Der Blick ins Herz wird schärfer

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Der Blick ins Herz wird schärfer
http://www.abendblatt.de/daten/2007/02/03/681691.html?prx=1
COMPUTERTOMOGRAF IMMER BESSERE BILDER DANK NEUER TECHNIK
Der Blick ins Herz wird schärfer
Mit den neuesten Geräten können Kardiologen jede Engstelle
in den Herzgefäßen feststellen. Einem Marathonläufer rettete
dies wahrscheinlich das Leben. Ihm wurden zwei Stents
eingesetzt. Er lief kurz darauf beim Rennen in Dubai mit.
Von Christoph Rind
Arno Reglitzky (71) ist leidenschaftlicher Marathonläufer. Wer wie
er die Strecke von 42,195 Kilometern hinter sich bringt, und das in
gut drei Stunden, der wundert sich nicht, wenn auf den ersten
Kilometern zeitweise mal ein Engegefühl in der Brust zu spüren ist.
"Ich wäre nie auf die Idee gekommen, mich deshalb von einem
Herzmediziner untersuchen zu lassen", sagt er. Aber ein
befreundeter Hausarzt riet ihm dennoch dazu, auch wegen der
leicht erhöhten Cholesterinwerte.
So ließ sich Arno Reglitzky aus dem Heideort Buchholz im
Präventivum Hamburg in Stellingen untersuchen. Das geht ganz
schnell, habe ihm sein Hausarzt versichert. Denn dort steht
Norddeutschlands einziger Dual-Source-CT, ein
Hightech-Computertomograf der neuesten Generation, von dem
bundesweit erst wenige Geräte im Einsatz sind, die meisten in
Süddeutschland.
Dieser CT ist schneller als jedes schlagende Herz. Er produziert
Einzelbilder im Takt von Millisekunden. "Die zeitliche Auflösung von
nur 83 Millisekunden ist so hoch, dass der Herzschlag eingefroren
ist", schwärmt Radiologie-Facharzt und Privatdozent Dr. Jörn
Sandstede vom Hamburger Röntgenzentrum Schäferkampsallee.
Das Ergebnis: Das zwei Millionen Euro teure System liefert eine
exakte Darstellung der Herzkranzgefäße, zeigt Kalkablagerungen,
deren genaue Stärke und offenbart mögliche Schwachstellen in den
Gefäßen.
Die Auswertung der Bilder des Patienten Arno Reglitzky alarmierte
seine Ärzte. Der Hamburger Kardiologie-Professor Dr. Joachim
Schofer erkannte eine "Zeitbombe in seinem Körper". Zwei
hochgradige Engpässe, sogenannte Stenosen, in den Gefäßen auf
beiden Seiten seines Herzens machten einen Eingriff schnell
erforderlich.
Schon am nächsten Tag schob der Kardiologe über einen Katheter
an der Leiste zwei Mini-Gefäßstützen (Stents) an die verengten
Stellen und schuf damit wieder einen weitgehend ungehinderten
Durchfluss des Blutes. Denn wenn die Kranzgefäße verengt sind,
wird das Herz nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt.
Schofer: "Dann drohen ein Herzinfarkt oder sogar ein plötzlicher
Herztod."
Marathonläufer mit verengten Herzkranzgefäßen sind besonders auf
den letzten Kilometern der Mammutstrecke gefährdet. Denn dann
ist der Körper unter der Dauerbelastung geschwächt, und der
Stoffwechsel leidet unter der Extrembelastung.
Arno Reglitzky überstand den Eingriff an seinem Herzen ohne
Komplikationen. "Ich fühlte mich überhaupt nicht krank", sagt er.
Trotz dieses unerwarteten Ereignisses wollte er nicht auf den
geplanten Marathonlauf verzichten. Drei Wochen später startete er
im Wüstensand von Dubai, "auf eigenes Risiko", betont Schofer.
Sein Patient sagte nach dem Lauf: "Ich fühlte mich fit und lief sogar
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05.02.2007 10:04
Der Blick ins Herz wird schärfer
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freier als sonst." In seiner Altersklasse wurde er mit Abstand
Erster.
Trotz seiner ungewöhnlichen Laufleidenschaft ist die
Krankengeschichte von Arno Reglitzky typisch für viele Menschen
im höheren Alter. Sie haben keine dauerhaften Schmerzen, kennen
kein Engegefühl in der Brust als Warnzeichen und sind trotzdem
von einem Infarkt bedroht. Denn sie haben verengte Gefäße, von
denen sie nichts wissen, die aber im Extremfall lebensbedrohlich
sein können.
Wenn Symptome nur sehr schwach ausgeprägt sind, gibt es keinen
Grund, die Risiken einer Katheteruntersuchung einzugehen. Zumal
man bei einer Vielzahl der Untersuchten nur bestätigt bekäme,
dass keine Behandlung notwendig ist. Wenn jedoch Risikofaktoren
im Spiel sind, zum Beispiel erhöhte Cholesterinwerte, Übergewicht,
Nikotingebrauch oder Herzerkrankungen in der Familie, kann es im
Zweifelsfall ratsam sein abzuklären, in welchem Zustand die
Herzkranzgefäße sind.
Mit den neuesten Geräten können Kardiologen jede Engstelle
in den Herzgefäßen feststellen. Einem Marathonläufer rettete
dies wahrscheinlich das Leben. Ihm wurden zwei Stents
eingesetzt. Er lief kurz darauf beim Rennen in Dubai mit.
Keine Alarmzeichen, keine vorherigen Symptome - das ist typisch
für mehr als 40 Prozent der Todesfälle, die durch eine Erkrankung
der Herzkranzgefäße verursacht werden. Fast 150 000 Menschen
sterben in Deutschland im Jahr daran. Schofer: "In den meisten
Fällen ließe sich dies durch eine frühzeitige Diagnostik vermeiden."
Der Dual-Source-Computertomograf ist auf Herzdiagnostik
spezialisiert, "eine neue Ära in der Bildgebung", sagt Sandstede.
Das Gerät vereinigt mit zwei Strahlenquellen die Leistung von zwei
Tomografen, halbiert jedoch die Belastung der Röntgenstrahlung
für die Patienten. Auch reicht eine geringere Menge an
Kontrastmittel, was zudem die Nieren der Untersuchten schont.
Auch zur Kontrolle von Bypässen eignet sich die Methode. Jahre
nach einer Bypass-Operation ist es wichtig abzuklären, ob die
Bypässe ihre Funktion noch erfüllen. Dies ist heute auch bei
Patienten mit Rhythmusstörungen wie Vorhofflimmern möglich.
Sandstede über das neue CT: "Mit ihm kann ich jeden Fall exakt
diagnostizieren, sogar wenn der Patient mit einer hohen und
unregelmäßigen Herzfrequenz kommt. Alle Bilder sind für die
Diagnosestellung gestochen scharf."
Der Computer stellt die innerhalb von zehn Sekunden (in denen der
Patient die Luft anhalten muss) gesammelten Daten zu
anschaulichen Bildern zusammen. Die Aufnahmen einzelner
Herzschläge zeigen den Radiologen auch, ob ein Herzfehler
vorliegt.
Patienten, die Angst davor haben, in eine enge Röhre geschoben zu
werden, profitieren von dem offenen Ringsystem. Ihr Kopf bleibt
bei der Untersuchung außerhalb des Gerätes, die Patienten werden
auf einer Spezialliege mit den Füßen zuerst in das System
geschoben. Der gesamte Untersuchungsvorgang dauert nur zehn
Minuten.
Obwohl diese auf Herzuntersuchungen spezialisierte
CT-Technologie "eine entscheidende Weiterentwicklung ist", so
Sandstede, ersetzt sie doch nicht generell Katheteruntersuchungen.
Denn bei diesem invasiven Eingriff kann eine mögliche Engstelle in
den Gefäßen nicht nur unmittelbar vom Kardiologen beobachtet,
sondern durch eine sofort eingeleitete Therapie auch gleich
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05.02.2007 10:04
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geweitet werden. Die CT-Aufnahme sei jedoch sinnvoll, "um
frühzeitig ein Herzinfarktrisiko mit Sicherheit auszuschließen", sagt
Sandstede. Die Untersuchung mit dem CT kostet etwa 450 Euro,
die von den gesetzlichen Kassen nur in Ausnahmefällen
übernommen werden. Eine Untersuchung im Präventivum - einer
Gemeinschaftseinrichtung des Röntgenzentrums Schäferkampsallee
und des Universitären Herz- und Gefäßzentrums Hamburgs (Prof.
Mathey, Prof. Schofer und Partner) - erfolgt nur, wenn sich ein Arzt
von der Notwendigkeit dieser Untersuchung überzeugt hat.
erschienen am 3. Februar 2007
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