Abschlussarbeit als Psychologische Beraterin bei Dozent Dr. Klaus Klein (Passau) Verhaltenstherapie Marina Gobbin Cevales Am Ferlgarten 3 94060 Pocking [email protected] Tel. 08531 – 510 968 Tel. 0171 - 6169720 Fax. 08531 – 91 265 Copyright: Frau Dr.h.c. Marina Gobbin-Cevales und Praxis Dott. Rüdiger Cevales Allgemeine Vorbemerkungen Dieser Arbeit liegt folgende Definition von Psychologie zugrunde: Die Psychologie ist eine Wissenschaft, die bei einer Reise ins Innere des Individuums helfen kann. Als Wissenschaft berührt die Psychologie drei Fachgebiete: die Sozialwissenschaft, die Geisteswissenschaft und die Naturwissenschaft. Mit Hilfe eines Experten hat ein Mensch die Möglichkeit sich selbst am besten kennen zu lernen. Man wird sich „bewusst“ über das „warum“ verschiedener Reaktionen nach verschiedenen inneren Impulsen bei unterschiedlichen Problemen oder Situationen. Mit diesem Wissen über sich selbst kann der Mensch an einer Wiedergewinnung des Gleichgewichts von Körper, Seele und Geist arbeiten. Die Psychologie hat ihre Wurzeln schon in der Antike. Aristoteles hat sich mit der Psyche des Menschen beschäftigt. Er sagte: „Zu gesicherten Ergebnissen zu gelangen, wo es sich um die Seele handelt, gehört in jedem Sinne und in jeder Beziehung zu den allerschwierigsten Aufgaben.“ (Buch: Storia della Filosofia - con testi e letture critiche - Verra-Gregory, Adorno) Aristoteles lieferte zwei entscheidende Begriffe: Seele und Geist als zwei Mustersysteme in Nervengeschehen. Der Geist analysiert, was die Seele und der Körper wahrgenommen haben. Eine vollkommene Tätigkeit der Seele als eine Voraussetzung der Selbstreflexion ist für Aristoteles das absolute Lebensziel. Die Fähigkeit zur Wahrnehmung eröffnet dem Menschen die Chance auf das Erreichen einer Vollkommenheit des Seins. Die drei Elemente Körper, Seele und Geist, die sich im Gleichgewicht befinden sollten, finden sich also bereits bei Aristoteles. Den Begriff „Psyche“, der erst seit den 50er Jahren in der modernen Psychologie benutzt wird, verwendete Aristoteles natürlich noch nicht. So liegt 2 dieser Arbeit eine Weiterentwicklung der Grundgedanken von Aristoteles zugrunde. Das klassische Psychologiemodell wird um den Begriff der Psyche erweitert: Seele Körper Seele Geist Geist Körper nach Aristoteles Psyche Konzept dieser Arbeit In Anlehnung an Aristoteles und aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen lassen sich die psychologischen Aspekte des Menschen wie folgt darstellen: Körper und Ratio Seele und Psyche KONTAKTERFAHRUNGEN WAHRNEHMUNGEN Geist mentales Element mit der Fähigkeit, die ganzen Informationen zu analysieren positive Lebenserfahrungen sind Hauptinformationen, die für die geistige Evolution sehr wichtig sind, deshalb hält der Geist sie fest Heute ist die Psychologie das zentrale Fach einer vielschichtigen Lehre vom Menschen. Sie berücksichtigt die existentiellen Bedürfnisse, gibt universelle Hilfestellung, versucht das in jedem Menschen steckende Zerstörungspotential zu erkennen und ihn davon zu befreien. Ebenso wie der Mensch entwickelt sich die Psychologie als Wissenschaft ständig weiter. Man spricht auch deshalb von „experimenteller Psychologie“, das Fach ist in ständiger Bewegung. Die Psychologie ist heute auch die Wissenschaft vom Verhalten und Erleben. Eine Wissenschaft des Öffnens oder auch von variablen Regulationen. Dieses Fach können wir auch sehen als „die Lehre der Seele“. Diese verschiedenen Bereiche müssen berücksichtigt werden, wenn man ein Individuum begreifen will: 3 VERHALTEN (comportamento): beobachtbare, exakt registrierbare Lebensvorgänge, aber auch verdecktes Verhalten (Denken, Vorstellungen, usw.) HANDELN (agire, operare): wir verhalten uns immer, aber nicht immer handeln wir TÄTIGKEIT (attività): denken, lernen, spielen, Phantasie, Arbeitstätigkeit, usw. ERLEBEN (il vivere): ist uns unmittelbar in der Selbstbeobachtung (introspektion) zugänglich: Wahrnehmung, Erinnerungen, Gedanken, Gefühle, Antriebserlebnisse, usw. BEWUSSTHEIT (coscienza): das Bemerken, das Gewahrwerden von etwas und entsprechend entwickelte zielgerichtete Verhaltensmuster, die nach einem Plan mit bestimmten Absichten und Erwartungen ablaufen. Der Fachmann kann sich in diesen Bereichen mit Fragen und objektiven Sätzen bewegen und anschließend die für das Individuum optimale Methode wählen (scegliendo il metodo più opportuno). Man unterscheidet ganz allgemein verschiedene Arten von Therapie: Die Psychologie ist ein Weg, um einen authentischen Kontakt mit sich selbst wieder aufzubauen. Sie ist ein Mittel, um auf viele Fragen eine klare Antwort zu geben. 4 ZIELE DER PSYCHOLOGIE möglichst umfassende und systematische Beschreibung von Erleben und Verhalten Erklärungen Vorhersage von Verhalten Kontrolle Emanzipation des Menschen Vollkommenheit des Seins Ständige positive Verbesserung des Charakters und der Persönlichkeit. Diese Ziele lassen sich nur erreichen, wenn man eine Methode wählt, die dem Charakter eines Menschen auch entspricht. Meiner Meinung nach sind die folgenden Therapieformen am besten geeignet, einem Individuum dabei zu helfen seine positive Stärken und positive Fähigkeiten wieder zu entdecken und aktiv zu nutzen: Gestaltpsychotherapie Tiefenpsychotherapie Humanistische Psychotherapie Systematische Therapie Verhaltenstherapie Bioenergie-Körper-Therapie Tiefe aktive Hypnose Gestaltpsychotherapie beschäftigt sich vor allem mit der Entstehung von Denken, Fühlen und Verhalten. Menschen werden dabei grundlegend als offene Systeme im aktiven Umgang mit ihrer Umwelt gesehen, die ihre Wahrnehmungen in bestimmten Mustern organisieren. Tiefenpsychologie bemüht sich um die Erforschung der Psyche mit dem Postulat des Unbewussten. Die Humanistische Psychologie besteht in Annahmen und Forderungen wie: der Mensch ist mehr als die Summe seiner Teile, der Mensch kann entscheiden, der Mensch lebt in zwischenmenschlichen Beziehungen, der Mensch lebt bewusst und kann seine Wahrnehmungen schärfen (affilare, perfezionare). 5 Systematische Therapie ist die Sammelbezeichnung für eine bestimme Art des Denkens und Handelns. Probleme werden als Bestandteile sozialer Systemstrukturen wahrgenommen. Das Credo der Verhaltenstherapie ist der Lernprozess, um Verhalten bewusst zu verändern. Z:B: Ein Erwachsener hört nicht auf zu lügen, wenn er noch nicht reif genug ist, um zu begreifen, dass er zuerst nur sich selbst belügt. Dies schadet der Persönlichkeit, dem Charakter und es entwickelt sich ein pathologisches Lügen._ psychiatrische Krankheit- „Seelische Störung- (P. Garlipp: Pseudologia phantastica – Lügen als Symptom. Nervenheilkunde 10 (2011) 823) „Wenn „der Nachbar“ schlecht ist: schlecht arbeitet tut und sagt, dann rede nicht schlecht über ihn sondern: du kannst dein Tut, Arbeit und sagen besseren machen. Das Credo der Bio-Energie-Körper-Therapie ist, dass eine Störung der Seele eine Spannung zum Körper überträgt Diese Ansätze können Menschen tatsächlich helfen, Lösungen für ihre Probleme zu finden. Ihr Ziel ist ein reifer und unabhängiger Mensch, der im Laufe der Therapie selbst ein klares Ziel formuliert und versucht, es zu erreichen. Wie ein Konflikt sich entwickelt Ein Konflikt für ein Subjekt entwickelt sich bei zwei entgegengesetzten (opposti) Reizen zwischen der Seele (Es) und der Ratio (Über Ich). Wenn ein Konflikt zwischen Seele (Bedürfnisse des Menschen) und Ratio (Regeln von Gesellschaft, Eltern, Verwandtschaft, usw.) nicht gelöst wird, führt dies im Erwachsenenalter zu einer Neurose, weil das Individuum nicht respektiert wird. An einem einfachen Beispiel erläutet bedeutet das: Ein Kind möchte Schokolade essen (Es = persönliches Bedürfnis), aber es weiß genau, dass die Eltern das nicht wollen (Über Ich = Regel). Hiermit beginnt der Konflikt zwischen Seele und Ratio (Regel) und die einzige Lösung ist ein Kompromiss, den das Ich des Menschen finden muss. 6 Über ICH ICH ES Regeln: ich muss!!! = Ratio Erlebnisse und damit verknüpfte Emotionen = Realität von Realität ausgelöste Bedürfnisse: was ich brauche = Seele Das Kind kann sich um eine Lösung bemühen, indem es nach einem Kompromiss (Ich) sucht. Es könnte die Eltern fragen, ob es ein Stück Schokolade essen darf. Dieses mutige Verhalten wäre ein Schritt erwachsen zu werden. Einige Kinder fragen z.B. aus Angst nicht und akzeptieren die Regel der Eltern ohne sich um einen Kompromiss zu bemühen. Im Einzelfall ist das unproblematisch. Bemüht sich ein Mensch aber nie um Kompromisse und gibt immer nur nach, besteht das Risiko als Jugendlicher oder Erwachsener ein aggressiver Mensch zu werden oder Macht- bzw. Manipulationskomplexe zu entwickeln. Menschen können über sich selbst reflektieren, Tiere dagegen nicht. Nur Menschen haben ein Sein und die Fähigkeit zu denken. Durch die Erfahrungen seines Lebens verändert sich der Mensch in eine positive oder negative Richtung. Der Mensch braucht gute und schlechte Erfahrungen, um seine eigenen Grenzen und die Grenzen der anderen kennen zu lernen. Zusammenleben in einer Gesellschaft bedeutet ständige Konfrontationen, die dem Menschen ermöglichen, die eigene Fähigkeiten und Schwächen zu erkennen und sich weiter zu entwickeln. Dieses Bewusstsein wird „psychologische Evolution eines Mensch“ 7 genannt. Zu dieser Evolution gehört auch die Chance zu lernen, anderen Grenzen zu setzen. Dadurch entwickelt sich ein Selbstwertgefühl (autostima). Verhaltenstherapie ist jedenfalls ein Lernprozess, der versucht das alte Verhalten des Menschen zu ersetzen. Allgemeines zur Verhaltenstherapie Jeder Mensch ist ein eigenes Universum mit starkem Wachstumspotential, das das Individuum zu tiefen positiven Veränderungen und zu einer seelischen Evolution (Es) bringen kann. Verhaltenstherapie kann dem Menschen dabei helfen. Der Mensch ist wie eine Zwiebel aufgebaut. Eine Schicht kommt nach der anderen und alle zusammen bilden ein Individuum, dessen Bedürfnisse und ihre Erfüllung für eine Zufriedenheit der Seele sorgen. Diese Schichten (strati) eines Individuums sind: Leib, Psyche, Ratio, Seele und Geist. Der Geist ist die Essenz des Individuums. Die Seele ist das Zentrum der Reaktionen zwischen den Emotionen des Individuums und ihrer Befriedigung. Die Ratio entsteht aus der Summe alter Lebenserfahrungen und Reaktionen. Für die „Kommunikation“ zwischen Ratio und Seele spielen der Leib und die Psyche des Individuums eine wichtige Rolle. Der Leib und die Psyche arbeiten zusammen. Durch den Leib manifestiert die Psyche einen versteckten Konflikt zwischen Ratio und Seele. Ein Gleichgewicht zwischen Seele und Psyche kann man erreichen und halten durch echtes Erleben der Emotionen des Körpers. Die verschiedenen Mechanismen dieser komplizierten Kooperationsarbeiten sind: 8 Noch kompakter verdeutlicht die folgende Grafik diese Kommunikationsprozesse: Reiz der Seele (Intuition) Reaktion des Körpers (Fühlen, sensorischer Teil/Empfindung) Interpretation und Antwort der Psyche (Denken, Extraversion oder Introversion) Am Ende einer erfolgreichen Therapie sollte ein Individuum vor allem folgende Ziele erreicht haben: Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten Flexibilität Verantwortung Ausgeglichenes Nähe- und Distanzgefühl eigene Grenzen erkennen anderen Grenzen setzen und Grenzen anderer akzeptieren können lieben und Liebe annehmen Anerkennung annehmen Entwicklungsphasen Die Persönlichkeit ist das Ergebnis des Durchlaufens von Entwicklungsphasen, die jeder Mensch erlebt: Säuglingsstadium 9 Frühes Kindesalter (Kindergarten) Spielalter Schulalter Pubertät u. Adoleszenz Jugendalter Erwachsenenalter Die Entwicklung der Persönlichkeit ist nie abgeschlossen, sondern läuft das ganze Leben lang weiter. In jeder Entwicklungsphase sollte ein Individuum eine gewisse Reifestufe erreichen. Die Reife eines zwanzigjährigen Menschen ist natürlich nicht vergleichbar mit der Reife eines Sechzigjährigen. Am besten gibt zusammenfassend ein Satz von Renè Descartes (1596-1650) meine Vorstellung von Verhaltenstherapie wieder: Es gibt zwei Substanzen, Leib und Seele, und zwischen ihnen eine Wechselwirkung. (azione reciproca) Was Descartes damals gesagt hat, kann man durch eine kleine Beobachtung beweisen: Ärger führt zu einem Magengeschwür, ein Magengeschwür zu seelischen Verstimmungen (scordatura). Leib und Seele haben eine Wechselwirkung und beeinflussen einander. Wenn wir traurig sind, weinen wir. Gerade wenn wir weinen, befällt uns ein Gefühl der Niedergeschlagenheit. Alles psychische Geschehen ist motiviert, das Ziel ist immer die eigene Befriedigung. Diese Ziele sollten jedem Individuum bewusst sein, aber leider ist es oft nicht so. Zum Beispiel das gewöhnlich als „triebhaft“ bezeichnete Verhalten ist wohl ein Verhalten mit sehr unklaren oder wenig bewussten Zielen. Im Idealfall kann ein Mensch einen Befriedigungszustand bewusst erreichen, indem er sich selbst koordiniert, ohne dass sein Verhalten von einem unterbewussten Impuls manövriert wird. Eine Voraussetzung 10 bewusster Koordination ist, dass ein Mensch mit sich selbst nicht in ständigem Konflikt liegt, sondern Ratio und Seele harmonisch zusammenspielen. Die Ursache von inneren Konflikten können Schuldgefühle sein. Man unterscheidet negative Schuldgefühle, die von anderen Personen, also von außen, erzeugt werden. Wer bei anderen solche Gefühle bewusst provoziert, will den anderen manipulieren und lenken, um seine eigenen Ziele zu befriedigen. Das Individuum ist blockiert und nicht mehr in der Lage seine Ziele mit Objektivität zu vertreten. Es lebt in Unfreiheit und energetischer und psychologischer Abhängigkeit. Der Manipulierte reagiert wie eine Marionette auf die raffinierten Aktionen des Manipulierenden. Die „Anweisungen“ oder Beeinflussungen erfolgen nicht direkt, sondern meist mit Hilfe emotionaler „Fallen“ (Tränen, süße Stimme, Mitleid erzeugen, Erpressung, usw.). Die Manipulationen erfolgen bewusst. Der Manipulierende weiß ganz genau, war er tut. Er nimmt bewusst in Kauf, dass sein „Opfer“ unglücklich, verzweifelt oder völlig überfordert ist. In extremen Fällen kann diese Situation einen Menschen sogar in den Selbstmord treiben, wenn er in Folge der Manipulationen keinen Ausweg mehr sieht. Er hat den Bezug zur Realität verloren, sein Ich ist „ausgeschaltet“ und kann nicht mehr zwischen Über Ich und Es vermitteln. Im Idealfall führen die Konflikte aufgrund negativer Schuldgefühle allerdings zu der Überzeugung, diese Manipulationen abstellen und in Zukunft nicht mehr zulassen zu wollen. Diesen Willen in die Realität umzusetzen erfordert Mut und die Fähigkeit zu wählen bzw. eine Entscheidung zu treffen. Dieser Mut entsteht durch einen Lernprozess in uns selbst, der zu einem Bewusstsein führt, das sich in positiven Schuldgefühlen zeigt, also Schuldgefühlen, die nicht von außen, sondern aus uns selbst entstehen und uns nicht manipulieren, sondern zum Nachdenken bringen. Ausgelöst wird dieser Lernprozess durch echte Emotionen. Echt oder authentisch sind Emotionen, wenn sie mit Werten verbunden sind. Diese Emotionen können auf das Individuum selbst gerichtet sein (Selbstwertgefühl) oder auf andere Personen (echte Liebe). Durch diesen Lernprozess entwickelt sich Mut, seine eigenen Bedürfnisse wieder einzufordern. So entsteht ein reifes und freies Ich, das in der Lage ist, wieder zwischen Ratio (Über Ich) und Seele (Es) zu vermitteln. Das Individuum lebt wieder mit der 11 Bewusstheit, wer es ist, und warum es so ist. Probleme können in Kooperation von Ratio und Seele gelöst werden. Leib und Seele haben eine Wechselwirkung und beeinflussen einander. Wenn wir traurig sind, weinen wir (sichtbare Körperreaktion). Gerade wenn wir weinen, befällt uns ein Gefühl der Niedergeschlagenheit (Emotion). Eine psychische und seelische Evolution setzt voraus, dass der Mensch sein positives Potential wieder entdeckt und es immer mehr ausschöpft. Bewusstheit entwickelt sich zum Beispiel durch: Selbsterleben Selbstentwicklung Selbstbestimmung (determinazione) Selbstentfaltung (spiegamento di apertura) Zuerst muss man neu lernen, seine eigenen Emotionen, sein eigenes Denken und seine eigenen Bedürfnisse bewusst wahrzunehmen, anzuerkennen und letztlich auch anzunehmen. Man muss sich selbst noch einmal neu kennen lernen, möglichst „Tabula Rasa“ machen, ganz von vorne anfangen und in kleinen Schritten vorwärts gehen. Für seine Ziele hat jeder Mensch immer mehrere Motive. Die Verhaltenstherapie versucht, dass ein Mensch seine konkreten Ziele tatsächlich und bewusst in die Realität umsetzt. Ziele, die früher von alten Verhaltensfehlern gestoppt wurden, sollen nun – nach einer umfassenden Problemanalyse – durch neu erlerntes kognitives Verhalten endlich erreicht werden. Mit dieser durch das veränderte Verhalten erreichten Bewusstheit kann ein Individuum unterscheiden, ob es sich um seine eigenen oder von anderen auf ihn projizierten Ziele handelt. Es kann neue Ziele festlegen in Unabhängigkeit von seiner Umwelt. Es übernimmt Verantwortung für die Entwicklungen und Veränderungen in seinem Leben. Zunächst werden die Phasen der Verhaltenstherapie entsprechend der so genannten Lernprozesstherapie kurz erläutert: In der ersten Phase setzt sich das Individuum mit seiner Vergangenheit auseinander. 12 Es lernt, dass es seine Vergangenheit nicht mehr verändern kann, indem es sie als Lebenserfahrung akzeptiert. Dieses Akzeptieren der eigenen Geschichte bedeutet in der zweiten Phase das Erkennen, dass man die Verantwortung für das Erlebte nicht nur auf andere abschieben kann. Jeder Mensch ist zu einem mehr oder weniger großen Teil für das verantwortlich, was in seinem Leben passiert. Dieses Übernehmen von Verantwortung ermöglicht einen realistischen Blick auf das eigene Leben und die eigenen Ziele. In der dritten Phase entwickelt der Mensch eigene und realistische Motive für seine Zukunft und die Motivation, eine aktive Rolle im eigenen Leben zu übernehmen. Das bedeutet das Ende der Passivität. Das Individuum nutzt seine Energien für sich, wird sein eigener „Energielieferant“. Das Leben ohne Energie gehört der Vergangenheit an. Man fühlt sich nicht mehr ohne Energie, empfindet kein „Burn-out-Syndrom“ mehr. In der Folge wird man sich bewusst von Menschen, die einem wie „Blutsauger“ die vitale Energie nehmen, entfernen bzw. ihnen aus dem Weg gehen. Ziel der Verhaltenstherapie ist es, dass ein Mensch diese Phasen immer wieder durchläuft, dass regelmäßig ein Abgleich mit aktuellen Geschehnissen und Bedürfnissen gemacht wird. Therapie bedeutet einen ständigen Lernprozess. In der Forschung unterscheidet man folgende Arten des Lernens: Klassisches Konditionieren bedeutet, dass ein Patient aufgrund einer negativen Erfahrung bei einem präzisen Reiz immer mit dieser „alten“ Angst reagiert. Er ist im Griff seiner nicht gelösten Ängste. Ursprung dieser Ängste ist immer die Erziehung in der Familie. Erziehung bedeutet das Konditionieren der eigenen Kinder, ein „Ziehen“ in eine bestimmte Richtung. Das kann auch durch passives Verhalten, durch ein Nichts-Sagen etc. stattfinden. Dieses Konditionieren findet im Grunde ununterbrochen statt, es lässt sich gar nicht vermeiden, die Kinder lernen allein vom Verhalten ihrer Eltern, das sie sich abschauen. Diese Konditionierung muss nicht zwangsläufig negativ sein, natürlich werden viele positive und sinnvolle Aspekte weitergegeben. Wichtig ist, dass Eltern sich der Konditionierung bewusst werden. Eltern müssen sich darüber klar sein, dass sie das Leben ihrer Kinder beeinflussen. Wer seine eigenen Fehler nicht an seine Kinder weitergeben will, muss sich seiner selbst bewusst sein. Wer nicht die eigenen Probleme von Generation zu Generation wie ein „Erbe“ weiterreichen will, kann 13 dieses durchbrechen, indem er bewusst etwas anderes weitergibt oder zumindest mit den Kindern kommuniziert und ihnen offen diese Ängste oder Zwänge erklärt. Operantes oder instrumentelles Konditionieren bedeutet, dass jeder Mensch in seinem Handeln und Denken außerdem durch die Lebenserfahrungen außerhalb der Familie geprägt wird. Als Reaktion auf unser Handeln erleben wir zum Beispiel Lob oder Strafe, dadurch werden wir konditioniert. Im Gegensatz zur klassischen Konditionierung findet diese nicht im Kindesalter statt, sondern später. Der Mensch ist das Produkt aller auf ihn einwirkenden Konditionierungen. Für beide Arten der Konditionierung ist entscheidend, dass das Individuum aufgrund von unterschiedlichen Erfahrungen ganz spezifisch auf einen Reiz reagiert. Dieser Reiz weckt eine Assoziation, die eine bestimmte Reaktion zur Folge hat. Weckt ein Reiz eine tiefe Angst, die eine unkontrollierbare Angstreaktion auslöst, so spricht man von einer Phobie. Der menschliche Organismus reagiert von allem auf die kognitive (innere) Repräsentation, also auf die Darstellung (rappresentazione) oder Abbildung seiner Umgebung, die er selbst aufgrund seiner Lebenserfahrung aufgebaut hat, nicht auf die Umgebung selbst. Die kognitiven Repräsentationen sind funktional mit Lernprozessen verbunden. Menschliches Lernen ist zum großen Teil kognitiv vermittelt. Gedanken, Gefühle und Verhalten sind interaktiv, und bedingen (condizionare) einander. Der Klient ist sich nicht bewusst, warum er immer wieder in einer ganz bestimmten Situation oder Emotion seine innere Stabilität verliert. Er bemerkt seine eigene Reaktion, versteht aber nicht, warum er so reagiert. Er weiß nicht, warum er wie „auf Knopfdruck“ reagiert. Dies macht ihn unsicher, er verliert seine innere Ruhe. Klienten, die auf dieses Signal reagieren, erkennen, dass bei ihnen zwischen Leib und Seele ein Problem besteht. Die therapeutische Aufgabe in der Verhaltenstherapie besteht darin, einen Klienten durch die verschiedenen Lernprozessphasen zu lenken und zu begleiten. Ein Mensch soll nicht nur Einsicht (vista-visuale) in die Zusammenhänge seiner Probleme bekommen, sondern auch seine eigene Problemlösungsfähigkeit erkennen, aktivieren und verstärken. Verhaltenstherapie bedeutet Anleitung zu einer möglichst selbstständigen Problemlösung. Daher ist die Aktivierung des Selbsthilfepotentials des Klienten am wichtigsten. Um in der Therapiesituation äußerliches Verhalten beobachten zu können, stellt der Therapeut zunächst viele Fragen. Ideal ist es meiner Meinung nach, bei jedem einzelnen Klienten eine Art Check-Liste abzufragen. Aufgrund der äußerlich sichtbaren Reaktionen und 14 Emotionen eines Menschen kann der Therapeut weitere Fragen stellen. Es entwickelt sich eine Kommunikation zwischen Klient und Therapeut. Die Emotionen, subjektiven Motive, affektiven und verbalen Manifestationen und Reaktionen werden offen besprochen. Gemeinsam wird im gegenseitigen Austausch eine Lösung für die individuellen Probleme gesucht. Ablauf einer Verhaltenstherapie Am Anfang wird in erster Linie die soziale und materielle Umwelt als auslösender oder verstärkender Reiz konzeptualisiert. Im Mittelpunkt steht der Einfluss des aktuellen „Lebensumfeldes“ auf die Entstehung (travisamento), Aufrechterhaltung (mantenimento) und Veränderung psychischer Probleme. Die Analyse der interpersonalen Beziehungen (Familie, Partner, usw.) und die Beschäftigung mit aktuellen Ereignissen (avvenimenti) stimuliert eine neue persönliche Perspektive von der eigenen Umwelt und motivieren den Klienten automatisch zu einem neuen Verständnis. neues Selbstkonzept Im Grunde wendet die Verhaltenstherapie primär Prinzipien an, die in der Experimentalund Sozialpsychologie entwickelt wurden. Ziel der Verhaltenstherapie ist, dass der Klient seine authentischen Emotionen erkennt und sie akzeptiert als seine authentischen Bedürfnisse zur Befriedigung der Seele (Es). 15 So erhält er die Möglichkeit, ein Leben frei vom alten Schema der Ursprungsfamilie, die die Macht hatte seine emotionalen Reaktionen zu manipulieren, zu führen. Wichtig ist, das alte Schema zu erkennen, damit man daran arbeiten kann „authentisch mit seinem eigenen Ich“ zu werden und zu sein. Nur wenn ein Mensch seine eigenen Emotionen authentisch erlebt, ist er frei von Manipulationen durch alte physische Probleme und Blockaden. Der nächste Schritt ist es nun, Selbstkontrolle in diesem Authentisch-Sein zu erreichen. Selbstkontrolle bedeutet, dass man sich auch in einer unangenehmen Situation nicht mehr aus seiner inneren Ruhe bringen lässt. Nur dann kann man das neue Verhalten auch in die Realität umsetzen. Eine solche therapeutische Veränderung kann nicht unter Zwang (costrizione), Einschränkung (restrizione) oder Druck erfolgen, sondern entwickelt sich in Zusammenarbeit und mit Unterstützung. Geduld und Zeit sind sehr entscheidend. Es ist bekannt, dass Neues beim Menschen immer gewisse Ängste auslöst, so ist es auch bei einem neuen Entwicklungsprozess. Wichtig ist, dem Klienten ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln, also das Gefühl nicht allein zu sein. Er selbst braucht ein Gefühl der Ausgeglichenheit (serenità), um sich mit seiner Gesamtsituation auseinanderzusetzen. Der erste Schritt ist es, mehr Klarheit im Kopf zu gewinnen. Dabei kann der Therapeut zum Beispiel mit folgenden Fragen Erfolge erzielen: In welcher Situation/Konstellation lebe ich? Warum? Welche Emotionen habe ich momentan? Wer bin ich heute? Das Gespräch mit dem Klienten über seine aktuellen Beziehungen ist sehr wichtig. Durch die Analyse der täglichen persönlichen Kontakte und der von ihnen ausgelösten Emotionen wird sich der Klient seiner Gefühle und ihrer Qualität bewusst. Er lernt seine Emotionen zu unterscheiden (positiv/negativ, intensiv/neutral, angenehm/unangenehm, usw.) und bewusst zu empfinden. Arten der Therapie 16 Man differenziert zwei Arten der Therapie: TRIVIALE MASCHINE NICHT-TRIVIALE MASCHINE altes Verhalten Input altes Verhalten und seine Ursachen erwünschtes neues Verhalten Output Bewusstheit und damit die Fähigkeit das eigene Verhalten generell zu bestimmen Die triviale Maschine arbeitet auf ein klares „Output“ (Verhalten) des Klienten hin. Der Klient entscheidet in der Therapie, welches neue Verhalten er durch seinen eigenen Input erreichen will. „Input“ und damit Ausgangspunkt der Therapie ist das aktuelle und als unangenehm empfundene Verhalten eines Menschen. Im Gegensatz dazu hat die nicht-triviale Maschine nicht ein festgelegtes „Output“ zum Ziel, sondern sie möchte die Stärken des Klienten insgesamt derart aktivieren, dass er nicht mehr so schnell verwundbar ist. Der empfundene Stress soll reduziert werden, Ziel ist insgesamt mehr Ausgeglichenheit und Gelassenheit. Die folgenden drei Einflussfaktoren spielen bei allen Klienten eine Rolle, da alles, was man selbst erlebt und miterlebt, das Verhalten und die aktuelle Stimmung beeinflussen: Genetische Einflüsse (z.B. Leidet in der Familie jemand unter Depressionen?) Umgebungsfaktoren (z.B. Hat der Klient im Arbeitsbereich regelmäßig Kontakt mit Menschen, die unter Depressionen leiden?) Soziale Situation (z.B. Haben Sie Freunde? Wie empfinden Sie Ihre Partnerschaft?) Ratio und Seele müssen zu einer bewussten Wahrnehmung fähig sein. Zum Beispiel müssen Quellen einer Unzufriedenheit klar erkannt werden. Wenn man gestresst nach einem langen Arbeitstag nach Hause kommt und mit dem Partner streitet, ist es nicht immer ein Anzeichen für eine problematische Beziehung. Der Klient muss wieder lernen, in solch einer Situation deutlich zu unterscheiden, ob sich eine Überbelastung am 17 Arbeitsplatz bis ins Privatleben auswirkt oder tatsächlich ein Problem mit dem Partner besteht. Dazu muss individuell analysiert werden, auf welche Reize man wie reagiert und was diese eigentlich signalisieren. Jeder Reiz von außen löst eine innere Reaktion aus, man spricht von „innerem Reiz“. Dieser innere Reiz ist ein Alarmsignal, auf das der Klient unbedingt achten sollte. Er muss entscheiden, gegen welche äußeren Reize er sich schützen will und muss versuchen seinen Charakter so zu stärken, dass er auf diese Reize anders oder gar nicht mehr reagiert. Da dieser Prozess kognitiv ist, braucht es Zeit, eine andere Reaktionshäufigkeit zu erzielen. Kognitiv entwickeln sich Gedanken und Vorstellungen, die immer Ergebnis emotionaler und motivationaler Vermittlungsprozesse sind. Neues Verhalten und neue Vorstellungen entwickeln sich durch bewusstes und klares Wahrnehmen und Unterscheiden des eigenen Verhaltens. Im Italienischen spricht man von einer „Blöße der Beobachtung“ (la nudità), die erreicht werden muss. Wichtig ist es, Emotionen nicht zu ersticken (soffocare), sondern sie zu erkennen (riconoscere) und zu akzeptieren, wie sie sind. In dieser Phase muss hinterfragt werden, zu welchen unten aufgeführten Identifikationen sich der Klient selbst für fähig hält bzw. welche Stufen er seiner Meinung nach überwunden hat. Liebesbindung Realitätsbindung Lösung des Ödipuskomplexes Aufgeben der Autoerotik Gruppenidentität Mutteridentität Erfahrungskohärenz Körperkohärenz Urvertrauen 18 Grundthese der „Rational-emotiven Therapie“ nach Ellis ist, dass immer wiederkehrende emotionale Probleme auf irrationale Glaubenssätze und daraus abgeleitete negative Selbstsuggestionen zurückzuführen sind. Beck dagegen sieht charakteristische logische Denkfehler als Ursache psychischer Störungen an. Beide Ansätze zeichnen sich dadurch aus, dass ausdrücklich kognitive Elemente und Verhaltenselemente miteinander verbunden werden, wobei aber die kognitiven Aspekte dominieren. In dieser Hinsicht stimme ich sowohl Ellis als auch Beck zu. Die bisherigen Ausführungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Der menschliche Organismus reagiert vor allem auf die kognitive (innere) Repräsentation, also die Darstellung (raffigurazioni) oder Abbildung (illustrazioni) seiner Umgebung und nicht auf die Umgebung selbst. Die kognitive Repräsentation ist funktional mit Lernprozessen verbunden. Menschliches Lernen ist zum großen Teil kognitiv vermittelt. Gedanken, Gefühle und Verhalten sind interaktiv und bedingen einander. Die Zusammenarbeit mit dem Klienten Therapie ist ein Mittel und Training, um Problemlösungsstrategien zu entwickeln. Deshalb ist es sehr wichtig, dass man die Gedanken und Gefühle des Klienten, die er aktuell erlebt, nicht ignoriert, sondern direkt erklärt und zusammen bearbeitet. Das präsente Erleben wird mit den aktuellen Emotionen erklärt und Selbstwahrnehmung trainiert. Der Dialog zwischen Klient und Berater sollte nicht in einer Fixierung auf ein Problem stecken bleiben, sondern sich weiterentwickeln zu einem Gespräch, das den Klienten dazu motiviert, selbst aktiv zu werden und eigene Problemlösungsstrategien zu entwickeln, indem er neue Erlebens- und Verhaltensweisen erlernt. Die Verhaltenstherapie setzt sich mit Symptomen auseinander, die Projektionen von inneren Störungen nach außen darstellen. Diese Störungen entstanden unbewusst in der 19 Vergangenheit des Klienten aufgrund externer Einflüsse, die auf ihn Druck ausgeübt haben. Alle psychischen Störungen werden von der modernen Verhaltenstherapie als Konditionierungsprozesse angesehen, die von alten Reizen ausgelöst wurden (vennero appresi). Entscheidend ist die Frage: „Wer bin ich heute und wie bin ich so geworden?“… …ich und meine „Nächsten“ Eine Antwort auf diese Frage setzt voraus, dass man den Klienten mit seinem Verhältnis zu seiner Umwelt, zu seinen „Nächsten“ (Familie, Freunde, Nachbarn, Kollegen, Bekannte, usw.) konfrontiert. Zur Stärkung persönlicher Kompetenzen kann man mit einem Individuum typische Belastungssituationen in der Therapie durchspielen. Dabei übernimmt der Berater verschiedene Rollen (z.B. die Schwiegermutter, den Chef, den Partner etc.) und kann währenddessen seinen Klienten beobachten und spüren, wie der Klient reagiert. Anschließend werden die Reaktionen aufgezeigt und besprochen. Diese Rollenspiele kann man benutzen, damit der Klient eigene Methoden für derartige Situationen erkennt und erlernt. Ziel ist ein bewusster Umgang mit dem so genannten „Präventions-Ventil“, das jedes Individuum für sich entwickeln kann. 20 Dieses „Präventions-Ventil“ ist vor allem wichtig für Menschen, die im Rahmen ihres Berufes als Mediatoren eingesetzt werden, wie zum Beispiel Lehrer, Berater, Sozialarbeiter, Krankenpfleger, Psychiater, Psychologen, usw. Sie können durch die Prinzipien der Verhaltenstherapie ihren Stress deutlich verringern und effektiver arbeiten. Mit Hilfe derartiger Spielerfahrungen kann man die täglichen Konfrontationen im Berufs- und Privatleben als Chance nutzen, noch reifer (authentisch) zu werden, um in zukünftigen Stresssituationen anders zu reagieren, um sich selbst zu schützen. Bewältigungsstrategien (superamento) Die Entwicklung von Strategien der Bewältigung braucht Zeit. Jeder Klient hat seine eigene Geschwindigkeit (tempo), die respektiert werden muss. Durch solche Strategien versucht man, die subjektive Kompetenz und das Selbstwertgefühl zu steigern, um insgesamt die Lebensqualität des Klienten zu verbessern. Bei der Vermittlung von Bewältigungsstrategien muss der Berater immer fest vor Augen haben, dass nicht alle Menschen in gleichem Maße dazu fähig sind, Situationen sensibel wahrzunehmen, zu spüren und zu erleben. Man kann vier verschiedene Intelligenzniveaus unterscheiden: rational emotional sozial intuitiv Im Gegensatz zur Standardmeinung, nach der nur drei Niveaus (rational, emotional, sozial) unterschieden werden, existiert meiner Meinung nach ein viertes Niveau. Intuitive Wahrnehmungen sind immer authentisch, daher ist das vierte Intelligenzniveau bedeutender als die anderen drei. Intuitives Handeln wird meiner Meinung nach vom Es (Seele) ausgelöst. Man kann diese Form der Intelligenz auch als sechsten Sinn bezeichnen, über den grundsätzlich jedes Individuum verfügt. Leider nutzen nicht alle ihren sechsten Sinn, bei manchen ist er „ausgeschaltet“. Verhaltenstherapeutische Diagnostik 21 Die Verhaltensanalyse ist als Alternative zur psychiatrischen Diagnostik zu verstehen. Sie hat ihre Grenzen allerdings bei schweren psychischen Störungen. Andere Therapieformen verstehen die Beschwerden (lamentele), Schwierigkeiten und Auffälligkeiten (vistosità) einer Person als klare Symptome einer Krankheit. Symptome sind Hinweise (indicazione) in Form von für eine psychische Krankheit typischen Störungen auf einem bestimmten Niveau. Diese Störungen oder die entsprechende Krankheit werden als Ursache für die Symptome angesehen. Dagegen steht in der Verhaltenstherapie das Verhalten des Klienten im Vordergrund. Dieses Verhalten entspricht einer Projektion nach außen. In Stress-Situationen kommen alte unbewusste Reaktionen zu Tage. Deshalb besagt ein Grundsatz der Verhaltenstherapie: Da beim Menschen sein Fehlverhalten programmiert ist, kann man diese Fehler auch wieder löschen und ein neues Programm (Reaktion) programmieren. Ziel der Verhaltenstherapie ist es, dass ein Individuum die unbewusst stattgefundene Programmierung erkennt und versteht, um anschließend selbst bewusst ein neues Programm zu schreiben. Aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen als Patientin der Psychotherapie und Tiefenpsychotherapie in Deutschland und auch in Italien kann man meiner Meinung nach nur bis zu einer gewissen Tiefe in die menschliche Psyche vordringen, um alte Verletzungen zu analysieren. Jeder Mensch verfügt über innere Schutzgrenzen. Diese „innere Türe“ sollte auch nicht geöffnet werden, da sie ein Individuum unter anderem auch davor schützt, zum Beispiel nach einem schweren Trauma verrückt zu werden. Meine Hauptkritik ist außerdem, dass eine ständig weiterbohrende Analyse nicht zu neuen Erkenntnissen führt. Stattdessen bringt sie Klienten meist dazu, die Verantwortung für den eigenen seelischen Zustand auf andere Menschen abzuschieben. Im Italienischen gibt es einen Spruch, der hier passt: „Rühre nicht immer in der gleichen Suppe – sie wird ungenießbar!“ Natürlich ist es richtig, in die Tiefe zu gehen: als Impuls um Informationen über Erlebnisse und Gefühle der Vergangenheit zu bekommen. Aber meiner Meinung nach ist 22 es viel wichtiger, den Klienten als erwachsenen Menschen zu betrachten, der selbst Verantwortung für sein Leben übernehmen kann. Im Grunde muss der Klient sich die Frage beantworten, ob er immer ein bemitleidenswertes Kind bleiben oder erwachsen werden will, ob er die Verantwortung für seine Probleme auf andere abschieben oder selbst übernehmen will. Die Verhaltenstherapie hilft dem Klienten dabei, Verantwortung gegenüber sich selbst zu entwickeln. Sie versucht, dem Klienten den heutigen „IstZustand“ bewusst zu machen. Durch dieses Bewusstsein schafft der Klient sich selbst die Basis für mögliche radikale Veränderungen. Primärer Anspruch (pretesa) des Beraters sollte nicht die Heilung, eine Persönlichkeitsentwicklung oder Selbstentfaltung sein, sondern er muss sich darauf konzentrieren, wie konkrete Probleme gelöst werden können. Beschwerden (lagnanze) oder ein bestimmtes Verhalten werden daher nicht als Symptome verstanden, sondern als Hinweise auf den aktuellen Status eines Problems bzw. einer Situation. Der Begriff „Verhalten“ umfasst hier kognitive, emotionale und körperliche Reaktionen. Der unterschiedliche Ansatz lässt sich am Beispiel von einer Depression erklären. Von der Psychiatrie wird die Depression als Symptom beschrieben im Sinne von „Lähmung (paralasi) des Antriebs (dell`impulso)“ oder „Blockade des Gefühlslebens“. In der Verhaltenstherapie wird die Depression eines Klienten gesehen als Signal dafür, dass der Klient begreifen muss, dass ein Problem momentan nicht gelöst werden kann. Aus dem Italienischen wörtlich übersetzt liegt eine „Impotenz“ des Klienten vor: die Ratio akzeptiert eine Situation, aber die Seele noch nicht. Es besteht ein Konflikt zwischen Ratio und Seele. Die Beschwerden werden nicht unbedingt als abnorm bewertet (valutati), sondern als hinderlich (ostacolo) oder disfunktionell für die Wünsche und Ziele eines Menschen. Auch die Interpretation der Beschwerden in der Verhaltenstherapie ist unterschiedlich. Beschwerden sind nicht Ergebnis eines pathologischen Prozesses, sondern eröffnen das Potential zu einem „normalen“ Lehrprozess, in dem der Klient lernen kann, seine charakterlichen Ressourcen zu verstärken und aus sich heraus zu gehen. Dies geschieht in einem rationalen Prozess. Der Mensch muss akzeptieren, dass nicht alles über die Ratio 23 zu lösen ist, das Über-Ich muss mit dem Charakter kooperieren. Man muss die Fähigkeit entwickeln, im Zusammenspiel von Ratio (Über Ich), Emotion (Es) und Charakter (Ich) zu handeln. Menschen beschreiben ihre Probleme ganz unterschiedlich. Einige können problematische Situationen und die dann auftretenden Symptome ganz klar schildern. Andere erzählen scheinbar ganz frei aus ihrem Leben, verstummen aber, sobald es um problematische Beziehungen oder Situationen geht oder verschweigen sie sogar ganz. Dies ist der Fall, wenn das eigene Verhalten als ständige Niederlage empfunden wird und sich der Klient nur noch als Opfer der Situation empfindet. Die meisten Menschen beschreiben ihre Beschwerden als Verhaltensprobleme. Der Berater muss in vielen Fällen aus diesen Beschreibungen „heraushören“, welche Symptome (Angstreaktionen, Zwangsverhalten, Stottern, usw.) vorliegen. Wie ein „Alchimist“ muss er die individuell richtige Mischung aus Emotionen, Erinnerungen, Interessen etc. thematisieren. Durch eine angenehme und lockere Atmosphäre soll der Klient dazu gebracht werden, sich zu öffnen und unangenehme Dinge auszusprechen. Er soll die Erfahrung machen können, dass er verstanden wird und keine Angst haben muss, seine Gedanken und Erlebnisse zu beschreiben. Analyse einer erlebten Situation: SITUATION BEDEUTUNG MITMENSCHEN ÖRTLICHKEIT ZEITLICHKEIT MODALITÄT 24 25 Dialog zur Problemanalyse Jede Therapie sollte möglichst an den „Ursachen“ ansetzen und nicht nur an den Symptomen. Eine Verhaltenstherapie entwickelt sich im ständigen Dialog zwischen dem Klienten und dem Berater. Für jeden Einzellfall müssen spezifische Lösungswege erarbeitet werden. Der Berater muss immer das Ziel vor Augen haben, dass der Klient eine innere Harmonie bezüglich seiner spezifischen Situation haben muss. Ohne diese Harmonie fühlt sich ein Mensch „leer“ und unruhig und nie ganz zu Hause. Er muss eine seelische und energetische „Heimat“ empfinden, um auch zu erkennen, dass jeder erwachsene Mensch das Recht hat zu wählen, mit welchen Menschen er in seinem Leben zu tun haben will. Im Grunde muss er lernen, dass es manchmal besser ist allein zu sein (aber in innerer Harmonie), als in schlechter Begleitung. In der Verhaltenstherapie werden zwei Arten von „Ursachen“ für Probleme unterschieden: genetische und historische Bedingungen. Ob man innerhalb der Familie das älteste oder jüngste Kind ist, adoptiert wurde oder Cousin/Cousine ist, ist genetisch bedingt. Historisch bedingt ist die erlebte Geschichte innerhalb dieser Familie. Die individuelle Umwelt verändert sich massiv, sobald ein Mensch größer wird, immer mehr Außenkontakte hat und mehr und mehr Menschen kennen lernt. Idealerweise sollte in Familien bereits kleinen Kindern Selbstvertrauen, Kritik- und Dialogfähigkeit vermittelt werden. Klienten in der Verhaltenstherapie hatten meist andere Erfahrungen. Viele beschreiben, dass in der Familie Druck herrschte oder mit dem Aufbau von Schuldgefühlen erzogen wurde, dass sie sich nicht akzeptiert oder unsicher fühlten, dass kein Dialog möglich war oder Gespräche einfach nicht stattfanden. In extremen Fällen agiert eine Familie wie ein Filter, der ein Kind völlig von Erfahrungen, Austausch und Erlebnissen mit draußen abschirmt. Solche Kinder wachsen völlig „manipuliert“ auf und haben keine Chance als Erwachsener, ihre Seele (Es) aus diesem historisch bedingten Gefängnis zu befreien. In solchen Familien herrscht quasi das diktatorische Gesetz: „Du machst, was wir wollen, oder wir akzeptieren dich nicht.“ 26 Interessant im Rahmen der Beratung ist die aktuelle Umwelt eines erwachsenen Menschen, sein Lebensumfeld im Hinblick (con riguardo) auf die Entstehung (origine), Aufrechterhaltung (mantenimento) und Veränderung psychischer Probleme. soziale Umwelt (Bekanntschaften, Nachbarn, Freunde, usw.) materielle Umwelt (die eigene Wohnung, Lohn/Gehalt, usw.) Aus dieser Umwelt wird jeder Mensch ständig mit Reizen konfrontiert. Da die Primärumwelt „Familie“ wie oben beschrieben viele Jahre wie ein Filter agieren kann (natürlich nur in problematischen Konstellationen), ermöglicht die vergrößerte Umwelt eines Erwachsenen leichter die direkte Konfrontation mit den eigenen Bedürfnissen. In Auseinandersetzung mit den neuen Erfahrungen entsteht der Wunsch, die eigenen Bedürfnisse auch konsequent durchzusetzen. Ohne Mut ist dies nicht machbar, es kommt zu einem Konflikt, der grundsätzlich positiv ist, weil er Voraussetzung für die weitere Entwicklung ist. In der Beratung ist es notwendig im Einzelfall zuerst die Stimuli oder Reize zu identifizieren. Der Klient muss seine Beziehungen (zu Familie, Partner, usw.), seine Lebenserfahrungen und ihre Bedeutung und sein durch Reize verändertes Verständnis von seiner Umwelt zunächst selbst beschreiben und interpretieren. Die Verhaltenstherapie kann dann Anregungen und Impulse zur weiteren Reflexion beisteuern. 27 Die „Welt“ eines jeden Menschen umfasst die im folgenden Schema dargestellten Aspekte: Durch die Anerkennung dieser verschiedenen Aspekte wird sich der Klient bewusst über seine innere Emotionswelt und darüber, wie tiefgehend verschiedene Reize waren oder sind. Ziel einer Verhaltenstherapie Zusammen wird besprochen, welchen Reizen der Klient ausgesetzt ist und, was diese Reize im Klienten auslösen. Verhaltenstherapie ist ein Lernprozess, in dem sowohl neu zu erlernende als auch zu verlernende (che si imparare) psychische Aspekte eine Rolle spielen. Das Ziel des Lernprozesses wird mit dem Klienten diskutiert und sozusagen sehr deutlich auf den Tisch gelegt. Er muss selbst erkennen und akzeptieren, welches Verhalten er sich abgewöhnen und durch ein anderes ersetzen möchte. Der Klient sollte von den innerlichen Stimuli, die seine Reaktionen und sein Verhalten beeinflussen, befreit werden. Es soll ein Niveau erreicht werden, in dem der Klient sich frei verhalten kann, ohne sich von anderen ungewollt beeinflussen zu lassen. Jeder Mensch trägt in seinem Leben in unterschiedlichen Situationen verschiedene „Masken“. Ziel der Verhaltenstherapie ist es, dass solche Masken bewusst aufgesetzt werden, dass der Klient klar entscheidet, wann und ob er welche tragen will. Oft dient nämlich eine solche Maske dazu, sich vor manipulierenden Einflüssen zu schützen, was unbedingt notwendig ist, wenn man seine Persönlichkeit schützen will. 28 Ohne Schutzmaske entwickelt sich eine zerrissene Persönlichkeit. Abgelegt werden sollte aber in jedem Fall zum Beispiel eine „Opfer-Maske“, die sich ein Mensch im Laufe seines Lebens zugelegt hat. In der Verhaltenstherapie konzentriert man sich auf alles, was beobachtet werden kann. Reaktionen und Verhalten kann man beobachten, aber nicht das Über Ich, das Unbewusste, die Seele, usw. Beobachtbar sind sowohl Reaktionen als auch NichtReaktionen (Blockaden). Eine Ursache für blockierte Emotionen ist Angst. Man kann zwar kein aktives Verhalten beobachten, aber die Wirkung der Angst auf den Körper ist beobachtbar, messbar, tastbar, usw. Zum Beispiel vergrößern sich die Pupillen, der Blutdruck steigt oder man schwitzt. Tatsächliche und körperliche Reaktionen als Signale für Probleme müssen mit dem Klienten besprochen werden. Ablauf der Beratungsgespräche Grundvoraussetzung eines Beratungsgesprächs ist immer, dass der Klient sich von seinem Berater voll und ganz akzeptiert fühlt. Nur dann kann man zusammen beginnen, wie folgt beschrieben, ein Problemlösungskonzept zu entwickeln: Problemstrukturierung – „Gefängnis“ erkennen: Der Klient muss zunächst klar beschreiben, wie er sich selbst aktuell sieht und welche Probleme er seiner Meinung nach hat. Zugleich muss sich der Mensch bewusst werden, in welchen emotionalen Fallen er sich befindet. Grundbedingung für die Lösung – „eine Tür wollen“: Wenn das eigene „Gefängnis“ erkannt wurde, muss akzeptiert werden, dass man selbst einen Ausweg finden muss, dass man selbst bewusst Fenster und Türen in dieses Gefängnis schlagen muss, um sich zu befreien. Verändertes Verhalten und Reaktionen – „eine Tür bauen“: Schon der Schritt, eine Tür ins emotionale Gefängnis zu bauen, bedeutet eine Veränderung. Es erfordert Mut und Kraft. Die Umwelt reagiert natürlich auf diese 29 Veränderungen mit neuen Reizen. Manchmal werden die Wände des Gefängnisses dadurch dicker. Neue Planungen – „die Tür weiterbauen“: Der Klient reagiert natürlich ebenfalls auf die neuen Reize aus seiner Umgebung. Entweder tritt wieder sein altes Verhalten auf, oder er reagiert gänzlich neu, was für ihn auch ungewohnt ist. Diese Reaktionen müssen erneut gemeinsam analysiert werden, um zu entscheiden, ob die Tür weitergebaut werden soll oder nicht. Manche Menschen akzeptieren an diesem Punkt der Beratung, dass sie ihr Problem im Moment nicht wirklich verändern wollen, weil es ihrem Charakter entspricht. Der weitere Schritt wäre in diesem Fall, daran zu arbeiten, diesen Charakter zu akzeptieren. Andere erkennen, dass ihre Ängste und Blockaden viel tiefer liegen, entscheiden sich für eine andere Form der Therapie, zum Beispiel für eine tiefenpsychologische Behandlung. Idealerweise entscheidet sich der Klient trotz der anstrengenden Erfahrungen dafür, die Tür weiter und fertig zu bauen. Er hat durch das kleine bereits geschlagene Loch in der Wand die Möglichkeit zur eigenen Freiheit gesehen und fühlt sich motiviert trotz seiner sicher immer noch vorhandenen Ängste weiter zu machen. Jetzt muss neu geplant werden. Hilfreich ist es, wenn der Klient selbst Zeitpunkte festlegt, bis zu denen er einzelne Bauschritte erledigt haben will. Das Setzen von Terminen löst zwar Druck aus, ist aber notwendig, um zu unterstützen, dass der Klient Mut entwickelt. Das Einhalten der Termine bedeutet schließlich auch, dass das geplante Ziel tatsächlich erreicht werden will. Konsequent verändertes Verhalten – „die Tür endgültig durchschreiten“: Je weiter ein Mensch sich aus seinem „Gefängnis“ bereits herausgearbeitet hat, desto wichtiger ist es, dass er konsequent sein bereits verändertes Verhalten durchhält. Das Umfeld (meistens enge Verwandte), das die Veränderungen nicht akzeptiert, wird mit Druck (z.B. in Form von vermittelten Schuldgefühlen) reagieren. Jetzt muss der Klient stark bleiben und bewusst die Tür fertig bauen. Dann steht die Entscheidung an, auch wirklich durch diese Tür nach draußen in die Freiheit zu gehen. Hat sich ein Mensch für das Durchschreiten dieser Tür entschieden, muss er noch einen Schritt weiter gehen: sich bewusst dafür entscheiden, nie wieder zurückzukommen (keine Regression). Ein wie oben beschriebenes Problemlösungskonzept entwickelt sich in Schritten. Dieses Konzept entsteht mit Hilfe subjektiver und persönlicher Fragen, die der Berater strukturiert stellt und die bei jedem natürlich anders sind, da jeder Mensch ein einzigartiges und nur einmal existierendes Individuum ist. 30 So unterschiedlich Problembeschreibungen in der ersten Beratung auch sind, ihre Hintergründe sind immer in diesem Themenkatalog zu finden: Funktionsstörung Entwicklungsstörung Sexualstörung Mentalstörung Leistungsstörung Sprachstörung abweichendes Verhalten Verhaltensstörung Aufgabe des Beraters ist es nun, das Gespräch mit dem Klienten zu strukturieren und die passenden Fragen zu formulieren. Mit Hilfe einer Checkliste lassen sich in vier Teilschritten individuelle Fragen gut entwickeln: von den Beschwerden (lamentele) zu Verhaltensproblemen von den Verhaltensproblemen zu Problembedingungen von den Problembedingungen zu Änderungspunkten von den Änderungspunkten zu therapeutischen Ansatzpunkten Geeignete Einstiegsfragen können zum Beispiel eventuell sein: Welche Verhaltensweisen will der Klient verändern? Warum? Wodurch wird dieses Verhalten momentan bedingt? Warum? Durch welche Maßnahmen kann die angestrebte Veränderung am besten bewirkt werden? Warum will der Klient diese Verhaltensweisen verändern? Welche negativen Emotionen bewegen ihn? Warum? usw. 31 Der Anfang von Beratungsgesprächen umfasst natürlich immer das Sammeln von Informationen wie beim Beginn einer Dokumentation. Die vom Klienten in Alltagssprache formulierten Beschwerden müssen vom Berater im Gespräch in fassbare Einzelproblemaspekte umformuliert werden. Probleme sind Steine, die als Barrieren zwischen einem gegebenen Ist-Zustand und einem gewünschten Soll-Zustand stehen. Sie sind Signale für eine Diskrepanz zwischen Realität und Vorstellung. Hintergrund von Problemen können körperliche Barrieren sein (Krankheiten, Behinderungen usw.). Neben psychologischen Problemen oder Verhaltensproblemen existieren auch noch so genannte „Situationsprobleme“. Sie liegen nicht im Verhalten des Klienten, sondern werden von äußeren Umständen (z.B. Schichtarbeit (turnista), Nachtschicht, Schlafproblemen) provoziert. In diesem Fall muss der Klient Veränderungen in seiner Umgebung vornehmen, also entsprechende Entscheidungen fällen. Kann er diese Entscheidungen nicht treffen oder umsetzen, liegen die Probleme im Klienten selbst. Dies ist auch der Fall, wenn ein Mensch trotz optimaler äußerer Umstände sein angestrebtes Ziel nicht erreicht. Dann ist es notwendig, dass der Klient sich mit seinem eigenen Charakter konfrontiert und auseinandersetzt. Eine weitere sehr starke Barriere kann die unzureichende Kapazität des Individuums sein, die Situation zu begreifen. Ein gutes Beispiel hierfür sind Trennungen, bei denen eine Seite die Entscheidung des Partners absolut nicht akzeptiert und deshalb die Situation überhaupt nicht verändern will. STUFEN DER PROBLEMSTRUKTURIERUNG BESCHREIBUNG BEDINGUNG Ich – heute Problem Analyse = suchen, interpretieren, prüfen Sachverhalt (circostanze- stato di cose) Prüfung der Funktionalität für angestrebte Ziele ÄNDERUNGSPUNKT Lösungsrelevanz Die vom Klienten gelieferten Sachverhalte (Beschreibungen und Bedingungen) bilden das Basismaterial der Beratung, die an den im Gespräch entwickelten bzw. ausgewählten Änderungspunkten ansetzt. 32 Dieser komplexe Prozess zur Auswahl von Ansatzpunkten für die Beratung ist zu Beginn der Behandlung nicht abgeschlossen, sondern muss fortlaufend (ininterotto) während der Sitzungen wiederholt und korrigiert werden. Verändertes Verhalten kann nur in einem dynamischen Prozess entwickelt und erlernt werden. Die Klienten berichten (riferire/raccotare) nicht nur über einzelne Beschwerden, sondern immer über mehrere. Für diese Beschwerden können ganz unterschiedliche problematische Verhaltensweisen die Ursache sein, die trotzdem in einem Zusammenhang zueinander stehen. Die Bedingungsanalyse der verschiedenen Probleme kann helfen, solche Zusammenhänge zu identifizieren. Sie ist daher zentraler Bestandteil der Problemanalyse und muss funktional und flexibel sein. Zur Orientierung dienen unmittelbar (immediatamente) beobachtbare Variablen: Reize oder Stimuli. Man unterscheidet in diesem Bereich so genannte positive und negative Verstärker: Positive Verstärker alle Mechanismen, die die Reaktionsrate (tempi di reazione) verbessern Negative Verstärker alle Mechanismen, die die Reaktionsrate verringern Da Klienten auf Reize bzw. Stimuli stärker bzw. schwächer reagieren, spricht man von operantem Verhalten. 33 Die Analyse der funktionalen Beziehungen zwischen Verhalten und Stimuli ist als Grundlage für die Bedingungsanalyse sehr wichtig. Probleme muss man immer unter verschiedenen Aspekten betrachten: behavior (Verhalten) affect (Affekt) sensation (Empfindungen) imagery (Vorstellungen) cognition (Kognition) interpersonal (soziale Beziehungen) drugs (Medikamente/Drogen) Ziel der Gespräche ist, dass der Klient aufgrund der umfangreichen Bedingungsanalyse in der Lage ist, keine Veränderung der Stimuli anzustreben, sondern eigene Variablen zur Problemlösung entwickelt. Diese neuen Variablen legt der Klient aufgrund veränderter Emotionen und entsprechend anderer Reaktionen fest, er formuliert seine „ReaktionErgebnis-Erwartung“, „Ergebnis-Folge-Erwartung“, usw. Ziel ist, dass ein Mensch durch die Beratung Bewusstheit bezüglich seiner Selbstkontrolle bzw. Selbstregulation erreicht und entsprechend handelt. Die beschriebene Bewusstheit entwickelt sich nur durch eine realisierte Selbstverbalisation. Die meisten Menschen müssen erst (wieder) lernen, ihren inneren Zustand zu beschreiben. Ihnen fehlt die Übung, Probleme zu formulieren und auszusprechen. Die Therapieplanung erfolgt immer über den „Umweg“ der Differenzierung des Problems in verschiedene und unterschiedlich formulierte Teilprobleme. Teilprobleme bzw. unterschiedliche Bedingungen eines Problems sind das Resultat der Bedingungsanalysen. Das Problem wird in verschiedene kleine Teile zerschnitten, um alles besser zu begreifen. 34 Die folgende Aufstellung fasst die bereits beschriebenen Schritte der Bedingungsanalyse noch einmal zusammen: ANALYSE DER RAHMENBEDINGUNGEN (Seele–Körper-Zustand) äußere Rahmenbedingungen belastende Lebensbedingungen (Stressoren) körperliche Rahmenbedingungen VERHALTENSANALYSE respondente Verhaltensauslösung operante positive/negative Verstärkung fehlendes Alternativverhalten in einer Situation fehlendes Alternativverhalten für verstärktes Problemverhalten KOGNITIONSANALYSE Analyse der Vorstellungen und Gedanken, die das Problemverhalten begleiten oder zu unerwünschten emotionalen Reaktionen führen Mangel an Bewältigungskognitionen (superamento) Verhaltenziele und Zielkonflikte erwartete langfristige (a lungo tempo) mittelbare (indirette) Folgen MOTIVATIONSANALYSE (nach dem Prinzip von AIDA) Hintergründe und Intensität der Motivation zur Problemlösung worauf der Berater achten muss: attention: Bedürfnisse des Individuums interest: Prioritäten dieser Bedürfnisse desire: Hintergrund dieser Bedürfnisse activation: tatsächliches Umsetzen der Bedürfnisse in aktives Handeln. 35 BEZIEHUNGSANALYSE Auswirkungen des sozialen Lebensraumes Verhaltensspielraum: Klienten – Andere Machtstruktur des sozialen Systems (Familie, Arbeitsgruppe, usw.) Erscheinungsbild (apparire) dem sozialen System nach außen Nach ausführlicher Analyse muss der Berater Handlungsanweisungen bzw. therapeutische Regeln anbieten, um ein Individuum tatsächlich zu einer Verhaltensveränderung zu motivieren. Da jeder Fall individuell und mit einer dynamischen Identität ist, muss die Auswahl der Methoden sehr gründlich entsprechend der folgenden drei Grundsätze geschehen: Effektivität der Methode: Mit welcher Wahrscheinlichkeit führt diese Methode zum gewünschten Ziel? Gültigkeit der therapeutischen Regeln: Ist durch diese Methode dieser Erfolg mit der angegebenen Wahrscheinlichkeit zu erzielen? Übertragbarkeit der therapeutischen Regeln auf den vorliegenden Einzelfall: Liegt tatsächlich das gleiche Problem vor, wie in der Regel genannt? Bei der Beratung berücksichtigt werden muss natürlich auch der aktuelle innere Zustand. Normalerweise ergeben sich nach den ersten Gesprächen bereits Veränderungen im Leben eines Menschen, die mit berücksichtigt werden müssen. 36 Sollten sich keine Veränderungen zeigen, ist dies ein klares Zeichen dafür, dass die Beratung in die falsche Richtung läuft bzw. die Quelle des tatsächlichen Problems noch nicht wirklich erfasst oder genannt wurde. In diesem Fall muss der Berater andere Fragen stellen, den Klienten womöglich anders „anfassen“, vielleicht sogar mehr provozieren als bisher, damit er selbst die eigentlichen Ursachen ausspricht. Zum Erfassen des aktuellen inneren Zustands eignet sich die Methode der so genannten Verhaltensmessung. In dieser Phase der Gespräche stellt der Berater zum Beispiel solche Fragen: Ist etwas Neues passiert? Wie fühlen Sie sich heute? Was hat sich seit unserem letzten Gespräch verändert? Hatten Sie Erfolg? Konnten Sie Grenzen setzen? etc. Die folgenden Grafiken zeigen die Bereiche, in denen sich die Nachfragen des Beraters bewegen sollten: Sinnwelten Körperschema Ziel ist es, dass der Klient sich immer klarer über seine Probleme wird und selbst entscheidet, wo und wie er sein Verhalten ändern will. Es ist wichtig, dass der Klient selbst Urvertrauen, Autonomie und Initiative entwickelt, um dann sein Leben selbst in die Hand nehmen zu können. 37 Der Prozess der Beratung in dieser Phase sieht wie folgt aus: Beschreibungen des Klienten laufend „aktualisierte“ Erklärungen des Klienten Kontrolle der erzielten Veränderungen Während der Gespräche muss man natürlich weiterhin die Körperreaktionen des Klienten beobachten. Man spricht von direkter Verhaltensbeobachtung. Die sozialen Kontakte des Klienten lassen sich wie bereits beschrieben gut durch Rollenspiele simulieren. Dies ermöglicht dem Berater eine Beobachtung der Mimik. An unterschiedlichen Gesichtsausdrücken, vielleicht sogar Grimassen, der Farbe des Gesichtes, der Pupillen, usw. lässt sich vieles erkennen. Rollenspiele ermöglichen aber nicht nur dem Berater Beobachtungen, sondern auch dem Klienten eine Selbstbeobachtung. Indem der Berater auf Beobachtetes hinweist (z.B. Schwitzen, Stottern, hektische Bewegungen etc.), kann der Klient sich seine Körperreaktionen bewusst machen und so ein neues Körperbewusstsein entwickeln. Verhaltenstherapie ist auch eine Art des „Wieder-Lernens“… Therapie als Lernprozess in den Problembereichen Angst bis Phobie Angst kann man immer in sich selbst finden. Man muss nur tief genug suchen. Andrè Malraux (1901-1976) 38 Angst ist eines von vielen Gefühlen, die das Leben eines Individuums beeinflussen. Die Emotionen während und die Form und Intensität der Reaktionen bei Angst müssen genauso erfragt werden wie die auslösenden Stimuli und ihre Hintergründe: Funktion von Stimuli Intensität der Angst während der Stimuli Reaktionen/offenes Verhalten auf der motorischen Ebene auf der subjektiv verbalen Ebene auf der körperlich-physiologischen Ebene Ein Mensch trifft zum Beispiel eine Person, in deren Nähe er sich unwohl fühlt - ohne vielleicht zu wissen warum (Stimulus). Er wird innerlich unruhig, sein emotionaler Zustand verändert sich (Organismus), vielleicht beginnt er zu stottern oder sich zu kratzen (Reaktion). Ob er Opfer der Situation bleiben oder sie ändern will (Kontingenz), entscheidet jeder Mensch in diesem Moment selbst. Je nach Entscheidung empfindet und beschreibt ein Mensch die Situation anschließend unterschiedlich (Konsequenz): S O R KV C Stimulus Organismus / Variable Reaktion Kontingenz / Verhältnis Konsequenz (C +/C -) Angewendet auf das obige Beispiel lassen sich die unterschiedlichen „Richtungen“, in die sich Konsequenz zeigen kann, wie folgt umschreiben: Dreht sich der Mensch um und geht von der als ungenehm empfundenen Person einfach weg, wird er sich besser fühlen, das Stottern wird aufhören und die innere Unruhe verschwinden (positive Verstärkung). In der Konsequenz wird er erkennen, dass die Person ganz unwichtig ist und man sich nicht unwohl fühlen muss (indirekte Bestrafung). Bleibt der Mensch dagegen stehen, wird er sich vielleicht noch unwohler fühlen, noch mehr stottern und noch unruhiger werden (negative Verstärkung). In der Konsequenz wird er sich als Verlierer bzw. Versager in dieser Situation fühlen (direkte Bestrafung). C / Konsequenz C+ C- positive Verstärkung negative Verstärkung indirekte Bestrafung direkte Bestrafung 39 Ängste entwickeln sich im Laufe des Lebens. Wie der Schmerz eine wichtige Alarmfunktion für den Körper erfüllt, kommt auch der Angst eine wichtige Bedeutung zu. Sie warnt vor einer Gefahr und versetzt den Menschen in einen Alarmzustand. Zu viel Angst oder zu wenig Angst zu haben, hat dagegen Krankheitswert. Wir kommen nicht als „Angsthase“ auf die Welt, Ängste entstehen durch Konditionierung. In einer bestimmten Situation zeigt ein Mensch immer die entsprechend gleiche bestimmte Reaktion: Situation Reaktion Konditionieren Situation Reaktion ... Der Klient muss begreifen, dass er unter versteckten Ängsten leidet und dass diese Ängste sein aktuelles Verhalten beeinflussen. Die Vergangenheit des Klienten ist sozusagen der „innere Chef“ seiner Reaktionen bei Situationen in der Gegenwart. Er ist geistig und seelisch nicht frei, er erlebt (unbewusst) die Erfahrung, dass er wie eine Marionette reagiert. Die Fäden zieht seine eigene Vergangenheit bzw. sie werden gezogen von Personen, die diese Vergangenheit repräsentieren. In der Konsequenz befindet sich der Klient in einem Konflikt zwischen Es, echten Bedürfnissen und Über Ich (geprägt von den „alten“ Regeln der Vergangenheit). Der aktuelle emotionale Zustand des Klienten lässt sich aber nicht allein durch eine Analyse der Konflikte begreifen. Notwendig ist, dass der Klient seine Ängste erkennt, akzeptiert und annimmt. Dieser kognitive Prozess muss in die Analyse als Ergänzung unbedingt einbezogen werden. Emotionale Reaktionen sind durch Lernprozesse veränderbar (modificabili). Am effektivsten lernt man nach Erfolgserlebnissen. Um Lernen zu ermöglichen, muss der Klient konkrete neue Erfahrungen machen. Er muss sich „neue“ Regeln schaffen, sie ausprobieren, korrigieren und wieder erproben. Ziel therapeutischer Ansätze ist es, die Effizienz der Selbstkontrolle des Klienten in Risikosituationen zu erhöhen. 40 Selbstkontrolle bedeutet auch das Bewusstsein, in manchen Situationen eine Maske zu tragen, um sich selbst zu schützen. Solche Situationen können vorher explizit geübt werden, damit der Klient die Erfahrung macht, dass er diesen Situationen nicht hilflos ausgeliefert ist, sondern dass er aktiv mit ihnen umgehen kann. Beim Klienten baut sich so die Erwartung von Selbst-Effizienz (neues Verhalten) und Verhaltens-Effektivität (Ergebnis) auf. Erlebt ein Klient eine Risikosituation, wird er aufgrund der Beratungsgespräche wissen, welches „neue“ Verhalten er gerne anwenden würde. Interessant ist nun, ob er bereits selbst-effizient handeln kann oder ob er in seine alten Verhaltensmuster zurückfällt. In den Beratungen muss anschließend geklärt werden, wie sich der Klient in der Situation gefühlt hat, wie effektiv sein Verhalten war, warum er sich (nicht) anders verhalten hat, ob er mehr/weniger Angst empfunden hat, etc. Lernprozesse brauchen Zeit. Neues Verhalten entwickelt sich nicht sofort. Diese Langsamkeit muss vom Klienten akzeptiert werden. Ihm muss aber auch klar werden, dass er sich nicht hinter der Ausrede „Ich brauche noch Zeit“ verstecken darf. In dieser Phase der Beratung spielt die Betrachtung der Persönlichkeit eines Klienten eine große Rolle. In der Verhaltenstherapie versteht man unter Persönlichkeit ein komplexes System von Verhaltensweisen in spezifischen Situationen. Differenzielle Reaktionen verschiedener Personen in der gleichen Situation werden durch die unterschiedliche (individuelle) Lerngeschichte erklärt. Im Laufe dieser Lerngeschichte eines Menschen werden bestimmte Muster der Wahrnehmung, der Situationsverarbeitung und der Fähigkeit zur Ausübung bestimmter Reaktionen erworben (acquistate). Die Persönlichkeit bzw. die eigene Identität ist nicht fürs ganze Leben festgeschrieben, sie verändert sich bzw. kann verändert werden. In den Gesprächen muss ein Klient sich damit auseinandersetzen, welche Identität er aktuell hat, ob er eine eigene Identität empfindet oder, ob ihm von außen eine „Phantomidentität“ aufgedrängt wurde. Aufgrund der Dynamik der Identität können alte Muster gelöscht bzw. andere Muster aktiviert werden. Ziel der Beratung ist, dass der Klient selbst seine Identität aktiviert und aktiv gestaltet. 41 Verhaltenstherapie als Problemlösungsprozess Die Therapie sollte in dieser Phase Mittel (Methoden) zur Verfügung stellen, mit denen eine Überführung des Problemverhaltens des Klienten in einen erwünschten Ziel-Zustand erreicht werden kann. Das Modell des Problemlösens verlangt allerdings Motivation und aktive Beteilung (partecipazione) des Klienten. Seine Identität ist gefragt. Therapieprozess-Stufenmodell Rollenstrukturierung und Aufbau einer therapeutischen Gemeinschaft Motivation und Vereinbarung einer Veränderung (Verpflichtung) Verhaltensanalyse Vereinbarung von Behandlungsinhalten Durchführung der Behandlung und Aufrechterhalten der Motivation Registrieren und Bewerten des Fortschritts Generalisierung und Beenden der Behandlung Phasen und Ziele: Beratungsziel in der Erwartung des Klienten Vorbereitung auf eine neue erwünschte Lebenssituation Verhaltens- und Problemanalyse: präzise Beschreibung des Problems auf verschiedenen Ebenen vorrangig angestrebte Behandlungsziele korrekte Durchführung der gewählten Methode Bewertung des Fortschritts Hinterfragen der Methoden bei neuen/veränderten Informationen Perspektive des Problemlösens: der Klient sollte nach einer zeitlich begrenzten Intervention die gelernten Fertigkeiten zur selbstständigen Lösung seiner Probleme einsetzen Erfolgreiche Verhaltenstherapie ist - wie jede Therapie bei Menschen, die Hilfe brauchen – eine Orientierungshilfe mit Flexibilität, Taktik, Sensibilität und viel Fingerspitzengefühl. Im Folgenden soll speziell Verhaltenstherapie bei Ängsten und Phobien erläutert werden: 42 Man unterscheidet unterschiedliche durch Angst ausgelöste Störungen: phonische Störung (sach- und situationsbezogen) Panikstörung (oder Panik-Attacke) mit oder ohne Platzangst (Agoraphobie) Angststörung (generalisierte Angst) Angstreaktionen müssen nicht problematisch sein. Jeder Mensch hat eine natürliche Alarmreaktion, die man Angst nennt, z.B. wenn plötzlich ein Wolf vor ihnen steht (Panikattacke). Viele zittern vor Aufregung vor einer Prüfung und können nicht mehr sprechen (phonische Reaktion). Problematisch sind Ängste nur dann, wenn die Angstsymptome mehrere Wochen lang auftreten und nicht mehr kontrolliert werden können. Mögliche Symptome können sein: Befürchtungen (z.B. angespanntes Gefühl, Nervosität, Konzentrationsschwierigkeiten), motorische Spannung (z.B. Zittern, Muskelverspannungen, Ruhelosigkeit), vegetative Überregbarkeit (z.B. Schwitzen, Schwindel). Die Betroffenen fühlen sich in einer Situation hilflos und unfähig zu handeln. Bei derart irrationalen Reaktionen kann das Angst-Gefühl zu einer Krankheit führen. Der Klient bekommt Schwierigkeiten in seiner Aktivität sowie Konzentrationsstörungen. Der Betroffene zieht sich immer mehr zurück, sein Privatleben und sein Arbeitsbereich leiden darunter. Die Situation kann noch schlimmer werden in Kombination mit Alkohol oder Medikamentenmissbrauch. Ursache ist nur zum Teil die primäre Angst, hinzu kommt das Gefühl der Angst vor dieser Angst. Der Klient fühlt sich ohne „Boden“ und ohne Sicherheitszone. Das kann ein Hinweis (indicazioni) auf eine Panik-Störung sein, also auf eine Angststörung, die immer in bestimmten Situationen auftritt. Bereits die Erwartung einer Situation löst Symptome aus. Wenn Angst überhaupt nicht mehr kontrollierbar ist und unangemessen intensiv auftritt, spricht man von einer Phobie-Störung. Zwei unabhängige Angst-Reize haben sich miteinander verknüpft, z.B. die Angst vor überfüllten Räumen und die oben beschriebene Angst vor dieser Angst. Es startet ein Teufelskreis. Der Klient ist hilflos, kann diese Furcht nicht willentlich kontrollieren und dies führt zu einem massivem Flucht- oder Vermeidungsverhalten. Die Intensität der Phobie-Störung lässt sich mit Hilfe einer Skala unterscheiden. Die Klienten sollten auf einer Skala von eins (normal) bis zehn (maximal, unkontrollierbar) das Niveau ihrer Phobie selbst einstufen. 43 Ablauf einer Phobieattacke (Angstkurve) langsam senkt sich die Angst wieder Anfang (normale Angstreaktion) Da das Verhalten des Menschen kontinuierlich und deshalb dynamisch verläuft, versucht man mit neuen Impulsen die vom Klienten als maximal mit zehn eingestufte Angst zu reduzieren. Ziel einer Angstbehandlung ist, dass ein Mensch lernt, mit der Angst umzugehen. Er kann lernen, dass Angst nicht überflüssig ist, sondern eine notwendige Emotion, die zum Leben gehört und wichtig fürs Überleben ist. Biologisch sinnvoll ist Angst, wenn vor einer Gefahr die Möglichkeit zu Wahrnehmung steigt und sich in Folge Schutzreaktionen entwickeln, um sich in eine Sicherheitszone zu bewegen. In der Therapie lernt der Klient, seine normalen und irrationalen Angstreaktionen besser zu verstehen und zu begreifen, dass Phobie ein irrationaler logischer Denkfehler ist. Ein rational-intelligenter Mensch kann mit Hilfe logischen Denkens seine Seele (Es) von diesen Ängsten befreien. Hilfreich hierbei ist das gemeinsame Erarbeiten von Bildern bzw. Vorstellungen. Einem Klienten mit Angst vorm Fahrstuhlfahren wird es helfen, sich mit dem Gedanken auseinanderzusetzen, wie viele Menschen täglich Aufzüge benutzen und das ohne Probleme tun können. Ein emotional-intelligenter Mensch wird nicht auf logische Erklärungen oder Bilder reagieren. Er muss sein Es beruhigen, indem seine Seele Sicherheit und echte Liebe empfindet. Durch empfundene Sicherheit werden sich seine Ängste relativieren. 44 Meiner Meinung nach muss der Berater sehr vorsichtig sein und immer berücksichtigen, welcher Intelligenz-Typ vor ihm sitzt. Eine Fehleinschätzung kann dem Kern des „Seins“ eines Individuums schaden. Ein Mensch muss zu einer Konfrontation mit der gefürchteten Angst motiviert werden. Nur in der Konfrontation kann er Mut entwickeln. Er kann die einzelnen Phänomene, die in der Situation auftreten, erkennen und sich genau auf eine erneute Konfrontation vorbereiten. So wird er lernen, was er tun muss, damit nichts Schreckliches passieren kann. Furchtreaktionen können an bestimmten Orten (Agoraphobie), bei Kontakt mit Menschen (soziale Phobie) oder bei Konfrontation mit spezifischen Situationen oder Personen auftreten. Beim Betroffenen entwickelt sich ein akutes Bedrohtheitsgefühl, das sich in unterschiedlichen Kombinationen von körperlichen und seelischen Symptomen zeigt. Nicht klar denken zu können, löst bei Menschen eine „Destabilisierung“ aus. Diese Destabilisierung hat je nach Intelligenztyp andere Ursachen und Wirkungen: Rationale Intelligenz-Typen versuchen, sich in Angstsituationen mit einem starken „Remotion“ zu schützen, die im Bereich des Es (Seele) gespeichert wird. Ist dieser Speicher voll, ist die Seele wie eingesperrt in eine emotionale Falle. Der Klient spürt seine eigenen Bedürfnisse nicht mehr oder wird depressiv, weil mit der Seele auch sein Ich blockiert wird, weil von der Seele keine Impulse mehr kommen können. Beim Klienten äußert sich dieser Zustand zum Beispiel mit Herzproblemen, dem Gefühl „ohne Luft“ zu sein, ständiger Nervosität, usw. Emotionale Intelligenz-Typen nehmen in Angstsituationen zu viele Impulse auf. Diese Impulse verwirren die Seele. Diese Menschen fühlen sich unsicher, ihnen fehlt jeder Halt. Hier muss in der Beratung eine Nähe aufgebaut werden, eine Situation, in der sich der Klient sicher und beschützt fühlt. Unabhängig vom Intelligenztyp ist in schwierigen Situationen die Anwesenheit einer vertrauten Person hilfreich, die über richtige Maßnahmen entscheidet, wenn ein Mensch sich momentan nicht mehr zu helfen weiß. Der Berater übernimmt diese Funktion. Langfristig muss der Klient allerdings in Selbstmanagement-Therapie trainieren, diese Angst selbst erfolgreich zu überwinden (Selbsteffizienz). Er muss lernen sein eigener Therapeut zu werden. Dazu muss der Berater den Klienten dazu bringen, die Kommunikation zwischen Es und Ich wieder zu aktivieren. 45 Der Berater muss die Selbsteffizienz des Klienten stabilisieren und die Motivation zum Durchhalten stärken. Dazu gehört auch das Überprüfen der Beratungserfolge, indem der Klient seine Angstkurve regelmäßig neu beschreibt. Es wäre sehr gut, wenn der Klient in Selbstverbalisation mental immer für sich wiederholt: „Ich tue das Richtige für mich selbst, ich komme durch meine kleinen Erfolgsschritte nach vorne!“ Der Klient darf sich nicht durch kleine Rückschritte oder nur geringe Fortschritte entmutigen lassen. Er muss dagegen akzeptieren, dass er nur durch konsequentes und regelmäßiges Trainieren die Phobie verringern kann. Durch dieses Üben stärkt ein Klient seine Identität, weil er seine eigene Dynamik wieder aktiviert hat. Er ist wieder er selbst und authentisch. Damit ist das Ziel jeder Verhaltenstherapie bzw. jeder psychologischen Therapie erreicht. Zusammenfassen kann man dieses Ziel mit dem folgenden Satz: „Sei du selbst und genieße das Leben!“ Wie der Körper so entwickeln sich auch Psyche und Seele ständig weiter und verbessern (im Optimalfall) ihre Struktur. Die Psyche braucht zur Weiterentwicklung täglich neue Erfahrungen. Nur wenn ein Mensch auch bezüglich seiner Emotionen „authentisch“ ist, wird er von außen immer weniger manipulierbar sein. Es ist normal, dass neue Situationen und neue Kontakte im Menschen Ängste auslösen und ihn durcheinander bringen können. Trotzdem braucht der Mensch genau diese Erfahrungen, um sich selbst - wie man im Italienischen sagt - zu „waschen“ und neu anfangen zu können. Anstatt sich „allein“ zu fühlen, entwickelt der Klient ein Gefühl des „Zusammenseins“, das ihn als positiver innerer Reiz motiviert. Der Berater hilft dem Klienten, sich seine positiven Gefühle (Vertrauen, Glaube, Hoffnung, Erkenntnis, Wissen, usw.) wieder bewusst zu machen. Im Grunde wird der Klient im Laufe der Beratung seine Wahrnehmung wieder neu aktivieren. Nun muss er lernen, bei seinen Emotionen zwischen echten bzw. authentischen und nur gespielten Gefühlen („Theater“) zu unterscheiden. Sein Es (Seele) wird im Idealfall nur noch mit authentischen Gefühlen „gefüttert“, die ihm innere Ruhe und neue vitale Kraft geben. Selbst positive Gefühle wie Achtung, Glaube, echte Liebe, usw. können bei Menschen eventuell Ängste auslösen, weil jede neue Entwicklung des Menschen, auch wenn sie positiv ist, von Ängsten begleitet wird. Diese Ängste sind immer Varianten folgender vier Grundformen: 46 Angst vor der Selbsthingabe, erlebt als Ich-Verlust und Abhängigkeit Angst vor der Selbstwerdung, erlebt als Ungeborgenheit und Isolierung Angst vor der Wandlung (trasformazione), erlebt als Vergänglichkeit und Unsicherheit Angst vor der Notwendigkeit, erlebt als Endgültigkeit und Unfreiheit In der Verhaltenstherapie ist es sehr wichtig, dass die Gefühle vom Klienten anerkannt werden und von ihm selbst in Ordnung gebracht werden bzw. zu einem klaren Bild zusammengesetzt werden wie bei einem Mosaik. Gleichzeitig muss der Klient sich der einzelnen Rollen, die er im Leben hat, bewusst werden und die jeweils passenden Emotionen richtig zuordnen. Liebe zum Partner hat zum Beispiel immer einen völlig anderen Charakter als Liebe zu den eigenen Kindern, Geschwistern oder Eltern. Vertrauen zu Kollegen muss einen anderen Charakter haben als Vertrauen in den Partner. Emotionen, Ratio, Denken, Überlegen (riflettere), neue Reize, usw. können in zwei Kategorien unterschieden werden. Sie werden im Folgenden mit Hilfe einer Gefühlspalette erläutert: 1) Gefühle und Emotionen, die zur Seele gehören Zu dieser Kategorie gehören seelisch empfundene Gefühle wie: Freude: lustvoll, sicher, freudig erregt, erotisch, sanft, anlehnungsbedürftig, zuversichtlich, zufrieden, wonnig (delizioso), reizend (molto grazioso), liebend und geliebt, mutig, fröhlich, geborgen, ausgeglichen, wohl, heiter (gaio, contento), befreit, wertvoll, stark, stolz… Ärger: eifersüchtig, aggressiv, frustriert, ärgerlich, zornig (adirato), gereizt, wütend, lustlos, gelangweilt (annoiato), unzufrieden, hassend… 47 2) Körperemotionen Zu dieser Kategorie gehören körperlich empfundene Gefühle wie Kälte, Übelkeit, Hunger, Müdigkeit, Durst, Sattheit, Schmerz, Wärme, Entspannung, Erschöpfung, Erregung, usw. Trauer: verletzt, einsam, verzweifelt, depressiv, isoliert, niedergeschlagen, unglücklich, sehnsüchtig, gedemütigt, unzufrieden, mitleidig, verletzt, melancholisch, gekränkt, wehmütig (malinconico, triste), bedrückt (depresso, abattuto), enttäuscht… Angst: unsicher, hilflos, ängstlich, ohnmächtig, nervös, aufgeregt, angespannt, unruhig, beengt (disagiato), beklommen (Beklommenheit=Angoscia)… Phobien als Extremformen von Angst lassen sich in drei Kategorien unterscheiden: Agoraphobie (griech. Angst vor dem Markplatz): Angst vor öffentlichen Räumen, insbesondere wenn man allein ist, tritt häufig in Zusammenhang mit Panikattacken auf Sozialphobie Ängste vor sozialen oder leistungsbetonten Situationen, in denen die Gefahr von Peinlichkeit besteht Spezifische Phobie starken und andauernde Angst vor bestimmten Objekten oder Situationen, zum Beispiel vor Spinnen (Arachnophobie), in Flugzeugen (Aerophobie), bei Gewitter (Tonitrophobie), usw. diese Störungen beginnen oft in der Kindheit oder Adoleszenz und können bei schwankender Intensität (agitarsi-muovere) viele Jahre weiter bestehen 48 Wie entstehen Phobien? Eine psychoanalytische Erklärung lieferte Freud, der glaubte, dass Menschen mit Phobien sich übermäßig auf die Abwehrmechanismen Verdrängung (rimozione) und Verschiebung (spostamento) stützen, um ihre zugrunde liegende Angst zu kontrollieren. Immer wieder schieben sie ihre Angst auslösenden Impulse tiefer ins Unbewusste (Verdrängung = Rimozione), und übertragen ihre Ängste auf neutrale Objekte oder Situationen (Verschiebung = spostamento), die leichter zu bewältigen und zu beherrschen sind (sono da dominare). Langsam entwickelt sich aus dieser Angst eine Phobie, weil der Mensch das Gefühl hat, dass er keine Sicherheitszone hat. Beim bekannten Fall des kleinen Hans mit einer Pferdephobie vermutete Freud, dass dieser Hans in seiner ödipalen Phase (3-4 Jahre) Angst vor seinen eigenen Es-Impulsen entwickelte. Hintergrund ist die Drohung seiner Mutter, ihm den Penis abzuschneiden, als sie ihn sexuell erregt beim Herumspielen mit seinem Penis entdeckte. Diese Drohung erschreckte Hans so sehr, dass er unbewusst zu fürchten begann, auch sein Vater würde von seinem Tun erfahren und ihn kastrieren wollen. Diese Furcht löste bei Hans eine starke neurotische Angst aus. Statt aber Angst zu empfinden, wenn er diese Es-Impulse spürte, und statt seine Mutter und seinen Vater zu fürchten, verdrängte Hans die Impulse und verschob seine Ängste auf ein neutrales Objekt: Pferde. Laut Freud wählte Hans Pferde, weil er sich eine Beziehung zu seinem Vater wünschte. Freud vertrat die Ansicht, dass alle verdrängten Ängste mit Hilfe der Tiefenpsychologie entdeckt und gelöst werden könnten. Menschen mit Phobien haben durch Selbst-Konditionierung gelernt, sich vor bestimmten Objekten, Situationen oder Ereignissen zu fürchten. Die Verhaltenstherapie stimmt Freuds Position insofern zu, dass Ängste, die ein Klient auf bestimmte neutrale Objekte projiziert hat, in der Tat „gelöscht“ werden können, wenn eine Person dem gefürchteten Objekt wiederholt ausgesetzt wird. Normalerweise wird ein Mensch aber eher vermeiden, was er fürchtet. 49 Beratung bei Phobien mit Hilfe der Verhaltenstherapie Ein Prinzip der Verhaltentherapie ist es, „Hilfe zur Selbsthilfe“ aufzubauen, um somit eine ständige Weiterentwicklung zu gewährleisten. Die wichtigsten verhaltenstherapeutischen Ansätze (principi) bei einfachen Phobien sind: Reizüberflutung (un sacco di stimuli) Desensibilisierung Ressourcenaktivierung neues Modell-Lernen Die Reizüberflutung kann man erreichen durch eine Konfrontationstherapie, bei der der Klient mit dem gefürchteten Gegenstand oder der gefürchteten Situation konfrontiert wird. Die Phobie als extremste Angstreaktion muss durch eine andere Verhaltensweise ersetzt werden. Stampfl entwickelte diese Methode 1975 und nannte sie Implosionstherapie. Die Konfrontation erfolgt stufenweise. Mit Beschreibungen, Bildern oder realen Konfrontationen wird der Klient gezwungen, sich an die Vorstellung der gefürchteten Objekte und Situationen immer mehr zu gewöhnen. Die Beschreibungen werden oft übertrieben oder ausgeschmückt, damit der Klient eine starke emotionale Erregung erfährt. Die Desensibilisierung dagegen ist eine Methode, mit Hilfe derer eine neue Entspannungsreaktion die Angstreaktion ersetzen (sostituire) sollte. Diesen Prozess bezeichnet man als reziproke Hemmung oder systematische Desensibilisierung. Der Klient erstellt mit Hilfe des Therapeuten eine Liste der spezifischen Situationen, in denen seine Phobie auftritt. Die Umstände (situazioni), die nur eine Spur von Angst hervorrufen, stehen ganz unten auf dieser Liste. Extreme Ängste dagegen werden ganz oben aufgelistet. Mit dem Erstellen dieser Liste werden dem Klienten seine Ängste bewusst. Nun muss der Klient lernen, sich zu entspannen, wenn seine Ängste auftreten. Bei einer wirklichen physischen Konfrontation spricht man von in-vivoDesensibilisierung: Zum Beispiel klettern Klienten mit Höhenangst anfangs auf einen 50 Stuhl, später auf eine Trittleiter, usw. Der Berater hält ihn dabei fest, um ihm ein Sicherheitsgefühl zu vermitteln. Verdeckte Desensibilisierung oder in-sensu-Desensibilisierung erfolgt nicht in direkter Konfrontation, sondern durch Vorstellungen. Auch eine vorgestellte Erfahrung wird im Gehirn als echtes Erleben verarbeitet. So wird zum Beispiel ein Klient mit einer Schlangenphobie gebeten, sich eine Schlange sehr weit entfernt von sich vorzustellen. Anschließend muss der Klient auf einer visuellen Analogskala seine Emotionen von 1 bis 10 bewerten. Wichtig ist, dass der Klient während der Konfrontation Sicherheit verspürt und das Gefühl hat, konstant begleitet zu werden. Er muss spüren, dass er mit seiner Angst nicht allein ist. Hat sich der Klient nach der Konfrontation wieder beruhigt, sollte er versuchen, sich die Schlange erneut in geringerer Entfernung vorzustellen. Der Ansatz der Ressourcenaktivierung wählt eine andere Perspektive. Nicht die Störung bzw. die durch die Phobie ausgelösten Probleme stehen im Vordergrund, sondern die eigenen Ressourcen des Klienten. Darunter versteht man die Wünsche, stabile Interessen, kognitive (die man begreifen kann) und soziale Komponenten, Selbstregulation und Belastbarkeit, körperliche Merkmale, beruflichen und finanziellen Status, das soziale Umfeld und die Beziehungsbereitschaft. Diese eigenen Ressourcen müssen wieder aktiviert und vertieft werden. Das Selbstwertgefühl (dignità propria) und die Identität des Klienten wird aufgebaut, stabilisiert und gestärkt. Dem Klienten muss wieder klar werden, dass er ein einzigartiges Individuum mit einem tiefen eigenen Kern ist. Jeder Mensch hat die Lebensaufgabe, sich selbst zu schützen und sich selbst zu ermöglichen, „sein Leben“ zu leben, weil es das einzige ist. Zur Behandlung von Phobien eingesetzt wird die verhaltenstherapeutische Technik des neuen Modell-Lernens bzw. stellvertretenden Lernens. Der Klient lernt Schritt für Schritt mit seinen Ängsten zu leben. Er lässt sich nicht von ihnen beeinflussen oder wie man im Italienischen sagt „fressen“. Das alte Modell wird durch ein neues Modell ersetzt, dadurch wird dem Klienten ermöglicht, bewusst und authentisch mit reduzierter Angst zu leben. In künftigen Risikosituationen kann der Klient sich an das erlernte Modell erinnern und es automatisch anwenden. Jedes neue Modell ist individuell. Während einem Klienten ein Entspannungsmodell helfen kann, wird ein anderer eine Situation einüben müssen, in der er sich entscheidet und Führung übernimmt. 51 Conclusione / Abschluss: Angst ist ein Alarmzustand, der als Reaktion auf eine spezifische ernste Bedrohung eintritt, oder der sich aktiviert, wenn unser Bedrohungsgefühl diffus oder vage ist. Die Merkmale bzw. Symptome (caratteristiche) von Angst und Furcht entstehen durch die Aktivität des autonomen vegetativen Nervensystems und durch das Endokrinum (Nebenniere), das Adrenalin produziert und ausschüttet. Bei einer Phobie verbinden sich zwei verschiedene Angst-Impulse. Dadurch wird die Reaktion bei spezifischen Situationen oder einer Konfrontation mit bestimmten Objekten unkontrollierbar. Man unterscheidet Agoraphobien, soziale Phobien und spezifische Phobien. Jeder von uns kann sich an seine Angst vor dem ersten Fahrradfahren erinnern, aber wenn diese Angst überwunden ist, genießen die meisten es mit dem Fahrrad zu fahren. Jede Angst, die überwunden wird, hat wie jede Lebenserfahrung die Aufgabe uns zu einer weiteren positiven Entwicklung mit mehr Mut und Heiterkeit (serenità) zu bringen. Meine persönliche Meinung ist, dass das Leben „in“ uns ist und jeder Mensch es pflegen und lieben muss. Jeder Mensch sollte mit Courage seinem menschlichen Tun im Leben einen echten Sinn geben. Seele und Körper müssen mit positiven und vitalen Energien gefüttert werden, nur dann kann ein Mensch im Gleichgewicht zwischen Seele und Körper in Harmonie leben. Nur die Seele (Es) kann die eigenen tiefen und versteckten Bedürfnisse eines Menschen erkennen. Sie sendet direkt Impulse dieser Bedürfnisse an die anderen Bereiche des Menschen (Psyche, Gehirn und Körper), sodass präzise chemische Mechanismen im Körper starten können. Wie wir auf diese Signale reagieren, ist ganz „freiwillig“, also unsere eigene Entscheidung. Der erste Mensch, der diese tiefe Kommunikation zwischen der menschlichen Natur und seiner Seele begriffen hat, ist aus meiner Sicht Jesus gewesen. Entsprechend seiner 52 Bestimmung hat ER mit Courage seine für die damalige Epoche revolutionäre Philosophie des Lebens im menschlichen Alltag einzusetzen versucht. ER ist für mich der erste, der das große Geheimnis des Lebenssinnes erkannt hat, als Philosoph (der Sinn des Lebens), Psychologe (die innere Welt eines Menschen) und Wissenschaftler (ein zufriedener Mensch aktiviert seine Selbst-Heilung). Wie wir Jesus als Mensch identifizieren und interpretieren wollen, bleibt immer eine tiefe freiwillige Definition und Aktion unseres „Seins“. Für mich ist ER als Mensch, als großer „Patriot“ der Evolution des Glaubens, zu achten und zu lieben. Diese Überzeugung hat sich während des Schreibens an dieser Arbeit und der Beschäftigung mit der Thematik noch weiter vertieft. Wir Menschen sollten uns bemühen den klaren Spuren, die ER hinterlassen hat, zu folgen. Aber haben wir Menschen dazu genug Mut? Der Unterschied zwischen einem Menschen und einem Tier ist die Fähigkeit, Gut und Böse unterscheiden zu können und die Freiheit, zu wählen, welches der beiden er im Leben einsetzt. Freiheit (lateinisch libertas) wird in der Regel verstanden als die Möglichkeit, ohne Zwang zwischen allen Möglichkeiten auswählen und entscheiden zu können. Der Begriff benennt in Philosophie und Recht der Moderne allgemein einen Zustand der Autonomie eines Subjekt. Marina Gobbin Copyright v. Frau Dr.h.c. Marina Gobbin-Cevales und Praxis Dott. Rüdiger Cevales 53