Zweiter Stadtpsychiatrieplan 2013 Teil B

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Gemeindepsychiatrischer Verbund I Kinder und Jugendliche I Gerontopsychiatrie I Menschen mit einer psychischen Erkrankung I
Suchthilfe I Betroffene I Angehörige I psychosoziale Kontakt- und Beratungsstellen I Arbeit und Beschäftigung I Gestaltung des Alltags I Suchtberatungsstellen I Wohnen I Versorgungsgebiete I psychosoziale Angebote I Handlungserfordernisse I Sozialraum I Selbsthilfe I Gemeindepsychiatrischer Verbund I Kinder und Jugendliche I Gerontopsychiatrie I Menschen mit einer psychischen Erkrankung
I Suchthilfe I Betroffene I Angehörige I Kontakt- und Beratungsstellen I Arbeit und Beschäftigung I Gestaltung des Alltags I Suchtberatungsstellen I Wohnen I Versorgungsgebiete I psychosoziale Angebote I Handlungserfordernisse I Sozialraum I Selbsthilfe I Gemeindepsychiatrischer Verbund I Kinder und Jugendliche I Gerontopsychiatrie I Menschen mit einer psychischen Erkrankung I Suchthilfe I
Betroffene I Angehörige I Kontakt- und Beratungsstellen I Arbeit und Beschäftigung I Gestaltung des Alltags I Suchtberatungsstellen I
Wohnen I Versorgungsgebiete I psychosoziale Angebote I Handlungserfordernisse I Sozialraum I Selbsthilfe I Gemeindepsychiatrischer
Verbund I Kinder und Jugendliche I Gerontopsychiatrie I Menschen mit einer psychischen Erkrankung I Suchthilfe I Betroffene I Angehörige I psychosoziale Kontakt- und Beratungsstellen I Arbeit und Beschäftigung I Sozialpsychiatrischer Dienst I Gestaltung des Alltags I Suchtberatungsstellen I Wohnen I Versorgungsgebiete I psychosoziale Angebote I Handlungserfordernisse I Sozialraum I Selbsthilfe I Gemeindepsychiatrischer Verbund I Kinder und Jugendliche I Gerontopsychiatrie I Menschen mit einer psychischen Erkrankung I
Suchthilfe I Betroffene I Angehörige I psychosoziale Kontakt- und Beratungsstellen I Arbeit und Beschäftigung I Gestaltung des Alltags
I Suchtberatungsstellen I psychosoziale Angebote I Handlungserfordernisse I Selbsthilfe I Gemeindepsychiatrischer Verbund I Kinder
und Jugendliche I Gerontopsychiatrie I Menschen mit einer psychischen Erkrankung I Suchthilfe I Betroffene Angehörige Kontaktund Beratungsstellen I Wohnen I Arbeit und Beschäftigung I Gestaltung des Alltags I Suchtberatungsstellen Wohnen Versorgungsgebiete I psychosoziale Angebote I Handlungserfordernisse I Sozialraum I Gemeindepsychiatrischer Verbund Kinder und Jugendliche
Zweiter Stadtpsychiatrieplan 2013
Teil B: Psychiatrische Versorgungsbereiche
der Landeshauptstadt Dresden
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Zweiter Stadtpsychiatrieplan 2013
Teil B: Psychiatrische Versorgungsbereiche der Landeshauptstadt Dresden
Inhalt
1. Einleitung
1
2.5 Wohnen
43
2.5.1 Ambulant betreutes Wohnen (abW)
43
2. Erwachsene mit einer psychischen Erkrankung
3
2.5.2 Betreutes Wohnen in Familie
45
2.1 Ambulante medizinische Versorgung
3
2.5.3 Stationäres Wohnen in Außenwohngruppen und Wohnstätte
46
2.1.1 Hausärzte/-innen
3
2.5.4 Bewertung des Versorgungsstandes
49
2.1.2 Niedergelassene Fachärzte/-innen für Psychiatrie
3
2.5.5 Handlungserfordernisse
50
2.6 Autorenverzeichnis
52
2.1.3 Niedergelassene ärztliche und psychologische
Psychotherapeuten/-innen
4
2.1.4 Medizinische Versorgungszentren (MVZ)
4
3. Kinder und Jugendliche mit einer psychischen Erkrankung
54
2.1.5 Sozialpsychiatrischer Dienst (SpDi)
5
3.1. Früherkennung und Frühförderung
54
2.1.6 Krisenversorgung
7
3.1.1. Frühförderstellen und Arbeitskreis Frühförderung
54
2.1.7 Ergotherapie
8
3.1.2. Frühe Hilfen in der Stadt Dresden
55
2.1.8 Ambulante Soziotherapie
8
3.2. Ambulante medizinische Versorgung
55
2.1.9 Ambulante Psychiatrische Pflege (APP)
9
3.2.1. Niedergelassene Fachärzte/-innen für Kinder- und Jugendmedizin 55
2.1.10 Bewertung des Versorgungsstandes und Handlungserfordernisse 10
3.2.2. Niedergelassene Fachärzte/-innen für Kinder- und Jugendpsychiatrie
2.2 Klinische Versorgung
12
und -psychotherapie
55
2.2.1 Stationäre Versorgung
12
3.2.3. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten/-innen
56
2.2.2 Tagesklinik
13
3.2.4. Kinder und Jugendärztlicher Dienst der Stadt Dresden (KJÄD)
57
2.2.3 Psychiatrische Institutsambulanz (PIA)
14
3.2.5. Kinder- und Jugendpsychiater/-innen im Öffentlichen
2.2.3.1 Früherkennungszentrum
15
Gesundheitsdienst
57
2.2.4 Patientenfürsprechende
16
3.2.6. Institutsambulanzen für Kinder- und Jugendpsychiatrie
58
2.2.5 Bewertung des Versorgungsstandes und Handlungserfordernisse
16
3.2.7. Sozialpädiatrische Zentren (SPZ)
60
2.3 Gestaltung des Alltags und soziale Wiedereingliederung
18
3.2.8. Bewertung des Versorgungsstandes und Handlungserfordernisse
60
2.3.1 Psychosoziale Kontakt- und Beratungsstellen (PSKB)
18
3.3. Stationäre und teilstationäre medizinische Versorgung
61
2.3.2 Sozialtherapeutische Tagesstätte
23
3.3.1. Bewertung des Versorgungsstandes und Handlungserfordernisse
63
2.3.3 Bewertung des Versorgungsstandes
24
3.4. Maßregelvollzugsbehandlung bei Minderjährigen bzw.
2.3.4 Handlungserfordernisse
27
Heranwachsenden
64
2.4 Arbeit und Beschäftigung
29
3.4.1. Bewertung des Versorgungsstandes und Handlungserfordernisse
65
2.4.1 Prävention
30
3.5. Substanzstörungen bei Kindern und Jugendlichen
65
2.4.2 Berufliche Rehabilitation (Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben) 30
3.5.1. Entwicklung und Umsetzung von Suchtpräventionskonzepten
66
2.4.3 Zuverdienstfirmen
35
3.5.2. Beratung und Betreuung von Abhängigkeit bedrohter Kinder,
2.4.4 Unterstützung
37
Jugendlicher und junger Erwachsener sowie deren sozialem Umfeld
68
2.4.5 Spezialisierte Angebote
38
3.5.3. Fachberatung/Netzwerkarbeit mit angrenzenden Fachgebieten
69
2.4.6 Bewertung des Versorgungsstandes
38
3.5.4. Bewertung des Versorgungsstandes und Handlungserfordernisse
69
2.4.7 Handlungserfordernisse
40
3.6. Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe
71
3.6.1. Erziehungsberatungsstellen
71
4.5. Umsetzung der Leitlinien
100
3.6.2. Angebote für Kinder psychisch kranker Eltern
72
4.6. Handlungserfordernisse
100
3.6.3. Besonderes Wohnangebot für junge Frauen
73
4.6.1. Unterarbeitsgruppe Gerontopsychiatrie
101
3.6.4. Schulintegrationshilfe Christliches Sozialwerk
74
4.7. Autorenverzeichnis
101
3.6.5. Bewertung des Versorgungsstandes und Handlungserfordernisse
74
4.8. Eine Auswahl wichtiger Adressen
103
3.7. Schule und Ausbildung
75
4.8.1. Beratungsstellen für Seniorinnen, Senioren und deren Angehörige 103
3.7.1. Bewertung des Versorgungsstandes und Handlungserfordernisse
77
4.8.2. Beratungsangebote für Seniorinnen und Senioren mit
3.8. Gemeinsame Aufgabe Kinderschutz
78
gerontopsychiatrischen und psychiatrischen Erkrankungen
3.9. Autorenverzeichnis
78
4.9. Anlage zur Statistik der BBT-Stellen in der Landeshauptstadt Dresden
4. Ältere Menschen mit einer psychischen Erkrankung
79
4.10. Ergebnisse der Bewertung des Standes der Gerontopsychiatrie in der
4.1. Beschreibung der Erkrankung
79
Landeshauptstadt Dresden durch die Mitglieder der AG Demenz
4.1.1. Die häufigsten psychischen Erkrankungen des Alters
79
(Anlage 2)
110
4.11. Literaturverzeichnis
113
(Anlage 1)
4.1.2. Spezifischer Hilfebedarf von Menschen mit gerontopsychiatrischen
107
109
Erkrankungen
81
4.2. Bericht zur Umsetzung des Stadtpsychiatrieplanes von 2000
81
5. Menschen mit einer Suchterkrankung
115
4.2.1. Prognosen und Aufgabenstellungen
81
5.1. Vorbemerkungen
115
5.2. Handlungsfeld Suchtprävention
116
4.2.2. Zur Entwicklung der ambulanten Betreuung und Versorgung der
Menschen mit Demenz
83
5.2.1. Bewertung des Versorgungsstandes und Handlungsempfehlungen 118
4.3. Versorgungsbereiche
85
5.3. Handlungsfeld Suchthilfe
120
4.3.1. Soziale Angebote
85
5.3.1. Suchtberatungs- und -behandlungsstellen (SBB)
120
4.3.1.1. Versorgungsstand
85
5.3.1.1. Niedrigschwelliger Kontakt
122
4.3.1.2. Bewertung des Versorgungsstandes
86
5.3.1.2. Beratung, Vermittlungs- und Motivationsarbeit
123
4.3.1.3. Handlungserfordernisse
87
5.3.1.3. Ambulante medizinische Rehabilitation
124
4.3.2. Angehörige
87
5.3.1.4. Psychosoziale Betreuung bei Wiedereingliederung in Arbeit,
4.3.2.1. Versorgungsstand
87
Sicherung der Abstinenz- und Arbeitsfähigkeit (Nachsorge)
4.3.2.2. Bewertung des Versorgungsstandes
88
5.3.1.5. Psychosoziale Betreuung bei Substitutionsgestützter Behandlung
4.3.2.3. Handlungserfordernisse
88
Opiatabhängiger
125
5.3.1.6. Angehörigenarbeit
126
4.3.3. BBT-Stellen: Beratung – Begegnung/Begleitung
125
– Tagesstrukturierung
89
5.3.1.7. Bewertung des Versorgungsstandes und
4.3.3.1. Versorgungsstand
90
Handlungsempfehlungen
127
4.3.3.2. Bewertung des Versorgungsstandes
91
5.3.2. Mobiler Suchtdienst (MSD)
130
4.3.3.3. Handlungserfordernisse
92
5.3.2.1. Bewertung des Versorgungsstandes und
4.3.4. Medizinische Versorgung
92
Handlungsempfehlungen
131
4.3.4.1. Versorgungsstand
92
5.3.3. Medizinische Versorgung
132
4.3.4.2. Bewertung des Versorgungsstandes
93
5.3.3.1. Ambulante medizinische Versorgung
132
4.3.4.3. Handlungserfordernisse
94
5.3.3.2. Stationäre medizinische Versorgung
133
4.3.5. Pflegerische Versorgung
94
5.3.3.3. Bewertung des Versorgungsstandes und
4.3.5.1. Niedrigschwellige Betreuung in der Landeshauptstadt Dresden
94
Handlungsempfehlungen
135
4.3.5.2. Ambulante Pflegedienste
95
5.3.4. Soziale Wiedereingliederung
137
4.3.5.3. Gerontopsychiatrische Tagespflege
96
5.3.4.1. Wohnhilfen
137
4.3.5.4. Stationäre Pflege und Kurzzeitpflege
97
5.3.4.2. Arbeits- und Beschäftigungsangebote und -projekte
138
4.4. Neue Bedarfslagen bei Menschen mit gerontopsychiatrischen
5.3.4.3. Bewertung des Versorgungsstandes und
Erkrankungen
98
Handlungsempfehlungen
140
4.4.1. Alt gewordene Menschen mit einer psychischen Erkrankung
99
5.4. Selbsthilfegruppen
142
4.4.2. Gerontopsychiatrisch erkrankte Menschen mit
5.4.1. Bewertung des Versorgungsstandes und Handlungsempfehlungen 143
Migrationshintergrund
99
5.5. Institutionelle Arbeit (Koordination und Kooperation)
144
4.4.3. Gerontopsychiatrisch erkrankte Menschen mit Behinderung
99
5.5.1. Handlungserfordernisse
145
5.6. Exkurs: Betreuung von Suchtmittel konsumierenden und substituierten
Schwangeren und Eltern mit Kindern
147
5.6.1. Bewertung des Versorgungsstandes
147
5.6.2. Handlungserfordernisse
148
5.7. Umsetzung des ersten Stadtpsychiatrieplans und Aufgabenstellungen
für die Zukunft
148
5.8. Autorenverzeichnis
150
5.9. Kontaktdaten der Einrichtungen und Angebote (Anlage 1)
151
5.10. Literaturverzeichnis
155
6. Selbsthilfe und Beteiligung von Betroffenen und Angehörigen
156
6.1. Selbsthilfeangebote in Dresden
156
6.2. Netzwerke/Kooperationen
158
6.3. Öffentlichkeitsarbeit
159
6.4. Bewertung des Versorgungsstandes und Handlungserfordernisse
159
6.5. Autorenverzeichnis
162
7. Fortschreibung
163
8. Abkürzungsverzeichnis
164
9. Abbildungsverzeichnis
166
10. Tabellenverzeichnis
167
11. Glossar
168
1. Einleitung
Fortschreibung und Weiterentwicklung
Als Maßnahme der Qualitätsplanung forderte der Zweite Sächsische Landespsychiatrieplan (LPP) von
2011 die Landkreise und kreisfreien Städte dazu auf, einen „regionalen bedarfsorientierten Psychiatrieplan zu erarbeiten und stetig fortzuschreiben“. (LPP 2011: 100)
Aus diesem Grund, aber auch im Hinblick auf veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen
und entsprechenden Weiterentwicklungsbedarf, wird der erste Psychiatrieplan von Dresden aus dem
Jahr 2000 durch den hier vorliegenden Zweiten Stadtpsychiatrieplan fortgeschrieben.
Die Federführung und Schlussredaktion oblag der Psychiatriekoordination. Unterstützt wurde sie
durch eine Steuerungsgruppe. Die Kapitel der einzelnen Versorgungsbereiche wurden durch fachspezifische Arbeitsgruppen und in Rücksprache mit den Mitgliedern der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft
(PSAG) von Dresden erarbeitet. Die verantwortlichen Autoren werden namentlich am Ende des jeweiligen Kapitels benannt.
Die PSAG bestätigte den Entwurf des Stadtpsychiatrieplans in ihrer Sitzung am 14. Dezember 2012.
Der Beschluss des Dresdner Stadtrates erfolgte am 8. Mai 2013.
Geltungsbereich
Der Landeshauptstadt Dresden obliegt die Daseinsvorsorge für Menschen, die aufgrund einer bestehenden oder drohenden psychischen Erkrankung in ihrer Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft
eingeschränkt sind.
Der Zweite Psychiatrieplan der Landeshauptstadt dient als Orientierungsrahmen für die Planung und
Umsetzung von Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Versorgung von Menschen mit einer psychischen Erkrankung. Die Umsetzung der Maßnahmen und Ziele, einschließlich finanzieller und personeller Folgewirkungen, steht, soweit sie den städtischen Haushalt betreffen, unter dem Vorbehalt der
Finanzierung im jeweiligen Einzelplan sowie der Stellenpläne.
Auf die Gewährung von Zuwendungen besteht kein Rechtsanspruch. Die Bewilligungsbehörde entscheidet aufgrund ihres pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel.
Aufbau
Der Stadtpsychiatrieplan gliedert sich in zwei Teile: Im Teil A dem „Psychiatrieplan der Landeshauptstadt Dresden“ sind die wichtigsten Schlussfolgerungen über den momentanen Versorgungsstand und
über die für die Zukunft notwendigen Schritte zur Weiterentwicklung gebündelt. Teil A fokussiert die
Handlungsfelder der Kommune und stellt somit lediglich einen Ausschnitt des (gemeinde)psychiatrischen Versorgungssystems dar. Zu Beginn wird die Entwicklung der psychiatrischen und
psychosozialen Versorgung seit dem ersten Stadtpsychiatrieplan aus dem Jahr 2000 dargestellt (Kapitel 2). Zur besseren Einordnung der Bedeutung psychischer Erkrankungen erfolgt danach ein Überblick
über die Epidemiologie psychischer Störungen (Kapitel 3). Im Anschluss wird die Struktur der psychiatrischen und psychosozialen Versorgung der kommunal (mit)finanzierten Versorgungsbausteine in
Dresden erläutert (Kapitel 4). Kapitel 5 stellt die kommunalen Steuerungsmöglichkeiten dar. Kapitel 6
und 7 befassen sich mit den vorhandenen Bedarfslagen in Dresden. Aufgrund fehlender
1
wissenschaftlich begründeter Bedarfsanalysen und einer noch nicht realisierten sachsenweiten Psychiatrieberichterstattung wurden hierzu die Akteurinnen und Akteure der psychiatrischen und psychosozialen Versorgung um ihre Einschätzung der Bedarfslage gebeten. Ebenfalls befragt wurden andere
soziale Einrichtungen, die mittelbar oder unmittelbar mit Menschen in einer seelischen Krise in Berührung kommen. Ein weiterer Anhaltspunkt zur Bedarfsanalyse waren die Grundprinzipien des Zweiten
Sächsischen Landespsychiatrieplans. Abschließend werden die daraus abgeleiteten Handlungserfordernisse für die zukünftige gemeindepsychiatrische Entwicklung von Dresden zusammengefasst (Kapitel 8).
Der hier vorliegende Teil B „Psychiatrische Versorgungsbereiche der Landeshauptstadt Dresden“
geht konkret auf die einzelnen Versorgungsbereiche in Dresden ein: Erwachsene Menschen mit psychischen Erkrankungen (Kapitel 1), Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen (Kapitel 2),
Ältere Menschen mit psychischen Erkrankungen (Kapitel 3), Menschen mit einer Suchterkrankung
(Kapitel 4) sowie die Selbsthilfe von Betroffenen und von Angehörigen (Kapitel 5). Jedes Kapitel ist
nach der gleichen Struktur aufgebaut und beleuchtet zunächst den aktuellen Versorgungsstand mit den
jeweiligen in Dresden zur Verfügung stehenden Angeboten. Darauf folgt eine Bewertung der Versorgungssituation unter Berücksichtigung der in Teil A benannten Grundprinzipien.
2
2. Erwachsene mit einer
psychischen Erkrankung
2.1 Ambulante medizinische Versorgung
2.1.1
Hausärzte/-innen
Die medizinische Versorgung über die Hausarztpraxis – in der Regel ein Arzt oder eine Ärztin für Allgemeinmedizin oder für Innere und Allgemeinmedizin – spielt eine wichtige Rolle beim frühzeitigen
Erkennen und Behandeln psychischer Störungen. Häufig sind sie erste/-r Ansprechpartner/-in für Menschen mit einer psychischen Störung. Die Hausärzte/-innen sollten nach Früherkennung und Erstdiagnostik weitere psychiatrische und psychotherapeutische Hilfen einleiten und koordinieren. Sie sind auch
wichtige Ansprechpartner/-innen, wenn es darum geht, eine eventuell bestehende Behandlungslücke
zwischen dem Entlassen aus einer psychiatrischen Klinik und dem Übergang zur ambulanten psychotherapeutischen Weiterversorgung abzudecken – z. B. durch die Weiterverordnung von Medikamenten
und Behandlungsempfehlungen.
2.1.2
Niedergelassene Fachärzte/-innen für Psychiatrie
Die ambulante medizinische Versorgung von Menschen mit einer chronischen psychischen Erkrankung
erfolgt vorrangig durch niedergelassene Fachärzte/-innen für Psychiatrie. Die vertragsärztliche Bedarfsplanung obliegt der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen (KVS). Grundlage ist die Einteilung in
Planungsbereiche. Um die bedarfsgerechte Versorgung zu bewerten, wird innerhalb der Planungsbereiche das Verhältnis von Einwohnerzahl und Facharzt/-in ermittelt. Die Ausführung der Bedarfsplanung
obliegt dem Landesausschuss der Ärztinnen und Ärzte sowie den Krankenkassen.
Bei einer Einwohnerzahl von 518.232 (Stand: 30.6.2010) ergibt sich auf der Basis vorliegender Bedarfsplanungszahlen ein Verhältnis von ca. 12.291 Einwohnerinnen und Einwohnern auf einen Facharzt
oder eine Fachärztin1. Mit einem Versorgungsstand von 44,8 niedergelassenen Fachärzten/-innen gilt
die Landeshauptstadt Dresden aktuell als überversorgt (106,2%). Das zu Grunde liegende Bemessungsverhältnis von Einwohner/-in auf einen Vertragsarzt bzw. eine Vertragsärztin entspricht allerdings
dem Stand von 1990.
Unter Berücksichtigung des Demografiefaktors und eines erhöhten Behandlungsbedarfs der über
60-Jährigen wurden seit Frühjahr 2011 zwei zusätzliche Stellen für den Planungsbereich Dresden
geschaffen. Fachärzte und Fachärztinnen können ihre Niederlassung innerhalb des Planungsbereiches
frei wählen. Sie sind zu keinen Hausbesuchen verpflichtet und müssen wöchentlich 20 Stunden persönliche Sprechstunden abhalten. 2009 wurden im Planungsbereich Dresden im Mittel 3.354,5 Fälle registriert. Auffällig ist eine starke Bündelung von Niederlassungen im Postleitzahlbereich 01309 (Stadtteile
Blasewitz und Striesen).
Die KVS arbeitet mit der Planungsgruppe „Nervenärzte“. Diese beinhaltet den: Facharzt (FA) für Nervenheilkunde, FA für Neurologie, FA für Neurologie und Psychiatrie, FA für Psychiatrie sowie den FA für Psychiatrie und Psychotherapie. Nicht eingeschlossen
sind die ärztlichen Psychotherapeuten.
1
3
2.1.3
Niedergelassene ärztliche und psychologische Psychotherapeuten/-innen
Psychotherapeutische Behandlung wird im Wesentlichen von approbierten ärztlichen und psychologischen Psychotherapeutinnen und -therapeuten nach dem Psychotherapeutengesetz (PsychThG) von
1999 geleistet. Geregelt wird der Bedarf über die Bedarfsplanungs-Richtlinie (Richtlinie über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der
vertragsärztlichen Versorgung). In einer Änderung dieser Richtlinie von 2010 wurde das Verhältnis
zwischen psychologischen und ärztlichen Psychotherapeuten/-innen sowie Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeuten/-innen neu geregelt.
Für Dresden ergibt sich vor dem Hintergrund bestehender Bedarfsplanungszahlen eine Überversorgung mit Therapeuten/-innen von 114,2%. Weitere mögliche Zulassungen von 16,0 Stellen werden
aufgrund der Neuregelung lediglich im Bereich der „Kinder und Jugendliche betreuenden Psychotherapeuten“ genehmigt. Auffällig ist eine Bündelung von Niederlassungen im Postleitzahlbereich 01309
(Stadtteile Blasewitz und Striesen) und 01099 (Stadtteile Neustadt und Loschwitz).
2.1.4
Medizinische Versorgungszentren (MVZ)
In einem Medizinischen Versorgungszentrum sind fachübergreifend im Arztregister eingetragene Ärztinnen und Ärzte und Psychotherapeuten/-innen als freiberufliche Vertragsärzte/-innen oder als Angestellte tätig. Die Versorgung erfolgt ähnlich einer Gemeinschaftspraxis, wobei mindestens zwei verschiedene Fachbereiche vertreten sein müssen. Durch das Zusammenarbeiten unterschiedlicher Fachgruppen soll eine ganzheitliche Behandlung und Betreuung der Patienten und Patientinnen ermöglicht
werden. Ein MVZ kann von jedem Leistungserbringer gegründet werden, der zur medizinischen Versorgung gesetzlich versicherter Patienten und Patientinnen berechtigt ist.
In Dresden existieren folgende Medizinische Versorgungszentren, die im Bereich Psychiatrie/Neurologie behandeln (Stand: Juni 2012):
Medizinisches Versorgungszentrum am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus GmbH
Fetscherstraße 74
01307 Dresden
Tel.: (03 51) 4 58 32 97
www.mvzdresden.de
Medizinisch-therapeutisches Versorgungszentrum Dresden gGmbH (MtVz)
Psychosozialer Trägerverein Sachsen e. V.
im Gorbitzcenter
Harthaer Straße 3
01169 Dresden
Tel.: (03 51) 4 11 15 16
[email protected]
www.ptv-sachsen.de
Medizinisch-therapeutisches Versorgungszentrum - Neurologisch-psychiatrisches Gesundheitszentrum Dresden GmbH
Wolfshügelstraße 20
01324 Dresden - Weißer Hirsch
Tel.: (03 51) 2 68 35 63
www.npz-dresden.de
4
Neurologisch Medizinisches Versorgungszentrum Dresden
Overbeckstraße 33
01139 Dresden
Tel.: (03 51) 89 69 11 00
www.nmvz.de
Nebenstelle
Fetscherstraße 29
01307 Dresden
Nebenstelle
Radebeul
Meißner Straße 128
01445 Radebeul
Nebenstelle
Alaunstraße 9
01099 Dresden
Nebenstelle
Markt 9
01477 Arnsdorf
Nebenstelle
Löbau
Hartmannstraße 9
02708 Löbau
Medizinisches Versorgungszentrum für Neurologie und Psychotherapie Dresden
Sächsisches Krankenhaus Arnsdorf
Großenhainer Straße 163
01129 Dresden
Tel.: (03 51) 79 52 33 00
www.skh-arnsdorf.sachsen.de
Integrierte klinische Geriatrie Medizinisches Versorgungszentrum in Dresden GmbH
Kesselsdorfer Straße 90
01159 Dresden
Tel.: (03 51) 41 40 00
www.igp-mvz.de
2.1.5
Dienststelle West
Braunsdorfer Straße 13
01159 Dresden
Tel.: (03 51) 4 88 53 62
Dienststelle Mitte
Wormser Straße 25
01309 Dresden
Tel.: (03 51) 4 95 21 24
Dienststelle Süd
August-Bebel-Straße 29
01219 Dresden
Tel.: (03 51) 4 77 74 40
Dienststelle Nord
Große Meißner Straße 16
01097 Dresden
Tel.: (03 51) 4 88 53 04
Sozialpsychiatrischer Dienst (SpDi)
Der kommunale Sozialpsychiatrische Dienst ist als Abteilung des Gesundheitsamtes ein niedrigschwelliger, d. h. ein allen offenstehender und leicht zugänglicher, ambulanter Dienst für Menschen mit einer
psychischen Erkrankung und deren Umfeld. Er soll helfen stationäre Behandlung zu vermeiden und zu
verkürzen, die Nachbehandlung sichern sowie die Lebensmöglichkeiten außerhalb einer stationären
Einrichtung verbessern. Dem SpDi obliegt die Bereitstellung der Hilfen nach § 5 Abs. 1 bis 4 des „Sächsischen Gesetzes über die Hilfen und die Unterbringung bei psychischen Krankheiten“ (SächsPsychKG)
sowie die Beratung und Begleitung von Menschen mit einer psychischen oder Suchterkrankung gemäß
§ 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 des „Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst im Freistaat Sachsen“
(SächsGDG). Zu den Leistungsinhalten gehören:
Beratung, Vermittlung und Begleitung bei sozialen Fragen durch Sozialarbeiter/-innen
Vermittlung anderer psychosozialer Hilfsangebote
Anonyme Beratung
Einzelgespräche sowohl in der Dienststelle als auch beim Hausbesuch
Begleitung zu Ämtern und Behörden
Krisenintervention
Gruppenangebote, die die Möglichkeit bieten, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen
Ärztliche und psychologische Hilfe in Form von therapeutischen Gesprächen und medikamentöser
Behandlung (bei Menschen mit schwerer chronischer psychischer Erkrankung)
 Erstellung von fachärztlichen Gutachten für Sozialleistungsträger, Gerichte und im Auftrag des
Amtsärztlichen Dienstes
 Hoheitliche Aufgaben im Rahmen von Unterbringungen
 Beratung von Behörden und Institutionen








5
Die Sicherstellung der sozialräumlichen Arbeit erfolgt über ein Dienstnetz mit 4 Dienststellen, deren
Versorgungsbereiche an die Versorgungsgebiete der psychiatrischen Kliniken angelehnt sind. Im Zuge
der Umstrukturierung der Einzugsgebiete der psychiatrischen Kliniken wurde 2004 bei gleich bleibender
Personalzahl von 5 auf 4 Dienststellen reduziert, um Öffnungszeiten, Vertretbarkeit und
Sicherheitsaspekte besser abzusichern.
SpDi
Ortsämter
Dienststellen
West
Altstadt (hier: Friedrichstadt, Wilsdruffer Vorstadt), Plauen, Cotta
(entspricht Einzugsgebiet Krankenhaus Friedrichstadt und St.Marien-Krankenhaus südelbisch)
Mitte
Süd
Abb. 1: Versorgungsgebiete des SpDi.
Nord
Einwohnerzahl
= 145.820 EW
Altstadt (hier: Innere Altstadt, Pirnaische Altstadt, Seevorstadt,
Johannstadt Nord und Süd), Blasewitz (Blasewitz, Striesen
Ost/Süd/West, Tolkewitz, Gruna), Loschwitz, Schönfeld-Weißig
(entspricht Einzugsgebiet Universitätsklinikum und Krankhaus Neustadt nordelbisch)
Leuben, Prohlis, Blasewitz (Seidnitz/Dobritz)
(entspricht Einzugsgebiet Krankenhaus Neustadt südelbisch)
= 139.743 EW
Neustadt, Pieschen, Klotzsche
(entspricht Einzugsgebiet St.-Marien-Krankenhaus nordelbisch)
= 126.195 EW
= 106.862 EW
Tab. 1: Einzugsgebiete des SpDi.
Stand: 30.06.2011, Kommunale Statistikstelle Dresden
Der SpDi ist fachärztlich geleitet und erfüllt hoheitliche Aufgaben (Unterbringung nach
SächsPsychKG und Begutachtungen). Die Dienststellen des Sozialpsychiatrischen Dienstes sind
multiprofessionell mit Fachärzten/-innen für Psychiatrie, Sozialarbeitern/-innen, Psychologinnen und
Krankenschwestern besetzt. Die Ärzte und Ärztinnen verfügen über eine Behandlungsermächtigung.
Dadurch wird die Möglichkeit der ambulanten Krisenintervention und der Behandlung von Menschen,
die schwer psychisch erkrankt sind, im Sinne eines Home Treatment erleichtert. Der SpDi ist auch
aufsuchend tätig. Etwa ein Drittel der Kontakte erfolgen als Hausbesuch.
Für je 25.000 Einwohner/-innen kann maximal eine Vollzeitfachkraft (VzK) durch das Land Sachsen
gefördert werden. Bei einer Einwohnerzahl von 518.620 (Stand: Juni 2011) ergeben sich für Dresden
20,74 förderfähige VzK.
Tab. 2: Verteilung der Vollzeitkräfte auf die Dienststellen des SpDi. Stand 2011
SpDi - Dienststellen
Vorhandene Personalstellen
Förderfähige Vollzeitkräfte
(VzK) bei 1:25.000
West
6,37 VzK
5,83 VzK
Mitte
5,37 VzK
5,59 VzK
Süd
5,5 VzK
4,27 VzK
Nord
5,5 VzK
5,05 VzK
22,74 VzK
20,74 VzK
Der Personalschlüssel berücksichtigt die Gesamteinwohnerzahl der Landkreise und kreisfreien
Städte. Dementsprechend verändert er sich proportional mit dem Bevölkerungszuwachs oder rückgang. Während die Entwicklung für Sachsen insgesamt mit einem Schrumpfen und Altern der
Bevölkerung charakterisiert ist, wird für Dresden ein Bevölkerungszuwachs von 2,4 Prozentpunkten auf
529.632 Einwohnerinnen und Einwohner für das Jahr 2020 prognostiziert. Daraus würden sich langfristig 21,18 förderfähige VzK ergeben.
Mit der aktuellen Besetzung gelangt der SpDi zunehmend an seine Kapazitätsgrenzen, aus fachlicher Sicht wäre für Dresden ein Schlüssel von 1 Fachkraft auf 20.000 EW erforderlich.
Die Verortung als Abteilung des Gesundheitsamtes hat sich in den letzten 20 Jahren bewährt. Die
Kommune kommt dadurch effektiv und flexibel ihrer Daseinsvorsorge für Bürger und Bürgerinnen mit
einer schweren psychischen Erkrankung nach. Der SpDi nimmt eine zentrale vermittelnde Rolle im
Versorgungssystem ein. Zunehmend werden Kriseninterventionen und fachliche Beratungen für
6
Angehörige, das weitere Umfeld und andere Institutionen erbracht. Wichtig für die oft langfristige
Begleitung der Betroffenen sind eine hohe personelle Konstanz, kontinuierliche Weiterbildung und
Supervision.
Zur Abteilung SpDi gehören die Jugend- und Drogenberatungsstelle des Gesundheitsamtes und der
psychosoziale Krisendienst, dies ermöglicht eine rasche störungsspezifische Intervention und trägt den
Anforderungen immer komplexerer Fälle Rechnung.
2.1.6
Krisenversorgung
Die nichtstationäre Notfallversorgung in akuten Krisensituationen erfordert hohe zeitliche und personelle
Intensität. Tagsüber wird die Versorgung über die regulären Angebote und Beratungsdienste für Menschen mit einer psychischen Erkrankung abgedeckt.
Eine ambulante Krisenberatung wird in Dresden ermöglicht durch:
den Sozialpsychiatrischen Dienst innerhalb der Sprechzeiten
Kontakt über Dienststelle West
Braunsdorfer Straße 13
01159 Dresden
Tel.: (03 51) 4 88 53 62
Montag und Freitag 8.30 - 12.00 Uhr
Dienstag und Donnerstag 9.00 - 18.00 Uhr
die Psychiatrischen Institutsambulanzen (siehe Kapitel 2.2.3.)
Psychosozialer Krisendienst
Georgenstraße 4
01097 Dresden
Tel.: (03 51) 4 88 53 41
Telefonische Erreichbarkeit
Montag bis Freitag 9.00 - 11.00 Uhr
Sprechzeiten
Montag bis Donnerstag 8.00 - 12.00 Uhr
und 13.00 - 17.00 Uhr
Freitag 8.00 - 14.00 Uhr
und den Psychosozialen Krisendienst, einem Sachgebiet des SpDi des Gesundheitsamtes.
Der psychosoziale Krisendienst bietet schnell und unkompliziert Beratung und Unterstützung in akuten
Krisen- und Notsituationen für Frauen, Männer, Paare und Familien. Erstgespräche sind in der Regel
innerhalb von 3 Tagen möglich. Die Beratung ist kostenfrei und auf Wunsch anonym.
Die Beratung erfolgt bei:
 Krisen durch schwierige Lebensumstände
 akuten Belastungssituationen und bei Suizidgefährdung
 Partnerschafts- und Familienkonflikten
 Trennung und Scheidung
 Verlusterfahrungen
 Überforderungssituationen in Familie, Umfeld und Arbeit
 traumatischen Erfahrungen
 der Suche nach weiterführenden Angeboten
Die telefonische Krisenberatung in Dresden erfolgt über:
das Telefon des Vertrauens
täglich zwischen 17.00 und 23.00 Uhr (auch an Wochenend- und Feiertagen)
Tel.: (03 51) 8 04 16 16
die kostenfreie Telefonseelsorge
24-Stunden-Notruf
Tel.: (08 00) 1 11 01 11 oder (08 00) 1 11 02 22
Die Möglichkeit einer 24-Stunden-Beratung und Betreuung für Kinder und Jugendliche zwischen 0 und
17 Jahren und deren Familien ist durch den Kinder- und Jugendnotdienst Dresden gegeben:
Rudolf-Bergander-Ring 43
01219 Dresden
Tel.: (03 51) 2 75 40 04 oder (03 51) 2 75 36 63
7
Die Psychosozialen Kontakt- und Beratungsstellen (siehe Kapitel 2.3.1.) können ebenfalls eine
erste Anlaufstelle sein, insbesondere um sich über weiterführende Angebote beraten zu lassen.
Integrierte Versorgung (IV) - plan-b
Huttenstraße 4
01309 Dresden
Tel.: (03 51) 45 69 41 00
[email protected]
www.ptv-sachsen.de
Seit Ende 2011 wird durch den Psychosozialen Trägerverein Sachsen e. V. (PTV) eine ambulante
Krisenversorgung mit Rückzugshaus angeboten. Das Angebot besteht im Rahmen der integrierten
Versorgung (IV). Diese beruht auf einem Vertrag mit verschiedenen Krankenkassen und dem Medizinisch-therapeutischen Versorgungszentrum Dresden gGmbH.
Adressen von weiteren Unterstützungs- und Hilfsangeboten in Dresden sind im „Wegweiser für Krisen- und Notsituationen“ zu finden.
2.1.7
AWO Sachsen Soziale Dienste gGmbH
AWO Sozialzentrum Dresden Prohlis
Prohliser Allee 31
01239 Dresden
Tel.: (03 51) 2 81 35 79
www.awo-sachsen.de
Ergotherapie
Ergotherapie als psychosozialer Therapieansatz hat die Aufgabe, den Patienten und Patientinnen die
Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen und in Interaktion mit der Umwelt zu treten.
Inhalte sind die Stabilisierung der Alltagskompetenzen, die Wiederherstellung, Entwicklung, Verbesserung oder Kompensation krankheitsbedingt gestörter Funktionen und Fähigkeiten. Ziel ist größtmögliche
Selbstständigkeit in Beruf, Schule und häuslichem Alltag.
Die Maßnahmen der Ergotherapie können beinhalten:
AWO SONNENSTEIN gGmbH
Psychosoziale Kontakt- und Beratungsstelle
Herzberger Straße 24/26
01239 Dresden
Tel.: (03 51) 2 88 19 82
www.awo-sonnenstein.de
Dresdner Pflege- und Betreuungsverein e. V.
Ambulantes Pflegezentrum
Amalie-Dietrich-Platz 3
01169 Dresden
Tel.: (03 51) 4 16 60 00/-65
www.ambulantes-pflegezentrum.de
Psychosozialer Trägerverein Sachsen e. V.
Ergotherapie „Seiltänzer“
Wormser Str. 16 - 18
01309 Dresden
Tel.: (03 51) 3 14 46 24
[email protected]
www.ptv-sachsen.de
 Verbesserung und Stabilisierung der psychischen Grundleistungsfunktionen wie Antrieb, Motivation,
Belastbarkeit, Ausdauer, Flexibilität und Selbstständigkeit,
 Verbesserung eingeschränkter körperlicher Funktionen,
 Verbesserung der Körperwahrnehmung und Wahrnehmungsverarbeitung,
 Verbesserung der Realitätsbezogenheit, der Selbst- und Fremdwahrnehmung,
 Verbesserung des situationsgerechten Verhaltens, auch der sozio-emotionalen Kompetenz und
Interaktionsfähigkeit,
 Verbesserung der kognitiven Funktionen.
Eine Verordnung erfolgt über den behandelnden Arzt bzw. die behandelnde Ärztin nach § 38 der
Heilmittelrichtlinie (Richtlinie über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung).
Die Behandlung kann in Einzel- oder Gruppenbehandlung erfolgen. Ergotherapie wird in Dresden auch
von privaten Anbietern/-innen angeboten.
Die Arbeitstherapie, als ein Bereich der Ergotherapie, wird unter dem Punkt 2.4.2. des vorliegenden
Psychiatrieplans erläutert.
2.1.8
Weitere Anbieter finden Sie im Internet sowie im
örtlichen Telefonbuch.
8
Ambulante Soziotherapie
Menschen mit schweren und chronischen psychischen Erkrankungen sind häufig nicht in der Lage,
bestehende Behandlungs- und Hilfsangebote selbstständig in Anspruch zu nehmen. Wiederholte,
kostenintensive Krankenhausaufnahmen sind die Folge. Das kann vermieden werden, wenn ein bedarfsorientiertes ambulantes Behandlungs- und Rehabilitationsangebot zur Verfügung steht.
Die Soziotherapie soll und kann hier Abhilfe schaffen, indem die Patienten/-innen durch Motivation
und strukturierte Trainingsmaßnahmen in die Lage versetzt werden, die erforderlichen Leistungen
selbstständig in Anspruch zu nehmen. Die ambulante Soziotherapie wurde mit dem Gesundheitsreformgesetz 2000 im SGB V verankert, wird ärztlich verordnet und von Sozialpädagogen/-innen oder
Krankenschwestern und Krankenpflegern mit einer psychiatrischen Zusatzausbildung erbracht. Sie
bietet koordinierende und begleitende Unterstützung und Handlungsanleitung für Menschen mit einer
schweren psychischen Erkrankung auf der Grundlage von definierten Therapiezielen.
GESOP gemeinnützige GmbH
Gasanstaltstraße 10
01237 Dresden
Tel.: (03 51) 21 53 08 21
[email protected]
www.gesop-dd.de
Psychosozialer Trägerverein Sachsen e. V.
Huttenstraße 4
01309 Dresden
Tel.: (03 51) 3 12 58 21
[email protected]
www.ptv-sachsen.de
Ambulante Soziotherapie soll die Betroffenen in die Lage versetzen, die erforderlichen ärztlichen
bzw. ärztlich verordneten Leistungen zu akzeptieren und diese selbstständig in Anspruch zu nehmen.
Ziel ist es, immer wiederkehrende Krankenhausaufenthalte zu vermeiden. Die Leistungen werden im
häuslichen Umfeld der Versicherten erbracht. Sie können als
 Motivations- (Antriebs-) relevantes Training
 Training zur handlungsrelevanten Willensbildung
 Anleitung zur Verbesserung der Krankheitswahrnehmung
 Koordinationsleistungen
oder
 Hilfe in Krisensituationen
erbracht werden. Grundlage für die Leistungserbringung ist eine genehmigte ärztliche Verordnung
eines/-r Vertragsarztes/-ärztin für Psychiatrie oder Nervenheilkunde (mit Verordnungsgenehmigung der
Kassenärztlichen Vereinigung). Gleichzeitig besteht die Möglichkeit der Verordnung von drei Stunden
Soziotherapie zur Indikationsstellung über die Hausarztpraxis (genehmigungsfrei). Je Krankheitsfall
können bis zu 120 Stunden ambulante
Soziotherapie innerhalb von drei Jahren verordnet werden. Die Therapieeinheit umfasst dabei 60
Minuten. Die Maßnahmen sind als Einzel- oder Gruppenmaßnahmen zu erbringen. Soziotherapie ist
gemäß § 37a SGB V nur bei bestimmten schweren Krankheitsbildern verordnungsfähig, wenn der
Patient oder die Patientin aufgrund der psychischen Erkrankung nicht mehr in der Lage ist, ärztliche
oder ärztlich verordnete Leistungen selbstständig in Anspruch zu nehmen.
Ambulante Soziotherapie ist adäquat zu der in der Richtlinie zur Soziotherapie formulierten Zielstellung wirksam und effektiv. Die vorher übliche stationäre Krankenhausbehandlung kann bei den durch
Soziotherapie behandelten „Drehtür“-Patienten/-innen in ca. 80% der Fälle reduziert oder ganz vermieden werden.
In Dresden stellen zurzeit zwei Leistungserbringer die Versorgung mit ambulanter Soziotherapie
durch qualifizierte Fachkräfte sicher.
2.1.9
Striesener Pflegedienst
des Psychosozialen Trägervereins Sachsen e. V.
Huttenstraße 4
01309 Dresden
Tel.: (03 51) 3 12 58 69
[email protected]
www.ptv-sachsen.de
Pharus med. GmbH
Bautzner Landstraße 7
01324 Dresden
Tel.: (03 51) 26 66 82 82
[email protected]
www.pharus-med.de
Ambulante Psychiatrische Pflege (APP)
Das Angebot der ambulanten psychiatrischen Pflege ist eine von den Krankenkassen finanzierte und
von Fachpflegepersonal erbrachte Leistung. Menschen mit psychischen Erkrankungen werden vorrangig nach einem stationären Aufenthalt in ihrem häuslichen Bereich unterstützt. Die APP kann auch als
Verhinderungspflege verordnet werden, so dass ein stationärer Aufenthalt nicht notwendig wird.
Die APP ist ein gemeindeorientiertes Versorgungsangebot. Sie soll dazu beitragen, dass Menschen
mit einer psychischen Erkrankung ein würdiges, eigenständiges Leben in ihrem gewohnten Lebenszusammenhang führen können. Durch die Pflege vor Ort sollen das Umfeld beteiligt und die soziale
Integration gewährleistet werden. Dazu gehört auch die Arbeit mit den Angehörigen, die in die Behandlung einbezogen und entlastet werden sollen. Die ambulante Pflege soll mit ihren flexiblen, aufsuchenden Angeboten Behandlungsabbrüchen vorbeugen.
Die APP wird vom behandelnden Facharzt bzw. Fachärztin für Psychiatrie verordnet. Nach Diagnosesicherung durch eine/-n Facharzt/-ärztin ist sie auch durch Hausärzte/-innen verordnungsfähig. Sie
kann für maximal vier Monate verordnet werden und wird in Absprache mit allen Beteiligten in maximal
14 Einheiten pro Woche im häuslichen Bereich des erkrankten Menschen durchgeführt. Die Frequenz
der Einheiten ist abnehmend. Die Dokumentation beinhaltet den Behandlungsplan (von APP und behandelndem Arzt), Verlaufsberichte, etc. Hauptarbeitsinhalte der APP sind:





Bewältigung von Krisensituationen / Krisenmanagement
Krankheitsmanagement
Entwicklung kompensatorischer Fähigkeiten
ressourcen-/problemorientierte Planung
Entwicklung kompensatorischer Hilfen, z. B.
- Aktivierung / Training elementarer Verrichtungen / Fähigkeiten
- Tagesstruktur
9




Psychoedukation
Konfliktbewältigung
Angehörigenarbeit
Netzwerkarbeit
In der Zukunft werden sicherlich auch Integrierte Versorgungsverträge, Strukturverträge u. ä. mit
Krankenkassen für die Umsetzung der APP als integrierter Bestandteil der Versorgungsstruktur abgeschlossen.
Das Team der APP besteht aus ausgebildeten Fachkrankenschwestern und -pflegern für Psychiatrie
mit langjähriger Berufserfahrung.
2.1.10 Bewertung des Versorgungsstandes und Handlungserfordernisse
Im ambulanten medizinischen Bereich ist eine Zunahme von Klienten/-innen mit fehlender Krankheitsund Behandlungseinsicht, mit Intelligenzminderung und behandlungsbedürftigen Verhaltensstörungen
oder zusätzlicher Suchterkrankung sowie von Personen mit einer gerontopsychiatrischen Erkrankung
zu verzeichnen. Die niedergelassenen Fachärzte und Fachärztinnen nehmen einen zunehmenden
Bedarf für Patienten und Patientinnen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung, Angsterkrankung
oder Panikstörung wahr – letzteres oft vor dem Hintergrund beruflicher Belastung.
Der Zugang zur Behandlung und Betreuung durch den Sozialpsychiatrischen Dienst sowie zum Angebot des psychosozialen Krisendienstes ist niedrigschwellig gestaltet und kostenfrei, anonym und
ohne Überweisung nutzbar. Dies gilt jedoch nicht für andere ambulante medizinische Angebote, die
über Kassenleistungen finanziert werden.
Lange Wartezeiten gibt es für die Behandlung durch ärztliche und psychologische Therapeuten/-innen.
Besonders problematisch ist die Versorgung von Menschen mit einer chronischen psychischen Erkrankung. Häufig entstehen Behandlungslücken, die auch vom Sozialpsychiatrischen Dienst aus Kapazitätsgründen nicht allumfassend überbrückt werden können.
Das Prinzip „ambulant vor stationär“ wird infolgedessen häufig durchbrochen. Die Anzahl niedergelassener Fachärzte/-innen für Psychiatrie sowie die Zahl der ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten/-innen muss als nicht bedarfsgerecht bewertet werden. Unter anderem deshalb, weil die
Finanzierungsbedingungen des SGB V einer fachgerechten ambulanten Versorgung speziell von Menschen, die chronisch psychisch erkrankt sind, oft entgegenstehen. Zudem erfordern die Problemlagen
der Patientinnen und Patienten zunehmend ein multiprofessionelles Vorgehen, so dass die Kapazitäten
niedergelassener Fachärzte/-innen und Psychotherapeuten/-innen allein in der Praxis nicht ausreichen.
Dies zieht eine zunehmende Belastung des komplementären Bereichs nach sich. Das Angebot fachärztlicher ambulanter Versorgung muss dem Bedarf angepasst werden. Die Zusammenarbeit mit anderen Professionen und Anbietern ist zu intensivieren und die Etablierung sozialpsychiatrischer Schwerpunktpraxen zu prüfen.
Diese Feststellung einer nicht bedarfsgerechten Versorgung durch niedergelassene Fachärzte/innen sowie durch ärztliche und psychologische Psychotherapeuten und Therapeutinnen steht im
Gegensatz zur Berechnungsgrundlage der Kassenärztlichen Vereinigung, die von einer Überversorgung für Dresden ausgeht. (siehe Kapitel 2.1.2. und 2.1.3.)
Aus diesem Grund ist es von großer Bedeutung, dass die Behandlungsermächtigung der Fachärzte/-innen im Sozialpsychiatrischen Dienst weiterhin erhalten bleibt, um eine aufsuchende, multiprofessionelle Behandlung von Menschen mit einer schweren chronischen psychischen Erkrankung zu gewährleisten. Dadurch wird eine wichtige Brücken- und Lotsenfunktion zwischen stationären und ambulanten
Angeboten wahrgenommen. Die Multiprofessionalität und personelle Kontinuität der Fachkräfte im SpDi
soll auch in Zukunft sichergestellt werden. Eine Erweiterung im Bereich der psychologischen Kapazitäten ist anzustreben.
10
Um den spezifischen Problemlagen der Klientel gerecht zu werden, ist eine ausgewogene Besetzung der Fachkraftstellen mit männlichem und weiblichem Personal anzustreben. Diese Forderung wird
zunehmend umgesetzt.
Die fallbezogene Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Fachärzten/-innen, den Dienststellen
des Sozialpsychiatrischen Dienstes und den Trägern der freien Wohlfahrtspflege funktioniert in den
einzelnen Versorgungsgebieten gut. Dennoch muss die Vernetzung mit Fach- und Hausärzten/-innen
weiter verbessert werden. Hausärzte/-innen müssen besser über die vorhandenen psychiatrischen und
psychosozialen Hilfsangebote in Dresden informiert werden. Nur dann können sie Anlaufstellen sein,
um die oben angeführten Behandlungslücken, zum Beispiel über die Verordnung von Medikamenten,
zu überbrücken. Bisher konnte kein niedergelassener Facharzt und keine niedergelassene Fachärztin
zur Mitarbeit in der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft von Dresden gefunden werden. Vor allem in
die weitere Ausgestaltung der gemeindepsychiatrischen Versorgungsstruktur müssen beide Arztgruppen stärker einbezogen werden.
Für diensthabende Ärzte/-innen und Mitarbeiter/-innen des Bereitschaftsdienstes der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen ist eine gemeinsame Weiterbildung geplant. Regelmäßige Weiterbildungen
zum Hilfesystem, über Unterstützungs- und Behandlungsmöglichkeiten sowie problemorientierte Fallbesprechungen sollen die Kooperation untereinander und das Verständnis für Menschen mit einer
psychischen Erkrankung fördern.
Die sozialräumliche Vernetzung, vor allem mit den nicht-psychiatrischen Strukturen, muss weiter
ausgebaut werden. Für eine individuelle medizinische und sozialpädagogische Hilfeplanung ist eine
enge und verbindliche Zusammenarbeit mit allen Helferinnen und Helfern, auch den Therapeuten und
Therapeutinnen, und unter Einbeziehung der Leistungsträger notwendig. Bevor die Hilfsstruktur weiter
aufgebaut wird, muss zunächst der Bedarf in einem Hilfeplanverfahren festgestellt werden. Erst dann
können die Angebote passgerecht weiterentwickelt und eingesetzt werden.
Aus Sicht der Fachärzte/-innen läuft die Vernetzung zwischen ambulanten und stationären Maßnahmen sowie zu den ambulanten Hilfsdiensten nicht optimal.
Zur Verbesserung der Übergänge zwischen dem stationären und dem ambulanten Versorgungsbereich wird seit Mitte 2011 die Etablierung eines Entlassungsmanagements in Form von zwei Entlassungsformularen (aus dem ambulanten Bereich an die Klinik und von der Klinik an den ambulanten
Bereich) erprobt. Ziel ist es, die weiteren Hilfsmaßnahmen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus
zwischen stationärer und ambulanter Versorgung besser zu vernetzen, zu planen und zu koordinieren.
Umgekehrt soll auch der Übergang von ambulanter in stationäre Versorgung transparenter gestaltet
werden. Sowohl für das Krankenhaus als auch für die ambulante Einrichtung soll erkennbar sein, welche Behandlung der Patient und die Patientin bereits erhalten, wo sie sich in Beratung befinden oder
welche Behandlungsvereinbarungen vorliegen. Geplant ist die spätere Ausweitung des Entlassungsmanagements auf die niedergelassenen Hausärzte und Hausärztinnen.
Um dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ gerecht werden zu können und den Patienten/-innen
die Behandlung zukommen zu lassen, die bei gleicher Wirksamkeit am wenigsten einschneidend ist, ist
der Ausbau von intensiven ambulanten und teilstationären Therapieangeboten zu fördern und, soweit
möglich, Einfluss auf Entscheidungs- und Kostenträger (Kassenärztliche Vereinigungen, SMS, Gesetzliche Krankenversicherungen) zu nehmen. Dies gilt ebenso für die Etablierung einer psychiatrischen
Akutbehandlung im häuslichen Umfeld („Home Treatment“).
In der Nachsorge und zur Rückfallprophylaxe sind Soziotherapie, Ergotherapie und ambulante psychiatrische Pflege unabdingbar. Zur Nutzung von Synergieeffekten ist die Soziotherapie bereits jetzt in
bestehende Strukturen integriert. Für die Realisierung eines bedarfsgerechten Angebotes sind jedoch
die finanziellen und administrativen Rahmenbedingungen (Vergütungssatz Krankenkassen, Zulassungsverfahren, Genehmigungsverfahren) und die Zugangsvoraussetzungen immer noch ungenügend
und somit entsprechend anzupassen und neu zu gestalten.
11
Als problematisch gestaltet sich die Betreuung und Begleitung von Menschen mit einer psychischen
Erkrankung, bei denen Hilfebedarf besteht, die aber aufgrund fehlender Krankheits- und Behandlungseinsicht nicht zur Mitwirkung fähig sind. Hier sind die Festlegungen der UNBehindertenrechtskonvention, die Daseinsvorsorge der Kommune und der Schutz von bedeutenden
Rechtsgütern Dritter abzuwägen.
Für die Begleitung der Betroffenen und den Aufbau einer tragfähigen Arbeitsbeziehung sind ein hoher Personalaufwand und stabile Bezugspersonen unabdingbar. Im Interesse der Betroffenen sind die
Suizidgefährdung und Gefahr der Chronifizierung bei psychischer Erkrankung, vor allem bei fehlender
Behandlung, zu berücksichtigen. Vor allem im Hinblick auf die kürzlich erfolgten Entscheidungen von
Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof sind hier klare gesetzliche Regelungen notwendig.
2.2 Klinische Versorgung
2.2.1
Stationäre Versorgung
Die stationäre Versorgung stellt einen wichtigen Baustein der psychiatrischen Versorgung in Dresden
dar. Gemäß § 2 SächsPsychKG und der Verordnung des „Sächsischen Staatsministeriums für Soziales, Gesundheit und Familie zur Festlegung von Einzugsgebieten für die psychiatrische Krankenhausversorgung“ (PsychKHEinzugsgebietsVO, rechtsbereinigt 2005) sind psychiatrische Krankenhäuser und
Abteilungen zur Vollversorgung eines festgelegten Einzugsgebietes verpflichtet.
Bis zur Änderung der Einzugsgebietsverordnung 2002 war auch das Sächsische Krankenhaus
Arnsdorf für die Versorgung von Dresdner Bürgerinnen und Bürgern zuständig und das Krankenhaus
Friedrichstadt nur für Patienten/-innen aus dem Umland. Mittlerweile wird die Versorgungsverpflichtung
für Dresden vollständig durch das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, das Städtische Krankenhaus
Dresden-Neustadt, das St.-Marien-Krankenhaus Dresden und das Städtische Krankenhaus DresdenFriedrichstadt übernommen. Das Krankenhaus Arnsdorf, das Kreiskrankenhaus Pirna und das Städtische Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt haben die Versorgungsverpflichtung des Landkreises Sächsische Schweiz – Osterzgebirge untereinander aufgeteilt.
Durch die Änderung der Einzugsgebiete konnte die wohnortnahe stationäre Versorgung in Dresden
verbessert werden. Aktuell stehen 348 Plätze zur Verfügung. Das Universitätsklinikum nimmt neben der
Vollversorgung zusätzliche überregionale Aufgaben wahr.
Ab 2012 sollen die Betten in den sächsischen psychiatrischen Kliniken und Tageskliniken erhöht
werden. Damit trägt der Krankenhausplanungssauschuss der stark gestiegenen Auslastung der Kliniken
Rechnung.
Abb. 2: Stationäre Fallzahlen in Dresden
von 2008 bis 2010
Stationäre Fallzahlentwicklung
1500
1450
1431
1400
1350
1349
1300
1250
1200
1150
1235
1178
1144
1100
1011
1000
KH Friedrichstadt
12
1075
1059
1050
KH Neustadt
KH St.-Marien
Uniklinik
2008
2010
Die Ermittlung des Personalbedarfs erfolgt über die Psychiatrie-Personalverordnung von 1990 (Verordnung über Maßstäbe und Grundsätze für den Personalbedarf in der stationären Psychiatrie – PsychPV). Dafür werden die Patientinnen und Patienten in verschiedene Behandlungsbereiche eingeordnet:
Allgemeine Psychiatrie, Abhängigkeitskranke, Gerontopsychiatrie.
Im Raum Dresden wird die stationäre Versorgung durch folgende Einrichtungen übernommen:
Bettenzahl
Einzugsgebiet nach Stadtteilen bzw. Ortsämtern (OA)
Einwohnerzahl
(EW)
Innere Altstadt
Pirnaische Vorstadt
Seevorstadt
Johannstadt-Nord
Johannstadt-Süd
Blasewitz
Striesen-Ost
Striesen-Süd
Striesen-West
Tolkewitz/Seidnitz-Nord
Gruna
= 107.522 EW
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
Fetscherstraße 74
01307 Dresden
Tel.: (03 51) 4 58 27 60
www.psychiatrie.uniklinikum-dresden.de
76 Betten auf 4 Stationen
(davon 15 auf beschützter
Aufnahmestation),
Städtisches Klinikum Dresden-Neustadt
Heinrich-Cotta-Straße 12
01324 Dresden
Tel.: (03 51) 8 56 69 02
www.khdn.de
Städtisches Klinikum Dresden-Friedrichstadt
Friedrichstraße 41
01067 Dresden
Haus B, Erdgeschoss
Tel.: (03 51) 4 80 13 51
www.khdf.de
78 Betten auf 5 Stationen
OA Loschwitz
Seidnitz/Dobritz
OA Leuben
OA Prohlis
= 126.028 EW
80 Betten auf 4 Stationen
Wilsdruffer Vs./Seevorstadt
West
Friedrichstadt
OA Cotta
Gompitz/Altfranken LK
Weißeritzkreis zusammen mit
Arnsdorf und Pirna
= 93.811 EW
St.-Marien-Krankenhaus
Selliner Straße 29
01109 Dresden
Tel.: (03 51) 8 83 22 31
www.stmarienkh-dd.de
100 Betten auf 6 Stationen
OA Neustadt
OA Pieschen
OA Klotzsche
OA Plauen
= 178.204 EW
zusätzlich 14 interdisziplinäre
akutgeriatrische Betten
Tab. 3: Bettenzahl und Einzugsgebiete der psychiatrischen Kliniken in Dresden. Stand: 30.06.2011, Kommunale Statistikstelle Dresden
Die Unterbringung auf Grundlage des § 63 des Strafgesetzbuches (StGB) im Maßregelvollzug für
Straftäter mit einer psychischen Erkrankung erfolgt in der Klinik für forensische Psychiatrie des Sächsischen Krankenhauses Arnsdorf.
2.2.2
Tagesklinik
Als Bindeglied zwischen dem ambulanten und dem stationären Versorgungsbereich fungiert die Tagesklinik. Sie versorgt akutpsychiatrisch erkrankte Patientinnen und Patienten, die keiner vollstationären
Behandlung bedürfen, für die eine ambulante Behandlung aber nicht ausreichend ist. Im Anschluss an
den stationären Aufenthalt kann die Tagesklinik zudem zur Belastungserprobung und Wiedereingliederung in das gesellschaftliche Leben dienen. Aus dem ambulanten Bereich heraus kann die Tagesklinik
zusätzlich für eine intensivere Behandlung und in einer Krise in Anspruch genommen werden. Die
Behandlung dauert in der Regel zwischen 2 und 12 Wochen.
13
Die Tageskliniken in Dresden unterscheiden sich hinsichtlich ihres therapeutischen Angebots:
Platzzahl
Therapeutisches Angebot
Tagesklinik der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
Fetscherstraße 74
01307 Dresden
Tel.: (03 51) 4 58 27 60
Städtisches Klinikum Dresden-Neustadt
Heinrich-Cotta-Straße 12
01324 Dresden
Tel.: (03 51) 8 56 69 02
30
 Schwerpunkte: Schizophrenien, Affektive Störungen und
differentialdiagnostische Abklärung bei beginnenden
Psychoseerkrankungen
20
Behandlungsangebote:
 Gruppenpsychotherapie, Psychotherapeutische Einzelgespräche
 Milieutherapie
 Sozialarbeit
 Kommunikative Bewegungstherapie
 Ergotherapie
 Musiktherapie
 Imaginationsgruppe
 Entspannungsverfahren
 Ernährungsberatung
 Psychoedukative Gruppen zu spezifischen Indikationen
 Biofeedback
 Lichttherapie
Städtisches Klinikum Dresden-Friedrichstadt
Friedrichstrasse 41
01067 Dresden
Haus B, Erdgeschoss
Tel.: (03 51) 4 80 13 51
20
St.-Marien-Krankenhaus
Selliner Straße 29
01109 Dresden
Tel.: (03 51) 8 83 22 31
25
Indikationsbereiche:
 Menschen mit biologisch verursachten Störungen: Schizophrenie, manisch-depressive Erkrankungen, schizoaffektive
Störungen
 Menschen mit psychischen Erkrankungen, die multifaktoriell
bedingt sind (Lebensgeschichte, Belastungen, Konflikte,
Stress, biologische Verletzlichkeit) mit verschiedenen
Symptomen und psychischen Störungen: Ängste, Zwänge,
Depression, Abhängigkeiten, Persönlichkeitsstörungen,
körperliche Symptome ohne erkennbare Ursache
Tab. 4: Platzzahl der psychiatrischen Tageskliniken in Dresden
2.2.3
Psychiatrische Institutsambulanz (PIA)
In der Psychiatrischen Institutsambulanz werden Patienten und Patientinnen behandelt, die aufgrund
der Art, Schwere und Dauer ihrer psychischen Erkrankung ein besonders intensives und komplexes
Angebot therapeutischer Hilfen benötigen. Dieses Therapieangebot wird durch ein multiprofessionelles
Team erbracht, zu dem Fachärzte/-innen, psychologische Psychotherapeuten/-innen, Sozialarbeiter/innen, Pflegepersonal und Ergotherapeuten/-innen gehören.
Die Hauptaufgabe der Institutsambulanz besteht darin, stationäre Behandlungen möglichst zu vermeiden bzw. zu verkürzen und die Lücke zwischen stationären Therapieangeboten und ambulanter
Behandlung zu schließen. Die Behandlungsplanung wird gemeinsam mit den Patienten/-innen abgestimmt, wobei u. a. folgende Behandlungsziele verfolgt werden:




14
Symptomfreiheit bzw. -linderung
Förderung der Behandlungseinsicht bzw. der Krankheitsakzeptanz und -bewältigung
Alltagsbewältigung und Tagesstrukturierung
soziale und berufliche Wiedereingliederung





Förderung sozialer Kontakte und Kommunikationsfähigkeit
Bewältigung von Krisen und Belastungen
Umgang mit schwierigen Lebenssituationen
Rückfallverhinderung
Unterstützung von Angehörigen
Folgende Psychiatrische Institutsambulanzen sind in Dresden tätig:
Psychiatrische Institutsambulanz
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
Fetscherstraße 74
01307 Dresden
Tel.: (03 51) 4 58 27 97
Spezialambulanzen:
 Ambulanz für bipolare Störungen
 Universitäts-Gedächtnisambulanz
 Ambulanz für Tourette-Syndrom im Erwachsenenalter
 Ambulanz für psychotische Erkrankungen
 Ambulanz für Pharmakotherapie in der Schwangerschaft
 Ambulanz für depressive Erkrankungen
 Ambulanz für Abhängigkeitserkrankungen
Psychiatrische Institutsambulanz
Städtisches Klinikum Dresden-Neustadt
Heinrich-Cotta-Straße 12
01324 Dresden
Tel.: (03 51) 8 56 69 91
Es besteht eine Spezialsprechstunde für Patienten mit
Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung
(ADHS), für die eine Überweisung vom niedergelassenen Facharzt erforderlich ist.
Psychiatrische Institutsambulanz
Städtisches Klinikum Dresden-Friedrichstadt
Friedrichstrasse 41
01067 Dresden
Haus B, Erdgeschoss
Tel.: (03 51) 4 80 12 05
Neben der Einzeltherapie besteht die Möglichkeit zur
Teilnahme an im Haus angebotenen Gruppentherapien aus den Bereichen Ergotherapie, Musiktherapie,
Psychoedukation, Physiotherapie (Konditionstraining)
und an psychotherapeutischen Gruppen.
Psychiatrische Institutsambulanz
St.-Marien-Krankenhaus
Selliner Straße 29
01109 Dresden
Tel.: (03 51) 8 83 22 31
Neben der persönlichen Einzelbehandlung in der PIA
gibt es im Haus verschiedene gruppentherapeutische
Möglichkeiten.
Tab. 5: Ausrichtung der Psychiatrischen Institutsambulanzen in Dresden
Art, Schwere und Dauer der Krankheit müssen den Kriterien nach § 118 SGB V entsprechen. Dazu
gehören u. a. Psychosen, Depressionen, Manien, Bipolare Störungen, Demenzen und Persönlichkeitsstörungen. Ein Überweisungsschein, z. B. über die Hausarztpraxis, wird zu Beginn der Behandlung
benötigt. Die Zuweisungen werden individuell geprüft. Die Kosten werden von den Krankenkassen
getragen.
2.2.3.1 Früherkennungszentrum
Seit 2009 existiert am Universitätsklinikum das Früherkennungszentrum für psychische Störungen
„Dresden früh dran!“. Es richtet sich an Menschen im Alter zwischen 12 und 40 Jahren, die erste psychische Symptome (z. B. Veränderungen im Gefühlsleben, der Wahrnehmung, des Denkens und des
Verhaltens) wahrnehmen und sich (noch) nicht in fachärztlicher Behandlung befinden. Ziel des Früherkennungszentrums ist es, Personen, die ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer psychischen
Erkrankung haben, vorzeitig zu erkennen und zu behandeln. Das Angebot umfasst unverbindliche,
kostenlose und anonyme Erstgespräche, Diagnostik und Beratung sowie eine Begleitung im weiteren
Verlauf einer möglichen Behandlung.
15
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
Präventionsambulanz für psychische Störungen
- Früherkennungszentrum Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Haus 25, Seiteneingang Süd
Fetscherstraße 74
01307 Dresden
Tel.: (03 51) 4 58 28 76 (Anrufbeantworter)
www.ddfruehdran.de
2.2.4
Patientenfürsprechende
Für Dresden sind drei Patientenfürsprechende in den vier psychiatrischen Kliniken und in den zwei
sozialtherapeutischen Wohnstätten tätig. Grundlage für ihre Berufung ist § 4 des SächsPsychKG.
Danach sind die Patientenfürsprechenden ehrenamtlich tätig und dürfen nicht in einer stationären
psychiatrischen Einrichtung angestellt sein. Sie werden für maximal fünf Jahre bestellt und können das
Amt nicht wiederholt ausüben. Die Höhe der Aufwandsentschädigung sowie die Rückerstattung von
Weiterbildungskosten sind in der „Satzung der Landeshauptstadt Dresden über die Tätigkeit und Entschädigung von Patientenfürsprechenden“ von 2001 geregelt.
Patientenfürsprechende sollten Psychiatrie-Erfahrene oder betroffene Bürger/-innen sein. Ihre Aufgabe ist die Vermittlung zwischen Patienten/-innen und Mitarbeitern/-innen der einzelnen Einrichtungen
– sofern Bedarf vorhanden ist. Den Fürsprechenden sollen alle Bereiche der Einrichtung offen stehen.
Stellen sie Mängel in der Betreuung fest, die nicht in einer angemessenen Zeit behoben werden, dann
informieren sie die Leitung der Einrichtung, den Träger sowie die Besuchskommission2.
Zur Unterstützung ihrer Arbeit erfolgen regelmäßige Besprechungen mit der Psychiatriekoordination
und dem SpDi. Es besteht die Möglichkeit zur Fallberatung durch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
des SpDi und mindestens einmal im Jahr nehmen die Fürsprechenden an einer Fortbildungsveranstaltung teil.
2.2.5
Bewertung des Versorgungsstandes und Handlungserfordernisse
Die Zunahme von Patienten und Patientinnen mit einer seelischen Krise im Sinne von Burn-out wird von
den psychosomatischen Kliniken als eines der zentralen aktuellen Probleme beschrieben. Hier fehlt es
im Rahmen der stationären Versorgung an ausreichend Frühdiagnostik, Prävention und rascher Intervention. Die Nachfragen der Krankenkassen sind immer dringender. Die Versorgungssituation wird in
leichteren Fällen durch niedergelassene Psychotherapeuten/-innen sehr gut aufgefangen. Bei komplexeren Störungen mit Langzeitkrankschreibungen fehlen jedoch gute multimodale ambulante Behandlungskonzepte und teilstationäre Angebote.
Versorgungslücken sind auch für den Bereich komplexer posttraumatischer Belastungsstörungen,
Persönlichkeitsstörungen und komplexer Angststörungen erkennbar.
Als problematisch gestaltet sich aus Sicht des Universitätsklinikums vor allem die Versorgung von
jüngeren Patientinnen und Patienten mit schweren emotional instabilen Persönlichkeitsstörungen
einhergehend mit schwerem selbstverletzendem Verhalten.
Die Gleichstellung von Menschen mit psychischer Erkrankung und Menschen mit somatischer Erkrankung muss als nicht voll umfänglich realisiert gelten. Mit Blick auf die Ausstattung der psychiatrischen Krankenhäuser und Abteilungen scheint es in Deutschland, und so auch in Dresden, noch immer
einen Rückstand gegenüber den somatischen Krankenhäusern und Abteilungen zu geben. Um diesen
Die Besuchskommission wird durch das SMS berufen und besucht mindestens alle drei Jahre unangemeldet Krankenhäuser und
andere stationäre psychiatrische Einrichtungen. Sie überprüft dabei, ob die Rechte der Patienten/-innen und Bewohner/-innen
gewahrt und die Mindeststandards in der Betreuung und Behandlung eingehalten werden.
2
16
zu beheben sind beispielsweise Baumaßnahmen für das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus unbedingt erforderlich und gegenwärtig in Planung.
Behandlungskontinuität im Sinne einer Wissensvermittlung und -nutzung („informational continuity“)
sowie einer kohärenten Fortführung der begonnenen Therapie („management continuity“) wird weitestgehend gewährleistet. Sowohl bei Verlegungen zwischen einzelnen Stationen als auch bei einer Verlegung in die Tagesklinik oder die PIA. Behandlungskontinuität im Sinne einer kontinuierlichen und gegebenenfalls setting-übergreifenden Behandlung durch die gleichen Therapeuten/-innen („relational
continuity“) ist trotz entsprechender Bemühungen sowohl im Rahmen der stationären Versorgung als
auch im Rahmen der ambulanten Versorgung vor allem im ärztlichen, aber auch im psychologischpsychotherapeutischen Bereich, nicht ausreichend zu gewährleisten. In den Psychiatrischen Institutsambulanzen ist eine Behandlungskontinuität aufgrund wechselnder Personalbesetzung nicht immer
gegeben.
Ein hoher Standard der Hilfen liegt in weiten Bereichen der stationären und teilstationären Versorgung vor. Am Universitätsklinikum kann ein hoher Standard der Hilfen bei angemessener Personalausstattung in besonderem Umfang gewährleistet werden. Er ist allerdings, wie auch in den anderen Kliniken, durch die Folgen restriktiver Sparmaßnahmen gefährdet. Zudem entsprechen die baulichen Gegebenheiten nicht in allen Bereichen den Anforderungen.
Die Prävalenz von Unterbringungen und unterbringungsähnlicher Maßnahmen ist von vielfältigen
Faktoren abhängig. Sie kann z. B. durch einen geeigneten deeskalierenden Umgang mit aggressivem
Patientenverhalten reduziert werden. Ein solcher erfordert neben einer entsprechenden Schulung von
Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen auch einen geeigneten institutionellen Rahmen. Vor diesem Hintergrund sind unter anderem am Universitätsklinikum vor allem die baulichen Gegebenheiten auf der
Akutstation als kritisch zu bewerten; hier sind Maßnahmen dringend notwendig. Zur besseren Beurteilung der Situation fehlen aussagekräftige Statistiken über die Einsätze der Polizei am Wochenende. Die
Zusammenarbeit aller Verfahrensbeteiligten wird positiv bewertet. Das Ordnungsamt wie auch der
Sozialpsychiatrische Dienst prüfen regelhaft, ob weniger belastende Verfahren möglich sind.
Das Prinzip der gemeindenahen Versorgung im stationären und teilstationären Bereich ist in Dresden insgesamt gut umgesetzt. Es besteht aber Bedarf an spezialisierten Angeboten für Patienten/-innen
mit Doppeldiagnosen sowie Patienten/-innen mit schwerer emotional instabiler Persönlichkeitsstörung.
Spezialisierte Angebote sollten in der stationären und ambulanten psychotherapeutischen Versorgung
sektorenübergreifend ermöglicht und gefördert werden.
Aus Kliniksicht führt die nicht bedarfsgerechte Versorgung mit niedergelassenen Psychiatern/-innen
und Psychotherapeuten/-innen zu einem hohen Aufnahmedruck. Dies verhindert oft einen planvollen
Übergang von der stationären Versorgung zurück in den ambulanten Bereich. Durch die langen Wartezeiten bei den niedergelassenen Fachärzten/-innen kommt es in den Institutsambulanzen zu einer
jährlichen Fallzahlsteigerung. Diese wird begrenzt durch eingeschränkte personelle Möglichkeiten.
Diese Feststellung von Seiten der Kliniken steht im Gegensatz zur Berechnungsgrundlage der Kassenärztlichen Vereinigung, die von einer Überversorgung mit niedergelassenen Fachärzten/-innen für
Psychiatrie sowie niedergelassenen Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen in Dresden ausgeht. (siehe Kapitel 2.1.2. und 2.1.3.)
Der niedrigschwellige Zugang zur stationären und teilstationären Klinikversorgung wird positiv bewertet. Angesichts der bestehenden Versorgungslücken im ambulanten Bereich besteht bundesweit die
Forderung, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Versorgung in den PIAs zu erweitern.
In Dresden trägt ein umfassendes Beratungs- und Behandlungsangebot dem Unterstützungsbedarf
der Angehörigen Rechnung. Dazu zählen unter anderem die Angehörigengruppen an den psychiatrischen Kliniken. Das Inanspruchnahmeverhalten der Angehörigen, zum Beispiel von dementiell erkrankten Patientinnen und Patienten, entspricht jedoch nicht dem vorliegenden Bedarf.
17
Angehörige, Betroffene und ehemalige Patienten/-innen (i.S. eines Trialogs) sollen, soweit möglich
und soweit von ihnen gewünscht, stärker in die stationäre Behandlung eingebunden werden, zum
Beispiel über regelmäßige Möglichkeiten einer Angehörigenvisite oder über Psychoedukationskurse in
den Kliniken. In den Kliniken soll verstärkt auf Selbsthilfegruppen, Angehörigengruppen bzw. den „Verein für Angehörige und Freunde psychisch Kranker e. V.“ hingewiesen werden.
Die Sprechstunden der Patientenfürsprechenden werden nur spärlich genutzt. Themen waren vor
allem Unstimmigkeiten der Patienten und Patientinnen untereinander oder Unzufriedenheit mit den
Aufenthaltsbedingungen in der Klinik. Patienten/-innen, die regelmäßig stationär aufgenommen werden,
scheuen sich vor einer Klärung von Problemen aus Angst, länger in der Klinik verbleiben zu müssen.
Zudem gibt es in den Kliniken noch andere Ansprechpartner/-innen wie zum Beispiel die Seelsorger/innen. Sie sind öfter vor Ort und flexibler zu erreichen als die Patientenfürsprechenden. Zukünftig sollen
sowohl die Patienten/-innen als auch die Mitarbeiter/-innen der Kliniken mit einem Flyer besser über die
Tätigkeit der Patientenfürsprechenden aufgeklärt werden.
2.3 Gestaltung des Alltags und soziale Wiedereingliederung
2.3.1
Psychosoziale Kontakt- und Beratungsstellen (PSKB)
Psychosoziale Kontakt- und Beratungsstellen halten ein niedrigschwelliges Angebot zur Beratung,
Begleitung und Begegnung für erwachsene Menschen mit einer psychischen Erkrankung und Menschen, die von einer psychischen Erkrankung bedroht sind, deren Angehörige und andere Bezugspersonen sowie für Menschen in seelisch belastenden Lebenssituationen bereit. Das Angebot zur Beratung und Begegnung ist freiwillig, anonym und in der Regel wohnortnah etabliert. Es basiert auf einer
Komm-Struktur.
In der Begegnung mit anderen Betroffenen, mit Angehörigen, Professionellen und der interessierten
Öffentlichkeit können soziale Kompetenzen neu geübt oder wieder erlangt werden, um einem häufigen,
oft krankheitsbedingten Rückzug und der damit verbundenen sozialen Isolation entgegenzuwirken. Mit
vielfältigen tagesstrukturierenden Einzel- und Gruppenangeboten soll die weitgehend eigenständige
und selbstbestimmte Lebensführung unterstützt und gefördert beziehungsweise wieder neu erlernt
werden.
Innerhalb der gemeindepsychiatrischen Versorgung kommt der Psychosozialen Kontakt- und Beratungsstelle u. a. die Aufgabe zu, die individuellen Hilfebedarfe der Klientinnen und Klienten zu klären,
geeignete Unterstützungsmöglichkeiten aufzuzeigen und diese Hilfen zugänglich zu machen. Der
präventive Aspekt der PSKB dient dazu, Menschen, die sich in einer seelischen Krise befinden, vor dem
Abgleiten in die psychische Erkrankung bzw. vor einer Chronifizierung derselben zu bewahren.
Die Arbeit der PSKB orientiert sich am Bedarf der Hilfesuchenden unter Berücksichtigung der regionalen Bedingungen. Prinzipielle Zielstellungen der PSKB sind:
 niedrigschwellige Prävention
 Isolation und Verlust sozialer Kompetenzen der Betroffenen entgegenwirken
 drohende Chronifizierung von seelischer Behinderung und psychischer Erkrankung verhüten und
vorbeugen
 vorhandene seelische Behinderung oder ihre Folgen beseitigen oder mildern
 Stärkung von Eigenverantwortung und Selbstbestimmung betroffener Menschen
 Vermittlung und Erhaltung der Kompetenz und Möglichkeit zur selbstständigen Lebensführung
 Förderung der Teilhabe betroffener Menschen am Leben in der Gemeinschaft – Förderung der
Inklusion
 Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit
18
Aus dieser Zielstellung ergeben sich drei grundlegende Schwerpunkte der Angebotsstruktur der
Psychosozialen Kontakt- und Beratungsstelle:
Abb. 3: Aufgabenschwerpunkte der PSKB
Im § 6 SächsPsychKG ist bestimmt, dass Landkreise und kreisfreie Städte zur Durchführung von
Hilfen zur Bewältigung psychischer Krankheiten komplementäre psychiatrische Einrichtungen zu installieren haben. Die Aufgaben dieser Einrichtungen können Trägern der freien Wohlfahrtspflege oder
gemeinnützigen Institutionen übertragen werden.
Auf dieser Grundlage wurden in der Landeshauptstadt Dresden fünf Psychosoziale Kontakt- und Beratungsstellen installiert, die sich auf fünf Träger der freien Wohlfahrtspflege und drei Versorgungsgebiete verteilen.
Für jedes Gebiet existiert seit dem Jahr 2000 mit jeweils einem Träger eine Versorgungsvereinbarung, durch die die Bereitstellung und Durchführung der Hilfen sichergestellt wird. Der Träger im Versorgungsgebiet Süd erbringt seine Hilfen in Kooperation mit zwei weiteren freien Trägern.
Gebiet
Nord
Mitte
Süd
Abb. 4: Versorgungsgebiete für die
psychosoziale Versorgung in Dresden
Träger
Diakonisches Werk - Stadtmission Dresden e. V.
(Diakonie)
Ortsämter
Neustadt, Pieschen,
Klotzsche/nördliche Orte,
Loschwitz/OS SchönfeldWeißig
Einwohnerzahl
= 158.416 EW
Psychosozialer Trägerverein Sachsen e. V. (PTV)
Gemeindenahe sozialpsychiatrische Versorgung
Dresden gemeinnützige GmbH (GESOP)
Kooperationsverträge mit der AWO SONNENSTEIN gGmbH und dem Dresdner Pflege- und
Betreuungsverein e. V. (DPBV)
Altstadt, Blasewitz, Leuben
Prohlis, Plauen,
Cotta/westliche Ortschaften
= 173.167 EW
= 187.037 EW
Tab. 6: Versorgungsgebiete für die psychosoziale Versorgung in Dresden. Stand: 30.06.2011, Kommunale Statistikstelle Dresden.
19
Verteilung der Dresdner Bevölkerung auf die
Versorgungsgebiete
Nord
31%
Süd
36%
Die Anteile der Einwohner und Einwohnerinnen von Dresden verteilen sich gleichmäßig über die drei
Versorgungsgebiete. Die Einteilung in verschiedene Versorgungsgebiete gewährleistet eine Träger- und
Angebotsvielfalt und dient der Sicherstellung einer gemeindenahen Versorgung und Betreuung.
Die Versorgungsgebiete unterscheiden sich in der Größe ihrer Fläche und damit in der Bevölkerungsdichte als auch in der soziodemografischen Struktur der Bevölkerungsgruppen. Zum Beispiel hat
das Versorgungsgebiet Nord die größte Fläche, aber den geringsten Einwohner-Anteil. Im Folgenden
werden die Versorgungsgebiete in Bezug auf
Mitte
33%
Abb. 5: Verteilung der Dresdner Bevölkerung auf
die Versorgungsgebiete. Stand: 31.12.2010




ihre Altersstruktur
die Verteilung der Einkommensquellen
die Arbeitslosenquote sowie
die Prognose für einen Bevölkerungszuwachs
kurz beschrieben. Grundlage für die Daten ist der „4. Sozialatlas von Dresden“ mit dem Datenstand
vom 31.12.2010. Die Zahlen sind im Verhältnis zur entsprechenden Einwohnergruppe von Dresden
gerechnet.
Das Versorgungsgebiet Nord zeichnet sich durch einen hohen Anteil von Einwohnern/-innen unter
25 Jahren und einen geringen Anteil der über 65-Jährigen aus. Während in der Äußeren Neustadt ein
großer Zuwachs der Studentenschaft zu verzeichnen ist, besitzt die Albertstadt eine hohe Zuwachsrate
(46%) in der Gruppe der unter 7-Jährigen.
Ebenfalls hohe Zuwachsraten in dieser Altersgruppe finden sich im Versorgungsgebiet Mitte in der
Inneren Altstadt mit 94,4% und in der Pirnaischen Vorstadt mit 45,2%. In Striesen-Ost ist die Gruppe
der 0-17-Jährigen am größten und in Friedrichstadt ist jede/-r dritte Einwohner/-in unter 25 Jahren. Wie
Abbildung 6 verdeutlicht, gibt es im Gebiet „Mitte“ neben einem hohen Anteil junger Einwohner/-innen
den höchsten Anteil der über 65-Jährigen. In Johannstadt-Süd ist jede/-r zweite Einwohner/-in im Rentenalter.
Das Versorgungsgebiet Süd verzeichnet den größten Anteil der unter 25-Jährigen. 40,4% dieser Altersgruppe leben in der Südvorstadt-Ost. In Löbtau zählt jede/-r Dritte zu dieser Gruppe.
Abb. 6: Altersstruktur der Versorgungsgebiete.
Stand: 31.12.2010, 4. Sozialatlas.
45%
40%
35%
30%
25%
20%
15%
10%
5%
0%
Nord
Mitte
Süd
u7
u18
u25
ü65
Das Versorgungsgebiet Süd hat den größten Anteil der sozialversicherungspflichtig beschäftigten
Bevölkerung von Dresden und den größten Anteil der Leistungsempfänger/-innen nach SGB XII. In den
Stadtteilen Prohlis und Gorbitz bezieht jede/-r dritte Einwohner/-in Transferleistungen nach SGB II. In
Gorbitz-Ost bezieht jedes zweite Kind Sozialgeld.
Das Versorgungsgebiet Nord ist geprägt von einem hohen Anteil sozialversicherungspflichtig Beschäftigter sowie einer insgesamt niedrigen Arbeitslosenquote und Langzeitarbeitslosenzahl.
Der Anteil aller Dresdner Empfänger/-innen von Grundsicherung nach SGB XII ist im Versorgungsgebiet Mitte im Vergleich mit allen anderen Einkommensquellen sehr hoch. In Friedrichstadt bezieht
jede/-r Vierte Sozialleistungen.
Sowohl die Arbeitslosenzahl als auch die Anzahl der Langzeitarbeitslosen ist im Süd-Gebiet am
höchsten. Die Arbeitslosenquote liegt in Prohlis-Süd und Gorbitz-Süd mit 19% weit über dem gesamtstädtischen Durchschnitt von 8%. Jede/-r Fünfte ist in diesen Stadtteilen von Arbeitslosigkeit betroffen.
In den Stadtteilen Cotta und Prohlis liegt zudem die Jugendarbeitslosigkeit bei 12%.
20
Abb. 7: Dargestellt wird der Anteil der gesamtstädtischen
Einkommensquellen am Versorgungsgebiet.
Stand: 31.12.2010, 4. Sozialatlas.
45%
40%
Sozialversicherungspflichtig
beschäftigt
35%
30%
SGB II-Quote
25%
Sozialgeldempfänger
20%
15%
SGB XII Hilfe zum
Lebensunterhalt
10%
SGB XII Grundsicherung
5%
0%
Nord
Mitte
Süd
Der Stadtteil Johannstadt-Nord im Versorgungsgebiet Mitte weist im innerstädtischen Vergleich mit
43,4% die höchste Arbeitslosenquote auf.
Abb. 8: Anteil der Arbeitslosen und Langezeitarbeitslosen
in den Versorgungsgebieten.
Stand: 31.12.2010, 4. Sozialatlas.
40% 40%
30% 31%
29% 29%
Arbeitslosenzahl
Langzeitarbeitslos
Nord
Mitte
Süd
Unterschiede zwischen den Versorgungsgebieten gibt es auch mit Blick auf den Bevölkerungszuwachs innerhalb der letzten fünf Jahre sowie bei der Prognose für einen Zuwachs bis zum Jahr 2020.
Im Versorgungsgebiet Nord liegen beispielsweise mit der Äußeren Neustadt und Klotzsche zwei der
drei bevölkerungsreichsten Dresdner Stadtteile. Die Albertstadt besitzt mit 26% die höchste
Prognosequote für einen Einwohnerzuwachs bis zum Jahr 2020.
Einen überproportionalen Zuwachs seit dem Jahr 2007 um mehr als das Dreifache des gesamtstädtischen Wachstums verzeichnen die Innere Altstadt (15,7%) und Friedrichstadt (10,6%) im Versorgungsgebiet Mitte. Im gleichen Gebiet erleben, bedingt durch Rückbau, die Plattenbaugebiete
Tolkewitz/Seidnitz-Nord und Johannstadt-Süd einen starken Bevölkerungsrückgang.
Ähnliches lässt sich im Versorgungsgebiet Süd für Niedersedlitz, Gorbitz-Süd und Nord sowie
Kleinpestitz/Mockritz beobachten. In dem Gebiet liegen außerdem die Stadtteile mit der schlechtesten
Prognose für einen Bevölkerungszuwachs bis 2020: Südvorstadt-Ost (-9,5%), Gorbitz-Ost (-9,4%)
sowie Gorbitz-Nord/Neu-Omsewitz (-7,2%).
Ein Vergleich der drei Versorgungsgebiete verdeutlicht die soziodemografischen Unterschiede zwischen den jeweiligen Bevölkerungsgruppen. Aus diesen Unterschieden ergeben sich spezifische Problemlagen, die in der Planung einer psychiatrischen sowie psychosozialen Versorgungsstruktur berücksichtigt werden müssen. Im Versorgungsgebiet Süd bündeln sich im Vergleich zu den anderen Gebieten mehrere soziale Brennpunkte. Das spiegelt sich unter anderem in einem erhöhten Hilfebedarf der
Klientinnen und Klienten in den drei Kontakt- und Beratungsstellen vor Ort wider. Diese sozialräumlichen Differenzierungen sind bei der Planung von Fachkraftstellen zusätzlich zur Einwohnerzahl zu
berücksichtigen. Eine Analyse, welche soziodemografischen und anderen Faktoren für die Angebotsplanung eine Rolle spielen, findet seit Ende 2011 in enger Zusammenarbeit zwischen Psychiatriekoordination und den freien Trägern statt.
21
Grundlage für die Analyse sind unter anderem die Sachberichte der PSKB an die Stadt Dresden.
Darin dokumentieren die Einrichtungen jährlich ihre erbrachten Leistungen.
Gefördert werden die PSKB durch das Land über die „Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales zur Förderung sozialpsychiatrischer Hilfen, der Suchtprävention und Suchtkrankenhilfe“ (Richtlinie Psychiatrie und Suchthilfe – RL-PsySu) sowie durch die Stadt Dresden über die „Richtlinie
der Landeshauptstadt Dresden zur Förderung freier Träger und Selbsthilfegruppen in der Gesundheitshilfe und Gesundheitsförderung“ (Förderrichtlinie Gesundheitshilfe) des Gesundheitsamtes.
Der Freistaat Sachsen empfiehlt pro 25.000 Einwohner/-innen eine Vollzeitkraft (VzK) pro psychosozialer Kontakt- und Beratungsstelle.3 Bei einer Einwohnerzahl von 518.620 (Stand: Juni 2011) ergibt
sich für Dresden ein Bedarf von 20,74 VzK. Die Beratungsstellen für ältere Menschen mit einer gerontopsychiatrischen Erkrankung (BBT-Stelle, siehe Kapitel 4.3.3) werden ebenfalls über die oben genannten Richtlinien finanziert. Beide Beratungsstellen haben je 1,5 VzK. Diese Fachkräfte mit einbezogen
ergibt mit Stand vom 01.01.2012 für Dresden eine Ausstattung mit 16,58 Vollzeitkräften für die psychiatrische und psychosoziale Versorgung.
Alle Fachkräfte zusammen ergeben für Dresden eine Ausstattung mit 16,58 Vollzeitkräften für die
psychiatrische und psychosoziale Versorgung. Um die Empfehlung des Landes zu erfüllen, fehlen
aktuell noch vier Fachkraftstellen4. Das Versorgungsgebiet Süd übersteigt mit insgesamt 10 VzK rechnerisch die empfohlene Landesvorgabe um 2,52 Vollzeitkräfte. Unter Berücksichtigung der beschriebenen Bevölkerungsstruktur der Versorgungsgebiete wird mit diesem relativ höheren Anteil an Fachkraftstellen den komplexeren Bedarfslagen Rechnung getragen.
Der Personalschlüssel für die psychosozialen Kontakt- und Beratungsstellen berücksichtigt die Gesamteinwohnerzahl der Landkreise und kreisfreien Städte. Dementsprechend verändert er sich proportional mit dem Bevölkerungszuwachs oder -rückgang. Während die Entwicklung für Sachsen insgesamt
durch ein Schrumpfen und Altern der Bevölkerung charakterisiert ist, wird für Dresden ein Bevölkerungszuwachs von 2,4 Prozentpunkten auf 529.632 Einwohner und Einwohnerinnen für das Jahr 2020
prognostiziert. Daraus würde sich ein perspektivischer Bedarf von 21,18 VzK für die Dresdner PSKB
ableiten.
Gebiet
Einwohnerzahl
Nord
158.416 EW
Mitte
173.167 EW
Träger
Diakonisches Werk - Stadtmission
Dresden e. V. (Diakonie)
Psychosozialer Trägerverein
Sachsen e. V. (PTV)
Gemeindenahe sozialpsychiatrische Versorgung Dresden gemeinnützige GmbH (GESOP)
187.037 EW
Süd
zusätzliche Fachkräfte in
zwei BBT-Stellen für
ältere Menschen mit
einer psychischen Erkrankung
Kooperationsverträge mit der
AWO SONNENSTEIN gGmbH
und
dem Dresdner Pflege- und Betreuungsverein e. V. (DPBV)
AWO Sachsen Soziale Dienste
gGmbH
Dresdner Pflege- und Betreuungsverein e. V. (DPBV)
Vollzeitkräfte
Förderfähige VzK
bei 1:25.000 EW
3,50 VzK
6,33 VzK
3,08 VzK
6,93 VzK
3,00 VzK
2,00 VzK
2,00 VzK
7,48 VzK
1,5 VzK
1,5 VzK
16,58 VzK
20,74 VzK
Tab. 7: Verteilung der Vollzeitkräfte auf PSKB und BBT. Stand: 30.06.2011
Vgl. Bewertungssystem zur Erfassung der Versorgungsdichte und Versorgungsqualität des gemeindepsychiatrischen Verbundes Teil Psychiatrie, in: Arbeitshilfe - Psychiatrie Suchthilfe, 1999.
4 Als Fachkraft gelten Mitarbeiter/-innen mit einem Abschluss in Heilpädagogik, Sozialpädagogik/Soziale Arbeit und als Fachkrankenpfleger/-in für Psychiatrie.
3
22
Anschriften der Psychosozialen Kontakt- und Beratungsstellen:
Nord
Diakonisches Werk –
Stadtmission Dresden e. V.
Alaunstraße 84 HH
01099 Dresden
Tel.: (03 51) 8 04 66 06
[email protected]
www.diakonie-dresden.de
Mitte
Psychosozialer Trägerverein
Sachsen e. V.
Naumannstraße 3a
01309 Dresden
Tel.: (03 51) 65 69 00 86
[email protected]
www.ptv-sachsen.de
Süd
GESOP gemeinnützige GmbH
Michelangelostraße 11
01217 Dresden
Tel.: (03 51) 43 70 82 20
[email protected]
www.gesop-dd.de
Dresdner Pflege- und Betreuungsverein e. V.
Amalie - Dietrich - Platz 3
01169 Dresden
Tel.: (03 51) 4 16 60 40
[email protected]
www.ambulantes-pflegezentrum.de
AWO Sonnenstein gGmbH
Herzberger Straße 24-26
01239 Dresden
Tel.: (03 51) 2 88 19 82
[email protected]
www.awo-sonnenstein.de
Neben den psychosozialen Kontakt- und Beratungsstellen steht Menschen mit einer psychischen
Erkrankung und deren Umfeld der Sozialpsychiatrische Dienst als beratende Anlaufstelle zur Verfügung. Der kommunale Sozialpsychiatrische Dienst (SpDi) ist eine Abteilung des Gesundheitsamtes und
ein niedrigschwelliger, d. h. ein allen offenstehender und leicht zugänglicher, ambulanter Dienst. (Zur
ausführlichen Erläuterung des Angebots, siehe Kapitel 2.1.5.)
2.3.2
Psychosozialer Trägerverein Sachsen e. V.
Wormser Straße 18
01309 Dresden
Tel.: (03 51) 4 59 84 99
[email protected]
www.ptv-sachsen.de
Sozialtherapeutische Tagesstätte
Die Sozialtherapeutische Tagesstätte ist ein teilstationäres komplementäres Angebot der Eingliederungshilfe. Wichtige Parameter zur Ausgestaltung dieses Hilfsangebotes sind in dem entsprechenden
Leistungstyp gemäß Anlage 1 zum sächsischen Rahmenvertrag von 2006 geregelt. Dieser Vertrag
wurde gemäß § 79 Abs. 1 SGB XII zwischen dem Kommunalen Sozialverband Sachsen und den Trägern der freien Wohlfahrtspflege unter Beteiligung des SMS geschlossen. Die Leistungstypen sind
durch den spezifischen Hilfebedarf einer bestimmten Zielgruppe definiert. Zuständig für die Ermittlung
des Hilfebedarfs ist der Sozialhilfeträger. Die Begutachtung erfolgt über das Gesundheitsamt.
Die Sozialtherapeutische Tagesstätte hält ein verbindliches tagesstrukturierendes Beschäftigungsprogramm an allen fünf Tagen der Woche für mindestens sechs Stunden täglich für einen festen Personenkreis vor. Damit übernimmt sie eine wichtige Brückenfunktion zwischen der stationären medizinischen Behandlung und der Vermittlung in berufliche Regelangebote bzw. in Integrationsfirmen und
unterstützt die soziale und berufliche Rehabilitation.
Das Angebot richtet sich besonders an Menschen, die schwer chronisch psychisch krank sind und
auch das Regelangebot einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) nicht, noch nicht, nicht mehr
oder noch nicht wieder in Anspruch nehmen können. Mit Hilfe der Tagesstätte können die Menschen
Fähigkeiten, die verloren oder verloren geglaubt waren, wieder erlangen. Sie können sich auf medizinische Therapien vorbereiten, eine selbstständige Lebensführung wieder erlernen und so am Leben in
der Gemeinschaft teilhaben.
Die Besucherinnen und Besucher der Tagesstätte werden in der Regel über Psychiatrische Kliniken,
Amtsbetreuer/-innen und andere ambulante sowie komplementäre Einrichtungen vermittelt. Erforderlich
für die Aufnahme sind ein Sozialhilfeantrag und ein medizinisches Gutachten des Gesundheitsamtes.
23
Leistungsträger können der Kommunale Sozialverband Sachsen, das Arbeitsamt oder das Sozialamt
von Dresden sein.
Die Sozialtherapeutische Tagesstätte des PTV hat eine mit dem Kommunalen Sozialverband vereinbarte Kapazität von 18 Plätzen. Der Personalschlüssel beträgt 1,0 Vollzeitkraft für 9 Besucher/innen.
2.3.3
Bewertung des Versorgungsstandes
Die Gleichstellung von Menschen mit einer psychischen Erkrankung mit Menschen mit einer somatischen Erkrankung ist in den gesetzlichen Regelungen weitestgehend erreicht. Im alltäglichen Leben
sind Menschen mit einer psychischen Erkrankung dennoch häufig benachteiligt. Grund dafür sind
Berührungsängste der Umwelt, die auf Unwissenheit und fehlenden Umgang mit psychischer Erkrankung zurückzuführen sind. Es fehlt an umfassender Beratung und Aufklärung nicht-betroffener Bürger/innen, beispielsweise durch Anti-Stigmatisierungs-Programme, um eine gleichberechtigte Teilhabe am
gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen – wie in der UN-Behindertenrechtskonvention gesetzlich
festgeschrieben.
Menschen, die aufgrund ihrer psychischen Erkrankung nicht immer in der Lage sind, adäquat mitzuwirken, wird vorschnell (absichtliche) Verweigerung der Mithilfe unterstellt. Darauf erfolgt zu oft zeitnah die Leistungskürzung. Leistungsträger müssen erkennen, dass fehlende Mitwirkungsfähigkeit ein
Symptom der psychischen Erkrankung sein kann. Bei somatisch erkrankten Menschen ist die eingeschränkte Fähigkeit zur Mitwirkung greifbarer. Um zur Mitwirkung zu motivieren, bedarf es weiterhin der
Niedrigschwelligkeit professioneller Angebote sowie zugehender, motivierender Hilfen, die Hemmschwellen abbauen.
Um die Fähigkeit, den Alltag zu bewältigen, wiederherzustellen und Menschen mit einer psychischen Erkrankung schnell in ihr soziales Umfeld wieder einzugliedern, bedarf es auch in Kontakt- und
Beratungsstellen und der Tagesstätte einer Kontinuität in der Behandlung und professionellen Begleitung und Betreuung. Kontinuität kann nur erreicht werden, wenn Mitarbeiter und Mitarbeiterinn langfristig und unter Sicherstellung der qualifikationsbezogenen entsprechenden Finanzierung eingestellt
werden. Dies wird zukünftig auch im Hinblick auf die Nachhaltigkeit der Angebote berücksichtigt werden. Um die im Landespsychiatrieplan empfohlene bedarfsgerechte Versorgung sicherzustellen, fehlen
derzeit mindestens vier Fachkraftstellen in den Kontakt- und Beratungsstellen. Dadurch ist eine ausreichende Anzahl an Personal nicht immer gewährleistet, die Kapazitäten sind begrenzt.
Betreuungskontinuität wird auch hier durch ein stimmiges Entlassungsmanagement zwischen stationärem und ambulantem Bereich gefördert. Im Idealfall gibt es ein Entlassungsgespräch mit Klient bzw.
Klientin, Klinik und nachsorgender ambulanter Einrichtung – dies betrifft vor allem die Tagesstätte. Ein
solches Gespräch findet momentan zu selten statt. Die Methode des Entlassungsmanagements befindet sich derzeit in der Erprobung zusammen mit den freien Trägern, dem Sozialpsychiatrischen Dienst
und den psychiatrischen Kliniken.
Die Angebote zur Alltagsgestaltung und sozialen Wiedereingliederung verfügen insgesamt über einen hohen Standard der Hilfen. Dennoch fehlt es für die PSKB an verbindlichen, aufeinander abgestimmten und ausformulierten Standards zur Ausführung der Hilfen sowie an einer regelmäßigen und
transparenten Evaluation. Die dafür notwendige, belastbare und durch das Land gesetzlich geregelte
Psychiatrieberichterstattung steht noch aus. Höhere qualitative sowie Evaluations- und Dokumentationsanforderungen müssen mit Sicherstellung von fachlichen, personellen, technischen und zeitlichen
Ressourcen einhergehen.
Die gemeindenahe Versorgung in Dresden ist mit einem breiten ambulanten Angebot gut etabliert.
Gerade durch die Aufteilung des Stadtgebietes in drei Versorgungsgebiete kann eine sozialräumliche
Versorgung gewährleistet werden. An dieser Stelle müssen aber auch die Probleme und Bruchstellen
thematisiert werden, die sich aufgrund der Unterteilung in Versorgungsgebiete ergeben. Es muss
geklärt werden, welche Bedeutung die drei Versorgungsgebiete haben, wie die Kooperation
24
untereinander organisiert werden soll und wer welche Aufgaben sowie Funktionen innerhalb der Gebiete übernimmt. Im Versorgungsgebiet Süd ist die Zusammenarbeit der drei Träger über eine Kooperationsvereinbarung geklärt und wird unter anderem in Form regelmäßiger Netzwerktreffen umgesetzt.
Verbindliche Absprachen zwischen den drei Hauptträgern der Versorgungsgebiete müssen noch geschaffen werden. Weiterhin ist zu klären, ob die Träger in den Versorgungsgebieten für die Erfüllung
ihrer Aufgaben ausreichend ausgestattet sind. Wie bereits erwähnt, werden die fachlichen Empfehlungen zum Personalschlüssel noch nicht erfüllt. Das größte Defizit im Verhältnis Fachkraft zu Einwohnerzahl besteht in den Versorgungsgebieten Mitte und Nord. Das Versorgungsgebiet Süd ist zwar mit
einem Fachkraftschlüssel von ca. 1:25.000 gut aufgestellt, es besteht aber aufgrund der beschriebenen
sozialen Problemlagen ein höherer Bedarf.
Innerhalb der Versorgungsgebiete muss die sozialräumliche Vernetzung noch weiter ausgebaut
werden. Dazu gehört das Nutzen externer, bereits vorhandener Ressourcen, zum Beispiel in Form von
anderen Beratungs- und Begegnungsangeboten im Stadtteil. Statt eine psychiatrische Parallelwelt zu
schaffen, muss die Inklusion die Integration im nicht-psychiatrischen Bereich ersetzen. Hier können
stadtteilbezogene Projekte, von denen alle Bürgerinnen und Bürger profitieren, einen Beitrag leisten.
Neben den kontinuierlichen Angeboten bieten die PSKB professionelle Einzelberatung und Beratungsprozesse hauptsächlich nach systemischem Ansatz an. Diese dienen häufig zur Überbrückung
von Wartezeiten bis zum Beginn der Psychotherapie, bei Therapiepausen, bis zum Beginn beruflicher
Wiedereingliederung oder in schwierigen Lebensabschnitten (Trennung, Tod eines Angehörigen,
schwerwiegende medizinische Diagnosen). Zudem bietet das professionelle Beratungs- und familientherapeutische Angebot nicht selten eine Alternative zur intensiv beanspruchten ambulanten psychotherapeutischen Versorgung. Die Inanspruchnahme der PSKB hat in diesem Bereich immer weiter zugenommen.
Die zunehmende Nutzung der PSKB und des Sozialpsychiatrischen Dienstes zur Überbrückung
macht das Fehlen fließender Übergänge zwischen dem ambulanten und dem stationären Bereich
deutlich. Die Übergänge und Schnittstellen müssen besser ausgebaut und enger miteinander verzahnt
werden, um eine intensive psychiatrische und psychosoziale Betreuung zu gewährleisten.
Generell ist in allen Bereichen eine Zunahme komplexer Problemlagen der Klienten und Klientinnen
zu verzeichnen. Dazu gehört eine starke Bündelung von finanziellen, partnerschaftlichen und sozialen
Belastungssituationen in Verbindung mit gesundheitlichen Einschränkungen. Zusätzliche Bedarfe
bestehen vor allem für junge Menschen mit einer psychischen Erkrankung (unter 35 Jahren), Menschen
mit psychischer Erkrankung und zusätzlicher geistiger Behinderung oder Menschen mit Doppeldiagnosen (psychische Erkrankung und Sucht). Es handelt sich dabei um spezifische Problemlagen und
Anforderungen der Klienten/-innen, denen sich die Mitarbeiter/-innen der PSKB und des SpDi zunehmend stellen müssen. Vor allem der Unterstützungsbedarf bei verschiedenen behördlichen Angelegenheiten ist gestiegen und hat einen aufwendigeren und zeitintensiveren Beratungs- und Begleitungsbedarf zur Folge.
Migrationsberatungsstellen schätzen ein, dass insbesondere die Anzahl alleinstehender, älterer und
alter Migranten/-innen, die teilweise deutschsprachliche Defizite aufweisen, zunimmt und Hilfebedarfe
künftig komplexer werden.
Die Niedrigschwelligkeit der Hilfsangebote ist insofern gegeben, als dass alle psychosozialen Kontakt- und Beratungsstellen unkompliziert, kostenlos und anonym genutzt werden können. Dennoch
werden die Beratungsangebote aufgrund von Vorurteilen und Selbststigmatisierungsprozessen trotz
bestehenden Bedarfs von einem Großteil der Menschen mit psychischer Erkrankung noch nicht ausreichend in Anspruch genommen.
Niedrigschwelligkeit bedarf zusätzlich eines breiten Wissens über die Angebotsstruktur und die Erreichbarkeit der Hilfen. Dies ist für Dresden noch nicht ausreichend umgesetzt. Betroffenen, Angehörigen sowie professionellen Helferinnen und Helfern aus anderen Fachbereichen fehlen verständliche
und transparente Informationen über die Unterstützungsmöglichkeiten und Zugangswege. Auf der
anderen Seite lässt sich die Weitergabe der Informationen an Dritte nur schwer bis gar nicht steuern.
25
Gemeint ist unter anderem die Weitergabe der Informationen über Hilfsangebote durch niedergelassene
Hausärzte/-innen an die Patienten/-innen.
Über eine gemeindenahe Öffentlichkeitsarbeit, zum Beispiel in Form der Beteiligung an Stadtteilaktionen, können nützliche Synergien und Begegnungsmöglichkeiten entstehen. Diese gilt es, kontinuierlich auszubauen und zu festigen.
Grundlage für einen Wechsel von einem institutionszentrierten zu einem personenzentrierten Versorgungssystem ist ein breites Spektrum an Hilfsangeboten, um differenzierte individuelle Unterstützung zu ermöglichen. Dies bedarf einer besseren und verbindlicheren Abstimmung der Angebote mit
allen an der Versorgung beteiligten Akteurinnen und Akteuren.
Vierteljährlich findet bereits ein trägerübergreifendes Treffen der Leiterinnen und Leiter aller Psychosozialen Kontakt- und Beratungsstellen von Dresden statt. Außerdem arbeiten die Träger in der
Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft mit und nehmen regelmäßig an deren Sitzungen teil. Eine die
Institutionen übergreifende Zusammenarbeit findet vor allem innerhalb der jeweiligen Versorgungsgebiete statt. Die Mitarbeiter/-innen der PSKB stehen im Kontakt mit dem jeweils zuständigen Sozialpsychiatrischen Dienst und den sozialen Diensten der zuständigen Krankenhäuser.
Es fehlt jedoch eine vertragliche Regelung zwischen den Leistungserbringern und der Landeshauptstadt Dresden über die Standards der Zusammenarbeit zur Optimierung der am individuellen Bedarf
orientieren Hilfen. Die bisherigen Versorgungsverträge mit den Trägern der Versorgungsgebiete enthalten lediglich einen Hinweis auf die Verpflichtung zur Vernetzung.
Die Planung und Steuerung der psychiatrischen Versorgung wird im Bereich der Kontakt- und Beratungsstellen sowie der Tagesstätte durch die Zuständigkeit unterschiedlicher Leistungsträger erschwert.
Die Sicherung des Bestands der Kontakt- und Beratungsstellen ist sowohl vom Haushalt des Freistaates Sachsen als auch der Landeshauptstadt Dresden abhängig.
Ein weiterer Schritt in Richtung personenzentrierte Versorgung ist das Etablieren von Hilfeplankonferenzen, an denen Klienten/-innen, Leistungserbringer und Leistungsträger beteiligt sind. Die regelmäßige Organisation von Hilfeplankonferenzen scheitert oft an fehlenden Kapazitäten und organisatorischen Problemen.
Die fallbezogene Zusammenarbeit der Einrichtungen und Dienste untereinander funktioniert sehr
gut. In der Kooperation mit nicht psychiatrisch ausgerichteten Einrichtungen gibt es noch Verbesserungsbedarf. Zum Beispiel mit dem Bereich der offenen Altenhilfe und ambulanten Pflegediensten, vor
allem aber in der Zusammenarbeit mit niedergelassenen Fach- und Hausärzten/-innen. Seit Bestehen
der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft ist es nicht gelungen, eine/-n niedergelassene/-n Vertreter/-in
der Fachärzte/-innen als Mitglied zu gewinnen. Häufig fehlt es den Einrichtungen an den erforderlichen
zeitlichen und personellen Ressourcen, um dem Vernetzungsbedarf gerecht zu werden.
Die Versorgung von Menschen mit einer psychischen Erkrankung kann und soll nicht ohne deren
Beteiligung stattfinden. Alle Kontakt- und Beratungsstellen bieten Räumlichkeiten und fachliche Anleitung für Selbsthilfegruppen an. Betroffene sind ehrenamtlich tätig und bringen sich aktiv in die Gestaltung ein. Die Beteiligung und Mitarbeit der Betroffenen sollte als Qualitätskriterium festgeschrieben
werden. Die Beschäftigung mit Genesungsbegleitern/-innen (EX-IN-Ausgebildete) sollte befördert
werden.
Das Hilfepotential der Angehörigen muss weiter anerkannt und gefördert werden. Die Kontakte mit
den Angehörigen haben in allen Bereichen zugenommen. Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass die
Angehörigengruppen einen stärkeren Zulauf haben. Vielmehr geht es um spezielle, individuelle Nachfragen im Sinne einer Einzelberatung. Die Mitarbeiter/-innen leisten zusätzliche Aufklärungsarbeit, die
anderweitig benötigte Kapazitäten bindet. Bedarfe gibt es vor allem bei der Arbeit mit Kindern und
Geschwistern von Menschen mit einer psychischen Erkrankung. Trialogische und generationenübergreifende Konzepte müssen entwickelt werden.
26
2.3.4
Handlungserfordernisse
Um die Integration bzw. die Inklusion von Menschen mit einer psychischen Erkrankung in die Gemeinschaft zu fördern, bedarf es einer offensiven Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Besonders die
Psychosozialen Kontakt- und Beratungsstellen sind dazu angehalten, mit den Bewohnern und Bewohnerinnen und anderen Beratungsangeboten in den Stadtteilen in Kontakt zu treten. Unverzichtbar ist
dabei die Kooperation mit den Ortsämtern oder den Stadtteilbüros.
Das Nutzen bereits vorhandener Strukturen soll das Entstehen von Parallelstrukturen verhindern.
Um fehlende Konzepte für junge Volljährige auszugleichen, sind beispielsweise Kooperationen mit
Jugendhäusern oder der Jugendhilfe sowie der Schulsozialarbeit denkbar. Durch Vernetzung in den
Stadtteilen kann mehr Toleranz geschaffen werden. Über die Kontakt- und Beratungsstellen müssen
persönliche Begegnungen mit den Vermietern/-innen, dem Wohnumfeld und Bürgerinnen und Bürgern
der Stadtteile initiiert werden. Ein positives Beispiel ist das Projekt „Freizeitpartner“ in Kooperation der
drei Kontakt- und Beratungsstellen im Versorgungsgebiet Süd. Bewohner/-innen des Stadtteils und
Besucher/-innen der PSKB unternehmen gemeinsame Freizeitaktivitäten.
Durch Anti-Stigma-Maßnahmen müssen Fremd- und Selbststigmatisierung abgebaut werden, um
mehr Akzeptanz für Beeinträchtigungen im Lebensalltag infolge einer psychischen Erkrankung zu
erzeugen. Vor allem Medienvertreter/-innen müssen verstärkt für das Thema sensibilisiert werden.
Die vorhandenen Strukturen und Angebote der gemeindepsychiatrischen Versorgung müssen breiter bekannt gemacht werden. Dies gilt sowohl für Menschen mit einer psychischen Erkrankung als auch
für nicht-psychiatrische Dienste und Einrichtungen. Informationen über das Hilfesystem bedürfen einer
Weitervermittlung an Hausärzte/-innen, andere Fachärzte/-innen und Behörden. Zusätzlich zum Sozialpsychiatrischen Dienst sollen die Psychosozialen Kontakt- und Beratungsstellen eine „Lotsenfunktion“
auf diesem Gebiet einnehmen.
Geplant sind die Veröffentlichung eines Faltblattes, in dem alle psychosozialen Angebote der Stadt
Dresden aufgeführt werden, sowie die Gestaltung eines Internetauftritts zur Erläuterung der gemeindepsychiatrischen Struktur. Verantwortlich dafür ist die Unterarbeitsgruppe „Öffentlichkeitsarbeit“ der
PSAG.
Weitere Ansatzpunkte zur Wissensvermittlung sind die Beteiligung an der Fortbildung der Allgemeinmediziner/-innen und eine Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Vereinigung von Sachsen,
um die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes und die Bereitschaftsärzte/-innen von Dresden über die gemeindepsychiatrische Versorgung zu informieren und
enger einzubinden.
Das Einbeziehen von Angehörigen spielt eine bedeutende Rolle, wenn über den Umgang mit einer
psychischen Erkrankung aufgeklärt und Stigmatisierungen verhindert werden sollen. Psychoedukationskurse für Angehörige und Trialoggruppen sind eine wichtige Unterstützungsmöglichkeit, um Vorbehalte im direkten sozialen Umfeld abzubauen. Dadurch können Angehörige, aufgrund von eigenem
Wissen, positiv darauf einwirken Hilfen so früh wie möglich in Anspruch zu nehmen. Der Austausch
innerhalb von Angehörigengruppen muss stärker gefördert werden. Angehörigenarbeit sollte dezentral
organisiert und der Bedarf stadtweit beobachtet werden.
Psychiatrie-Erfahrene sollen in die Betreuung und Versorgung von Menschen mit einer psychischen
Erkrankung einbezogen werden. Ein mögliches Qualitätsmerkmal in Psychosozialen Kontakt- und
Beratungsstellen kann die Beteiligung Betroffener als Genesungsbegleiter/-in sein. Durch Projekte wie
„EX-IN“ (siehe Kapitel 6.4) werden Psychiatrie-Erfahrene dazu ausgebildet, in Forschung, Ausbildung
sowie psychosozialen Einrichtungen unterstützend tätig zu werden – sowohl für andere Betroffene als
auch für professionell Helfende. Zu klären wäre hier, ob die Mitarbeit zusätzlich zu der regulären Fachkraftbesetzung erfolgen soll bzw. kann. Zu klären ist ebenfalls die Aufnahme der Beschäftigung von
ausgebildeten Genesungsbegleitern/-innen in die Qualitätsstandards einer PSKB. Ein anderes wichtiges Betätigungsfeld ist die Ausbildung der professionell Helfenden. Hier ist es ebenfalls wichtig, Betroffene frühzeitig mit einzubinden und ihre Erfahrungen mit einfließen zu lassen. Die Beteiligung
27
Psychiatrie-Erfahrener hat dabei das Potential, die Inhalte und Strukturen der Ausbildung von psychiatrischen Fachkräften zu verbessern und zu einem besseren Verstehen und einer besseren Wahrnehmung der Bedarfe von Nutzern/-innen psychiatrischer Dienste beizutragen.
Zur Sicherstellung einer intensiven psychiatrischen und psychosozialen Betreuung mit Blick auf eine
personenzentrierte Versorgung außerhalb des stationären Bereichs muss allen Beteiligten, vor allem
den Leistungsträgern, klar sein, dass ambulante Versorgung nicht gleichzusetzen ist mit einem geringeren Aufwand an professioneller Begleitung und Betreuung. Ambulante Begleitung und Betreuung kann
nicht automatisch zu einem geringeren Betreuungsschlüssel führen. Genauso bedeutet stationäre
Versorgung nicht automatisch ein Mehr an Betreuung. Die Beachtung des individuellen Bedarfs spielt
eine zentrale Rolle. Dieser individuelle Bedarf muss frühzeitig fachlich festgestellt werden. Individuelle
Hilfe lässt sich nur durch eine flexible Stundenanzahl gestalten, mit der ein Wechsel zwischen intensiver
und lockerer Betreuung – je nach aktuellem Hilfebedarf – möglich wird.
Notwendig ist eine bessere Verzahnung im ambulanten Bereich. Wichtige Stichpunkte sind Hilfebedarfserfassung/ -ermittlung, Hilfeplankonferenzen und Fallsteuerung unter entsprechenden Bedingungen.
Ein Entlassungsmanagement zur Informationsweitergabe aus dem stationären in den ambulanten
Bereich und umgekehrt befindet sich seit 2011 in einer Erprobungsphase. Diese soll weiter intensiviert
werden und auf den Bereich der niedergelassenen Fach- und Hausärzte/-innen ausgeweitet werden.
Der aktuelle Bestand von fünf Kontakt- und Beratungsstellen in den Sozialräumen in Dresden ist
beizubehalten. Für eine bedarfsgerechte Versorgung im Bereich der Beratungsstellen ist es erforderlich,
die vier noch offenen Fachkraftstellen zu besetzen. Sie sollten mit Erweiterungen der Kompetenzen und
der Initiierung von Projekten im Bereich der Kinder von Eltern mit einer psychischen Erkrankung sowie
im Bereich Gerontopsychiatrie unterlegt sein. Dabei sind räumliche und sächliche Ressourcen zu
berücksichtigen.
Notwendig ist die Aufstockung der PSKB in den Versorgungsgebieten Nord und Mitte mit je einer
Fachkraft für den gerontopsychiatrischen Bereich. Die PSKB sollen in der Lage sein, die niedrigschwellige Arbeit zur Versorgung älterer Menschen mit gerontopsychiatrischer Erkrankung zu übernehmen.
Die Aufgaben für diese Stelle müssen klar und deutlich definiert werden. Anliegen ist vorwiegend die
Weiterbildung anderer Akteure und Akteurinnen des Unterstützersystems sowie die Weichenstellung
und Anbindung der Betroffenen an das weiterführende Versorgungssystem. Im Weiteren sind eine enge
Vernetzung mit der offenen Altenhilfe und dem SpDi sowie die fachliche Weiterbildung der PSKBMitarbeiter/-innen erforderlich.
Ab dem Jahr 2013 soll im Versorgungsgebiet Mitte die Übernahme einer Vollzeitfachkraft zur Unterstützung von Kindern, Jugendlichen, Eltern und Familien mit psychischen Belastungen oder Erkrankungen erfolgen. Dafür wird die „Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern mit psychischen Belastungen und Erkrankungen“ (KiElt) des Psychosozialen Trägerverein Sachsen e. V. (PTV) an die Psychosoziale Kontakt- und Beratungsstelle angegliedert. Bisher wurde KiElt durch „Aktion Mensch“ (von
2007-2009) und das Jugendamt (von 2010-2012) als Projekt finanziert. (siehe Kapitel 3.6.2.)
In den Folgejahren muss geprüft werden, inwieweit eine Implementierung ähnlicher Angebote in den
Bereichen Nord und Süd erforderlich ist.
Eine fachliche Begleitung der Planung der Fachkraftstellen erfolgt durch die PSAG von Dresden.
Das Gesundheitsamt beantragt für den dringend erforderlichen bedarfsgerechten Ausbau der Psychosozialen Kontakt- und Beratungsstellen entsprechende Haushaltsmittel.
Unter Berücksichtigung eines weiteren Bevölkerungszuwachses für Dresden ist langfristig ein steigender Bedarf in der Besetzung mit Fachkräften in den Kontakt- und Beratungsstellen einzuplanen.
Um die Qualität der Hilfen von Psychosozialen Kontakt- und Beratungsstellen auf einem hohen Niveau zu halten, müssen gemeinsame angebotsspezifische Qualitätsstandards, eine gemeinsame
Qualitätsentwicklung und -sicherung formuliert und festgeschrieben werden. Dazu gehören unter anderem Sozialraum- und Ressourcenorientierung, die Absicherung der Besetzung der Beratungsstellen mit
multiprofessionellen Fachkräften sowie die Sicherstellung der langfristigen Einstellung des Personals.
Dies bedarf einer entsprechenden Entlohnung, fortlaufender Qualifizierung als auch Möglichkeiten zur
Supervision etc.
28
Desweiteren muss auf Grundlage der jährlich zu erstellenden Sachberichte der PSKB und des SpDi
eine Abstimmung darüber erfolgen, welche soziodemografischen sowie andere Faktoren der Nutzer/innen der Einrichtungen für die zukünftige Angebotsplanung eine Rolle spielen und regelmäßig analysiert werden müssen. Die dafür notwendige, belastbare und durch das Land gesetzlich geregelte Psychiatrieberichterstattung steht noch aus.
Die geschlechterspezifische Betrachtung ist als allgemeine Rahmenbedingung in der niedrigschwelligen psychiatrischen Versorgung umzusetzen. Frauen und Männer zeigen unterschiedliche
Prävalenzen in Bezug auf psychiatrische Krankheitsbilder und unterscheiden sich im Umgang mit der
Krankheit und ihrer Bewältigung. Aus diesem Grund ist auf eine ausgewogene Besetzung der Beratungsstellen mit männlichen und weiblichen Fachkräften zu achten. Die Beratungsstellen sollen dort, wo
es als sinnvoll erachtet wird, getrennte Gruppenangebote organisieren. Für eine zukünftige geschlechtergerechte Angebotsdifferenzierung sind weiterführende Daten über die Unterschiedlichkeit von Mann
und Frau, unter anderem im Hinblick auf die Nutzung der Beratungsangebote, notwendig.
Auf der Grundlage der Standards ist eine vertragliche Regelung zwischen den Leistungserbringern
und der Stadt Dresden erforderlich, zur besseren und verbindlicheren Abstimmung der Angebote.
Die bisherigen Versorgungsverträge (Stand: 2000, geändert 2002) zwischen der Landeshauptstadt
Dresden und den Trägern der Versorgungsgebiete enthalten lediglich einen Hinweis auf die Verpflichtung zur Vernetzung und müssen überarbeitet werden. Sie sollen eine klare und konkrete Aufgabendefinition für die Träger beinhalten, die alle vier Lebensbereiche (Gesundheit, Alltagsgestaltung, Arbeiten,
Wohnen) und alle Altersgruppen umfasst sowie zur Vernetzung und Zusammenarbeit mit der kommunalen Ebene (SpDi, Jugendamt, Sozialamt) und den Kliniken verpflichten. Innerhalb des Gemeindepsychiatrischen Verbundes erfolgt die Verständigung über einen weiteren Ausbau und die Formulierung
gemeinsamer Qualitätsmerkmale der Leistungserbringung. Dazu gehört unter anderem das reguläre
Vorstellen und Abstimmen über neue, nachhaltig gedachte Projekte. Die Plattform der Zusammenarbeit
bietet weiterhin die Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft.
2.4 Arbeit und Beschäftigung
Bei Diagnose einer psychischen Erkrankung verändert sich oft das gesamte Lebensumfeld der Betroffenen. Umso wichtiger ist es, nach erfolgter Behandlung zu einem eigenen sozialen Umfeld zurück zu
finden. Dabei spielt auch das Arbeitsleben eine große Rolle: Erprobung und Steigerung der eigenen
Leistungsfähigkeit durch Teilhabe am beruflichen Leben, Vermeidung von Isolation zu Hause, Anerkennung der Ausbildung oder der Tätigkeit, die sich in guten Leistungen niederschlägt, und das Erreichen
von Erfolgserlebnissen sind nur einige Komponenten, die von Betroffenen in diesem Zusammenhang
geäußert werden. In Dresden gibt es vielfältige Hilfsangebote, wenn es darum geht, durch Ausbildung
das eigene Selbstbewusstsein nach einer psychischen Erkrankung wieder zu stärken.
Abb. 9: Angebote im Bereich Arbeit und Beschäftigung
29
2.4.1
Prävention
Prävention im Sinne vorbeugender Strukturen und Maßnahmen bzw. eines Risikoschutzes vor Arbeitsplatzverlust durch psychische Erkrankung sind im Dresdner Raum ansatzweise vorzufinden.
Maßnahmen zur Primärprävention, die zur Gesunderhaltung der Arbeitnehmer/-innen und damit dem
Erhalt wertvoller Fachlichkeit und des Arbeitsplatzes dienen, werden aktuell vorrangig von den Unternehmen selbst initiiert und finanziert oft auch in Zusammenarbeit mit den gesetzlichen Krankenkassen.
Der § 20 SGB V regelt u. a. die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen zur:
 primären Prävention
 betrieblichen Gesundheitsförderung
 Prävention arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren in Zusammenarbeit mit den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung
 Förderung von Selbsthilfegruppen und Organisationen, die gesundheitliche Prävention oder Rehabilitation zum Ziel haben
Aufgrund der aktuellen Entwicklungen des Arbeitsmarktes mit weiter steigenden Anforderungen an
die Arbeitnehmer/-innen in Bezug auf Flexibilität, Engagement und die Aufweichung von Grenzen
zwischen Arbeits- und Freizeit sollten auch arbeitsbezogene Maßnahmen zur Sekundärprävention
angeboten und gefördert werden.
Tertiärprävention bei bestehendem Arbeitsverhältnis ist für Menschen mit einer psychischen Erkrankung kaum, und wenn dann nur im Nachgang einer Rehabilitationsmaßnahme, gewährleistet. Spezielle
übergeordnete Angebote für Betroffene mit psychischen Erkrankungen in Unternehmen gibt es derzeit
nicht.
Arbeitgeber/-innen müssen jedoch bei der Weiterbeschäftigung von Mitarbeitern/-innen mit einer
psychischen Erkrankung langfristig unterstützt werden, damit der Arbeitsplatz erhalten bleiben kann.
2.4.2
Berufliche Rehabilitation (Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben)
Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM)
Werkstätten für behinderte Menschen bieten die Möglichkeit zur Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Behinderungen, die nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können.
Im Rahmen des beruflichen Rehabilitationsprozesses nach §§ 136ff SGB IX und der
Werkstättenverordnung (WVO) erhalten Menschen mit Behinderung entsprechend ihren Fähigkeiten
und Möglichkeiten eine berufliche Bildung. Sie nehmen ihrem Leistungsvermögen entsprechend am
Arbeitsleben teil, können soziale Kontakte pflegen wie auch positive Erfahrung von Akzeptanz und
Erfolg im Arbeitsleben machen. Ziel ist die Wiedereingliederung ins Arbeitsleben unter geschützten
Bedingungen. In Werkstätten werden Aufträge für die Industrie und den Dienstleistungsbereich bearbeitet. Die Leistungen der Beschäftigten werden mit einem monatlichen Werkstattentgelt aus dem Arbeitsergebnis vergütet. Geschultes Fachpersonal begleitet den Ausbildungs- und Arbeitsprozess und steht
bei Fragen und Problemen assistierend zur Seite. Es gibt begleitende Angebote zur ganzheitlichen
Persönlichkeitsentwicklung.
Die Kosten für einen Werkstattplatz tragen der überörtliche Sozialhilfeträger, die Berufsgenossenschaften, die Deutsche Rentenversicherung oder die Bundesagentur für Arbeit.
Die Werkstätten folgender Leistungserbringer bieten Arbeitsplätze für Menschen mit einer chronischen psychischen Erkrankung an:





30
CSW Christliches Sozialwerk Dresden gGmbH
Evangelische Behindertenhilfe Dresden und Umland gGmbH
Lebenshilfe Ortsverband Dresden e.V. – Inpuncto Werkstätten
Cultus gGmbH der Landeshauptstadt Dresden
Gut Gamig e.V.
RPK Gut Gamig
Straße des 17. Juni 25
Gebäude 103 B
01257 Dresden
Tel.: (03 51) 32 31 26 70
www.gut-gamig.de
Psychosozialer Trägerverein Sachsen e.V.
Bärensteiner Straße 23-25
01277 Dresden
Tel.: (03 51) 2 50 64 50
[email protected]
www.ptv-sachsen.de
Rehabilitation Psychisch Kranker (RPK)
Einrichtungen zur Rehabilitation für Menschen mit einer psychischen Erkrankung bieten individuelle
medizinisch-berufliche Rehabilitation für Menschen mit einer schweren psychischen Erkrankung und
Menschen mit einer Behinderung aus der Hand eines multiprofessionellen Teams unter fachärztlicher
Leitung an.
Die Maßnahmen sind in erster Linie geeignet für Menschen mit Psychosen, aber auch für Menschen
mit affektiven- oder Persönlichkeitsstörungen. Sie sind ungeeignet für Personen mit einer Suchterkrankung, ebenso für Personen, bei denen die ambulante fachärztliche und psychotherapeutische Behandlung ausreichend ist. Übergeordnete Ziele sind die Verbesserung des Umgangs mit den Krankheitsfolgen sowie die Erprobung und Verbesserung der Leistungsfähigkeit im Arbeitsleben. Die Maßnahme
wird ganztägig ambulant (als Pendler/-in) durchgeführt, nur im Einzelfall stationär.
Die Integration der medizinischen Rehabilitation nach § 40 Abs. 1 SGB V und der beruflichen Rehabilitation nach § 35 SGB IX in einer Einrichtung ermöglicht die kontinuierliche Begleitung der Rehabilitationsteilnehmer/-innen über einen befristeten Zeitraum von maximal zwei Jahren. Sachsenweit gibt es
insgesamt vier RPK-Einrichtungen.
Belastungs- und Arbeitserprobung (BuA)
Die Belastungs- und Arbeitserprobung ist eine Maßnahme, in der Menschen mit psychosozialen Einschränkungen und psychischen Erkrankungen beschäftigt werden, deren Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt nicht nachgefragt wird und bei denen Hemmnisse und Motivationsprobleme vorliegen (Menschen mit großen Vermittlungshemmnissen). Sie sind nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelbar und haben einen hohen Bedarf an individueller Unterstützung und Förderung. Auch Menschen
mit Suchtmittelkonsum, die in der Lage sind, den grundlegenden Anforderungen der Maßnahme zu
entsprechen, werden im Rahmen des Konzeptes integriert.
Regionale Erhebungen in sozialpsychiatrischen Hilfsangeboten geben Hinweise darauf, dass für
Menschen mit chronischen psychischen Erkrankungen die Beschäftigungsbilanz dramatisch ausfällt.
Maximal 10% dieser Personengruppe sind auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (Voll- oder Teilzeit)
beschäftigt. Rund 20% haben einen geschützten Arbeitsplatz in einer Werkstatt für behinderte Menschen und etwa 5% nutzen Angebote zum beruflichen Training bzw. zur beruflichen Rehabilitation.
Hilfsangebote, die auch Tagesgestaltung und damit Beschäftigungsmöglichkeiten bieten, werden von
rund 15% genutzt. Die andere Hälfte der Menschen mit einer chronischen psychischen Erkrankung ist
ohne jegliches Arbeits- und Beschäftigungsangebot von der Teilhabe am Arbeitsleben ausgeschlossen.5
Primäres Ziel der Belastungs- und Arbeitserprobung ist die Teilhabe am Arbeitsleben. Damit dieses
Ziel erreicht werden kann, sind zunächst Voraussetzungen wie die Schaffung einer eigenen Motivation
zum Arbeiten, die Beseitigung von Vermittlungshemmnissen durch das Bewusstwerden, Verstehen und
Bearbeiten individueller psychosozialer Problemlagen sowie das Erkennen und Stärken verbliebener
Ressourcen, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu schaffen. Die Dauer der Maßnahme beträgt insgesamt 12
Monate. Sie wird unterteilt in zwei Phasen:
 1. Phase : Motivations- und Orientierungsphase (ca. drei Monate)
 2. Phase : Erprobungs- und Belastungsphase (ca. neun Monate), deren letzter, etwa sechswöchiger
Bestandteil die Ablösungsphase ist.
Mittels arbeitsmarktnaher Aufgaben und Bedingungen werden neben dem Training der motorischen
Fertigkeiten, der emotionalen und sozialen Fähigkeiten sowie der psychischen Belastbarkeit die Grundarbeitsfähigkeiten für eine erfolgreiche Integration auf dem Arbeitsmarkt ausgebildet. Dabei werden die
Teilnehmer und Teilnehmerinnen intensiv und individuell sozialtherapeutisch und sozialpädagogisch
betreut und aktuelle Problemlagen bearbeitet. Es finden Qualifikationstage zu unterschiedlichen Themen statt, die sich um das Feld Arbeit und Beschäftigung gruppieren und die Fähigkeiten zur (Wieder-)
Aufnahme einer Tätigkeit verbessern.
5 AKTION PSYCHISCH KRANKE „Individuelle Wege ins Arbeitsleben“
31
Gesetzliche Grundlagen:
Die Belastungs- und Arbeitserprobung für Menschen mit einer psychischen Erkrankung (BuA) nach
§ 33 Abs. 4 SGB IX wird z. B. vom JobCenter Dresden im Rahmen der Schaffung von Arbeitsgelegenheiten gemäß § 16d SGB II finanziert.
Berufliches Trainingszentrum Dresden
Friedrichstraße 24
01067 Dresden
Tel.: (03 51) 88 82 60
[email protected]
www.btz-dresden.de
Berufliches Trainingszentrum (BTZ)
Berufliche Trainingszentren sind Spezialeinrichtungen zur beruflichen Rehabilitation von Menschen mit
psychischen Erkrankungen. Sie unterstützen bei der Abklärung realistischer beruflicher Perspektiven,
der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt oder der Stabilisierung im Vorfeld einer Umschulung oder
Ausbildung.
Berufliche Trainingszentren haben das Ziel, praxisnahe Trainingsplätze zur Verfügung zu stellen
und unter Berücksichtigung der psychosozialen Probleme den Wiedereinstieg in das Berufsleben zu
erreichen. Hierzu wird ein breit gefächertes Angebot an Methoden, Hilfs- und Förderangeboten genutzt,
das speziell auf die Bedürfnisse der Zielgruppe abgestimmt ist.
Gesetzliche Grundlagen:
Die Förderung der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gem. § 33 SGB IX erfolgt durch die in §
6/6a SGB IX genannten Rehabilitationsträger, wie zum Beispiel die Agentur für Arbeit, die Deutschen
Rentenversicherungen oder die Berufsgenossenschaften.
Das BTZ Dresden ist ein Geschäftsbereich der Berufsbildungswerk Sachsen GmbH und darüber
hinaus eine anerkannte Einrichtung der beruflichen Rehabilitation nach § 35 Sozialgesetzbuch IX.
Teilnehmer/-innen erhalten hier nach psychischer Erkrankung ein speziell auf ihre Leistungsfähigkeit
zugeschnittenes berufliches Training und können ihr Wissen unter betriebsnahen Bedingungen in vier
verschiedenen Trainingsbereichen (handwerklich-technischer, kaufmännisch-verwaltender, gestalterischer, hauswirtschaftlicher Bereich) auffrischen sowie neue Kenntnisse und Fähigkeiten dazu gewinnen. Ziel ist die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt. Die allmähliche Steigerung der beruflichen
Anforderungen und begleitende Bearbeitung von psychosozialen Schwierigkeiten durch ein multiprofessionelles Team ermöglichen und unterstützen den (Wieder)Einstieg in das Berufsleben. Externe Praktika bieten die Möglichkeit, sich im Arbeitsleben zu erproben sowie gleichzeitig Perspektiven für eine
spätere Übernahme in ein Arbeitsverhältnis zu besprechen. Beziehungskontinuität ist über den gesamten Reha-Prozess eine wesentliche und Erfolg sichernde Grundlage der Zusammenarbeit mit Teilnehmern/-innen. Aktuell liegt die Kapazität bei ca. 70 Plätzen. Jährlich erfolgt eine wissenschaftliche Evaluation der Leistungsqualität.
Das BTZ Dresden ist Mitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft Beruflicher Trainingszentren (BAG
BTZ). Zur Erreichung der individuellen Ziele für jede/-n Einzelne/-n arbeitet das BTZ Dresden in einem
standortübergreifenden Netzwerk mit Reha-Trägern, Kliniken, anderen Einrichtungen der beruflichen
Rehabilitation und Arbeitgebern/-innen zusammen.
Das Angebotsprofil des BTZ Dresden
32
 Berufliches Training: individuelle Maßnahme mit dem Ziel, den direkten Einstieg in den Arbeitsmarkt
im erlernten Beruf oder einer artverwandten Tätigkeit zu erreichen bzw. den aktuellen Arbeitsplatz
zu erhalten (Dauer i.d.R. 11 Monate)
 Reha-Vorbereitungslehrgang: individuelles Angebot zur Stabilisierung und Vorbereitung auf eine
anschließende Umschulung für Menschen mit einer klaren beruflichen Vorstellung (Dauer ca. 6 Monate).
 Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme: individuelle Maßnahme zur grundsätzlichen Berufserprobung und -orientierung mit dem Ziel der Aufnahme einer Berufsausbildung (Dauer ca. 11 Monate)
 Eignungsabklärung: individuelles Angebot zum Testen der Leistungsfähigkeit unter verschiedenen
Anforderungen zur Feststellung der Eignung für Maßnahmen zur Beruflichen Rehabilitation (Dauer
von 2 Wochen bis 3 Monate)
 Arbeitserprobung: individuelles Angebot, um in einem leidensgerechten Berufsbereich das aktuelle
Potential und die Belastungsfähigkeit zu erproben und mit den Anforderungen des Arbeitsmarktes
abzugleichen (Dauer i.d.R. 4 Wochen)
 Move: Gruppenangebot zur schnellen Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt für Menschen
mit mind. 6 Stunden Belastbarkeit und klaren Vorstellungen zur eigenen beruflichen Zukunft (Dauer:
ca. 6 Monate)
Berufsförderungswerk Dresden
gemeinnützige GmbH
Hellerhofstraße 35
01129 Dresden
Tel.: (03 51) 8 54 80
www.bfw-dresden.de
Berufsförderungswerk (BFW)
Die Angebote der Berufsförderungswerke für berufliche Neuorientierung, Qualifizierung und Integration
richten sich an Erwachsene, die ihren Beruf oder ihre Tätigkeit infolge Unfall oder Krankheit (auch
psychische Erkrankungen) nicht mehr ausüben können. Das BFW-Profil ist deshalb auf die besonderen
Anforderungen von Menschen mit gesundheitlichen Handicaps ausgerichtet. So wird parallel zur Qualifizierung eine psychologische, medizinische und sozialpädagogische Begleitung angeboten. Ziel ist es,
den Teilnehmern/-innen eine gute Chance für den Neustart ins Arbeitsleben zu eröffnen und so eine
nachhaltige Integration anzustreben. Dabei werden die Teilnehmer/-innen von Integrationsmanagern/innen unterstützt.
Gesetzliche Grundlagen:
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben prüfen und gewähren die in § 6/6a SGB IX benannten Rehabilitationsträger wie Deutsche Rentenversicherung, Bundesagentur für Arbeit oder Berufsgenossenschaften und gesetzliche Unfallversicherungsträger. Das Jobcenter Dresden ist selbst kein Rehabilitationsträger, sondern lediglich in die Finanzierung der Rehabilitationsleistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
der Bundesagentur für Arbeit/Agentur für Arbeit Dresden eingebunden. Die grundsätzlichen rechtlichen
Grundlagen sind im SGB IX verankert, damit Menschen mit einer Behinderung, nach einer Erkrankung
oder nach einem Unfall wieder zurück in den Arbeitsalltag und so ins aktive Leben der Gesellschaft
finden. Zusätzlich hat jeder Rehabilitationsträger eigene Leistungsregelungen in den trägerspezifischen
Sozialgesetzbüchern wie SGB III (Bundesagentur für Arbeit) oder SGB VI (Deutsche Rentenversicherung).
Das BFW Dresden ist eine anerkannte Einrichtung für berufliche Rehabilitation nach § 35 Sozialgesetzbuch IX. Es ist Mitglied des Vereins „Die Deutschen Berufsförderungswerke e. V.“ Es kooperiert
eng mit den genannten Reha-Trägern, mit Arbeitgebern/-innen der Region und natürlich auch mit
anderen Einrichtungen im Reha-Bereich, u. a. mit Ärzten und Ärztinnen, Kliniken sowie dem Beruflichen
Trainingszentrum Dresden.
Angebotsprofil des BFW Dresden
 RehaAssessment: Individuelle Eignungsabklärung zur beruflichen Neuorientierung, Entwicklung
einer Strategie für den Wiedereinstieg ins Arbeitsleben.
 Reha-Vorbereitung: Vorbereitungslehrgänge erleichtern den Einstieg in die Qualifizierung durch
Trainieren von Arbeits- und Lerntechniken, Auffrischen von Schulkenntnissen. Weitere Schwerpunkte sind kaufmännische und technische Grundlagen, Basiswissen in Englisch und Datenverarbeitung
sowie das Prägen von Gesundheits- und Schlüsselkompetenzen.
 Überbetriebliche Qualifizierung: 2-jährige Ausbildung in über 20 Berufen in den Branchen Wirtschaft/Verwaltung, Handel/Dienstleistung, Elektronik, Informationstechnik, Konstruktion, Metalltechnik, Garten- und Landschaftsbau. Prüfung von der jeweils zuständigen Stelle, z. B. IHK Dresden.
 Betriebliche Qualifizierung: 2-jährige Ausbildung in Berufen des dualen Systems. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer absolvieren ihre Qualifizierung nach dem Vorbereitungslehrgang vom BFW
Dresden begleitet in Berufsschulen und Unternehmen der Region. Diese Qualifizierung bietet das
Berufsförderungswerk in Dresden und in den BFW-Regionalstellen Bautzen, Chemnitz und Cottbus
an.
 Modulare Teilqualifizierung: Sie baut auf beruflichen Vorkenntnissen auf und strebt einen zeitnahen
Wiedereinstieg ins Arbeitsleben an. Inhalte und Dauer (max. 1 Jahr) orientieren sich am jeweiligen
Bedarf.
 Modulares Integrationstraining MIT49+: Durch individuelle Beratung, Training und Qualifizierung
bietet es speziell älteren Teilnehmern/-innen Chancen für eine Rückkehr ins Berufsleben.
 Case Management: Individuelle Maßnahmen zum Erhalt des Arbeitsplatzes.
Die derzeit aktuelle Erfolgsbeobachtung vom 15.09.2011 zeigt, dass die Integrationsquoten der Absolventen und Absolventinnen des BFW Dresden bei 83% liegen.
33
Berufsbildungswerk Dresden
Hellerhofstraße 21
01129 Dresden
Tel.: (03 51) 8 43 76 75
[email protected]
www.bbw-dresden.de
Berufsbildungswerk (BBW)
Berufsbildungswerke sind überregionale Einrichtungen zur beruflichen Erstausbildung von jungen
Menschen mit Behinderung, die wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung auf besondere ausbildungsbegleitende Hilfen angewiesen sind. Zu diesem Zweck bieten BBW Maßnahmen zur Berufsvorbereitung und Berufsausbildungen in anerkannten Ausbildungsberufen an. Zur Unterstützung stehen den
Jugendlichen pädagogische, medizinische und psychologische Fachdienste zur Verfügung. Ziel ist die
möglichst dauerhafte Eingliederung in Beruf, Arbeit und Gesellschaft.
Gesetzliche Grundlagen:
Die Förderung der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erfolgt über Rehabilitationsträger wie die
Agentur für Arbeit, die Rentenversicherungen oder die Krankenkassen.
Das BBW Dresden ist ein Geschäftsbereich der Berufsbildungswerk Sachsen GmbH und eine anerkannte Einrichtung der beruflichen Rehabilitation nach § 35 Sozialgesetzbuch IX. Es verfolgt ein ganzheitliches Konzept, das die Möglichkeit zum behindertengerechten Wohnen ebenso einschließt wie eine
umfassende ärztliche und physiotherapeutische Betreuung sowie sozialpädagogische und psychologische Beratung.
Die Kapazität des BBW Dresden liegt zurzeit bei 291 Plätzen in der Berufsausbildung, 64 Plätzen für
die Berufsvorbereitung und 305 Plätzen im Wohnen. Die Bestehensquote der Absolventen/-innen liegt
bei ca. 93%, die Vermittlungsquote bei ca. 80%. 2008 wurde das BBW Dresden von der IHK Dresden
als hervorragender Ausbildungsbetrieb auszeichnet. Es ist Mitglied der „Bundesarbeitsgemeinschaft der
Berufsbildungswerke“ (BAG BBW).
Die Angebote des BBW Dresden
Das BBW Dresden bietet Berufsausbildung und Maßnahmen der Berufsvorbereitung an. Es wird
großen Wert auf die individuelle Förderung der jungen Menschen und Unterstützung bei der Persönlichkeitsentwicklung gelegt.
Das BBW Dresden ist spezialisiert auf die Berufsausbildung und -vorbereitung von jungen Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen. Um den besonderen Bedürfnissen von jungen Menschen
mit einer psychischen Erkrankung Rechnung zu tragen, leisten Mitarbeiter/-innen des Psychologischen
Dienstes vielseitige Unterstützung. Sie beraten beispielsweise bei psychischen Problemen, machen
Angebote zur Stressreduktion und Entspannung oder bieten psychologische und neuropsychologische
Trainings an.
Berufsausbildung
Die Jugendlichen werden ausgebildet in staatlich anerkannten kammergeprüften Berufen der Berufsfelder:






Elektrotechnik/Elektronik
Informatik
Bautechnik
Drucktechnik
Mechanik/Metalltechnik
Wirtschaft/Verwaltung.
Die Auszubildenden lernen im dualen Bildungssystem. Sie besuchen neben ihrer berufspraktischen
Ausbildung die Berufsschulen der Stadt Dresden. Um Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt zu sammeln,
finden Betriebspraktika während der Ausbildungszeit statt. Die Ausbildung dauert je nach Berufsabschluss zwischen 3 und 3 ½ Jahren.
Berufsvorbereitung
Berufsvorbereitende Maßnahmen sollen die persönliche und fachliche Eignung der Jugendlichen
ermitteln, fördern und verbessern. Ziel der Berufsvorbereitung im BBW Dresden ist es, die Jugendlichen
bis zu ihrer Ausbildungsreife zu betreuen. Im Mittelpunkt der Berufsvorbereitung stehen die Maßnahmen:
 Arbeitserprobung (Dauer 15 Arbeitstage)
 Eignungsabklärung (Dauer 49 Arbeitstage)
 Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen (BvB, Dauer i.d.R. 11 Monate, bis zu 18 Monate).
34
AT.Design
Psychosozialer Trägerverein Sachsen e. V.
Bärensteiner Straße 23-25
01277 Dresden
Tel.: (03 51) 2 50 62 20
[email protected]
www.arbeitstherapie-dresden.de
www.ptv-sachsen.de
Arbeitstherapie (Leistung der Krankenkassen)
Die Arbeitstherapie ist ein Bereich der Ergotherapie (siehe Kapitel 2.1.7). Sie ist ein ambulantes medizinisches, verordnungspflichtiges Angebot nach § 32 SGB V. Arbeitstherapie als psychosozialer Therapieansatz unterstützt insbesondere im Handlungsfeld „Arbeit“ Menschen mit einer psychischen Erkrankung bzw. mit psychosozialen Problemen aller Altersstufen, die in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt oder von Einschränkung konkret bedroht sind. Sie soll zur Gesundung und zu innerem Gleichgewicht beitragen und eine Chronifizierung verhindern.
Zielstellung ist die Entwicklung, Verbesserung und der Erhalt der psychischen Grundleistungsfunktionen und Arbeitsfähigkeiten: Antrieb, Motivation, Ausdauer, Flexibilität, Selbstständigkeit, Teamfähigkeit
und Interaktionsfähigkeit. Weitere Ziele sind die Verbesserung der kognitiven und kommunikativen
Fähigkeiten und die berufliche Rehabilitation.
Zur Förderung und als Hilfe zur Teilhabe am Arbeitsleben eröffnet Arbeitstherapie Menschen mit einer psychischen Erkrankung die Möglichkeit, ihr seelisches Befinden mittels beruflich orientierter Angebote zu verbessern. Die Arbeitstherapie bereitet auf ein Arbeitsverhältnis, auf eine Ausbildung oder eine
Reha-Maßnahme vor. Therapeuten und Therapeutinnen begleiten und unterstützen die Teilnehmenden,
sorgen für ein Gleichgewicht von Anregung und Belastung sowie für eine entspannte Arbeitssituation.
Gesetzliche Grundlagen:
Arbeitstherapie wird durch Krankenkassen, Unfallkassen, ggf. auch durch Patienten selber oder durch
ein Persönliches Budget nach § 17 SGB IX finanziert. Nach dem „Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung“ (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG) sowie nach den §§ 32 und 61
SGB V müssen Krankenversicherte eine Zuzahlung leisten.
In der Dresdner Arbeitstherapie steht die Herstellung von edlen Holzkunstartikeln und kunsthandwerklichen Arbeiten aus Glas (Tiffany) im Vordergrund. Neben verschiedenen Büro- und Montagearbeiten bietet die Arbeitstherapie eine Einführung am PC sowie das Training kognitiver Funktionen an. Mit
„ProAktiv“ und „ZERA“ werden auch zwei psychoedukative Gruppen zum Thema Krankheitsbewältigung
bzw. Arbeit durchgeführt. Eine Jugendgruppe ist ausgerichtet auf die Kommunikations- und Interaktionsproblematik, die viele der jüngeren Patienten mitbringen. Die Zielgruppe dafür sind junge Menschen
mit einer psychischen Erkrankung (in der Regel bis 26 Jahre).
2.4.3
Zuverdienstfirmen
Zuverdienstfirmen dienen der Rehabilitation und Stabilisierung von Menschen mit chronischen psychischen Erkrankungen. Sie sind am Markt tätig und konkurrieren mit Firmen der gewerblichen Wirtschaft.
Die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse gehören damit zum ersten Arbeitsmarkt. Menschen mit
chronischen psychischen Erkrankungen erhalten im Rahmen von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen des Ersten Arbeitsmarktes eine ihrem Leistungsvermögen angepasste Möglichkeit zur Teilhabe
am Arbeitsleben.
Da ein Anspruch auf Teilhabe am Arbeitsleben besteht, muss die Platzzahl in Zuverdienstfirmen
dem tatsächlichen Bedarf angepasst werden. Damit soll eine bedarfsgerechte und umfassende regionale Versorgung der Menschen mit einer psychischen Erkrankung gewährleistet werden.
Zuverdienstfirmen haben das Ziel, eine personenzentrierte Tagesstrukturierung und Verdienstmöglichkeit anzubieten, um eine Erhaltung, Verbesserung oder (Wieder-)Herstellung der Erwerbsfähigkeit zu
erreichen. Durch Zuverdienstfirmen können Wiedererkrankungen mit stationärem Aufenthalt vermieden
oder deren Risiko verringert werden. Beschäftigungsverhältnisse in Zuverdienstfirmen bedürfen immer
einer besonders intensiven Betreuung durch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Dieser Betreuungsaufwand ist zu finanzieren.
Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt weniger als 15 Stunden. Die Tages- oder Wochenarbeitszeiten
werden flexibel nach den Bedürfnissen der Beschäftigten und der Auftragslage der Firmen gestaltet.
Längere Krankheitszeiten können dadurch kompensiert werden.
35
Gesetzliche Grundlage:
Die Zuverdienstfirmen erhalten Zuwendungen nach der RL PsySu, um den Betreuungsaufwand für die
Beschäftigten mit einer chronisch psychischen Erkrankung zu finanzieren.
Zuverdienstfirmen in Dresden sind:
Innovative Manufaktur gGmbH
Tochter des Psychosozialen Trägervereins
Sachsen e. V.
Bärensteiner Straße 23 - 25
01277 Dresden
Tel.: (03 51) 2 16 31 82
[email protected]
www.ptv-sachsen.de
Das Grundanliegen der „Innovativen Manufaktur gemeinnützigen GmbH“ (IMG) ist die Erhaltung, Verbesserung, Herstellung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit von Menschen mit einer psychischen Erkrankung, einer Behinderung oder von Menschen, die von einer Behinderung bedroht sind.
Damit soll die Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer gesichert werden.
Für die ca. 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist es wichtig, dass sie eine sinnvolle, wirtschaftlich
notwendige Arbeit verrichten. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielseitig und die Arbeitszeiten können
flexibel auf jede/-n Einzelne/-n abgestimmt werden. Durch die geringe Stundenzahl von unter 3 Stunden
täglich oder auch nur drei Arbeitstage/Woche (mit 2,99 Stunden) sind die Mitarbeiter/-innen besser in
der Lage, dem Leistungsdruck standzuhalten. Durch den individuellen Einsatz konnten die Lebensqualität erhöht und das Erkrankungsrisiko gesenkt werden.
Die Mitarbeiter/-innen sind hochmotiviert und überdurchschnittlich qualifiziert. Sie arbeiten hier innerhalb einer unterstützten Lebensphase, zu der produktionsnahe Tätigkeiten und Dienstleistungen
gehören.
Bei Leistungsschwankungen und krankheitsbedingten Ausfällen, bei wiederholten und auch sehr
langen Krankheitszeiten und bei Langzeitarbeitslosigkeit bietet die IMG eine Qualifizierung „Lernen im
Arbeitsprozess“, gefördert durch den Europäischen Sozialfond, an. Durch Fachanleitung bzw. sozialpädagogische Betreuung erfolgen Kenntnisvermittlung und die Aktivierung vorhandenen Fachwissens in
theoretischen sowie praktischen Übungen. Im Lehrplan sind 100 Stunden Unterricht festgesetzt:
 Einführungsphase zum Kennenlernen, Festlegung der Ziele, Erwartungen der Teilnehmer an das
Projekt, Gruppenregeln erarbeiten
 Vermittlung von „Schlüsselqualifikationen“, verschüttete Stärken und positive Eigenschaften erkennen, Erarbeitung von systematischen Problemstrategien und Training von sozialen Kompetenzen
 Bewerbungstraining
 Grundlagenkenntnisse Hausmeisterdienste und Reinigung
 Grundlagenkenntnisse Malerarbeiten
 Grundlagenkenntnisse für Montagearbeiten (Zusammensetzung von Öldruckschaltern usw. )
Insgesamt werden pro Teilnehmer/-in während der Qualifikation ca. 600 Stunden in der Praxis im
Montagebereich sowie Dienstleistungsbereich geleistet.
Zugangsmöglichkeiten:






Psychosozialer Trägerverein Sachsen e.V.
Sozialpsychiatrischer Dienst des Gesundheitsamtes der Stadt Dresden
Jobcenter der Stadt Dresden
gerichtlich bestellte Betreuer
niedergelassene Psychiater, Kliniken
Betroffene aus der Stadt Dresden
Die IMG leistet Dienste für Firmen beim: Montieren, Komplettieren, Verpacken in der firmeneigenen
Montagehalle. Sie leistet außerdem Dienste für Haus und Garten: Rasen mähen, Winterdienst, Laubsammeln, Keller entrümpeln, kleinere Transporte, Hausmeistertätigkeiten.
INTHIS – Diakoniewerkstatt
Königsbrücker Landstraße 6a
01109 Dresden
Tel.: (03 51) 8 88 19 33
36
Das Arbeitsprojekt INTHIS besteht seit 1994. Die Diakonie-Stadtmission Dresden betreibt dieses Projekt, um langzeitarbeitslosen Menschen mit einer Suchterkrankung einen Zugang auf den Arbeitsmarkt
zu ermöglichen oder zu erleichtern und gleichzeitig die Rückfallgefahr zu verringern. In der
Diakoniewerkstatt finden jährlich durchschnittlich 12 Personen nach Abschluss einer Entwöhnungsbehandlung eine befristete Beschäftigung im Sinne einer Belastungs- und Arbeitserprobung – zunächst für
die Dauer eines Jahres auf Basis von Arbeitsgelegenheiten nach § 16d SGB II. Jedes Jahr gelingt die
Vermittlung einiger Teilnehmer/-innen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt.
Im INTHIS-Zuverdienstprojekt sind 8 arbeitslose oder berentete abstinente Menschen mit einer
Suchterkrankung auf Basis einer geringfügigen Beschäftigung angestellt. Sie können so ihre Fähigkeiten bei Reparatur- und Renovierungsarbeiten, Beräumungen oder Hausmeisterdiensten sinnvoll einsetzen und ihr Einkommen aufbessern. Für die Betreuung der Teilnehmer/-innen sind eine Sozialpädagogin als Projektleiterin und ein handwerklicher Anleiter zuständig. Sie koordinieren die Tätigkeit der
Teilnehmer und Teilnehmerinnen, überwachen die Ausführung, entwerfen neue Projekte und führen
Gruppensitzungen und Einzelfallhilfe durch. Mit den Suchtberatungsstellen in der Stadt Dresden besteht
eine enge Zusammenarbeit.
2.4.4
AWO SONNENSTEIN gGmbH
im Auftrag des Integrationsamtes
Herzberger Straße 24/25
01239 Dresden
Tel.: (03 51) 2 72 39 21
www.awo-sonnenstein.de
Unterstützung
Integrationsfachdienst (IFD)
Der Integrationsfachdienst arbeitet im Auftrag des Kommunalen Sozialverbandes Sachsen (Integrationsamt). Er berät, unterstützt und begleitet Menschen mit einer Behinderung oder von Behinderung
bedrohte Menschen bei der Durchführung der Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Er berät bei
allen Fragen im Zusammenhang mit der Vermittlung in ein Arbeitsverhältnis, Eingliederung in das
Arbeitsleben, der Sicherung des Arbeitsverhältnisses und der beruflichen Orientierung für Schulabgänger. Ziel der Arbeit ist die (möglichst dauerhafte) Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt.
Das Beratungsangebot des IFD ist niedrigschwellig, anonym und kostenlos. Alle Daten jedweder
Gespräche und Informationen unterliegen dem Sozialdatenschutz und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterliegen der Schweigepflicht. Die Beratungen können in der Beratungsstelle, aber auch vor Ort
– z. B. in Betrieben, Schulen bzw. bei Hausbesuchen erfolgen.
Auftraggeber sind neben dem Integrationsamt die Agenturen für Arbeit, die Jobcenter sowie die verschiedenen Rehabilitationsträger.
Gesetzliche Grundlagen:
Der Beratungs- und Betreuungsauftrag hat seine gesetzliche Grundlage in § 102 SGB IX (Aufgaben des
Integrationsamtes). In Teil Zwei §§ 109 – 115 SGB IX sind die gesetzlichen Vorgaben zu Aufgaben und
Adressaten und weitere Regelungen des Integrationsfachdienstes festgelegt. Weitere wichtige normative Grundlagen bilden zudem die Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung (SchwbAV) sowie
das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (BGG).
Der IFD Dresden ist zuständig für die Arbeitsagenturbereiche Dresden und Pirna. Zusätzlich betreibt
er den Fachdienst für Menschen mit Hörbeeinträchtigungen für die Agenturbezirke Dresden, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und Meißen.
Angebotsprofil des IFD Dresden
Der Integrationsfachdienst berät bei Fragen








zur Behinderung und zum Schwerbehindertenrecht (bspw. Kündigungsschutz)
zur Umsetzung auf einen anderen (geeigneteren) Arbeitsplatz
zu Konflikten am Arbeitsplatz oder einer drohenden Kündigung
zur Wiedereingliederung ins Arbeitsleben nach längerer Erkrankung
zur Unterstützung bei der Beantragung von Zuschüssen
zur Unterstützung bei der behindertengerechten Gestaltung des Arbeitsplatzes
Information zu Behinderungsarten und chronischen Krankheitsbildern
zur Suche nach einem geeigneten Arbeitsplatz, bei Vorliegen einer Beauftragung der zuständigen
Rehabilitationsträger unter erfolgsunabhängiger Finanzierung
Berufsorientierung für Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung
(Handlungsfeld1)
 Erstellen einer Potenzialanalyse zur Erfassung der Personal-, Sozial- und Methodenkompetenz
37
 Einbindung aller Beteiligten in den Prozess der Berufsorientierung durch Etablierung eines Unterstützerkreises
 Organisation von Praxistagen vorwiegend in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes
 Gemeinsame Praxisauswertung und Fallberatung im Unterstützerkreis, Mitwirkung bei der Formulierung verbindlicher Ziele zwischen Schülerinnen und Schülern, deren gesetzlichen Vertretern und der
Agentur für Arbeit
 Begleitung des Übergangs in das Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einschließlich der
Erschließung und gegebenenfalls der Koordinierung anderer Fördermöglichkeiten sowie der Herbeiführung der rechtlichen Voraussetzungen (Schwerbehinderteneigenschaft), soweit dies im Einzelfall
erforderlich ist
2.4.5
Helene-Maier-Stiftung
Landgut Theisewitz
Brösgener Str. 2
01731 Kreischa OT Theisewitz
Tel.: (03 52 06) 25 00
www.helene-maier-stiftung.de
Spezialisierte Angebote
Helene-Maier-Stiftung
Die Helene-Maier-Stiftung ist eine gemeinnützige Stiftung bürgerlichen Rechts mit Sitz in Kreischa nahe
der Landeshauptstadt Dresden. Die Stiftung wurde von Herrn Rudolf Presl (Unternehmensgruppe Klinik
Bavaria) ins Leben gerufen und nahm 1996 ihre Tätigkeit auf dem Landgut Theisewitz auf.
Die Helene-Maier-Stiftung erfüllt ihren satzungsmäßigen Zweck durch die Entwicklung und Bereitstellung von therapeutischen Programmen insbesondere für Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen. Es ist das Ziel, auf Grundlage eines neuropsychologischen Konzeptes speziell auf diesen Personenkreis ausgerichtete Angebote zur beruflichen und sozialen Rehabilitation vorzuhalten und somit
Teilhabechancen zu verbessern.
Im Mittelpunkt aller Maßnahmen steht die Arbeit in den Werkstätten, im Übungsbüro sowie im
Zweckbetrieb Landwirtschaft, der sich als regionaler Bio-Betrieb vor allem im Bereich des Obstbaus
engagiert.
Stiftungsprogramm:
WAT – Wiedereingliederung in Arbeit oder Tätigkeit
Programme für Leistungsträger: Stationäre erweiterte Belastungserprobung, Betreute Arbeitsplätze
für Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen
Gesetzliche Grundlagen:
§ 26 und § 33 SGB IX
2.4.6
Bewertung des Versorgungsstandes
Eine Gleichstellung in der beruflichen Integration von Menschen mit einer psychischen und Menschen
mit einer somatischen Erkrankung wird durch irrationale Befürchtungen besonders auf Seiten der
Arbeitgeber/-innen, bedingt durch fehlendes Wissen über psychische Erkrankungen, erschwert. Außerdem nehmen die bürokratischen Hürden bei der Beantragung von Hilfen weiter zu. Menschen mit
psychischen Erkrankungen verfügen oftmals nicht über die dafür erforderlichen Fähigkeiten und können
ihre Ansprüche nur begrenzt durchsetzen.
Die vorhandenen Arbeitsangebote werden den Besonderheiten einer psychischen Erkrankung kaum
gerecht. Zum Beispiel sind Arbeitsaufgaben in einer Werkstatt für behinderte Menschen zu wenig auf
die Fähigkeiten von Menschen mit einer psychischen Erkrankung ausgerichtet. Sie tragen dadurch
kaum zu ihrer Selbstverwirklichung oder einer Befriedigung durch Arbeit bei. Durch ausbleibende Finanzierung bei Erkrankung ist innerhalb der Werkstätten keine flexible Anpassung an eine phasenweise
unterschiedliche Belastbarkeit der Patienten/-innen möglich. Es fehlt an Plätzen in Zuverdienstfirmen
und damit an flexiblen und niedrigschwelligen Arbeitsmöglichkeiten, die entsprechend bezahlt werden.
Es fehlen Möglichkeiten zur Halbtagsausbildung oder zur Unterstützung am Arbeitsplatz, wenn ein
bestehendes Arbeitsverhältnis durch psychische Erkrankung gefährdet ist (z. B. Arbeitsassistenz oder
Supported Employment).
38
Die Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden überwiegend ambulant erbracht. Die meisten Angebote von Arbeit und Beschäftigung befinden sich direkt in Dresden und sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar. Ausgehend vom heutigen Verständnis der Trennung von Wohnort und
Arbeitsstätte ist dies positiv zu bewerten. Gemeindenah, also wohnortnah im engeren Sinne, und
gleichmäßig über die Stadtteile verteilt sind sie nur in wenigen Fällen, da die Schaffung von Angeboten
dieser Art nur ab einer gewissen Teilnehmerzahl sinnvoll ist.
Insbesondere für Einrichtungen zur beruflichen Rehabilitation ist zur Erfüllung ihres Auftrages eine
Konzentration an bestimmten, gegebenenfalls auch wohnortfernen Standorten erforderlich. Das betrifft
insbesondere Berufsbildungswerke und Berufsförderungswerke, die daher auch Internatsplätze und ein
24-Stunden-Hilfsangebot vorhalten. Adaptionseinrichtungen für Menschen mit einer Suchterkrankung
nach abgeschlossener medizinischer Rehabilitation sind bislang ausschließlich dezentrale stationäre
Einrichtungen. Für sie gibt es derzeit keine ambulante Alternative. Im großstädtischen Ballungsraum
wäre die mit der Adaption beabsichtigte soziale und berufliche Rehabilitation unter ambulanten Bedingungen durchaus möglich. Dazu sind Wohngruppen mit angemessener Betreuung (z. B. im Rahmen
des ambulant betreuten Wohnens) und eine umfassende ambulante sozialpädagogische Begleitung für
die Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich. Dieser Baustein kann das Hilfesystem wirksam ergänzen.
Arbeits- und Beschäftigungsangebote können, bedingt durch gesetzlich geregelte Finanzierungswege, nicht kostenlos und anonym genutzt werden. Die Zugangsvoraussetzungen und -möglichkeiten
sollten nach außen transparenter gestaltet und deutlicher kommuniziert werden. Die Trägerzuständigkeiten sind zwar klar geregelt, aber Verfahrenswege bleiben für Klienten und Klientinnen unklar und
dadurch lange ergebnislos. Für den Betroffenen ist die Antragsstellung für Leistungen zur Teilhabe am
Arbeitsleben oft kompliziert, lang und damit – gerade auch aufgrund eigener Probleme – schwierig zu
bewältigen. Hier entstehen Wartezeiten, die den Rehabilitationsprozess insgesamt verlängern und
behindern.
Auch das Wissen über bereits vorhandene Strukturen und Hilfsangebote ist noch nicht ausreichend
auf die unterschiedlichen psychiatrischen sowie nicht-psychiatrischen Einrichtungen und Unternehmen
verteilt.
Vor allem das Konzept des „persönlichen Budgets“ nach § 17 SGB IX, als eine Form der Zugangsmöglichkeit, wird selten erfolgreich umgesetzt. Um ein personenzentriertes Versorgungssystem zu
etablieren, ist ein stärkerer Fokus auf dieses Konzept und das der „Unterstützten Beschäftigung“ nötig.
Zu wünschen ist eine vereinfachte, bedarfsorientierte, kurzfristig erreichbare und den spezifischen
Bedürfnissen von Menschen mit einer psychischen Erkrankung angepasste Form der Subjektförderung
(Persönliches Budget). Nötig sind flexiblere Regelungen und Verantwortungsübernahme durch Kostenträger. Die Betroffenen benötigen mehr Unterstützung bei Beantragung und Durchsetzung von RehaAnsprüchen.
Eine wichtige Rolle in der beruflichen Rehabilitation spielt die Behandlungskontinuität. Ist diese nicht
gewährleistet, können längere Wartezeiten entstehen, bis eine Maßnahme aufgenommen werden kann.
Die Arbeits- und Beschäftigungsangebote in Dresden können zu einem großen Teil informationelle und
personelle Kontinuität sicherstellen. Beides sind wichtige Erfolgsfaktoren für Integration und Inklusion.
Ein stärkerer Fokus muss jedoch auf die Übergänge aus der Klinik in eine Rehabilitationsmaßnahme
oder von einer Rehabilitationsmaßnahme in eine Werkstatt für behinderte Menschen gelegt werden. Um
die Anschlüsse der Maßnahmen, die Übergänge zu den einzelnen Leistungsgebieten zu verbessern,
müssen sich die Institutionen untereinander genauer abstimmen und sich über vorhandene Angebote
regelmäßig austauschen.
Auch aufgrund verschiedener Leistungsträger und -erbringer ist eine Kooperation und Vernetzung
untereinander unabdingbar. Die unterschiedlichen Zuständigkeiten der Leistungsträger erschweren
unter anderem die Planung und Steuerung der Angebotsstruktur. Verbindliche Bedarfszahlen über die
Mindestzahl an benötigten Plätzen – zum Beispiel für Zuverdienstprojekte – gibt es nicht.
Ein regelmäßig stattfindendes Gremium ist die Unterarbeitsgruppe „Arbeit und Beschäftigung“ der
Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft der Landeshauptstadt Dresden. Die Leiterin der Unterarbeitsgruppe ist gleichzeitig berufenes Mitglied der PSAG. Niedergelassene Fachärzte/-innen müssen stärker in
39
die Zusammenarbeit einbezogen werden. Ihnen fehlt es häufig an Informationen über die Möglichkeiten
des beruflichen Rehabilitationsprozesses.
Die Stärkung der Selbstbestimmung („Empowerment“) ist notwendig. Menschen mit einer psychischen Erkrankung erleben sich in der (Arbeits-)Gesellschaft oftmals als hilflos und als unfähig, den an
sie gestellten Anforderungen zu genügen. Teilweise werden Entscheidungen über ihren Rehabilitationsweg ohne sie oder über ihren Kopf hinweg getroffen. In anderen Fällen machen sich professionelle
Helfer/-innen so unentbehrlich, dass ein Leben ohne sie kaum vorstellbar erscheint. Um dem entgegenzuwirken, wird in vielen Einrichtungen mit Arbeits-, Reha- und Beschäftigungsangeboten bereits mit
systemischen Ansätzen und klientenzentriert gearbeitet. Der Klient bzw. die Klientin beeinflusst seine
Rehabilitation, legt selbst seine Ziele fest und entscheidet mit über den Weg der Zielerreichung. Es
werden Zielvereinbarungen geschlossen und mittels Zielerreichungsgesprächen deren Zwischenstand
überprüft und reflektiert. Auch in Zukunft müssen Bedingungen geschaffen werden, damit Menschen mit
einer psychischen Erkrankung noch mehr für sich selbst Verantwortung übernehmen, entscheiden und
sorgen können sowie Abhängigkeit vom Helfersystem vermieden wird.
Ebenso entscheidend ist das Unterstützungspotential der Angehörigen. Eine Rehabilitation bzw. eine Therapie ohne Einbeziehung der Familie und anderer Bezugspersonen ist schon deshalb weniger
wirksam, weil damit der wichtigste Bereich außer Acht gelassen wurde, in dem sich das Leben der
Klienten/-innen (nach der Rehabilitation bzw. nach der Therapie) vollzieht. Familienangehörige wirken
stabilisierend auf die psychische Verfassung der Betroffenen; sie sind also ein gesundheitsfördernder
Faktor. Angehörige unterstützen Menschen mit einer psychischen Erkrankung teilweise aufopferungsvoll, unter Aufgabe eigener Lebensinhalte. Sie leiden oftmals sehr unter der Erkrankung ihrer Familienangehörigen ebenso wie unter (psychodynamischen) Schuldzuweisungen. Während Menschen mit
einer psychischen Erkrankung (in unterschiedlichem Maße) Hilfe zuteilwird, werden deren (gesunde)
Angehörige oftmals allein gelassen.
2.4.7
Handlungserfordernisse
Der Bedarf an Arbeitsplätzen in Werkstätten steigt auch für Menschen mit einer chronischen psychischen Erkrankung. Aufgabe ist es, Teilhabemöglichkeiten außerhalb von Werkstätten zu schaffen, unter
anderem auf Außenarbeitsplätzen als Brücke zum Ersten Arbeitsmarkt oder im Rahmen einer „Unterstützten Beschäftigung“ nach § 38a SGB IX. Zu prüfen bleibt, ob für Dresden ausreichend Plätze in
Rehabilitationseinrichtungen für Menschen mit einer chronischen psychischen Erkrankung vorhanden
sind. Ausgehend von einer zu erwartenden Studie zu Arbeits- und Qualifizierungsprojekten für Menschen mit einer psychischen Erkrankung und Menschen mit einer Suchterkrankung in
Zuverdienstfirmen für Sachsen ist die Situation dieser Angebote in Dresden zu überprüfen und gegebenenfalls finanziell zu sichern. Begleitet wird die Studie von einer Arbeitsgruppe unter Leitung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz.
Eine vereinfachte, bedarfsorientierte, kurzfristig erreichbare und den spezifischen Bedürfnissen von
Menschen mit einer psychischen Erkrankung angepasste Form der Subjektförderung ist notwendig. Als
Grundlage für die Umorientierung zu einem personenzentrierten Versorgungssystem werden insbesondere die rechtlich bindenden Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention (Artikel 24 und 27) gesehen. Zur Ausgestaltung bedarfsgerechter und passender Leistungsangebote für eine Teilhabe am
Arbeitsleben sowohl im Umfeld des Allgemeinen Arbeitsmarktes als auch betreuter/geschützter Beschäftigungsmöglichkeiten in entsprechenden Einrichtungen muss das Persönliche Budget nach § 17
SGB IX noch mehr als bisher als ein sinnvolles Instrument genutzt werden, um Personenzentrierung
und Selbstbestimmung möglich zu machen.
Als ein möglicher Ansatz zur Systemveränderung wird insbesondere die Erhöhung der Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Stufen der Arbeits-/Beschäftigungsmöglichkeiten gesehen. Ein weiteres
daraus resultierendes Ziel soll das „Heraustreten“ aus Sondereinrichtungen für Menschen mit psychischen Erkrankungen sein.
40
Notwendig sind flexiblere Beschäftigungsformen – zum Beispiel Teilzeitarbeitsplätze oder Halbtagsausbildungen – entsprechend den Fähigkeiten von Menschen mit einer psychischen Erkrankung. Möglichkeiten der Unterstützung am Arbeitsplatz, z. B. durch Arbeitsassistenz, wenn ein bestehendes
Arbeitsverhältnis durch psychische Erkrankung gefährdet ist, müssen geschaffen werden. Eine Form
dessen ist Supported Employment bzw. Unterstützte Beschäftigung. Das Konzept beinhaltet die Unterstützung durch einen Job-Coach bei der direkten Integration im ersten Arbeitsmarkt. Arbeitsassistenz
beinhaltet die langfristige Begleitung der Betriebe und der Arbeitnehmer/-innen, um den Arbeitsplatz zu
erhalten. Nötig sind ebenfalls flexiblere Regelungen und Verantwortungsübernahme durch die Leistungsträger.
Für diejenigen, für die eine Werkstatt oder eine Zuverdienstfirma (noch) nicht geeignet ist, können
tagesstrukturierende und Beschäftigungsangebote einer Psychosozialen Kontakt- und Beratungsstelle
(zum Beispiel die Holzwerkstatt) im Zusammenwirken mit Ergo- bzw. Arbeitstherapie eine Alternative
sein. Durch eine schrittweise Steigerung der Belastungsfähigkeit kann der Übergang in eine weiterführende Maßnahme erleichtert werden. Dies ist aber nur bei angemessener Personalausstattung umsetzbar.
Beim Schaffen von neuen Arbeitsplätzen sollte den Ressourcen von Beschäftigten mit einer psychischen Erkrankung Rechnung getragen werden und sollten die Arbeitsaufgaben im Rahmen der Arbeitszeit zu realisieren sein.
Um das Gelingen von beruflicher Rehabilitation zu erreichen, ist es notwendig, die Unternehmen in
der Region mit einzubeziehen. So sollten Gremien der Wirtschaft (auf politischer Ebene) genutzt und für
das Thema „Arbeit und Psyche“ sensibilisiert werden. Beispielsweise könnte ein Pool von potentiellen
Mitarbeitern/-innen (ähnlich einer Zeitarbeitsfirma) über eine „Nachbetreuungsstelle“ vorgehalten werden. Eine Firma hat somit die Möglichkeit, unkompliziert die Leistungsfähigkeit des Mitarbeiters oder der
Mitarbeiterin zu prüfen. Ein regionaler Verbund der Leistungserbringer bei der Erschließung und Akquise von Arbeits- und Betreuungsplätzen bietet zudem die Chance, personenzentrierte Eingliederungen
passgenau gestalten zu können.
Das Gespräch mit in Dresden ansässigen Unternehmen, den zukünftigen Arbeitgebern/-innen, muss
gesucht werden. Es bedarf einer offensiven Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit, damit Menschen mit
einer psychischen Erkrankung oder Menschen, die davon bedroht sind, wieder ins Arbeitsleben zurückkehren können oder gar nicht erst ausscheiden müssen. Zusätzlich spielen präventive Maßnahmen am
Arbeitsplatz eine wichtige Rolle, um einer psychischen Belastung vorzubeugen.
Neben einer Aufklärung über die Erkrankung ist auch das Informieren über das bereits vorhandene
Hilfsangebot notwendig. Um für den einzelnen mehr Transparenz in Angebote und Zuständigkeiten zu
bringen, wäre eine neutrale Beratung sinnvoll. Beispielgebend sind hier die „Dresdner Bildungsbahnen“
zu nennen, die eine Beratung und Orientierung im Bereich der Bildung geben.
Durch die Unterarbeitsgruppe „Arbeit und Beschäftigung“ wird ein entsprechendes Faltblatt erarbeitet, in dem die Angebotsstruktur im Bereich Arbeit und Beschäftigung dargestellt ist.
Die Betroffenen müssen bei der Beantragung und Durchsetzung von Rehabilitationsansprüchen
stärker unterstützt werden. Wartezeiten zwischen einzelnen Maßnahmen können durch eine frühzeitige
multiprofessionelle Betreuung, die gemeinsam mit den Betroffenen Perspektiven entwickelt, reduziert
bzw. vermieden werden. Das heißt beispielsweise aus der medizinischen Rehabilitation heraus Übergänge und Wege zu planen, Trägerkontakte zu aktivieren und dabei jeweils die regionalen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Hierfür wäre eine Lotsenfunktion – ähnlich der Berufshelfer/-innen der Berufsgenossenschaft bzw. ein/-e Ansprechpartner/-in zur Steuerung des Gesamtprozesses – hilfreich. Der
„Lotse“ kennt den oder die Betroffene/-n von Anfang an und kann den Rehabilitationsprozess professionell begleiten. Er kann den Prozess gut steuern und helfend bzw. unterstützend eingreifen. In schwierigen Situationen kann er gegebenenfalls sofort intervenieren und somit auch Kosten minimieren.
Als weiteres Entwicklungsziel ist die Schaffung von Möglichkeiten eines durchgängigen Fallmanagements zu formulieren, wenn psychische Erkrankung absehbar zu einem Bruch in der
41
Erwerbsbiografie führt. Dies ist insbesondere dann erforderlich, wenn aufgrund einer nicht vorliegenden
Schwerbehinderteneigenschaft oder Gleichstellung keine Einschaltung des Integrationsfachdienstes
erfolgen kann. Für eine Ermittlung der individuellen Bedarfslagen zur Teilhabe am Arbeitsleben der
Betroffenen ist der Ausbau der Nutzung und Entwicklung von Assessments hilfreich, die auch zur
Evaluation laufender Integrationsmaßnahmen Einsatz finden können.
Um den Menschen mit einer psychischen Erkrankung in seiner Selbstbestimmung zu stärken, darf
er nur in dem Maße beraten und begleitet werden, wie es tatsächlich nötig ist. Das Helfersystem muss
sich zurücknehmen, sobald es möglich ist. Dazu ist u. a. die Einbindung von Freunden, (ehemaligen)
Kollegen/-innen, Familie und anderen Bezugspersonen in das Helfersystem notwendig. Entscheidungen
über den rehabilitativen Weg müssen in der Hand der Betroffenen bleiben. Dazu sind Behandlungsverträge und -vereinbarungen ein gutes funktionales Mittel.
Anzustreben ist eine verstärkte Individualisierung und Flexibilisierung des Rehabilitations- und Hilfesystems, ein stärker systemisches Arbeiten der Leistungserbringer und ein Abbau bürokratischer Hürden bei der Reha- und Hilfebeantragung. Im Prozess der Wiedereingliederung von Rehabilitanden in
den Arbeitsprozess sollte immer die Person im Mittelpunkt stehen. Im Fall einer Krise sollten Ansprechpartner/-innen bekannt sein. Selbsthilfegruppen können im Prozess der Rückführung in den Arbeitsmarkt ebenso eine wegweisende Funktion übernehmen.
Die Anbieter von Arbeits-, Rehabilitations- und Beschäftigungsmöglichkeiten arbeiten mit interessierten Angehörigen gern und eng zusammen. Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben (einschließlich der
Finanzierung) kann diese Beziehungsarbeit oft nur zusätzlich und unentgeltlich erbracht werden. Anzustreben ist eine Finanzierung von Angehörigenarbeit dort, wo sie noch nicht Bestandteil der Rehabilitation ist. Systemische Therapie sollte regelmäßig Bestandteil der Behandlung sein. Die Unterstützung
von Menschen mit einer psychischen Erkrankung durch ihre Angehörigen muss gesellschaftlich mehr
anerkannt werden.
Zur Umsetzung dieser Handlungserfordernisse sind eine enge Zusammenarbeit der Leistungserbringer mit den zuständigen Leistungsträgern (Arbeitsamt, Rententräger, KSV) und die Entwicklung
geeigneter Angebote erforderlich. Die PSAG bzw. deren Unterarbeitsgruppe „Arbeit und Beschäftigung“
kann hier vermittelnd, fachlich beratend und konzeptionell unterstützend tätig werden.
42
2.5 Wohnen
Vorübergehend kann es für Menschen mit einer psychischen Erkrankung nötig sein, in einem geschützten Umfeld zu leben und zu wohnen. Die betreuten Wohnformen sind entsprechend dem unterschiedlichen Hilfebedarf aufgebaut. Hilfen zur Selbstversorgung, zur Aufnahme und Gestaltung sozialer Beziehungen sowie zur Teilhabe am sozialen und gesellschaftlichen Leben werden in unterschiedlicher
Intensität erbracht.
In Sachsen und Dresden gibt es ein abgestuftes dreigliedriges System bestehend aus sozialtherapeutischen Wohnstätten, Außenwohngruppen und aufsuchend ambulant betreutem Wohnen. Dieses
Angebot wird in Dresden ergänzt durch betreutes Wohnen in Familien.
Der Bedarf an betreuten Wohnformen ist kontinuierlich und regional zu überprüfen. Steigendem Bedarf ist durch Ausbau weniger institutionalisierter Wohnformen zu begegnen. (LPP 2011: 54)
Wichtige Parameter zur Ausgestaltung der Hilfen sind in den Leistungstypen gemäß Anlage 1 zum
sächsischen Rahmenvertrag von 2006 geregelt. Dieser Vertrag wurde gemäß § 79 Abs. 1 SGB XII
zwischen dem Kommunalen Sozialverband Sachsen und den Trägern der freien Wohlfahrtspflege unter
Beteiligung des SMS geschlossen. Die Leistungstypen sind durch den spezifischen Hilfebedarf einer
bestimmten Zielgruppe definiert. Zuständig für die Ermittlung des Hilfebedarfs und die Zuordnung zur
Hilfebedarfsgruppe ist der KSV als überörtlicher Sozialhilfeträger.
Die Angebote zum betreuten Wohnen sind Leistungen der Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff SGB
XII. Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, eine drohende Behinderung zu verhüten oder
eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die Rahmenbedingungen für
eine gelingende Inklusion zu schaffen.
Sofern der oder die Berechtigte nicht selbst durch den Einsatz von Einkommen und Vermögen zur
Finanzierung der Betreuungsleistungen in der Lage ist, besteht gemäß § 54 SGB XII in Verbindung mit
§ 55 SGB IX im Rahmen der Eingliederungshilfe die Möglichkeit der Unterstützung durch den Sozialhilfeträger.
Gemäß § 13 des Sächsischen Gesetzes zur Ausführung des Sozialgesetzbuches (SächsAGSGB )
ist der Kommunale Sozialverband Sachsen u. a. für die Gewährung von teilstationären und stationären
Leistungen sowie das ambulant betreute Wohnen für die Altersgruppe der 18- bis 64-Jährigen zuständig. Im Einzelfall kann für Personen ab vollendetem 18. Lebensjahr bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, in begründeten Einzelfällen bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres, auch eine Zuständigkeit
des Jugendhilfeträgers nach § 35a SGB VIII gegeben sein. Für die über 65-Jährigen ist das Sozialamt
Dresden als örtlicher Sozialhilfeträger zuständig.
2.5.1
Ambulant betreutes Wohnen (abW)
Das ambulant betreute Wohnen ist ein sozialpädagogisch begleitender Dienst, der Menschen mit einer
chronischen psychischen Erkrankung vorrangig in ihren Wohnungen aufsucht und begleitet. Die zum
selbstständigen Leben in der Gemeinschaft erforderlichen individuellen Hilfen werden unter dem Aspekt
„Hilfe zur Selbsthilfe“ gemeinsam in einem Hilfeplan festgelegt.
Art und Umfang der Leistung richtet sich nach einem fachärztlich begutachteten Hilfebedarf. Die Begutachtung erfolgt über den SpDi oder den Medizinisch Pädagogischen Dienst (MPD) des KSV. In der
Richtlinie zum ambulant betreuten Wohnen ist die Betreuung im Einzelwohnen mit einem Personalschlüssel von 1:12 bemessen. Laut Landespsychiatrieplan liegt die Messziffer für Sachsen aktuell bei
0,4 Plätzen je 1.000 Einwohner/-innen. (Vgl. LPP 2011: 58) Aufgenommen werden Menschen mit einer
psychischen Erkrankung, die:
 bereits in einer eigenen Wohnung leben bzw. zukünftig leben werden
 stationärer Behandlung nicht mehr bedürfen, aber noch nicht ohne Begleitung in eigener Wohnung
leben können
 aus einer sozialtherapeutischen Wohnstätte oder Außenwohngruppe in eine eigene Wohnung
ziehen werden.
43
Auf der Grundlage eines Bezugsbetreuersystems werden folgende allgemeingültigen Ziele angestrebt:






Erhalt und Förderung der Selbstständigkeit in der eigenen Wohnung
Integration in die Gesellschaft
Annahme und Umgang mit der Erkrankung
Förderung der Kontakt- und Entscheidungsfähigkeit
Bewältigung von Konflikten und Stresssituationen
Fähigkeit zum Aufbau und Erhalt tragfähiger und stabiler Beziehungen.
Für eine erfolgreiche Betreuung ist die Motivation der Antragsteller/-innen, das Leben eigenständig
zu gestalten, von entscheidender Bedeutung. Nach Kostenzusage erfolgt im Rahmen der Fallsteuerung
die gemeinsame Erstellung eines Hilfeplanes.
Der Leistungserbringer bietet eine kontinuierliche Unterstützung im Sinne der Fallsteuerung u. a. in
folgenden Bereichen an:
 Durchsetzung materieller und sozialer Rechte
 Inanspruchnahme fach-, haus-, nervenärztlicher und psychologischer Leistungen
 Selbstversorgung
 Einzelgespräche als Möglichkeit der seelischen Entlastung
 Training kommunikativer Fähigkeiten
 Tagesgestaltung, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben
 Arbeitssuche bzw. Beschäftigung
 Gruppenarbeit
 Zusammenarbeit mit Angehörigen.
Betreuungsphilosophie:
 Achtung des Willens und der Persönlichkeit der Klienten/-innen
 Achtung und Wahrung der Intimsphäre
 Hilfe zur Selbsthilfe; gemeinsames Handeln bestimmt die Betreuung
 Klientenzentrierte Betreuung
 Möglichkeit der Beschwerde
 Gewährleistung des Datenschutzes
 Ressourcenorientierte Betreuung
Leistungserbringer von ambulant betreutem Wohnen und vorhandene Plätze in Dresden:
Tab. 8: Träger und Platzzahlen des ambulant betreuten
Wohnens. Stand: 30.06.2011,
Kommunale Statistikstelle Dresden
Versorgungsgebiet
Leistungserbringer
Einwohnerzahl
Plätze
Messziffer in Sachen
40:100.000 EW
Nord
Diakonisches Werk - Stadtmission
Dresden e. V. (Diakonie)
158.416 EW
60
63
Mitte
Psychosozialer Trägerverein
Sachsen e. V. (PTV)
173.167 EW
70
69
Süd
Gemeindenahe sozialpsychiatrische Versorgung Dresden gemeinnützige GmbH (GESOP)
187.037 EW
60
75
Dresdner Pflege- und Betreuungsverein e. V. (DPBV)
35
6
Gut Gamig e. V.
231
44
207
Die Kapazitäten des abW für Menschen mit Suchterkrankungen sind hier nicht berücksichtigt. Im
Gegensatz zum stationären Bereich ist Dresden im innersächsischen Vergleich mit Plätzen der ambulanten Betreuung gut ausgestattet. In Dresden liegt der Fokus schon immer, im Sinne einer gemeindenahen Versorgung, auf flexiblen ambulanten Wohnangeboten, um dadurch den stationären Bedarf zu
verringern.
Erweiterungen werden nach individuell festgestelltem Bedarf beantragt und nach Prüfung durch das
Sozialamt befürwortet und durch den KSV bestätigt. Abstimmungen zum Bedarf erfolgen in Gesprächen
zwischen der Abteilung Sozialplanung des Sozialamtes, dem Gesundheitsamt und den Leistungserbringern. Angebote für Menschen, die chronisch psychisch erkrankt sind, müssen von der PSAG bestätigt werden.
Anbieter für ambulant betreutes Wohnen in Dresden:
Nord
Diakonie
Alaunstraße 84 HH
01099 Dresden
Tel.: (03 51) 8 04 67 08
[email protected]
www.diakonie-dresden.de
Mitte
PTV
Gabelsbergerstraße 27a
01309 Dresden
Tel.: (03 51) 4 40 03 29
[email protected]
www.ptv-sachsen.de
Süd
GESOP gemeinnützige GmbH
Michelangelostraße 11
01217 Dresden
Tel.: (03 51) 43 70 82 27
[email protected]
www.gesop-dd.de
2.5.2
GESOP gemeinnützige GmbH
Gasanstaltstr. 10
01237 Dresden
Tel.: (03 51) 21 53 08 51
[email protected]
www.gesop-dd.de
DPBV
Amalie-Dietrich-Platz 3
01169 Dresden
Tel.: (03 51) 4 16 60 42
[email protected]
www.ambulantes-pflegezentrum.de
Gut Gamig e. V.
Gamig Nr. 2
01809 Dohna
Tel.: (03 52 9) 50 58 32
Betreutes Wohnen in Familie
Im betreuten Wohnen in Familien nehmen Familien oder Lebens- bzw. Wohngemeinschaften einen
Menschen mit seelischer Erkrankung in ihr Lebensfeld auf und lassen ihn am alltäglichen Leben teilhaben. Es dient vor allem der Vermeidung und Verkürzung eines stationären Wohnens z. B. in einer
sozialtherapeutischen Wohnstätte. Vorteil ist dabei das Eingebunden sein in ein privates soziales
Beziehungsnetz, in einen natürlich gewachsenen Alltag, und die Möglichkeit eines Zuhauses außerhalb
professioneller Angebotsstrukturen. Bedingung ist die Bereitstellung eines eigenen Zimmers oder
Appartements durch die Familie und die Zurverfügungstellung von Zeit. Die Gastfamilien erhalten eine
monatliche Aufwandsentschädigung und eine Pauschale für Unterkunft und Verpflegung. Die Familien
werden durch ein Fach-Team regelmäßig begleitet und unterstützt. Bisher fehlt die Finanzierung der
Öffentlichkeitsarbeit, Akquise und der unabdingbaren Anbahnungsphase zur Vermittlung.
Gesetzliche Grundlagen:
Zwischen der Gastfamilie, dem Kommunalen Sozialverband Sachsen, dem Leistungsträger und dem
Gastbewohner/der Gastbewohnerin wird eine Vereinbarung geschlossen. Die Gastfamilie erhält ein
monatliches Betreuungsgeld, anteilige Miete und eine Pauschale für Unterkunft und Verpflegung.
45
2.5.3
Stationäres Wohnen in Außenwohngruppen und Wohnstätte
Das Angebot „stationäres Wohnen“ unterliegt verschiedenen gesetzlichen Grundlagen, was die räumliche und sächliche Ausstattung, inhaltliche Arbeit, Finanzierung, Kooperation u. ä. betrifft:
 SGB VIII (Betreuung junger Volljähriger)
 SGB XII (Eingliederungshilfe)
 das Heimgesetz.
Die Wohnstätte für Menschen mit einer chronischen psychischen Erkrankung muss dem „Netzplan
des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales zu sozialtherapeutischen Wohnstätten für chronisch
psychisch kranke Menschen“ sowie den „Empfehlungen des SMS zur baulichen Gestaltung (Planungsempfehlungen Wohnstätten)“ entsprechen.
Finanziert wurden Investitionen dieser Angebote bisher nach RL-PsySu anteilig durch das Land
Sachsen (85%) und den Leistungserbringer (15%). Entsprechend einem Erlass von Seiten des SMS
vom 11. August 2010 ist zukünftig eine Förderung von Investitionskosten nur möglich, wenn sich die
Kommune an der Finanzierung beteiligt. Die Förderung des Freistaates erfolgt maximal in Höhe des
Kommunalanteils.
Daneben ist für Außenwohngruppen und sozialtherapeutische Wohnstätten das „Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz“ (WBVG) anzuwenden. Es ist anzuwenden u. a. auf Verträge mit volljährigen
Menschen mit einer Behinderung, wenn ihnen Wohnraum überlassen wird und Pflege- oder Betreuungsleistungen erbracht werden.
Außenwohngruppe (AWG)
Außenwohngruppen sind ein Wohn- und Betreuungsangebot für Menschen mit einer psychischen
Erkrankung. Sie sind das Bindeglied zwischen stationärer Unterbringung in einer Sozialtherapeutischen
Wohnstätte und ambulanten Eingliederungshilfen und Wohnformen. Außenwohngruppen sind Teile der
sozialtherapeutischen Wohnstätten. Sie sind organisatorisch und fachlich an die soziale und therapeutische Infrastruktur der sozialtherapeutischen Wohnstätte angebunden.
Aufgenommen werden erwachsene Menschen mit einer psychischen Erkrankung, die über eine
Selbstständigkeit und Stabilität verfügen, die die umfassende Betreuung in einer Sozialtherapeutischen
Wohnstätte nicht mehr erfordert oder erwachsene Menschen, die bisher in einer ambulanten Wohnform
lebten, aber einen erhöhten individuellen Hilfebedarf haben. Das Angebot kann auch von Menschen
wahrgenommen werden, die bisher keine dieser Hilfen beansprucht haben. Der Betreuungsschlüssel
liegt nach Maßgabe des KSV bei einer Betreuerin oder einem Betreuer für 6 Bewohner/-innen.
Die Betreuung der Bewohner/-innen vor Ort findet in der Regel nachmittags und in den frühen
Abendstunden statt. Nachts besteht eine telefonische Rufbereitschaft des Nachtdienstes der Wohnstätte. Voraussetzungen für eine Aufnahme sind:
 ein fachärztliches Gutachten (i.d.R. Formblatt A)
 eine schriftliche Zusage der Kostenübernahme durch den Leistungsträger
 bei einer Pflegebedürftigkeit, die nicht vordergründig ist, die Kostenübernahmeerklärung der Kranken- bzw. Pflegekasse für einen Pflegdienst
 der Nachweis über eine private Haftpflichtversicherung
 der Abschluss eines Wohn- und Betreuungsvertrages mit dem Leistungserbringer.
Ziel ist es, ein weitgehend selbstbestimmtes Leben in der Gesellschaft ohne Ausgrenzung zu ermöglichen. Die Außenwohngruppe bietet den Bewohnern/-innen eine Chance zur Erprobung oder
(weiteren) Stärkung der Verselbstständigung mit dem Ziel eines Wechsels in eine Wohnform mit weniger Betreuung. Die Unterstützung des Einzelnen richtet sich nach dessen individuellen Voraussetzungen und Fähigkeiten.
46
Die Standorte der Außenwohngruppen sind:
Tab. 9: Träger und Platzkapazitäten für Außenwohngruppen
Stand: 30.06.2011, Kommunale Statistikstelle Dresden
Versorgungsgebiet
Einwohnerzahl
Mitte
173.167 EW
Leistungserbringer
Plätze
Psychosozialer Trägerverein
Sachsen e. V. (PTV)
11
Zwinglistraße 52
01277 Dresden
seit 6.3.2007
Süd
187.037 EW
Naumannstraße 3a
01309 Dresden
seit 1.7.2005
Gemeindenahe sozialpsychiatrische Versorgung Dresden
gemeinnützige GmbH (GESOP)
Hochschulstraße 28/30
01069 Dresden
seit Februar 2012
Klopstockstraße 50
01157 Dresden
seit November 2011
9
8
8
36
Im innersächsischen Vergleich hat Dresden die niedrigste Anzahl von Außenwohngruppen-Plätzen.
Chemnitz besitzt 31 Plätze und Leipzig zählt 52 (Stand: 31.12.2009).
In Dresden wird das Angebot erbracht durch:
GESOP gemeinnützige GmbH
Außenwohngruppe I
Hochschulstraße 30
01069 Dresden
Tel.: (03 51) 50 14 01 84
[email protected]
www.gesop-dd.de
Außenwohngruppe II
Klopstockstraße 50 (Hinterhaus)
01157 Dresden
Tel.: (03 51) 31 62 79 16
[email protected]
www.gesop-dd.de
Psychosozialer Trägerverein Sachsen e. V.
Außenwohngruppe I
Naumannstraße 3a
01309 Dresden
Tel.: (03 51) 3 13 94 84
[email protected]
www.ptv-sachsen.de
Außenwohngruppe II
Zwinglistraße 52
01277 Dresden
Tel.: (03 51) 31 40 39 99
[email protected]
www.ptv-sachsen.de
47
GESOP gemeinnützige GmbH
Schweizer Straße 12
01069 Dresden
Tel.: (03 51) 21 39 17 17
[email protected]
www.gesop-dd.de
Psychosozialer Trägerverein Sachsen e. V.
Gabelsbergerstraße 27a – 29
01309 Dresden
Tel.: (03 51) 44 00 30
[email protected]
www.ptv-sachsen.de
Sozialtherapeutische Wohnstätten (WST)
Das Angebot der Sozialtherapeutischen Wohnstätte beinhaltet die Unterstützung und Begleitung von
Menschen mit einer chronischen psychischen Erkrankung in folgenden Bereichen:





Förderung eines angemessenen Umgangs mit der Krankheit
Förderung der sozialen Kompetenz (Kontaktfähigkeit, Konfliktfähigkeit etc.)
Training zum eigenständigen Leben
Anleitung zur Tagesstrukturierung und sinnvollen Freizeitgestaltung
Förderung eines realistischen und positiven Selbstbildes.
Aufgenommen werden Personen ab dem 18. bis zum 65. Lebensjahr. Die Bewohner/-innen können
über das 65. Lebensjahr hinaus in der Einrichtung bleiben, wenn die Betreuung in der Wohnstätte ihrem
Hilfebedarf entspricht. Es werden Einzel- und Gruppenangebote durchgeführt. Die Betreuung erfolgt
rund um die Uhr.
Menschen, bei denen eine geistige Behinderung, eine Suchterkrankung oder eine gerontopsychiatrische Erkrankung im Vordergrund steht, werden nicht aufgenommen. Menschen mit einer Doppeldiagnose (Psychose und Sucht) können betreut werden, wenn die Betroffenen über einen längeren Zeitraum clean bzw. trocken sind, dies bleiben wollen und ihre Suchterkrankung bereits therapeutisch
behandelt wurde.
Die Bewohner/-innen werden derzeit in den Hilfebedarfsgruppen:
 Wohnen in der Wohnstätte mit interner Tagesstruktur
 Wohnen in der Wohnstätte mit externer Tagesstruktur
 Wohnen in der Außenwohngruppe mit interner Tagesstruktur
und
 Wohnen in der Außenwohngruppe mit externer Tagesstruktur betreut.
In der Stadt Dresden gibt es zurzeit zwei Sozialtherapeutische Wohnstätten. Die Wohnstätten haben
eine Kapazität von insgesamt 66 Plätzen. In einer Wohnstätte wird ein Krisenzimmer (für Bewohner/innen der Außenwohngruppe) vorgehalten. Eine dritte Wohnstätte ist seit 2006 in Planung.
In Dresden werden durch folgende Träger Wohnstätten bereitgehalten:
Plätze
Bedarf*
30:100.000 EW
Psychosozialer Trägerverein Sachsen e. V. (PTV)
36
52
187.037 EW
Gemeindenahe sozialpsychiatrische Versorgung
Dresden gemeinnützige
GmbH (GESOP)
30
56
158.416 EW
In Planung
Diakonisches Werk Stadtmission Dresden e. V.
(Diakonie)
Dresden Klotzsche
32:
12 geschützte Plätze nach
§ 1906 BGB
20 offene Plätze für Menschen
mit Doppeldiagnose
47
66 (98)
155
Versorgungsgebiet
Einwohnerzahl
Mitte
173.167 EW
Süd
Nord
Leistungserbringer
*laut sächsischem „Netzplan sozialtherapeutischer Wohnstätten für chronisch psychisch kranke Menschen“
Tab. 10: Träger und Platzkapazitäten der Wohnstätten, Stand: 30.06.2011, Kommunale Statistikstelle Dresden
48
2.5.4
Bewertung des Versorgungsstandes
Der Bedarf an Wohnplätzen in der stationären gemeindepsychiatrischen Versorgung ist durch die zwei
Wohnstätten nicht ausreichend gedeckt. Dadurch ist nicht gewährleistet, dass Menschen mit einer
chronischen psychischen Erkrankung und stationärem Hilfebedarf in Dresden wohnen bleiben können.
Deshalb gibt es seit 2006 Aktivitäten für eine dritte Wohnstätte. Ein darüber hinausgehender Ausbau an
Plätzen ist nicht vorgesehen. Ambulante Angebote sollen stattdessen bedarfsgerecht weiter ausgebaut
und finanziert werden. Für Menschen mit körperlichem Hilfebedarf soll ein an den individuellen Bedarfen und Ressourcen ausgerichtetes ambulantes Hilfsangebot möglich sein. Dazu sind oft flankierende
Maßnahmen notwendig und eine konsequente Fallsteuerung unabdingbar.
Innerhalb der Wohnstätten hat die Gruppe der alt gewordenen Menschen mit einer psychischen Erkrankung deutlich zugenommen. Eine adäquate Betreuung, vor allem in der pflegerischen medizinischen Versorgung, kann in den Einrichtungen nur unzureichend oder gar nicht durchgeführt werden, da
das benötigte Krankenpflegepersonal in einer sozialtherapeutischen Wohnstätte nicht zwingend vorgehalten wird. Zudem hat diese Personengruppe andere Bedürfnisse, auf die mit anderen Konzepten als
denen zur Motivation und Aktivierung reagiert oder eingegangen werden muss.
Betreuungsanfragen von jungen Erwachsenen im Alter zwischen 18 und 25 Jahren nehmen ebenfalls verstärkt zu. Diese Personen kommen zum Teil aus Einrichtungen der Jugendhilfe und benötigen
neben der sozialtherapeutischen Begleitung oft erzieherische Hilfen. Zum Teil liegt bei diesem Personenkreis zusätzlich eine Suchterkrankung vor. Der dadurch erhöhte Betreuungsbedarf wird derzeit nicht
finanziert. Vordergründig fehlen spezielle Wohn- und tagesstrukturierende Betreuungsangebote, die auf
die speziellen Themen junger Erwachsener, beispielsweise im Bereich Ausbildung und Beschäftigung,
eingehen können.
Einen Bedarf gibt es zusätzlich im Bereich der geschützten Unterbringung nach dem Bürgerlichen
Gesetzbuch (BGB) und im Bereich der Wohnformen für Menschen mit Doppeldiagnosen aus dem
Bereich Psychiatrie und Sucht. Diese Patienten und Patientinnen konnten bisher nur außerhalb von
Dresden oder Sachsen untergebracht werden. Das führte häufig zum Abbruch der oft wenigen sozialen
Kontakte. Die Unterbringung in der Wohnstätte ist bei einer Verbindung aus psychischer Erkrankung
und Alkoholabhängigkeit oft problematisch, da ein striktes Alkoholverbot nicht bei allen Bewohnern/innen erforderlich und im Einzelfall daher nur schwer umzusetzen ist. Bezüglich illegaler Drogen sind
Kontrollen und Hausordnung besser umsetzbar. Hier ist ein Ausbau der Vernetzung mit der Suchthilfe
nötig – gerade in Bezug auf nicht abstinenzfähige Alkoholiker.
In den Sozialtherapeutischen Wohnstätten in Dresden leben Menschen mit verschiedenen Störungs- und Krankheitsbildern. Spezialisierte Angebote für die oben genannten Bedarfsgruppen fehlen
noch. Oft werden Wohnstätten als schnelle Lösung benutzt, wenn das Wohnen zu Hause nicht mehr
möglich ist. In den letzten Jahren ist die Tendenz zu erkennen, dass Menschen mit einer schweren
chronischen psychischen Erkrankung im Alter zwischen 40 und 50 Jahren, die bisher von ihren Angehörigen (vor allem Eltern) betreut wurden, verstärkt Aufnahme in stationäre Wohnformen suchen.
Durch eine vermehrte Aufnahme von männlichen Klienten ist ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis im Personal besonders wichtig geworden. Dies kann in den Wohnstätten zum Großteil gewährleistet werden.
Nicht alle Klienten und Klientinnen, die einen ganztägigen und/oder intensiven Hilfebedarf haben,
möchten stationär betreut werden. Doch die Suche nach eigenem Wohnraum wird durch die Erkrankung und damit einhergehender Stigmatisierung sowie geringem eigenem Einkommen erschwert. Es
fehlt ein tolerantes Wohnumfeld, das für die Aufnahme von Menschen mit einer psychischen Erkrankung offen ist. Je später die Klienten/-innen in eigene Räumlichkeiten umziehen können, desto größer
wird die Gefahr einer Hospitalisierung innerhalb der Wohnstätte.
49
Hospitalisierung kann auch durch fehlende Anreize zur Veränderung und Ängsten vor Veränderung
bei den Bewohnern/-innen entstehen. Dem ist konzeptionell und in Absprache mit dem Kostenträger
entgegen zu wirken.
Auch die Angebote des ambulant betreuten Wohnens sind häufig mit dem Problem, geeigneten
Wohnraum zu finden, und fehlender Akzeptanz für Menschen mit psychischer Erkrankung konfrontiert.
Ängste und Vorbehalte in der Nachbarschaft und bei Vermietern/-innen stellen zunehmend ein Hindernis für die erfolgreiche Arbeit dar.
Die erforderliche enge Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Nervenärzten/-innen ist aufgrund
geringer Kapazität ebenfalls schwierig.
Im abW nimmt die Zahl der jüngeren Antragsteller/-innen zwischen 20 und 30 Jahren zu. Hauptproblem sind hier oft die fehlende Berufsausbildung, Schulden, Verhaltensauffälligkeiten und Suchtmittelkonsum. Gestiegen ist auch der Anteil der ALG II-Empfänger/-innen und der Empfänger/-innen einer
Erwerbsunfähigkeitsrente oder Grundsicherung. Für diese Bedarfsgruppe fehlt es an niedrigschwelligen
Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten.
Zugenommen haben Anträge auf ambulant betreutes Wohnen von Menschen mit einem so genannten „Vermüllungssyndrom“. Da dieses Störungsbild nicht klassisch im ICD-10 zu finden ist, werden die
Anträge vom KSV oft nicht bewilligt, obwohl der Hilfebedarf groß ist. Die Kontaktaufnahme zum abW
oder dem SpDi geschieht meist über Sozialarbeiter/-innen des Sozialamtes oder der Wohnungsgenossenschaften. Oft steht den Betroffenen schon eine Zwangsräumung bevor, so dass sie von Wohnungslosigkeit bedroht sind.
Werden Klienten und Klientinnen betreut, die mit ihren Kindern in einem Haushalt leben, bedarf es
der Einbeziehung des Jugendamtes bzw. der Inanspruchnahme einer Familienhilfe. Leben die Kinder in
Pflegefamilien oder anderen Einrichtungen der Jugendhilfe, kann es auch Inhalt des ambulant betreuten
Wohnens sein, den Kontakt zu den Kindern bzw. der Pflegefamilie herzustellen und die Beziehung
unter geschützten Bedingungen zu pflegen. Auf diesem Gebiet ist die Kooperation weiter zu vertiefen.
Insgesamt besteht im Bereich Wohnen eine erhebliche Lücke in der Versorgung von Menschen mit
einer psychischen Erkrankung, die stark verhaltensauffällig und nicht in der Lage sind, sich an Regeln
zu halten und mitzuwirken. Diese Personen lehnen das Angebot einer betreuten Wohnform häufig ab
oder verlieren bedingt durch wiederholte Regelverstöße umgehend ihren Wohnplatz. Oft ist dieses
krankheitsuneinsichtige Verhalten Grund dafür, dass die Betroffenen nicht zu kontinuierlicher ärztlicher
Behandlung motiviert werden können. Es kommt wegen des auffälligen, teils belästigenden oder bedrohlichen, Verhaltens zum Wohnungsverlust. Da in diesen Fällen nicht zwingend eine unmittelbare
oder erhebliche Eigen- oder Fremdgefährdung vorliegt, die eine Unterbringung rechtfertigen würde,
werden die Betroffenen in Übergangswohnheimen aufgenommen. Dort ist eine adäquate Betreuung
aufgrund des Personalschlüssels nicht zu leisten.
Ein steigender Versorgungsbedarf besteht für Menschen mit einer geistigen Behinderung und psychischen Auffälligkeiten sowie für Menschen mit einer Autismusspektrumstörung, insbesondere in der
Betreuung durch ambulantes Wohnen.
2.5.5
Handlungserfordernisse
Um die Vorbehalte gegenüber Menschen mit einer psychischen Erkrankung weiter abzubauen, müssen
die betreuten Wohnformen stärker in den jeweiligen Stadtteil integriert werden. Dies kann geschehen
über die Einbindung von ehrenamtlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in den Wohnstätten, zum
Beispiel als Freizeitpartner/-in für die Bewohner/-innen. Auch Angebote, die zur Inklusion beitragen und
einer Abgrenzung der Wohnstätte von der Gemeinde entgegenwirken, sollten finanziert werden, z. B.
Etablierung einer Fahrradwerkstatt (Zuverdienst) oder Räumlichkeiten in den Wohnstätten, die von
Außenstehenden genutzt werden können.
50
Das Einbeziehen von Angehörigen spielt eine bedeutende Rolle bei der Verbesserung der Integration von Menschen mit einer psychischen Erkrankung. Die Arbeit mit den Angehörigen sollte weniger als
bisher institutionalisiert ablaufen, sondern Teil der individuellen Betreuung sein. Dies ist eine Ressource, muss aber von den Kostenträgern auch als höherer Aufwand in der Betreuung berücksichtigt werden. Psychoedukationskurse für Angehörige sind eine wichtige Maßnahme, um Verständnis zu erzeugen und innerfamiliäre Konflikte aufzulösen oder ihnen vorzubeugen. Bestätigung durch die Angehörigen ist ein wichtiger Faktor, um die Klienten/-innen auf ihrem Weg in die Eigenständigkeit zu bestärken
und zu motivieren. Die Angehörigenarbeit muss deshalb als Teil der individuellen Betreuung anerkannt
und sowohl als Ressource als auch als höherer Betreuungsaufwand berücksichtigt werden.
Um Hospitalisierung in stationären Wohnformen zu vermeiden, wäre es sinnvoll, die Wohnstätte zur
Stabilisierung für einen begrenzten Zeitraum zu nutzen, um in dieser Zeit ein der individuellen Situation
des Betroffenen entsprechendes Angebot zu etablieren. Damit würde auch der Situation Rechnung
getragen, dass die Wohnstätten oft als schnelle Lösung genutzt werden, wenn das Wohnen zu Hause
nicht mehr funktioniert. Gleiches gilt für die Außenwohngruppen.
Ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis beim Personal muss beibehalten werden. Die Zusammenarbeit mit therapeutischen Angeboten, die sich mit geschlechtsspezifischen Themen auseinandersetzen, ist zu initiieren.
Mit der Errichtung der geplanten dritten sozialtherapeutischen Wohnstätte, durch das Diakonische
Werk - Stadtmission Dresden e. V., wird die Versorgungssituation in Dresden deutlich verbessert und
durch die Einbeziehung von Plätzen zur Unterbringung nach BGB wird eine wohnortnahe Hilfe ermöglicht. Zusätzlich sollen Plätze für Patienten/-innen mit einer Doppeldiagnose (Sucht und Psychose)
geschaffen werden. Dennoch wird der vom Land empfohlene Bedarf an stationären Wohnheimplätzen
noch nicht ausreichend gedeckt. Der Bedarf an weiteren 57 Plätzen soll nicht über eine vierte Wohnstätte gedeckt werden. Geplant ist ein Ausbau von Wohnformen, die weniger institutionalisiert sind.
Zukünftiges Ziel für Dresden ist der Ausbau alternativer Wohnformen, um dadurch das Einbinden in
die Gemeindestruktur zu stärken und zu erleichtern. Der Wohnverbund beispielsweise ermöglicht das
Leben im Wohngebiet und ermöglicht das Wohnen in eigener Wohnung in dichtem räumlichen Bezug
zu Nachbarn, die ähnliche Gesundheitsprobleme bewältigen müssen. So werden im Wohnverbund auf
einer Etage mehrere Einzelwohnungen angeboten. Das erleichtert zum einen selbstbestimmte Kontakte
zu Nachbarn und gegenseitige Unterstützung untereinander, zum anderen aber auch das autonome
Wohnen in eigenem und eigen gestaltetem Lebensraum. Durch die räumliche Nähe ist zudem eine
intensive und bedarfsgerechte professionelle Unterstützung effektiver zu realisieren; es entfallen Wegeund Wartezeiten. Die Betreuung und Begleitung erfolgt individuell, zeitlich und inhaltlich entsprechend
dem im Hilfeplan festgeschriebenen Bedarf.
Hier sollen verstärkt kleinere Wohnangebote mit intensiver Betreuung im ambulanten Sektor geschaffen werden. Dafür sind flexiblere Finanzierungsmodelle erforderlich. Die Zeit in der Wohnstätte
kann unter anderem dazu genutzt werden, zukünftige Mitbewohner/-innen für eine therapeutische
Wohngemeinschaft zu finden. Wohngemeinschaften können auch durch das ambulant betreute Wohnen unterstützt begleitet werden. Durch die Einrichtung von Wohngemeinschaften und Außenwohngruppen in Mietwohnungen kann bei sinkendem Hilfebedarf eine Integration in den Sozialraum erfolgen.
Dafür muss die Akzeptanz in dem potenziellen Wohnumfeld verbessert werden. Bei der Suche nach
geeignetem und finanzierbarem Wohnraum ist die Unterstützung der Landeshauptstadt Dresden erforderlich, ggf. über Belegungsrechte. Bedarf (besonders auch für AWG-Plätze) besteht vor allem im
Versorgungsgebiet Dresden-Nord. Denkbar sind auch Projekte, in denen mehrere Wohnungen zur
Eigenanmietung zur Verfügung stehen und die Betreuung durch das ambulant betreute Wohnen angeschlossen ist. Hier bestehen aktuell oft Finanzierungsprobleme.
51
Spezifische kleinteilige Wohnprojekte sollten geschaffen werden für:
 junge Menschen mit einer psychischen Erkrankung und einem erzieherischen Hilfebedarf
 Menschen über 65 Jahre mit einer psychischen Erkrankung (Einbeziehung des örtlichen Sozialhilfeträgers)
 Menschen mit einer psychischen Erkrankung und Pflegebedarf
Aufgrund des zum Teil schweren und chronischen Verlaufs psychischer Erkrankungen ist aber auch
damit zu rechnen, dass ein Teil der Betroffenen über Jahre oder sogar dauerhaft stationärer Wohnformen bedarf. „Betreutes Wohnen in Familien“ kann eine Möglichkeit des individuellen langfristigen
Hilfsangebotes sein. Dieses Projekt sollte zudem stärker beworben und weiter ausgebaut sowie begleitend wissenschaftlich evaluiert werden. Es bietet die Möglichkeit, mit Nicht-Betroffenen in einer Gemeinschaft zu leben und darüber am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.
Um den unterschiedlichen Bedarfsgruppen, die momentan in den Wohnstätten leben, gerecht zu
werden, ist eine entsprechende Qualifizierung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie eine Anpassung der Betreuungskonzepte nötig.
Im Sozialamt wird die Leistungsstruktur der Wohnungslosenhilfe gegenwärtig weiterentwickelt. Personen mit psychischen Auffälligkeiten, die einem Übergangswohnheim zugewiesen wurden, sollen
motiviert werden, an einem Hilfeplan mitzuarbeiten. In den Maßnahmekatalog des Hilfeplans kann zum
Beispiel die Förderung einer Krankheitseinsicht oder der Umgang mit einer Suchtproblematik aufgenommen werden, um die Überleitung in andere Hilfesysteme zu öffnen.
Für einen nachhaltig erfolgreichen Übergang aus der Wohnstätte in die Außenwohngruppe oder in
ein ambulantes Setting ist es notwendig, in diesen Übergangszeiten den Betreuungsschlüssel flexibel
zu gestalten und ihn dem aktuellen Hilfebedarf anzupassen. Ein vorübergehend höherer Bedarf muss
vom Kostenträger finanziert werden. Übergänge zwischen Betreuungsformen sollten, wenn möglich,
immer durch Bezugspersonen erfolgen, die dem Klienten bzw. der Klientin bereits vertraut sind. Die
Flexibilisierung des Betreuungsschlüssels sollte auch für Betroffene gelten, die außerhalb von stationärer Betreuung auf einen Platz in einer Wohnstätte oder einer Außenwohngruppe warten. Eine verstärkte
Nutzung des persönlichen Budgets in diesem Rahmen ist anzustreben.
Damit Hilfesuchende nicht gezwungen sind in, eine andere Region umzuziehen, sollten Hilfen
grundsätzlich unabhängig von Wartelisten im Bedarfsfall sofort zur Verfügung stehen. Die Vermittlung
passender Hilfen ist nur durch die konsequente und fachlich fundierte Fallsteuerung nach Ermittlung
des Bedarfs und der Ressourcen des Betroffenen möglich. Hierin wird eine zukünftige Aufgabe des
SpDi gesehen.
2.6 Autorenverzeichnis
Redaktionelle und inhaltliche Überarbeitung:
Dr. Franziska Darmstadt, Landeshauptstadt Dresden, Gesundheitsamt
Cordula Cordts, Landeshauptstadt Dresden, Gesundheitsamt
Für Zuarbeiten danken wir folgenden Vertreterinnen und Vertretern psychosozialer und psychiatrischer
Einrichtungen:
Ambulante medizinische und klinische Versorgung:
Kay Herklotz, Psychosozialer Trägerverein Sachsen e. V.
Diana Liebig, GESOP gemeinnützige GmbH
PD Dr. Matthias Schützwohl, Universitätsklinikum Dresden
Dr. Franziska Darmstadt, Sozialpsychiatrischer Dienst Dresden
52
Arbeit und Beschäftigung:
Franka Bruckner, Berufliches Trainingszentrum Dresden
Katrin Dunst, Berufsförderungswerk Dresden
Katja Frühauf, RPK Gut Gamig
Kerstin Germar, Innovative Manufaktur gGmbH
Bettina Hockauf, Jobcenter Dresden
Holger Krähenberg, Arbeitstherapie, Psychosozialer Trägerverein Sachsen e. V.
Henning Reichel, Diakonisches Werk – Stadtmission Dresden e. V.
Stephan Schulze, Helene-Maier-Stiftung
Ulrike Wyzisk, Landeshauptstadt Dresden, Sozialamt
Tagesstruktur und Wohnen:
Susa Rühle, GESOP gemeinnützige GmbH
Karin Enke, GESOP gemeinnützige GmbH
Gabriele Regner, GESOP gemeinnützige GmbH
Sylke Sander, GESOP gemeinnützige GmbH
Friedhard Wendler, Diakonisches Werk – Stadtmission Dresden e. V.
Armin Heer, Psychosozialer Trägerverein Sachsen e. V.
Karen Heller, Psychosozialer Trägerverein Sachsen e. V.
Carola Küfner, Psychosozialer Trägerverein Sachsen e. V.
Ina Bogisch, Psychosozialer Trägerverein Sachsen e. V.
Andrea Keller, Dresdner Pflege- und Betreuungsverein e. V.
Helge Thied, AWO Sonnenstein gGmbH
Nicole Erxner, Psychosozialer Trägerverein Sachsen e. V.
Ulrike Wyzisk, Landeshauptstadt Dresden, Sozialamt
53
3. Kinder und Jugendliche mit
einer psychischen Erkrankung
„Der Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie umfasst Diagnostik und Behandlung sowie Rehabilitation und Prävention psychischer Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Das Versorgungssystem für
psychisch erkrankte Minderjährige besteht neben ambulanten, stationären, teilstationären und komplementären psychiatrischen Hilfeanbietern aus Institutionen und Einrichtungen der öffentlichen und freien
Kinder- und Jugendhilfe sowie weiteren Rehabilitations- und Sozialhilfeträgern. Überschneidungen mit
benachbarten Fachgebieten wie Pädiatrie und zu den Bereichen der Sozial- und Heilpädagogik sind bei
der Planung und Ausgestaltung der Versorgung Rechnung zu tragen.“ (LPP 2011: 63)
Die Vernetzung und Kooperation der verschiedenen Hilfeanbieter ist die Grundvoraussetzung für ein
funktionierendes Versorgungssystem.
Das medizinische Betreuungsangebot für Minderjährige mit einer psychischen Erkrankung besteht
aus ambulanten, teilstationären und stationären Einrichtungen.
Der Komplementärbereich wird von Einrichtungen der öffentlichen und freien Jugendhilfe, der Sozialhilfe und anderen Leistungsträgern abgedeckt. Somit ergibt sich eine Finanzierung nach SGB V, SGB
VIII und SGB XII.
Mit dem „Psychosozialen Arbeitskreis für Kinder und Jugendliche“ (eine Unterarbeitsgruppe der
PSAG) und dem „Arbeitskreis Frühförderung“ des Sozialamtes haben sich Gremien bewährt, in denen
am Versorgungssystem beteiligte Institutionen die Möglichkeit nutzen, auf aktuelle Probleme aufmerksam zu machen und ihre Vorschläge in die Gesundheits-, Sozial- und Jugendhilfeplanung einzubringen.
Dabei wird auch darauf geachtet, die Sächsische Bildungsagentur in den Arbeitsprozess einzubinden,
um die Reintegration von Kindern und Jugendlichen mit psychischer Erkrankung in den schulischen
Bereich besser zu sichern.
Es wird angestrebt, Kooperationsvereinbarungen als verbindliche Arbeitsgrundlage zwischen den
einzelnen Institutionen abzuschließen.
3.1. Früherkennung und Frühförderung
3.1.1. Frühförderstellen und Arbeitskreis Frühförderung
In Dresden erbringen vier interdisziplinäre Frühförderstellen – davon eine Frühförderstelle für hörgeschädigte Kinder – nach § 55 Abs. 2 Nr. 2, § 56 SGB IX, der Frühförderungsverordnung aufgrund § 32
Nr. 1 SGB IX und § 54 Abs. 1 S1, 1, HS SGB XII Leistungen der Früherkennung und Frühförderung für
behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder vor Schuleintritt in ambulant mobiler Form.
Der Schwerpunkt liegt auf der Erbringung von Komplexleistungen. Pädagogische und therapeutische Fachkräfte sowie Diplompsychologen arbeiten interdisziplinär zusammen. Die Indikation wird von
einem Facharzt bzw. einer Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin gestellt.
Gemäß § 4 der „Verordnung zur Früherkennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder“ (Frühförderverordnung) erbringen die Sozialpädiatrischen Zentren des Städtischen Krankenhauses Dresden-Neustadt und des Universitätsklinikums heilpädagogische Frühförderung in ambulanter Form bei Kindern, die wegen der Art und Schwere ihrer Behinderung nicht von
54
interdisziplinären Frühförderstellen behandelt werden können. Für jedes Kind wird ein jährlich zu aktualisierender Förderplan erstellt.
In dem vom Sozialamt geleiteten „Arbeitskreis Frühförderung“ arbeiten Akteure aus dem Sozialamt,
dem Kinder- und Jugendärztlichen Dienst, dem Eigenbetrieb Kindertageseinrichtungen, dem Jugendamt, den Frühförderstellen, dem Sozialpädiatrischen Zentrum des Krankenhauses Dresden-Neustadt,
dem Sozialpädiatrischen Zentrum des Universitätsklinikums und der Sächsischen Bildungsagentur
Regionalstelle Dresden in einem Netzwerk zusammen, um die Qualität der Frühförderarbeit zu sichern
und weiter zu entwickeln. Die Frühförderleistungen sind seit 2008 kontinuierlich gestiegen, was mit den
steigenden Geburtenzahlen korreliert.
3.1.2. Frühe Hilfen in der Stadt Dresden
In Dresden gibt es eine Vielzahl von Projekten und Beratungsangeboten zum Thema „Frühe Hilfen“. Mit
Begrüßungsbesuchen, Familienpaten, Familienzentren, Angeboten zur Entwicklungsförderung für
Säuglinge und Kleinkinder stehen freie Träger, Vereine und städtische Einrichtungen in der Prävention
psychosozialer Konflikte für Familien zur Verfügung.
3.2. Ambulante medizinische Versorgung
3.2.1. Niedergelassene Fachärzte/-innen für Kinder- und Jugendmedizin
Die Fachärzte/-innen für Kinder- und Jugendmedizin sind oft die ersten Ansprechpartner/-innen für
Eltern, aber auch Jugendliche bei Problemen in der Entwicklung, in der Familie, bei Trennungen und
Konflikten, bei Lernstörungen, Schulängsten und Misshandlungen jeglicher Art, aber auch bei sexuellen
Problemen oder Unsicherheiten in der sexuellen Identität. Bei Kindern unter 6 Jahren müssen die
Kinderärzte/-innen das Leid oft am Verhalten der Kinder erkennen. Kinder über 6 Jahre nutzen auch
spontan die Gelegenheit, einen Missstand verbal kund zu tun, wenn man sie gut kennt.
Durch die regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen können die niedergelassenen Fachärzte/-innen
die Entwicklung der Kinder kontinuierlich erfassen. Sie bemerken Verhaltensbesonderheiten, kennen
die familiären Strukturen und leiten erforderliche diagnostische und therapeutische Maßnahmen ein.
Die Zusammenarbeit mit dem Kinder- und Jugendärztlichen Dienst des Gesundheitsamtes wurde
kontinuierlich ausgebaut. Eine noch bessere Vernetzung ist aber besonders im Rahmen des Kinderschutzprogramms erforderlich. Als sehr hilfreich zur Abschätzung einer Kindeswohlgefährdung erleben
die Kinderärzte und Kinderärztinnen die Möglichkeit, eine „insoweit erfahrene Fachkraft“ (siehe Abschnitt 3.8) zu Rate zu ziehen. Bezüglich der Vermittlung von Hilfen wird der Wunsch nach einer zentralen Krisenstelle geäußert, die auf einen Anruf hin weitere Maßnahmen anbietet und koordiniert.
Im „ADHS-Netzwerk Dresden und Ostsachsen e. V.“ arbeiten Kinderärzte/-innen, Kinder- und Jugendpsychiater/-innen, Psychologen/-innen, Pädagogen/-innen und Ergotherapeuten/-innen zusammen, um besonders für Kinder mit ADHS und deren Familien bessere Betreuungsmöglichkeiten zu
schaffen. Es handelt sich um einen regionalen Ableger des bundesweiten Netzwerkes „Zentrales
ADHS-Netz“.
Im Freistaat Sachsen war 2009 ein/-e Kinderarzt/-ärztin für 1500 Minderjährige kassenärztlich zugelassen. Nach Einschätzung der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen ist die Versorgung in der Stadt
Dresden gesichert.
3.2.2. Niedergelassene Fachärzte/-innen für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie
Für die gemeindenahe ambulante Versorgung von Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen mit
einer psychischen Erkrankung bis zum 21. Lebensjahr fühlen sich in erster Linie die in der Stadt niedergelassenen Fachärztinnen und Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie
verantwortlich.
55
Da es sich bei der Gruppe der Fachärzte/-innen für Kinder- und Jugendpsychiatrie und psychotherapie um eine zahlenmäßig kleine Facharztgruppe handelt, ist sie derzeit nicht von der bundesweit geltenden vertragsärztlichen Bedarfsplanung erfasst und gibt es aktuell in Deutschland keine
Zulassungsbeschränkungen.
In Dresden waren am 01.11.2011 neun Fachärzte/-innen für Kinder- und Jugendpsychiatrie und psychotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung tätig. Acht von ihnen arbeiten in eigener Praxis, ein
Fachkollege ist vertragsarztrechtlich angestellt. Von den acht Niedergelassenen haben zwei Ärzte eine
Doppelzulassung. Sie sind sowohl als Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie
als auch als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie bzw. psychotherapeutisch tätiger Arzt zugelassen.
Die vorgenannten neun Vertragsärzte/-innen erfüllen jeweils einen vollen Versorgungsauftrag, wobei
darauf hinzuweisen ist, dass die beiden doppelt Zugelassenen aufgrund der Spezifik ihrer Zulassungen
im Fach der Kinder- und Jugendpsychiatrie letztlich nur anteilmäßig tätig werden. Zwei Ärzte der genannten Fachgruppe arbeiten überwiegend psychotherapeutisch.
Das Leistungsspektrum der jeweiligen Kollegen und Kolleginnen und ihrer Praxen gestaltet sich sehr
unterschiedlich. Einen wesentlichen Beitrag zur flächendeckenden Grundversorgung, auch außerhalb
der Stadtgrenzen, leisten die zwei sozialpsychiatrischen Praxen, deren insgesamt drei Ärzte jeweils die
Ermächtigung zur Sozialpsychiatrie besitzen. Deren multiprofessionelle Therapeutenteams bieten ein
umfassendes Diagnostik- und Behandlungsangebot an, welches den komplexen Interventionsaufträgen
bei der Betreuung minderjähriger Kinder und Jugendlicher und ihrer Familien bzw. Bezugssysteme
besonders gut entspricht. Drei weitere Ärzte arbeiten in ihren Niederlassungen überwiegend psychotherapeutisch.
Im Gegensatz zum Jahr 2000, in dem es lediglich zwei niedergelassene Kolleginnen gab, ist somit
eine deutliche Verbesserung erreicht. Trotzdem ist das vorhandene Angebot in der Stadt Dresden nach
wie vor als nicht ausreichend einzuschätzen. Eine Verkürzung der Wartezeiten vor einer Erstkonsultation bei einer Fachärztin oder einem Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie würde erheblich dazu
beitragen, dass persönliche, familiäre und schulische Belastungs- und Konfliktsituationen zeitnah geklärt werden können und Störungen sich nicht entwickeln oder nicht verfestigen.
Geforderte Prinzipien wie Prävention vor Therapie, Lernen vor Krankenbehandlung und Ressourcenaktivierung vor krankheitsdefiniertem Diagnostikprozess setzen einen besonderen Grad an Vernetzung mit benachbarten Fachgebieten, insbesondere der Pädiatrie, aber auch mit anderen betreuenden
Institutionen und Helfersystemen wie Kindergarten, Schule und Jugendhilfe voraus, um realisiert werden zu können. Ein weiterer Ausbau ambulanter sozialpsychiatrischer Angebote für eine adäquate
Betreuung psychisch erkrankter oder in ihrer Entwicklung beeinträchtigter bzw. bedrohter Menschen
unter 21 Jahren ist zu fordern.
3.2.3. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten/-innen
Psychologische Psychotherapeuten/-innen, psychotherapeutisch tätige Ärzte/-innen und Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeuten/-innen werden bedarfsplanerisch gemeinsam erfasst. Im Planungsbereich der Stadt Dresden ist statistisch gesehen ein/-e Psychotherapeut/-in für 2.731 Einwohner/-innen
vorgesehen.
In Dresden sind 36,2 Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten/-innen niedergelassen (Stand:
01.10.2011). Im Jahr 2012 werden es voraussichtlich 39 Therapeutinnen und Therapeuten sein.
Sie leisten einen wesentlichen Beitrag in der therapeutischen Versorgungslandschaft und arbeiten
eng mit Kinder- und Jugendärzten/-innen sowie Kinder- und Jugendpsychiatern/-innen zusammen.
56
3.2.4. Kinder und Jugendärztlicher Dienst der Stadt Dresden (KJÄD)
Kinder- und Jugendärztlicher Dienst
Haus des Kindes
Dürerstraße 88
01307 Dresden
Tel.: (03 51) 4 47 96 55
[email protected]
Der Kinder- und Jugendärztliche Dienst des Gesundheitsamtes übernimmt sozialpädiatrische Aufgaben
zum Schutz der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Dazu zählen die Untersuchung und Beratung von Kindern, vorzugsweise aufsuchend (im Kindergarten, in der Schule), subsidiär und sozialkompensatorisch. Gesundheitsförderung und Prävention sind dabei wesentliche Prinzipien. Darüber hinaus
werden pflegerisch-therapeutische Aufgaben für Kinder mit einer Behinderung und vielfältige Begutachtungen vor allem im Rahmen der Sozialgesetze wahrgenommen.
Das Angebot der Entwicklungsförderung für Säuglinge und Kleinkinder steht allen Familien offen.
Die Arbeit wird durch gesetzliche Vorgaben und landesweite sowie kommunale Richtlinien bestimmt.
Die settingbezogene kinder- und jugendärztliche Arbeit bietet die Möglichkeit, niedrigschwellig psychosoziale Risiken wahrzunehmen, Screeninguntersuchungen durchzuführen und betroffenen Kindern,
Jugendlichen und deren Eltern Hilfsangebote zu empfehlen.
Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Kinder- und Jugendärztlichen Dienstes arbeiten dabei eng
mit den Fachkräften der Kindereinrichtungen zusammen. Sie entscheiden bei Entwicklungsauffälligkeiten oder sozialen Problemen der Kinder gemeinsam über Beratungs- und andere Hilfsangebote für die
Familien. Zugleich wird der Kinderschutz als kooperative Aufgabe sichergestellt. Die Abteilung arbeitet
in drei Fachbereichen:
 Kinder- und jugendärztliche Aufgaben
 Kinder- und jugendpsychiatrische Aufgaben (siehe nachfolgend „Kinder- und Jugendpsychiater/innen im Öffentlichen Gesundheitsdienst“)
 Kinder- und jugendzahnärztliche Aufgaben (Jugendzahnklinik)
Die dezentrale Lage der Beratungsstellen und ihre Nähe zu sozialen Brennpunkten sind bürgernah
und für niedrigschwellige Hilfen notwendig.
Perspektivisch werden sich die Anforderungen erhöhen, da die Anzahl von Kindern und damit die
Untersuchungszahlen steigen werden:
Prognose
Untersuchungszahlen
2008/09
2009/10
2010/11
2011/12
2012/13
Kita-Untersuchungen
3.908
3.976
4.398
4550
4600
Einschulungsuntersuchungen
4.233
4.522
4.743
4.500
4.900
Schuluntersuchungen
7.170
6.959
7.751
8.400
8.600
Gesamt
15.311
15.457
16.892
17.450
18.100
(Quelle: Gesundheitsberichterstattung des KJÄD)
Lebendgeborene
Veränderung zum Schuljahr 2002/03
Veränderung zum Vorjahr
Tab. 11: Verlauf der Untersuchungszahlen und Anzahl der Kinder in Dresden
2002/03 03/04
04/05
05/06
06/07
07/08
08/09
09/10
10/11
4.307
4.619
4.773
4.698
5.128
+19%
5.489
+27%
5.551
+29%
5.720
+33%
5.775
+34%
+7,2%
+3,3%
-1,6%
+9,2%
+7,0%
+1,1%
+3,0%
+1,0%
11/12
(Quelle: Monatszahlen der Kommunalen Statistikstelle)
3.2.5. Kinder- und Jugendpsychiater/-innen im Öffentlichen Gesundheitsdienst
In Dresden arbeiten drei von fünf kommunalen Erziehungsberatungsstellen in gemeinsamer Trägerschaft von Gesundheitsamt und Jugendamt. Die Kinder- und Jugendpsychiaterinnen, Psychologinnen,
Sozialpädagoginnen und Mitarbeiterinnen für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Gesundheitsamtes
arbeiten hier mit den Fachkräften des Jugendamtes in multiprofessionellen Teams eng zusammen.
Somit ist ein effizientes und hoch qualifiziertes Betreuungsangebot vorhanden.
57
Beratungsstellen für Kinder, Jugendliche
und Familien mit kinderpsychiatrischer
Besetzung:
August-Bebel-Str. 29
01219 Dresden
Tel.: (03 51) 4 77 74 14
Dürerstr. 88
01307 Dresden
Tel.: (03 51) 4 88 82 61 und 4 88 82 62
Bautzner Str. 125
01109 Dresden
Tel.: (03 51) 4 88 84 51
Die Unterstützungsangebote der Beratungsstellen reichen von der Einleitung integrativer und therapeutischer Maßnahmen über die medizinische Behandlung, psychologische und sozialpädagogische
Begleitung und Beratung, vor allem auch im Sinne einer perspektivischen Weichenstellung, bis hin zur
Beratung im sozialen Umfeld. Zum Aufgabenbereich gehört die Erstellung von Gutachten für Sozialund Jugendhilfeträger, Schulen und andere Leistungsträger. Besonders bei Gutachten zur Feststellung
des Eingliederungshilfebedarfs nach § 35a SGB VIII (vorhandene oder drohende seelische Behinderung) und zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs sind sie aktiv in den Entscheidungsprozess eingebunden.
Die Kolleginnen des Gesundheitsamtes gehören dem Kinder- und Jugendärztlichen Dienst an. Sie
übernehmen präventive, diagnostische und therapeutische Aufgaben. Im Rahmen einer kassenärztlichen Ermächtigung tragen sie zur Absicherung der kinderpsychiatrischen Versorgung in der Stadt
Dresden bei. Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag zur psychosozialen Grundversorgung. Es erfolgt
eine enge Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Kollegen und Kolleginnen und den Kliniken. Die
Einbindung in den Kinder- und Jugendärztlichen Dienst ermöglicht einen regen Fachaustausch mit den
Kinder- und Jugendärzten/-innen der Stadtverwaltung Dresden. Ziel ist es, Verhaltensprobleme und
Entwicklungsverzögerungen von Kindern und Jugendlichen möglichst frühzeitig zu erkennen, familiäre
Konflikte zu bearbeiten sowie geeignete Hilfen zu installieren oder zu vermitteln.
In Zeiten der Zunahme besonders komplexer Fälle leisten die Kolleginnen und Kollegen in den Beratungsstellen auch als Vermittler an den Schnittstellen der Helfersysteme eine wichtige Arbeit und
können beratend im Hilfeplanprozess mitwirken. Sie sind stabile Ansprechpartner/-innen für die jeweils
zugehörigen Mitarbeiter/-innen der Stadtteilsozialdienste geworden.
Die regelmäßige Teilnahme an Hilfeplansitzungen und Helferkonferenzen wie auch gemeinsame
Weiterbildungen sind Ausdruck der gewachsenen Zusammenarbeit und haben deutlich zum besseren
gegenseitigen Verständnis beigetragen.
Das Beratungsangebot der Beratungsstellen wird als niedrigschwelliges Angebot sowohl von Familien als auch von Institutionen gern angenommen.
Im Jahr 2011 wurden in den drei kommunalen Beratungsstellen von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Gesundheitsamtes insgesamt 856 Kinder und Jugendliche betreut. Die größte Patientengruppe stellen Kinder im Grundschulalter dar gefolgt von Kindern im Vorschulalter. 66% der Kinder und
Jugendlichen sind Jungen, 59% haben getrennt lebende Eltern.
Die statistischen Angaben der Mitarbeiter/-innen des Jugend- und des Gesundheitsamtes werden
zurzeit noch nicht zusammen geführt.
Zum Zeitpunkt der Erstellung des ersten Stadtpsychiatrieplans 2000 waren noch fünf Kinderpsychiaterinnen in den Beratungsstellen tätig. Leider sind die zwei aus Altersgründen frei gewordenen Stellen
mangels Bewerbern und Bewerberinnen nicht wieder besetzt worden.
Der seit 1993 bestehende Kooperationsvertrag zwischen Jugendamt und Gesundheitsamt, der die
Arbeit in den Beratungsstellen regelt, wird derzeit überarbeitet.
3.2.6. Institutsambulanzen für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Die psychiatrischen Institutsambulanzen (PIA) sind im kinder- und jugendpsychiatrischen Bereich ein
wesentliches ambulantes Behandlungsangebot, um stationäre Maßnahmen auf ein medizinisch notwendiges Maß beschränken zu können. Gemäß § 118 SGB V ist es für jene Patientinnen und Patienten
vorgesehen, die aufgrund ihrer Erkrankung (Schwere, Dauer) oder ihres Lebensumfeldes (fehlende
niedergelassene Ärzte und Therapeuten in Wohnortnähe) eine krankenhausnahe Behandlung benötigen. Institutsambulanzen haben ebenfalls eine nachsorgende Funktion im Sinne einer ambulanten
Weiterbehandlung. Sie können eine langfristige, kontinuierliche Behandlung gewährleisten. Eine PIA
58
bietet Krisenintervention an und hat damit auch die Möglichkeit, koordinierend tätig zu werden (weiterreichende gemeindenahe Hilfen, in enger Zusammenarbeit mit Eltern, Familie, Schulen, freien Trägern,
Jugendämtern und Jugendhilfeeinrichtungen, z. B. im Rahmen der Hilfeplanung).
Für die Stadt Dresden gibt es mittlerweile zwei Institutsambulanzen, die an die Klinik für Kinder- und
Jugendpsychiatrie und -psychotherapie des Sächsischen Krankenhauses Arnsdorf und an das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden angegliedert sind. Die Institutsambulanz in Radebeul wurde
2007 eröffnet, und seit 2009 erfolgt der kontinuierliche Ausbau der Institutsambulanz am Universitätsklinikum.
Der Ausbau der Institutsambulanz des Universitätsklinikums beinhaltet die Entwicklung von Spezialambulanzen für AD(H)S, Ticstörungen, Zwangserkrankungen, Essstörungen, Traumafolgestörungen
und
Autismusspektrumsstörungen.
Dabei
werden
in
der
Spezialambulanz
für
Autismusspektrumsstörungen (Trägerwechsel der Autismusambulanz im April 2011 vom St.-MarienKrankenhaus an das Universitätsklinikum) auch die Behandlung und Erstdiagnostik für Erwachsene und
Eingliederungshilfeleistungen angeboten. Durch die überregionale Wirksamkeit der Autismusambulanz
entstehen sehr lange Wartezeiten für die Betroffenen.
Für Dresden sind folgende PIAs tätig:
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
und -psychotherapie
Ambulanz
Schubertstraße 42
01309 Dresden
Sächsisches Krankenhaus Arnsdorf
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Ambulanz
Hufelandstraße 15
01477 Arnsdorf
Außenstelle Radebeul
Augustusweg 112
01445 Radebeul
Städtisches Klinikum Dresden-Neustadt
Ambulanz (Schwerpunkt Eltern)
Heinrich-Cotta-Straße 12
01324 Dresden
mit Spezialambulanzen für
ADHS
Essstörungen
Tic- und Zwangsstörungen
Traumafolgestörungen
Autismusspektrumsstörungen
-
Behandlungsschwerpunkte:
psychologische Beratung, Psychotherapie, medikamentöse Behandlung
soziales Kompetenztraining als Gruppentherapie
sozialpädagogische Beratung
-
Behandlung und Hilfsangebote bei:
der Bewältigung akuter familiärer Konfliktsituationen
Schulproblemen
psychosozial komplexen Problemlagen mit hohem Behandlungsaufwand
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)
Störungen des Sozialverhaltens
Suchtproblematiken
Entwicklungs- und psychotischen Störungen
Depressionen
In der Elternambulanz wird psychotherapeutisch an der persönlichen Bindungserfahrung und
deren Weitergabe an die eigenen Kinder gearbeitet. Es wird erforscht, wie das alte Beziehungsmuster aussieht und wodurch es aktiviert wird. Mittels verschiedener therapeutischer Angebote
wird daran gearbeitet, aus dem alten dysfunktionalen Beziehungskreislauf auszutreten und neue
– selbstbestimmte – Erlebnisweisen und Beziehungsformen aufzubauen.
Tab. 12: Ausrichtung der PIAs im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie
Die Möglichkeit, Patienten/-innen mit komplexem Hilfebedarf nach stationärer Behandlung noch einige Zeit nachzubetreuen oder in den Spezialsprechstunden vorzustellen, bedeutet eine Erweiterung
des Betreuungsangebotes.
Die Grundversorgung ist schwerpunktmäßig weiterhin bei den niedergelassenen Kollegen/-innen
und in den Beratungsstellen verankert. Die Patienten/-innen und ihre Angehörigen, die oftmals aus
sozial schwachen Familien kommen, begrüßen wohnortnahe Angebote.
59
3.2.7. Sozialpädiatrische Zentren (SPZ)
Sozialpädiatrisches Zentrum
Dresden-Neustadt
Städtisches Krankenhaus Dresden-Neustadt
Industriestraße 40
01129 Dresden
Sozialpädiatrisches Zentrum der Kinderklinik
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
Arnoldstr. 18d
01307 Dresden
Sozialpädiatrische Zentren sind kinderärztlich geleitete ambulante Einrichtungen, in denen Kinderärzte/innen, Psychologen/-innen, Krankengymnasten/-innen, Ergotherapeuten/-innen, Logopäden/-innen,
Musiktherapeuten/-innen, Heilpädagogen/-innen und Sozialarbeiter/-innen sowie Krankenschwestern/Krankenpfleger auf der Grundlage des § 119 SGB V interdisziplinär zusammenarbeiten. Ihre vordergründige Aufgabe besteht in der Früherkennung und Behandlung von Entwicklungsstörungen,
schweren und mehrfachen Behinderungen bei Säuglingen, Kindern und Jugendlichen im sensorischen,
motorischen, sprachlichen, intellektuellen und psychischen Bereich sowie in der Betreuung von Patienten und Patientinnen mit kinderneurologischen Erkrankungen (Epilepsien, Hemiparesen, Schädel-HirnTraumen usw.) und mehrfachen Behinderungen.
Des Weiteren werden Patienten/-innen mit sekundären Verhaltensauffälligkeiten bei Behinderungen
und Entwicklungsverzögerungen sowie bei chronischen Erkrankungen behandelt. Komplexe oder
umschriebene Störungen der geistigen Entwicklung sowie Verhaltensstörungen im Kindergarten- und
Grundschulalter stellen einen Schwerpunkt des interdisziplinären Behandlungssettings dar. Von zentraler Bedeutung dabei sind die begleitende Elternberatung, die psychosoziale Integration der Patienten/innen und das Aufdecken von Ressourcen.
Für eine Betreuung im Sozialpädiatrischen Zentrum ist eine Überweisung durch einen Facharzt oder
eine Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin oder für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie
notwendig.
Die enge Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Therapeuten und Therapeutinnen, anderen
ambulanten und stationären Einrichtungen sowie vielfältigen Komplementäreinrichtungen (Kindergärten,
Schulen, Frühförderstellen, Jugendämtern usw.) wurde ausgebaut. Die Komplexbehandlung für Kinder
von 0 bis 6 Jahren ist entsprechend der Rahmenvereinbarung des Freistaates Sachsen möglich geworden. Damit ist es für eine spezielle Klientel möglich, den Förder- und Behandlungsplan mit therapeutischen und heilpädagogischen Leistungen in einer Hand zu belassen.
Das Sozialpädiatrische Zentrum des Krankenhauses Dresden-Neustadt ist entsprechend den Qualitätskriterien der „Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin e. V.“ (DGSPJ) zertifiziert.
3.2.8. Bewertung des Versorgungsstandes und Handlungserfordernisse
Die gemeindenahe Versorgung durch ambulante medizinische Angebote in der Stadt Dresden ist positiv
zu bewerten. Besonders hervorzuheben ist die dezentrale Verteilung der Erziehungsberatungsstellen.
Der Zugang zu den Beratungsstellen ist für Ratsuchende niedrigschwellig gestaltet.
Es ist außerdem festzustellen, dass die im Sächsischen Landespsychiatrieplan von 2011 empfohlene Etablierung von Kinder- und Jugendpsychiatern/-innen im öffentlichen Gesundheitsdienst in der
Stadt Dresden bereits seit vielen Jahren realisiert ist und sich bewährt hat. Die Zahl der niedergelassenen Kinder- und Jugendpsychiater/-innen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten/-innen hat
seit dem ersten Stadtpsychiatrieplan 2000 stetig zugenommen.
Das ambulante Versorgungsnetz wurde immer weiter ausgebaut, um die stationäre Behandlung zu
reduzieren. Dadurch haben sich die Wartezeiten für eine kinderpsychiatrische fachärztliche Konsultation
erheblich verkürzt. Trotz dieser guten ambulanten Versorgungsstrukturen kann in speziellen Fällen nicht
immer eine bedarfsgerechte gemeindenahe Versorgung durch niedergelassene Fachärzte/-innen bzw.
Psychotherapeuten/-innen sichergestellt werden. Perspektivisch ist es deshalb wichtig, dass die Institutsambulanzen auch weiterhin eine adäquate fachärztliche Versorgung unter Berücksichtigung der
Regelungen nach § 118 SGB V gewährleisten können.
60
Psychiatrische Institutsambulanzen sind in vorhandene Sozialraumstrukturen und Hilfesysteme (vor
allem Jugendhilfe, Schulen, Kindertages- und Berufsbildungseinrichtungen) so einzubinden, dass
Hilfsangebote bedarfsgerecht koordiniert werden können und eine erfolgreiche Integration der Patientinnen und Patienten gelingen kann. Die geschaffenen Spezialambulanzen des Universitätsklinikum
Carl Gustav Carus erweitern das bisherige Betreuungsangebot im Sinne einer individuellen und personenzentrierten Hilfegewährung.
Dennoch sind für einige Bereiche, zum Beispiel die Teilleistungsstörungen, Behandlungslücken
festzustellen. Für diese Patientengruppen bedarf es auch gesonderter Angebote der Beschulung.
Kinder und Jugendliche mit einer Dyskalkulie (Rechenschwäche) erhalten aber im Schulsystem keine
bedarfsgerechte Unterstützung, da das Sächsische Schulgesetz und die einzelnen Schulverordnungen
dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht berücksichtigen. Der Wunsch der Eltern nach
ergotherapeutischer Übungsbehandlung oder außerschulischer Lerntherapie ist nachvollziehbar, doch
ist hier auf die Verantwortung des Systems Schule zu verweisen und die Sensibilisierung des Lehrkörpers verstärkt zu fordern. Des Weiteren ist den Schulen kompetentes Fachpersonal zuzuweisen.
Ambulante Angebote sind aus fachärztlicher Sicht dem sich verändernden Bedarf anzupassen (sowohl im Umfang der Angebote als auch bezüglich der notwendigen Spezialisierungen). Weiter auszubauen sind familientherapeutische Angebote, die über einen längeren Zeitraum mit wöchentlichen oder
14-tägigen Sitzungen die Interaktion von Eltern und Kindern therapeutisch bearbeiten. Solche Angebote
können sehr wirksam sein, um positive familiäre Beziehungen zu stabilisieren, benötigen aber eine
hohe Personalkapazität und spezielle Weiterbildungen. Ziel ist es, die Etablierung psychischer Störungen zu verhindern bzw. Chronifizierung vorzubeugen.
Abstimmungsbedarf ist besonders erforderlich, wenn Hilfeleistungen sowohl nach SGB V, als auch
nach SGB VIII oder SGB XII erforderlich sind. Die unterschiedlichen Leistungsträger haben häufig
unterschiedliche Ansichten über die Art der Hilfegewährung und die Dauer der Hilfeleistung. Kinder und
Jugendliche mit einer psychischen Störung haben präventiv und rehabilitativ Anspruch auf Eingliederungshilfeleistung nach § 35a SGB VIII. Das Einbringen kinder- und jugendpsychiatrischer Fachkompetenz in den Prozess muss weiter verfolgt werden.
Für die Kinder- und Jugendpsychiater/-innen im öffentlichen Gesundheitsdienst hat Gremienarbeit
einen hohen Stellenwert. Dazu gehören die Leitung und Organisation des „Psychosozialen Arbeitskreises für Kinder und Jugendliche“ als Unterarbeitsgruppe der PSAG, regelmäßige Zusammenkünfte
zwischen Kinderpsychiatrie, Jugendhilfe und Schule, aktive Mitarbeit im ADHS-Netzwerk und „Arbeitskreis Frühförderung“. Leider ist die lange angestrebte Kooperationsvereinbarung zwischen Kinder- und
Jugendpsychiatrie, Jugendhilfe und Schule aus Kapazitätsgründen nicht zum Abschluss gebracht
worden.
Die enge Kooperation zwischen Jugendhilfe und Kinder- und Jugendpsychiatrie in den kommunalen
Erziehungsberatungsstellen ist überregional beispielgebend, sollte beibehalten und den jeweiligen
Erfordernissen angepasst werden.
„Hilfen aus einer Hand“ sind sowohl für die Ratsuchenden als auch die Leistungsträger die effektivste Methode.
3.3. Stationäre und teilstationäre medizinische Versorgung
Der § 39 SGB V regelt die stationäre kinder- und jugendpsychiatrische Behandlung in Kliniken und
Tageskliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie. Kinder und Jugendliche, bei
denen eine vollstationäre Behandlung nicht angezeigt ist, haben durch das teilstationäre Behandlungsangebot in einer Tagesklinik die Möglichkeit, trotz Behandlung in ihrem gewohnten sozialen Umfeld
verbleiben zu können.
Beide für die Stadt Dresden arbeitenden Kliniken behandeln Patienten und Patientinnen mit allen
kinder- und jugendpsychiatrischen Störungsbildern und haben sich zusätzlich auf verschiedene Krankheitsbilder spezialisiert (u. a. Essstörungen und Suchterkrankungen). Sowohl zur vollstationären als
auch zur teilstationären Behandlung gehören eine umfassende kinderpsychiatrische Diagnostik, die
61
fachärztliche Versorgung und ggf. medikamentöse Behandlung, eine begleitende Psychotherapie und
verschiedene individuelle Förderungen (z. B. Ergotherapie, Logopädie) sowie der Besuch der Klinikschule. Darüber hinaus werden Helferkonferenzen mit Eltern, Schulen, Jugendhilfe und anderen an der
Hilfe beteiligten Institutionen durchgeführt. Ziel der Zusammenarbeit ist es, vorhandene Ressourcen zu
erkennen, zu aktivieren und gegebenenfalls zusätzliche Hilfen zu installieren, um eine erfolgreiche
Reintegration in den Alltag zu ermöglichen.
Die schulische Wiedereingliederung von Schülerinnen und Schülern mit einer seelischen Erkrankung, die stationär bzw. teilstationär behandelt wurden, stellt dabei eine besondere Herausforderung
dar. Es fehlen integrative schulische Angebote und Konzepte für Schüler/-innen mit einer psychischen
Erkrankung, die nicht mehr stationär behandlungsbedürftig sind, aber aufgrund ihres Störungsbildes
den sozialen Anforderungen des Schulalltages nicht gerecht werden und somit oft nicht entsprechend
ihrer Begabung gefördert werden können.
Entwicklung der stationären Behandlungsplätze im Versorgungsbereich Dresden:
1993
1998
2011
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie
Schubertstraße 42
01309 Dresden
16
22
30
Sächsisches Krankenhaus Arnsdorf
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Hufelandstraße 15
01477 Arnsdorf
65
45
57
inklusive Maßregelvollzug 12,
Suchtstation 10
Einzugsgebiet nach Stadtteilen bzw.
Ortsämtern (OA)
Altstadt
Blasewitz
Cotta
Leuben
Prohlis
Südvorstadt
Für Dresden:
Klotzsche
Loschwitz
Neustadt
Pieschen
Einwohnerzahl (EW)
= 43.216 minderjährige
EW
= 25.533 minderjährige
EW
zusätzlich
Kreise Kamenz, Sächsische Schweiz,
Weißeritzkreis
Teile der Kreise Meißen, RiesaGroßenhain und Bautzen
Tab. 13: Stationäre Behandlungsplätze für Kinder und Jugendliche. Stand: 30.06.2011, Kommunale Statistikstelle Dresden
Die Zahl der stationären Plätze im Universitätsklinikum hat sich deutlich erhöht. Sie gliedert sich wie
folgt auf:
Stationäre Behandlungsplätze im Universitätsklinikum
Station für Patienten/-innen mit Essstörungen 11
Offene Kinder- und Jugendstation
11
Akut- und Krisenstation
8
Mit der Eröffnung der Akutstation im Dezember 2001 ist es möglich geworden, Kinder und Jugendliche, die akut psychisch erkrankt sind, unter Bedingungen mit Freiheitsentzug zu behandeln. Für diese
Station besteht eine Aufnahmeverpflichtung für alle Dresdner Patienten/-innen, die auf der linken
Elbseite leben. Die offenen Stationen und die Tageskliniken haben keine speziellen Einzugsbereiche
und nehmen Patienten/-innen überregional auf.
Stationäre Behandlungsplätze im Sächsischen Krankenhaus Arnsdorf
Kinderstation
13
Jugendstation
12
Akutstation
10
Suchtstation
10
Jugendmaßregelvollzug
12
62
Alle Gebäude der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Sächsischen Krankenhauses
Arnsdorf wurden saniert. Die Kinderstation konnte 2009 ein komplett saniertes und renoviertes Gebäude beziehen. Die Tagesklinik ist 2010 in ein teilsaniertes und renoviertes Gebäude umgezogen. Somit
haben sich die räumlichen Bedingungen für die Behandlung der Patienten erheblich verbessert.
Neben Betroffenen aus dem Umland werden Dresdner Patienten und Patientinnen versorgt, die
rechts der Elbe wohnen. Obgleich sich die Zahl der stationären Plätze (ohne Maßregelvollzug und
Suchtstation) gegenüber 1998 verringert hat, konnte eine Verbesserung der Behandlung Minderjährigerer mit einer psychischen Erkrankung erzielt werden. Entsprechend dem Grundprinzip, Hilfen zur
Behandlung psychischer Störungen möglichst ambulant oder teilstationär zu erbringen, sind 2005 die
Tagesklinik Arnsdorf und 2007 die Institutsambulanz sowie die Tagesklinik Radebeul hinzugekommen.
Die Jugendmaßregelvollzugsstation ist 2005 eröffnet worden. Sie hat ein überregionales Einzugsgebiet.
Für Suchtpatienten/-innen wurden 10 Behandlungsplätze geschaffen.
Teilstationäre Behandlungsplätze Uniklinikum
Die Zahl der teilstationären Behandlungsplätze im Uniklinikum ist gleich geblieben.
Tagesklinik
12
Familientagesklinik
6
Familientagesklinik für Patienten/-innen mit Essstörungen
2
Teilstationäre Behandlungsplätze Krankenhaus Arnsdorf
Tagesklinik Radebeul
10
Tagesklinik Arnsdorf
10
Tagesklinik Kamenz
10
1989 gab es nur drei tagesklinische Plätze, die in eine Station integriert waren und von Dresdner
Patienten/-innen nicht in Anspruch genommen wurden.
Die Tageskliniken in Radebeul und Arnsdorf bieten teilstationäre Betreuungsmöglichkeiten auch für
jüngere Kinder an. Es existieren Wartelisten, um einen Aufnahmetermin zu erhalten. Wenn eine solche
Behandlungsoption besteht, ist sie im Sinne einer alltagsnahen Therapie zu favorisieren.
3.3.1. Bewertung des Versorgungsstandes und Handlungserfordernisse
Die Steuerung der stationären und teilstationären Versorgungsangebote erfolgt auf Landesebene. Das
begrenzt die kommunale Einflussmöglichkeit auf Veränderungen. Gleichwohl ist die Erweiterung des
fachlichen Austauschs zwischen den Kliniken, dem ambulanten Versorgungssystem und den kommunalen Netzwerken zu begrüßen. Nur so wird es möglich sein, dem veränderten Bedarf Rechnung zu
tragen.
Um adäquate und bedarfsgerechte Hilfe anzubieten, müssen die Angebote bzw. Behandlungskonzepte der Kliniken flexibel gestaltet werden. Dazu gehört auch der Umgang mit der Altersgrenze von 18
Jahren für Behandlungsangebote in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Diese erschwert es z. T., für
Jugendliche, die kurz vor Vollendung ihres 18. Lebensjahres stehen, einen Klinikplatz zu finden.
Ein Fachaustausch zwischen den Institutionen soll dazu beitragen, für die jeweiligen Arbeitsbereiche
und Arbeitsaufträge der Hilfesysteme zu sensibilisieren und damit eine Zusammenarbeit zu erleichtern.
Darüber hinaus sollten die Kliniken stärker in die Erarbeitung von Hilfeplänen einbezogen werden.
Eine effektivere Vernetzung zwischen den verschiedenen Hilfesystemen soll auch dazu beitragen,
dass geeignete nach-stationäre Maßnahmen rechtzeitig eingeleitet werden.
Von der Uniklinik wird als besonders problematisch angesehen, dass Patienten und Patientinnen mit
schweren Störungen des Sozialverhaltens häufig nicht zeitnah in Einrichtungen der Jugendhilfe untergebracht werden können. Das sehr problematische Verhalten dieser Kinder und Jugendlichen
63
beeinträchtigt das therapeutische Setting der anderen Kinder und gefährdet den Behandlungserfolg.
Hier muss gemeinsam mit dem Jugendamt nach Lösungen gesucht werden.
Die Arbeitsgruppe „Kooperation Jugendamt – Gesundheitsamt – Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie“, die aus Vertreterinnen und Vertretern der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Dresden, dem Jugendamt (Abteilung Allgemeiner Sozialer Dienst) und dem Gesundheitsamt (Kinder- und Jugendpsychiaterinnen im öffentlichen Gesundheitsdienst) besteht, erarbeitet
zurzeit eine Kooperationsvereinbarung zwischen ihren Institutionen. Die Vereinbarung soll helfen,
Abstimmung bei der Versorgung von Familien mit komplexem Hilfebedarf zu effektivieren, Handlungsabläufe zu vereinfachen und mehr Transparenz herzustellen.
Als sehr positiv ist die 2004 geschlossene Kooperationsvereinbarung zwischen dem Uniklinikum,
der Jugendhilfe und dem Familiengericht zu bewerten. Diese schreibt vor, dass vor Aufnahme nach §
1631 BGB eine gemeinsame Fallkonferenz mit den Eltern durchgeführt wird, in der der richterliche
Beschluss und die ärztliche Stellungnahme vorbereitet werden.
Die schulische Wiedereingliederung von Schülern mit seelischer Erkrankung, die stationär bzw. teilstationär behandelt wurden, stellt eine besondere Herausforderung dar. Es fehlen integrative schulische
Angebote und Konzepte für Schüler, die nicht mehr stationär oder teilstationär behandlungsbedürftig
sind, aber aufgrund ihrer Erkrankung den sozialen Anforderungen des Schulalltages nicht gerecht
werden und somit oft nicht entsprechend ihrer Begabung gefördert werden können. Dazu gehören auch
Ersatzschulen in stationären Einrichtungen der Jugendhilfe. Diese fehlen derzeit in Dresden (und in
Sachsen). Dies führt dazu, dass Minderjährige mit einer psychischen Erkrankung und einem entsprechenden pädagogischen Förderbedarf in anderen Bundesländern fremdplatziert werden. In Gesprächen
mit der Bildungsagentur wird auf die Sächsische Landesgesetzgebung verwiesen.
Im Sinne des übergeordneten Zieles, stationäre Behandlungen im kinder- und jugendpsychiatrischen Bereich auf das notwendige Mindestmaß zu beschränken, ist es notwendig, auch über geeignete
Präventionsmaßnahmen zu beraten, die eine zunehmende Ausweitung psychischer Erkrankungen in
dieser Altersgruppe verhindern können.
Die Einhaltung der Psychiatrie-Personalverordnung als qualitative Voraussetzung ist für eine adäquate Behandlung sicherzustellen.
Niedergelassene Fachärzte/-innen wünschen sich zudem kürzere Wartezeiten für Erstgespräche vor
einem Klinikaufenthalt.
3.4. Maßregelvollzugsbehandlung bei Minderjährigen bzw. Heranwachsenden
Gemäß § 7 Abs.1 Jugendgerichtsgesetz (JGG) kann eine freiheitsentziehende Unterbringung nach §§
63, 64 Strafgesetzbuch (StGB) in einem psychiatrischen Krankenhaus gegenüber Minderjährigen bzw.
Heranwachsenden angeordnet werden. Die Anordnung zur Unterbringung erfolgt durch die zuständigen
Strafgerichte. Der Vollzug dieser Anordnung unterliegt in Sachsen dem „Gesetz über die Hilfen und die
Unterbringung bei psychischen Krankheiten“ (SächsPsychKG).
Die Behandlung der Patientinnen und Patienten ist an den aktuellen Landespsychiatrieplan angelehnt. In der Region Dresden verfügt die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie
des Sächsischen Krankenhauses Arnsdorf über einen Jugendmaßregelvollzug (JMRV) mit einer Kapazität von 12 Plätzen.
Der JMRV am Standort Arnsdorf ist so ausgebaut, dass er im Wesentlichen den therapeutischen
und baulich-sicherheitstechnischen Anforderungen zur Besserung und Sicherung der untergebrachten
Patientinnen und Patienten entspricht. Die Qualität der Maßregelvollzugsbehandlung sowie die Sicherheit des Vollzuges werden durch die Umsetzung der „Verordnung über Maßstäbe und Grundsätze für
den Personalbedarf in der stationären Psychiatrie“ (Psychiatrie-Personalverordnung - Psych-PV) sichergestellt. Ein Ausbau bzw. Umbau des JMRV hinsichtlich einer bedarfsorientierten Anpassung der
Behandlungsanforderungen wird regelmäßig überprüft.
64
Mit Beginn der Unterbringung eines jugendlichen/heranwachsenden Patienten oder einer Patientin
wird eine individuelle Behandlungskonzeption entwickelt, die sich an der gesetzlichen Grundlage zu
Freiheitsentziehenden Maßregeln nach § 63 StGB oder § 64 StGB orientiert. Die Konzeption gibt einen
Rahmen für die gesamte Behandlungszeit vor und berücksichtigt insbesondere Sicherheitsanforderungen und therapeutische sowie pädagogische Erfordernisse bis hin zur Entlassungsperspektive. Die
Eingangskonzeption unterliegt einer stetigen Überprüfung und ggf. Evaluierung während des Behandlungsverlaufes.
3.4.1. Bewertung des Versorgungsstandes und Handlungserfordernisse
Durch regelmäßige fachspezifische Fort- und Weiterbildungen der Mitarbeiter/-innen ist die Qualität der
Behandlung auch in Zukunft abzusichern.
Durch entsprechende, insbesondere bauliche Maßnahmen sind optimale Vollzugs- und Behandlungsbedingungen sicherzustellen, die den therapeutischen und baulich-sicherheitstechnischen Standards bestmöglich gerecht werden.
Zur Sicherung und Verbesserung der Qualität der Maßregelvollzugsbehandlung sind ein einheitliches Dokumentationssystem für den Maßregelvollzug in Sachsen zu implementieren und eine wissenschaftliche Begleitung sicherzustellen.
3.5. Substanzstörungen bei Kindern und Jugendlichen
In der Regel kommen Kinder und Jugendliche in der Phase der späten Kindheit das erste Mal mit
psychoaktiven Substanzen (Tabak, Alkohol, Cannabis, Synthetika usw.) in Berührung. Dabei entwickeln
und erlernen sie teils bewusst, teils unbewusst gesundheitsbezogene Einstellungen und Verhaltensweisen. Dieser Lebensabschnitt stellt eine entscheidende sensible Phase im Erwerb sowohl kontrollierter
Konsumgewohnheiten als auch missbräuchlicher und süchtiger Verhaltensweisen dar. Motive für den
Konsum können sehr vielfältig sein, u. a.:







Demonstration der Vorwegnahme des Erwachsenenalters
Protestverhalten gegenüber den Eltern und/oder gesellschaftlichen Wertvorstellungen
Grenzerfahrungen und Grenzüberschreitungen
Entspannung und damit im Zusammenhang stehende Genusserlebnisse
Problembewältigungsverhalten/Flucht aus der Realität
Neugier, Probierverhalten
Werte und Normen innerhalb der Peergroup
Das Erlernen eines altersentsprechenden verantwortungsvollen Umganges mit psychoaktiven Substanzen ist eine wichtige Entwicklungsaufgabe des Kindes- und Jugendalters.
Das Lebensalter, in dem diese Entwicklungsaufgabe zu bewältigen ist, hat sich im Laufe der letzten
Jahrzehnte immer weiter nach vorn verschoben. In dieser Lebensphase sind aber auch andere wichtige
Entwicklungsaufgaben (z. B. Auseinandersetzung mit der eigenen Identität/Geschlechterrolle, Entwicklung der sexuellen Orientierung, Abgrenzung von den Eltern/Übernahme von Eigenverantwortung) zu
bewältigen.
Kinder und Jugendliche sind viel früher gefordert, zur Bewältigung dieser Aufgaben stabile Emotions- und Verhaltensregulationen zu entwickeln. Der Umgang mit psychoaktiven Substanzen stellt ein
pädagogisches Lern- und Erfahrungsfeld dar. Der Konsum ist für die Mehrzahl der Kinder und Jugendlichen ein vorübergehendes, auf die Adoleszenz beschränktes Entwicklungsphänomen.
Für Kinder und Jugendliche, die diese Fähigkeiten nicht entwickeln können, bedarf es früher, zielgerichteter und effektiver Hilfen.
Betrachtet man Sucht als Ergebnis eines multifaktoriellen Bedingungsgefüges, spielen neben der
Substanz gleichermaßen die Person sowie das Umfeld bzw. die Umwelt eine Rolle. Ein problematischer
65
Substanzkonsum tritt dann ein, wenn er sehr früh und sehr exzessiv einsetzt und mit anderen problematischen Verhaltensweisen im Kindes- und Jugendalter im Zusammenhang steht. Somit bekommt der
Konsum eine Funktion von dahinterliegenden, nicht bewältigten Entwicklungsschritten. Als Folge kommt
es zu Einschränkungen von Verhaltensalternativen bei Problemen und Anforderungen.
Die Hilfen für Kinder und Jugendliche, die Suchtmittel konsumieren und an einer Sucht erkrankt
sind, müssen frühzeitig in die Entwicklung einer möglichen Abhängigkeitserkrankung eingreifen. Dabei
stehen drei Hilfesysteme im Mittelpunkt: die Jugendhilfe, die Suchthilfe und die Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Die Angebote der ambulanten Suchthilfe stehen grundsätzlich auch jungen Menschen mit einer
Suchterkrankung zur Verfügung. Hier sei auf das Kapitel 5.3.1 „Suchtberatungs- und Behandlungsstellen“ dieses Stadtpsychiatrieplans verwiesen. Die Suchtberatungsstellen übernehmen dabei die Aufgabe
der Kontakt- und Motivationsphase und der Nachsorge. Minderjährigen fällt es aus unterschiedlichsten
Gründen sehr schwer, diese Angebote zu nutzen.
Derzeit gibt es in Dresden mit der Jugend- und Drogenberatungsstelle ein kinder- und jugendspezifisches Angebot speziell mit dem Schwerpunkt auf illegale Drogen.
Aus den Tätigkeitsschwerpunkten der Jugend- und Drogenberatungsstelle ergeben sich inhaltlich drei
Arbeitsbereiche:
1. Entwicklung und Umsetzung von Suchtpräventionskonzepten
2. Beratung und Betreuung von Abhängigkeit bedrohter Kinder, Jugendlicher und junger Erwachsener sowie deren Umfeld (z. B. Eltern, Familien, Partner, Multiplikatoren)
3. Fachberatung/Netzwerkarbeit mit den angrenzenden Systemen der Jugendhilfe, Gesundheitsund Sozialhilfe und der Justiz zur Entwicklung und Koordination der Hilfen für suchtmittelkonsumierende Kinder und Jugendliche in Dresden
3.5.1. Entwicklung und Umsetzung von Suchtpräventionskonzepten
Beschreibung
Zielgruppe
Ziele
Beschreibung
66
a) Enriko (Frühinterventionsprojekt) / Informationsgespräche im Rahmen des erzieherischen
Jugendarrestes Beschreibung:
 Vermittlung von Wissen über Wirkweisen von Drogen und Mechanismen, die zur Abhängigkeit
führen
 Information über mögliche Folgeerkrankungen im Zusammenhang mit Substanzkonsum (z. B.
Drogenpsychosen)
 Diskussion über eigene Einstellungen zu legalen und illegalen Drogen
 „Wege aus der Sucht“ Angebote und Inhalte der Suchthilfe
Jugendliche zwischen 14 und 21 Jahren, die wegen des Konsums von illegalen Drogen erstmals strafrechtlich auffällig geworden sind, speziell „riskant konsumierende Personen“ mit gelegentlichem oder
schädlichem Konsum / im Jugendarrest einsitzende Jugendliche





selbstkritische Reflexion des eigenen Konsumverhaltens fördern
eine realistisch(er)e Einschätzung des eigenen Risikos ermöglichen
Wahrnehmung suchtgefährdender Situationen und Lebensumstände schärfen
Möglichkeiten zur Änderung problematischem Konsumverhaltens eröffnen
Abbau von Vorurteilen gegenüber dem Suchthilfesystem fördern, um bei problematischem Konsumverhalten frühzeitig auf angebotene Hilfen zurückzugreifen.
b) Frühintervention bei akuter Drogenintoxikation
Der Jugendliche wird spätestens drei Tage nach Einlieferung in ein Krankenhaus im Rahmen einer
Drogenintoxikatin von einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin der Jugend- und Drogen-
beratungsstelle zu einem Erstgespräch aufgesucht. Bei diesem Kontakt soll die Motivation des Jugendlichen gestärkt werden, seinen Substanzkonsum kritisch zu prüfen. Darüber hinaus kann Unterstützung
bei einer gewollten Veränderung des Umgangs mit illegalen Drogen angeboten werden. Gleichzeitig
wird den Eltern des Jugendlichen ein Beratungsangebot unterbreitet. Abschließend werden bei einem
erkennbaren Hilfebedarf weiterführende Angebote mit den Beteiligten erörtert und eingeleitet.
Zielgruppe
Ziele
Beschreibung
Jugendliche bis 18 Jahre, die wegen des übermäßigen Konsums von illegalen Drogen in ein Krankenhaus eingeliefert wurden und akutmedizinisch behandelt werden.




Vermeidung der Wiederholung einer Drogenintoxikation
Erlernen von Risikokompetenz
Informationsgewinnung bezüglich Abhängigkeitserkrankungen
Kontakt zum Hilfesystem aufbauen
c) Präventionsveranstaltungen für Jugendliche
Die Jugendlichen sollen in einer ca. dreistündigen Veranstaltung in eine Diskussion über eigene Einstellungen zu legalen und illegalen Drogen kommen. Es wird Wissen über Wirkweisen von Drogen und
Mechanismen, die zur Abhängigkeit führen, vermittelt. Weiterhin wird die rechtliche Situation erläutert.
Zielgruppe
Gruppen von Jugendlichen, die an der Thematik „Sucht und Drogen“ interessiert sind, bevorzugt Jugendgruppen, die über spezifische Risikomerkmale verfügen (selektive Prävention).
Ziele
 Förderung der selbstkritischen Reflexion des eigenen Konsumverhaltens
 eine realistisch(er)e Einschätzung des eigenen Risikos ermöglichen
 Wahrnehmung von Hochrisikosituationen im Zusammenhang mit schwierigen Lebensumständen
schärfen
 Möglichkeiten zur Änderung des problematischen Konsumverhaltens eröffnen
 Abbau von Vorurteilen gegenüber dem Suchthilfesystem fördern, um bei problematischem Konsumverhalten frühzeitig auf angebotene Hilfen zurückzugreifen.
Beschreibung
Zielgruppe
Ziele
d) Weiterbildungsveranstaltungen für Multiplikatoren
Gruppenveranstaltung von ca. drei Stunden. Vermittlung von grundlegendem Wissen über Sucht und
Drogen mit dem Transfer in die eigene berufliche Praxis. Dabei sollen der Austausch von unterschiedlichen Sichtweisen gefördert und unterschiedliche fachliche Kompetenzen vom Suchthilfesystem und
den jeweils anderen Professionen gebündelt werden.
Multiplikatoren, die beruflich oder ehrenamtlich mit drogenkonsumierenden Jugendlichen Kontakt haben
(z. B. Lehrer/-innen, Sozialarbeiter/-innen, Erzieher/-innen, Ausbilder/-innen, Ärzte/-innen, medizinisches Personal) bzw. Auszubildende in diesen Berufsgruppen.






Sucht, Abhängigkeit, Drogen – Begriffsbestimmung und Zusammenhänge
Drogen – Geschichte, kulturelle Aspekte, Wirkweisen
Faktoren zur Suchtentstehung
Gründe für Drogenkonsum von Jugendlichen
Interventionsmöglichkeit als Multiplikator
rechtliche Rahmenbedingungen
67
3.5.2. Beratung und Betreuung von Abhängigkeit bedrohter Kinder, Jugendlicher und junger
Erwachsener sowie deren sozialem Umfeld
Beschreibung
a) „HaLT – Hart am Limit in Dresden“ – Alkoholprävention bei Kindern und Jugendlichen
HaLT ist ein Suchtpräventionsprojekt, das aus zwei unterschiedlichen Bausteinen besteht, die sich
gegenseitig ergänzen und verstärken. Im reaktiven Baustein wird Kindern und Jugendlichen, die in
Folge exzessiven Alkoholkonsums mit einer Alkoholintoxikation stationär im Krankenhaus behandelt
werden müssen, das Angebot einer Kurzintervention unterbreitet. Diese beinhaltet ein Beratungsgespräch mit dem Kind bzw. Jugendlichen, ein Beratungsgespräch mit den Eltern, den „Risiko-Check“
(Gruppenangebot) sowie ein gemeinsames Abschluss- bzw. Auswertungsgespräch. Im proaktiven Teil
wird auf kommunaler Ebene durch Informationen und Prävention ein eigenverantwortlicher und risikoarmer Alkoholkonsum unter Jugendlichen und zugleich die Einhaltung des Jugendschutzes bei Festveranstaltungen, in Gaststätten und dem Handel gefördert. Über breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit
soll die Bevölkerung zum verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol sensibilisiert werden.
Zielgruppe
Während der reaktive Baustein vorwiegend die Zielgruppe der riskant Alkohol konsumierenden Kinder
und Jugendlichen anspricht, wendet sich der proaktive Baustein vorwiegend an Erwachsene.
Ziele
Ziel der niedrigschwelligen, zeitlich begrenzten Frühintervention (reaktiver Baustein) soll sein, die
Kinder und Jugendlichen zur Reflexion ihrer Konsumgewohnheiten anzuregen und sie dabei zu unterstützen, einen verantwortungsvollen, nicht selbstschädigenden Umgang mit Alkohol zu erlernen. Ergänzend zu diesem Ansatz im Bereich der indizierten Prävention steht eine kommunal verankerte Präventionsstrategie mit dem Ziel, Alkoholexzesse und schädlichen Alkoholkonsum im Vorfeld zu verhindern
(proaktiver Baustein).
Beschreibung
Zielgruppe
 Jugendliche mit einem problematischen Substanzkonsum, insbesondere bei riskantem bzw. missbräuchlichem Konsummuster, ohne dass eine Abhängigkeit vorliegen muss.
 Jugendliche mit vornehmlicher Fremdmotivation durch Eltern und/oder Helfersystem
 Jugendliche im Alter von 14 – 17 Jahren
Ziele
 Erhebung des Hilfebedarfes
 Aufbau einer tragfähigen Beratungsbeziehung
 Anregung zur Selbstreflexion und Verantwortungsübernahme für das eigene Verhalten und eigene
Entscheidungen
 Belastungssituationen für eine mögliche manifeste Abhängigkeitserkrankung und individuelle Ressourcen herausarbeiten
 Schwellenängste für weiterführende Behandlungsangebote senken und Zugangswege erschließen
(Jugendhilfe, Suchthilfe, medizinisch-therapeutische Angebote)
Beschreibung
Zielgruppe
Ziele
68
b) „Clearing Spezial“ – spezifisches Angebot für Minderjährige
Ausgehend von dem Erklärungsmodell „Suchtdreieck“ werden mit dem Jugendlichen persönliche Bedingungsgefüge für eine mögliche/drohende oder bestehende Suchterkrankung in insgesamt fünf
Beratungsgesprächen erarbeitet. Dabei finden zwei Termine mit der Familie und dem Helfersystem und
vier Termine im Sinne eines strukturierten Beratungsangebotes mit dem Jugendlichen statt.
c) „Candis“ – Beratungsangebot für Cannabiskonsumenten
Die „Candis“-Therapie besteht aus 10 Behandlungseinheiten speziell für Cannabiskonsumenten.
Jugendliche ab 16 Jahre und junge Erwachsene mit problematischem Cannabiskonsum




Erkennen von Problemen im Zusammenhang mit dem Cannabiskonsum
Akzeptanz der Therapie und regelmäßige Teilnahme an der Behandlung
Abstinenz als Behandlungsziel anstreben
Einstellung des Cannabiskonsums
 Aufrechterhaltung der Abstinenz mit Hilfe von rückfallprophylaktischen Maßnahmen
 Lernen, psychische und soziale Probleme adäquat und effizient ohne Drogenkonsum zu lösen
Die weiteren Angebote im Rahmen der Beratung und Betreuung von Kindern, Jugendlichen, jungen
Erwachsenen und deren sozialem Umfeld erfolgen analog dem Leistungsspektrum der Dresdner
Suchtberatungs- und Behandlungsstellen.
3.5.3. Fachberatung/Netzwerkarbeit mit angrenzenden Fachgebieten
Die Jugend- und Drogenberatungsstelle versteht sich nicht nur als Beratungsstelle für Konsumenten,
sondern auch als Koordinations- und Fachstelle für Sucht in der Stadtverwaltung Dresden. Für Projekte,
Institutionen und Fachkräfte, die mit jugendlichen Drogenkonsumenten arbeiten (u. a. aus Suchthilfe,
ambulanter/stationärer Jugendhilfe, Jugendberufshilfe, Sozialhilfe) wird Fach- und Ressourcenwissen
zur Verfügung gestellt. In diesem Zusammenhang wurde mit den auf diesem Gebiet tätigen Trägern
eine „Kooperationsvereinbarung Drogenhilfe“ der Stadt Dresden zur Qualitätssicherung der Versorgung
in der Stadt Dresden gemeinsam entwickelt und verabschiedet.
Abb. 10: Netzwerkarbeit im Bereich „Suchthilfe“ für Kinder und Jugendliche
3.5.4. Bewertung des Versorgungsstandes und Handlungserfordernisse
Jugendliche mit problematischem Suchtmittelkonsum werden in unterschiedlichen Hilfesystemen auffällig (z. B. Schule/Ausbildung, Jugendhilfe, Justiz, medizinische Grundversorgung, Suchthilfe). Deshalb
kommt der Vernetzung/Zusammenarbeit der verschiedenen Institutionen eine hohe Bedeutung für den
Erfolg von Beratungs-, Betreuungs- und Behandlungsprozessen zu. Nach dem Landessuchthilfeplan
Sachsen sollen die Suchtberatungsstellen dabei die Aufgabe der Kontakt- und Motivationsphase und
teilweise der Nachsorge übernehmen.
Da den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen mit Suchtproblemen in der ambulanten Suchthilfe zu wenig Rechnung getragen werden konnte, wurde mit der Jugend- und Drogenberatungsstelle
der Stadt Dresden ein kinder- und jugendspezifisches Angebot speziell mit dem Schwerpunkt auf
69
illegale Drogen installiert. Die Hilfesysteme, die zu den Jugendlichen und/oder dem familiären System
Kontakt haben, schätzen den Handlungs- und Hilfebedarf aber oftmals nur aus der Sicht ihrer jeweiligen
Profession heraus ein. Laut Jahresstatistik kommen die unter 18-Jährigen kaum in der JDB an.
Notwendig ist die Konzipierung weiterer spezialisierter Angebote im ambulanten, stationären und
komplementären Bereich. Dabei sind folgende Besonderheiten im Zusammenhang mit der Altersstruktur zu berücksichtigen:
 Der Beratungs- und Behandlungswunsch geht in der Regel vom Familiensystem und nicht vom
konsumierenden Jugendlichen aus. Daher sind hier systemische Beratungskonzepte vorzuhalten.
 Neben der substanzbezogenen Störung treten sehr häufig familiäre Konflikte auf. Auch hier ist die
Einbeziehung der Familie als Gesamtsystem in den Beratungs- und Behandlungsprozess wichtig.
 Entsprechende kinder- und jugendsuchtspezifische Behandlungsangebote müssen aufgrund des
Alters ein wesentlich höheres Maß an pädagogischer Förderung beinhalten. Schulische und/oder
berufsvorbereitende Maßnahmen sind flankierend vorzuhalten.
Kinder und Jugendliche, die Suchtmittel missbrauchen und davon abhängig sind, weisen ein hohes
Maß an komorbiden Störungen auf. Vor dem Hintergrund eines biopsychosozialen, entwicklungsorientierten Modells als Grundlage für die Entwicklung einer substanzbezogenen Störung ist die frühzeitige
Einleitung einer kinder- und jugendpsychiatrischen suchtspezifischen Diagnostik und Therapie angezeigt. Somit erfordert die Behandlung neben suchtspezifischem auch entwicklungspsychologisches/psychopathologisches Wissen des Kindes- und Jugendalters.
Die Hilfen für Kinder und Jugendliche mit einer Suchterkrankung und für Kinder und Jugendliche, die
davon gefährdet sind, müssen frühzeitig in die Entwicklung und Dynamik einer Suchtentstehung eingreifen. Ziel dabei ist, den negativen Auswirkungen des Suchtmittelkonsums auf die schulische, berufliche
und soziale Entwicklung sowie möglichen schwerwiegenden gesundheitlichen Risiken und Folgeschäden und der Verfestigung des Suchtverhaltens entgegenzuwirken. Im Mittelpunkt stehen hier insbesondere drei Hilfesysteme: die Jugendhilfe, die Suchthilfe und die Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Die Arbeit mit jugendlichen Suchtmittelkonsumenten fordert aufgrund oben genannter möglicher negativer Auswirkungen des Konsumverhaltens und des noch sehr jungen Alters der Konsumenten eine
stärkere interdisziplinäre Zusammenarbeit und Vernetzung des Hilfesystems. Dabei ist eine integrative
Vernetzung des Hilfesystems von hoher Bedeutung für den Behandlungserfolg. Folgende Schwerpunktsetzungen sind hervorzuheben:
1.
2.
3.
4.
5.
Frühintervention durch verbesserte Zugänge zu Kindern und Jugendlichen mit
Suchtmittelmissbrauch und Suchterkrankung
Voraussetzungsfreie und niedrigschwellige Hilfegewährung
Zeitnahe Bereitstellung von Hilfen
Wohnortnähe der Hilfen
Verbesserung der Qualifikation professioneller Bezugspersonen für den Bereich
der Substanzstörungen
Zusammengefasst ergeben sich aus dem oben genannten folgende Handlungsstrategien:
1. Analyse der Gesamtsituation hinsichtlich der Erfassung problematisch konsumierender Minderjähriger
2. Ableitung von sich daraus ergebenden Bedarfen / spezialisierten Angeboten
70
3.
4.
5.
6.
7.
Schlüssige aufeinander abgestimmte Gesamtkonzepte hinsichtlich der Arbeit mit minderjährigen
Suchtmittelkonsumenten sowohl in der Sucht- und Drogenhilfe als auch in den angrenzenden Arbeitsfeldern / gemeinsames „Leitbild“ / Grundverständnis der Arbeit – systemische Sichtweise und
davon abgeleitete Arbeitsstrategien
Fortschreibung der Kooperationsvereinbarung Drogenhilfe der Stadt Dresden speziell hinsichtlich
der Problemlagen konsumierender Minderjähriger
Absicherung der sächlichen und finanziellen/personellen Ressourcen für entsprechende spezialisierte Angebote
Interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe, Suchthilfe und Kinder- und Jugendpsychiatrie
Verbesserung der Koordination/Vernetzung der an den Hilfen beteiligten Institutionen/Klärung des
Case-Managements
3.6. Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe
„Auf der Grundlage des SGB VIII umfasst die Kinder- und Jugendhilfe Leistungen und Aufgaben zugunsten junger Menschen und deren Familien, die insbesondere auch Eingliederungshilfen für seelisch
behinderte oder von seelischer Behinderung bedrohte Kinder und Jugendliche vorsehen. Die Jugendhilfe ist auch dann zuständig, wenn Minderjährige in Krankheitssituationen spezifischer Hilfen bedürfen.
Tangiert ist der Leistungsbereich nach § 35a SGB VIII (Eingliederungshilfe für seelisch behinderte
Kinder und Jugendliche).“ (LPP 2011: 68)
Die gesetzliche Grundlage für die Erziehungs- und Familienberatung bilden der § 28 SGB VIII in
Verbindung mit den §§ 5,17,18,35a und dem § 41 SGB VIII. Eltern von Kindern und Jugendlichen mit
psychischen Erkrankungen oder psychosozialen Auffälligkeiten sind hohen Belastungen ausgesetzt und
häufig auf unterstützende Maßnahmen der Jugendhilfe angewiesen. Die örtlichen Träger der Jugendhilfe sorgen für die bedarfsgerechte Bereitstellung von Angeboten. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
des Jugendamtes prüfen den Hilfebedarf im Einzelfall und legen die Art und den Umfang der geeigneten Hilfe fest. In diesem Prozess kann die Kinder- und Jugendpsychiatrie klärend und beratend mitwirken.
3.6.1.
Erziehungsberatungsstellen
Dresden verfügt über ein personell gut ausgebautes, dezentrales Netz von zehn Erziehungsberatungsstellen (fünf kommunale und fünf in freier Trägerschaft). Die Beratungsstellen sichern einen niedrigschwelligen Zugang, befinden sich in den Sozialräumen und sind für die Klienten/-innen gut erreichbar.
Kurze Wege wirken sich günstig auf eine regelmäßige Annahme von Beratungsterminen aus. Es ist
auch nicht außer Acht zu lassen, dass die sozial schwachen Familien nicht immer die finanziellen Mittel
haben, sich einen Fahrausweis zu kaufen. Eine der Beratungsstellen bietet neben der Erziehungsberatung fachlich spezialisierte Unterstützung für Opfer häuslicher und sexualisierter Gewalt an und leistet
fachdienstliche Aufgaben in diesem Kontext.
In drei kommunalen Beratungsstellen (siehe Kapitel 3.2.5. „Kinder- und Jugendpsychiater/-innen im
öffentlichen Gesundheitsdienst“) ist im Rahmen eines Kooperationsvertrages die unmittelbare Zusammenarbeit mit Fachärztinnen und anderen Fachkräften des Gesundheitsamtes der Stadt Dresden
möglich.
Der Kooperationsvertrag zwischen Jugendamt und Gesundheitsamt wurde wegweisend im Dezember 1993 unterzeichnet und wird aktuell überarbeitet. Hierbei muss angemerkt werden, dass dank
engagierter Mitarbeiter/-innen des Geschäftsbereiches Gesundheit und Soziales in Dresden moderne
Betreuungsstrukturen etabliert wurden, die nicht nur für Sachsen Modellcharakter haben.
Adressen der Erziehungsberatungsstellen:
Kommunale Beratungsstellen für Kinder, Jugendliche und Familien:
August-Bebel-Straße 29, Tel.: (03 51) 4 77 74 14
Bautzner Straße 125, Tel.: (03 51) 4 88 84 51
71
Braunsdorfer Straße 13, Tel.: (03 51) 4 88 57 81
Burgenlandstraße 19, Tel.: (03 51) 2 57 10 43
Dürerstraße 88, Tel.: (03 51) 4 88 82 61 und 4 88 82 62
Beratungsstellen in freier Trägerschaft:
Evangelische Beratungsstelle Dresden
Diakonisches Werk - Stadtmission Dresden e. V.
Schneebergstraße 27
01277 Dresden
Tel.: (03 51) 31 50 20
[email protected]
www.diakonie-dresden.de
Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Erziehende
Verbund Sozialpädagogischer Projekte e. V. (VSP)
Spreewalder Straße 1
01239 Dresden
Tel.: (03 51) 2 81 32 68
www.spreewalder1.vsp-dresden.de
Beratung für Kinder, Jugendliche und Eltern
Deutscher Kinderschutzbund Dresden e. V. und Outlaw gGmbH
Beratungsstelle in Pieschen (BiP)
Bürgerstraße 75
01127 Dresden
Tel.: (03 51) 8 58 81 53
www.kinderschutzbund-dresden.de und www.outlaw-jugendhilfe.de
„Ausweg“ - Erziehungsberatungsstelle
AWO Kinder und Jugendhilfe gGmbH
Hüblerstr. 3
01309 Dresden
Tel.: (03 51) 3 10 02 21
[email protected]
www.ausweg-beratung.de
Beratungsstelle für Eltern, Kinder, Jugendliche und Familien
Malwina e. V.
Louisenstr. 54
01099 Dresden
Tel.: (03 51) 2 15 21 90
www.malwina-ev.de
3.6.2.
Beratungsstelle KiElt
Psychosozialer Trägerverein Sachsen e. V.
Naumannstraße 3a
01309 Dresden
Tel.: (03 51) 44 03 99 67
[email protected]
www.ptv-sachsen.de
72
Angebote für Kinder psychisch kranker Eltern
Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern mit psychischen Belastungen und
Erkrankungen (KiElt)
Die Beratungsstelle KiElt bietet Kindern, Jugendlichen, Eltern und Familien mit psychischen Belastungen oder Erkrankungen vielfältige Unterstützung an. Weitere Bezugspersonen wie Großeltern, Freunde,
Nachbarn können sich ebenfalls an die Mitarbeiter wenden.
Zum Angebot gehören unter anderem systemische Einzel-, Paar- und Familienberatung, Erziehungsberatung sowie soziales Kompetenztraining und Psychoedukation.
Das Team besteht aus Sozial- und Heilpädagoginnen mit therapeutischer Zusatzausbildung und
beraterischer Qualifikation. Das Angebot ist kostenfrei.
Bisher wurde KiElt durch „Aktion Mensch“ (von 2007-2009) und das Jugendamt (von 2010-2012) als
Projekt finanziert. Ab dem Jahr 2013 wird die Beratungsstelle in die Psychosoziale Kontakt- und Beratungsstelle des PTV integriert und über die Richtlinie Psychiatrie und Suchthilfe finanziert.
a casa
Psychosozialer Trägerverein Sachsen e. V.
Grunaer Straße 35
01069 Dresden
Tel.: (03 51) 4 41 79 82
[email protected]
www.ptv-sachsen.de
a casa – ambulante Hilfen für Kinder, Jugendliche und Familien
a casa richtet sich insbesondere an:
 Familien, in denen die Eltern psychisch belastet oder erkrankt sind
 Kinder, Jugendliche und junge Volljährige mit seelischen Belastungen oder Erkrankungen
Ziel ist die Stärkung der elterlichen Erziehungskompetenzen und Unterstützung bei der Gestaltung
eines krankheitsangemessenen Familienalltags sowie bei der Bewältigung von kindlichen Entwicklungsstörungen. Weiterhin erfahren die Klienten und Klientinnen Unterstützung bei der Bewältigung der
psychischen Erkrankung sowie psychische Entlastung und Stabilisierung. Kinder und Jugendliche
erhalten Unterstützung bei der Persönlichkeitsentwicklung, Verselbstständigung, Integration und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sowie Einbindung in schulische und berufliche Strukturen und soziale
Netzwerke.
Die Hilfe wird ambulant geleistet. Der Leistungsanspruch wird auf Grundlage des SGB VIII beantragt. Die Kosten übernimmt beim Vorliegen eines entsprechenden Hilfebedarfes in der Regel das
zuständige Jugendamt. Es erfolgt immer eine Einzelfallprüfung. Der Hilfebedarf und der zeitliche Umfang der Leistung werden bei einem Hilfeplangespräch durch das Jugendamt festgelegt. Der Hilfebedarf
wird in regelmäßigen Hilfeplangesprächen immer wieder überprüft und angepasst.
Sozialtherapeutische Wohngemeinschaft für
psychisch kranke Mütter/Väter und ihre Kindern
Psychosozialer Trägerverein Sachsen e. V.
Grunaer Str. 41
01069 Dresden
Tel.: (03 51) 2 08 67 41
[email protected]
www.ptv-sachsen.de
Sozialtherapeutische Wohngemeinschaft für Mütter/Väter und ihre Kinder (MuKi)
Das Angebot ist eine gemeinsame Wohnform für Schwangere, Mütter oder Väter mit einer psychischen
Erkrankung, die das Personensorgerecht für ihr Kind ausüben, allein für ein eigenes oder mehrere
eigene Kinder zu sorgen haben, ein Mindestmaß an Versorgung für sich und ihr Kind selbst leisten
können oder in einer Krise Hilfe und Unterstützung benötigen.
Die Bewohner/-innen erhalten bei Bedarf rund um die Uhr Beratung, praktische Unterstützung und
Anleitung bei der Alltagsbewältigung. Die Mütter, Väter sowie Schwangeren werden hauptverantwortlich
von einer Bezugsperson betreut. Eine Psychologin im Haus ergänzt das Team mit spezifischen Angeboten. Die Kinder besuchen wenn möglich ab dem ersten Lebensjahr eine umliegende Kindertageseinrichtung.
Für die Aufnahme der Mütter und Väter ist ein Mindestalter von 16 Jahren erforderlich. Es steht
Wohnraum für bis zu 8 Schwangere, Mütter oder Väter mit ihren Kindern zur Verfügung.
Das Jugendamt gewährt das Hilfsangebot auf der Grundlage des § 19 SGB VIII. Es erfolgt immer
eine Einzelfallprüfung. Das Jugendamt prüft in Abhängigkeit vom Einkommen, ob von den Müttern/Vätern eine Kostenbeteiligung erwartet wird.
3.6.3.
Auguszt & Jetter GmbH
Königsbrücker Straße 68
01099 Dresden
Tel.: (03 51) 56 35 59 13
[email protected]
www.auguszt-jetter.de
Besonderes Wohnangebot für junge Frauen
„Carla“ – Jugendwohngemeinschaft für junge Frauen mit einer Essstörung
Die Jugendwohngemeinschaft befindet sich in Trägerschaft der „Auguszt & Jetter Gesellschaft für
innovative Sozialarbeit BR“ und bietet vier Plätze für Eingliederungshilfe gemäß §§ 27, 34, 35a, 41 SGB
VIII für junge Frauen im Alter von 16 bis 21 Jahren mit diagnostizierter Anorexia/Bulimia nervosa an.
Aufnahmevoraussetzung ist eine abgeschlossene Therapie und nachsorgende Anbindung an eine
Klinik bzw. einen niedergelassenen Facharzt oder eine Fachärztin und Psychotherapeuten/-in. Eine
enge Kooperation erfolgt mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universitätsklinik Carl-Gustav
Carus.
In der Wohngemeinschaft sollen junge Frauen mit einer Essstörung nach stationärer bzw. teilstationärer oder intensiv-ambulanter Behandlung schrittweise ihre Selbstständigkeit wiederfinden sowie
soziale und Alltagskompetenzen neu erlernen.
73
Die Kostenübernahme erfolgt auf Antrag durch das Jugendamt oder das Sozialamt der Landeshauptstadt Dresden. Gegebenenfalls ist eine einkommensabhängige Kostenbeteiligung erforderlich.
3.6.4.
CSW – Christliches Sozialwerk
gGmbH
Friedrichstraße 24a
011067 Dresden
Tel.: (03 51) 4 81 22 10
Mobil: (01 73) 5 99 53 06
[email protected]
www.christliches–sozialwerk-ggmbh.de
Schulintegrationshilfe Christliches Sozialwerk
In besonderen Fällen können Kinder mit psychischen Störungen und komplexen Problemlagen, die sich
trotz intensiver schulischer Unterstützung in den Schulalltag nicht integrieren lassen, im Rahmen von
Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII, Unterstützung durch die Jugendhilfe erfahren. Schulintegrationshelfer/-innen haben die Aufgabe, dem Kind in Krisensituationen beizustehen bzw. diese zu vermeiden sowie zum Beziehungsaufbau und Abbau von Ängsten beizutragen.
Es erfolgt eine sehr enge Zusammenarbeit mit der Schule und den Behindertenpädagogen/-innen
oder Psychologen/-innen.
Integrationshilfe versteht sich als eine Maßnahme in einem Gesamtkonzept therapeutischer und pädagogischer Bemühungen.
3.6.5.
Bewertung des Versorgungsstandes und Handlungserfordernisse
Das Ziel der zeitnahen Prüfung der Hilfegewährung muss weiter im Auge behalten werden. Besonders
bei Patientinnen und Patienten mit komplexen Problemlagen bedarf es einer sehr guten Abstimmung
des Helfersystems sowie verbindlicher Absprachen. Leider konnte eine geplante Kooperationsvereinbarung zwischen Kliniken, der ambulanten Kinder- und Jugendpsychiatrie, dem Jugendamt und der Sächsischen Bildungsagentur nicht realisiert werden. In den letzten Jahren hat sich jedoch die Zusammenarbeit zwischen der Kinder- und Jugendpsychiatrie und der Jugendhilfe in der Stadt Dresden deutlich
verbessert. Durch die enge Kooperation zwischen Jugendamt und Gesundheitsamt in den kommunalen
Erziehungsberatungsstellen und Bemühungen der Kliniken konnten gegenseitige Vorurteile weiter
abgebaut werden.
Die Kooperationsvereinbarung zwischen der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums und dem Jugendamt im Verfahren zur Prüfung der geschlossenen Unterbringung nach §
1631 BGB hat sich bewährt.
Die Zunahme von Fällen mit komplexem Hilfebedarf wird alle Beteiligten auch in den nächsten Jahren vor hohe Herausforderungen stellen. Deshalb ist die enge Kooperation zwischen Jugendhilfe und
Gesundheitswesen auch zukünftig professionell erforderlich. Es ist wünschenswert, dass das Fachgebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie bei der Jugendhilfeplanung mit einbezogen wird. Der psychosoziale Arbeitskreis für Kinder und Jugendliche könnte als beratendes Gremium wesentlich mehr von der
Jugendhilfe genutzt werden.
Grundsätzlich ist die enge Kooperation zwischen Jugendhilfe und Kinder- und Jugendpsychiatrie
unabdingbar. Gemeinsame Weiterbildungen und Fachtage sollten regelmäßig stattfinden, um unter
anderem die Hilfen nach § 35a SGB VIII transparenter zu gestalten. Regelmäßige Qualifizierungen der
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Jugendhilfe auf dem Gebiet der Psychiatrie sind nötig, um entsprechende fachliche Methodik angemessen einzusetzen und notwendigen Behandlungsbedarf zu erkennen. Ein besseres Verständnis der Situation kann auch durch Fallkonferenzen gefördert werden.
Es wäre wünschenswert, wenn in den kommunalen Beratungsstellen mit Beteiligung des Gesundheitsamtes eine gemeinsame Statistik erfolgen könnte. Bisher werden die Grunddaten von den einzelnen Fachämtern getrennt abgefragt. Darin spiegelt sich die enge Zusammenarbeit nicht exakt wider.
Allgemein fehlt es an gültigen Standards zur Qualität der Hilfen der Komplementäreinrichtungen. Kooperationsprobleme entstehen nicht selten durch unterschiedliche Auffassungen von angemessener
Unterstützung bezüglich Hilfeformen und Methoden. Dementsprechend ist eine Evaluierung der Angebote teilweise intransparent oder nicht vorhanden. Eine gemeinsame Statistik aller Erziehungsberatungsstellen mit Einbeziehung der Daten des Gesundheitsamtes ist für die Bedarfserhebung und Planung von Versorgungsstrukturen erforderlich.
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Im Bereich der Beratungsangebote ist ein wachsender Bedarf in der Versorgung von Kindern mit Eltern, die psychisch erkrankt sind, zu verzeichnen. Ambulant betreutes Wohnen nach §§ 53/54 SGB XII
sowie §§ 55/58 SGB IX richtet sich mit seinem Angebot an erwachsene Menschen mit einer chronischen psychischen Erkrankung. Kinder werden dementsprechend nicht betreut. Ausnahme bilden
mitunter Klienten/-innen, die selbst Kinder haben. Wohnen diese mit dem Betroffenen in einem Haushalt, bedarf es unter Umständen der Einbeziehung des Jugendamtes bzw. der Inanspruchnahme einer
Familienhilfe. Leben die Kinder in Pflegefamilien etc., kann es auch Inhalt des Ambulant betreuten
Wohnens sein, den Kontakt zu den Kindern bzw. der Pflegefamilie herzustellen und die Beziehung
unter geschützten Bedingungen zu pflegen.
Auch im Bereich der Wohnangebote und Angebote zur Tagesstrukturierung für Jugendliche gibt es
Defizite. Hier fehlen zum Beispiel Wohngemeinschaften mit spezifischem Betreuungsangebot. Schwierig gestaltet sich die Hilfevermittlung für Kinder und Jugendliche, wenn sowohl Eingliederungshilfeleistungen nach SGB XII als auch Hilfen zur Erziehung nach SGB VIII erforderlich sind. Vor Einleitung von
Hilfsmaßnahmen ist eine Abstimmung von Jugend- und Sozialhilfeträger zur Abgrenzung zwischen dem
Bedarf an Hilfen zur Erziehung nach SGB VIII und dem Bedarf an Eingliederungshilfeleistungen nach
SGB XII erforderlich. Die erforderliche Abstimmung darf auf keinen Fall zu einer Verzögerung der
Hilfegewährung führen.
Neben dem Ausbau der komplementären Angebote muss das Zurückgreifen auf familiäre Ressourcen verstärkt ausgebaut werden. Wenn sowohl die Patienten und die Patientinnen als auch die Eltern
die Hilfen ablehnen, gibt es keine alternativen Unterstützungsmöglichkeiten. Vor allem die Eltern müssen über Angebotsstruktur als auch Erkrankungshintergründe besser aufgeklärt und in ihrer Erziehungskompetenz gestärkt werden, um positiv auf die Behandlungsbereitschaft der Kinder und Jugendlichen einwirken zu können.
Wenn (v. a. alleinerziehende) Eltern mit einer psychischen Erkrankung stationär behandelt werden
müssen, durchlaufen Kinder ab vollendetem 1. Lebensjahr wechselnde Bereitschaftspflegen, erleben
Abbrüche. Es gibt keine Angebote, die das – ggf. von der psychischen Erkrankung der Eltern beeinflusste – Kind bei wiederkehrenden stationären Aufenthalten kontinuierlich versorgen und gleichzeitig
eine Stabilisierung der Eltern-Kind-Beziehung unterstützen.
3.7. Schule und Ausbildung
Eine wesentliche Aufgabe der gesundheitlichen Unterstützung von Kindern und Jugendlichen besteht in
der Zusammenarbeit mit dem Schulsystem.
Kinder mit psychischen Störungen sind per Gesetz Kindern mit körperlichen Erkrankungen gleichgestellt und alle Kinder sind entsprechend ihrer Leistungsmöglichkeiten zu fördern. Die praktische
Umsetzung erweist sich als schwierig.
Die aktuellen Möglichkeiten der Schulen, dem individuellen Förder- und Betreuungsbedarf einzelner
Schülerinnen und Schüler ausreichend Rechnung zu tragen, sind häufig sehr begrenzt. Selbst die
Ressourcen der Förderschulen E (Förderschwerpunkt sozial-emotionale Entwicklung) sind nicht mehr
ausreichend, um alle Kinder angemessen zu beschulen. Mit enormen Schwierigkeiten verbunden ist die
Etablierung individueller Beschulungsmöglichkeiten bei Kindern mit komplexen Problemlagen. Das
Schulgesetz bietet für diese Klientel nichts an.
Derzeit gibt es weder in Dresden noch in Sachsen insgesamt Ersatzschulen in stationären Einrichtungen der Jugendhilfe. Das führt dazu, dass Kinder, die sich nicht an die Strukturen eines Förderschultyps anpassen können, mangels eines angemessenen Beschulungsangebotes in Kombination mit einer
stationären Maßnahme der Jugendhilfe außerhalb Sachsens untergebracht werden müssen. Dies ist
diskriminierend und entspricht weder der Gleichbehandlung von körperlicher und psychischer Erkrankung noch der gemeindenahen psychiatrischen Versorgung. Auch vor dem Hintergrund des bereits am
13.12.2006 von Deutschland unterzeichneten „Übereinkommens der Vereinten Nationen über die
Rechte von Menschen mit Behinderungen“ und dem am 01.01.2009 in Kraft getretenen Ratifikationsgesetz, das unseren Staat zur Umsetzung eines inklusiven Bildungssystems verpflichtet, in dem die
75
Befriedigung besonderer Bedürfnisse einzelner Kinder ohne jegliche Aussonderung erfüllt wird, ist dies
eine ganz und gar inakzeptable Praxis. Erschreckend ist auch die in Einzelfällen von Schulleitern/-innen
verhängte Ordnungsmaßnahme, Schülerinnen und Schüler für einen Zeitraum von bis zu 4 Wochen
vom Unterricht zu suspendieren, ohne dass die Schüler/-innen in dieser Zeit pädagogisch oder therapeutisch begleitet werden und ohne, dass ihre weitere Schulperspektive ausreichend geklärt wird.
Die im Sächsischen Schulgesetz geforderte amtsärztliche Beteiligung am Feststellungsverfahren für
den Förderbedarf E (emotional-soziale Entwicklung) wird in Dresden durch die drei am Gesundheitsamt
tätigen Fachärztinnen für Kinder- und Jugendpsychiatrie realisiert. Die Kenntnis der Schullandschaft,
unter anderem durch regelmäßige sozialpädagogische Hospitationen und Absprachen mit den Klassenlehrern im Einvernehmen mit den Sorgeberechtigten, wirkt sich günstig auf die Entscheidungsfindung
und Beratung aus.
Leider muss konstatiert werden, dass solche wichtigen und lebensprägenden Entscheidungen wie
die über einen Förderschulbedarf aus Kapazitätsgründen überwiegend ohne schulpsychologische
Diagnostik erfolgen. Für Dresden wie für Sachsen ist insgesamt festzustellen, dass die Kapazität an
Schulpsychologen/-innen bei Weitem nicht ausreicht. In ganz Sachsen gibt es 30 Schulpsychologen/innen. Die Zuständigkeit eines Psychologen bzw. einer Psychologin für 50 Schulen und durchschnittlich
14.530 Schüler/-innen in Sachsen ist völlig unterdimensioniert und liegt außerdem deutlich unter dem
Bundesdurchschnitt, in dem 1 Schulpsychologe/-in 9.000 Schüler/-innen betreut. Lange Wartezeiten
sowie der vorgeschriebene Weg über die Schulleitung erschweren die Inanspruchnahme erheblich. Der
Abbau der schulpsychologischen Kapazität wirkt sich nachhaltig negativ auf die Versorgungslage im
Bildungsbereich aus.
Verbesserungswürdig ist auch der Umgang mit Teilleistungsstörungen, die häufige Komorbiditäten
von psychiatrischen Krankheitsbildern darstellen. In der schulischen Praxis werden sie unterschiedlich
erkannt und gefördert. Für Lese- und Rechtschreibschwächen haben sich die Diagnostikverfahren der
Schulen bewährt. Außerdem besteht eine Richtlinie für den Umgang mit dieser Störung. Für die
Dyskalkulie existiert hingegen keine Richtlinie, da diese Störung vom Staatsministerium für Kultus und
Sport (SMKS) nicht als Teilleistungsschwäche anerkannt wird. Die Ausbildung der Lehrer/-innen für den
Umgang mit der Störung ist ungenügend und es wird generell auf eine außerschulische Förderung
verwiesen. Den Eltern wird geraten, Antrag auf Eingliederungshilfe nach SGB VIII zu stellen. Dabei wird
die Verantwortung generell auf die Jugendhilfe übertragen. Eine Klärung auf Landesebene ist dringend
anzumahnen.
Eine sehr positive Entwicklung ist hinsichtlich des Umgangs mit und der Förderung von Kindern mit
ADHS zu verzeichnen. Kontinuierliche Weiterbildung hat sich ausgezahlt. Die praktische Umsetzung
könnte bei mehr Personalkapazität sicher noch verbessert werden.
Einzelfallbezogene differenzierte Förderangebote für überdurchschnittlich begabte Kinder und Jugendliche sollten auch in den Regelschulen noch intensiver etabliert werden.
CSW-Christliches Sozialwerk gGmbH
Regionalverwaltung Dresden
Friedrichstr. 24a
01067 Dresden
Tel.: (03 51) 48 12 20
www.christliches-sozialwerk-ggmbh.de
Für Kinder, deren schulisches Lernen nur durch eine Einzelbegleitung ermöglicht werden kann, die
mit pädagogischer und psychologischer Fachlichkeit präzise auf den individuellen Bedarf des Einzelfall
zugeschnitten ist, wird in Dresden vom Christlichen Sozialwerk sehr kompetente Schulintegrationshilfe
angeboten. Aufgrund fehlender (schul-)gesetzlicher Grundlagen beteiligt sich die Bildungsagentur aber
nicht an den Kosten, so dass diese Hilfe ausschließlich aus Jugendhilfemitteln finanziert werden muss.
Als Hilfsangebot für schulverweigernde oder vom Hauptschulabschluss gefährdete Jugendliche sind
Projekte wie „Die Zweite Chance“ und „Produktives Lernen“ sehr zu begrüßen. In ihrem Rahmen können die Jugendlichen stark praxisorientierte Lernformen mit alternativen Bewertungssystemen an zum
Teil außerschulischen Lernorten erleben.
Im Projekt „Zweite Chance“ werden die Jugendlichen darüber hinaus individuell sozialpädagogisch
und/oder psychologisch betreut, da in der Regel eine sehr schwierige soziale Gesamtsituation besteht.
76
Die 2. Chance - Schulverweigerung
Koordinierungsstelle 2. Chance Verbund Dresden
Ost
Herzberger Straße 22
01239 Dresden
Tel.: (03 51) 2 04 70 14 oder (03 51) 2 04 70 15
[email protected]
Die Finanzierung beider Projekte ist aufgrund der Nutzung von Fördermitteln allerdings zeitlich befristet und läuft im Jahr 2013 aus. Solange das Schulsystem keine grundlegende Strukturveränderung
vollzogen hat, sollten diese Angebote einen festen und finanziell gesicherten Platz im
Maßnahmekatalog der Bildungsagentur bekommen und auf jüngere Schülerinnen und Schüler ausgeweitet werden.
Zielgruppe sind Schüler/-innen ab dem Alter von 12 Jahren bis maximal zum Beginn der letzten
Klassenstufe, die
 eine Mittelschule, eine Förderschule oder eine andere Schulform besuchen, auf der der Erwerb
eines Hauptschulabschlusses möglich ist,
 ihren Schulabschluss belegbar durch aktive oder passive Schulverweigerung gefährden und berufsschulpflichtige Schüler/-innen in einer beruflichen Schule, an der der Hauptschulabschluss erworben
werden kann.
Das erklärte Ziel ist die (Re-)Integration der Schüler und Schülerinnen in das Regelschulsystem.
Dieses Vorhaben wird bis zum Jahr 2013 vom „Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend“ (BMFSFJ) und dem Europäischen Sozialfonds der Europäischen Union gefördert. Kofinanziert
wird das Projekt durch das Jugendamt der Stadt Dresden und aus Eigenmitteln der Träger: INT –
Gesellschaft zur Förderung der beruflichen und sozialen Integration mbH, Sächsisches Umschulungsund Fortbildungswerk Dresden e. V. (SUFW).
Projekt „Produktives Lernen“
121. Mittelschule „Johann Georg Palitzsch“
Hepkestr. 26
01309 Dresden
Tel.: (03 51) 25 02 01 26
[email protected]
www.sn.schule.de/~ms121dd
Zielgruppe sind Mittelschüler/-innen der 7. oder 8. Klasse, deren Schulabschluss trotz zahlreicher
Bemühungen akut gefährdet ist. Ziel sind die Erreichung des Hauptschulabschlusses und eine individuelle Berufsorientierung. Die Schülerinnen und Schüler werden an zwei Tagen der Woche in der Schule
unterrichtet. An drei Tagen lernen sie in einem Praxisunternehmen.
Das Projekt wird bis zum Jahr 2013 aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds der Europäischen
Union finanziert. Projektträger ist das Berliner Institut für Produktives Lernen in Europa, Karl-SchraderStr. 6, 10781 Berlin.
3.7.1.
Bewertung des Versorgungsstandes und Handlungserfordernisse
Die Angebote des Schulsystems für die Beschulung von Kindern mit psychischen Störungen entsprechen nicht den Anforderungen. Die gesetzlich fixierte Gleichstellung von Kindern und Jugendlichen mit
Behinderung muss konsequent umgesetzt werden. Erste Einschränkungen entstehen bereits nach dem
Schuleintritt durch getrennte Leistungsträger.
Auch Kinder mit komplexen Problemlagen haben ein Recht auf eine gemeindenahe und personenzentrierte Versorgung. Dazu muss es eine Beschulungsmöglichkeit vor Ort geben. Der Bedarf an integrierten Beschulungsformen wird über Gremien und Arbeitsgruppen an das Kultusministerium herangetragen.
Der Ausbau schulpsychologischer Kapazität ist zwingend erforderlich.
Beim immer häufiger geäußerten Wunsch nach Integrationshelfern im Rahmen von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII entsteht der Eindruck, dass die Verantwortung für eine gelingende Beschulung zunehmend in die Jugendhilfe verlagert wird. Um Kindern eine inklusive Bildung zu ermöglichen,
muss das Schulsystem eine einheitliche Gesamtverantwortung einschließlich einer einheitlichen Finanzierungsverantwortung für alle Lernenden übernehmen. Die Ressourcen müssen so flexibel zugeteilt
werden, dass dem individuellen Bedarf aller Kinder entsprochen werden kann, ohne dass andere Leistungsträger herangezogen werden müssen. (vgl. Erstes Diskussionspapier des Deutschen Vereins für
öffentliche und private Fürsorge zu inklusiver Bildung vom 25.03.2011). Starre Schulformen müssen
endlich aufgebrochen und individuelle Beschulungsformen ermöglicht werden.
77
Auf kommunaler Ebene könnte eine engere und strukturiertere Kooperation zwischen der Schule
bzw. der Schulverwaltung und der Jugendhilfe, der Eingliederungshilfe wie auch mit der Kinder- und
Jugendpsychiatrie dazu beitragen, die Schulentwicklungsplanung im Sinne einer Inklusionsentwicklungsplanung neu auszurichten (vgl. ebd.).
3.8. Gemeinsame Aufgabe Kinderschutz
Kinderschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Familiäre Systeme, in denen psychisch auffällige Kinder oder Jugendliche oder auch Eltern leben, benötigen häufig besondere Unterstützung. Im
„Gesetz zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen“ (Bundeskinderschutzgesetz), das am 01.01.2012 in Kraft getreten ist, werden unter Artikel 1 im „Gesetz zur Kooperation und
Information im Kinderschutz“ § 3 (2) alle Berufsgruppen aufgezählt, die im Sinne eines qualifizierten
Kinderschutzes zusammenarbeiten müssen.
Zur Förderung des gesunden Aufwachsens von Kindern und zum Schutz vor Kindeswohlgefährdungen wurde im Jahr 2007 in Sachsen das „Netzwerk für präventiven Kinderschutz“ (jetzt „Forum Kinderschutz“) gegründet. Dessen „Basiselement“ ist die „Schaffung verbindlich agierender Kooperationsstrukturen aller kommunal verorteten Professionen mit Lebensweltbezug zu Kindern und Jugendlichen in
allen Gebietskörperschaften“ (Specht 2010).
Eine Kooperationsvereinbarung wurde z. B. zwischen dem Jugendamt, dem Schulverwaltungsamt
und der Sächsischen Bildungsagentur Regionalstelle Dresden abgeschlossen.
Die „Handlungsempfehlung bei Kindeswohlgefährdung“ ist 2011 unter Federführung des Gesundheitsamtes in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt und dem Projekt „Hinsehen – Erkennen - Handeln“
überarbeitet und aktualisiert worden. Zielgruppen der Handlungsempfehlung sind primär ärztliche
Praxen sowie andere Netzwerkpartner/-innen der Stadt Dresden. Das informative Internetportal „Kinderschutz“ wird durch die Netzwerkkoordinatoren in Zusammenarbeit mit den Netzwerkpartnern/-innen
aktualisiert und erweitert.
Darüber hinaus haben sich Mitarbeiterinnen zur „insoweit erfahrenen Fachkraft“ nach § 8a SGB VIII
qualifiziert, die von anderen Institutionen bei der Gefährdungsabschätzung des Kindeswohles herangezogen werden können und auch zur begleitenden Fachberatung zur Verfügung stehen. Damit wird ein
wesentlicher Beitrag zur Umsetzung des § 8a SGB VIII geleistet.
3.9. Autorenverzeichnis
Dipl.-Med. Renate Weber, Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Familien
Dipl.-Päd. Karin Wehner, Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Familien
Dipl.-Psych. Simone Külbel, Jugend- und Drogenberatungsstelle
Für Zuarbeiten danken wir den Vertreterinnen folgender Institutionen:
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Sächsisches Krankenhaus Arnsdorf, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Sozialpädiatrisches Zentrum Dresden-Neustadt
Kinder- und Jugendärztlicher Dienst der Landeshauptstadt Dresden
Kassenärztliche Vereinigung
Jugendamt der Landeshauptstadt Dresden
Sozialamt der Landeshauptstadt Dresden
Dr. med. Bärbel Hirsch, niedergelassene Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin
Stefanie Preuß, niedergelassene Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie
78
4. Ältere Menschen mit einer
psychischen Erkrankung
4.1. Beschreibung der Erkrankung
4.1.1. Die häufigsten psychischen Erkrankungen des Alters
Die wachsenden Aufgaben in der Versorgung alter Menschen mit einer psychischen Erkrankung beruhen auf den Erfolgen der modernen Medizin und den verbesserten sozioökonomischen Verhältnissen.
Seit 1840 steigt die Lebenserwartung in jedem Jahrzehnt um zweieinhalb Jahre an. (Vgl. Christensen
2009) 2005 lebten in Deutschland 3,7 Millionen 80-Jährige und Ältere, 2020 werden es fast 6 Millionen
Menschen in diesem Alter sein und 2050 bereits 10 Millionen. Bei einem Viertel der über 65-Jährigen
liegen psychische Störungen vor und 40% dieser Erkrankungen zeigen eine klinisch relevante und
behandlungsbedürftige Manifestation.
Der absolute und relative Zuwachs an älteren Menschen und ihr erhöhtes Morbiditätsrisiko machen
eine zunehmende und auf das Alter spezialisierte Versorgung dieser Bevölkerungsgruppe notwendig.
Die Erfordernisse eines gerontopsychiatrischen Behandlungssettings sind individuell zu definieren,
unter Berücksichtigung der psychischen Erkrankungen des Einzelnen und der meist vorhandenen
altersassoziierten Beeinträchtigungen (z. B. durch geriatrische Syndrome). Ebenso muss der individuelle biopsychosoziale Lebenskontext des Betroffenen in die Behandlungsplanung eingehen, einschließlich seiner eigenen Ressourcen und der seines Umfelds.
Die meisten Betroffenen werden von ihren Familien oder professionellen Diensten unterstützt. Zu
bedenken ist aber auch die massive Zunahme von Singlehaushalten alter Menschen, meist Frauen. Die
ärztliche Versorgung erfolgt in der überwiegenden Mehrzahl durch die Hausärzte/-innen. Menschen
über 60 Jahren stellen einen nicht geringen Teil der psychiatrischen Notfallvorstellungen dar. Schließlich ist festzuhalten, dass die Möglichkeiten einer Psychotherapie bei älteren Patienten/-innen auch in
der Kommune nahezu nicht verfügbar sind. (Vgl. Melchinger 2011)
Die häufigsten psychischen Störungen des höheren Lebensalters sind Demenzen und Depressionen, wobei die Demenz eine deutliche Altersabhängigkeit zeigt. Die Prävalenz der Demenz steigt mit
zunehmendem Alter steil an: von etwas mehr als 1% zwischen dem 65. und 69. Lebensjahr bis auf
mehr als 30% jenseits des 90. Lebensjahres. Bis zum 90. Lebensjahr gilt die Faustregel der Verdoppelung des Risikos nach Intervallen von 5 Jahren. Nach diesem Zeitpunkt scheint sich die Kurve des
Zuwachses abzuflachen, bildet vielleicht sogar nach dem 95. Lebensjahr ein Plateau. Das bedeutet,
dass ein sehr langes Leben nicht zwangsläufig in eine Demenz münden muss. In Deutschland muss
man von mehr als 200.000 Neuerkrankungen pro Jahr und einem Krankenbestand von 1,3 Millionen
Demenzerkrankten ausgehen. (Vgl. Demenz-Report 2011) Die Demenz ist gekennzeichnet durch
ausgeprägte Einbußen in den Leistungen der höheren Hirnfunktionen sowie des Verhaltens und den
daraus resultierenden Beeinträchtigungen in der individuellen Alltagsbewältigung. Die Ursachen sind
vielfältig, am häufigsten ist die Alzheimerdemenz gefolgt von der vaskulären Demenz und der Parkinsondemenz. (Vgl. ebd.) Der Verlauf ist chronisch fortschreitend und von einer steigenden und hohen
Pflegebedürftigkeit im Erkrankungsverlauf begleitet.
79
Depressive Störungen im Alter treten in Querschnittsuntersuchungen mit einer Prävalenz von 2-4%
für schwere (majore) Depressionen und mit einer Prävalenz von 10% für leichte (minore) depressive
Störungen auf. (Vgl. Beyer 2007) Die Zahlen sind deutlich höher, wenn man die Bewohnerinnen und
Bewohner von Pflegeheimen untersucht: dort betragen schwere Depressionen 12-14%. (Vgl. ebd.) Im
Gegensatz zu demenziellen Erkrankungen weisen depressive Störungen keine Zunahme der Neuerkrankungen im Alter auf. Die überwiegende Anzahl depressiv erkrankter alter Menschen sind Patienten/-innen mit rezidivierendem Erkrankungsverlauf. Nur etwa 30% erleiden ihre erste depressive Episode im höheren Lebensalter. Beiden gemeinsam ist es, dass die affektiven Symptome mit Niedergeschlagenheit und Antriebsarmut die Bewältigung des individuellen Alltags erheblich erschweren und
bestehende Begleiterkrankungen, wie Hypertonus, Diabetes oder koronare Herzkrankheiten verschlechtern können. (Vgl. ebd.; Davidson 2010) Die Komorbidität depressiver Erkrankungen mit Angst
(Vgl. Byers 2010) und kognitiven Symptomen (Vgl. Sanders 2011) ist sehr hoch im Alter und kann zu
dauerhaften Einbußen in der Alltagsbewältigung der Patienten und Patientinnen führen. Sie erfordern
eine spezialisierte Expertise und ein komplexes Behandlungssetting mit auch wohnortnahen und aufsuchenden Therapien zum Alltagstraining. Insbesondere die kognitiven Störungen persistieren im alten
depressiven Patienten/-innen auch nach Remission der affektiven Symptome und können die Funktionalität erheblich beeinträchtigen. (Vgl. Crocco 2010; Yen 2011)
Für alte Menschen besteht in Deutschland ein wesentlich höheres Suizidrisiko als für die jüngeren
(Vgl. Schmidtke 2008), wobei depressive Erkrankungen häufig als Ursache für Suizidversuche und
Suizide im Alter identifiziert werden können.
Nahezu die Hälfte aller älteren Menschen klagt primär über Schlafstörungen, die besonders im höheren Lebensalter als klinisches Indiz für schwerere Erkrankungen gewertet werden müssen, wobei
unter den psychiatrischen Risikofaktoren vor allem depressive Störungen zu nennen sind. (Vgl. Staedt
2007; Fok 2010)
Lange Zeit wurde die Bedeutung der Angststörungen unterschätzt, für die eine Prävalenz von bis
zu 12% nachgewiesen worden ist. (Vgl. Byers 2010; Weyerer 2007) Die hohe Komorbidität mit der
Depression und die erhebliche Verschlechterung von Schmerzsyndromen sowie internistischer Erkrankungen, wie Herzerkrankungen, Diabetes und Hypertonus, machen die Notwendigkeit kompetenter
Behandlungsteams für Angsterkrankungen im gerontopsychiatrischen Patienten/-innen sehr deutlich.
Suchterkrankungen des älteren Menschen werden in epidemiologischen Studien eher unterschätzt, da sie zum einen selten explizit von Ärzten/-innen und Therapeuten/-innen exploriert werden
und sie auch selten Gegenstand von Dissimulationsstrategien sind. Es gibt eine hohe Komorbidität
zwischen Depressionen im Alter und schädlichem Gebrauch von Alkohol bis hin zur Alkoholabhängigkeit. (Vgl. Diakonie 2008; Gum 2008) Ein Alkoholmissbrauch wird bei 10 bis 20%, eine Alkoholabhängigkeit bei 2 bis 3% der älteren Männer angenommen. (Vgl. Weyerer 2007) Während Frauen deutlich
seltener eine Alkoholproblematik zeigen, findet sich bei ihnen häufiger eine regelmäßige Einnahme von
Tranquilizern. Im Heimbereich muss eine deutliche Verdichtung der Suchtproblematik verzeichnet
werden.
Im Gegensatz zu unipolaren Depressionen sind bipolare Störungen in höheren Altersgruppen in
einer Prävalenz unter 1% angegeben. Allerdings nehmen Patienten/-innen mit bipolaren Störungen
etwa viermal häufiger psychiatrische Dienste in Anspruch als unipolar depressive Ältere.
Das Erkrankungsrisiko für Schizophrenie scheint vor dem 40. Lebensjahr 3- bis 4fach so hoch zu
sein wie zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr. Nach dem 60. Lebensjahr ist das Risiko hingegen
äußerst gering. Bei knapp 5% dieser Altersgruppe treten dagegen paranoide Syndrome auf, die sehr
häufig zu einem entscheidenden sozialen Rückzug und einer Vernachlässigung ihrer körperlichen
Gesundheit führen.
Die Prävalenz für das Delir wird je nach Art der untersuchten Einrichtung zwischen 10% und über
50% angegeben. Ein besonderes Problem stellt die unzureichende Kenntnis der Therapeutinnen und
Therapeuten von diesem Krankheitsbild dar, die dazu führt, dass insbesondere die Patienten/-innen mit
nicht-agitierten Delirsyndromen übersehen werden und diese eine hohe Mortalität aufweisen. (Vgl.
Inouye 2006) Das Erkennen deliranter Syndrome ist umso wichtiger, als dass sie häufig die ersten und
nicht ganz selten auch die einzigen Zeichen einer schweren anderen körperlichen Erkrankung sind.
(Vgl. Ramaswamy 2011)
Der Anteil der Menschen mit einer chronischen psychischen Erkrankung in Altenheimen und Pflegeheimen wird unterschiedlich hoch geschätzt. Es gibt Zahlen, die besagen, dass bis zu 75% der
80
Bewohnerinnen und Bewohner chronisch psychisch erkrankt sind, insbesondere sind zu nennen Depressionen und Demenzen. Depressive Symptome treten ja nach Studie bei 40% bis 50% der untersuchten Bewohner/-innen auf, davon waren 15% bis 20% im Ausmaß einer schweren depressiven
Erkrankung. Nach dem GEK-Pflegereport von 2008 liegt die Prävalenz der Demenz bei 50-70%. (Vgl.
Rothgang 2008) Schizophrene und wahnhafte Erkrankungen werden bei 10% angegeben. Während
dieser Anteil konstant bleibt, nehmen affektive und besonders organische psychische Störungen (Demenzen und Delire) kontinuierlich zu. Die überwiegende Mehrheit der Bewohner/-innen muss ärztlich im
Heim besucht werden. Eigene Heimärzte/-innen sind mit weniger als 5% selten tätig, begleitende Versorgung durch Krankenhausärzte/-innen (Psychiatrische Institutsambulanzen) mit lediglich bis zu 10%
ebenfalls. (Vgl. Hallauer 2005)
Die Konsequenz, die sich aus der wachsenden Zahl von Menschen, die gerontopsychiatrisch erkrankt sind, ergibt, ist die, dass die Zuordnung von Ressourcen im Gesundheitswesen für diese sichtbare Entwicklung angemessen vorgehalten werden muss. Es bedarf zusätzlich einer hervorragenden
Vernetzung vorhandener Strukturen zur individualisierten Behandlung gerontopsychiatrischer Patienten/-innen.
4.1.2. Spezifischer Hilfebedarf von Menschen mit gerontopsychiatrischen Erkrankungen
Alte Menschen mit einer psychischen Erkrankung zeigen bedingt durch ihr höheres Lebensalter ein
erhöhtes Krankheitsrisiko und eine verlängerte Krankheitsdauer, Stoffwechselstörungen, Multimorbidität
und Nebenwirkungen von Medikamenten. Mit dem höheren Lebensalter verbinden sich psychosoziale
Schwierigkeiten wie Einsamkeit und fehlende Lebensperspektive insbesondere durch Verlusterlebnisse.
Der überwiegende Teil der Erkrankten ist bedingt durch körperliche Immobilität nicht in der Lage, Einrichtungen und Dienste selbst aufzusuchen und persönliche Ansprüche im System der Sozialleistungen
geltend zu machen. Immer häufiger ergeben sich daraus Probleme im sozialen Umfeld, wie z. B. Unterversorgung mit Dingen des täglichen Bedarfs, Weglauftendenzen, Vermüllung, drohender Wohnungsverlust.
Eine diagnostische Zuordnung psychischer Störungen, bedingt durch das Zusammenspiel von körperlichen und seelischen Faktoren, wird im Alter immer schwieriger. Symptome unterschiedlicher
Krankheitsbilder fließen ineinander. Es besteht die Gefahr, die Erkrankung als „Alterserscheinung“ einbzw. herabzustufen.
Die komplexen gesundheitlichen Probleme erfordern speziell darauf abgestimmte Lösungen und
müssen für die Betroffenen leicht zugänglich sein. Behandlungs- und Betreuungskonzepte müssen
individuell angepasst, langfristig angelegt und multiprofessionell ausgerichtet sein. Das kann gesichert
werden auf der fachlichen Grundlage des personenzentrierten Ansatzes. Tom Kitwood geht dabei von
der Grundüberlegung aus, dass jeder Mensch mit Demenz eine einzigartige Persönlichkeit bleibt. Nach
seiner Definition ist Person sein: „ ... ein Stand oder Status, der dem einzelnen Menschen im Kontext
von Beziehung und sozialem Sein von anderen verliehen wird. Er impliziert Anerkennung, Respekt und
Vertrauen.“ (Kitwood 2004: 27) Im Mittelpunkt dieser Sichtweise steht der einzelne Mensch mit seiner
individuellen Biografie, aktuellen Gefühlen und tieferliegenden Grundbedürfnissen.
Eine angemessene medizinische Versorgung und soziale Unterstützung muss sich auf diese Bedingungen einstellen. Die Versorgung muss zwischen den einzelnen Hilfeanbietern vernetzt und koordiniert werden.
4.2. Bericht zur Umsetzung des Stadtpsychiatrieplanes von 2000
4.2.1. Prognosen und Aufgabenstellungen
Die im Stadtpsychiatrieplan von 2000 getroffenen Prognosen zur zahlenmäßigen Entwicklung der
Menschen mit gerontopsychiatrischen Krankheiten werden inzwischen übertroffen. Das Wachstum der
Einwohner/-innen der Landeshauptstadt hat 2010 die Gesamtzahl von 517.186 erreicht. Zurzeit geht
81
man von 530.300 Dresdnerinnen und Dresdnern für das Jahr 2025 6 aus. Dadurch erhöht sich die zu
erwartende Anzahl der Menschen mit gerontopsychiatrischen Erkrankungen. Folgt man epidemiologischen Studien (vgl. Kapitel 3.1.), leiden in der Landeshauptstadt Dresden 28.628 (Stand: jeweils Juni
2010) Menschen ab 65 Jahren an einer psychischen Störung. Bei 11.451 dieser Personengruppe, das
sind 40%, ist die Störung behandlungsbedürftig. Wie hoch der Anteil der Personen ist, die tatsächlich
Hilfe suchen, bzw. erhalten, ist nicht repräsentativ belegt.
8.100 Menschen sind in Dresden an Demenzen erkrankt. Jährlich muss mit einem Zuwachs von
prognostiziert 1.250 demenziellen Neuerkrankungen gerechnet werden. Dies ist ein Grund für die
intensive Auseinandersetzung mit der ambulanten Betreuung und Versorgung dieser Bedarfsgruppe.
Seit 2000 ist die Zunahme von gerontopsychiatrischen Erkrankungen auch in stationären Pflegeeinrichtungen zu beobachten. Ca. 75% der Bewohnerschaft leidet an chronischen psychiatrischen Erkrankungen. Für die Landeshauptstadt Dresden übersetzt bedeutet das, dass 4.147 Heimbewohner/-innen
psychisch erkrankt sind. Davon sind 2.000 bis 3.000 ältere Menschen in Heimen demenziell erkrankt.
Knapp 2.000 haben depressive Symptome; bis 400 schwere depressive Erkrankungen. Diese Krankheiten können in einer Person auch kombiniert auftreten.
Es ist zu unterstellen, dass eine Vielzahl von Pflegeheimen auf diese Krankheitsbilder eingeht und
nach entsprechenden Betreuungs- und Versorgungskonzepten arbeitet. Im Unterschied dazu werden
entsprechende Versorgungskonzepte im ambulanten Bereich als präventiver Sektor vermisst. Von einer
höheren Fachlichkeit wird erwartet, dass eine Aufnahme in Pflegeeinrichtungen vermieden oder verzögert werden kann. In allen Bereichen besteht ein hoher Weiterbildungsbedarf.
Alte Menschen mit einer psychischen Erkrankung wurden im Jahr 2000 auf Forderung der PSAG in
den Stadtpsychiatrieplan aufgenommen. Begründet wurde das mit Missverständnissen und ernsthaften
Versorgungsdefiziten, die sich aus der Zuständigkeit unterschiedlicher Leistungsträger ergaben. Für die
Belange der gerontopsychiatrischen Patienten/-innen war je nach Bedarfslage die Altenhilfe, Geriatrie
oder Gerontopsychiatrie verantwortlich. Zur Verbesserung der Versorgung in der Gerontopsychiatrie
formulierte der Stadtpsychiatrieplan große Erwartungen an die Verbesserung der Pflegeleistungen und
die bedarfsgerechte Ausgestaltung der ambulanten sowie stationären medizinischen Versorgung.
Außerdem wurde der Kommunale Sozialverband (KSV) kritisiert, weil er die Finanzierung des ambulant
betreuten Wohnens und der sozialtherapeutischen Wohnstätten für Menschen ab dem 65. Lebensjahr
mit der Begründung, dass ab diesem Alter die Pflegebedürftigkeit überwiegen würde, ablehnen wollte.
Um die unterschiedlichen Zuständigkeiten zu überwinden, empfahl der Stadtpsychiatrieplan im Jahr
2000, ein gerontopsychiatrisches Verbundsystem zu schaffen. Mit ihm sollten die therapeutischen
Maßnahmen durch entsprechende Kooperation den Bedürfnissen der Betroffenen angepasst werden.
Ein Case Manager sollte die Hilfen abstimmen, der Übergang von der institutions-orientierten zur personenzentrierten Versorgung bewältigt werden.
Wenn sich auch an der differenzierten Zuständigkeit unterschiedlicher Leistungsträger in der Versorgung von Menschen mit gerontopsychiatrischen Krankheiten bis heute nichts geändert hat, haben
sich doch Veränderungen bei den Leistungen der jeweils zuständigen Träger ergeben. Teilweise lassen
sich auch Änderungen in ihren Handlungsweisen feststellen.
Mit der Einführung der niedrigschwelligen Betreuungsangebote nach § 45b und c SGB XI konnte
2003 eine Verbesserung für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz erreicht werden, zu
denen Menschen mit gerontopsychiatrischen Erkrankungen gehören. Im Jahr 2008 wurden mit dem
„Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung“ (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz)
weitere leistungsrechtliche Verbesserungen und qualitätssichernde Maßnahmen eingeführt 7. Noch
weiterreichende Verbesserungen werden von der geplanten Reform des Pflegebedürftigkeitsbegriffs
erhofft. Die Berücksichtigung gerontopsychiatrischer Erkrankungen bei der Bemessung der Pflegestufe
ist eine Grundvoraussetzung für eine adäquate Personalausstattung in den Einrichtungen und Diensten
der Altenhilfe.
6
7
82
Landeshauptstadt Dresden, Kommunale Statistikstelle - Bevölkerungsprognose 2010
Eine ausführliche Darstellung enthält der „Fachplan Seniorenarbeit und Altenhilfe der Landeshauptstadt Dresden“ vom August 2011
Die Angebotsstruktur in der gerontopsychiatrischen Versorgung konnte im Vergleich zum Jahr 2000
grundsätzlich erhalten werden. Die Angebote selbst haben sich weiter entwickelt. Ausgebaut wurden
die ambulanten Angebote im sozialen Bereich vorrangig über die Seniorenarbeit und Altenhilfe. Neu
hinzugekommen sind Unterstützungsangebote in der eigenen Häuslichkeit (z. B. durch den Begleitetes
Wohnen e. V.), gerontopsychiatrische Fachabteilungen in den Krankenhäusern und eine Gedächtnisambulanz am Universitätsklinikum Dresden. Im Jahr 2009 erfolgte eine Kapazitätserweiterung der BBTStellen (siehe Kapitel 3.3.3) von einer Vollzeitstelle auf 1,5 Vollzeitstellen je BBT-Stelle. Finanziell
werden die BBT-Stellen über die Landesrichtlinie Psychiatrie/Sucht und das Gesundheitsamt gefördert.
Ergänzend dazu fördert das Sozialamt in eigener Zuständigkeit die Gerontopsychiatrische Tagespflege
(im Jahr 2011 in Höhe von 19.835 Euro) sowie den Auf- und Ausbau niedrigschwelliger Betreuungsangebote für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz (im Jahr 2011 in Höhe von 3.045 Euro).
Die Infrastruktur ist dennoch nicht ausreichend. So gibt es z. B. keine gerontopsychiatrische Tagesklinik und kaum Angebote für jüngere Menschen mit demenzieller Erkrankung. Vielfach wirken die
Angebote solitär.
Die kritisierte Leistungsgewährung des KSV kann seit 2006 mit der Übertragung der Zuständigkeit
für Menschen ab dem 65. Lebensjahr auf den örtlichen Sozialhilfeträger schrittweise überwunden
werden, wie das nachfolgende Kapitel zeigt.
4.2.2. Zur Entwicklung der ambulanten Betreuung und Versorgung der Menschen mit Demenz
Aufgrund der demografischen Entwicklung wurde Demenz im ersten Stadtpsychiatrieplan zum Schwerpunktthema in der Gerontopsychiatrie erklärt. Zahlenmäßig nimmt Demenz auch heute nach der Depression den zweiten Platz ein. Eine effektive Versorgung der Menschen mit Demenz verlangt im
Versorgungsprozess die Beteiligung mehrerer Leistungsträger und -anbieter.
Das Sozialamt bemüht sich seit 2005, die unterschiedlichen Zuständigkeiten durch Vernetzung von
Krankenkassen, Pflegekassen und Leistungserbringern mit dem Sozialamt zu überwinden. Leider
sahen die Krankenkassen damals keine Notwendigkeit, sich in ein Netzwerk einzubringen. Sie verwiesen auf ihre leistungsrechtliche Mitwirkung durch die Bereitstellung der Leistungen nach SGB V, die
abschließend geregelt sind und jedem Versicherten zustünden. Die Aktivitäten des Sozialamtes beschränkten sich deshalb in den Folgejahren auf die Ausarbeitung eines Verfahrens, mit dem anspruchsberechtigten Menschen mit gerontopsychiatrischen Erkrankungen der Zugang zu Eingliederungsleistungen nach SGB XII8 regelhaft ermöglicht werden soll. Das Regelverfahren ist interdisziplinär
und auf eine trägerübergreifende Zusammenarbeit nach den Prinzipien des Case Managements ausgerichtet. Es unterstützt maßgeblich das Prinzip ambulant vor stationär durch eine individuelle Fallsteuerung. Das Modellprojekt „Neuorganisation der Angebote für Menschen mit gerontopsychiatrischen
Erkrankungen“ wurde durch das Sozialamt gefördert.
Arbeitsgruppe Demenz
Im Jahr 2005 wurde für die Planung und Steuerung des Vorhabens auf der Altenhilfekonferenz der
Landeshauptstadt Dresden eine „Arbeitsgruppe Demenz“ gegründet, zu der Unterarbeitsgruppen entstanden sind. Neben der Psychiatriekoordination wirkt das Sozialamt mit Vertretungen aus der Sozialplanung, der offenen Altenhilfe und der Eingliederungshilfe mit. In der Arbeitsgruppe sind ambulante
und stationäre Leistungserbringer, Krankenhäuser mit Vollversorgungsauftrag, das Uniklinikum und die
Geriatrische Rehaklinik Dresden-Löbtau vertreten. Eine wirkungsvolle Unterstützung war die Vertretung
aus dem Seniorenbeirat. Inzwischen wird die Arbeitsgruppe durch den Sozialpsychiatrischen Dienst und
die Evangelische Hochschule Dresden verstärkt. Personell gibt es eine Vernetzung zur Alzheimer
Gesellschaft. Die Arbeit konzentriert sich aus oben genannten Gründen auf kommunale Leistungen und
die Zusammenarbeit mit den in der Arbeitsgruppe vertretenen Einrichtungen. Seit 2007 hat sich vor
dem Hintergrund des Demenzprojektes eine gute Kooperation mit den Krankenhäusern entwickelt.
8
Das Sozialamt folgt damit der Orientierungshilfe für die Feststellungen der Träger der Sozialhilfe zur Ermittlung der Leistungsvoraussetzungen nach dem SGB XII i. V. m. der Eingliederungshilfe-Verordnung (EHVO) mit Hinweisen zu Schnittstellen zu anderen
Sozialleistungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe (Vgl. BAGüS 2007).
83
Wegweiser Demenz und Pflegestammtisch
Ein erstes Ergebnis konnte mit dem „Demenz – Wegweiser“ auf der Seniorenkonferenz 2007 vorgestellt werden. Seitdem wird der Wegweiser regelmäßig aktualisiert und hat einen hervorragenden Platz
in der Öffentlichkeitsarbeit eingenommen. Pflegerische Aspekte werden mit der Öffentlichkeit beim
Pflegestammtisch erörtert, der gemeinsam mit der AOK PLUS veranstaltet wird. Die Vorbereitung
erfolgt interdisziplinär. Das Thema Demenz bzw. Gerontopsychiatrie spielt auch hier eine wiederkehrende Rolle.
Eingliederungsleistung im SGB XII –
ein Baustein
In der Arbeitsgruppe Demenz wurde eine Übersicht über Diagnostik, Hilfebedarfe, Ziele von Hilfen
und Interventionen bei demenziellen Erkrankungen nach den sieben Stadien der Demenz nach
Reisberg ausgearbeitet. Dabei wurde nach medizinischen, pflegerischen und sozialpädagogischen
Fachbereichen differenziert. Es wurde deutlich, dass der Hilfebedarf im Krankheitsverlauf unterschiedliche Lebensbereiche betrifft. Stehen am Anfang Aufklärung, Information und Beratung zur Krankheit und
deren Bewältigung im Vordergrund, treten nach der vierten Phase die Teilhabeleistungen der Eingliederungshilfe zunehmend hinter pflegerische Hilfen zurück. Voraussetzung für einen optimalen Verlauf ist
jedoch eine adäquate medizinische Behandlung von Beginn an. Zielstellung ist es, die Hilfen auf der
Einzelfallebene und Systemebene in der Landeshauptstadt Dresden zu organisieren.
Da sowohl medizinischer als auch sozialpädagogischer Hilfebedarf bei Betroffenen und ihren Angehörigen entsteht, noch bevor Pflegebedürftigkeit eintritt, sind die Hilfen für Menschen mit demenzieller
Erkrankung bereits im Altenhilfenetz der Landeshauptstadt Dresden verortet. Über zwei BBT-Stellen
gelingt die Vernetzung in den gemeindepsychiatrischen Verbund.
Neben diesen niedrigschwelligen Angeboten sind im Einzelfall umfangreichere sozialpädagogische
Hilfen erforderlich. Diese sollen als Eingliederungsleistungen nach SGB XII für anspruchsberechtigte
Menschen gewährt werden. Als Grundlage für entsprechende Leistungsvereinbarungen konnte dafür im
Jahr 2009 eine Leistungsbeschreibung erarbeitet werden. Die praktische Einführung der Gewährung
von Eingliederungsleistungen, für die der örtliche Sozialhilfeträger für Menschen ab 65 Jahren zuständig ist, soll 2012 folgen. Das Regelverfahren wird als Case-Management-Prozess verstanden und
organisiert. Das Sozialamt der Landeshauptstadt Dresden hat dafür mit einem zertifizierten Grund- und
Aufbaukurs für die Beschäftigten des Sozialamtes eine fachliche Grundlage geschaffen. Die Eingliederungshilfe nach SGB XII ist ein Baustein bei individuellem Bedarf und erfüllten Anspruchsvoraussetzungen auf Leistungen nach §§ 53 ff. SGB XII. Voraussetzungen sind eine Diagnose Demenz nach ICD-10
(Diagnoseschlüssel: F00-F04; G30.0, G30.9, G20) und ein Gutachten bzw. Erhebungsbogen. Der
Sozialpsychiatrische Dienst hat die Erstellung der erforderlichen amtsärztlichen Gutachten zugesagt.
Ebenso wird die Gedächtnisambulanz des Universitätsklinikums nach Überweisung durch den behandelnden Arzt oder die behandelnde Ärztin tätig. Das für den Sozialhilfeträger erforderliche ärztliche
Zeugnis liegt vor und wurde in der AG Demenz abgestimmt. Die medizinische Diagnostik wird um eine
sozialpädagogische Diagnostik ergänzt. Die Gewährung der Leistung nach SGB XII verlangt eine
Einkommens- und Vermögensprüfung, die das zuständige Sachgebiet im Sozialamt im Rahmen der
Antragsbearbeitung vornimmt. Dazu gehört auch die Prüfung des Leistungsanspruchs nach §§ 53 SGB
XII selbst. Bei Bewilligung der Leistung werden ein Gesamtplan und ein Förderplan erstellt. Die Leistungserbringung wird subsidiär durch Leistungserbringer in freier Trägerschaft erbracht.
Der Sozialhilfeträger wird über die Eingliederungsleistung nur entscheiden, wenn auch ein Behandlungsplan vorliegt.9
Zentrale Position der offenen Altenhilfe
Das beabsichtigte Regelverfahren ist in die sozialräumliche Arbeit der Altenhilfe in der Landeshauptstadt Dresden integriert. Für die Organisation der Hilfen sowohl auf der Einzelfall- als auch auf der
Systemebene wird die kommunale offene Altenhilfe eine zentrale Position einnehmen. Der weitere
Ausbau der sozialraumorientierten Altenhilfe bildet dafür eine außerordentlich wichtige Basis. Für die
beabsichtigte personenzentrierte Versorgung über Case Management wurde durch die CaseManagement-Ausbildung der Beschäftigten im Sozialamt nach den Standards der „Deutschen Gesellschaft für Care und Case Management“ (DGCC) eine grundlegende fachliche Voraussetzung geschaffen.
9
84
Hier folgt das Sozialamt den Regelungen analog der Komplexleistung Frühförderung nach § 30 SGB IX.
Im Altenhilfenetz stehen den Menschen, die demenziell erkrankt sind, und ihren Angehörigen in der
Landeshauptstadt Dresden neben den kommunalen Sozialarbeitern/-innen Fachkräfte in den
 Seniorenberatungsstellen,
 Beratung-Begegnungs-Tagesstruktur-Stellen (BBT-Stellen) und
 Schwerpunktbegegnungsstätten
zur Information und Beratung zur Verfügung. Geschultes Personal steht darüber hinaus in den Seniorenbegegnungsstätten ohne Schwerpunkt bereit. Die Einrichtungen werden durch das Sozialamt
bzw. das Gesundheitsamt (BBT-Stellen) bezuschusst. Die Leistungserbringer der Altenhilfe und die
kommunale Sozialarbeit sind sehr gut vernetzt. Ihre Netzwerkarbeit gründet sich auf gemeinsam erarbeitete Standards und Leistungsbeschreibungen für die fallbezogene Zusammenarbeit. Das Beratungsangebot der Pflegekassen, die Gedächtnisambulanz des Uniklinikums und Selbsthilfegruppen ergänzen
diese Angebote.
In der Altenhilfe finden sich in regelmäßigen Fachplanungsgremien die Akteure und Akteurinnen auf
Ortsamtsebene zusammen. Sie analysieren die Angebote im Ortsamt und unterbreiten Vorschläge zur
Verbesserung, die in die strategische Fachplanung einfließen. Im „Fachplan Seniorenarbeit und Altenhilfe 2010“ wird dem Thema „Demenz“ ein Kapitel gewidmet.
Die fachlichen und organisatorischen Regelungen zur Demenz werden beispielhaft für die Entwicklung des gerontopsychiatrischen Hilfenetzes sein. Das heißt, dass im Anschluss der Transfer auf die
anderen Krankheitsbilder geprüft wird.
4.3. Versorgungsbereiche
Die Landeshauptstadt Dresden verfügt über vielfältige Hilfen für Menschen mit gerontopsychiatrischen
Erkrankungen, die dem unterschiedlichen Bedarf im Krankheitsverlauf Rechnung tragen:





soziale Unterstützung,
Unterstützung der Angehörigen,
BBT-Stellen,
medizinische Versorgung,
pflegerische Versorgung.
4.3.1. Soziale Angebote
Wie im vorangegangen Kapitel dargestellt, nimmt die Offene Altenhilfe eine zentrale Position im gerontopsychiatrischen Netzwerk ein. Der Zugang zu Hilfen erfolgt in erheblichem Umfang über Einrichtungen der Seniorenarbeit und Altenhilfe. In seinem Hilfenetz werden umfangreiche soziale Angebote
vorgehalten.
4.3.1.1. Versorgungsstand
Information und Beratung erhalten Menschen mit gerontopsychiatrischer Erkrankung und deren
Angehörige in den miteinander vernetzten elf Anlaufstellen der kommunalen Sozialarbeit für Senioren/innen und deren Angehörige, in den sechs Seniorenberatungsstellen, den neun SchwerpunktSeniorenbegegnungsstätten sowie in den zwei BBT-Stellen. Neben der allgemeinen Beratung erfolgt
eine Vermittlung in bedarfsgerechte Angebote bzw. Unterstützung im Einzelfall durch Fallmanagement,
auch nach der Methode des Case Management.
Beratung und Unterstützung erfolgt in begrenztem Umfang durch den Sozialpsychiatrischen Dienst
des Gesundheitsamtes, der über vier regionale Stellen verfügt, sowie über die fünf Kontakt- und
85
Beratungsstellen für Menschen mit einer chronisch psychischen Erkrankung (siehe Kapitel 2.3.1.) in
den gemeindepsychiatrischen Versorgungsgebieten.
Die Pflegeberatung durch Pflegekassen greift in der Fläche noch ungenügend, insbesondere in der
fachspezialisierten Beratung zu gerontopsychiatrischen Erkrankungen.
Angebote der Begegnung und Betätigung können Menschen mit einer gerontopsychiatrischen Erkrankung wie nicht erkrankte ältere und alte Menschen im Seniorenarbeits- und Altenhilfesystem nutzen, z. B. sozialräumlich differenzierte Angebote in Seniorenbegegnungsstätten (Gedächtnistraining,
tagesstrukturierende Angebote). Sie erhalten damit einen niedrigschwelligen Zugang zum Hilfesystem
und können bei Bedarf in weitere Hilfen vermittelt werden.
Speziell für das Krankheitsbild greifen niedrigschwellige Betreuungsangebote nach SGB XI für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz von Trägern, Seniorenbegleitung bzw. Pflegediensten
(siehe Kapitel 4.3.5.1) und in Tagespflegen (siehe Kapitel 4.3.5.3).
Im Bereich Wohnen gelten uneingeschränkt alle Anforderungen, die an das Wohnen im Alter gestellt werden, z. B. ambulante Unterstützungsleistungen wie haushaltsnahe Dienstleistungen, Essen auf
Rädern, Hausnotruf. Näheres ist im „Fachplan Seniorenarbeit und Altenhilfe der Landeshauptstadt
Dresden“ dargestellt. Seit 2000 sind in Dresden hinzugekommen:
 Ambulant betreutes Wohnen für Menschen mit gerontopsychiatrischen Erkrankungen,
 Zwei Demenz-Wohngemeinschaften,
 Wohnen in vollstationären Pflegeeinrichtungen mit Betreuung durch Alltagsbegleitung für Menschen
mit eingeschränkter Alltagskompetenz nach § 87b SGB XI.
4.3.1.2. Bewertung des Versorgungsstandes
Die sozialen Angebote sind differenziert und weitestgehend wohnortnah bzw. in zugehender Form
vorhanden. Insbesondere für die Beratung und Unterstützung können die Zugänge für Betroffene und
Angehörige sehr niedrigschwellig sein. Voraussetzung dafür ist insbesondere die Kenntnis der Anlaufstellen für Seniorenberatung.
Sozialräumlich differenzierte Angebote, die von der Kommune finanziert werden, sind in der Regel
mit nur geringen Unkosten für die Nutzerschaft verbunden. Sie werden von Fachkräften vorgehalten. Es
kann davon ausgegangen werden, dass, sofern sich der Betroffene selbst zur Nutzung entschließt, der
Zugang jederzeit möglich ist. Anders verhält es sich bei der Inanspruchnahme von niedrigschwelligen
Betreuungsangeboten und Tagespflege nach SGB XI. Die Leistungen nach SGB XI an den Pflegeversicherten unterliegen einer Kostendeckelung. Die vollständige Kostendeckung aus eigenem Einkommen
ist teilweise nicht möglich bzw. auch vom Betroffenen nicht gewollt. Die Kostenübernahme der ergänzenden Leistung nach SGB XII wird oft nicht beantragt. Insofern ist eine Unterversorgung nicht auszuschließen.
Für den Bereich Wohnen bedarf es einer weiteren Entwicklung differenzierter Wohnangebote, z. B.
ambulanter wie stationärer Demenz-Wohngruppen. Der konkrete Bedarf für die gerontopsychiatrische
Klientel ist noch zu ermitteln.
Die gute Infrastruktur der sozialen Angebote darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es für das
selbstständige Wohnen von Menschen, die gerontopsychiatrisch erkrankt sind, (speziell in SingleHaushalten) in der eigenen Häuslichkeit natürliche und personenbezogene Grenzen gibt. Grundsätzlich
sollte die ambulante Betreuung Vorrang vor der stationären Versorgung haben. Der Erhalt der Lebensqualität in Kombination mit fiskalischen Vorteilen für die Betroffenen, die Angehörigen und die Gesellschaft sind wichtige Gründe dafür. Erst wenn alle Möglichkeiten der ambulanten Versorgung im Einzelfall ausgeschöpft sind, sind stationäre Wohnarrangements in Betracht zu ziehen.
86
4.3.1.3. Handlungserfordernisse
Aufgrund der sozialraumorientierten Arbeit in der Altenhilfe kann es gelingen, Rahmenbedingungen für
ein selbstbestimmtes Altern trotz psychischer Erkrankung zu gewährleisten, passgenaue Hilfearrangements (Verknüpfung von Sozialraumressourcen mit individuellen Ressourcen) zu konstruieren und die
verfügbaren, aber zu begrenzenden finanziellen Ressourcen effizient und verteilungsgerecht zu nutzen.
Basis ist die finanzielle und personelle Sicherstellung des Beratungssystems der Seniorenarbeit und
Altenhilfe eingebettet in die konsequente Umsetzung des Konzeptes der sozialraumorientierten Seniorenarbeit und Altenhilfe. Die Steuerungsfunktion übernimmt das Sozialamt; konkret auf der Einzelfallebene die Kommunale Sozialarbeit. Auf Einzelfallebene ist die Einführung von Case Management für
entsprechende Fälle, für alle anderen ein umfassendes Fallmanagement sicherzustellen.
Für den Personenkreis der pflegebedürftigen Menschen mit einer psychischen Erkrankung muss der
Zugang zu Hilfen in zunehmendem Maße und frühzeitig über die Pflegeberatung der Pflegekassen und
ein individuelles Fallmanagement erfolgen. Dazu ist zwingend der Ausbau der professionellen Pflegeberatung in Verantwortung der Pflegekassen und des PflegeNetzes Dresden fortzusetzen. So können die
kommunal finanzierten Ressourcen zugunsten der Defizite in der bedarfsgerechten sozialpädagogischen Beratung und Unterstützung für Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen erschlossen werden.
Die Versorgungsstrukturen sind zu einem bedarfsgerechten Versorgungsnetzwerk weiterzuentwickeln. Ausgehend vom Netzwerk der Seniorenarbeit und Altenhilfe sind solitäre gerontopsychiatrische
Angebote zu einem kooperativen Informations- und Unterstützungsnetzwerk zusammenzuführen und
fortzuentwickeln. Zum PflegeNetz Dresden sind entsprechende Schnittstellen zu gestalten, die insbesondere seitens der Pflegekassen aktiv auszugestalten sind. Eine zielgruppenorientierte Öffentlichkeitsarbeit zur Vermittlung von Infrastruktur und Fachinhalten sowie die Gewährleistung verlässlicher
Informationswege müssen die Prozesse begleiten.
Zur bedarfsgerechten Weiterentwicklung ist ein Krisenmanagement zur Gewährleistung der schnellen und wirksamen Unterstützung in Krisen durch die jeweils zuständigen Stellen aufzubauen. Außerdem ist ein Überleitungsmanagement zwischen den Versorgungsbereichen zu erarbeiten und umzusetzen.
Zur bedarfsgerechten Weiterentwicklung der Angebotsstruktur sind konkrete Ansätze vorhanden:
 Ausbau spezifischer Betreuungsangebote insbesondere für alt gewordene Menschen mit einer
psychischen Erkrankung,
 zielgruppenspezifischer Ausbau von ambulant betreutem Wohnen bzw. ambulant mobilen Diensten,
 Entwicklung differenzierter Wohnformen für Menschen mit einer gerontopsychiatrischen Erkrankung,
 Ausbau und konzeptionelle Verankerung der fachlich fundierten Betreuung in stationären Pflegeheimen.
4.3.2. Angehörige
4.3.2.1. Versorgungsstand
In Kapitel 4.1. wurden grundlegende Ergebnisse epidemiologischer Studien dargestellt. Das Festgestellte lässt sich auch für Dresden in der Arbeit der BBT-Stellen bestätigen.
Über 70% der Menschen mit gerontopsychiatrischer Erkrankung werden von ihren Angehörigen zu
Hause betreut und gepflegt. Diese sind damit besonderen physischen, psychischen, sozialen und oft
auch finanziellen Belastungen ausgesetzt. Pflegende Angehörige bedürfen daher umfassender Informationen, Beratung, Unterstützung, Begleitung und Entlastung.
87
Abb. 11: Bedarfslagen unterstützender Angehöriger
© Ch. Dumke: Anforderungen und Bedarfslagen unterstützenden Angehöriger
4.3.2.2. Bewertung des Versorgungsstandes
In der Kommune Dresden gibt es eine Vielzahl verschiedener Möglichkeiten der Beratung, Betreuung
und Begleitung von Angehörigen. Trotzdem ist es für sie nicht leicht, zeitnah die richtigen Ansprechpartner zu finden. Neben einer differenzierten fachspezifischen Beratung zu gerontopsychiatrischen
Erkrankungen spielt die allgemeine soziale Beratung eine große Rolle, dies schnittstellenübergreifend
zwischen Medizin, Sozialer Arbeit und Pflege, sowohl ambulant als auch stationär. Eine weitere intensive Öffentlichkeitsarbeit sowie Schulungsmöglichkeiten können die Situation mittelfristig weiterverbessern.
4.3.2.3. Handlungserfordernisse
Handlungsansätze sollten im Sinne der Betroffenen geprägt sein von Überlegungen, wie Normalität,
Individualität, Integration, Teilhabe und die Kontinuität der Lebensführung. (Vgl. BMFSFJ, 2002: 19)
Eine Beteiligung der Betroffenen und ihrer Angehörigen selbst an Entwicklungs- und Entscheidungsprozessen sollte, wo irgend möglich, gefördert und unterstützt werden.
In der Landeshauptstadt gibt es eine Vielzahl an Beratungsmöglichkeiten durch Pflegekassen,
kommunale Beratungsstellen, Beratung bei den Wohlfahrtsverbänden, Vereinen oder Selbsthilfeorganisationen. Aufgrund von Unkenntnis sowie verschiedener Hemmschwellen werden diese z. T. nicht oder
zu spät in Anspruch genommen. An einer frühzeitigen Inanspruchnahme ist weiter zu arbeiten, z. B.
durch eine regelmäßige Öffentlichkeitsarbeit und die Nutzung unterschiedlicher Medien. Ziel muss es
sein, ein bedarfsgerechtes Angebot von gerontopsychiatrisch ausgerichteten Informations-, Beratungsund Kontaktangeboten wohnortnah vorzuhalten.
Die behandelnden Hausärzte/-innen sind in der Versorgung als Lotsen zu sehen. Sie sollten die Erkrankten und ihre Angehörigen an Fachärzte/-inne und entsprechende Einrichtungen zur Diagnostik
verweisen sowie Kenntnis von Betreuungsangeboten haben und in diese vermitteln. Eine Hilfe ist dabei
der Senioren- und der Demenzratgeber der Stadt Dresden. Arzthelferinnen sollten speziell zum Thema
Demenz geschult sein, um frühzeitig Informationen geben zu können.
In den BBT-Stellen der Stadt gibt es für Angehörige die Möglichkeit, sich umfassend über Krankheitsbilder und die damit verbundenen Veränderungen zu informieren, um im Einzelfall individuelle und
passgenaue Problemlösungen und geeignete Unterstützungsmöglichkeiten zu finden. Die Seniorenberatungsstellen und Schwerpunktbegegnungsstätten, die Alzheimer Gesellschaft Dresden e. V. und der
Sozialpsychiatrische Dienst fungieren ebenso als erste Ansprechpartner und vermitteln gezielt in
88
individuelle und passgenaue Angebote. Niedrigschwellige Beratungs- und Betreuungsangebote sind
besonders als Einstiegsmöglichkeit in ein professionelles Hilfesystem bekannt zu machen und zu
nutzen.
Schulungen für Angehörige zum Umgang mit den Erkrankten, welche u. a. von der Pflegekasse
nach § 45 SGB XI und/oder nach § 37 SGB XI angeboten werden, können zu einer Verbesserung und
Stabilisierung der Versorgungssituation beitragen.
Der Austausch unter Angehörigen in Angehörigenselbsthilfegruppen kann außerdem in schwierigen
Alltagssituationen als wertvolle Entlastungsmöglichkeit gesehen werden. Er bietet eine Plattform für
Austausch und Hilfe. Initiatoren müssen gezielt beim Aufbau und der Etablierung von Angehörigengruppen durch die Kommune unterstützt werden. Pflegende Angehörige sollten im Umgang mit Menschen mit Demenz bzw. anderen gerontopsychiatrischen Erkrankungen speziell geschult werden, um
sich in spezifischen Problemlagen wie veränderten oder herausfordernden Verhaltensweisen sicher und
kompetent zu verhalten. Schulungsangebote und Psychoedukation für Angehörige sind in Zusammenarbeit mit Pflegekassen, Trägern und Selbsthilfeorganisationen zeitnah zu ermöglichen. Vorliegende
Rahmenvereinbarungen mit verschiedenen Krankenkassen sollten weiter bekannt gemacht und in
Anspruch genommen werden. Ein umfassendes System an niedrigschwelligen und flexiblen Entlastungsangeboten, wie es Betreuungsgruppen oder Einzelbetreuung durch Helferinnenkreise in der
Häuslichkeit darstellen, sind in Dresden flächendeckend zu etablieren und vorzuhalten. Wohnortnähe
sollte angestrebt werden. Eine dauerhafte Betreuung von Menschen mit einer gerontopsychiatrischen
Erkrankung durch Angehörige kann nur durch die Bündelung verschiedener Angebote realisiert werden.
Angehörige brauchen für die Findung und Koordination der Leistungen Unterstützung durch einen
festen Ansprechpartner, eine Vertrauensperson. Aufsuchende Strukturen sind zu fördern. Es zeigen
sich gute Erfolge, was den Einstieg in professionelle Hilfesysteme angeht und die Inanspruchnahme
von Betreuungsangeboten erleichtert.
Sozialleistungsanbieter und Verantwortliche sollten regional und sozialräumlich vernetzt tätig werden. Erfahrungen aus verschiedenen Modellprojekten belegen, dass durch Vernetzung eine effizientere
Koordination, Kooperation und Kommunikation möglich ist. Von Lerneffekten in Netzwerken profitieren
alle Beteiligten. Dies gilt es auszubauen.
4.3.3. BBT-Stellen: Beratung – Begegnung/Begleitung – Tagesstrukturierung
Dresdner Pflege- und Betreuungsverein e. V.
Amalie-Dietrich-Platz 3, 01169 Dresden
Tel.: (03 51) 4 16 60 25
www.ambulantes-pflegezentrum.de
Die BBT-Stelle ist ein niedrigschwelliges Beratungs- und Betreuungsangebot für Senioren und Seniorinnen mit gerontopsychiatrischer Erkrankung, die allein oder mit Angehörigen in ihrer eigenen Wohnung leben. Durch die BBT-Stellen erfolgt eine stadtweite Aufklärung, Anleitung und Öffentlichkeitsarbeit zum Thema psychische Erkrankungen und Demenz im Alter.
AWO Sachsen Soziale Dienste gGmbH
Herzberger Straße 2 - 4, 01239 Dresden
Tel.: (03 51) 2 89 16 15
www.awo-in-sachsen.de
In persönlichen Gesprächen und Beratungen informieren die BBT-Stellen Klienten/-innen und deren
Angehörige über vorhandene Betreuungs- und Hilfsmöglichkeiten für Menschen mit gerontopsychiatrischer Erkrankung im Stadtgebiet von Dresden. Beratungsinhalte sind u. a. Fragen zum jeweiligen
Krankheitsbild, zur medizinischen, pflegerischen und therapeutischen Versorgung, zum Pflegeweiterentwicklungsgesetz, zur Angebotsstruktur für spezielle Leistungen (Schwerpunkt Demenz), zur Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung, zum Betreuungsrecht, zu Begutachtungen des Medizinischen
Dienstes der Krankenversicherungen (MDK) und Kontaktangebote zum Aufbau sozialer Netze.
Das Beratungsangebot der BBT-Stellen versucht, Überforderungen bei Angehörigen zu vermeiden,
indem auf vorhandene Leistungsangebote und auf mögliche Unterstützungsmöglichkeiten hingewiesen,
bei der Beantragung unterstützt bzw. zu diesen vermittelt wird.
Auch für behandelnde (Fach-)Ärzte/-innen, Kur- und Rehabilitationskliniken, dem Sozialpsychiatrischen Dienst, Krankenhäuser (insbesondere psychiatrische Stationen) und soziale Einrichtungen bieten
die BBT-Stellen durch ihre kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit einen Anlaufpunkt für spezialisierte
Beratung.
Bei komplexen Problemen und umfangreichem Unterstützungsbedarf wird durch die BBT-Stellen eine individuelle und regelmäßige Einzelbetreuung initialisiert.
89
Im Vordergrund dieser Betreuung steht die Suche und Motivation zur Inanspruchnahme von notwendigen Hilfen und Unterstützungsangeboten anhand von Zielen, die gemeinsam mit Klientin oder
Klient, Angehörigen oder gesetzlichen Betreuern/-innen entwickelt werden. Dazu gehören die Integration in aktivierende Angebote, Absicherung der medizinischen, pflegerischen und therapeutischen Betreuung, Beratung der Angehörigen / Betreuer/-innen zum Krankheitsbild sowie Möglichkeiten zum Erhalt
von Fähigkeiten und Ressourcen der Klienten und Klientinnen.
Die BBT-Stellen sind neben der Koordination der hinzugezogenen Leistungsanbieter und Kontrolle
der erbrachten Leistungen inhaltlich für die Beratung der Klienten/-innen und Angehörigen, für die
Krisenintervention, für Biografie- und Erinnerungsarbeit sowie für die Schaffung von bzw. Einbindung in
tagesstrukturierende Maßnahmen (z. B. Durchführung von speziellen Gruppenangeboten, Inanspruchnahme von Angeboten im jeweiligen Stadtteil) zuständig.
Durch Klärung der häuslichen Situation und vorhandene Unterstützung leiten die BBT-Stellen ärztliche Versorgung und Behandlungen in die Wege, führen an eine Pflege und Versorgung durch andere
Leistungserbringer (z. B. Pflegedienste) heran und kümmern sich um angemessene und sichere Wohnund Lebensverhältnisse (z. B. Beseitigung von Gefahrenquellen). Bezogen auf die verschiedenen
Probleme und Aspekte und der dafür „zuständigen“ Dienstleister müssen die BBT-Stellen je nach
Notwendigkeit intervenieren, delegieren oder auch koordinieren.
Detaillierte Kenntnisse zu psychiatrischen, physiologischen und patho-physiologischen Veränderungen sind notwendig, um zeitnah psychiatrische und somatische Veränderungen zu erkennen und darauf
zu reagieren. Dies ist bei betroffenen Senioren und Seniorinnen unerlässlich, da sie selbst mitunter
aufgrund ihrer Erkrankung nicht ausreichend für ihre körperlichen Belange sorgen können bzw. in
Krisensituationen nicht immer adäquat reagieren können.
Die Kommunikation mit den Klienten/-innen hat in diesem Prozess einen besonderen Stellenwert.
Ausreichende Kenntnisse über verbale und nonverbale Kommunikationsarten sind unerlässlich.
Der Umgang mit den Betroffenen gestaltet sich aufgrund kognitiver Defizite und fehlendem Vertrauen im Verlauf der Erkrankung oft schwierig und belastend.
Der Arbeit der Mitarbeiter/-innen sind dadurch Grenzen gesetzt. Durch jahrelange Fort- und Weiterbildungen haben sich die BBT-Stellen auf diese Herausforderungen spezialisiert und haben sich aufgrund dieser Fachlichkeit in Dresden etabliert.
Um die Versorgung besonders von alleinlebenden Seniorinnen und Senioren in der eigenen häuslichen Umgebung zu sichern und die Teilhabe in der Gemeinschaft zu ermöglichen, arbeiten die BBTStellen übergreifend mit verschiedenen Leistungserbringern und Institutionen zusammen und fungieren
als Vermittler bei Problemen und Konflikten zwischen den Betroffenen und dem komplementären Versorgungssystem. Die BBT-Stellen agieren genau an dieser Stelle als Vermittler zwischen den unterschiedlichen Hilfs- und Finanzierungsmöglichkeiten zur Unterstützung von alten Menschen der genannten Zielgruppe (u. a. zwischen dem Bereich Altenhilfe und Pflege, zwischen Sozialamt und Gesundheitsamt).
Für Senioren/-innen, die trotz des Alters und vorhandener Erkrankungen noch allein in ihrer Wohnung leben, bieten die von den BBT-Stellen angebotenen Begegnungsangebote wie Gedächtnistraining, Spiele-Nachmittag, die Gestaltung von Festen und Organisation von Ausfahrten einen aktivierenden Ausgleich zum „allein zu Hause sein“ an. Das Zusammensein mit Anderen beugt der Vereinsamung in der häuslichen Umgebung vor.
4.3.3.1. Versorgungsstand
In der Landeshauptstadt Dresden gibt es derzeit zwei BBT-Stellen mit je 1,5 Vollzeitfachkräften (VzK),
die im Dresdner Osten und Westen angesiedelt sind. Die Träger sind die AWO Sachsen Soziale Dienste gGmbH und der Dresdner Pflege- und Betreuungsverein e. V. Die Mitarbeiterinnen verfügen über
langjährige Erfahrungen und spezielle Fachkenntnisse im Umgang mit dieser besonderen Zielgruppe.
Die Räumlichkeiten sind gut ausgestattet, verkehrsgünstig gelegen und barrierefrei zugänglich.
Die Klientenstruktur spiegelt die epidemiologisch zu erwartende Verteilung der gerontopsychiatrischen Erkrankungen in Dresden wider. Weitere statistische Daten sind der Anlage 1 zu entnehmen.
90
Abb. 12: Krankheitsverteilung der Klienten/-innen der
Einzelbetreuung der BBT-Stelle und des Projektes
Ambulant Betreutes Wohnen für gerontopsychiatrisch
erkrankte Senioren in Trägerschaft des Dresdner Pflegeund Betreuungsverein e. V. im Jahr 2010 (gesamt 47
Klienten/-innen; Mischformen= Demenz + Depression)
PersönlichkeitsBipolare störung; 2%
Störung; 4%
Mischform; 17%
Krankheitsverteilung
Depression; 28%
unbekannt; 2%
Schizophrenie;
13%
Demenz; 34%
4.3.3.2. Bewertung des Versorgungsstandes
Die beiden BBT-Stellen verzeichnen seit Jahren einen Anstieg komplexer immer schwieriger werdender
Problemlagen. Die Fallzahlen der Einzelfallhilfe nehmen zu, die Einzelfallhilfe selbst wird immer umfangreicher. Diese Problematik wird durch die demografische Entwicklung noch verschärft.
Die BBT-Stellen bilden gegenwärtig ein Auffangbecken für Klienten/-innen, für die vorhandene Hilfsangebote bisher nicht zugänglich sind oder die außerstande sind, sich selbst Hilfen zu organisieren; da
sie den Hilfebedarf aufgrund ihrer Erkrankung oft auch nicht selbst erkennen.
Obwohl sich die Versorgung der Betroffenen in den letzten Jahren weiterentwickelt hat und auch
Verbesserungen erreicht wurden, bestehen weiterhin Probleme bei der Umsetzung des auf den Einzelnen abgestimmten Betreuungsprozesses.
Vorhandene Hilfen werden oft erst sehr spät in Anspruch genommen, eine Versorgung zu Hause ist
dann oftmals auf längere Sicht nicht mehr möglich. Die Studie zur Versorgung Demenzkranker in Sachsen (BIADEM), welche von der TU Dresden durchgeführt wurde, bestätigt dies.10
Es bestehen nicht genügend Angebote im medizinischen Bereich (Fachärzte/-innen). Hausärzte/innen als Weichensteller/-innen kennen die vorhandenen Versorgungsstrukturen nicht ausreichend bzw.
haben Probleme mit der Budgetierung von Leistungen.
Verkürzte Verweildauern in den Kliniken verhindern die medizinische Aufarbeitung von Erkrankungen.
Für die ambulante Versorgung fehlen weitere Leistungen wie z. B. die gerontopsychiatrische Pflege.
Es gibt zu lange Wartezeiten bei der Aufnahme in betreute Wohnformen bzw. in spezialisierte Einrichtungen.
Beim Angebot der Tagespflege gelten oft zu eng gesteckte Aufnahmekriterien (Nichtaufnahme bei
Weglauftendenz und möglichen Aggressionen).
Die Begutachtung für die Inanspruchnahme zusätzlicher Betreuungsleistungen schließt psychische
Erkrankungen im Alter, außer Demenz, nur selten ein. Es fehlen spezialisierte Erholungseinrichtungen,
auch für betreuende Angehörige. Wohnungsvermieter/-innen tolerieren z. T. auffällig werdende ältere
Mieter und Mieterinnen nicht und kündigen die Mietverträge.
Fehlende Vernetzung und Kooperation zwischen den einzelnen Leistungserbringern erschweren eine optimale Versorgung zusätzlich.
Die Beratung und Unterstützung sollte wohnortnah und personenbezogen erfolgen. Bei der Zunahme der Fallzahlen ist es aber für das gegenwärtig zur Verfügung stehende Personal nicht mehr möglich,
allen Anfragen gerecht zu werden. Teile der Stadt können nicht erreicht werden.
10
BIADEM-Studie: Behandlungsbedürfnis und Inanspruchnahmeverhalten bei Demenzerkrankungen
91
4.3.3.3. Handlungserfordernisse
Bei Menschen mit einer gerontopsychiatrischen Erkrankung handelt es sich um einen speziellen Personenkreis, in dem neben psychiatrischen Krankheitsbildern auch somatische Erkrankungen verstärkt
auftreten und soziale Kompetenzen erhalten werden müssen.
Im Rahmen einer funktionierenden gemeinwesenorientierten Versorgung bedarf es daher differenzierter wohnortnaher Versorgungsangebote sowohl für alt gewordene Menschen mit einer psychischen
Erkrankung, Menschen mit Neuerkrankungen im Alter als auch für die gerontopsychiatrisch Erkrankten.
Hierbei ist eine enge Vernetzung zwischen den Angeboten der Altenhilfe, des Sozialpsychiatrischen
Dienstes, der PSKB und der BBT-Stellen weiterhin erforderlich.
Zukünftig nehmen die BBT-Stellen folgende Aufgaben wahr:
 Sie sind Beratungsstelle für Menschen mit einer gerontopsychiatrischen Erkrankung und für ihre
Angehörigen in Dresden.
 Sie agieren als Anbieter von Regelleistungen für unterschiedliche Leistungsträger.
 Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit, Beratung von Institutionen
Als Beratungsstelle und Anbieter von Regelleistungen nehmen die BBT-Stellen folgende Aufgaben wahr:
 Beratungen von gerontopsychiatrisch Erkrankten und ihren Angehörigen vorwiegend durch aufsuchende Sozialarbeit
 Vermittlung in das wohnortnahe Hilfesystem
 Krisenintervention
 Einzelfallarbeit auf der Grundlage von Case Management durch Erbringen von Regelleistungen
(Vereinbarung nach SGB XII)
 Gruppenarbeit durch Durchführung von Gruppenangeboten, auch für besondere Bedarfsgruppen
(z. B. für jüngere Menschen mit einer demenziellen Erkrankung, ältere Menschen mit Migrationshintergrund)
Notwendig ist die Aufstockung der PSKB in den Versorgungsgebieten Nord und Mitte mit je einer
Fachkraft zum Ausbau der Kompetenzen im Bereich der Gerontopsychiatrie. Die PSKB sollen in der
Lage sein, die niedrigschwellige Arbeit zur Versorgung älterer Menschen mit gerontopsychiatrischer
Erkrankung zu übernehmen. Anliegen ist vorwiegend die Weiterbildung der anderen Akteurinnen und
Akteure des Unterstützersystems sowie die Weichenstellung und Anbindung der Betroffenen an das
weiterführende Versorgungssystem. Im Weiteren sind eine enge Vernetzung mit der offenen Altenhilfe
und dem SpDi sowie die fachliche Weiterbildung der PSKB-Mitarbeiter/-innen erforderlich.
4.3.4. Medizinische Versorgung
4.3.4.1. Versorgungsstand
Die ambulante medizinische Versorgung von gerontopsychiatrischen Patientinnen und Patienten erfolgt
in der Regel über die Hausärzte/-innen in Abstimmung mit den jeweiligen Fachärzten/-innen. Bei den
meisten Betroffenen bestehen neben den psychiatrischen Störungen noch weitere (geriatrische) Erkrankungen.
Im stationären Bereich werden dazu zunehmend Abteilungen für Altersmedizin geschaffen, in denen
verschiedene Fachgebiete (v.a. Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie) zusammenarbeiten.
Diagnostisch handelt es sich bei gerontopsychiatrischen Patienten/-innen neben Menschen, die an
einer Demenz erkrankt sind, um alt gewordene Menschen mit einer chronischen psychischen
92
Erkrankung (alle Diagnosen), Menschen mit affektiven Erkrankungen im Alter oder bei körperlichen
Erkrankungen (z.B. Tumoren), Personen mit psychischen bzw. psychotischen Störungen bei hirnorganischen Erkrankungen, ältere Patienten/-innen mit traumatisch bedingten Störungen, Sucht- oder
Angsterkrankungen.
Dabei sind die alt gewordenen chronisch psychisch kranken Menschen in der Regel primär im Bereich der Hilfen der Erwachsenenpsychiatrie integriert und werden weiter begleitet.
Neben den niedergelassenen Haus- und Fachärzten/-innen erfolgt die Diagnostik und Behandlung
in den Psychiatrischen Institutsambulanzen und der Gedächtnissprechstunde am Universitätsklinikum
Carl Gustav Carus.
Einbezogen in die Betreuung werden Pflegedienste, die Strukturen der Altenhilfe, die BBT-Stellen
und der Sozialpsychiatrische Dienst.
Stationäre Behandlungen erfolgen v.a. bei unklaren Fällen zur Diagnostik, bei schweren Verhaltensstörungen, akuten Verwirrtheitszuständen, rascher Verschlechterung oder schwerer psychiatrischer
Symptomatik.
Im Krankenhaus Dresden-Neustadt gibt es das Angebot einer speziellen gerontopsychiatrischen
Station. In den anderen psychiatrischen Kliniken werden gerontopsychiatrische Patienten/-innen im
Rahmen des Versorgungsauftrags behandelt. Die Kliniken berichten über einen Anstieg der Fallzahlen.
Das Universitätsklinikum verfügt außerdem über eine multiprofessionell geführte akutgeriatrische
Station. Internisten/-innen, Neurologen/-innen und Psychiater/-innen arbeiten fachübergreifend zusammen, um die Seniorinnen und Senioren ganzheitlich behandeln zu können.
4.3.4.2. Bewertung des Versorgungsstandes
Die Betreuung alt gewordener Menschen mit chronisch psychischer Erkrankung wird häufig durch den
zunehmenden Bedarf an Pflege oder Mitbehandlung durch andere Fachärzte/-innen aufgrund von
fehlenden Hausbesuchskapazitäten, störungsbedingt verminderter Krankheits- und Behandlungseinsicht und Mitwirkungsfähigkeit schwierig.
Hier erreichen die Hilfsmöglichkeiten durch offene Altenhilfe und Sozialpsychiatrischen Dienst zunehmend ihre Kapazitätsgrenzen.
Einzelfallbezogen werden aktuell durch die Kliniken, SpDi, BBT-Stellen oder offene Altenhilfe unter
Einbeziehung von Ressourcen in den Familien oder im sozialen Umfeld ganz individuelle Behandlungsund Betreuungssettings vermittelt.
Spezifische ambulante Betreuungsangebote sind aktuell nicht ausreichend.
Bedarf besteht weiterhin an effektiver und frühzeitiger Diagnostik vor allem bei Erkrankungen, die
erst später symptomatisch werden. Psychiatrische Begleiterkrankungen bei körperlichen Gebrechen
werden oft nicht rechtzeitig erkannt und behandelt.
Neben Depressionen und Angststörungen werden v. a. Suchterkrankungen im Alter und die zunehmende suizidale Gefährdung nicht oder erst spät erkannt.
Spezielle psychotherapeutische Angebote für Menschen, die gerontopsychiatrisch erkrankt sind, vor
allem mit der Möglichkeit von Hausbesuchen, gibt es nicht.
Die Vernetzung zwischen ambulanten und stationären Angeboten wird auch von den niedergelassenen Nervenärzten/-innen und Psychotherapeuten/-innen als nicht ausreichend eingeschätzt. Dabei ist
bereits jetzt eine Zunahme der Behandlungen älterer Menschen in allen Bereichen der medizinischen
Versorgung zu verzeichnen.
93
4.3.4.3. Handlungserfordernisse
Notwendig sind die Weiterbildung des Hilfenetzes im Bereich gerontopsychiatrischer Erkrankungen,
deren Diagnostik und Behandlung. Hierbei sind vor allem auch ambulante Pflegedienste und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Alten- und Pflegeheimen einzubeziehen.
Die ärztliche Betreuung in den Einrichtungen muss verbessert werden. Es müssen medizinischärztliche und psychotherapeutische Angebote mit aufsuchenden Kapazitäten geschaffen werden.
Aus Sicht der Kliniken werden kurzfristige Unterbringungsmöglichkeiten für Patienten/-innen, die
über noch keine ausreichende Struktur im ambulanten Bereich verfügen, angemahnt, damit diese nicht
immer wieder auf psychiatrischen Akutstationen eingewiesen werden müssen.
Zur Prävention und Linderung der Folgen psychischer Störungen im Alter sind begleitend zur Optimierung der medizinischen Versorgung eine Aktivierung der Sozialräume, die Initiierung generationsübergreifender Projekte, die Selbstwertstabilisierung durch sinnstiftende Tätigkeit und psychotherapeutische Angebote für ältere Menschen wichtig.
Im Rahmen der zu gründenden Unterarbeitsgruppe der PSAG für den Bereich Gerontopsychiatrie
sollen die Vernetzung und Abstimmung zwischen den Angeboten, Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung
verbessert werden.
4.3.5. Pflegerische Versorgung
4.3.5.1. Niedrigschwellige Betreuung in der Landeshauptstadt Dresden
Versorgungsstand
Seit 2003 erfolgt systematisch der Aufbau niedrigschwelliger Betreuungsangebote für Menschen mit
eingeschränkter Alltagskompetenz in der Landeshauptstadt Dresden. Sie dienen Menschen mit einem
erheblichen Bedarf an Aktivierung, Beaufsichtigung und Betreuung in Gruppen oder im häuslichen
Bereich sowie insbesondere zur Entlastung und Unterstützung pflegender Angehöriger. Die Anerkennung einer Pflegestufe ist dabei unerheblich. Die Zuordnung zum Personenkreis obliegt der Pflegekasse auf der Basis eines Screenings des MDK. In der Regel nutzen Menschen mit einer gerontopsychiatrischen und psychischen Erkrankung sowie Menschen mit einer geistigen Behinderung das Angebot.
Die Pflegekassen beteiligen sich bei vorliegenden Anspruchsvoraussetzungen an den Kosten für die
Nutzung entsprechender qualitätsgesicherter Angebote. Bis Juni 2008 waren dies bis zu 460 Euro pro
Kalenderjahr. Seit Juli 2008 haben Leistungsberechtigte Anspruch auf einen monatlichen Grundbetrag
von 100 Euro bzw. einen erhöhten Betrag von 200 Euro. Voraussetzung für die Abrechnung der Leistungserbringung mit den Pflegekassen ist, dass es sich um ein anerkanntes Angebot handelt. Die
Anerkennung erfolgt auf der Grundlage der „Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über die
Anerkennung der niedrigschwelligen Betreuungsangebote“ nach § 45b Abs. 3 SGB XI vom 10. Juli
2003, rechtsbereinigt mit Stand vom 1. Januar 2009. Niedrigschwellige Betreuungsangebote durch
zugelassene Pflegedienste und teilstationäre Pflegeeinrichtungen gelten als anerkannt.
Derzeit gibt es in Dresden über 28 anerkannte niedrigschwellige Angebote insbesondere für Menschen mit einer demenziellen Erkrankung, die sich auf das gesamte Stadtgebiet verteilen. 7 davon
wurden durch das Sozialamt in den Jahren 2005 bis 2010 mit insgesamt 152.000 Euro gefördert. Eine
Übersicht über niedrigschwellige Angebote von Pflegediensten gibt es nicht. Eine ausführliche Darstellung findet sich im „Fachplan Seniorenarbeit und Altenhilfe“.
94
Bewertung des Versorgungsstandes
Bis zum Sommer 2008 war die Angebotsentwicklung vor dem dargestellten Hintergrund eher zögerlich.
Mit dem verbesserten Leistungsumfang der Pflegeversicherung sind eine deutliche Beschleunigung der
Entwicklung eines flächendeckenden Angebotsnetzes und eine verbesserte Versorgung der Zielgruppe
eingetreten.
Die Angebotsstruktur niedrigschwelliger Betreuungsangebote für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz kann als sozialräumlich ausdifferenziert und bedarfsgerecht eingeschätzt werden. Das
Nutzungsverhalten ist aufgrund einer nicht ausreichenden Datenlage nicht bewertbar. Aus der Praxis
wird insbesondere von Schwierigkeiten beim Hol- und Bringservice zu Gruppenangeboten berichtet.
Handlungserfordernisse
 Auf- und Ausbau der Angebote durch Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen, insbesondere
Einbindung in vorhandene Strukturen.
 Erarbeitung und Umsetzung von Qualitätsstandards, u. a. Impulsgabe zur Gründung eines Arbeitskreises „niedrigschwellige Betreuungsangebote“ auf Akteursebene mit den Zielen der Qualifizierung
der Angebote, einer sozialraumorientierten Vernetzung und der Schaffung von Fachaustauschmöglichkeiten.
 Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit, insbesondere Informationen zu Angeboten in allen Stadien
der Demenz sowie über Entlastungsangebote für Angehörige, milieuspezifische Aufbereitung von
Informationen.
4.3.5.2. Ambulante Pflegedienste
Versorgungsstand
Derzeit arbeiten 93 Pflegedienste im Stadtgebiet. Eine territoriale Gliederung in Versorgungsgebiete
existiert nicht. Ein Pflegedienst in Trägerschaft des Psychosozialen Trägervereins Sachsen e. V. (PTV)
ist für psychiatrische Pflege nach SGB V zugelassen.
Die Einschätzung der Versorgungslage von Menschen mit einer gerontopsychiatrischen Erkrankung
durch die Pflegedienste selbst11 ist sehr differenziert. Insbesondere die Versorgung von alleinlebenden
Patienten und Patientinnen wurde als verbesserungsbedürftig eingeschätzt. Des Weiteren besteht ein
Mangel an Pflegefachpersonal, der Auswirkungen auf die Versorgung der Menschen mit einer gerontopsychiatrischen Erkrankung hat. Nach Einschätzung der Pflegedienste nutzten Erkrankte zu spät
pflegerische bzw. niedrigschwellige Angebote, da die Hemmschwelle der Inanspruchnahme von Leistungen hoch sei.
Bewertung des Versorgungsstandes
In der Landeshauptstadt Dresden gibt es eine flächendeckende Versorgung mit ambulanten Pflegediensten. Pflegedienste, die psychiatrische Pflege anbieten, sind nicht ausreichend vorhanden.
Die Pflegedienste schätzen die pflegerische Versorgung der Zielgruppe im Spektrum von „ausreichend“ bis „nicht ausreichend“ ein.
Handlungserfordernisse
 Ausbau der psychiatrischen Pflege sowie der gerontopsychiatrischen Fachkraftqualifizierung in
ambulanten Pflegediensten,
 Verknüpfung von verschiedenen Angeboten (z. B. ambulante Pflege und Tagespflege) zu einem
persönlichen Arrangement, welches bedarfsgerecht und zugleich effizient ist,
 Verbesserung der Schnittstellen zwischen Krankenhäusern und Pflege (insbesondere Beratung der
Betroffenen und Angehörigen im Krankenhaus, Entlassungs- bzw. Überleitungsmanagement),
 Verbesserung der Schnittstellen zwischen Haus- bzw. Fachärzten/-innen, Angehörigen und Pflegedienst sowie dem Sozialpsychiatrischen Dienst,
 Ausbau von helfenden Strukturen (z. B. Bundesfreiwilligendienst, geschultes Ehrenamt).
11
Abfrage der Pflegedienste durch das Sozialamt im Sommer 2011
95
4.3.5.3. Gerontopsychiatrische Tagespflege
Versorgungsstand
Die Gerontopsychiatrische Tagespflege ist ein teilstationäres Angebot für Senioren/-innen mit einer
gerontopsychiatrischen Erkrankung, z. B. mit Demenz, Angststörung oder Depression. Tendenziell sind
eher früh an Demenz erkrankte Klienten und Klientinnen zu verzeichnen, d.h. immer jüngere Personen
sind auf Hilfe angewiesen.
Gerontopsychiatrische Tagespflege
AWO Sachsen Soziale Dienste gGmbH
Herzberger Straße 2 - 4, 01239 Dresden
Tel.: (03 51) 2 89 16 16
www.awo-in-sachsen.de
Die Gerontopsychiatrische Tagespflege bietet sowohl Betroffenen als auch Angehörigen die
Chance, so lange wie möglich in der vertrauten Häuslichkeit zu verbleiben. Daneben wirkt sie entlastend für die pflegenden Angehörigen. Die Tagespflege bietet den Gästen neben Aufenthalt, Pflege,
Betreuung und Verpflegung des Weiteren die Möglichkeit der Tagesstrukturierung mit dem Ziel, individuelle Fähigkeiten zu erhalten und den fortschreitenden Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen.
Die Therapieangebote werden individuell auf den einzelnen Klienten und die einzelne Klientin zugeschnitten, was durch das breit gefächerte Angebot gut realisierbar ist. Die individuelle Betreuung der
Betroffenen wird sowohl durch Pflegefachkräfte als auch durch Ergotherapeuten/-innen ermöglicht.
Durch dieses ergotherapeutische Angebot werden vor allem lebenspraktische Fähigkeiten und Fertigkeiten vermittelt und gefördert. Sie dienen der Verbesserung der Lebenssituation, dem Zurechtfinden im
Lebensalltag sowie im sozialen Umfeld.
Für pflegende Angehörige bietet die Gerontopsychiatrische Tagespflege Angehörigennachmittage
als Austauschmöglichkeit in der Einrichtung an.
Derzeit gibt es in Dresden eine Gerontopsychiatrische Tagespflege mit einer Kapazität von 16 Plätzen. Sie ist vor allem deshalb eine Einmaligkeit, weil sie aus einem Modellprojekt entstanden ist und in
Modellfinanzierung durch das Sozialamt bis 2012 weitergeführt wird.
Abb. 13: Krankheitsverteilung in der Gerontopsychiatrischen
Tagespflege Dresden-Prohlis
Schizophrenie
4%
Angstneurose
3%
unbekannte
Diagnose
21%
Krankheitsverteilung in der gerontopsychiatrischen
Tagespflege
Alzheimer
48%
Depression
24%
Quelle: AWO Soziale Dienste gGmbH, Gerontopsychiatrische Tagespflege Dresden-Prohlis
Im Jahr 2011 waren 50 Gäste in der Gerontopsychiatrischen Tagespflege. Die Verweildauer dieser
Klienten/-innen betrug im Durchschnitt 1 Jahr, 5 Monate, 5 Tage. Das Durchschnittsalter betrug 74,4
Jahre.
Aufgrund der wachsenden Nachfrage und der begrenzten Aufnahmemöglichkeiten konnte insbesondere im Jahr 2010 nicht jedem/-r Interessenten/-in die erforderliche Betreuung angeboten werden.
(Vgl. AWO Sachsen 2010)
96
Bewertung des Versorgungsstandes
Die Gerontopsychiatrische Tagespflege schließt eine Versorgungslücke in der therapeutischen Versorgung von Menschen mit einer Demenzerkrankung. Die Angebote sind darauf ausgerichtet, den
Betroffenen möglichst lange ein Leben in dem bisher vertrauten Umfeld der eigenen Wohnung zu
ermöglichen und somit auch die vertrauten sozialen Beziehungen zu erhalten.
Mit der Gerontopsychiatrischen Tagespflege gelingt es, der Vereinsamung und Isolation der Betroffenen entgegenzuwirken, indem diese auf Gleichaltrige treffen. Außerdem gelingt eine Tagesstrukturierung, die dem Betroffenen Stabilität und Sicherheit verschafft. Durch das Annehmen jeder einzelnen
Persönlichkeit mit ihrer speziellen Erkrankung und unter Beachtung der biografischen Erfahrungen, ist
es den Klientinnen und Klienten möglich, das Gefühl der Sicherheit wiederzuerlangen.
Neben der Tagesstrukturierung und den bereits bestehenden Leitlinien des pflegerischtherapeutischen Handelns ermöglicht das systemische Vorgehen innerhalb der Wochenstruktur eine
umfassende und tiefgreifende Aktivierung der vorhandenen Erfahrungen und Erinnerungen der Klienten/-innen. Das methodische Vorgehen kann individuell an jeden Gast angepasst werden, um damit
Ressourcen bestmöglich zu erhalten und zu fördern. Durch Gruppen- und Einzelangebote der Ergotherapie erfahren die Betroffenen individuelle Anregung und Förderung der noch vorhandenen geistigen,
physischen und sozialen Fähigkeiten. Dabei werden ergo-, bewegungs- und musiktherapeutische
Elemente eingesetzt.
Die therapeutischen Angebote dienen der positiven Selbsterfahrung und der Freude am gemeinsamen Tun. Sie setzen sich zusammen aus:








Handlungserfordernisse
Bewegungstherapie und Tanz,
Musiktherapie als emotionaler Ausgleich,
Sozialtherapie mit Anregung zu Gesprächen,
Milieutherapie mit der Gestaltung einer lebendigen und warmen Umgebung,
Biografiearbeit, um individuell auf den Betroffenen eingehen zu können,
Ergotherapie mit dem Training lebenspraktischer Kompetenzen wie Kochen und Backen,
Gedächtnistraining mit dem Ziel der Erhaltung und Belebung kognitiver Fähigkeiten,
Freies Gestalten wie Malen, Arbeiten mit Märchen, Rollenspiel.
Für die Zukunft sind folgende Veränderungen anzustreben:
 bedarfsgerechter Ausbau der Angebote
 für das gesamte Stadtgebiet
 Erweiterung der Öffnungszeiten auf das Wochenende,
 zur Gewährleistung des sachgerechten Umgangs mit Begleiterscheinungen wie Aggressivität
und Weglauftendenzen
 weitere Öffentlichkeitsarbeit zur Sensibilisierung für das Thema / die Krankheit Demenz auf der einen
Seite, und zum anderen Senkung der Hemmschwelle, dieses Angebot wahrzunehmen (bei pflegenden Angehörigen) – die Gerontopsychiatrische Tagespflege als Möglichkeit / Chance für die Angehörigen: „Zeit für sich haben“ zu können, eigenen Interessen nachgehen zu können,
 Weiterbildung der Fachkräfte / Ergotherapie in bewegungs- und musiktherapeutischen Angeboten
usw.
4.3.5.4. Stationäre Pflege und Kurzzeitpflege
Versorgungsstand
Der aktuelle Versorgungsstand wird als gut bewertet. Bewohner/-innen, die gerontopsychiatrisch erkrankt sind, werden fachgerecht versorgt (Erinnerungsarbeit, Orientierungsförderung in Pflege, Umfeld
und Alltag sowie Realitätsorientierungstraining bei Bewohnern/-innen, bei denen dies noch möglich ist).
Seit 01.07.2008 haben stationäre Pflegeeinrichtungen nach § 87b SGB XI Anspruch auf Vereinbarung leistungsgerechter Zuschläge zur Pflegevergütung für die zusätzliche Betreuung und Aktivierung
der pflegebedürftigen Heimbewohner und Heimbewohnerinnen mit erheblichem Bedarf an allgemeiner
97
Beaufsichtigung und Betreuung. Die Leistungserbringung erfolgt über zusätzliches und sozialversicherungspflichtig beschäftigtes Betreuungspersonal mit entsprechender Qualifizierung. Das Einrichtungspersonal wird entsprechend fort- und weitergebildet. Die Cultus gGmbH bietet z. B. Weiterbildungsmöglichkeiten auch zur Nutzung für andere Einrichtungen an.
Präventiv pflegerische Maßnahmen werden dem Krankheitsverlauf angepasst. Entsprechend der
Biografie erkennt man bei vielen Betroffenen ein starkes Interesse an der Gartenarbeit bzw. zur Arbeit
im Freien. Ein Ausbau von entsprechenden Grünanlagen, welche auch im Winter bepflanzt werden
können (z. B. Gewächshäuser), erscheint bei geeigneten Mitteln sinnvoll.
Die ärztliche präventive Versorgung ist teilweise unzureichend (fehlende Medikation bzw.
Polypharmazie, teilweise keine fachärztliche Betreuung vor der Heimaufnahme).
In den Einrichtungen wird durch eine aktivierende und ganzheitliche Pflege die Gesundheit im Rahmen der einzelnen Bewohnermöglichkeiten gefördert. Die Gesundheitsförderung der Mitarbeiterschaft
ist ausbaufähig.
Bewertung des Versorgungsstandes
Es besteht die Hypothese, dass alte Menschen mit demenzieller Erkrankung aufgrund nicht ausreichender Kenntnisse über ambulante und teilstationäre Angebote zu schnell in stationären Pflegeeinrichtungen untergebracht werden. Dies sollte nicht gesellschaftliches Normativ sein.
Mit Fortschreiten der Demenz können die Bewohner/-innen ihre eigenen Defizite nicht mehr bewältigen. Das Personenmanagement muss sich flexibel nach den Krankheitsprozessen richten.
Es ist eine fehlende Aufklärung im familiären Umfeld bezüglich des Krankheitsbildes wahrzunehmen.
Nach wie vor gibt es zeitweise Schwierigkeiten im Umgang mit den an Demenz erkrankten Bewohnern/-innen in den integrativ geführten Wohnbereichen. Die Betreuungsangebote in den Einrichtungen
müssen sich inhaltlich bereits jetzt auf die nachfolgende Bewohnergeneration einstellen. Reine Bastelarbeiten sind dann nicht mehr Abbild mehr der Lebenswelt der zukünftigen Zielgruppe. Es ist eine
Anpassung der Freizeitaktivitäten und der Möglichkeiten der Beschäftigung erforderlich.
Handlungserfordernisse
 bessere Aufklärung über die Möglichkeiten und Grenzen im Vorfeld (Häuslichkeit) und direkt vor
dem Heimeinzug
 somatische und psychiatrische Ausrichtung der Pflege und Betreuung in stationären Einrichtungen
 fortwährende Schulungen für Mitarbeiter/-innen und Angehörige (ggf. Vernetzung der Träger)
 Betreuungs- und Beschäftigungsangebote für Bewohner/-innen mit leichter bis mittlerer Demenz
anpassen
 spezielle Betreuung für Menschen mit psychischer Erkrankung ohne Demenz
 Pflegekassen sollten individualisierte Personaleinsatzkonzepte der Einrichtungen, vor dem Hintergrund des entsprechenden Pflegekonzeptes, finanziell honorieren. So ist eine bessere Personalausstattung möglich.
 Verbesserung der Facharztbetreuung
Besondere Herausforderungen im Bereich der Kurzzeitpflege?
Die Transparenz auf allen Seiten muss im Vorfeld der Aufnahme verbessert werden. Z. B. enthalten
Entlassungsbriefe aus dem Krankenhaus bislang häufig keine für die Kurzzeitpflege wichtige Angaben
oder sie sind pflegefachlich nicht differenziert genug. Hinzu kommen Unklarheiten aufgrund unterschiedlicher Bewertungen der Situation durch die Angehörigen und die Pflegefachkraft.
Auch bei der Kurzzeitpflege können Kriterien wie herausforderndes Verhalten, Aggressivität und
Weglauftendenz eine Aufnahme verhindern. Hier bedarf es spezieller Konzepte und Strategien, um dem
abzuhelfen.
4.4. Neue Bedarfslagen bei Menschen mit gerontopsychiatrischen Erkrankungen
Seit dem letzten Stadtpsychiatrieplan haben sich bei alt gewordenen Menschen mit psychischen Erkrankungen neue Bedarfslagen herauskristallisiert, die künftig in der Einzelfallhilfe und bei der Entwicklung des Versorgungsnetzes zu berücksichtigen sind.
98
4.4.1. Alt gewordene Menschen mit einer psychischen Erkrankung
Bei alt gewordenen Menschen mit einer psychischen Erkrankung wird das Erreichen entsprechender
Hilfen bei zunehmender körperlicher Erkrankung und Immobilität problematisch. Hier erreichen die
Hilfsmöglichkeiten durch die Kommunale Sozialarbeit bzw. Sozialarbeit freier Träger und den Sozialpsychiatrischen Dienst zunehmend Kapazitätsgrenzen.
Oft ist die Behandlung der psychiatrischen Störung durch Hausärzte/-innen nur begrenzt möglich.
Viele Fachärzte und Fachärztinnen behandeln nicht im Hausbesuch.
Einzelfallbezogen werden aktuell, unter Einbeziehung von Ressourcen in den Familien oder im sozialen Umfeld, mit dem SpDi, den BBT-Stellen bzw. Sozialarbeit der Altenhilfe ganz individuelle Behandlungs- und Betreuungssettings entwickelt. Spezifische ambulante Betreuungsangebote sind aktuell
nicht ausreichend.
Bedarf besteht neben der effektiven Diagnostik und Behandlung vor allem an Gesprächen, Aufklärung (Antistigma / Thema Scham), speziellen psychotherapeutischen Angeboten für ältere Menschen
sowie an Weiterbildungen des Hilfenetzes und Aktivierung der Sozialräume.
Eine Verbesserung kann über die Aktivierung der Sozialräume, generationsübergreifende Projekte,
Einbeziehung von Betroffenen o. ä. erreicht werden. Hierbei müssen die Angebote der Seniorenarbeit
und Altenhilfe und des SpDi als Lotsen fungieren. Wichtig sind Angebote zur Selbstwertstabilisierung
durch sinnstiftende Tätigkeit.
Dem Thema Suizidalität im Alter muss durch Sensibilisierung der Akteure und Akteurinnen sowie
Maßnahmen gegen Vereinsamung begegnet werden.
4.4.2. Gerontopsychiatrisch erkrankte Menschen mit Migrationshintergrund
Die Personengruppe der älteren und alten Menschen mit ausländischer Herkunft wurde im „Fachplan
Seniorenarbeit und Altenhilfe“ 2010 beleuchtet. Für diesen Personenkreis mit gerontopsychiatrischen
Erkrankungen gibt es keine Datenlage zu Prävalenz bzw. besonderen Bedarfen.
Migrationsberatungsstellen schätzen ein, dass insbesondere die Anzahl von Einzelfällen alleinstehender, älterer und alter Migranten/-innen, die teilweise deutschsprachliche Defizite aufweisen, zunimmt
und Hilfebedarfe künftig komplexer werden. Anforderungen an eine kultursensible Arbeit sind in besonderem Maße notwendig.
4.4.3. Gerontopsychiatrisch erkrankte Menschen mit Behinderung
Auch der Personenkreis der älteren und alten Menschen mit Behinderung wird im „Fachplan Seniorenarbeit und Altenhilfe“ 2010 beschrieben. Daten zu Prävalenz und Inzidenz gerontopsychiatrischer
Erkrankungen der speziellen Gruppe liegen für Dresden nicht vor.
Die besondere Spezifik der alt gewordenen Menschen mit psychischer Erkrankung, mit geistiger
oder körperlichen Behinderung sowie Menschen mit Behinderungen, die im Alter psychisch erkrankt
sind, ist im Einzelfall zu beachten und in Unterstützungsarrangements mit passgenauen Hilfen zu
berücksichtigen.
Die Praxis reflektiert in diesem Feld noch Entwicklungspotenziale. So ist die Versorgungssituation
der alt gewordenen Bewohnerschaft in sozialtherapeutischen Wohnstätten teilweise nicht bedarfsgerecht.
99
4.5. Umsetzung der Leitlinien
Im Teil A, Kapitel 7, werden die Leitlinien der psychiatrischen Betreuung und Versorgung in Dresden
dargestellt. Der gegenwärtige Stand der konkreten Umsetzung in der Gerontopsychiatrie in der Landeshauptstadt wurde durch die Mitglieder der AG Demenz bewertet. Bei einigen Leitlinien ist die Wahrnehmung der AG-Mitglieder bzw. die der repräsentierten unterschiedlichen Bereiche in Bezug auf die
Umsetzung polarisiert, bei anderen einstimmig. Einstimmig positiv bewertet wurden beispielsweise die
Kooperation verschiedener Bereiche, die Stärkung der Selbstbestimmung und die geschlechterspezifische Differenzierung. Die meisten Differenzen gab es bei der Bewertung zur gesetzlichen Gleichstellung von Menschen mit psychischer Erkrankung mit Menschen mit somatischer Erkrankung sowie zur
möglichst ambulanten Hilfegewährung. Die vollständigen Ergebnisse sind in Anlage 2 dargestellt.
Die Umsetzung der Leitlinien lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Was wurde erreicht?
Generell sind Fortschritte in der Entwicklung der Gerontopsychiatrie in Dresden wahrnehmbar. Defizite werden in der Gleichstellung alter Menschen mit psychischer Erkrankung mit alten Menschen, die
somatisch erkrankt sind, gesehen. Dies spiegelt sich insbesondere durch unzureichende Zugänge zu
Hilfen, begrenzte Teilhabemöglichkeiten und durch die Behandlungsdiskontinuität wider. Geleistete
Hilfen sind in der Regel hoch standardisiert, sollten jedoch präventiver wirken und frühzeitiger einsetzen. Zwangsmaßnahmen werden in zunehmendem Maße vermieden und durch Alternativen, wie z. B.
gezielte Bewegungs- und Beschäftigungsangebote oder Validation, ersetzt.
Wie findet die Versorgung statt?
Eine positive Entwicklung zeichnet sich in der gemeindenahen Versorgung ab, die sich durch sozialräumliche Vernetzung zunehmend zu einem Versorgungssystem entwickelt. Defizite werden insbesondere in der Zusammenarbeit mit Hausärzten/-innen erlebt. Hemmnisse sind vor allem fehlende Regelungen und Verbindlichkeiten auf Systemebene. Sofern im Einzelfall ausreichende ambulante Hilfen
sichergestellt sind, erfolgt in der Regel eine wirksame Verzögerung des Einsatzes stationärer Hilfen.
Niedrigschwellige Zugänge sind durch unzureichende Kenntnisse von Professionellen und Nichtprofessionellen nicht immer gewährleistet.
In der Regel wird in der Gerontopsychiatrie personenzentriert und geschlechterdifferenziert gearbeitet.
Wer ist an der Versorgung beteiligt?
Generell wird die Beteiligung der nicht-psychiatrischen Einrichtungen an der gerontopsychiatrischen
Betreuung und Versorgung als gut eingeschätzt. Hier greifen insbesondere die vernetzten Strukturen
der Seniorenarbeit und Altenhilfe. Der Grad der Selbstbestimmung alter Menschen mit psychischer
Erkrankung kann aufgrund fehlender Daten nicht objektiv eingeschätzt werden. Das Hilfepotential der
Angehörigen wird trotz der hohen Belastung als gut bewertet. Es besteht teilweise mangelnde Aufklärung bei insgesamt verbesserten Informationszugängen.
4.6. Handlungserfordernisse
Gerontopsychiatrische Fälle haben einen komplexen Hilfebedarf, für den unterschiedliche Leistungsträger zuständig sind. Insofern hat sich die Situation seit 2000 nicht geändert.
Die Stärkung der Selbstbestimmung der Menschen mit gerontopsychiatrischer Erkrankung ist ein
zentrales Grundprinzip der Arbeit und Qualitätskriterium. Es leiten sich folgende Handlungserfordernisse ab:
 Erarbeitung von Informationsmaterial und Dokumentationen zur gerontopsychiatrischen Betreuung
und Versorgung für eine zielgruppendifferenzierte Öffentlichkeitsarbeit
 Fortschreibung des Demenz-Wegweisers als Wegweiser für Menschen mit gerontopsychiatrischer
Erkrankung und deren Angehörige
 Schaffung einer Unterarbeitsgruppe Gerontopsychiatrie der PSAG zur Weiterentwicklung und Vernetzung der gerontopsychiatrischen Versorgungsstruktur
100
 finanzielle Förderung und fachliche Begleitung von Selbsthilfeprojekten und bürgerschaftlichem
Engagement, die das Ziel der Verbesserung der Betreuung und Versorgung von Menschen mit gerontopsychiatrischer Erkrankung haben
 Einführung des Regelverfahrens zur Hilfegewährung nach SGB XII für demenziell erkrankte Menschen und Transfer auf alle gerontopsychiatrische Krankheitsbilder
4.6.1. Unterarbeitsgruppe Gerontopsychiatrie
Der Landespsychiatrieplan misst der „Vernetzung der unterschiedlichen Angebotsformen im Bereich der
Gerontopsychiatrie – wie in der Versorgung psychisch Kranker generell“ eine besondere Bedeutung zu.
(LPP 2011: 81)
Dabei sollen keine neuen „Monostrukturen“ geschaffen werden, sondern diese gerontopsychiatrischen Angebote im geriatrischen Versorgungsnetzwerk eingebunden sein.
Der Deutsche Verein nimmt in seiner Stellungnahme zur Unterstützung und Betreuung von Menschen mit demenzieller Erkrankung vor Ort den Netzwerkgedanken auch auf, ist in seinen Ausführungen aber sehr pflege- und demenzlastig und berücksichtigt weniger das ganze Spektrum der Gerontopsychiatrie.
Gerontopsychiatrie umfasst sowohl demenzielle Erkrankungen als auch psychische Erkrankungen
im Alter sowie alt gewordenen Menschen mit einer psychiatrischen Erkrankung.
Der Hilfebedarf der Betroffenen beruht auf einer psychischen Erkrankung. Zusätzlich sind die geriatrischen Phänomene bedeutsam, Strukturen der Altenhilfe und der medizinischen geriatrischen Versorgung und Pflege sind eng zu verbinden.
Nach SächsPsychKG § 7 Abs. 1 ist die PSAG als beratendes Gremium in den Fragen der psychiatrischen Versorgung einzurichten. Bereits heute arbeiten in der PSAG auch Vertreter und Vertreterinnen
aus dem Bereich der Gerontopsychiatrie mit.
In Zukunft sollen die vorhandenen Strukturen der PSAG genutzt und eine ständige Unterarbeitsgruppe (UAG) „Gerontopsychiatrie“ eingerichtet werden, in der die Akteure und Akteurinnen im Bereich
Gerontopsychiatrie zusammenarbeiten und sich enger vernetzen. Hierbei ist es Aufgabe der PSAG,
konkrete zu bearbeitende Aufgaben zu benennen.
Diese UAG kann sowohl in der PSAG als auch im Bereich der Altenhilfestrukturen Themen der gerontopsychiatrischen Versorgung einsteuern.
In der UAG sollten Vertreter/-innen des Altenhilfesystems des Sozialamtes, der Sozialplanung, der
medizinischen Bereiche (Kliniken, Rehabilitationseinrichtungen, Haus- und möglichst Fachärzte/-innen),
der Pflege, der BBT-Stellen, des SpDi, der Angehörigen- und Betroffenenvertretungen, Gesundheitsförderung/WHO und der Leistungsträger beteiligt sein. Hier können die gewünschten und erforderlichen
Standards und Qualitätsimpulse für die gerontopsychiatrische Versorgung erarbeitet werden. Über die
PSAG ist die Verbindung zu den übrigen psychiatrischen Strukturen, die immer auch die Versorgung
älterer psychisch kranker Menschen mit leisten werden, gewährleistet.
Wichtig wäre eine der PSAG ähnliche Struktur der Altenhilfe, in die aus der UAG die speziellen gerontopsychiatrischen Belange und Vorschläge eingebracht werden und durch die, die lokal bzw. sozialräumlich arbeitenden Netzwerke gesteuert werden.
4.7. Autorenverzeichnis
Mathias Aegerter, Landeshauptstadt Dresden, Sozialamt
Matthias Beine, Cultus gGmbH
Michaela Bergholz, Dresdner Pflege- und Betreuungsverein e. V.
Dr. Susanne Cordts, Landeshauptstadt Dresden, Sozialamt
Dr. Franziska Darmstadt, Landeshauptstadt Dresden, Gesundheitsamt
Christiane Dumke, Evangelische Hochschule für Soziale Arbeit, Dresden
101
Prof. Dr. med. Vjera Holthoff, Universitätsklinikum Dresden
Annett Lohse, Landeshauptstadt Dresden, Sozialamt
Rita Schawohl, AWO Sachsen Soziale Dienste gemeinnützige GmbH
Andrea Steuerlein, Landeshauptstadt Dresden, Sozialamt
Martina Wallmann, AWO Sachsen Soziale Dienste gemeinnützige GmbH
102
4.8. Eine Auswahl wichtiger Adressen
Die Angebote für Senioren/-innen, Menschen mit gerontopsychiatrischen Erkrankungen und ihre Angehörigen werden durch das Sozialamt der Landeshauptstadt Dresden regelmäßig als Wegweiser veröffentlicht:
 Herbstzeit – Ein Wegweiser für Seniorinnen, Senioren und deren Angehörige, 7. aktualisierte
Auflage, Januar 2012
 Diagnose Demenz – Ein Wegweiser für Erkrankte und ihre Angehörigen, 2. aktualisierte Auflage,
Januar 2010
4.8.1. Beratungsstellen für Seniorinnen, Senioren und deren Angehörige
Sozialer Dienst für Seniorinnen, Senioren und
deren Angehörige
Altstadt
Sachgebietsleitung
Sitz: Junghansstraße 2, 01277 Dresden, Zimmer 133
Ansprechpartnerin: Andrea Steuerlein
Telefon: (03 51) 4 88 48 75
E-Mail: [email protected]
Internet: www.dresden.de/senioren
Sozialer Dienst für Seniorinnen, Senioren und deren Angehörige
Sitz: Theaterstraße 11 – 13, 01067 Dresden
Ansprechpartnerin/Ansprechpartner:
Steffi Böhme
Telefon: (03 51) 4 88 60 92
E-Mail: [email protected]
Oliver Drillisch
Telefon: (03 51) 4 88 60 95
E-Mail: [email protected]
Caritas Seniorenberatung
Träger: Caritasverband für Dresden e. V.
Sitz: Am See 11, 01067 Dresden
Ansprechpartnerinnen: : Ulrike Duschek, Dagmar Lehmann
Telefon: (03 51) 4 96 21 78
Internet: www.caritas-dresden.de
Begegnungszentrum Johann
Träger: DRK Kreisverband Dresden e. V.
Sitz: Striesener Straße 39, 01307 Dresden
Ansprechpartnerin: Claudia Görlach
Telefon: (03 51) 4 46 76 23
Internet: www.drk-dresden.de
Neustadt
Sozialer Dienst für Seniorinnen, Senioren und deren Angehörige
Sitz: Hoyerswerdaer Straße 3, 01099 Dresden
Ansprechpartnerin: Gudrun Kabisch
Telefon: (03 51) 4 88 66 89
E-Mail: [email protected]
103
Beratungsstelle für Senioren und deren Angehörige
Träger: Diakonisches Werk – Stadtmission Dresden e. V.
Sitz: Glacisstraße 44, 01099 Dresden
Ansprechpartnerin: Angelika Fohry
Telefon: (03 51) 8 17 23 21
Internet: www.diakonie-dresden.de
Pieschen
Sozialer Dienst für Seniorinnen, Senioren und deren Angehörige
Sitz: Bürgerstraße 63, 01127 Dresden
Ansprechpartnerin: Ingrid Arnold
Telefon: (03 51) 4 88 55 19
E-Mail: [email protected]
Seniorenbegegnungsstätte Trachenberge
Träger: Volkssolidarität Dresden e. V.
Sitz: Trachenberger Straße 6, 01129 Dresden
Ansprechpartnerinnen: Birgit Claus
Telefon: (03 51) 5 01 04 25
Internet: www.volkssoli-dresden.de
Seniorenzentrum Impuls
Träger: DRK-Kreisverband Dresden e. V.
Sitz: Bürgerstraße 6, 01127 Dresden
Ansprechpartnerin: Adrienne Höfgen
Telefon: (03 51) 84 72 26 78
Internet: www.drk-dresden.de
Klotzsche, Weixdorf, Langebrück und
Schönborn
Sozialer Dienst für Seniorinnen, Senioren und deren Angehörige
Sitz: Kieler Straße 52, 01109 Dresden
Ansprechpartnerin: Dagmar Hoffmann
Telefon: (03 51) 4 88 65 53
E-Mail: [email protected]
Beratungsstelle für Senioren und deren Angehörige
Träger: Diakonisches Werk – Stadtmission Dresden e. V.
Sitz: Königsbrücker Landstraße 6, 01109 Dresden
Ansprechpartnerin: Helga Laskowski
Telefon: (03 51) 8 80 42 87
Internet: www.diakonie-dresden.de
Seniorenbegegnungsstätte Klotzsche
Träger: Volkssolidarität Dresden e. V.
Sitz: Sagarder Weg 5, 01109 Dresden
Ansprechpartner: Frank Dzingel
Telefon: (03 51) 8 80 63 45
Internet: www.volkssoli-dresden.de
104
Loschwitz und Schönfeld-Weißig
Sozialer Dienst für Seniorinnen, Senioren und deren Angehörige
Sitz: Grundstraße 3, 01326 Dresden
Ansprechpartnerin: Heike Winkler
Telefon: (03 51) 4 88 85 54
E-Mail: [email protected]
Seniorenbegegnungsstätte Bülowh
Träger: Ökumenische Diakonie – Sozialstation Dresden Bülowh e. V.
Sitz: Pillnitzer Landstraße 12, 01326 Dresden
Ansprechpartnerinnen: Anja Klemm, Karolin Göhl
Telefon: (03 51) 2 68 89 88
Internet: www.buelowh.de
Blasewitz
Sozialer Dienst für Seniorinnen, Senioren und deren Angehörige
Sitz: Naumannstraße 5, 01309 Dresden
Ansprechpartnerinnen: Margit Woyack
Telefon: (03 51) 4 88 86 14
E-Mail: [email protected]
Seniorenbegegnungsstätte
Träger: Ökumenische Seniorenhilfe Dresden e.V.
Sitz: Wittenberger Straße 83, 01277 Dresden
Ansprechpartnerin: Steffi Möhle
Telefon: (03 51) 3 40 08 76
Internet: www.seniorenhilfe-dresden.de
Leuben
Sozialer Dienst für Seniorinnen, Senioren und deren Angehörige
Sitz: Hertzstraße 23, 01257 Dresden
Ansprechpartnerinnen:
Astrid Michalk
Telefon: (03 51) 4 88 81 44
E-Mail: [email protected]
Claudia Schneider
Telefon: (03 51) 4 88 81 45
E-Mail: [email protected]
Seniorenbegegnungsstätte Laubegast
Träger: Volkssolidarität Dresden e. V.
Sitz: Laubegaster Ufer 22, 01279 Dresden
Ansprechpartnerinnen/Ansprechpartner: Gabriele Heyne, Anita Köhler,
Telefon: (03 51) 5 01 05 25
Internet: www.volkssoli-dresden.de
105
Prohlis
Sozialer Dienst für Seniorinnen, Senioren und deren Angehörige
Sitz: Prohliser Allee 10, 01239 Dresden
Ansprechpartnerin: Matthias Aegerter
Telefon: (03 51) 4 88 83 68
E-Mail: [email protected]
Beratungsstelle für Senioren und Angehörige
Träger: AWO Sachsen Soziale Dienste gGmbH
Sitz: Herzberger Straße 2 - 4, 01239 Dresden
Ansprechpartnerinnen: Martina Wallmann, Maria Schellenberger
Telefon: (03 51) 2 89 16 13
Internet: www.awo-in-sachsen.de
Seniorenbegegnungsstätte Dresden-Prohlis
Träger: AWO Sachsen Soziale Dienste gGmbH
Sitz: Prohliser Allee 31, 01239 Dresden
Ansprechpartnerin: Kathleen Steglich
Telefon: (03 51) 3 23 05 60
Internet: www.awo-in-sachsen.de
Plauen
Sozialer Dienst für Seniorinnen, Senioren und deren Angehörige
Sitz: Nöthnitzer Straße 2, 01187 Dresden
Ansprechpartnerin: Christine Franke
Telefon: (03 51) 4 88 69 09
E-Mail: [email protected]
Seniorenbegegnungsstätte „Nürnberger Ei“
Träger: Volkssolidarität Dresden e. V.
Sitz: Nürnberger Straße 45, 01187 Dresden
Ansprechpartnerinnen: Gisela Konschake, Ulrike Haußwald
Telefon: (03 51) 4 71 93 66
Internet: www.volkssoli-dresden.de
Cotta, Cossebaude, Oberwartha, Altfranken,
Gombitz und Mobschatz
Sozialer Dienst für Seniorinnen, Senioren und deren Angehörige (Cotta)
Sitz: Lübecker Straße 121, 01157 Dresden
Ansprechpartnerinnen:
Birgit Wagner
Telefon: (03 51) 4 88 57 09
E-Mail: [email protected]
Margitta Ullrich
Telefon: (03 51) 4 88 57 18
E-Mail: [email protected]
Sozialer Dienst für Seniorinnen, Senioren und deren Angehörige (Gorbitz)
Sitz: Leutewitzer Ring 7, 01169 Dresden
Ansprechpartnerin: Carmen Michler
Telefon: (03 51) 79 66 57 14
E-Mail: [email protected]
106
Seniorenberatungsstelle
Träger: Dresdner Pflege- und Betreuungsverein e. V.
Sitz: Amalie-Dietrich-Platz 3, 01169 Dresden
Ansprechpartnerinnen: Manuela Dinger, Iris Haubold
Telefon: (03 51) 4 10 89 43
Internet: www.ambulantes-pflegezentrum.de
Seniorenbegegnungsstätte Dresden-Löbtau
Träger: AWO Sachsen Soziale Dienste gGmbH
Sitz: Hainsberger Straße 2, 01159 Dresden
Ansprechpartnerin: Petra Höhle
Telefon: (03 51) 4 13 54 71
Internet: www.awo-in-sachsen.de
Soziale Beratungsstelle/Seniorenberatungsstelle (Cossebaude)
Träger: ASB Dresden und Kamenz gGmbH
Sitz: Dresdner Straße 3, 01156 Dresden
Ansprechpartnerin: Hannelore Seltmann
Telefon: (03 51) 4 18 22 18
Internet: www.asb-dresden-kamenz.de
4.8.2. Beratungsangebote für Seniorinnen und Senioren mit gerontopsychiatrischen und
psychiatrischen Erkrankungen
Neustadt
Psychosoziale Kontakt- und Beratungsstelle
Beratungsangebot für Menschen mit einer psychischen Erkrankung und deren Angehörige. Für eine
Beratung bitte telefonisch einen Beratungstermin vereinbaren.
Träger: Diakonisches Werk – Stadtmission Dresden e. V.
Sitz: Alaunstraße 84, 01099 Dresden
Telefon: (03 51) 8 04 66 06
Internet: www.diakonie-dresden.de
Blasewitz
Psychosoziale Kontakt- und Beratungsstelle
Beratungs- und Begegnungsangebot sowie Gruppenangebote für Menschen mit einer psychischen
Erkrankung, deren Angehörige und weitere Bezugspersonen.
 Vermittlung zu spezifischen Fachdiensten bzw. weiterführenden Hilfsangeboten
Träger: Psychosozialer Trägerverein Sachsen e. V.
Sitz: Naumannstraße 3a, 01309 Dresden
Telefon: (03 51) 65 69 00 86
Internet: www.ptv-sachsen.de
Sozialamt Dresden - Pflegeleistungen
Sitz: Junghansstraße 2, 01277 Dresden
Telefon: (03 51) 4 88 48 39
Prohlis
BBT-Stelle
Träger: AWO Sachsen Soziale Dienste gGmbH
Sitz: Herzberger Straße 2 - 4, 01239 Dresden
Telefon: (03 51) 2 89 16 15
Internet: www.awo-in-sachsen.de
107
Psychosoziale Kontakt- und Beratungsstelle
 Beratung und Begegnung für psychisch kranke Menschen sowie deren Angehörige und Bezugspersonen
 Beratung bei sozialen und sozialrechtlichen Problemen
 Vermittlung von Hilfsangeboten u. a.
Träger: AWO SONNENSTEIN gGmbH
Sitz: Herzberger Straße 24/26, 01239 Dresden
Telefon: (03 51) 2 88 19 82
Internet: www.awo-sonnenstein.de
Plauen
Cotta, Cossebaude, Oberwartha, Altfranken,
Gompitz und Mobschatz
Psychosoziale Kontakt- und Beratungsstelle
 Beratung und Begleitung, Wohnformen, Tagesstruktur
 aktive Freizeitgestaltung (Ausflüge, sportliche Aktivitäten), gemeinsame Gestaltung von Festen und
Feiern
 Gemeinschaft erleben mit und ohne Krankheit
 kreative Kurse und Veranstaltungen
 Hilfe und Unterstützung bei amtlichen Angelegenheiten
 Einzel- und Familienberatung, psychosoziale Beratung und Gespräche
Träger: GESOP gemeinnützige GmbH
Sitz: Michelangelostraße 11, 01217 Dresden
Telefon: (03 51) 43 70 82 20
Internet: www.gesop-dresden.de
BBT-Stelle
Träger: Dresdner Pflege- und Betreuungsverein e. V.
Sitz: Amalie-Dietrich-Platz 3, 01169 Dresden
Telefon: (03 51) 4 16 60 25
Internet: www.ambulantes-pflegezentrum.de
Psychosoziale Kontakt- und Beratungsstelle
 Beratung und Begegnung für chronisch psychisch kranke Menschen und Menschen in Krisensituationen sowie deren Angehörige und Bezugspersonen
 verschiedene Einzel- und Gruppenangebote zur Tagesgestaltung und Aktivierung, z. B. Kochgruppe, Spiel-Runde, Kegeln, Bowling
Träger: Dresdner Pflege- und Betreuungsverein e. V.
Sitz: Amalie-Dietrich-Platz 3, 01169 Dresden
Telefon: (03 51) 4 16 60 40
Internet: www.ambulantes-pflegezentrum.de
108
4.9. Anlage zur Statistik der BBT-Stellen in der Landeshauptstadt Dresden (Anlage 1)
Es gibt keine vom Leistungsträger vorgegebene Statistikerfassung. Eine Vergleichbarkeit der Daten ist
aus diesem Grunde nicht möglich.
Statistik der BBT-Stelle der AWO Soziale Dienste gGmbH in Dresden Prohlis
2008
2009
2010
Hausbesuche
766
802
536
Beratungen in der Beratungsstelle
425
398
389
telefonische Beratungen
1.616
1.737
1.123
Kontakte zu anderen Einrichtungen
164
133
258
Gremienarbeit
43
43
43
Organisation/Dienstberatungen/Fallbesprechungen
12
12
49
Tab. 14: Statistik der BBT-Stelle der AWO Soziale Dienste gGmbH in Dresden Prohlis
Statistik der BBT-Stelle des Dresdner Pflege- und Betreuungsvereins e. V. in Dresden Gorbitz
2008
2009
2010
Hausbesuche
Klientenberatung in der Einrichtung*
631
nicht erfasst
530
36
583
29
Angehörigen-/Betreuerberatung*
Klientenzahlen Einzelbetreuung**
94
33
56
42
47
33
Klientenzahlen Gruppenbetreuung***
im Vorfeld abgesagte Hausbesuche
30
nicht erfasst
36
81
32
47
Zutritt zur Wohnung verweigert
nicht erfasst
15
17
Tab. 15: Statistik der BBT-Stelle des Dresdner Pflege- und Betreuungsvereins e.V. in Dresden Gorbitz
* Beratungsgespräche Ø 1 – 1,5 h mit vorheriger Anmeldung
** Betreuungsintensität und Zeiten in Einzelbetreuung sehr unterschiedlich;
1 x monatlich bis zu 2 x wöchentlich; 30 min – 3 h je nach Beratungs- und
Betreuungsinhalt; zusätzlich Wegezeit 15 min – 60 min
*** 3 Gruppenangebote wöchentlich (Begegnungsnachmittag, Spielenachmittag, Gedächtnistraining); individuelle
Gespräche nach Bedarf erfolgen im Rahmen der Angebote
2010
Krankheitsverteilung in den Gruppenangeboten
Schizophrenie
6%
unbekannt
13%
Demenz
25%
Depression
56%
Abb. 14: Krankheitsverteilung der Klienten in den Gruppenangeboten der BBT-Stelle im Jahr 2010 (gesamt 32 Klienten)
109
4.10. Ergebnisse der Bewertung des Standes der Gerontopsychiatrie in der Landeshauptstadt
Dresden durch die Mitglieder der AG Demenz (Anlage 2)
Der gegenwärtige Stand der Gerontopsychiatrie in der Landeshauptstadt Dresden wurde durch die
Mitglieder der AG Demenz entsprechend den Leitlinien des Entwurfes des Landespsychiatrieplanes
bewertet (Stand 16. Mai 2011). Die Bewertung erfolgte mittels Punkten der
 3 am besten umgesetzten Grundsätze,
 3 mit dem größten Handlungsbedarf,
 3 Grundsätze, "über die man nicht reden muss, weil sie gut umgesetzt sind".
Mehrfachnennungen waren möglich. Bei einigen Leitlinien ist die Wahrnehmung der AG-Mitglieder in
Bezug auf die Umsetzung polarisiert, bei anderen einstimmig.
Was wurde erreicht?
Grundsatz 1: gesetzliche Gleichstellung psychisch erkrankter Menschen mit somatisch
erkrankten Menschen
 Stand:
 sehr unterschiedliche Wahrnehmung durch die Mitglieder der AG Demenz bzw. durch die repräsentierten unterschiedlichen Bereiche: von sehr gut (Pflege) über gut (Ärzte) bis zu große Defizite (Seniorenarbeit/Altenhilfe, Alzheimer Gesellschaft Dresden e. V.)
 gesetzliche Gleichstellung vorhanden bei unzureichender Umsetzung in der Praxis
 Zugang zur Gerontopsychiatrie aus zwei Säulen (1. alt gewordene psychisch erkrankte Menschen;
2. im Alter psychisch erkrankte Menschen)
 Teilhabe teilweise nicht gewährleistet
 derzeit Erstellung einer EU-Studie unter Beteiligung des Universitätsklinikums, deren Ergebnisse
nach Vorlage für Dresden nutzbar sind
 Handlungserfordernisse:
 verbesserte Öffentlichkeitsarbeit mit dem Ziel der Information und der Akzeptanz
 Teilhabe sicherstellen
 Umsetzung des Grundsatzes ambulant vor stationär, insbesondere auch im leistungsrechtlichen
Hinblick
Grundsatz 7: Behandlungskontinuität
 Stand:
 einheitliche Einschätzung der AG Demenz: Umsetzung in allen Bereichen noch ungenügend
 einstimmige Wahrnehmung hoher Verantwortung der Ärzte, die zum Teil nicht wahrgenommen wird
 mangelnde Prävention
 unzureichende Fallsteuerung
 teilweise personelle Diskontinuität der Betreuungspersonen, vor allem im Bereich Pflege
 zu schnelle Aufnahme in eine stationäre Pflegeeinrichtung
 Handlungserfordernisse:
 Identifikation eines sehr hohen Handlungsbedarfes, insbesondere auch im medizinischen und
pflegerischen Bereich
 Sicherstellung von frühzeitiger Prävention
 Übergänge personenzentriert gestalten (Überleitungsmanagement)
 Sicherstellung der Fallsteuerung (z. B. über Hausärzte und Team)
 frühzeitige Konfrontation mit Behandlungskontinuität
 Schulung von Angehörigen, Hausärzten u. a. (nicht durch Pflegeberatung)
 Umsetzung des sozialraumorientierten Ansatzes der Arbeit
Grundsatz 10: hoher Standard der Hilfen
 Stand:
 mehrheitliche Einschätzung der AG Demenz: Umsetzung insbesondere im Bereich der Pflege noch
nicht zufriedenstellend
 hohe Standards vorhanden
 Handlungserfordernisse:
110
 Stärkung der Prävention
 Sicherstellung frühzeitiger Hilfen und Behandlungskontinuität
Wie findet die Versorgung statt?
Grundsatz 11: Vermeidung von Zwangsmaßnahmen
 Stand:
 kaum Differenzstandpunkte bei der Bewertung innerhalb der AG Demenz
 größter Fortschritt im Vergleich mit dem Stand zur Zeit der Wende
 Anwendung aus der Sicht der Seniorenarbeit und Altenhilfe relativ wenig; sofern notwendig, sehr
konsequent
 positiver Effekt/Erfolg von Weiterbildungen
 Alternativen werden geprüft
 richterliche Prüfung als gut wahrgenommen
 Handlungserfordernisse:
 Erfolg sicherstellen durch kontinuierliche Weiterbildungen
Grundsatz 2: gemeindenahe Versorgung
 Stand:
 überwiegend einheitliche positive Bewertung
 vom Grunde her sehr gutes Versorgungssystem bzw. -strukturen
 regionale Anlaufstellen, insbesondere Verteilung der BBT-Stellen, zu gering
 Handlungserfordernisse:
 Entwicklung flächendeckender gerontopsychiatrischer Angebote, die eine bedarfsgerechte Betreuung und Versorgung im Einzelfall gewährleistet
 Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit
Grundsatz 3: möglichst ambulante Hilfegewährung
 Stand:
 polarisierte Einschätzung einerseits der einzelnen Bereiche und andererseits auch innerhalb der
einzelnen Bereiche
 aus insbesondere medizinischer Sicht: Möglichkeiten unzureichend
 (z. B. notwendige hochfrequente Konsultation/Behandlung nicht möglich); oft zu später Behandlungsbeginn (Folge: Heimaufnahme)
 sofern ausreichende ambulante Hilfen im Einzelfall sichergestellt sind, erfolgt wirksame Verzögerung des Einsatzes von stationären Hilfen bzw. verzögerte Heimaufnahme
 teilweise fehlende Informationen über Hilfen/Angebote
 Handlungserfordernisse:
 Fortbildung für Ärzte (gerontopsychiatrische Inhalte und Informationen zu Komplementärleistungen)
 Weiterbildungsangebote für Angehörige
 Schulung der öffentlichen Einrichtungen sowie der Öffentlichkeit
Grundsatz 4: niedrigschwelliger Versorgungszugang
 Stand:
 differenzierte Einschätzung: gut (Zugang vorhanden) bis schlecht (Umsetzung);
 niedrigschwellige Zugänge vorhanden; oft zu späte Nutzung
 gute Wirkung des Demenz-Wegweisers wahrnehmbar
 dennoch teilweise fehlendes Wissen bezüglich Hilfen und Angeboten bei Professionellen und Nichtprofessionellen
 Handlungserfordernisse:
 Fortbildung für Ärzte (gerontopsychiatrische Inhalte und Informationen zu Komplementärleistungen)
 Schulung, Information, Aufklärung der Angehörigen
 Schulung der öffentlichen Einrichtungen sowie der Öffentlichkeit
 Gestaltung der Schnittstellen in der Öffentlichkeitsarbeit der Seniorenarbeit/Altenhilfe und der Gerontopsychiatrie
111
Grundsatz 5: personenzentriertes Versorgungssystem
 Stand:
 differenzierte Einschätzung der einzelnen Bereiche (medizinisch: guter Stand; sozialpädagogisch:
sehr gut; pflegerisch: Defizite)
 weitgehend umgesetzt
 im Bereich Pflege fehlt teilweise Personenzentriertheit als Qualitätsstandard
 Handlungserfordernisse:
 Verbesserung der Rahmenbedingungen für personenzentrierte Hilfen
 nachhaltige Sicherstellung der Personenzentriertheit
 Einführung von Case Management
 Teilhabe aller Prozessbeteiligten an der Hilfeplanung
Grundsatz 6: Kooperation verschiedener Bereiche
 Stand:
 einstimmige Wahrnehmung von Defiziten
 gute Kooperation wahrnehmbar, mit Ausnahme zu Hausärzten, obgleich ihnen eine Schlüsselfunktion bei Versorgung und Betreuung zukommt
 Kooperation im Einzelfall meist sehr gut
 fehlende Regelungen und Verbindlichkeiten auf Systemebene
 Handlungserfordernisse:
 Stärkung der Rolle des Hausarztes durch nachhaltige Umsetzung des Hausarztprinzips (Hausarzt
als Koordinator des Prozesses)
 Herstellung von Verbindlichkeiten auf Systemebene
 weitere Umsetzung des Konzeptes der sozialraumorientierten Seniorenarbeit und Altenhilfe
Grundsatz 12: geschlechterspezifische Differenzierung
 Stand:
 Wahrnehmung von keinen bis kaum Defiziten
 hinreichend geschlechterspezifisch differenziert
 Handlungserfordernisse:
 derzeit keine
Grundsatz 13: Planung und Steuerung in regionaler Verantwortung
 Stand:
 einstimmig positive Wahrnehmung, insbesondere im medizinischen und sozialpädagogischen Bereich
 Sozialraumansatz als sehr gut eingeschätzt
 Kooperation als Basis für Erfolg noch nicht optimal entwickelt
 Handlungserfordernisse:
 Entwicklung verbindlicher Kooperation
Wer ist an der Versorgung beteiligt?
Grundsatz 8: Stärkung der Selbstbestimmung
 Stand:
 keine Differenzstandpunkte
 guter Stand (Betroffene waren nicht anwesend!)
 Handlungserfordernisse:
 keine identifiziert
Grundsatz 9: Hilfepotenzial der Angehörigen
 Stand:
 überwiegend einstimmige Einschätzung eines guten Standes; Dissonanz im medizinischen Bereich
 unterschiedliche Kompetenz der Angehörigen
 teilweise mangelnde Aufklärung bei insgesamt verbesserten Informationszugängen
 teilweise Überforderung der Angehörigen (u. a. auch eigene Fehlwahrnehmung),
 gute Beratungsangebote und Angehörigengruppen
 Handlungserfordernisse:
112




Sicherstellung von Aufklärung Angehöriger zum entsprechenden Krankheitsbild
gezielte Öffentlichkeitsarbeit, weitere Verbesserung der Informationszugänge
Unterstützungsangebote und Ermöglichung des Zugangs
Einbeziehung der Angehörigen in Hilfeplanung
 Die Beteiligung der nicht-psychiatrischen Einrichtungen wird als gut eingeschätzt. Hier greifen
insbesondere die vernetzten Strukturen der Seniorenarbeit und Altenhilfe.
4.11. Literaturverzeichnis
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114
5. Menschen mit einer
Suchterkrankung
5.1. Vorbemerkungen
Missbrauch und Abhängigkeit von Nikotin, Alkohol, Medikamenten, illegalen Drogen und pathologischem Glücksspiel stellen in Deutschland soziale und gesundheitliche Probleme ersten Ranges dar.
Die nachfolgende Abbildung gibt einen Überblick über den beachtlichen Umfang von Suchtproblemen.
Alkoholabhängigkeit
Alkoholmissbrauch
Abhängigkeit von illegalen Drogen
Medikamentenabhängigkeit
Pathologisches Spielverhalten (Glücksspiel)
Deutschland
Sachsen
(Hochrechnung - Bevölkerungsanteil
5,2%)
1,3 Mio.
2,0 Mio.
65.000
103.000
400.000
(Vgl. Küfner 2010)
37.000
1,4. Mio.
70.000
100.000-300.000
5.000-15.000
Tab. 16: Daten zur Prävalenz ausgewählter Suchtprobleme in Deutschland und Sachsen
Quelle: DHS 2010
Zur Erklärung der Entstehung von Abhängigkeitserkrankungen wird von einem multifaktoriellen Bedingungsgefüge ausgegangen. Danach gibt es für die Entstehung einer Abhängigkeitserkrankung nicht
nur eine Ursache, sondern mehrdimensionale Einflussfaktoren ausgehend:
 vom Suchtmittel
 der Person und
 vom sozialen Umfeld.
So vielfältig die Ursachen einer Suchterkrankung und die mit diesem Krankheitsbild verbundenen
komplexen Problemlagen sind, so individuell ist letztlich der Hilfebedarf für jeden Einzelnen. Dies erfordert ebenso differenzierte wie vernetzte Angebote auf den Ebenen




Prävention
Beratung, Behandlung und Rehabilitation
Überlebenshilfe, Schadensreduzierung und
Repression.
Auf diese Ebenen stützt sich auch der 1. Sächsische Drogen- und Suchtbericht mit dem Ziel, „das
Netz an Angeboten zur Beratung, Intervention sowie Überlebens- und Ausstiegshilfen zu sichern und
um zielgruppenspezifische Angebote zu erweitern“ (SMS 2009: 13).
115
Die Erarbeitung des Kapitels “Menschen mit einer Suchterkrankung“ im vorliegenden Stadtpsychiatrieplan soll ebenfalls dazu beitragen, dieses Ziel zu verfolgen. Durch die Beschreibung der vorhandenen Versorgungsstruktur wird auf Standards aber auch auf Bedarfe und Defizite in der Stadt Dresden
aufmerksam gemacht. Im Sinne einer effektiven und vor allem auch nachhaltig wirksamen Gesamtstrategie zur Drogen- und Suchtbekämpfung in der Stadt Dresden werden Handlungsempfehlungen formuliert, die helfen sollen, das Versorgungsnetz weiter zu festigen und zu verbessern.
Eine ausführliche Zusammenstellung der Kontaktdaten zu den beschriebenen Angeboten und Einrichtungen enthält die Anlage 1.
5.2. Handlungsfeld Suchtprävention
Beschreibung
Suchtprävention umfasst alle Maßnahmen, die vor der vollen Ausprägung einer Suchterkrankung
einsetzen. Eine umfassende Prävention beinhaltet nach Gordon (1983) drei Ansatzpunkte (Vgl. Gordon
1983):
 universelle Prävention: massenkommunikative Maßnahmen zur Information, Aufklärung und
Motivierung der Allgemeinbevölkerung oder spezifischer Teilgruppen
 selektive Prävention: Maßnahmen für Personengruppen mit spezifischen Risikomerkmalen mit
dem Ziel, riskanten Suchtmittelkonsum zu verhindern
 indizierte Prävention: Maßnahmen, die sich an Personen richten, die bereits ein manifestes Risikoverhalten aufweisen und einem erhöhten Suchtrisiko ausgesetzt sind
Zielgruppe
Ziele
Leistungen
 Kinder, Jugendliche und Erwachsene
 Multiplikatoren (Erzieher/-innen, Lehrer/-innen, Schulsozialarbeiter/-innen, Eltern, Peers, Mitarbeiter/-innen der Kinder- und Jugendhilfe sowie andere Bereiche)
 Institutionen, Einrichtungen und Betriebe
 Schaffung eines Problembewusstseins und Interesses an Themen der Gesundheitserziehung und förderung
 Stärkung der individuellen Kompetenzen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, positive
Beeinflussung der Lebenszusammenhänge Erwachsener (z. B. im Rahmen betrieblicher Suchtprävention)
 Früherkennung und Verhütung von Gefährdungen
 Fort- und Weiterbildung von Multiplikatoren
 Weitergabe und Bereitstellung von aktuellem Informationswissen und -material
 Vernetzung und Kooperation
Suchtprävention arbeitet zielorientiert und zielgruppenspezifisch. Bei der Definition der Ziele und der
Wahl geeigneter Maßnahmen zu deren Erreichung müssen daher die Situation und die Bedürfnisse der
jeweiligen Zielgruppe sehr genau berücksichtigt werden. In der Stadt Dresden werden folgende Maßnahmen angeboten:
 Einzelveranstaltungen:
- Vorträge, Elternabende, Aktionen, Seminare
 Projektangebote:
- Lebenskompetenzprogramme in Kindertagesstätten und Schulen, Maßnahmen zum präventiven
Kinderschutz, das Projekt „HaLT – Hart am LimiT“, Aktionswochen, „Klasse 2000“, „Peer-Projekt
zur Punktnüchternheit im Straßenverkehr“, indizierte Präventionsangebote in Kliniken u. a.
 Schulung und Beratung von Multiplikatoren:
- v. a. durch die ansässigen Suchtberatungs- und Behandlungsstellen, die Fachstelle für Suchtprävention im Direktionsbezirk Dresden sowie die Sächsische Bildungsagentur
 Beratung von Bezugspersonen und Angehörigen
 Präventionsberatung von Organisationen, Institutionen und Betrieben
 Erstellung und Bereitstellung von Informationsmaterial
 Koordination und Kooperation:
116
- Aufbau von Kooperationsbeziehungen und Abstimmung der suchtpräventiven Arbeit im Arbeitskreis „Suchtprävention Dresden“
117
5.2.1. Bewertung des Versorgungsstandes und Handlungsempfehlungen
Grundprinzip
Bewertung des Versorgungsstandes
Handlungsempfehlungen
1
Gleichstellung psychisch und somatisch erkrankter Menschen
 Finanzierung der Präventionsmaßnahmen über Gesetzliche Krankenversicherungen (GKV) unter-
 zentral über die Kommune zu steuern
2
3
gemeindenahe Versorgung
ambulant vor stationär
 durch Settingansatz gewährleistet
 keine Bedeutung für Prävention
4
niedrigschwelliger Zugang
5
Umorientierung zu personenzentriertem Versorgungssystem





6
Kooperation
 Arbeitskreis Suchtprävention als steuerndes Fachgremium vorhanden
 Umsetzung von Kooperationsvereinbarungen nicht ausreichend gesichert
 Kooperationsvereinbarungen mit konkreten Zielbestimmungen unterlegen
 Zusammenarbeit mit Bildungsagentur stärken
7
Förderung der Kontinuität
 zumeist Projektfinanzierung mit begrenzter Laufzeit – danach können mühevoll aufgebaute Strukturen nicht mehr fortgeführt werden – Bedarfe werden geschaffen, jedoch nicht langfristig bedient
 keine Projekte sondern stabile finanzielle Strukturen für vorhandene Angebote schaffen
8
Stärken der Selbstbestimmung
9
Hilfepotenzial der Angehörigen
 Maßnahmen zur Lebenskompetenzförderung sind v. a. im Kita- und Schulbereich vielfältig vorhanden
 Multiplikatorenschulung findet punktuell statt
 ressourcenorientierte und ganzheitliche Beachtung der sozialen Lebenswelt (z. B. Einbeziehung des
Familiensystems) erfolgt noch unzureichend
 gesellschaftlicher Auftrag -Verantwortung füreinander übernehmen - wird nicht wahrgenommen
10
Qualitätsentwicklung und -sicherung
 Qualitätszirkel und Evaluation fehlen
 Kritik: oftmals erfolgt ein Übertragen von Modellprojekten auf andere Strukturen/Ebenen - hier passen die Gegebenheiten nicht, das Projekt droht zu scheitern
11
Zwangsmaßnahmen vermeiden
12
geschlechtsspezifische Differenzierung der Angebote
Planung und Steuerung in regionaler Verantwortung
 Prinzip im psychiatrischen Kontext auf Suchtprävention nicht anwendbar - jedoch ist in Gruppenkontexten (z. B. in Schule, Kita usw.) eine persönliche Abwehr des Themas auf Seiten einzelner Personen nicht vermeidbar
 geschlechtersensible Angebote sind unzureichend vorhanden
13
118
schiedlich bei psychischen und somatischen Erkrankungen geregelt
keine vollständige Übersicht zu vorhandenen Angeboten
Unklarheiten in Bezug auf Zuständigkeiten im Unterstützungssystem
Präventionsangebote meist nur für Jugendliche, weitere Ziel-/Altersgruppen nicht im Fokus
passgenaue Hilfen und Unterstützungsangebote anbieten
ggf. Weitervermittlung
 Arbeitskreis, Facharbeitsgemeinschaften und Netzwerke sind strukturell vorhanden, jedoch müssen
die strategischen Ziele kontinuierlich inhaltlich weiterentwickelt werden
 Lebensweltbezug herstellen, Transfer in den Alltag sichern
 Transparenz bei Angebotsvielfalt schaffen
 Koordinierungsstelle für Suchtprävention einrichten
 Koordinierungsstelle für Suchtprävention einrichten (Welche Angebote
werden durch wen an welcher Stelle vorgehalten?)
 Maßnahmen sind vor deren Implementierung auf Ressourcenorientierung,
Ganzheitlichkeit und Nachhaltigkeit zu prüfen
 es sind ausreichende finanzielle und zeitliche Mittel zur Verfügung zu
stellen, um Qualitätssicherung durchzuführen
 vor Implementierung von Modellprojekten anderer Regionen sind die
Rahmenbedingungen kritisch zu hinterfragen
 akzeptierender, sensibler Umgang mit Widerstand und Abwehr
 grundlegende Motivationsarbeit, eine aufgeschlossene Haltung anzunehmen
 Beachtung des geschlechtsspezifischen Umgangs mit Suchtmitteln und der
unterschiedlichen Hintergründe für Suchtverhalten
 Steuerung über eine einzurichtende Koordinierungsstelle für Suchtprävention
 Finanzen, Richtlinien sind konzertiert zu implementieren
In der Landeshauptstadt Dresden sind im Bereich Suchtprävention eine Vielzahl von Angeboten und Anbietern vorhanden. Eine zentrale Aufgabe wird sein, die Verteilung der Präventionsangebote in Abhängigkeit von Anbieter, Zielgruppe, Erreichbarkeit, Präventionsform (indiziert, selektiv, universell) an veränderte Bedarfe anzupassen und umzusteuern. Dazu ist es notwendig, alle vorhandenen Angebote in der Stadt Dresden zu erheben und auszuwerten.
Ein weiterer Schwerpunkt wird dem Thema Qualitätsentwicklung und -sicherung zukommen. Grundlage hierfür bilden die von der DHS veröffentlichten Qualitätsanforderungen in der Suchtprävention, die u. a. Ziele und Settings von
Suchtprävention beschreiben sowie Kerninhalte für die Bereiche Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität formulieren (siehe Hallmann, Holterhoff-Schulte, Merfert-Diete, 2007).
119
5.3. Handlungsfeld Suchthilfe
5.3.1. Suchtberatungs- und -behandlungsstellen (SBB)
In den zurückliegenden Jahren hat sich in Dresden ein eigenständiges und differenziertes Suchthilfesystem entwickelt. Einen großen Stellenwert nehmen hierbei die ambulanten Suchtberatungs- und behandlungsstellen ein. Sie sind für eine Vielzahl von Menschen erste Anlaufpunkte in der Auseinandersetzung mit und der Bewältigung von Suchtproblemen. Die Angebote der SBB zur Beratung sind
niedrigschwellig im Sinne eines bedingungsfreien (kostenfrei nutzbaren, nicht antragsbewehrten, verkehrsgünstig erreichbaren, anonymen) Leistungsangebots. Zu den Aufgaben der SBB zählen neben
Aktivitäten auf präventivem Gebiet insbesondere die:
 Stabilisierung aufgenommener Kontakte
 umfassende Beratung
 Diagnostik und Indikationsstellung unter Mitwirkung von Ärzten/-innen, Psychologen/-innen, Sozialpädagogen/-innen, Sozialarbeitern/-innen
 Motivationsklärung und Motivierung für eine Leistung zur Teilhabe
 Einbeziehung von Bezugspersonen
 begleitende Hilfen im sozialen Umfeld (z. B. Sicherung des Arbeitsplatzes)
 Krisenintervention
 Vorbereitung und Vermittlung ambulanter oder stationärer Leistungen zur Rehabilitation
 Einbeziehung und Unterstützung von Selbsthilfeaktivitäten sowie Vermittlung in Selbsthilfegruppen.12
Die SBB erfüllen mit diesem Spektrum einen wichtigen gesundheitlichen Auftrag der Daseinsvorund -fürsorge. Im sächsischen Gesetz über die Hilfen und die Unterbringung bei psychischen Krankheiten (SächsPsychKG) vom 16.06.1994 werden Menschen mit einer Suchterkrankung den Menschen mit
einer psychischen Erkrankung gleichgestellt. Nach § 6 dieses Gesetzes sind die kreisfreien Städte im
Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit für die Gewährung von Hilfen für diesen Personenkreis und deren
Koordination zuständig und haben Suchtberatungs- und -behandlungsstellen zu installieren. Der § 16a
des SGB II weist der Landeshauptstadt Dresden einen gesetzlichen Auftrag für die Suchtberatung zu.
Die Aufgaben dieser Beratungsstellen können Trägern der freien Wohlfahrtspflege oder gemeinnützigen Institutionen übertragen werden.
Dresden weit stehen fünf anerkannte SBB in freier Trägerschaft und eine SBB des Gesundheitsamtes zur Verfügung. Die gegenwärtigen Adressen sind der Anlage 1 zu entnehmen:
 SBB des Caritasverbandes für Dresden e. V.
 SBB des Diakonischen Werkes - Stadtmission Dresden e. V. (in Dresden-Mitte und DresdenNeustadt)
 SBB der GESOP gemeinnützige GmbH
 SBB HORIZONT der Suchtzentrum Leipzig gGmbH und die
 Jugend- und Drogenberatungsstelle des Gesundheitsamtes Dresden
Die SBB werden durch das Land über die „Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales zur Förderung sozialpsychiatrischer Hilfen, der Suchtprävention und Suchtkrankenhilfe“ (Richtlinie
Psychiatrie und Suchthilfe – RL-PsySu) sowie durch das Gesundheitsamt der Stadt Dresden über die
„Richtlinie der Landeshauptstadt Dresden zur Förderung von Suchtberatungs- und -behandlungsstellen
in freier Trägerschaft“ (Förderrichtlinie SBB) vom 16. Juni 1994 gefördert. Seit 2005 finanziert das
Sozialamt die Suchtberatung für langzeitarbeitslose erwerbsfähige Hilfebedürftige nach § 16a SGB II
über eine Zuwendung. Grundlage der Bemessung der Zuwendung ist der prozentuale Anteil der Klienten/-innen im ALG-II-Bezug an der Gesamtzahl der Klienten/-innen der Suchtberatung im Vorjahr.13
12
13
120
Vgl.: Vereinbarung „Abhängigkeitserkrankungen“, abrufbar unter www.dhs.de (Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V.).
Detaillierte Informationen zur Finanzierung der Suchthilfe unter Teil A, Kapitel 5.2.
Mit den Trägern der SBB wurden „Versorgungsvereinbarungen zur Bereitstellung von Hilfen und Betreuungs- und Behandlungsangeboten für Suchtgefährdete, Suchtmittelabhängige und Angehörige
sowie von Angeboten zur Suchtprävention in der Landeshauptstadt Dresden“ abgeschlossen. Die
flankierenden Eingliederungsleistungen nach § 16a SGB II in Verbindung mit § 17 SGB II müssen hier
ggf. noch eingearbeitet werden.
Entscheidend für eine qualitativ hochwertige Arbeit in den SBB ist die hinreichende Ausstattung mit
Fachkräften. Fachlich angemessen ist hier ein Versorgungsgrad von einer Fachkraft pro 20.000 Einwohnern und Einwohnerinnen (SLS 2011:11). Nach RL-PsySu wird derzeit eine Vollzeitfachkraft pro
25.000 Einwohnern und Einwohnerinnen gefördert. Das bundesdeutsche Versorgungsniveau liegt bei
1:15.000, die Empfehlung der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. beläuft sich auf einen Versorgungsschlüssel von 1:10.000 (DHS Jahrbuch Sucht 2007: 148). Dresden hält derzeit vor:
Vorgehaltene Vollzeitkräfte (VzK)
geförderte VzK bei 1:25.000 EW
Caritas
Diakonisches Werk - Stadtmission Dresden e. V. (Diakonie)
Träger der SBB
3,65 VzK
3,65 VzK
SBB I
SBB II
4,00 VzK
3,00 VzK
4,00 VzK
3,00 VzK
GESOP gemeinnützige GmbH
Suchtzentrum Leipzig (SZL)
3,5 VzK
4,0 VzK
3,5 VzK
4,0 VzK
18,15 VzK
18,15 VzK
8,05 VzK
2,58 VzK
26,2 VzK
20,73 VzK
1:19.795
1:25.054
Stadtverwaltung Dresden, Gesundheitsamt
Jugend- und Drogenberatungsstelle Dresden (JDB)
Erreichter Fachkraftschlüssel bei einer Einwohnerzahl von 518.620
Tab. 17: Verteilung der Vollzeitkräfte der SBB. Stand: 30.06.2011, Kommunale Statistikstelle Dresden
Wie die Übersicht zeigt, erfüllt Dresden mit den geförderten VzK den vom Land geforderten Fachkraftschlüssel 1:25.000. Perspektivisch ist von zunehmenden Bedarfen aufgrund neuer Suchtformen
und steigender Bevölkerungszahlen auszugehen. Die vom Land nicht geförderten zusätzlich vorgehaltenen Fachkräfte in der JDB leisten nur teilweise Beratungstätigkeit, da einige von ihnen schwerpunktmäßig für Präventionsarbeit zuständig sind (siehe Kapitel 3.5: Substanzstörungen bei Kindern und
Jugendlichen).
Die Suchtberatungs- und -behandlungsstellen verteilen sich gleichmäßig über das Stadtgebiet. Um
für die Betroffenen einen anonymen Zugang zu gewährleisten, besteht keine sozialräumliche Einteilung
in Versorgungsgebiete.
Laut dem Jahresbericht der Suchtkrankenhilfe und Suchtprävention der Landeshauptstadt Dresden
konnten im Jahr 2010 durch die SBB über 3.700 Menschen mit suchtspezifischen Problemen betreut
werden. Über 76% hatten dabei den ersten Kontakt zu den ambulanten Einrichtungen.
Der häufigste Grund, eine SBB aufzusuchen, ist mit 56% ein eigenes Alkoholproblem. Jede/-r
sechste Klient/-in (15%) nimmt als Angehöriger oder Bezugsperson Hilfe in Anspruch. Probleme im
Bereich der illegalen Drogen stellen mit 23% im sachsenweiten Vergleich (17%) ein überdurchschnittlich hohes Beratungsanliegen in den Dresdner SBB dar.
121
Medikamente;
1%
Abb. 15: Betreuungsgrund in den Dresdner
SBB im Jahr 2010
Medienkonsum; 1%
illegale Drogen;
23%
Spielverhalten; 3%
Alkohol; 56%
Angehörige; 15%
Tabak; 1%
Quelle: Landeshauptstadt Dresden: Jahresbericht der Suchtkrankenhilfe und Suchtprävention 2010
5.3.1.1. Niedrigschwelliger Kontakt
Beschreibung
Zielgruppe
Ziele
Leistungen
122
Niedrigschwellige Kontakte dienen der Sicherung des sozialen, psychischen und physischen Überlebens der Betroffenen. Sie werden oft mit dem Begriff der Schadensminimierung (harm reduction) in
Zusammenhang gebracht – einem Konzept, das die Reduzierung der mit dem Substanzkonsum bzw.
süchtigem Verhalten verbundenen Gefahren zum Ziel hat. Hierunter fallen alle Maßnahmen, die soziale,
psychische oder somatische Risiken senken, ohne dass sie unmittelbar bzw. unbedingt zur Substanzfreiheit beitragen müssen.
 Menschen mit einer Suchterkrankung und davon gefährdete Menschen, die aktuell keine eindeutige
Motivation zur Änderung ihres Konsumverhaltens haben
 Menschen, die lebenspraktische und suchtspezifische Hilfen benötigen






Sicherung des Überlebens
Gewährung von Akuthilfen
Informationsvermittlung
Anbindung an das Hilfesystem (Abbau von Hemmschwellen)
soziale und gesundheitliche Stabilisierung
Aufbau von Tagesstruktur
 Aufenthaltsangebote mit lebenspraktischer Hilfe:
- Infocafé der Jugend- und Drogenberatungsstelle Dresden (Spritzentausch, Basisversorgung wie
Duschen, Essen, Wäsche waschen, Aufnahme sozialer Kontakte)
 aufsuchende Maßnahmen der Betreuung und Beratung:
- Beratung in Haft- und Justizvollzugsanstalten durch Mitarbeiter/-innen der Suchtberatungsstellen
der Diakonie-Stadtmission Dresden
- Beratung in anderen medizinischen oder (psycho-)sozialen Versorgungsbereichen
- Hausbesuche (bei entsprechender Indikation)
 tagesstrukturierende und Freizeitangebote:
- Angebot „frei Zeit“ (gemeinsames Frühstück und anschließende Vormittagsgestaltung) der
Suchtberatungsstellen der Diakonie-Stadtmission Dresden
- Freizeitbeschäftigung im Rahmen von Hobbygruppe, Gartengruppe, Kellerwerkstatt oder Wandergruppe der SBB des Caritasverbandes Dresden e. V.
- „Trocken“-Frühstück der SBB der GESOP gemeinnützige GmbH (Möglichkeit des gemeinsamen
Austauschs und zum Aufbau abstinenzstützender Sozialkontakte)
- Frühstückstreff der SBB HORIZONT
- Begegnungsabend in der Zionskirche (Möglichkeit des Austauschs) durch die Suchtberatungsstellen der Diakonie-Stadtmission Dresden und Selbsthilfegruppen
 Vermittlung von Übernachtungsangeboten und anderen strukturell notwendigen und weiterführenden Hilfen
 Krisenintervention und Notfallhilfe
 „Drink-Less-Programme“ (Reduzierung der Trinkmenge, Punktabstinenz)
5.3.1.2. Beratung, Vermittlungs- und Motivationsarbeit
Beschreibung
Zielgruppe
Professionelle Beratung in Abgrenzung zur alltäglichen Beratung ist eine wissenschaftlich fundierte
Entwicklungs- und Lebenshilfe. Beratung setzt voraus, dass ein Beratungsbedarf besteht und dieser
gefordert wird oder erarbeitet werden kann. Beratung reicht von Informationsvermittlung, Aufklärung,
Orientierung, Sensibilisierung, Motivierung bis hin zur qualifizierten Unterstützung bei der Bearbeitung
von Suchtproblemen. Darüber hinaus stellt die Beratung eine unabdingbare Voraussetzung für jede
Behandlung im Sinne einer Clearingfunktion dar.
Die Beratung in den Dresdner SBB ist kostenfrei nutzbar. Alle Mitarbeiter/-innen unterliegen der
Schweigepflicht. Viele von ihnen haben eine spezielle suchttherapeutische Ausbildung absolviert, um
fachlich qualifizierte Hilfe anbieten zu können. Die Beratungstätigkeit kann in Form von Einzel-, Paaroder Familiengesprächen und Gruppen durchgeführt werden.
 alle Menschen mit persönlichem oder anonymem Informations- und/oder Beratungs- sowie Unterstützungsbedarf
 Bezugspersonen und Angehörige
 Multiplikatoren
Ziele
 Sensibilisierung gegenüber den Themen Suchtmittelmissbrauch, -abhängigkeit und süchtige Verhaltensweisen
 Kontaktaufnahme und Beziehungsaufbau im Rahmen des Hilfesystems
 Erhebung des Hilfebedarfs
 Informationsgewinn und Aufbau positiver Orientierung auf Abstinenz bzw. risikoarmen Konsum
 Aufbau von Krankheitseinsicht und Behandlungsbereitschaft im Sinne der Beförderung des Prozesses von Fremd- zu Eigenmotivation und Eigenverantwortung
 Therapievermittlung und -vorbereitung
 Erhalt von und Befähigung zu autonomer Lebensgestaltung
Leistungen
 Clearing:
- Erstinformation der Klienten/-innen
- Klärung der Problemstellung / Erörterung des Hilfebedarfs
- Anamneseerhebung und Diagnostik
- Motivations- und Indikationsklärung für weiterführende Hilfen (Entgiftungs- und Entwöhnungsbehandlung)
- Krisenintervention
- Erstellung eines Beratungsplanes
- ggf. Vermittlung in andere Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe
- Angehörigenberatung
 individuelle Beratung und Informationsseminar:
- Gruppenarbeit zur Informationsvermittlung
- Einzelberatung
- Aufbau von Veränderungs- und Behandlungsmotivation
 Vermittlung in und Begleitung während einer Entwöhnungsbehandlung:
- psychosoziale Begutachtung im Rahmen des Antrags zur medizinischen Rehabilitation (Sozialbericht)
- Entscheidungshilfe bei der Auswahl der Therapieform (ambulant/stationär oder kombiniert), der
Einrichtung sowie Hilfe bei deren Beantragung
- Vermittlung in und Begleitung während einer Entgiftungsbehandlung
- Behandlungsvorbereitung sowie Vorbereitung nachsorgender Maßnahmen
123
 Beratung von ehrenamtlichen Helfern/-innen und Selbsthilfegruppen für Menschen mit einer Suchterkrankung und davon bedrohte
 Betreuung von Inhaftierten außerhalb der Justizvollzugsanstalt (JVA)
5.3.1.3. Ambulante medizinische Rehabilitation
Beschreibung
In der Landeshauptstadt Dresden werden von den meisten SBB Leistungen zur ambulanten medizinischen Rehabilitation (auch Entwöhnungsbehandlung oder Suchttherapie genannt) angeboten. Gemäß
den Richtlinien der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation 2006 stellt die ambulante Rehabilitation einen interdisziplinären Arbeitsansatz dar, bei dem aufeinander abgestimmte sozialtherapeutische,
psychotherapeutische und medizinische Maßnahmen zum Einsatz kommen. Die Durchführung erfolgt
auf der Grundlage eines von den Leistungsträgern (Rentenversicherungen, Krankenkassen) fachlich
anerkannten Behandlungskonzeptes mit zusätzlichem Personal in den SBB.
Zielgruppe
 Menschen mit einer Abhängigkeit von Alkohol, Medikamenten oder Drogen sowie Menschen, die
unter Spielsucht leiden, bei denen:
- eine ambulante Behandlung Erfolg versprechend erscheint,
- dem sozialen Umfeld eine stabilisierende und unterstützende Funktion zukommt,
- eine stabile Wohnsituation vorhanden ist,
- erkennbar ist, dass die Fähigkeit zur aktiven Mitarbeit, zur regelmäßigen Teilnahme und zur Einhaltung des Therapieplans in Bezug auf die Anforderungen einer ambulanten Entwöhnung vorhanden ist,
- die Bereitschaft und Möglichkeit vorhanden ist, unter ambulanten Bedingungen abstinent zu leben,
- ausreichend Motivation vorhanden ist. (Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation 2006:
28)
 Angehörige und Personen des sozialen Umfelds im Rahmen der Therapie der Rehabilitanden
Ziele
Leistungen
124








Erarbeitung und Stabilisierung von Abstinenz-, Behandlungs- und Veränderungsmotivation
Erwerb von Strategien zur Aufrechterhaltung einer zufriedenen Abstinenz
Aufbau aktiver Lebensorientierung
Aufbau von Lebensperspektiven
Verbesserung des Selbstwertgefühls und der Fähigkeit zur Selbstkontrolle
Wiederherstellung bzw. Erhaltung der Erwerbsfähigkeit
Wiedereingliederung, Aufbau und/oder Stabilisierung des sozialen Bezugsrahmens
Bearbeitung und Lösung von individuellen körperlichen, seelischen und sozialen Problemen und
Störungen
 Durchführung der ambulanten Rehabilitation im Rahmen der einrichtungsspezifischen Anerkennung
gemäß den Empfehlungen der Spitzenverbände der Krankenkassen und Rentenversicherungsträger
für die ambulante medizinische Rehabilitation Sucht in Form von:
- Gruppen- und Einzeltherapie
- Angehörigenarbeit (Paar- und Familiengespräche)
- Seminaren und indikativen Gruppenangeboten
 Kombitherapie (6-8 Wochen stationär, 6-12 Monate ambulant)
5.3.1.4. Psychosoziale Betreuung bei Wiedereingliederung in Arbeit, Sicherung der Abstinenzund Arbeitsfähigkeit (Nachsorge)
Beschreibung
Zielgruppe
Ziele
Leistungen
Nach Abschluss einer medizinischen Rehabilitation besteht für die Klienten und Klientinnen die Möglichkeit, eine ambulante Nachsorgebehandlung in Anspruch zu nehmen. Diese umfasst alle Angebote,
die das Erreichte sichern sollen. Die Nachsorge kann in Form von Einzelgesprächen und/oder in Nachsorgegruppen stattfinden. Alle Dresdner Suchtberatungsstellen halten entsprechende Angebote bereit.
 Klienten/-innen, die eine Entwöhnungsbehandlung beendet haben
 Sicherung der bisher erbrachten medizinischen, psychosozialen und beruflichen Eingliederungsleistungen
 Gewährleistung einer stabilen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben
 Sicherung des Therapieerfolges
 Rückfallprävention und -bearbeitung
 Erhalt der Arbeitsfähigkeit
 Förderung der Teilnahme an Selbsthilfegruppen
 individuelle Begleitung und Unterstützung bei der Bewältigung des Lebensalltags und der Beziehungs- und Belastungserfahrungen am Arbeitsplatz
 Vermittlung weiterer sozialer Hilfen wie Schuldnerberatung oder Selbsthilfegruppen
 Erarbeitung sicherer Strategien zur Rückfallprophylaxe
 individuelle Rückfallbearbeitung
 Unterstützung bei der Erarbeitung eines Krisenplanes unter Einbezug des sozialen Netzwerkes
 Bearbeitung von Paar- und Familienproblemen
 Gruppenangebote (Nachsorgegruppen, Cleangruppe)
5.3.1.5. Psychosoziale Betreuung bei Substitutionsgestützter Behandlung Opiatabhängiger
Beschreibung
Die Behandlung unter Einbeziehung einer Substitution bezieht sich auf die orale Verabreichung von
legalen Substanzersatz-Medikamenten (in Deutschland: v. a. Methadon, Levomethadon und
Buprenorphin), die geeignet sind, Entzugserscheinungen zu verhindern und das körperliche Verlangen
nach Opiaten oder anderen Substanzen einzudämmen. Substitution allein stellt jedoch noch keine
ausreichende Behandlung dar. Erst im Zusammenwirken dieses ärztlichen Behandlungsangebotes mit
psychosozialer Betreuung (PSB)14 entsteht ein komplexes und integratives Betreuungsangebot, welches es ermöglicht, weiter gefasste Ziele zu erreichen. Im Rahmen eines solchen Konzeptes ist eine
Substitution zulässig und als Krankenbehandlung im Sinne des § 27 SGB V für die Gesetzlichen Krankenkassen abrechenbar. Die Finanzierung bezieht sich jedoch ausschließlich auf die ärztliche Behandlung. Die PSB wird von den SBB bisher ohne entsprechende Vergütung erbracht.
PSB wird in Dresden von drei SBB (JDB, SBB HORIZONT, Therapieverbund SBB Diakonie Dresden-Mitte und Dresden-Neustadt) angeboten. Sie ist Bestandteil eines umfassenden Therapiekonzeptes und dient neben der medikamentösen Behandlung insbesondere der Stabilisierung in den Bereichen Gesundheit, Finanzen, soziale Absicherung, Beziehungen, Arbeit, Schule, Freizeit, strafrechtliche
Situation und Konsumverhalten. Entsprechende Qualitätsstandards zur Durchführung der Psychosozialen Betreuung bei Substitution werden in den Beratungsstellen vorgehalten. Zur Sicherung dieser, zur
Vernetzung der SBB untereinander sowie mit den behandelnden Ärzten/-innen hat sich in Dresden der
Qualitätszirkel „Psychosoziale Betreuung bei Substitution“ gebildet.
Als Synonym wird auch der Begriff Psychosoziale Begleitung genutzt. Die Autoren/-innen haben sich auf die Verwendung des
Terminus Psychosoziale Betreuung festgelegt, da dieser in den relevanten Richtlinien und Verordnungen zunehmend verwendet wird.
Die PSB steht in keinem Zusammenhang mit einer rechtlichen Betreuung.
14
125
Zielgruppe
 manifest Opiatabhängige in der vertragsärztlichen Versorgung, bei denen eine Linderung bzw.
Verbesserung der sozialen, psychischen und gesundheitlichen Situation mit Hilfe einer solchen Behandlung und Betreuung zu erwarten ist
Ziele
 Verbesserung bzw. Stabilisierung des Gesundheitszustandes
 Drogenabstinenz sowie Beigebrauchsfreiheit
 soziale Wiedereingliederung (finanzielle Absicherung, Schuldenregulierung, Klärung der rechtlichen
Situation, Vermittlung in andere Dienste, Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt)
Leistungen






Erstellung eines Behandlungsvertrages
regelmäßige Fortschreibung des Hilfebedarfs in den verschiedenen Lebensbereichen
individuelle Unterstützung beim Verfolgen der planbaren Ziele der Klienten
Reflexion des Konsummusters
Unterstützung bei der Entwicklung kommunikativer und sozialer Kompetenzen
im Bedarfsfall Vermittlung in Entgiftungsbehandlung bei Beikonsum
5.3.1.6. Angehörigenarbeit
Beschreibung
Zielgruppe
126
Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit in den SBB liegt in der Begleitung der oftmals Co-abhängigen
Angehörigen. Nicht selten sind sie es, welche die Beratungsstellen als erstes aufsuchen und von Überforderung, Erschöpfung, Scham und Verzweiflung berichten. Sie erzählen davon, dass sie nicht mehr
wissen, wie sie sich gegenüber ihren betroffenen Partner/-innen, Freunden/-innen, Kollegen/-innen oder
Kindern verhalten sollen und in ständiger Sorge leben. Schließlich kann es auch soweit kommen, dass
das Leben der Angehörigen ebenfalls ganz durch die Sucht beherrscht wird. Um aus diesem Kreislauf
wieder herauszufinden, sich selbst zu stärken und der betroffenen Person ein hilfreiches Gegenüber zu
sein, halten die SBB entsprechende Angebote vor. Ein oft vergessenes und schwieriges Feld liegt in der
Unterstützung der Kinder von Eltern mit einer Suchterkrankung (siehe 5.6 Exkurs: Betreuung von
Suchtmittel konsumierenden und substituierten Schwangeren und Eltern mit Kindern).
 Angehörige von suchtgefährdeten oder/und Menschen mit einer Suchterkrankung
 Bezugspersonen wie Arbeitskollegen/-innen, Freunde/-innen, Lehrer/-innen
Ziele




Information und Aufklärung über Missbrauch und Abhängigkeit
Reflexion des co-abhängigen Verhaltens (Aufheben der Isolation, Entlastung)
Unterstützung bei der Suche nach Lösungsmöglichkeiten
Vermittlung in weiterführende therapeutische Hilfen
Leistungen




Informationsveranstaltungen
Einzelberatung und Angehörigenseminare (Austausch)
Vermittlung in entsprechende Selbsthilfegruppen
spezielle Angebote für Kinder (z. B. Projekt „Trampolin“ in der Jugend- und Drogenberatungsstelle
Dresden)
5.3.1.7. Bewertung des Versorgungsstandes und Handlungsempfehlungen
1
Grundprinzip
Bewertung des Versorgungsstandes
Handlungsempfehlungen
Gleichstellung psychisch
und somatisch erkrankter
Menschen
 Substitution gemäß SGB V: ist ärztliches Behandlungsangebot, Finanzierung durch GKV geregelt; die für die Substitution notwendige PSB halten die SBB vor, hier ist die Finanzierung keine
Leistungspflicht der GKV, es erfolgt ausschließlich Finanzierung über Land/Kommune
 Nachsorge: Kosten werden bei erfolgreich abgeschlossener stationärer Entwöhnungsbehandlung
als med. Reha-Leistung vom Rentenversicherungsträger(RV) übernommen, Kostenübernahme
bei Leistungsträger GKV individuell
 SBB sind in der Stadt Dresden gut erreichbar, das betrifft Beratung/Betreuung/Nachsorge und
ambulante Rehabilitation
 ambulante Rehabilitation ermöglicht Behandlung im sozialen Umfeld unter Beibehaltung der
Arbeit
 Substitution: wird nur durch eine Arztpraxis angeboten, PSB wird von vier SBB angeboten
 ambulante Angebote für Menschen mit stoffungebundenen Süchten (Kaufsucht, OnlineSpielsucht usw.) sind unzureichend
 zusätzliche Finanzierungsmöglichkeit der PSB schaffen
2
gemeindenahe Versorgung
3
ambulant vor stationär
 Suchthilfesystem ist gut aufeinander abgestimmt
 alle Angebote (für Einzelne und Gruppen) werden im ambulanten Setting vorgehalten
 ambulante Hilfen der Beratungsstellen führen indikationsspezifisch zu entsprechenden Behandlungsangeboten
 multiprofessionelle Teams befördern adäquate, indikationsbezogene Hilfeprozesse
4
niedrigschwelliger Zugang
 Hilfen, die nicht antragsbewehrt und anonym sind, ermöglichen einen niedrigschwelligen und
frühen Zugang zu Suchtberatung
 gute Erreichbarkeit der Hilfen im Rahmen einer Komm-Struktur
 es fehlen jedoch Angebote im Rahmen einer Geh-Struktur für schwer erreichbare Menschen mit
einer Suchterkrankung (z.B. Klienten/-innen mit Doppeldiagnosen oder sozialen Phobien) sowie
derzeit nicht therapiefähige Betroffene
 flexible Termingestaltung möglich, erweiterte Öffnungszeiten für Berufstätige, Wohnortnähe
gewährleistet
 Bekanntmachung der Angebote über Öffentlichkeitsarbeit, Flyer, Präsentationen im öffentlichem
Raum
 Substitution: aufgrund der hohen Qualitätsstandards des Bundesausschusses der Ärztekammer
ist ein niedrigschwelliger Zugang nicht empfehlenswert, die Vorstellung in einer SBB zur Einleitung eines Clearingprozesses ist jedoch jederzeit möglich
 Klärung der einheitlichen Kostenregelung bei Verantwortlichkeit der GKV
 Erhalt und Ausbau der Versorgungsstruktur (Absicherung der Beratungsarbeit
durch Bereitstellung personeller und finanzieller Ressourcen)
 Verbesserung des Versorgungsschlüssels durch Förderung von mehr Fachkräften
 mehr niedergelassene Ärzte/-innen für substitutionsgestützte Therapie, Aufbau
qualifizierter Substitutionsambulanz
 Ausbau und Schaffung von Angeboten in den SBB speziell für Menschen mit
stoffungebundenen Suchterkrankungen
 differenziertes Suchthilfesystem erhalten
 Vernetzung zur ambulanten/stationären medizinischen Versorgung verbessern
 Case-Management und Hilfeplan für trägerübergreifende Hilfen ausbauen
 spezifische ambulante Angebote für alte Menschen schaffen
 Klienten/-innen mit Migrationshintergrund stärker berücksichtigen
 Durchführung einer Bedarfsanalyse zur Entwicklung niedrigschwelliger Kontaktund Hilfeangebote im Rahmen einer Gehstruktur (z.B. Streetwork) für derzeit
nicht therapiefähige sowie schwer erreichbare Menschen mit einer Suchterkrankung (aufsuchende Hilfen)
127
5
Umorientierung zu personenzentriertem Versorgungssystem
6
Kooperation
7
Förderung der Kontinuität
8
Stärken der Selbstbestimmung
9
10
128
 institutions- und trägerübergreifende Hilfen sind vorhanden, bei zunehmend schwerwiegenderen
Störungsbildern müssen diese Angebote erweitert und spezifiziert werden
 Behandlungsangebote als Einzelfallberatung möglich, dadurch individueller Behandlungsplan
 Substitution, PSB: in gegenseitiger Abstimmung zwischen Patient/-in, Arzt/Ärztin und SBB werden individuelle Behandlungspläne erarbeitet und regelmäßig fortgeschrieben, dreimonatige
Fallbesprechung in der Arztpraxis gemeinsam mit Patient/-in, Arzt/Ärztin und Mitarbeiter/-in der
SBB
 SBB als zentrale Kompetenzstellen Sucht
 gute Kooperationsbeziehungen der SBB zu psychiatrischen Krankenhäusern, Einrichtungen der
Suchtselbsthilfe (KISS), einzelnen niedergelassenen Fachärzten/-innen und Psychotherapeuten/innen
 Zusammenarbeit zwischen Jobcenter und Arbeitsagentur durch „Handakte Sucht“ gut geregelt
 Zusammenarbeit zwischen SBB und Jugendhilfe wird von Seiten der Jugendhilfe sehr unterschiedlich gehandhabt
 Kooperationsvereinbarung „Drogenhilfe Dresden“ und Qualitätszirkel (Substitution, Kindeswohl)
vorhanden
 langfristige Anbindung für Klienten/-innen zur Verhaltensänderung ist im Suchthilfesystem möglich
 Förderung der beruflichen und sozialen Wiedereingliederung, Rückfallprophylaxetraining und
Freizeitangebote werden angeboten
 Substitution: regelmäßig (alle 3 Monate) Fallberatung in der Arztpraxis
 Motivationsarbeit in SBB hilft bei Entwicklung von Eigenmotivation und Selbstbestimmung
 durch Einbeziehung der Klienten/-innen in Erarbeitung des Behandlungsplanes und Selbsthilfegruppen gewährleistet
 Selbstbestimmung wird durch Einstellen des Dogenkonsums erst möglich
 institutions- und trägerübergreifende Hilfen über Hilfeplankonferenzen erweitern
und ausbauen, betrifft v. a. Menschen mit multiplem Hilfebedarf (z. B. junge Menschen mit antisozialer Persönlichkeitsakzentuierung)
 für ambulante/stationäre Reha flexiblere Übergänge schaffen (Zuständigkeit liegt
beim RV)
 Angebot PSB in unmittelbarer Nähe der Substitutionspraxis schaffen, z. B. einen
Raum direkt in der Substitutionspraxis bereitstellen
 Kooperation mit der ambulanten allgemeinärztlichen und zur stationären allgemeinmedizinischen Versorgung ausbauen und intensivieren
 gesicherte Kooperation mit entsprechenden „Ärztelisten“ schaffen
 Kooperation mit Jugendämtern erscheint verbesserungswürdig
 Vernetzung der Arbeit seitens der Jobcenter verbessern
Hilfepotenzial der Angehörigen
 Hilfen für Angehörige werden vorgehalten
 Einbezug erfolgt regelmäßig in Beratungs- und Therapieprozesse
 Selbsthilfegruppen für Angehörige von Drogen konsumierenden Klienten schaffen
 spezifische Angebote für Kinder (Geschwister oder eigene Kinder der Betroffenen) schaffen
Qualitätsentwicklung- und sicherung
 hoher Standard der erbrachten Leistungen durch hohes Ausbildungsniveau der Suchtfachkräfte
wurde bislang durch die Richtlinie Psychiatrie/Sucht gefördert
 ebenso Förderung von regelmäßiger Aus- und Weiterbildungen und externer Supervisionen für
alle SBB
 durch Abrechnung / Epikrisen bei Leistungsträger und Dokumentation gewährleistet
 Substitution, PSB: Durchführung gemäß den aktuellen Empfehlungen der Sächsischen Landesstelle gegen die Suchtgefahren e. V.
 einrichtungsinterne Qualitätskriterien der Jugend- und Drogenberatungsstelle
 halbjährliche Qualitätszirkel der SBB
 Umsetzung zu entwickelnder Kriterien für die Prozess- und Ergebnisqualität
 Entwicklung einrichtungsinterner Qualitätskriterien für alle SBB
 Finanzierung der Hilfen ohne antragsbewehrte Modelle absichern
 Absicherung des Fachkraftschlüssels

 unmittelbare Absprachen mit Substitutionsarzt/-ärztin durch räumliche Nähe
schaffen
11
Zwangsmaßnahmen vermeiden
12
geschlechtsspezifische Differenzierung der Angebote
13
Planung und Steuerung in regionaler Verantwortung







Nutzung des einheitlichen Dokumentationssystem Bado-K
jährliche Berichterstattung (standardisierter Jahresbericht SBB)
guter Ausbau der Beratungshilfen in „Komm-Struktur“ fördert die Aktivierung der Klienten/-innen
aufsuchende Hilfen werden durch die SBB indikationsspezifisch erbracht
geschlechtsspezifische Angebote sind vorhanden
individuelle Behandlungspläne berücksichtigen Geschlechtsspezifik
einer Überzahl männlicher Klienten gegenüber stehen weit mehr weibliche als männliche Beraterinnen
 Gesundheitsamt (Suchtbeauftragte) als zentrale Koordinations- und Steuerungsinstanz
 Gremien auf städtischer (PSAG, UAG „Sucht“) und Landesebene steuern die städtische Suchthilfearbeit
 für weitere geschlechtsspezifische Angebote sind personelle Voraussetzungen zu
schaffen
 Planung und Steuerung der Hilfsangebote über die Richtlinie Psychiatrie/Sucht
erhalten und verbessern (z. B. Überarbeitung des Punktekataloges)
 Darstellung der Qualitätsentwicklung und Methoden der Eigenevaluation in den
Konzeptionen der SBB sowie deren verbindliche Aufnahme in die städtischen
Versorgungsvereinbarungen
129
5.3.2. Mobiler Suchtdienst (MSD)
Beschreibung
Der Mobile Suchtdienst ist ein Fachdienst für sozial benachteiligte, chronisch mehrfachgeschädigte
Menschen mit einer Abhängigkeitserkrankung (CMA). Er ist an die Abteilung Integration und Eingliederungsleistungen (Sachgebiet Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten) des Sozialamtes angebunden und derzeit mit 3 Fachkräften besetzt. Der MSD ist überwiegend aufsuchend tätig,
bietet jedoch auch Sprechzeiten im Amt an.
Im Jahr 2010 verzeichnete er insgesamt 88 Neuaufnahmen. 42 Klienten/-innen befanden sich in
kontinuierlicher Betreuung und 114 Angehörigenberatungen wurden durchgeführt.
Zielgruppe
 erwerbsunfähige Menschen in eigenem Wohnraum mit primärer Suchterkrankung bzw. der Verdachtsdiagnose CMA (chronisch mehrfachgeschädigte Alkoholabhängigkeitskranke) sowie weiteren
multikomplexen Problemen
 deren Angehörige
Ziele
 Beseitigung von Notsituationen und Herstellen eines bedarfsgerechten Hilfenetzwerkes im Einzelfall
für unterversorgte Menschen mit einer Suchterkrankung, die chronisch mehrfach geschädigt sind,
mit dem Ziel der Integration in vorhandene Hilfestrukturen und Vermeidung von Wohnungslosigkeit
sowie Verwahrlosung
 Befähigung zur Selbsthilfe
 Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen
Leistungen
130
 Information, Aufklärung und Beratung von Menschen mit primärer Suchterkrankung und deren
Angehörigen
 Krisenintervention unter Beachtung gesetzlicher Grundlagen
 Einzelfallhilfe – Einsatz von Case Management
- Erheben des Hilfebedarfes
- Aktivierung und Unterstützung vorhandener Ressourcen
- Vermittlung, Koordinierung und Implementierung von weiteren erforderlichen sozialen Hilfen
- Organisation, Leitung und Auswertung von Fallgesprächen
- Sicherstellen gesetzlicher Ansprüche
- Sicherstellen einer kontinuierlichen medizinischen Versorgung
 Unterstützungsleistungen
- persönliche Unterstützung bei Wohnungsproblemen und der Lebensbewältigung
- Training sozialer Fertigkeiten
- Begleitung zu Ämtern, Behörden und Institutionen
- Strukturierung des Lebensalltages
- Entwickeln von Problemlösungsstrategien
5.3.2.1. Bewertung des Versorgungsstandes und Handlungsempfehlungen
2
Grundprinzip
Gleichstellung psychisch und somatisch
erkrankter Menschen
gemeindenahe Versorgung
3
ambulant vor stationär
4
niedrigschwelliger Zugang
5
6
Umorientierung zu personenzentriertem
Versorgungssystem
Kooperation
7
8
Förderung der Kontinuität
Stärken der Selbstbestimmung
 Motivationsarbeit
9
Hilfepotential der Angehörigen
 Ressourcen der Hilfebedürftigen werden im Assessment erfragt
10
Qualitätssicherung
 Fortbildung Case Management
 regelmäßige Fortbildungen
 regelmäßige Supervision
11
Zwangsmaßnahmen vermeiden
12
geschlechterspezifische Differenzierung der
Angebote
Planung und Steuerung in regionaler Verantwortung
1
13
Bewertung des Versorgungsstandes
 oftmals Stigmatisierung bei Leistungsträgern und im medizinischen Versorgungsbereich
 MSD ist zentralisiert
 MSD leistet aufsuchende Sozialarbeit (im Sozialraum tätig) bei Anzeige (durch
Dritte) einer Notlage in der eigenen Häuslichkeit
 Versorgungsstruktur unzureichend
Handlungsempfehlungen
 Abbau von Desintegration durch Aufklärung
 MSD ist im Rahmen einer Krisenintervention bzw. Erstkonsultation (Clearing)
für alle Personenkreise tätig (SGB II; SGB XII; Rente)
 MSD leistet aufsuchende Sozialarbeit (im Sozialraum tätig)
 Case Management als Handlungsansatz
 differenzierte aufsuchende Angebote im Versorgungsnetz schaffen (z. B. amb. betreutes
Wohnen nach § 53 SGB XII für nichtabstinente Hilfebedürftige)
 Kooperation zu SBB
 Kooperation zur allgemein- und fachärztlichen Versorgung verbessern
 MSD ist für männliche und weibliche Hilfebedürftige tätig
 MSD setzt sich ausschließlich aus weiblichen Beschäftigten zusammen
 Steuerungsgruppe § 16a SGB II
 MSD dezentralisieren
 differenzierte aufsuchende Angebote im Versorgungsnetz schaffen (z. B. ambulant betreutes Wohnen nach § 53 SGB XII für nichtabstinente Hilfebedürftige)
 Aufbau und Bedienen von Netzwerken in der Gemeinde
 personelle Aufstockung
 Entwickeln von Qualitätsstandards für MSD
 Verbesserung der Steuerung für den Rechtskreis SGB II mit einer eigenen AG Sucht SGB II
notwendig
131
5.3.3. Medizinische Versorgung
Niedergelassene Ärzte und Ärztinnen sind vielfach erste Anlaufstelle für Abhängigkeitskranke bzw. gefährdete. Blutwerte, Allgemeinzustand, körperliche und seelische Erkrankungen usw. können den
Hausarzt bzw. die Hausärztin auf eine Suchtmittelproblematik aufmerksam machen und entsprechende
Interventionen anstoßen. Eine Überweisung zu Fachärzten/-innen (für Suchtmedizin/Psychiatrie und
Psychotherapie/Neurologie und Psychiatrie) ist angezeigt. Hier kann es bei Bedarf zu einer medikamentösen Behandlung von z. B. affektiven Störungen oder auch Suchtdruck kommen und die ambulante
therapeutische Behandlung durchgeführt werden.
Die Phase der Entgiftung (auch Entzugsbehandlung genannt) findet in den Entgiftungsstationen der
psychiatrischen Kliniken, aber auch in den Allgemeinkrankenhäusern (unter Umständen zunächst
unerkannt) statt. Unter bestimmten Voraussetzungen kann diese auch ambulant durchgeführt werden.
In der gesamten Phase der Behandlung spielen die SBB im Rahmen der psychosozialen Begleitung
eine wesentliche Rolle. Sie sollten die Klienten und Klientinnen beratend und motivierend begleiten und
mit dem medizinischen Versorgungssystem in Kontakt stehen. Eine entsprechend enge Zusammenarbeit mit regelmäßigen Arbeitstreffen besteht zwischen den SBB mit dem Städtischen Krankenhaus
Dresden-Neustadt sowie dem Universitätsklinikum.
Im Anschluss an die Entgiftungsbehandlung soll sich bei entsprechender Motivation des Abhängigkeitskranken eine erforderliche Entwöhnungsbehandlung anschließen. Diese kann entweder ambulant
(siehe Kapitel 4.3.1.) oder stationär durchgeführt werden.
5.3.3.1. Ambulante medizinische Versorgung
Beschreibung
Zielgruppe
Ziele
Leistungsinhalte
132
Die ambulante medizinische Versorgung im Sinne der Früherkennung und Behandlung von
Komorbidität, ambulanter Entgiftung sowie Substitutionsbehandlung ist in einem bedarfsorientierten
kommunalen Suchthilfenetz ein wesentlicher Bestandteil. Fließende bzw. flexible Übergänge zwischen
ambulanter, teilstationärer und stationärer Behandlung sollten möglich sein.
 Personen mit substanzbezogenen Störungen
 Opiatabhängige nach erfolglosen Abstinenztherapien
 Substanzabhängige (die sich noch nicht in der chronischen Phase befinden), die eine Entgiftung
nach medizinischer Abklärung auf ambulantem Wege durchführen können
 Herstellung und Aufrechterhaltung des Kontakts zu nicht oder nur schwer erreichbaren Substanzabhängigen
 Information über Risiken und Vermeidung von Infektionen (Hepatitis, HIV) und anderen Erkrankungen
 Früherkennung von Krankheiten
 ärztliche und pflegerische Behandlung zur Minderung gesundheitlicher Folgeschäden
 Sicherung des Überlebens und Stabilisierung der Gesundheit
 Wiederherstellung der (Betäubungsmittel-)Abstinenz
Durchführung medizinischer Basisversorgung und notwendiger Untersuchungen
individuelle Beratung zum HIV-Antikörpertest, Hepatitis-Test
Substitutionsbehandlung
ambulante Entgiftungsbehandlung (mit Unterstützung von Medikamenten und Suchtakupunktur) bei
niedergelassenen Ärzten/-innen oder unter Anleitung eines Arztes bzw. einer Ärztin in der Beratungsstelle
 medizinische und therapeutische Behandlung in Institutsambulanzen




5.3.3.2. Stationäre medizinische Versorgung
Beschreibung
Zielgruppe
Ziele
Leistungen
Die stationäre medizinische Versorgung stellt einen wichtigen Teil im Suchthilfesystem dar. Suchtspezifische Krankenhausbehandlungen erfolgen voll- oder teilstationär. Unterschieden wird hierbei im Wesentlichen zwischen einer reinen Detoxikation und einer qualifizierten Entgiftungsbehandlung (siehe
Punkt a). Letztere kann aufgrund der dazu notwendigen Personalstruktur nur von psychiatrischen
Abteilungen/Kliniken durchgeführt werden.
Entgiftungsbehandlungen dauern, indikationsbezogen, von wenigen Tagen bis zu drei Wochen.
Während der Behandlung wird das Suchtmittel abgesetzt. Der Patient oder die Patientin steht in dieser
Zeit unter ständiger ärztlicher Behandlung und pflegerischer Betreuung. Eine qualifizierte Entgiftungsbehandlung zeichnet sich dadurch aus, dass die Entgiftung von motivierenden und psychosozialen
Leistungen begleitet wird. Insbesondere werden die Motivation zu einer abstinenten Lebensweise und
die Bereitschaft zu einer Entwöhnungsbehandlung (siehe Punkt b) gefördert.
a)
Entgiftung
 Menschen mit einer Abhängigkeitserkrankung, bei denen aufgrund einer Toleranzentwicklung bei
Substanzabsetzung mit relevanten Entzugserscheinungen zu rechnen ist (z. B. komatöse Zustände,
Delir, Krampfanfälle) sowie mit erheblichen psychiatrischen Komplikationen (z. B. Derealisation und
Depersonalisation im Benzodiazepinentzug)
 Suchtmittelabstinenz
 Motivation zur Inanspruchnahme suchtspezifischer Hilfen
 Überwindung des körperlichen Entzugssyndroms und Wiederherstellung der körperlichen und
psychischen Leistungsfähigkeit (Erwerbsfähigkeit)






Behandlung der durch das Suchtmittel verursachten somatischen Erkrankungen
Notfallbehandlung (z. B. Unfälle durch Suchtmittelmissbrauch)
ärztliche Behandlung unter Einbeziehung entzugserleichternder medizinischer Verfahren
Gruppen- und Einzelgespräche
Beschäftigungstherapie und Freizeitbeschäftigung
Vorstellung von SBB und Selbsthilfegruppen
Neben der S1-Regelbehandlung (auch qualifizierte Entgiftungs- und Motivationsbehandlung genannt) halten die psychiatrischen Kliniken mit suchttherapeutischer Station noch weitere Angebote für
ihre Patienten/-innen bereit. Nach der Psychiatrie-Personalverordnung sind dies die:
S2: Intensivbehandlung Abhängigkeitskranker inkl. Behandlung Drogenabhängiger (Delirbehandlung,
Krisenbewältigung)
S3: rehabilitative Behandlung inkl. Entwöhnungsbehandlung
S4: langandauernde Behandlung schwer- und mehrfachgeschädigter Abhängigkeitskranker
S5: Psychotherapie Abhängigkeitskranker
S6: tagesklinische Behandlung
Auch gibt es in Dresden die Möglichkeit zur stationären Behandlung von Essstörungen (Universitätsklinikum Dresden).
Zielgruppe
b)
Stationäre medizinische Rehabilitation
 Menschen mit einer Abhängigkeit von Alkohol, Medikamenten oder Drogen sowie Menschen, die
unter Verhaltenssüchten (Spielsucht, Ess-Brech-Sucht) leiden, bei denen:
- schwere Störungen auf seelischem, körperlichem oder sozialem Gebiet bestehen, die den Erfolg
einer ambulante Rehabilitation in Frage stellen,
- die Herausnahme aus dem pathogenen sozialen Umfeld erforderlich ist, um den Rehabilitationserfolg zu sichern,
- spezifische Leistungen zur Vorbereitung einer beruflichen Wiedereingliederung notwendig sind,
133
- keine stabile Wohnsituation vorhanden ist,
- erkennbar ist, dass die Fähigkeit zur aktiven Mitarbeit, zur regelmäßigen Teilnahme und zur Einhaltung des Therapieplans in Bezug auf die Anforderungen einer ambulanten Entwöhnung nicht
vorhanden ist,
- die Bereitschaft und Möglichkeit nicht gegeben ist, während einer ambulanten Entwöhnung abstinent zu leben. (Vgl. BAR 2006: 28).
 Angehörige und Personen des sozialen Umfeldes im Rahmen der Therapie der Rehabilitanden
Ziele
Leistungen
 Erarbeitung und Stabilisierung von Abstinenz-, Behandlungs- und Veränderungsmotivation
 Behebung oder Ausgleich von körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen
 möglichst dauerhafte Erhaltung bzw. Erreichung der Eingliederung in Arbeit, Beruf und Gesellschaft
Stationäre Entwöhnungsbehandlungen werden in speziellen Fachkliniken durchgeführt. In Sachsen
stehen für den Bereich illegale Drogen, Alkohol, Medikamente, pathologisches Glücksspiel / Internetsucht entsprechende Suchtfachkliniken mit ausreichenden Therapieplätzen zur Verfügung.15 Die stationäre Behandlung dauert in Abhängigkeit von der Indikationsstellung i. d. R. zwischen 3 und 9 Monaten,
bei Bedarf schließt sich eine Adaptionsbehandlung zur Unterstützung der Re-Integration an. Die Kosten
der Entwöhnungsbehandlung trägt entweder der zuständige Rentenversicherungsträger oder auch die
Krankenkasse bzw. der Sozialhilfeträger. Zu den therapeutischen Standardangeboten bei der Rehabilitation gehören neben der
 ärztlichen Behandlung insbesondere
 Gruppen- und Einzeltherapie
 Angehörigenarbeit (Paar- und Familiengespräche)
 Seminare und indikative Gruppenangebote
 nonverbale Therapieformen (Kunst- und Musiktherapie)
 Arbeits- und Beschäftigungstherapie
 Sport- und Bewegungstherapie
15
Eine Übersicht über vorhandene Suchtfachkliniken in Sachsen bietet das Adressverzeichnis “Wege aus der Sucht” der Sächsischen Landesstelle gegen die Suchtgefahren e.V. unter www.suchthilfe-sachsen.de. In Dresden existieren keine entsprechenden
Einrichtungen.
134
5.3.3.3. Bewertung des Versorgungsstandes und Handlungsempfehlungen
Grundprinzip
Bewertung des Versorgungsstandes
Handlungsempfehlungen
1
Gleichstellung psychisch und somatisch
erkrankter Menschen
 Versorgung der chronischen Abhängigkeitskranken und CMA-Patienten/innen z. B. in den Hausarztpraxen nicht ausreichend bzw. ablehnend
 mangelndes suchtmedizinisches Wissen bei den Hausärzten/-innen
 zu wenig suchtmedizinisch ausgebildete Ärzte/-innen und Fachärzte/-innen
 oftmals Stigmatisierung von Betroffenen
 suchtspezifische Fortbildung des medizinischen Personals
2
gemeindenahe Versorgung






3
ambulant vor stationär
 keine qualifizierte Entzugsbehandlung in städtischen Krankenhäusern für
Drogenabhängige
 wenig S2-S5-Behandlungen in den städtischen Krankenhäusern angeboten
 wenig niedergelassene Psychiater/-innen mit suchtmedizinischem Wissen
 bei stationärem Psychotherapiebedarf lange Wartezeiten
 Substitution wird nur durch eine Arztpraxis geleistet
 keine Angebote für Menschen mit einer Suchterkrankung mit Doppeldiagnosen oder schweren Persönlichkeitsstörungen vorhanden
 keine teilstationären Angebote (S6 / Tagesklinik) für die Rehabilitation
vorhanden
 ambulante Reha wird durch vier SBB angeboten, aber nicht für Jugendliche
unter 18 Jahren
 lange Wartezeiten bei weiterführendem psychotherapeutischem Bedarf (zur
Sicherung des Behandlungserfolgs)
4
5
niedrigschwelliger Zugang
Umorientierung zu personenzentriertem
Versorgungssystem
 in Arztpraxen, Krankenhäusern und Kliniken nicht möglich
 wird durch unterschiedliche Leistungsträger in der Behandlungskette
erschwert
6
Kooperation
 zur Vermeidung von „Drehtüreffekten“: gemeinsame QZ
 Fachärzte/-innen (z. B. Gynäkologen, Zahnärzte) und Hebammen mit suchtmedizinischem Wissen ausstatten
 gesicherte Kooperation mit entsprechenden „Ärztelisten“ schaffen
 Vernetzung mit Hausärzten/-innen und Fachärzten/-innen befördern
7
Förderung der Kontinuität
 innerhalb der PSAG
 durch Informationsgruppen der SBB in den Krankenhäusern
 gemeinsame Qualitätszirkel (QZ) zwischen stationären und ambulanten
Einrichtungen fehlen
 Kooperation zwischen psychiatrischen Kliniken und SBB gut geregelt
 wenig Kooperationsmöglichkeiten mit niedergelassenen Ärzten/-innen
 durch Leistungsträger (GKV und DRV) gegeben
8
9
Stärken der Selbstbestimmung
Hilfepotenzial der Angehörigen
 Einbeziehung der Angehörigen in der ambulanten und stationären Rehabili-
 Psychoedukation sowie regelmäßige Angehörigen- und Familiengespräche sind durchzuführen
S1-Regelbehandlung für Drogenabhängige sowie für unter 18-Jährige einführen
die S2-S5-Behandlung ist auszubauen
Verkürzung der Wartezeiten bei psychiatrischer Mitbehandlung
Erhöhung der Aufnahmekapazität im stationären psychotherapeutischen Bereich
mehr niedergelassene Ärzte für Substitutionstherapie
gezielte Angebote für Doppeldiagnose-Patienten/-innen schaffen
 Aufbau einer Tagesklinik für Abhängigkeitskranke
 ambulante/teilstationäre Suchttherapie für unter 18-Jährige ist anzubieten (Leistungsträger:
Jugendhilfe / GKV)
 Substitutionsambulanz aufbauen
 bei Bedarf schnellere Vorstellung bei niedergelassenen Psychotherapeuten/-innen, um z. B. eine
erneute Klinikeinlieferung zu vermeiden
 flexible Übergänge zwischen ambulanten und stationären Settings schaffen
 keine weiteren finanziellen Kürzungen, die sich auf Dauer und Qualität der medizinischen Behandlung/Rehabilitation auswirken, da auch so „Drehtüreffekte“ bzw. keine nachhaltige Wirkung
135
10
Qualitätssicherung
11
12
Zwangsmaßnahmen vermeiden
geschlechtsspezifische Differenzierung
der Angebote
13
Planung und Steuerung in regionaler
Verantwortung
136
tation vorhanden, jedoch unzureichend
 über GKV und DRV
 nicht vorhanden
5.3.4. Soziale Wiedereingliederung
Eine Suchterkrankung geht oft mit erheblichen gesundheitlichen Schädigungen, Vernachlässigung der
Selbstfürsorge und zunehmendem sozialen Rückzug einher. Wichtige soziale, berufliche oder FreizeitAktivitäten werden aufgrund des Suchtmittelkonsums aufgegeben oder eingeschränkt. Bei langjähriger
Abhängigkeit und/oder ausgeprägter Suchtproblematik fallen die psychischen, physischen und sozialen
Schädigungen umso massiver aus.
Im Zuge der medizinisch-therapeutischen Behandlung einer Suchterkrankung stehen die Entwicklung, Erprobung und Verankerung suchtmittelfreier Handlungsweisen im Lebensalltag und -umfeld des
Betroffenen im Vordergrund. Um diese Ziele realisieren zu können, ist oft eine drastische Umgestaltung
von bisherigen Lebensgewohnheiten und -bedingungen notwendig. Fast immer erfordert diese Neuorientierung ein Umdenken des Betroffenen hin zu mehr Übernahme von Eigenaktivität, Selbstverantwortung und gesundheitsbewusstem Handeln. Ein Teil der Menschen mit Suchterkrankung benötigt während der Motivations-, Behandlungs- und Nachsorgephase daher zusätzliche Unterstützung.
Hier setzen Maßnahmen zur sozialen Wiedereingliederung an. Diese „werden auf vielfältige Weise
geleistet: als Unterstützung bei der Freizeitgestaltung und dem Aufbau von Beziehungen, als Betreutes
Wohnen und wohnungssichernde Hilfe, als Vermittlung und begleitende Beratung und Betreuung in
schulische und berufliche Bildungsmaßnahmen, als Vermittlung und begleitende Beratung und Betreuung in Arbeit und Beschäftigung, als Krisenintervention und Rückfallprophylaxe“ (Türk/Kröger 1999: 60).
Ziele der Integrationsmaßnahmen sind dabei, die Klienten/-innen zu motivieren und zu unterstützen,
sich mit den Anforderungen des Alltags auseinander zu setzten und sie konstruktiv zu bewältigen. In
diesem Handlungsfeld kommt dem Case Management als einer Arbeitsform für die einrichtungsübergreifende Beratung und Betreuung eine sehr bedeutsame Rolle zu.
5.3.4.1. Wohnhilfen
Beschreibung
Zielgruppe
Wohnhilfen für Menschen mit einer Abhängigkeitserkranung bieten Unterstützung bei der Bewältigung
alltäglich notwendiger Belange, Tagesstrukturierung und soziale Einbindung mit dem Ziel der gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Sie umfassen Angebote im Spektrum von Notschlafstellen, Motivationswohnen bis hin zu verschiedenen Formen des betreuten Wohnens in der Nachsorge.
 abhängig vom jeweiligen Angebot
Ziele
in Abhängigkeit vom jeweiligen Angebot
 Festigung der Abstinenz
 Stärkung der Therapiemotivation
 Stabilisierung nach erfolgter Behandlung und Reintegration in ein selbstständiges Leben (Alltagsstrukturierung, Wohnen, Beschäftigung)
 Training sozialer Kompetenzen und Erlernen eines Umgangs mit der Suchterkrankung im Alltag
 Unterstützung/Betreuung/Begleitung chronisch Abhängiger zur Stabilisierung und Vermeidung eines
weiteren sozialen Abstiegs und/oder gesundheitlicher Schäden
Leistungen
1. stationäre Angebote
 Wohngruppe „T 6“ der RaSop gGmbH
- für Menschen mit einer Suchterkrankung und Verhaltensauffälligkeiten nach Entzugsbehandlung
oder abgebrochener Therapie im Alter von 14 bis 27 Jahren, auch mit Doppeldiagnose
- 5 Plätze
 Wohngruppe „L 26“ der RaSop gGmbH
- für Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 17 und 27 Jahren nach erfolgreich abgeschlossener Entwöhnungstherapie oder auch Adaptionsbehandlung
- 5 Plätze
137
 Wohnprojekt „Ufer“ der Suchtzentrum Leipzig gGmbH
- für nicht abstinente, chronisch mehrfachgeschädigte Männer und Frauen mit einer Abhängigkeitserkrankung aller Altersgruppen, die nicht in der Lage sind, selbstständig zu leben
- 28 Plätze
 Übernachtungs- und Notunterkunft „Anker“ der Suchtzentrum Leipzig gGmbH
- das Angebot richtet sich u. a. auch an wohnungslose alkoholkranke Männer und Frauen, bei denen in unterschiedlicher Ausprägung Schwierigkeiten bei der Bewältigung des Alltags bestehen
2. ambulante Angebote
 ambulante Eingliederungshilfe der RaSop gGmbH
- für junge Menschen im Alter von 17 bis 27 Jahren nach erfolgreich absolvierter Entwöhnungsbehandlung (Drogen oder Alkohol), auch mit Doppeldiagnose
- Betreuung im eigenen oder angemieteten Wohnraum der RaSop
 ambulante Eingliederungshilfe für junge Familien der RaSop gGmbH
- für Väter und Mütter nach erfolgreich abgeschlossener Entzugsbehandlung im Alter von 16 bis
27 Jahren mit ihren Kindern
 ambulant betreutes Wohnen der Suchtzentrum Leipzig gGmbH
- für abstinent lebende und abstinenzorientierte Menschen
- 24 Betreuungsplätze
 ambulant betreutes Einzelwohnen für Menschen mit einer chronischen psychischen Erkrankung
oder Doppeldiagnose (psychische Erkrankung und Suchterkrankung) der GESOP gemeinnützige
GmbH
- Voraussetzung: Abstinenzfähigkeit und -motivation vorhanden
5.3.4.2. Arbeits- und Beschäftigungsangebote und -projekte
Beschreibung
Zielgruppe
138
Arbeit bzw. Beschäftigung ist ein wichtiger Faktor für eine zufriedene Lebensweise aufgrund der Sinngebung, der sozialen Einbindung und der tagesstrukturierenden Funktion. 51,6% der Menschen mit
Suchterkrankung in den sächsischen Beratungsstellen sind arbeitslos, 14,9% sind berentet oder sonstige Nichterwerbspersonen und nur 33,5% gehen einer Erwerbsarbeit nach. (Vgl. Pfeiffer-Gerschel 2010)
Zum Teil wurde der Arbeitsplatz durch den Suchtmittelkonsum verloren, zum Teil begann der exzessive
Konsum erst in Folge des Arbeitsplatzverlustes. Fortgesetzter Suchtmittelkonsum wiederum ist ein
ernstes Vermittlungshemmnis bei dem Versuch der Wiedererlangung einer Arbeitsstelle.
Qualifizierte Arbeits- und Beschäftigungsprojekte können für Betroffene ein Anreiz sein, das Suchtproblem zu bearbeiten und zu bewältigen, um wieder eine berufliche Perspektive zu finden. Häufig
muss aufgrund der langen Arbeitslosigkeit und der körperlichen Konsumfolgen das Arbeiten erst wieder
erlernt werden (Ausdauer, Konzentration, Leistungsfähigkeit, Teamfähigkeit). In manchen Fällen ist eine
Umschulung notwendig, weil ein offener Umgang mit Alkohol oder körperliche Anforderung des jeweiligen Berufs für den Betroffenen nicht mehr zumutbar sind. Nach erfolgreicher Bearbeitung des Suchtproblems hat Arbeit bzw. Beschäftigung eine sehr wichtige stabilisierende Funktion für die Fortdauer
der Abstinenz.
Damit Arbeits- und Beschäftigungsprojekte wirksam sein können, ist die Einhaltung spezifischer
Qualitätsstandards unbedingt erforderlich. Aus diesem Grund haben die Leiterinnen und Leiter der
Dresdner Suchtberatungsstellen allgemeine Qualitätsanforderungen an Arbeitsprojekte für Menschen
mit Suchterkrankung formuliert. Hierzu gehören beispielsweise transparente Rückfallbearbeitungskonzepte, individuelle Vereinbarungen zur parallelen Bearbeitung der Suchtmittelproblematik und das
Abstinenzgebot am Arbeitsplatz. Bei Nicht-Einhaltung dieser Anforderungen kann ein Beschäftigungsprojekt die Konsumphase verlängern und die Behandlungsmotivation reduzieren oder zu einem Rückfall
führen.
 abhängig vom jeweiligen Angebot
Ziele
Leistungen




abhängig vom jeweiligen Angebot
Unterstützung bei der erfolgreichen Bewältigung des Suchtmittelproblems
Heranführung an den 1. Arbeitsmarkt
Verhinderung weiterer sozialer und körperlicher Folgeschäden
1. Beschäftigungsprojekte für Menschen mit einer Suchterkrankung nach erfolgreicher Entwöhnungsbehandlung
- für abstinent lebende Menschen mit Suchterkrankung nach Entwöhnungsbehandlung
- zur Stabilisierung der Abstinenz
- zur Unterstützung der Wiedereingliederung in den 1. Arbeitsmarkt
- Alkohol- und Drogenverbot am Arbeitsplatz
- verbindliche Regelungen bei Rückfällen
- Projektbetreuer mit suchtspezifischem Erfahrungshintergrund
- Arbeitsgelegenheiten (1,75€-Job) – Anbieter derzeit nur INTHIS-Diakoniewerkstatt mit 12 Plätzen
- geringfügige Beschäftigung – Anbieter derzeit nur INTHIS mit ca. 8 Plätzen
2. Beschäftigungsprojekte für Menschen mit einer Suchterkrankung in der Motivationsphase
- für Betroffene mit Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit dem Suchtmittelkonsum
- für Betroffene in Therapievorbereitungszeit
- zur Klärung/Erlangung der Ausbildungs-/Arbeitsfähigkeit
- zur Tagesstrukturierung und Aufrechterhaltung der Kontakte zur SBB
- zur Stabilisierung und Vorbereitung einer Entwöhnungsbehandlung
- Alkohol- und Drogenverbot am Arbeitsplatz
- Projektbetreuer mit suchtspezifischem Erfahrungshintergrund
- Arbeitsgelegenheiten (1,75€-Job) - Personen aus dieser Gruppe werden von dem Jobcenter in
das INTHIS Projekt (siehe unter Punkt 1.) vermittelt
3. Beschäftigungsprojekte zur Problemdiagnostik
- für Kunden des Jobcenters mit offensichtlichem oder vermutetem Suchtproblem, die keine Problemeinsicht haben und eine Vermittlung in das Suchthilfesystem ablehnen
- zur Erprobung der Auswirkung des Suchtmittelkonsums auf die Arbeitsfähigkeit
- zur Herstellung von Krankheitseinsicht und Behandlungsbereitschaft
- zur Heranführung an das Suchthilfesystem
- Alkohol- und Drogenverbot am Arbeitsplatz
- Projektbetreuer/-in mit suchtspezifischem Erfahrungshintergrund
- Arbeitsgelegenheiten (1,75€-Job)
4. Beschäftigungsprojekte für konsumierende Menschen mit einer Suchterkrankung
- für (im öffentlichen Raum) konsumierende Menschen mit Suchterkrankung ohne Behandlungsbereitschaft
- zur Heranführung an das Suchthilfesystem
- zur Tagesstrukturierung und Reduzierung der Konsummenge
- zur gesundheitlichen Stabilisierung und Feststellung der Arbeitsfähigkeit
- Beschäftigung mit leichten Tätigkeiten auch bei einer Intoxikation bis zu 1 Promille
- Aufwandsentschädigung wird täglich nach der Arbeit bar ausgezahlt
- Projektbetreuer/-in mit suchtspezifischem Erfahrungshintergrund
- Arbeitsgelegenheiten – in Dresden bisher keine Projektförderung
5. Umschulung und berufliche Wiedereingliederungsleistungen
- für abstinent lebende Menschen mit einer Suchterkrankung (nach einer Entwöhnungsbehandlung), die keine Ausbildung haben, in ihrem bisherigen Beruf nicht mehr arbeiten können oder
schwer vermittelbar sind
- zur Wiedereingliederung in den 1. Arbeitsmarkt
- Ausbildung, Umschulung, Weiterbildung
- anteilige Förderung der Lohnkosten bei einem zukünftigen Arbeitgeber
- durch Berufsbildungs- und Berufsförderungswerke, Integrationsämter (Integrationsprojekte),
Werkstätten
139
5.3.4.3. Bewertung des Versorgungsstandes und Handlungsempfehlungen
Grundprinzip
Bewertung des Versorgungsstandes
Handlungsempfehlungen
1
Gleichstellung psychisch und somatisch
erkrankter Menschen
 Werkstattplätze nicht vorhanden – sind auf Arbeitsgelegenheiten (AGH) angewiesen
 („nur“) Suchterkrankung ist oft Ausschlusskriterium für Aufnahme in Wohnprojekte
 Werkstattplätze für stärker beeinträchtigte Betroffene könnten sinnvoll sein
 konzeptionelle Überarbeitung/Erweiterung/Öffnung von Wohnprojekten
2
gemeindenahe Versorgung
 neue finanzielle Grundlage für Arbeitsprojekte (für jede Zielgruppe s. o. Leistungen)
schaffen
 Erweiterung der Versorgungsstruktur von Wohnformen, z. B.:
- Einrichtung für abstinente CMA-Suchtkranke sowie für nichtabstinente pflegebedürftige
CMA-Patienten/-innen schaffen
- Erhöhung der Aufnahmekapazität von abW (z. B. im Wohnverbund oder Familien der
GESOP gemeinnützige GmbH)
- betreutes Wohnen für Substituierte (Eltern mit Kindern)
- Klärung der Kostenübernahme für Drogenscreenings (insb. bei Jugendlichen und Mutter-Kind Wohnen)
- Absicherung der Finanzierung des stationär betreuten Wohnens im Drogenbereich
- Betreuung junger psychisch und suchterkrankter Menschen mit tagesstrukturierenden
Angeboten ermöglichen
- Aufbau der geplanten Sozialtherapeutischen Wohnstätte in Dresden-Klotzsche (u. a.
mit Konzept für erwachsene Menschen mit Doppeldiagnose Sucht und Psychose)
3
ambulant vor stationär
4
niedrigschwelliger Zugang
 Arbeiten: es gibt zu wenige Arbeitsprojekte für Menschen mit einer Suchterkrankung:
- DD hält nur ein Projekt für abstinente Menschen mit Alkoholabhängigkeit vor,
dessen Finanzierung bedroht ist
- keine Arbeitsprojekte für Drogen konsumierende (bzw. drogencleane) Jugendliche
- keine Arbeitsprojekte für Substituierte
 Wohnen: es gibt zu wenige Wohnformen für Menschen mit einer Suchterkrankung:
- keine „trockene“ CMA-Einrichtung in DD (alle außerhalb mit langen Anfahrtswegen)
- keine Pflegeeinrichtung für nichttrockene CMA-Patienten/-innen
- zu wenige Plätze im ambulant betreuten Wohnen (abW)
- keine Wohnprojekte für Substituierte, die im Behandlungskontext stehen
- Kostenübernahme von Drogenscreenings im stationären/ambulanten Wohnen
und bei Elternschaft ungeklärt, aber als Kontrollmechanismus wichtig
- spezielle Angebote für junge Menschen mit einer psychischen und Suchterkrankung sind unzureichend
- Versorgungslücke im abW für Menschen mit Doppeldiagnose
 bezüglich Arbeit nicht relevant
 dem Prinzip ambulant vor stationär wird im Bereich Wohnen nicht Rechnung
getragen (zu wenige Angebote, andere Prioritätensetzung von Leistungsträgern?)
 Arbeitsprojekte im Drogenbereich und für konsumierende Menschen mit einer
Suchterkrankung fehlen
 z. T. komplizierte, langwierige Beantragungswege und -zeiten, Unklarheiten der
Zuständigkeit von Leistungsträgern bei der Wiedereingliederung in Arbeit
5
Umorientierung zu personenzentriertem
Versorgungssystem
 Arbeitsprojekte für Menschen mit einer Suchterkrankung genügen zumeist den
Qualitätskriterien nicht
 Arbeitsprojekte nach den o. g. Zielgruppen (unter Leistungen) einrichten
6
Kooperation
 vorhanden zwischen Anbietern von Arbeitsprojekten und Jobcenter; SBB werden
nur teilweise informiert
 Verbesserung der Zusammenarbeit auch durch Gremientreffen zwischen Jobcenter und
SBB
140
 Verbesserung des Prestiges ambulanter Hilfen zur Sicherung der Finanzierung
 Arbeitsprojekte im Drogenbereich und für konsumierende Menschen mit einer Suchterkrankung einrichten
 Beschäftigungsprojekte mit Zuverdienstmöglichkeit einrichten
 Vereinfachung von Beantragungswegen
7
Förderung der Kontinuität
8
Stärken der Selbstbestimmung
 im Bedarfsfall zwischen Anbietern von Wohnformen und Suchthilfesystem vorhanden
 INTHIS bietet geeignete Arbeitsgelegenheiten und vermittelt auf den 1. Arbeitsmarkt
 abhängig von Finanzierung
 Einbezug der SBB und Gesundheitsbehörden (Begutachtung) durch gezielte
Klientenvermittlung
 Finanzierung der Projekte von INTHIS erhalten und eher auf Arbeitsgelegenheiten für
andere Zielgruppen ausbauen
 Sicherung der Finanzierung, Erschließung neuer Fördermittel
 Arbeit stärkt die innere Motivation und die finanziellen Möglichkeiten eines selbstbestimmten Lebens
 Ziel aller Wohnformen ist die Befähigung zur gleichberechtigten, selbstbestimmten
und aktiven Teilnahme am gesellschaftlichen Leben
 bei Arbeit nicht relevant
 Ausbau von Arbeitsangeboten für Menschen mit einer Suchterkrankung
 sollten von allen Anbietern und den Leistungsträgern berücksichtigt werden
 Ausbau von Wohnformen für hilfebedürftige Menschen mit einer Suchterkrankung
9
Hilfepotenzial der Angehörigen
10
Qualitätssicherung
11
Zwangsmaßnahmen vermeiden
 formulierte Qualitätsstandards sind für Arbeitsprojekte und Wohnformen vorhanden
 bei Arbeit und Wohnen nicht relevant
12
geschlechtsspezifische Differenzierung
der Angebote
 bisher gibt es weniger Arbeitsgelegenheiten für betroffene Frauen als für Männer
 geschlechtsspezifische Wohnformen gibt es in DD nicht
 Einrichtung geschlechtsspezifischer Arbeitsgelegenheiten
 Einrichtung geschlechtsspezifischer Wohnformen gegenwärtig nicht relevant
13
Planung und Steuerung in regionaler
Verantwortung
 für den Bereich Arbeit erfolgt dies über das Jobcenter
 stärkere Einbeziehung der Suchtberatungsstellen
141
5.4. Selbsthilfegruppen
Beschreibung
Zielgruppe
142
Neben den ambulanten und stationären (professionellen) Beratungs-/Behandlungs-, und Betreuungsangeboten fungiert die Selbsthilfe als gleichwertige dritte Säule im System der Suchthilfe. Sie leistet
einen wesentlichen Beitrag bei der Motivation zur Veränderung und Stützung der Abstinenz von Betroffenen. In Dresden existieren derzeit ca. 30 Gruppen. Neben der dominierenden Zahl von Selbsthilfegruppen für alkoholbedingte Abhängigkeitserkrankungen etablieren sich zunehmend SHG für andere
Abhängigkeitserkrankungen bzw. für spezielle Zielgruppen. Die Vermittlung in die Gruppen erfolgt über
die Suchtberatungsstellen und die Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen KISS in Dresden (siehe Kapitel 6). Letztere gibt einen Flyer heraus, der in öffentlichen Einrichtungen ausliegt. Aber
auch Kliniken bauen den Besuch einer Selbsthilfegruppe in die Entgiftungs- bzw. Entwöhnungsbehandlung ein.
Die Selbsthilfegruppen werden finanziell von den Krankenkassen, Rentenversicherungen und der
Landeshauptstadt Dresden unterstützt und finden Hilfe und Beratung in den Suchtberatungsstellen. So
werden beispielsweise geeignete Räume zur Verfügung gestellt oder Gruppenverantwortliche qualifiziert. Wichtig hierbei ist, dass die Autonomie der Gruppen gewahrt wird.
 Klienten/-innen der Beratungsstellen
 Bezugspersonen und Angehörige von Betroffenen
Ziele




Leistungen




Förderung individueller Kompetenzen zur Bewältigung der Abhängigkeitsproblematik
Erleichterung der privaten und beruflichen (Wieder-)Eingliederung
Aufbau und Unterstützung der Abstinenzkultur
Förderung der Selbstständigkeit
Erstkontakt, Beratung und Motivation zur Inanspruchnahme von Hilfen
Eröffnung des Zugangs zu einem abstinenten sozialen Umfeld
Befriedigung des Bedürfnisses nach Verständnis
Austausch mit anderen betroffenen Menschen über Erfahrungen in der Auseinandersetzung mit der
Suchterkrankung
 Angehörigengruppen
 enge Zusammenarbeit mit professionellen Angeboten
5.4.1. Bewertung des Versorgungsstandes und Handlungsempfehlungen
Grundprinzip
Bewertung des Versorgungsstandes
Handlungsempfehlungen
1
Gleichstellung psychisch und somatisch
erkrankter Menschen
 Struktur der Begleitung von SHG durch die KISS sollte weiter erhalten und bei
Bedarf ausgebaut werden
2
gemeindenahe Versorgung
 Finanzierung ist bei Menschen mit einer Suchterkrankung anders geregelt als bei somatisch
erkrankten Menschen (SHG von Suchtkranken werden zusätzlich von Krankenkassen gefördert)
 wird von der KISS gut gemanagt
 SHG sind gut verteilt und in allen Stadtgebieten gut erreichbar
3
ambulant vor stationär
4
niedrigschwelliger Zugang
5
6
Umorientierung zu personenzentriertem
Versorgungssystem
Kooperation
7
Förderung der Kontinuität
8
Stärken der Selbstbestimmung
 Gruppen sind selbstbestimmt
 SHG lebt von ehrenamtlicher Arbeit, wird durch die Bürgerstiftung honoriert
 wenig Mitspracherecht im „professionellen“ Hilfesystem z. B. als krisenerfahrene Mitarbeiter





9
10
Hilfepotenzial der Angehörigen
Qualitätssicherung
 es gibt Gruppen speziell für Angehörige
 es besteht ständiger Kontakt zu den SBB
 SHG für Eltern drogenkonsumierender Jugendlicher einrichten
 Angebote für Fallgespräche und Problembesprechungen bereithalten
11
12
Zwangsmaßnahmen vermeiden
geschlechtsspezifische Differenzierung der
Angebote
 Gruppen sind autonom
 spezielle Gruppen für Männer fehlen
 es gibt eine Gruppe nur für Frauen
13
Planung und Steuerung in regionaler
Verantwortung
 über KISS gut gewährleistet
 die Gruppen in ihrer Selbstständigkeit ermutigen und wertschätzen
 Schaffung von Rahmenbedingungen für neue, geschlechtsspezifische Gruppengründungen
 Unterstützung gewährleisten
 Erhaltung und Unterstützung der KISS
 SHG dienen der Stabilisierung der Abstinenz und reduzieren so das Risiko von wiederholten stationären Aufenthalten
 Flyer mit Treffpunkten sind weit gestreut, die Treffpunkte sind gut erreichbar
 Zugang ist unterschiedlich geregelt (vorheriges therapeutisches Einzelgespräch oder jeder
kann kommen, die Gruppe ist autonom)
 spezielle Zielgruppen wie Menschen mit Drogenproblematik, Medien- oder Onlinespielsucht
sind unterrepräsentiert
 SHG kooperieren mit Entgiftungsstationen und Entwöhnungskliniken und stellen ihre Angebote vor
 SHG werden von den SBB unterstützt (Podium für den Austausch, Fallgespräche etc.)
 SHG treffen sich wöchentlich (Angehörige einmal im Monat)
 Unterstützung bei der Suche nach Treffpunkten (Räumen) gewährleisten
 Öffnung der Gruppen für Interessierte aus der Gemeinde (z. B. durch einen
„Tag der offenen Tür“)
 Zugangshindernisse abbauen
 Zugang vereinheitlichen
 Schaffung von Rahmenbedingungen für neue Gruppengründungen
 Unterstützung gewährleisten
 als Betroffenenvertretung mit in Hilfeplankonferenzen einbeziehen
Rahmenbedingungen für verlässliches Angebot erhalten
Unterstützung bei Wechsel von Verantwortlichkeiten bereithalten
Unterstützung durch SBB und KISS muss gewährleistet sein
System der Wertschätzung ehrenamtlicher Arbeit ausbauen
stärkerer Einbezug von Vertretern aus der Selbsthilfe in die Struktur des
„professionellen“ Suchthilfesystems (z. B. in die Betreuung)
143
5.5. Institutionelle Arbeit (Koordination und Kooperation)
Beschreibung
Zielgruppe
Die Arbeit der Suchthilfe erfordert in einem sehr hohen Maße eine enge institutionelle Kooperation. Die
Vernetzung unterschiedlicher Arbeitsfelder, Professionen und Hilfestrukturen ist notwendig, damit
differenzierte Hilfeprozesse durch rechtzeitige und angemessene Interventionen möglich sind. Sie trägt
ebenso dazu bei, dass vorhandene Ressourcen besser genutzt und finanzielle Aufwendungen gering
gehalten werden können.
Auch die Mitwirkung bei sozialpolitischen Meinungsbildungen in der Öffentlichkeit und bei Entscheidungsträgern auf städtischer, Landes- und Verbandsebene gehört zu diesem Aufgabenbereich. Mit
einer qualifizierten Öffentlichkeitsarbeit können Betroffene, (psycho-)soziale Dienste, medizinische
Einrichtungen, weitere Kooperationspartner und auch die Medien erreicht werden.
 alle im Wirkungskreis der Suchthilfe tätigen Institutionen und Dienste sowie Kooperationspartner
und Leistungsträger
 Öffentlichkeit
 Entscheidungsträger in Verwaltung und Politik
Ziele









effiziente Versorgung der Betroffenen durch aktuelle Information über das kooperierende Feld
bedarfsgerechte Koordination der Versorgungsdienste
Bedarfsfeststellung und Bedarfsplanung
Weiterentwicklung hoher Fachlichkeit und effektiver Vernetzung
Qualitätssicherung und -kontrolle
konzeptionelle Weiterentwicklung der Angebote
Interessenvertretung
Vermittlung qualitativ hochwertiger Informationen an Klientel, Fach- und allgemeine Öffentlichkeit
Abstimmung mit und zwischen den Trägern und Einrichtungen der Suchthilfe sowie vorhandener
Arbeitskreise, Gremien und Zirkel
Leistungen





Beratung der Leiter/-innen der SBB
Unterarbeitsgruppe „Sucht“ der PSAG
Arbeitskreis „Illegale Drogen Dresden“ (Kooperationsvereinbarung „Drogenhilfe Dresden“)
Arbeitskreis „Suchtprävention Dresden“
Qualitätszirkel der SBB („Psychosoziale Betreuung bei Substitution“ und „Kindeswohlsicherung in
der Arbeit mit Suchtkranken“)
Erfahrungsaustausch mit Kliniken
Schulungen für Mitarbeiter/-innen des Jobcenters zur bestehenden Handakte Suchtberatung
Facharbeitsgemeinschaft Erzieherischer Kinder- und Jugendschutz
trägerspezifische Fachausschüsse
Fachausschüsse der Sächsischen Landesstelle gegen die Suchtgefahren e. V.
Fachausschuss Psychiatrie/Sucht der Stadtliga
jährliche Berichterstellung zu Entwicklungen im Bereich der Suchtkrankenhilfe und Suchtprävention
der Stadt Dresden durch die Suchtbeauftragte
Initiierung und Durchführung von Fachtagungen
Gremienarbeit
Nutzung eines einheitlichen Dokumentationssystems (Bado-K) zur Qualitätskontrolle










144
5.5.1. Handlungserfordernisse
Grundprinzip
Bewertung des Versorgungsstandes
Handlungsempfehlungen
1
Gleichstellung psychisch und somatisch erkrankter Menschen
 durch Vernetzung werden Diagnosen nicht getrennt, sondern gleichgestellt
 Steuerung auf administrativer Ebene notwendig, um zu klären, wann spezifische
Projekte/Hilfen notwendig sind und wann übergreifende
2
gemeindenahe Versorgung
 gemeindenahe Vernetzung in der Praxis effizienter (betrifft insbes. Bereiche wie Wohnen,
Arbeit, gerichtlich/sozialpädagogisch Betreuung, Jugendhilfe usw.)
 Strukturen waren in der Vergangenheit in einigen Bereichen bereits besser entwickelt (z.B.
stationäres Wohnen für Doppeldiagnose-Patienten/-innen, Arbeit- und Beschäftigungsmaßnahmen für Jugendliche und junge Erwachsene)
 durch gute Vernetzung werden langwierige stationäre Behandlungen vermieden bzw. verkürzt
 durch gute Kooperationen wird für Betroffene der Zugang zum Hilfesystem erleichtert und
verbindlicher
 je besser Kooperation und Vernetzung umgesetzt werden, umso besser können individuelle
Hilfepläne im Sinne der Klienten erstellt werden
 dies wird realisiert durch Hilfeplangespräche, Fallkonferenzen, Fallsteuerungs- und
Übergabegespräche
 vorhandene Strukturen sind zu halten und qualitativ weiterzuentwickeln
 bereits vorhanden gewesene Strukturen sind wieder aufzubauen
3
ambulant vor stationär
 Kooperation zwischen Suchthilfe und stationären Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen sowie Krankenhäusern ist zu verbessern
 diese Kooperation ist im Sinne der Patienten/-innen weiter auszubauen
4
niedrigschwelliger Zugang
5
Umorientierung zu personenzentriertem Versorgungssystem
6
Kooperation
 Arbeitskreise und Gremien sind vielfältig vorhanden
 Kooperation erfolgt im weiteren Sinne, da viele Kooperationspartner der Sucht in ihren
überregionalen Trägern fest verankert sind
 aufzubauen und weiterzuentwickeln sind Gremien mit Suchthilfe und Leistungsträgern wie Jugendamt (Jugendberufshilfe), Jobcenter, Sozialamt, Krankenkassen
und Rentenversicherungsträgern
7
8
Förderung der Kontinuität
Stärken der Selbstbestimmung
 Arbeitskreise und Gremien treffen sich regelmäßig
 je besser Kooperation erfolgt, umso besser ist die Eigenverantwortung der Klienten/-innen
einschätzbar und kann als Grundlage dienen und gefördert werden
 dies erfolgt gegenwärtig ebenfalls über Hilfepläne, Fallkonferenzen und Fallsteuerungsgespräche
 Überprüfung der Zeit- und Teilnehmerstruktur
9
Hilfepotenzial der Angehörigen
 durch gute Kooperationsbeziehungen wird Angehörigen ebenso der Zugang zum Hilfesystem
erleichtert
10
Qualitätssicherung
 Unterstützung von Leistungsträgern bei der Fachaufsicht zur Einhaltung von
Standards bei vorausgehender Vernetzung und Gremienarbeit
 Kooperationsvereinbarung Jugendhilfe/Suchthilfe/Gesundheitshilfe ist anzustreben
11
Zwangsmaßnahmen vermeiden
 Kooperationsvereinbarung „Drogenhilfe Dresden“ legt Qualitätsstandards fest
 Jugend- und Drogenberatungsstelle unterstützt Jugendamt bei Fachaufsicht für suchtspezifische Jugendhilfen
 Qualitätssicherung gemeindenah ist effizienter überprüfbar
 durch gute Kooperation/Vernetzung können und konnten Zwangsmaßnahmen vermieden
werden
12
geschlechtsspezifische Differenzie-
 geschlechtsspezifische Angebote sind untereinander bekannt und vernetzt, nur so ist indivi-
 Aktualisierung sollte laufend erfolgen
 institutions- und trägerübergreifende Hilfen, welche über Hilfeplankonferenzen
gesteuert werden, sind zu erweitern und auszubauen (dies v. a. bei Menschen mit
multiplen Problemlagen)
 Verbesserung im Bereich Kinder- und Jugendhilfe notwendig
145
13
146
rung der Angebote
Planung und Steuerung in regionaler
Verantwortung
duelle Weitervermittlung möglich
 durch Suchtbeauftragte/r gewährleistet
 Suchtbeauftragtenstelle weiter sichern und stärken
5.6. Exkurs: Betreuung von Suchtmittel konsumierenden und substituierten Schwangeren und
Eltern mit Kindern
Beschreibung
Zielgruppe
Bei Suchtmittel konsumierenden und substituierten Schwangeren und Eltern sind die versorgenden
Verhaltensweisen aufgrund des Substanzmittelkonsums erheblichen Schwankungen unterlegen oder
gestört. Die Sicherung des Kindeswohls erfordert ein besonders aufmerksames und präzises Vorgehen
aller beteiligten Helfer. Neben der Bearbeitung der Suchtproblematik muss insbesondere der Schutz der
Kinder durch multiprofessionelle Zusammenarbeit mit dem zuständigen Stadtteilsozialdienst des Jugendamtes und medizinischen Diensten abgesichert werden. Frühzeitige fachgerechte Interventionen
dienen, neben der Unterstützung der Eltern, zum einen dem erforderlichen Schutz der Kinder und zum
anderen dem Vorbeugen späterer Fehlentwicklungen. Mitunter müssen zeitnahe Entscheidungen über
die Notwendigkeit oder Nichterforderlichkeit der Inobhutnahme der Kinder getroffen werden.
 Suchtmittel konsumierende Schwangere und Eltern
 substituierte Schwangere und Eltern
 Kinder Suchtmittel konsumierender und substituierter Eltern
Ziele





Verhinderung von Zwangsmaßnahmen
Schutz des ungeborenen Lebens und Sicherung des Kindeswohls
Unterstützung bei der Bewältigung der elterlichen Abhängigkeitserkrankung
Unterstützung bei der (Wieder)Herstellung der elterlichen Erziehungsfähigkeit
Stärkung der Kinder auf ihrem Lebensweg
Leistungen





Beratung, Vermittlung, Motivationsarbeit
Vermittlung und Begleitung in medizinische Rehabilitation (Entwöhnungsbehandlung)
psychosoziale Betreuung bei Substitution
Angehörigenarbeit
2010 Projekt „Trampolin“ (Gruppenangebot für Kinder aus suchtbelasteten Familien der Jugendund Drogenberatungsstelle)
5.6.1. Bewertung des Versorgungsstandes
1. Es ist eine deutliche Zunahme der Zielgruppe zu verzeichnen. Die Betreuungsprozesse sind langwierig sowie hochkomplex und erfordern aufgrund der Elternschaften besondere Konstanz. Nur durch
eindeutige Absprachen unter den Helfern/-innen und Transparenz gegenüber den Betroffenen lassen
sich Persönlichkeitsentwicklungen begleiten und das Kindeswohl sichern.
Bei gleichbleibenden Mitteln besteht die Gefahr, dass erforderliche Leistungen nicht mehr qualitätsgerecht (zeitnah, regelmäßige Termine, regelmäßige multiprofessionelle Absprachen, Vehemenz, Kontaktsicherung, gegenseitige Teilnahme an kollegialen Fallberatungen) er-bracht werden können.
2. Absprachen zwischen Sucht-, Jugend- und Gesundheitshilfe sind erschwert durch unterschiedliche
persönliche Einstellungen und Blickrichtungen der Helfer/-innen
 zum Thema Sucht generell
 zum Suchtverhalten von Eltern
 zu den notwendigen medizinischen Interventionen
 zum würdevollen Umgang mit der Klientel
 zu den Rückkopplungseffekten auf die betroffenen Kinder
 und schließlich zu dem entsprechenden Hilfebedarf dieser Familien
3. Das Projekt „Trampolin“ für Kinder von Eltern mit einer Suchterkrankung erfordert eine zusätzliche
ausreichende personelle Absicherung der bisherigen Aufgabenbereiche, welche derzeit nicht gegeben
ist.
4. Es gibt in Dresden keine Möglichkeit zum betreuten Wohnen von substituierten Eltern. Substitution ist
eine anerkannte Behandlungsform, falls andere therapeutische Maßnahmen (noch) nicht greifen.
147
Betreutes Wohnen empfiehlt sich nach genauerer Prüfung, ob die Eltern (teilweise oder überwiegend)
erziehungsfähig sind bzw. sich zur Betreuung bereit erklären.
5.6.2. Handlungserfordernisse
 Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Suchthilfe und Stadtteilsozialdiensten der Stadt Dresden durch Informationsrunden und suchtspezifische Weiterbildungen
 Erarbeitung eines Kooperationsvertrages von Jugend-, Sucht- und Gesundheitshilfe über Vorgehensweisen im Umgang mit Drogen konsumierenden Eltern (Standards der gegenseitigen Einbeziehung: Wer? Was? Wann?)
 Prüfung der personellen Situation der Helfer/-innen auch im Hinblick auf die ausreichende Versorgung von Suchtberatern mit Ausrichtung auf die spezielle Klientel
 Bereitstellung von Drogentests durch die Jugendhilfe
 Aufbau einer betreuten Wohnmöglichkeit für substituierte Eltern mit Kindern bei einem Träger mit
Erfahrungen im Bereich der Sucht- und Doppeldiagnosen
 Weiterbildungen voneinander füreinander
 Bildung von themen- oder professionsbezogenen Qualitätszirkeln
 regelmäßige Durchführung des Projektes „Trampolin“ bei ausreichender Absicherung der bisherigen
Tätigkeiten
5.7. Umsetzung des ersten Stadtpsychiatrieplans und Aufgabenstellungen für die Zukunft
Das im ersten Stadtpsychiatrieplan formulierte gesamtgesellschaftliche Ziel einer Reduzierung des
Alkoholkonsums und der dadurch bedingten Gesundheitsschäden ist nicht in zufriedenstellendem Maß
erreicht worden. Laut DHS ist der pro Kopf Verbrauch an reinem Alkohol je Einwohner/-in in Deutschland von 10,5 Liter (Jahr 2000) auf 9,7 Liter (Jahr 2009) nur leicht gesunken (Vgl. DHS 2011).
Demgegenüber ist in Dresden die Gesamtzahl der betreuten Klienten und Klientinnen in den Suchtberatungsstellen deutlich gestiegen. Wie nachfolgende Tabelle verdeutlicht, betrifft dieser Anstieg alle
Formen der Abhängigkeit:
Stadt Dresden
Gesamtzahl Klienten/-innen
Jahr 2010
Differenz
3296
3775
+ 479
davon Angehörige
874
559
- 315
davon Betroffene
2422
3216
+ 794
-
Alkohol
1900
2121
+ 221
-
Medikamente
21
22
+1
-
pathologisches Spielen
15
120
+ 119
-
Essstörungen
29
8
- 21
-
Illegale Drogen
432
851
+ 419
- davon Cannabis
163
292
+ 129
- davon Stimulantien (Ecstasy)
166
323
+ 157
- davon Kokain
45
19
- 26
- davon Opioide
56
193
+ 137
- davon sonstige Drogen
Tab. 18: Entwicklung betreuter Klienten in den
SBB 2000 und 2010 im Vergleich
Jahr 2000
2
24
+ 22
-
problematischer Mediengebrauch
nicht erfasst
42
+ 42
-
Tabak
nicht erfasst
32
+ 32
-
Sonstige Betroffene
25
20
-5
Zudem hat sich die Altersverteilung der betroffenen Klientinnen und Klienten verändert. Lag früher
der Altersgipfel zwischen 40-45 Jahren, so gibt es heute zwei Altersgipfel: zwischen 20-25 Jahren und
zwischen 45-50 Jahren. In abgeschwächter Form ist diese Häufung jüngerer Klienten/-innen auch
erkennbar, wenn nur Personen mit Alkoholproblemen betrachtet werden (SLS 2011: 7). Die Bedarfe
148
von jüngeren Betroffenen mit einer Suchterkrankung sind wesentlich höher, da sie in ihrem jungen
Leben weniger soziale Kompetenzen und Strukturen aufbauen konnten als ältere Klienten/-innen.
Bereits im ersten Stadtpsychiatrieplan wurde ein Fachkraftschlüssel von 36 VzK (in Anlehnung an
den bundesdeutschen Durchschnitt von 1:15.000) empfohlen und die damalige Besetzung der SBB mit
Fachkräften als „Minimalbesetzung mit begrenzter Wirkungsmöglichkeit“ beschrieben. An dieser Minimalbesetzung hat sich seitdem nichts verändert.
Auch vor dem Hintergrund perspektivisch steigender Bedarfe ist es unabdingbar, zumindest den von
der SLS empfohlenen Versorgungsschlüssel von 1:20.000 zu erreichen.
Im Bereich der Suchtprävention wurden die Anstrengungen mit Hilfe von Projekten für spezifische
Zielgruppen intensiviert. Durch die Form der Projektfinanzierung entsteht jedoch das Problem, dass
während der Projektlaufzeit mühevoll Strukturen und Kontakte aufgebaut werden, die dann wieder zur
Disposition stehen. Notwendig sind die Schaffung stabiler finanzieller Strukturen sowie die Umsetzung
qualitätssichernder Maßnahmen.
Eine Erweiterung der Konzepte der SBB durch niedrigschwellige Angebote ist erfolgt. Alle SBB haben entsprechende Begegnungs- und/ oder Beschäftigungsangebote eingerichtet (siehe Kapitel
4.3.1.1).
Zusätzliche Bedarfe für schwer erreichbare sowie derzeit nicht therapiefähige Menschen mit einer
Suchterkrankung im Sinne aufsuchender sozialraumorientierter Sozialarbeit sind zu ermitteln. Wird
deutlich, dass Handlungsbedarf vorliegt, sind entsprechende Konzepte zu erarbeiten und mit zusätzlichem Personal umzusetzen. Keinesfalls darf die Versorgung dieser Personengruppe auf Kosten der
Betroffenen erfolgen, die bereits den Weg in eine SBB gefunden haben.
Für aufsuchende Suchthilfe wurde der mobile Suchtdienst des Sozialamtes eingerichtet. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen betreuen erwerbsunfähige Menschen in eigenem Wohnraum (Vgl. 5.3.2.).
Viele der betreuten chronisch mehrfachgeschädigten Menschen mit Suchterkrankung sind nicht abstinenzwillig oder -fähig. Für diese Klientengruppe fehlen unverändert Hilfen im Bereich Wohnen (ambulant und stationär). Auch die allgemein- und fachärztliche Versorgung ist nach wie vor nicht zufriedenstellend. Eine Verbesserung des Dienstes ist unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips sozialräumlich
anzustreben.
Es fehlen außerdem Beschäftigungsprojekte für konsumierende Menschen mit einer Suchterkrankung.
Im Bereich der ambulanten medizinischen Versorgung ist die Zusammenarbeit der niedergelassenen Ärzte/-innen mit den Suchtberatungsstellen nach wie vor mangelhaft. Es fehlt bei den Ärzten und
Ärztinnen an Wissen über das suchtmedizinische Versorgungssystem, häufig werden die Betroffenen
zu spät in das Suchthilfesystem vermittelt und zum Teil persistieren Vorurteile gegenüber Betroffenen.
Besonders chronisch mehrfachgeschädigte Menschen mit einer Suchterkrankung haben es schwer,
überhaupt als Patienten/-innen angenommen zu werden.
Im Bereich der Substitutionsbehandlung herrscht eine akute fachärztliche Unterversorgung. Substitutionsbehandlung wird derzeit nur von einer Arztpraxis geleistet und auch hier ist der Fortbestand
gefährdet. Angestrebt wird der Aufbau einer qualifizierten Substitutionsambulanz.
Die fachärztliche psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung ist wegen oftmals langer
Wartezeiten nicht zufriedenstellend. Hier fehlt es z. T. an suchtspezifischen Angeboten.
Alle psychiatrischen Kliniken in Dresden haben sich inzwischen besser auf Menschen mit Suchterkrankung eingestellt. Zwei Kliniken haben eine eigene Station für die qualifizierte Entgiftung (S1Regelbehandlung) eingerichtet. Teilweise herrschen aber immer noch lange Wartezeiten. In der Regel
nicht durchgeführt werden S2-S6 Behandlungen. Hierfür sollten die notwendigen Rahmenbedingungen
149
geschaffen werden. Zudem fehlt es in Dresden an Angeboten zur Durchführung qualifizierter Entgiftungsbehandlung für Menschen mit einer Drogenabhängigkeit und für Minderjährige.
Im Bereich der Suchtfachkliniken wurden in Sachsen neue Einrichtungen zur stationären Entwöhnungsbehandlung für Menschen mit einer Drogenabhängigkeit geschaffen. Die Versorgung ist jetzt
sowohl für Menschen mit einer Abhängigkeit von Alkohol als auch von Drogen ausreichend. Noch
auszubauen sind Angebote für Patienten/-innen mit Doppeldiagnosen (neben der Sucht mindestens
eine weitere psychische Erkrankung) und jüngere Menschen mit Drogenabhängigkeit.
Die Mehrzahl der Dresdner SBB bietet ambulante Rehabilitation an, allerdings nicht für Minderjährige.
Im Stadtgebiet besteht ein gut ausgebautes Netz von Selbsthilfegruppen. Im Bereich Drogen, Medien- und Onlinespielsucht gibt es Ausbaubedarf.
Eine Überarbeitung der finanziellen und strukturellen Rahmenbedingungen ist bezüglich notwendiger Hilfen für konsumierende oder substituierte Eltern sowie für Kinder von Betroffenen erforderlich.
Die Hilfsangebote im Bereich Wohnen und Beschäftigung sind um Wohnformen und ein Beschäftigungsangebot für jüngere Menschen mit einer Suchterkrankung sowie ein Angebot zum ambulant
betreuten Wohnen für abstinent lebende Betroffene erweitert worden. Die Zusammenarbeit zwischen
dem Jobcenter Dresden und den Suchtberatungsstellen wurde mit einer Handakte formell geregelt.
Eine Unterversorgung besteht nach wie vor in folgenden Bereichen:











ambulant betreutes Wohnen für abstinent lebende Menschen mit einer Suchterkrankung
ambulant betreutes Wohnen für Betroffene mit einer Doppeldiagnose
Wohnstätte für Betroffene mit einer Doppeldiagnose
betreutes Wohnen für Substituierte (Eltern mit Kindern)
Wohnstätte in Dresden für chronisch mehrfachgeschädigte abstinente Menschen mit einer Suchterkrankung
betreute Wohnform für chronisch mehrfachgeschädigte nicht abstinente Menschen mit einer Suchterkrankung
Pflegeeinrichtung für chronisch mehrfachgeschädigte nicht abstinente Menschen mit einer Suchterkrankung
mehr Plätze im Bereich Beschäftigung für abstinent lebende Menschen mit einer Suchterkrankung
Beschäftigungsprojekte für Menschen mit einer Suchterkrankung in der Motivationsphase
Beschäftigungsprojekte zur Problemdiagnostik
Beschäftigungsprojekte für konsumierende Menschen mit einer Suchterkrankung
Die Einrichtung und Fortführung von Hilfen im Bereich Wohnen und Beschäftigung scheitert häufig
an den finanziellen Rahmenbedingungen. Hier sind zusätzliche Anstrengungen notwendig.
5.8. Autorenverzeichnis
Ferse, Dr. Kristin: Landeshauptstadt Dresden, Gesundheitsamt
Hänsch, Katrin: Landeshauptstadt Dresden, Sozialamt
Hoffmann, Barbara: Suchtberatungs- und Behandlungsstelle Dresden-Mitte des Diakonischen Werkes Stadtmission Dresden e.V.
Jugend- und Drogenberatungsstelle: Landeshauptstadt Dresden, Gesundheitsamt
Maatz, Anja: Landeshauptstadt Dresden, Gesundheitsamt
Müller-Merkel, Peter: Suchtberatungs- und Behandlungsstelle des Caritasverbandes für Dresden e.V.
Runge, Karin: Suchtberatungs- und Behandlungsstelle Dresden-Neustadt des Diakonischen Werkes Stadtmission Dresden e.V.
Wolff, Katrin: Integrative Suchtberatungs- und Behandlungsstelle der GESOP gemeinnützige GmbH
Wolfram, Dr. Nicole: Landeshauptstadt Dresden, Gesundheitsamt
150
5.9. Kontaktdaten der Einrichtungen und Angebote (Anlage 1)
genannte Angebote und Einrichtungen zum Kapitel 5.2. Handlungsfeld Suchtprävention
 Projekt „HaLT - Hart am LimiT“ in Dresden
Landeshauptstadt Dresden, Gesundheitsamt
Abteilung Sozialpsychiatrischer Dienst
Richard-Wagner-Str. 17, 01219 Dresden
Telefon: 4 88 53 57
 „Klasse 2000“ und „Peer-Projekt zur Punktnüchternheit im Straßenverkehr“
Fachstelle für Suchtprävention im Direktionsbezirk Dresden
Glacisstraße 26, 01099 Dresden
Telefon: 8 03 20 30/31
www.suchtpraevention-sachsen.de
 Sächsische Bildungsagentur
Großenhainer Straße 92, 01127 Dresden
Telefon: 8 43 94 67
 Arbeitskreis Suchtprävention Dresden
Kontakt über die Suchtbeauftragte
Landeshauptstadt Dresden, Gesundheitsamt
Richard-Wagner-Str. 17, 01219 Dresden
Telefon: 4 88 53 58
genannte Angebote und Einrichtungen zum Kapitel 5.3. Handlungsfeld Suchthilfe
Suchtberatungs- und -behandlungsstellen
(SBB)
 SBB des Caritasverbandes für Dresden e. V.
Görlitzer Straße 18, 01099 Dresden
Telefon: 8 04 38 04
www.caritas-suchtberatung-dresden.de
 SBB Dresden-Neustadt des Diakonischen Werkes - Stadtmission Dresden e. V.
Glacisstraße 42, 01099 Dresden
Telefon: 8 17 24 00
www.diakonie-dresden.de
 SBB Dresden-Mitte des Diakonischen Werkes - Stadtmission Dresden e.V.
Fetscherstraße 10, 01307 Dresden
Telefon: 4 46 89 77
 Integrative SBB der GESOP gemeinnützige GmbH
Gasanstaltstraße 10, 01237 Dresden
Telefon: 21 53 08 30
www.gesop-dresden.de
 SBB HORIZONT des Suchtzentrum Leipzig gGmbH
Kesselsdorfer Straße 2, 01159 Dresden
Telefon: 4 20 77 38
www.suchtzentrum.de
 Jugend- und Drogenberatungsstelle des Gesundheitsamtes der Landeshauptstadt Dresden
Richard-Wagner-Str. 17, 01219 Dresden
Telefon: 4 88 53 71
www.drogenberatung-dresden.de
151
Mobiler Suchtdienst
(MSD)
Medizinische Versorgung
 Landeshauptstadt Dresden, Sozialamt
Abteilung Integration und Eingliederungsleistungen
Sachgebiet Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten
Junghansstraße 2, 01277 Dresden
Telefon: 4 88 49 87/89 und 4 88 49 95
 Substitutionsbehandlung
Dr. med. Rita Meinhardt
Kamenzer Straße 23, 01099 Dresden
Telefon: 25 09 47 20
 Psychiatrische Institutsambulanzen (PIA)
Adresse
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Ambulanz für Abhängigkeitserkrankungen
Fetscherstraße 74, 01307 Dresden, Haus 25
Telefon: 4 58 27 97
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und
Psychosomatik
Essstörungsambulanz
Fetscherstraße 74, 01307 Dresden, Haus 18
Telefon: 4 58 70 87
Angebotsspektrum
 ambulante Beratung bei Problemen mit Alkohol und Beruhigungsmitteln
Technische Universität Dresden
Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie / Professur für Suchtforschung
Raucherambulanz
Chemnitzer Straße 46, 01187 Dresden
Telefon: 46 33 98 00
 Rauchfrei-Programm in Gruppentherapie-Sitzungen
Technische Universität Dresden
Institutsambulanz für Forschung und Lehre in
Klinischer Psychologie und Psychotherapie
Hohe Straße 53, 01187 Dresden
Telefon: 46 33 69 57
diagnostische Hilfe und psychotherapeutische Behandlung bei:
 Suchtproblemen (Nikotinabhängigkeit, Alkohol- und Medikamentenmissbrauch, Cannabisabhängigkeit)
 Essstörungen (tagesklinisches Konzept)
St.-Marien-Krankenhaus
Fachkrankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie
Psychiatrische Institutsambulanz
Selliner Straße 29, 01109 Dresden
Telefon: 8 83 22 31
Das interdisziplinäre Therapieangebot bestehend aus:
 medizinischer und pflegerischer Behandlung
 psychologischer Therapie (Einzel- und Gruppentherapie)
 sozialpädagogischen Angeboten
 Kunst- und Bewegungstherapie sowie
 Ergo- und Physiotherapie
richtet sich u. a. auch an Suchtpatienten mit Komorbidität
 reguläres Behandlungsangebot psychiatrischer Institutsambulanzen
Städtisches Krankenhaus DresdenNeustadt
Psychiatrische Institutsambulanz
Heinrich-Cotta-Straße 12, 01324 Dresden
Telefon: 8 56 69 91
Städtisches Krankenhaus DresdenFriedrichstadt
Psychiatrische Institutsambulanz
Friedrichstraße 41, 01067 Dresden, Haus B
Telefon: 4 80 12 05
152
 ambulante Behandlung für Betroffene mit Anorexie, Bulimie und Adipositas
Behandlung u. a. auch von Suchterkrankungen mit den Schwerpunkten:
 medikamentöse und psychotherapeutische Behandlung (Schwerpunkt Verhaltenstherapie)
 soziotherapeutische Maßnahmen
 Training der Aktivitäten des täglichen Lebens
 Einrichtungen zur qualifizierten Entgiftungsbehandlung
Adresse
Angebotsspektrum
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Suchtschwerpunktstation PSY-S3
Fetscherstraße 74, 01307 Dresden
Telefon: 4 58 26 63

St.-Marien-Krankenhaus
Fachkrankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie
Selliner Straße 29, 01109 Dresden
Telefon: 8 83 22 21

Entgiftungsbehandlung mit suchtspezifischen Angeboten (Vorstellung von Suchtberatungsstellen und Selbsthilfegruppen, Kontaktgruppe, Genusstraining)
Städtisches Krankenhaus DresdenFriedrichstadt
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Friedrichstraße 41, 01067 Dresden,
Telefon: 4 80 13 51
Städtisches Krankenhaus Dresden-Neustadt
Zentrum für Psychische Gesundheit Weißer
Hirsch/Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
P 5 Suchtstation
Heinrich-Cotta-Straße 12, 01324 Dresden
Telefon: 8 56 69 02

Entgiftungsbehandlung mit suchtspezifischen Angeboten
Soziale Wiedereingliederung

qualifizierte Entgiftungs- und Motivationsbehandlung (S1-Regelbehandlung) bei Alkohol- und
Medikamentenabhängigkeit
ambulante Nachbehandlung
bei Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit werden durchgeführt:
 qualifizierte Entgiftungs- und Motivationsbehandlung (S1)
 Intensivbehandlung (S2)
 Therapie Schwer- und Mehrfachkranker (S4)
 Psychotherapie bei komorbiden neurotischen oder Persönlichkeitsstörungen (S5)
Wohnhilfen
 Radebeuler Sozialprojekte gGmbH
Leipziger Straße 26, 01127 Dresden
www.rasop.org
Stationäre Eingliederungshilfe:
WG „Mutter mit Kind T6“
Torgauer Straße 6, 01127
Dresden
Telefon: 8 11 26 78
WG „L26“
Leipziger Straße 26, 01127
Dresden
Telefon: 8 31 46 52
Ambulante Eingliederungshilfe
Torgauer Straße 6, 01127 Dresden
Telefon: 811 26 68
Leipziger Straße 26, 01127 Dresden
Telefon: 8 31 46 52
Ambulante Eingliederungshilfe für junge Familien
Leipziger Straße 26, 01127 Dresden
Telefon: 8 31 46 52
 SZL Suchtzentrum gGmbH
Plautstraße 18, 04179 Leipzig
www.suchtzentrum.de
Wohnprojekt „Ufer“
Emerich-Ambros-Ufer 59,
01159 Dresden
Telefon: 4 24 44 86
Ambulant betreutes Wohnen
Burgkstraße 28, 01159 Dresden
Telefon: 42 76 34 10 und (0 15
20)4 23 06 76
153
 GESOP gemeinnützige GmbH
Ambulant Betreutes Einzelwohnen
Michelangelostraße 11, 01217 Dresden
Telefon: 43 70 82 27
Arbeitsprojekte
 INTHIS – Diakoniewerkstatt
Königsbrücker Landstraße 6a, 01109 Dresden
Telefon: 8 88 19 33
Institutionelle Arbeit
Kinder aus suchtbelasteten Familien
154
Informationen und Kontakte zu den Arbeitskreisen, Gremien, Fachausschüssen und Qualitätszirkeln
über
 Suchtbeauftragte
Landeshauptstadt Dresden, Gesundheitsamt
Richard-Wagner-Str. 17, 01219 Dresden
Telefon: 4 88 53 58
 Projekt „Trampolin“
Jugend- und Drogenberatungsstelle des Gesundheitsamtes der Landeshauptstadt Dresden
Richard-Wagner-Str. 17, 01219 Dresden
Telefon: 4 88 53 71
www.drogenberatung-dresden.de
5.10.
Literaturverzeichnis
Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (2006): Arbeitshilfe für die Rehabilitation und Teilhabe
von Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen. Schriftenreihe der Bundesarbeitsgemeinschaft für
Rehabilitation, Heft 12. Frankfurt am Main.
Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (DHS) (2011): Jahrbuch Sucht 2011. Hamm: Neuland
Verlag.
Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (DHS) (2007): Jahrbuch Sucht 2007. Hamm: Neuland
Verlag.
Gesundheitsamt der Landeshauptstadt Dresden (2011): Jahresbericht 2010. Entwicklungen im Bereich
der Suchtkrankenhilfe und Suchtprävention der Stadt Dresden. Dresden.
Gordon, R. (1983): An Operational Classification of Disease Prevention. In: Public Health Report,
98:107-109.
Hallmann, H.-J., Holterhoff-Schulte, J., Merfert-Diete, C. (2007): Qualitätsanforderungen in der Suchtprävention. Hamm: DHS.
Küfner, H. (2010): Epidemiologie des Substanzkonsums und der Suchterkrankungen in Deutschland. In:
Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz, Heft 53, S. 271-283.
Pfeiffer-Gerschel, T./Kipke, I./Steppan, M. (2010): Deutsche Suchthilfestatistik 2009. Tabellenband
Sachsen. München: Institut für Therapieforschung (IFT).
Sächsische Landesstelle gegen die Suchtgefahren e.V. (SLS) (2010): Wege aus der Sucht. Suchtkrankenhilfe im Freistaat Sachsen. Dresden.
Sächsische Landesstelle gegen die Suchtgefahren e.V. (SLS) (2011): Sucht 2010. Bericht der ambulanten Suchtkrankenhilfe in Sachsen. Dresden.
Sächsisches Staatsministerium für Soziales (2009): 1. Sächsischer Drogen- und Suchtbericht. Dresden.
Vereinbarung über die Zusammenarbeit der Krankenkassen und Rentenversicherungsträger bei der
Akutbehandlung (Entzugsbehandlung) und medizinischen Rehabilitation (Entwöhnungsbehandlung)
Abhängigkeitskranker – Vereinbarung „Abhängigkeitserkrankungen“ vom 04. Mai 2001, abrufbar unter
www.dhs.de.
Türk, D./Kröger, C. (1999): Leistungsbeschreibung für ambulante Beratungs- und Behandlungsstellen
der Suchtkrankenhilfe. In: Information zur Suchtkrankenhilfe, 1/1999. Hamm: DHS.
155
6. Selbsthilfe und Beteiligung von
Betroffenen und Angehörigen
Immer mehr Menschen nutzen die Möglichkeit, sich bei gesundheitlichen, seelischen und sozialen
Belastungen gegenseitig zu helfen. Selbsthilfegruppen entstehen, weil Menschen aus eigener Kraft und
zusammen mit anderen ihre Lebenssituation verbessern wollen. Die Mitarbeit in einer solchen Gruppe
fördert die Eigenständigkeit und das Selbstvertrauen eines jeden Mitglieds.
6.1. Selbsthilfeangebote in Dresden
In Selbsthilfegruppen schließen sich Menschen mit gleicher Problembetroffenheit außerhalb ihrer
alltäglichen Beziehungen zusammen, um sich gegenseitig bei der Bewältigung ihrer oft schwierigen
Lebenssituation zu unterstützen. Es handelt sich um freiwillige, selbstorganisierte Zusammenschlüsse
von Betroffenen oder deren Angehörigen. Durch die gemeinsame Arbeit in den regelmäßigen Treffen
werden die Teilnehmenden sozusagen Experten und Expertinnen in eigener Sache, wodurch professionelle Hilfe gezielter und gegebenenfalls kritischer in Anspruch genommen werden kann. Dabei geht es
nicht um Ersatz professioneller medizinischer oder therapeutischer Behandlung, sondern um deren
wirkungsvolle Ergänzung.
Im Bereich psychischer Erkrankungen hat sich in Dresden ein breites Selbsthilfespektrum entwickelt. In der „Dresdner Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen“ (KISS) sind 27 Gruppen
für psychische Erkrankungen registriert, davon drei Angehörigengruppen und eine Trialoggruppe.
Sozialamt
Abteilung Allgemeine Verwaltung/Grundsatz
Kontakt- und Informationsstelle für
Selbsthilfegruppen Dresden (KISS)
Ehrlichstraße 3
01067 Dresden
Tel.: (03 51) 2 06 19 85
E-Mail: [email protected]
156
Dresdner Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen (KISS)
Die „Dresdner Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen“ bietet kostenlose Beratung und
Unterstützung rund um das Thema gesundheitliche und soziale Selbsthilfe an. Wer Kontakt sucht zu
Selbsthilfegruppen und -vereinigungen vor Ort sowie überregional oder wer selbst eine Gruppe gründen
möchte, findet bei den Mitarbeitern/-innen der Informationsstelle Rat und Unterstützung. Selbsthilfegruppen erhalten Unterstützung zu allen inhaltlichen und organisatorischen Fragen und auch Begleitung
in schwierigen Gruppenphasen.
Es gibt Selbsthilfeangebote zu den Themen: Angsterkrankung, Bipolare Störung, Depression und
Postpartale Depression, Stimmenhören, Borderline-Syndrom, Psychosebetroffene, Sozialphobie,
Zwangserkrankungen sowie psychische Erkrankungen allgemein.
Weiterhin gibt es Selbsthilfegruppen zu folgenden psychischen Problemlagen: Mobbing, Messie,
Co-Abhängigkeit, Hochsensibilität, Burnout, Trauerbewältigung, Angehörige nach Suizid, Verlassene
Eltern.
Häufige Anfragen gibt es auch zu den Themen Trennung/Scheidung und Beziehungsprobleme, jedoch sind beide Selbsthilfegruppen zu diesen Themen aufgelöst. Die Nachfragenden können dann in
die Fachberatungsstellen vermittelt und über die Möglichkeit der Unterstützung bei einer Gruppengründung durch KISS informiert werden.
Selbsthilfegruppen von Menschen mit einer psychischen Erkrankung werden durch die Mitarbeiter/innen der Psychosozialen Kontakt- und Beratungsstellen der AWO Sonnenstein, der Diakonie, der
GESOP gemeinnützige GmbH und des Psychosozialen Trägervereins Sachsen e. V. unterstützt. Es
werden Räume für die Gruppentreffen und teilweise auch professionelle Begleitung der Gruppenarbeit
zur Verfügung gestellt. Die KISS vermittelt interessierte Betroffene in Gruppen oder andere geeignete
Hilfsangebote, stellt ebenfalls Räume für Gruppentreffen bereit und bietet Starthilfe für neue Gruppen.
Durch ehrenamtliche „In-Gang-Setzer/-innen“, die von der KISS eingesetzt werden, wurden die Selbsthilfegruppen „Psychosebetroffene“, „Depression 50 plus“ und „Verlassene Eltern“ in der Gründungsphase begleitet.
Einige Selbsthilfegruppen organisieren Kreativangebote bzw. bieten diese ihren Mitgliedern regelmäßig an (z. B. „Malwini“ und „Die Wölfe“). Das ist eine wertvolle Lebenshilfe für viele Menschen mit
einer psychischen Erkrankung, die in der kreativen Auseinandersetzung mit ihren Lebensthemen einen
Weg zur Problembewältigung gefunden haben.
SAD – Selbsthilfe Aktiv mit Depression
c/o Jörg Freiershausen
Holbeinstraße 46
01307 Dresden
Tel.: (03 51) 4 59 02 56 (ab 18:00 Uhr)
[email protected]
www.sad-dresden.de
Selbsthilfe Aktiv mit Depression – SAD
Die Selbsthilfegruppe „Selbsthilfe Aktiv mit Depression“ wurde im Jahr 2003 durch 3 Betroffene ins
Leben gerufen, die sich im Laufe ihrer Psychotherapie kennen lernten und sich seit 1998 immer wieder
regelmäßig trafen. Es zeigte sich, dass der regelmäßige Austausch über die Erkrankung, aber auch
gemeinsame Aktivitäten Betroffenen bei der Bewältigung der Erkrankung im Alltag helfen können. SAD
ist eine offene Selbsthilfegruppe für Betroffene mit folgenden Zielen:
 Etablierung eines geschützten Ortes für den Informationsaustausch über etablierte Behandlungsmöglichkeiten sowie zur gegenseitigen Unterstützung.
 Information der Öffentlichkeit über die Erkrankung zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen.
 Engagement als Interessenvertreter in Politik und Gesellschaft für die Belange der Betroffenen und
Angehörigen, um so eine Lobby für diese zu schaffen.
An den Gruppentreffen nehmen je nach Bedarf 6 bis max. 15 Personen im Alter zwischen 20 und 70
Jahren teil. Es kann jeder ohne Voranmeldung teilnehmen, der die nachfolgend genannten Grundsätze
der Gruppe akzeptiert.





Die SHG bietet keinen Ersatz für die notwendige Behandlung der Erkrankungen durch Ärzte/innen und Psychologen/-innen an.
Jeder ist für sein Handeln und Tun selbst verantwortlich.
Die Gruppe verfolgt keine politischen oder religiösen Interessen.
Die Persönlichkeitsrechte eines jeden sowie seine Entscheidungen werden akzeptiert.
Über die Inhalte der Gruppentreffen wird Stillschweigen bewahrt.
Angebote der SAD:




Regelmäßige Gruppentreffen am 2. und 4. Donnerstag im Monat in einem geschützten Umfeld
Telefonische oder persönliche Einzelberatung für Betroffene und Angehörige
Verleih von Büchern und weiterer Informationsmaterialien
Vorträge zum Thema für öffentliche Veranstaltungen
Die Situation der Selbsthilfegruppen im Bereich der Suchthilfe wird im Kapitel 5.4. erläutert.
Eine wichtige Anlaufstelle für Angehörigen von Menschen mit einer psychischen Erkrankung stellt
der Angehörigenverein dar:
Angehörige und Freunde psychisch Kranker e. V. Dresden (APK)
Der Verein "Angehörige und Freunde psychisch Kranker e. V. Dresden" besteht seit 1990. Er ist Mitglied im Landes- und im Bundesverband Angehöriger psychisch Kranker, arbeitet jedoch autonom. Die
Mitglieder sind Eltern, Partner/-innen, Geschwister und Kinder von Menschen mit einer psychischen
Erkrankung.
In der Krise sind Angehörige häufig die nächsten Bezugspersonen für die Betroffenen, fühlen sich
aber oft überfordert und alleingelassen. Das wesentliche Anliegen besteht deshalb darin, Angehörigen
157
Angehörige und Freunde psychisch
Kranker e. V.
Alaunstraße 84/HH
01099 Dresden
Tel.: (03 51) 2 06 32 66
[email protected]
www.apk-dresden.de
einen Raum zu schaffen, über ihre Nöte und Ängste, ihre Hilflosigkeit, Isolation oder Schuldgefühle zu
sprechen und in der Einzelberatung oder in der Gruppe Mitgefühl und Hilfe zu erfahren. Außerdem
sollen die Situation für die Betroffenen und ihre Angehörigen verbessert, ihre Ressourcen gestärkt und
insbesondere Vorurteile und Diskriminierung abgebaut werden. Inhalte der Arbeit sind:
 Einzelberatung
 Kontakte in der Gruppe
 Durchführung von Veranstaltungen gruppenübergreifend und für Interessierte
Schwerpunkte der Einzel- und Gruppenberatung sind:
 Aufhebung der Isolation (Identifikation, Relativierung und Abgrenzung)
 Entlastung (über Erzählen unter verständnisvollen Zuhörern)
 Informationen über psychiatrische Hilfen und Versorgung
 Familiäre Probleme bei fehlender Behandlungsbereitschaft der betroffenen Familienmitglieder
 Unzureichende Kommunikation zwischen Angehörigen und Professionellen während der psychiatrischen Behandlung
 Finanzielle Absicherung der Betroffenen
 Arbeit und Beschäftigung für Menschen mit einer psychischen Erkrankung
6.2. Netzwerke/Kooperationen
Selbsthilfenetzwerk für seelische Gesundheit
in Sachsen
Freiberger Straße 31
Raum 402
01067 Dresden
Tel.: (0351) 49 76 98 29
E-Mail: [email protected]
Dresdner Bündnis gegen Depression e. V.
Prof. Dr. med. Burkhard Jabs (1. Vorsitzender)
Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie
des Städtischen Krankenhauses
Dresden-Neustadt
Heinrich-Cotta-Str. 12
01324 Dresden
Tel.: (03 51) 8 56 69 01
E-Mail: [email protected]
www.sad-dresden.de
158
Selbsthilfenetzwerk für seelische Gesundheit in Sachsen
Durch das „Selbsthilfenetzwerk für seelische Gesundheit in Sachsen“ wird nach dem Grundsatz der
Autonomie und Unabhängigkeit eine Vernetzung der Selbsthilfegruppen im psychischen Bereich angestrebt. Die Initiative des Netzwerkes zielt auf regelmäßige Kontakte und gemeinsame Aktivitäten zur
Verbesserung der Lebenssituation Betroffener ab. Das Netzwerk befindet sich noch in der Aufbauphase.
Das Selbsthilfenetzwerk ist ein freiwilliger und unabhängiger Zusammenschluss von Selbsthilfegruppenvertretern/-innen und gründete sich 2006 als sächsische Landesorganisation des „Bundesverbandes Psychiatrie-Erfahrener e. V.“ (BPE), welcher seit 1992 bundesweit Selbsthilfegruppen verbindet.
Hier steht die Wahrnehmung und Akzeptanz von seelischen Krisen als natürliche Bestandteile des
Lebens und als Möglichkeit zur Reifung und Heilung neben dem medizinischen Krankheitsbegriff und
wie dieser zur Diskussion. Es ist das Anliegen, dass die Erfahrungen Betroffener sowohl bei den professionell Helfenden als auch in Forschung und Politik geachtet und berücksichtigt werden. Menschen
aus psychosozialen Selbsthilfegruppen sollen ins Gespräch kommen können, um darüber hinaus
gemeinsam zu erreichen, dass alle Menschen, die so oder so mit dem Thema Psychiatrie zu tun haben
(müssen), gleichberechtigt zusammenarbeiten.
Dresdner Bündnis gegen Depression e. V.
Das „Dresdner Bündnis gegen Depression e. V.“ wurde im Jahr 2004 gegründet. Es ist ein unabhängiger, gemeinnütziger Verein für an Depression Erkrankte, Angehörige, Experten/-innen und in der Versorgung tätige Personen und Institutionen mit dem Ziel, die Situation der Betroffenen zu verbessern.
Erreicht werden soll dies durch öffentlichkeitswirksame Aktionen zur Aufklärung über das Krankheitsbild
und die Zusammenarbeit von Betroffenen und der „Fachwelt“. Mit dem „Lauf gegen Depression“ und
dem „Informationstag gegen Depression“ leistet das Bündnis in der Stadt Dresden einen wertvollen
Beitrag zur Enttabuisierung der Erkrankung. Im Jahr 2011 übernahm Frau Staatsministerin Christine
Claus die Schirmherrschaft.
Das Dresdner Bündnis arbeitet als unabhängiges regionales Bündnis unter dem Dach des „Deutschen Bündnisses gegen Depression e. V.“. Knapp 70 Regionen und Städte (Stand Februar 2011)
engagieren sich deutschlandweit auf lokaler Ebene für die Aufklärung der Öffentlichkeit über Depressionen und eine Verbesserung der Versorgungsstruktur. Die Bündniszentrale in Leipzig verfolgt das Ziel,
optimale Voraussetzungen für die regionalen Aktivitäten zu schaffen, stellt Materialien zur Verfügung
und steht den Bündnismitgliedern beratend zur Seite.
Innerhalb der einzelnen Bündnisse arbeiten unterschiedlichste Institutionen und Personen zusammen, die primär oder sekundär in die Versorgung von Menschen mit einer depressiven Erkrankung
eingebunden sind. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit gewährleistet eine hohe Akzeptanz und breite
Wirksamkeit des Aktionsprogramms auf lokaler Ebene.
6.3. Öffentlichkeitsarbeit
In der Broschüre der Landeshauptstadt Dresden „Wegweiser zu gesundheitlichen und sozialen Gruppen“ (5. Auflage vom November 2011) werden die konkreten Selbsthilfeangebote vor Ort und die Zugangswege zu ihnen veröffentlicht. Die Broschüre ist auch im Internet unter www.dresden.de abrufbar.
Jährlich organisiert die KISS den Dresdner Selbsthilfetag. Selbsthilfegruppen erhalten hier eine
Plattform zur Vorstellung ihrer Arbeit.
6.4. Bewertung des Versorgungsstandes und Handlungserfordernisse
Wichtig für die Zukunft ist vor allem die Förderung inklusiver Projekte (wie z. B. das MalLokal e.V. oder
auch Projekte für Frauen oder Männer), die alle Bürger/-innen nutzen können.
Die Selbsthilfegruppen signalisieren Bedarf an geeigneten Räumlichkeiten für kreative Arbeiten, in
denen ausreichend Platz zum Malen, Töpfern, Aufbewahren von Malutensilien usw. vorhanden ist.
Diese Räume könnten gemeinschaftlich genutzt werden. Geeignete Räumlichkeiten sind aus den
Fördermitteln für eine Selbsthilfegruppe nicht bezahlbar. Wünschenswert ist außerdem die Förderung
selbstbestimmter Begegnungsmöglichkeiten zum Thema seelische Gesundheit, z. B. in Form eines
Selbsthilfe-Kulturhauses, vergleichbar der Durchblickvilla in Leipzig.
Signifikant hoch sind Nachfragen Betroffener nach Gruppenangeboten zu den Themen Depression,
Sozialphobie, Bipolare Störung und Burnout.
Die Arbeitsfähigkeit der KISS auf hohem Niveau muss weiterhin gewährleistet werden.
Voraussetzung für inklusive und selbstbestimmte Projekte ist eine gemeinsame Planung aller Beteiligten bzw. Interessierten von Anfang an.
Bewertung der Versorgungssituation aus Sicht des „Selbsthilfenetzwerkes für seelische Gesundheit in Sachsen“:
Die Gleichstellung von Menschen, unabhängig davon ob sie psychiatrisch und/oder somatisch oder gar
nicht diagnostiziert wurden, ist noch nicht erreicht. Das liegt unter anderem daran, dass für Menschen
mit einer psychiatrischen Diagnose die Möglichkeit zur „Unterbringung“ und Zwangsbehandlung gesetzlich geregelt wurde.
Es ist erforderlich nach gewaltfreien Alternativen und neuen Konzepten der zwangsfreien Behandlung, auch ohne Medikation, zu suchen.
Das Hauptanliegen muss sein, Vertrauen zu ermöglichen.
Einer gemeindenahen Versorgung wird am besten durch Begegnungsstätten Rechnung getragen,
die allen Menschen eines Ortes bzw. einer Gemeinde zur Verfügung stehen. Diese Begegnungsstätten
sollen leicht zugänglich sein, indem sie auch anonyme Beratung anbieten und kostenfrei genutzt werden können. Spezielle Kontakt- und Beratungsstellen werden von den Klientinnen und Klienten unter
Umständen nicht als niedrigschwellig empfunden. Die Hemmschwelle kann in dem Moment entstehen,
indem die Bezeichnung „Psychosoziale“ Kontakt- und Beratungsstelle verwendet wird oder wenn die
Besucher/-innen namentlich erfasst werden. Zusätzlich zu den vorhandenen PSKB sollten bereits
bestehende Beratungsangebote anderer Einrichtungen, die allen Menschen offen stehen, genutzt
werden können. Für einige Einrichtungen ist es glücklicherweise schon jetzt selbstverständlich auch für
Menschen mit Psychiatrie-Erfahrung Hilfestellung zu geben.
In der gemeindenahen Versorgung ist den ambulanten Hilfeformen ein Vorrang gegenüber den stationären Hilfen einzuräumen. Lange Wartezeiten, bei der ambulanten Psychotherapie und vor allem
159
fehlende Alternativen zu Kliniken, verhindern dies oft. Die bisher einzige Alternative, das plan-b des
Psychosozialen Trägervereins Sachsen e. V. (siehe Kapitel 2.1.6.), wird hoffentlich bald von allen
Krankenkassen unterstützt und durch passende weitere Hilfen ergänzt.
Um das Versorgungssystem in Dresden von einem institutsorientierten in ein personenzentriertes
System weiterzuentwickeln, müssen regelmäßige Hilfeplankonferenzen etabliert werden. Hilfeplankonferenzen müssten, um möglich zu werden, bei allen daran beteiligten Berufsgruppen, mit zum Tätigkeitsbild gehören. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen müssen in Aus- und Weiterbildung entsprechend geschult werden. Selbstverständlich sollte sein, dass die Person, die im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, dort nicht allein gelassen wird. Hilfeplankonferenzen werden dann als hilfreich erlebt,
wenn alle Beteiligten mit ihren Anliegen so zu Wort kommen, dass sie verstanden werden. Um Verständnisproblemen vorzubeugen, sollte von vornherein an „Dolmetscher/-innen“ gedacht werden. Für
Menschen mit Psychiatrie-Erfahrung sollte der Dolmetscher oder die Dolmetscherin eine Vertrauensperson sein, die sich, unter anderem aufgrund eigener Erfahrung, einfühlen und die Situation verstehen
kann.
Es ist notwendig, die hilfesuchende Person vorab über alle zur Verfügung stehenden Optionen in
Kenntnis zu setzen. Nur dann kann ein gemeinsames Gespräch entstehen und eine selbstbestimmte
Entscheidung getroffen werden.
Auch das Persönliche Budget sollte ganz selbstverständlich mit in den Kreis der Organisationsmöglichkeiten von Hilfe aufgenommen werden. Es sollte möglich sein, dass Menschen einerseits über das
Persönliche Budget passende Hilfen bekommen und andererseits krisenerfahrene Menschen diese
Hilfe leisten können.
Ein "hoher Standard der Hilfen" wird vor allem mit Mitmenschlichkeit erreicht bzw. "hohe Qualität der
Hilfen" wird mit praktischen Weiterbildungen, welche die Selbstwahrnehmung der Helfenden schulen
und Selbsterfahrung ermöglichen, sichergestellt . Dadurch kann auch die Vermeidung von Zwangsmaßnahmen möglicher werden.
In der Kooperation der psychiatrischen Versorgung ist auch die Kooperation mit Selbsthilfeinitiativen
(auch im Angehörigenbereich) notwendig.
Dazu gehört auch der gemeinsame ("trialogische") Aufbau einer regelmäßigen (mehrmals im Jahr
bis monatlich stattfindenden) Gesprächsmöglichkeit, wo neue Ideen für alternative Hilfsmöglichkeiten
oder zur Verbesserung bereits vorhandener Hilfen von Anfang an gemeinsam entwickelt werden können. Ein weiteres Ziel ist es, einander kennenzulernen und versuchen einander zu verstehen und
voneinander zu lernen.
Eine transparente Dokumentation der Gespräche zwischen Arzt oder Ärztin und Patient/-in, kann
ebenfalls zur Verbesserung der Verständigung führen. Wird gleich alles gemeinsam mit den Klienten/innen aufgeschrieben – als "Verständigungs-Therapie" – kann das Geschehene besser nachvollzogen
werden. Auch das kann weiter helfen bei (gemeinsamer) Reifung und Heilung. Auch könnte die Möglichkeit bestehen, diese Dokumente nach der Aufbewahrungspflicht von 10 Jahren als Heilungsgeschichte mit nach Hause zu nehmen.
In jedem Fall muss auch jetzt schon dafür Sorge getragen werden, dass allen Patienten/-innen die
ihnen rechtlich zustehende Akteneinsicht ohne weitere Umstände ermöglicht wird.
Zur regelmäßigen, planmäßigen Mitsprachemöglichkeit und zur Zusammenarbeit sollten ebenfalls
Behandlungsvereinbarungen, Patientenverfügungen und das schon erwähnte persönliche Budget
gehören.
Aus Sicht des Netzwerkes gehört der Einsatz von Patientenfürsprechenden nur dann dazu, wenn
sie für die Patienten/-innen so zu sprechen sind und für sie sprechen dürfen und können, dass deren
Selbstbestimmung nicht noch mehr eingeschränkt wird. Fürsprechende sollten entsprechend geschult
werden und Supervision haben dürfen wie auch und besonders (gesetzliche) Betreuer und Betreuerinnen, die dem Betreuten treu sein dürfen und können sollten bzw. vertrauenswürdig sein müssen.
160
Um den gleichberechtigten Umgang miteinander sicherzustellen, fehlt es in Dresden an einer "Unabhängigen Beschwerdestelle Psychiatrie".
Diese sollte gemeinsam aufgebaut und mit Mitarbeitern/-innen "trialogisch" besetzt werden, die dort
nicht nur ehrenamtlich tätig sind.
Es fehlt insgesamt an wirklich selbstbestimmten Arbeitsplätzen und Arbeitsinhalten im Selbsthilfebereich und an allen bereits genannten Mitarbeitsmöglichkeiten für Menschen mit Psychiatrie-Erfahrung.
Der Einsatz von Genesungsbegleitern/-innen mit einer „EX-IN“-Ausbildung (siehe unten) bzw. einer
„peer to peer“-Ausbildung und der Einsatz der Absolventen/-innen sollte nicht nur auf die PSKB beschränkt sein, sondern auch selbstbestimmte Arbeitsplätze und Arbeitsinhalte im Selbsthilfebereich
ermöglichen und Mitarbeit von Hilfeplanung bis Hilfe beim Helfen für professionell Helfende. Ziel soll
sein, dass multiprofessionelle Teams nicht mehr ohne gleichberechtigte krisenerfahrene Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen zu denken sind. Die entsprechende Ausbildung sollte als Aus- und Weiterbildung sowie
Umschulung für alle Bereiche im Gesundheits- und Sozialwesen einschließlich Verwaltung geplant
werden. Also nicht „nur“ für Genesungsbegleiter/-innen, sondern auch für hauswirtschaftliche Hilfen und
einen Begleitservice füreinander bis hin zur Dozententätigkeit im Rahmen der Ausbildung zukünftiger
professionell Helfender, die irgendwann auch das als Qualitätsmerkmal haben sollte, wie auch die
Mitbestimmung bei den Ausbildungsinhalten bis hinein in eine selbstbestimmte Forschung.
GESOP gemeinnützige GmbH
Gasanstaltstraße 10
01237 Dresden
Tel.: (03 51) 21 53 08 60
[email protected]
www.gesop-dd.de
Exkurs über die EX-IN-Ausbildung
EX-IN – Eine Ausbildung für Psychiatrie-Erfahrene
EX-IN bedeutet Experienced – Involvement (Erfahrung einbeziehen) und wurde im Rahmen eines
Europäischen Pilotprojekts 2005 - 2007 entwickelt. Ziel ist eine Qualifizierung von PsychiatrieErfahrenen (Menschen, die eine schwere psychische Krise durchlebt haben) zu Genesungsbegleitern/innen bzw. Mitarbeitern/-innen in psychiatrischen Diensten oder als Dozenten und Dozentinnen für
Lehre und Forschung.
Die Beteiligung von durch Erfahrung qualifizierten Experten und Expertinnen soll dazu beitragen,
das Wissen über psychische Gesundheit zu verbessern, die Ausbildung und die Kenntnisse psychiatrischer Fachkräfte zu ergänzen und schließlich die Angebote von psychosozialen Einrichtungen und
psychiatrischen Diensten weiter zu verbessern, um besser auf den Bedarf ihrer Nutzer/-innen einzugehen und zu ihrer Genesung beizutragen.
Bei EX-IN werden die Erfahrungen und die Erkenntnisse von Psychiatrie-Erfahrenen in den Mittelpunkt gestellt. "Expertenwissen aus Erfahrung" trägt bei zu:





einem erweiterten Verständnis psychischer Störungen
neuem Wissen über genesungsfördernde Faktoren in der Psychiatrie
der Entwicklung neuer Methoden und umfassender Inhalte in der Fachkräfteausbildung
innovativen Angeboten psychiatrischer Dienste
Qualitätssicherung psychosozialer Einrichtungen
Für Sachsen wird die Ausbildung in Dresden seit 2012 angeboten. Künftige EX-INler und EXINlerinnen sollen in den verschiedenen Einrichtungen der sozialpsychiatrischen Versorgung Praktika
und nach der Ausbildung Arbeitsplätze finden. EX-IN in Sachsen wird unterstützt von der „Sächsischen
Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e. V.“.
Eine gleichberechtigte, multiprofessionelle Zusammenarbeit ist ohne die Beteiligung der Angehörigen nicht denkbar. Gerade für Angehörige muss noch mehr Aufklärungs- und AntistigmatisierungsArbeit geleistet werden. Denn oft fällt den Angehörigen der Umgang mit einer psychischen Erkrankung
schwerer, als den Betroffenen selbst. Neben einem weiteren Ausbau von Projekten wie „Betreutes
Wohnen in Familie“, sollten die natürlich gewachsenen Familien, die ein betroffenes Mitglied haben,
intensiver unterstützt werden.
161
Bewertung der Versorgungssituation für die Angehörigen:
Die Kontakte mit den Angehörigen haben in allen Bereichen zugenommen. Dies hat jedoch nicht zur
Folge, dass die Angehörigengruppen einen stärkeren Zulauf haben. Vielmehr geht es um spezielle,
individuelle Nachfragen im Sinne einer Einzelberatung. Die Mitarbeiter/-innen der einzelnen Angebote
leisten zusätzliche Aufklärungsarbeit, die anderweitig benötigte Kapazitäten bindet. Aufgabe ist es
deshalb, den Austausch innerhalb der Angehörigengruppen stärker zu fördern und psychoedukative
Angebote auch außerhalb anzubieten.
Zur Unterstützung und Hilfe von Angehörigen fehlt es in Dresden an Angeboten zur Psychoedukation speziell für Angehörige in den Kliniken – unabhängig von der Diagnose und auf Wunsch auch bei
wiederholtem Klinikaufenthalt des Familienmitglieds. Ein stärkeres Zugehen des Klinikpersonals auf den
Angehörigen ist dafür unerlässlich. Um das Familienmitglied besser begleiten zu können, sollten, trotz
Schweigepflicht, regelmäßige Angehörigenvisiten oder Angehörigen- und Familiengespräche in der
Klinik stattfinden. Auch der Hinweis auf Angehörigengruppen bzw. den Angehörigenverein in den Kliniken ist bisher unzureichend umgesetzt.
Angebote zur qualitätsgerechten Psychoedukation und Beratung bzw. Entlastung speziell für Angehörige auf allen Ebenen (Klinik, Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen) – unabhängig von der Diagnose –
sind zu etablieren und auszubauen.
Für viele Angehörige ergeben sich bei der stationären Aufnahme ihres erkrankten Familienmitgliedes viele Fragen, für deren Beantwortung in der hektischen Klinikroutine kaum Raum bleibt. Der Gesprächs- und Unterstützungsbedarf ist aber enorm und kann von den Behandlern und Behandlerinnen
nicht geleistet werden. Ein Angebot auf Augenhöhe, von Betroffenen zu Betroffenen („Peer-to-Peer“)
würde diese Lücke schließen helfen. Geschulte Angehörige könnten zu bestimmten Zeiten ratsuchenden Angehörigen zur Verfügung stehen. Sie kennen die Sorgen und Nöte aus eigener Erfahrung, sind
aber in deren Verarbeitung bereits ein Stück weiter.
Um umfassende Informationen und spezifische Lösungen für jeden Einzelnen besser zu ermöglichen, ist eine starke Vernetzung aller Angehörigengruppen in Dresden von Trägern, Kliniken oder
Vereinen notwendig.
Wünschenswert ist eine jährlich stattfindende Veranstaltung zur seelischen Gesundheit.
Das Zusammenfassen von Eltern und Geschwistern in einer Angehörigengruppe wird dem spezifischen Hilfebedarf nur bedingt gerecht. Es besteht ein hoher Bedarf an ausdifferenzierten Gruppenangeboten, der aufgrund fehlender personeller und organisatorischer Ressourcen nicht durch den Angehörigenverein allein gedeckt werden kann.
Notwendig ist die Unterstützung der Gruppen in Form von Schulungen und methodischem Anleiten
der Leiterinnen und Leiter. Hier ist eine Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen der Betroffenen denkbar.
6.5. Autorenverzeichnis
Redaktionelle Überarbeitung:
Dr. Franziska Darmstadt, Landeshauptstadt Dresden, Gesundheitsamt
Cordula Cordts, Landeshauptstadt Dresden, Gesundheitsamt
Für Zuarbeiten danken wir folgenden Vertreterinnen und Vertretern:
Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen (KISS), Landeshauptstadt Dresden, Sozialamt
Selbsthilfenetzwerk für Seelische Gesundheit in Sachsen
Verein für Angehörige und Freunde psychisch Kranker e. V.
Diana Liebig, GESOP gemeinnützige GmbH
162
7. Fortschreibung
Die Handlungserfordernisse geben die Orientierung für die zukünftige Weiterentwicklung des Gemeindepsychiatrieverbundes Dresden vor. Die Umsetzung bedarf einer kontinuierlichen Zusammenarbeit
aller an der psychiatrischen Versorgung beteiligter Akteurinnen und Akteure. Die Prioritätensetzung
obliegt dabei den einzelnen Fachbereichen in enger Abstimmung und unter Einbindung der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft und der Psychiatriekoordinatorin. Nach einem Zeitraum von ca. fünf Jahren
ist eine erste Bewertung des Fortschritts – in Form einer Fortschreibung von Teil A des Stadtpsychiatrieplans – geplant.
Teil B „Psychiatrische Versorgungsbereiche der Landeshauptstadt Dresden“ bedarf einer regelmäßigen redaktionellen Überprüfung und Aktualisierung der dargestellten Angebotsstruktur in Dresden.
163
8. Abkürzungsverzeichnis
abW
APP
ASD
AWG
Bado-K
BAGüS
BBT
BBW
BFW
BGB
BMFSFJ
BTZ
BuA
BWF
CMA
EHVO
EW
DGCC
DGSPJ
DHS
DPBV
GKV
ICD-10
IFD
IMG
JDB
JGG
JMRV
JVA
KiElt
KISS
KJÄD
KSV
KVS
LHD
MDK
MPD
MSD
MuKi
MVZ
164
ambulant betreutes Wohnen
Ambulante Psychiatrische Pflege
Allgemeiner Sozialer Dienst
Außenwohngruppe
Basisdokumentation im komplementären Bereich
Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe
Beratung-Begegnung/Begleitung-Tagesstrukturierung
(Beratungsstelle für ältere Menschen mit einer psychischen Erkrankung)
Berufsbildungswerk
Berufsförderungswerk
Bürgerliches Gesetzbuch
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Berufliches Trainingszentrum
Belastungs- und Arbeitserprobung
Betreutes Wohnen in Familie
Chronisch mehrfach Abhängigkeitskranke
Eingliederungshilfeverordnung
Einwohner/-in
Deutsche Gesellschaft für Care und Case Management
Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin e. V.
Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V.
Dresdner Pflege- und Betreuungsverein e. V.
Gesetzliche Krankenversicherungen
Internationale Klassifikation der Krankheiten
Integrationsfachdienst
Innovative Manufaktur gGmbH
Jugend- und Drogenberatungsstelle (Dresden)
Jugendgerichtsgesetz
Jugendmaßregelvollzug
Justizvollzugsanstalt
Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern mit psychischen Belastungen und Erkrankungen
Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen Dresden
Kinder- und Jugendärztlicher Dienst
Kommunaler Sozialverband
Kassenärztliche Vereinigung Sachsen
Landeshauptstadt Dresden
Medizinischer Dienst der Krankenversicherungen
Medizinisch Pädagogischer Dienst
Mobiler Suchtdienst
Sozialtherapeutische Wohngemeinschaft für Mütter/Väter und ihre Kinder
Medizinisches Versorgungszentrum
OA
PIA
PSAG
PSB
PSKB
PsychThG
PTV
Psych-PV
RaSop
RL-PsySu
RPK
RV
SBB
SGB
SHG
SLS
SMKS
SMS
SpDi
SPZ
StGB
SächsAGSGB
SächsGDG
SächsPsychKG
UAG
UN BRK
VzK
WfbM
WHO
WST
WVO
Ortsamt
Psychiatrische Institutsambulanz
Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft
Psychosoziale Betreuungsangebote
Psychosoziale Kontakt- und Beratungsstelle
Psychotherapeutengesetz
Psychosozialer Trägerverein Sachsen e. V.
Verordnung über Maßstäbe und Grundsätze für den Personalbedarf in der stationären Psychiatrie
(Psychiatrie-Personalverordnung)
Radebeuler Sozialprojekte gGmbH
Richtlinie Psychiatrie und Suchthilfe
Rehabilitation Psychisch Kranker
Rentenversicherung(-sträger)
Suchtberatungs- und -behandlungsstellen
Sozialgesetzbuch
Selbsthilfegruppe
Sächsische Landesstelle gegen die Suchtgefahren e. V.
Sächsisches Staatsministerium für Kultus und Sport
Sächsisches Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz
Sozialpsychiatrischer Dienst
Sozialpädiatrisches Zentrum
Strafgesetzbuch
Sächsisches Gesetz zur Ausführung des Sozialgesetzbuches
Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst im Freistaat Sachsen
Sächsisches Gesetz über die Hilfen und die Unterbringung bei psychischen Krankheiten
Unterarbeitsgruppe
Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
(UN Behindertenrechtskonvention)
Vollzeitfachkraft
Werkstatt für behinderte Menschen
Weltgesundheitsorganisation
(Sozialtherapeutische) Wohnstätte
Werkstättenverordnung
165
9. Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Versorgungsgebiete des SpDi.
Abb. 2: Stationäre Fallzahlen in Dresden von 2008 bis 2010
Abb. 3: Aufgabenschwerpunkte der PSKB
6
Abb. 10: Netzwerkarbeit im Bereich „Suchthilfe“ für
Kinder und Jugendliche
69
Abb. 11: Bedarfslagen unterstützender Angehöriger
88
12
19
Abb. 12: Krankheitsverteilung der Klienten/-innen der Einzelbetreuung der
Abb. 4: Versorgungsgebiete für die psychosoziale Versorgung in Dresden 19
BBT-Stelle und des Projektes Ambulant Betreutes Wohnen für
gerontopsychiatrisch erkrankte Senioren in Trägerschaft des Dresdner
Abb. 5: Verteilung der Dresdner Bevölkerung auf die Versorgungsgebiete. 20
Pflege- und Betreuungsverein e. V. im Jahr 2010 (gesamt 47 Klienten/-innen;
Mischformen= Demenz + Depression)
Abb. 6: Altersstruktur der Versorgungsgebiete.
91
20
Abb. 13: Krankheitsverteilung in der Gerontopsychiatrischen Tagespflege
Abb. 7: Dargestellt wird der Anteil der gesamtstädtischen
Einkommensquellen am Versorgungsgebiet.
Dresden-Prohlis
96
21
Abb. 14: Krankheitsverteilung der Klienten in den Gruppenangeboten der
Abb. 8: Anteil der Arbeitslosen und Langezeitarbeitslosen in den
Versorgungsgebieten.
Abb. 9: Angebote im Bereich Arbeit und Beschäftigung
166
BBT-Stelle im Jahr 2010 (gesamt 32 Klienten)
109
Abb. 15: Betreuungsgrund in den Dresdner SBB im Jahr 2010
122
21
29
10. Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Einzugsgebiete des SpDi.
6
Tab. 11: Verlauf der Untersuchungszahlen und Anzahl der Kinder in
Dresden
Tab. 2: Verteilung der Vollzeitkräfte auf die Dienststellen des SpDi.
57
6
Tab. 12: Ausrichtung der PIAs im Bereich der Kinder- und
Tab. 3: Bettenzahl und Einzugsgebiete der psychiatrischen Kliniken in
Dresden.
Tab. 4: Platzzahl der psychiatrischen Tageskliniken in Dresden
Jugendpsychiatrie
59
Tab. 13: Stationäre Behandlungsplätze für Kinder und Jugendliche.
62
13
14
Tab. 14: Statistik der BBT-Stelle der AWO Soziale Dienste gGmbH in
Tab. 5: Ausrichtung der Psychiatrischen Institutsambulanzen in Dresden 15
Dresden Prohlis
Tab. 6: Versorgungsgebiete für die psychosoziale Versorgung in Dresden. 19
Tab. 15: Statistik der BBT-Stelle des Dresdner Pflege- und
Betreuungsvereins e.V. in Dresden Gorbitz
Tab. 7: Verteilung der Vollzeitkräfte auf PSKB und BBT.
109
109
22
Tab. 16: Daten zur Prävalenz ausgewählter Suchtprobleme in Deutschland
Tab. 8: Träger und Platzzahlen des ambulant betreuten Wohnens.
44
und Sachsen
115
Tab. 9: Träger und Platzkapazitäten für Außenwohngruppen.
47
Tab. 17: Verteilung der Vollzeitkräfte der SBB.
121
Tab. 10: Träger und Platzkapazitäten der Wohnstätten.
48
Tab. 18: Entwicklung betreuter Klienten in den SBB 2000 und 2010 im
Vergleich
148
167
11. Glossar
Case Management
"Case Management [...] ist zu einer methodischen Neuorientierung in der Sozialen Arbeit und im
Gesundheitswesen geworden. [...] Case Management soll Fachkräfte im Sozial- und Gesundheitswesen befähigen, unter komplexen Bedingungen Hilfemöglichkeiten abzustimmen und die vorhandenen institutionellen Ressourcen im Gemeinwesen oder Arbeitsfeld koordinierend heranzuziehen.
Aufgabe ist es, ein zielgerichtetes System von Zusammenarbeit zu organisieren, zu kontrollieren und
auszuwerten, das am konkreten Unterstützungsbedarf der einzelnen Person ausgerichtet ist und an
deren Herstellung die betroffene Person konkret beteiligt wird. Nicht die Qualitäten als Berater/-in
allein sind gefragt, sondern die als Moderatoren mit Letztverantwortung, die im Prozess der Hilfe die
Bedürfnisse der Klienten einschätzen, die die Planung und Sicherung der Bereitstellung medizinischer und sozialer Dienstleistungen koordinieren, die Prioritäten setzen und ggf. zukünftig Standards
erarbeiten bzw. festlegen und für ihre Einhaltung sorgen. Ziel ist eine Qualitätsgewährleistung, die
untrennbar verknüpft ist mit der Sicherung von Konsumentenrechten.
Relevant im Case Management ist die Unterscheidung von Fallmanagement (Optimierung der Hilfe
im konkreten Fall) und Systemmanagement (Optimierung der Versorgung im Zuständigkeitsbereich).
Die Übergänge von Systemmanagement zum Care Management sind fließend."
(Nach der Deutschen Gesellschaft für Care und Case Management, www.dgc.de)
Doppeldiagnose
Der Begriff Doppeldiagnose bezeichnet das gemeinsame Auftreten eines Missbrauchs oder einer
Abhängigkeit von einer oder mehreren psychotropen Substanzen und mindestens einer anderen
psychischen Störung.
Epidemiologie
Die Epidemiologie befasst sich mit der Verbreitung und dem Verlauf von Krankheiten und deren
verursachenden Faktoren in der Bevölkerung.
Gerontopsychiatrie
Die Gerontopsychiatrie beschäftigt sich mit älteren Menschen mit psychischen Störungen - in der
Regel ab ca. dem 64. Lebensjahr.
ICD-10
Die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme,
10. Revision, German Modification (ICD-10-GM), ist die amtliche Klassifikation zur Verschlüsselung
von Diagnosen in der ambulanten und stationären Versorgung in Deutschland. Seit dem 1. Januar
2012 ist die ICD-10-GM Version 2012 anzuwenden.
Komorbidität
Bezeichnet das gemeinsame Auftreten von psychischen Störungen verschiedener Störungskategorien. Epidemiologische Studien zeigen, dass mindestens ein Drittel der Allgemeinbevölkerung die
diagnostischen Kriterien für mehr als eine psychische Störung erfüllt.
Mortalität
PSAG
168
Ausmaß der Todesfälle im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung oder zu einzelnen Altersklassen.
Als zentrales Steuerungsinstrument auf kommunaler Ebene nach § 7 Abs.1 SächsPsychKG wurde
bereits 1993 die Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft (PSAG) in Dresden als beratendes Gremium
für den Beigeordneten für Soziales gegründet. Die PSAG tagt fünfmal im Jahr und beschäftigt sich
mit Fragen der psychiatrischen Versorgung. Sie festigt die Zusammenarbeit von örtlichen Einrichtungen und Diensten bei der Abstimmung ihrer Leistungsangebote. Sie erarbeitet Empfehlungen zur
Weiterentwicklung der psychiatrischen Versorgung und initiiert eine aufklärende Öffentlichkeitsarbeit,
um die Bürgerinnen und Bürger über seelische Gesundheit, psychische Erkrankungen und Hilfen zu
informieren und Vorurteile abzubauen. Die PSAG setzt sich aktuell aus 20 Vertreterinnen und Vertretern aller Bereiche der psychiatrischen und psychosozialen Versorgung zusammen. Vor grundlegenden Veränderungen in der Versorgungsstruktur ist die fachliche Stellungnahme der PSAG einzuholen.
Spezielle Themen werden in zusätzlichen Unterarbeitsgruppen weiterbearbeitet. In diesen können
Experten und Akteure mitwirken, die keine Mitglieder der PSAG sind. Zu den ständigen Arbeitsgruppen gehören der „Psychosoziale Arbeitskreis Kinder und Jugendliche“ (Kinder-PSAG), die UAG
„Öffentlichkeitsarbeit“ und die UAG „Arbeit und Beschäftigung“.
Siehe dazu auch Teil A des Stadtpsychiatrieplans „Psychiatrieplan der Landeshauptstadt Dresden“.
Prävalenz
Häufigkeit des Vorkommens eines Symptoms bzw. einer Störung/Krankheit in einer definierten
Population in einem bestimmten Zeitraum.
169
www.dresden.de/seelische-gesundheit
Impressum
Herausgeberin
Landeshauptstadt Dresden
Die Oberbürgermeisterin
Gesundheitsamt
Psychiatriekoordination
Telefon (0351) 4 88 53 61
Telefax (0351) 4 88 53 63
E-Mail [email protected]
Büro der Oberbürgermeisterin
Abteilung Öffentlichkeitsarbeit
Telefon (03 51) 4 88 23 90
Telefax (03 51) 4 88 22 38
E-Mail [email protected]
Postfach 12 00 20
01001 Dresden
www.dresden.de
Zentraler Behördenruf 115 – Wir lieben Fragen
Endredaktion:
Dr. Franziska Darmstadt, Cordula Cordts, Karin Wehner
März 2014
Kein Zugang für elektronisch signierte und verschlüsselte
Dokumente. Verfahrensanträge oder Schriftsätze können
elektronisch, insbesondere per E-Mail, nicht rechtswirksam
eingereicht werden. Dieses Informationsmaterial ist Teil der
Öffentlichkeitsarbeit der Landeshauptstadt Dresden. Es darf
nicht zur Wahlwerbung benutzt werden. Parteien können es
jedoch zur Unterrichtung ihrer Mitglieder verwenden.
140325_Deckblatt_psychatrieplan.indd 3
25.03.2014 13:32:48
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