meistens handelt es sich um Kieferfrakturen oder Frakturluxationen. Die Diagnose kann neben den typischen klinischen Symptomen der elastischen Fixation in abnormer Stellung (meist seitliche Verschiebung) vor allem durch die Röntgenaufnahme gestellt werden. Von besonderer Bedeutung ist hier die dorsoventrale Richtung, weil sich die Strukturen nicht so stark überlagern. Die meist einseitigen Luxationen nach vorne (A 35) treten häufiger auf als die 11.8.3 Kieferfrakturen und Frakturluxationen Pathogenese. Kiefer- und Schädelfrakturen kommen bei der Katze außer bei Autounfällen oder (seltener) Raufereien besonders nach Fensterstürzen vor. Unserer Erfahrung nach sind besonders der 2. bis 4. Stock gefährlich, weil im 1. Stock die Höhe für ernste Verletzungen meist zu gering ist, andererseits über dem 4. Stockwerk die „Flugdauer“ so lang ist, dass die Katze weniger mit dem Kopf als nach der Orientierungsphase während des Fluges mit den Extremitäten aufkommt und daher Verletzungen der Extremitäten sowie das thorakale Trauma im Vordergrund stehen (s. Kap. 25.6.1). Symptomatik. Symphysenfrakturen des Unterkiefers können leicht durch den Frakturspalt, der zwischen beiden mittleren Incisivi bis zur Unterlippe reicht, erkannt werden (A 36). Die Mandibulahälften sind mit oder ohne Krepitation gegeneinander verschieblich. Die Therapie besteht im Anlegen einer Drahtschlinge in Achterform quer zwischen den Canini. Ist damit keine gute Fixation zu erzielen (Schlinge rutscht über die Canini oder drückt diese zu eng zueinander), so kann mit der subgingivalen Draht- 328 11 Krankheiten der Mundhöhle, der Kiefer und der Zähne schlingenmethode meist ein gutes Ergebnis erzielt werden. Dazu wird der Cerclagendraht mittels einer subgingival eingeführten, gebogenen Injektionsnadel (A 37) um den Unterkieferknochen geführt und dann hinter den Canini verdrillt (A 38 und 39). Nur bei Trümmerfrakturen ist die Anfertigung einer Parapulpärstift-Composite-Brücke empfehlenswert (s. 26.9.1.2). Frakturen des Corpus oder Ramus mandibulae sind an der (zumeist aboralen und/oder seitlichen) Verlagerung des Unterkiefers erkennbar. Im Gegensatz zur isolierten Luxation des Kiefergelenks sind diese Verlagerungen nicht dauerhaft reponierbar. Bedingt durch die Zugkräfte der Kaumuskulatur, stellt sich die Verlagerung sofort nach Reposition voll oder teilweise wieder ein. Krepitation ist aber nicht immer feststellbar, subgingivale oder periartikuläre Hämatome sind ein wichtiger Hinweis auf die Frakturstelle. Röntgenologische Diagnostik. In jedem Fall sind sowohl dorso-ventrale als auch latero-laterale Auf- nahmen herzustellen. Die häufig auftretenden Frakturen der Mandibula hinter den Canini sind meist besonders gut in der seitlichen Aufnahme zu sehen (A 40). Frakturen des Processus condylaris sowie Frakturluxationen des Kiefergelenks sind in der dorso-ventralen Aufnahme sicherer zu erkennen (A 41), weil die Gelenkwalze sich in ihrer vollen Breite ohne Überprojektion darstellt. Die besonders häufig vorkommenden Lokalisationen bei Mandibulafrakturen sind in A 42 dargestellt. Therapie. Bei kooperativen Patienten kann der Kiefer in eher seltenen Fällen durch Zubinden des Fanges mit einer gekreuzten Schlinge konservativ ruhiggestellt werden (A 43). Bei der operativen Therapie (s. 26.9.1.2) können Kieferfrakturen (A 44) durch Cerclagen, spezielle Drahtnähte, Platten, Bohrdrähte und extrakutane Schienung fixiert werden. Bei letzterer werden mehrere Bohrdrähte in den Kiefer eingebracht und die vorstehenden Enden mir Acrylat in orthognather Stellung fixiert. A 36 Symphysenfraktur des Unterkiefers. A 37 Eine gebogene Injektionskanüle wird subgingival am Knochen entlang eingeführt. A 38 Stahldraht wird durch die Kanüle eingeführt. Die Nadel wird vorsichtig herausgezogen, der Draht wird dadurch um die Mandibula geschlungen. A 39 Der Draht wird verdrillt, die Enden werden umgebogen. Nach 2–3 Wochen kann der Stahldraht entfernt werden. 11.8 Verletzungen 329 A 40 Röntgenaufnahme einer Mandibulafraktur knapp hinter den Canini. A 41 Röntgenaufnahme einer beidseitigen Fraktur des medialen Anteils des Processus condylaris (am besten in der dorso-ventralen Aufnahme sichtbar). A 42 Häufig vorkommende Lokalisation von Kieferfrakturen. A 43 Konservative Frakturbehandlung: Zubinden des Fanges mit breitem Band. Nach unseren Erfahrungen ist die nachstehend beschriebene temporäre Verblockung der Kiefer in den meisten Fällen für die tierärztliche Praxis besonders empfehlenswert. Parapulpärstift-Composite-Brücke nach Zetner: Nach Reinigung und Desinfektion sowie der Versorgung von Schleimhautverletzungen wird der Unterkiefer mit einem Nadelhalter an den Canini erfasst und reponiert (A 45). Von jetzt ab muss die Opera- 330 11 Krankheiten der Mundhöhle, der Kiefer und der Zähne A 44 Bilaterale Mandibulafraktur. A 45 Nach Reposition Einbohren von parapulpären Stiften in die Canini. A 46 Biegen der parapulpären Stifte. A 47 Compositebrücke. tion bei reponierten, geschlossenen Kiefern durchgeführt werden, um eine korrekte, orthognathe Kieferstellung zu erzielen (Ausnahme: Neumann-Variante, s. später). Vor dem Bohren der parapulpären Kanäle wird der Schmelz mit einem kleinen Rosenbohrer (ISO Größe 008) angekörnt. Dazu teilt man den Caninus in der Längsrichtung gedanklich in 3 Teile und bohrt im vorderen oder hinteren Drittel, um ein Verletzen der Pulpa zu vermeiden. Dann werden im Oberkiefer- und Unterkiefercaninus an der markierten Stelle bei langsamer Umdrehungszahl (ca. 600/min) und Wasserkühlung die parapulpären Kanäle mit dem entsprechenden Bohrer vorgebohrt. Exakte zentrische Führung des Bohrers ist wichtig, damit der Kanal nicht zu weit wird. Nach Trocknung der Kanäle werden parapulpäre Stifte (TMS®, Fa. Whaledent) eingedreht und etwas zueinander gebogen (A 46). Dann werden die Stifte mit lichthärtendem oder autopolymerisierendem Composite verblockt (A 47). Meistens werden beide Kieferhälften auf diese rasche, einfache Weise fixiert. Die Ernährung mit flüssigem oder breiigem Futter erfolgt mittels Plastikspritze über die Wangentasche (in sel- tenen Fällen durch Infusionen). Nach 1–3 Wochen werden die Brücken nach Dünnschleifen des Composites mit einer Zange abgenommen und die Parapulpärstifte nach Absetzen in Höhe der Schmelzoberfläche poliert (A 48). Ein kosmetisch besseres Resultat ist erzielbar, wenn die Stifte herausgedreht und die Löcher mit Composite gefüllt werden. A 48 Abnahme der Compositebrücke nach 2 Wochen. Orthognathe Kieferstellung. 11.10 Ernährung Bei der Variante nach Neumann werden die Kiefer in halboffener Stellung fixiert. Vorteil: Katzen können flüssige und halbflüssige Nahrung selbst aufnehmen. Nachteil: Geringste Verkantung bei der Fixation führt zu Kiefersperre nach Abnahme der Brücke (Anisognathie), daher nur für den erfahrenen Behandler empfehlenswert. Bei Behinderung der Nasenatmung (Epistaxis, Palatoschisis mit Schwellung) ist mit der Anwendung der geschlossenen Operationstechnik abzuwarten, bis Nasenatmung möglich ist oder die Kiefer in halbgeschlossener Stellung zu fixieren. Die Prognose ist meistens günstig. Eine genaue Beschreibung dieser Methode ist in der Literatur und im Videofilm zu finden. 331 11.10 Ernährung So genannte Gaumenspalten kommen nach Fensterstürzen häufig vor. Nach Aufnahme flüssiger Nahrung tritt diese bei den Nasenlöchern wieder aus. Die meisten Gaumenspalten heilen unter antibiotischem Schutz innerhalb von 1–3 Wochen spontan ohne Komplikationen aus. Bei besonders großen Defekten kann die Lücke nach Mobilisierung der Schleimhaut und Anlegen von bilateralen Entlastungsschnitten median verschlossen werden. Die Nasenöffnungen müssen immer frei gehalten werden. Unserer Erfahrung nach ist die Funktion des Immunsystems der wichtigste regulierende Faktor für die Verhinderung von Plaque, Zahnstein, Gingivitis, Parodontitis und Stomatitis. Diese Funktion kann nicht nur durch Infektionen (meist viraler Natur), sondern auch durch falsche, unausgewogene Ernährung gestört werden. Darüber hinaus kann die einseitige Ernährung mit Innereien (Herz, Leber, Nieren) und/oder Fleisch zu sekundärem alimentären Hyperparathyreoidismus führen, der zuerst an den Kieferknochen zur Entkalkung führt. Auch Hypervitaminose A wurde für vorzeitigen Verlust der Incisiven bei der Katze verantwortlich gemacht. Bei jeder Mundhöhlensanierung der Katze sollte daher der Tierbesitzer über die artgerechte Ernährung von Katzen und das richtige Ca/P-Verhältnis aufgeklärt werden. In einer epidemiologischen Studie in den USA konnte ein vermehrtes Auftreten von odontoklastischen Resorptionen bestimmter (nicht genannter) Katzenalleinfutter und Snacks sowie der Aufnahme von Milchprodukten statistisch zugeordnet werden, während Katzen mit Gelegenheit zur Jagd unterdurchschnittlich häufig erkrankten. Eine Zuordnung der Häufigkeit der FORL-Fälle zu bestimmten Futtereigenschaften wie z.B. Härte oder Zusammensetzung war dagegen nicht möglich. 11.9 Weiterführende Literatur 11.8.4 Palatoschisis traumatica Narkose Als Narkotika für Eingriffe in der Mundhöhle können empfohlen werden: 1. Medetomidin/Ketamin (Domitor®/Ketalar®): 80 µg Medetomidin und 2,5 mg Ketamin/kg KM i.m. 2. Ketamin-Xylazin (Ketalar®, Rompun®). Ketamin: 5 mg/kg KM i.m. und Xylazin: 2 mg/kg KM i.m. Bei Problemfällen (Alter, Herz-Kreislauf-Schwäche) oder für sehr kurz dauernde Narkosen kann auch die intravenöse Applikation von 2,5 mg Ketamin und 1 mg Xylazin/kg KM empfohlen werden. 3. Inhalationsnarkose nach Einleitung mit Thiobarbituraten oder Ketamin-Xylazin-Narkose. Besonders für Risikopatienten empfehlenswert. Dubielzig, R.: Proliferative Dental and Gingival Diseases of Dogs and Cats. J. Am. Anim. Hosp. Assoc. 18: 577–584 (1982). Eisenmenger, E., Zetner, K.: Tierärztliche Zahnheilkunde. Paul Parey, Berlin-Hamburg 1982. Fahrenkrug, P.: Handbuch der Zahnbehandlung in der Kleintierpraxis. Albrecht, Aulendorf 1986. Harvey, C.: Veterinary Dentristry. W.B. Saunders, Philadelphia 1985. Holzworth, J.: Diseases of the Cat. W.B. Saunders, Philadelphia 1987. Kraft, W., Dürr, U.M.: Katzenkrankheiten. Schaper, Hannover 1985. Lane, J.G.: ENT and Oral Surgery of the Dog and Cat. Wright, Bristol 1982. Pfeifer, E.G., Kämpfer, M., Neu, H.: Die Behandlung der Chronischen Gingivitis der Katze. Der praktische Tierarzt 2: 29–32 (1988). Zetner, K.: Tierzahnheilkunde. Videofilme. Fa. Heiland. Zetner, K.: Die Behandlung von Kieferfrakturen der Katze mit der Parapulpärstift Composite-Brücke. Kleintierpraxis 32 (1): 1–44 (1987). Horzinek / Schmidt / Lutz Krankheiten der Katze 880 pages, hb publication 2005 More books on homeopathy, alternative medicine and a healthy life www.narayana-verlag.com