Grundkurs: Einführung in die Literaturwissenschaft im Wintersemester 2001/02. Leiter: Dr. F. Heuer Protokollantinnen: Schnira, Alyona, und Parrott, Sunny Sitzungsprotokoll vom 21.11.2001 1. Zu Beginn der Sitzung hat der Kursleiter gefragt, ob die Kommilitonen Protokolle von allen Sitzungen bekommen haben und gebeten, die Sammlung zu überprüfen, anschließend, ob sie zum Protokoll Fragen haben. 2. Zur Einübung in die wissenschaftliche Arbeitstechnik gehört, sich mit der Fachliteratur zurecht zu finden. Dazu dient die Hausarbeit, deren Aufgaben für den Grundkurs jetzt vorgestellt wurden. Auch bei diesem Schritt müssen Studenten daran denken, wie sie später als Fachleute für ihre eigenen Studenten, die sie in das fachwissenschaftliche Arbeiten einführen wollen, die Aufgaben auswählen und erklären. Bei dem Recherchieren von Quellentexten (Primärliteratur) oder von Sekundärliteratur (Fachliteratur) zu einem Thema muss man auch mit handschriftlichen Katalogen zurecht kommen. Wenn man zum Beispiel, ein Werk aus dem 18. Jahrhundert sucht, ist es möglich, dass es nicht in dem elektronischen Katalog gefunden werden kann. Ein Exempel gibt Aufgabe 2, nämlich den Text einer Fabel von Gottlieb Konrad Pfeffel bereitzustellen. Wenn man Aufsätze der Fachliteratur, zum Beispiel Gedichtinterpretationen sucht, dann finden wir sie nicht unter den Titeln der Sammelbände, Festschriften oder Zeitschriften verzeichnet, die die Buchkataloge nennen. Sie sind in Fachbibliographien zu finden, z.B. Karl Goedeke, Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung für das 19. Jahrhundert, der von H. W .Eppelsheimer und C. Köttelwesch herausgegebenen Bibliographie der deutschen Literaturwissenschaft, in periodischen Bibliographien wie der Germanistik oder der für Goethe jährlich erscheinenden Bibliographie im Goethe-Jahrbuch. Mit diesen Hilfsmitteln (Bücherkunde – Hinweise auf S. 39 der Arbeitsunterlagen) muss sich der Studienanfänger sogleich vertraut machen. Dazu dient der erste Teil der Hausarbeit, vier bis fünf Zeitschriftenbeiträge der Fachliteratur zu einem Thema herauszufinden, und zwar handschriftlich mit allen erforderlichen Angaben. Damit man die Sammelbände und Zeitschriften findet, müssen die in Bibliographien üblichen Abkürzungen aufgelöst werden: MLN findet man im Katalog nur unter Modern Language Notes, GRM unter Germanisch-Romanische Monatsschrift usw. Beim Referatschreiben muss man darauf achten, dass die bibliographischen Angaben, insbesondere auch die Namen richtig geschrieben werden, damit andere auch die Chance zum Überprüfen dessen bekommen, was der Referent vorgetragen hat. Wichtig dazu sind die Angaben, wie umfangreich der zitierte Beitrag ist, von wem und wann er geschrieben worden ist. 1 Ein Beispiel für die von den Grundkursteilnehmern verlangte kleine Bibliographie und der auf das Bibliographieren folgenden Zusammenfassung (Rezension) eines fachwissenschaftlichen Aufsatzes findet sich in den Arbeitsunterlagen auf Seite 44. Als Hausaufgabe wird in der nächsten Sitzung eine Liste gegeben. Die Aufgabe wird sein, die jeweiligen Aufsatztitel in der Bibliothek zu finden. Hiermit sollen wir uns an diese Technik wissenschaftlichen Arbeitens gewöhnen. Eingewöhnung fordert auch das Lesen von Fachliteratur und die Übung in der Fachsprache. Die Fachterminologie entwickelt und verwandelt sich. Hier ist ein kluger Umgang mit der Bildung von sogenannten Fremdwörtern sehr wichtig. Fremdwörter sind unsere hilfreichen Gäste, die man pflegen muss. In der Vorstellung und im Umgang mit diesen Gästen sollte aber keine Eitelkeit walten. Dazu wurde ein schlechtes Beispiel vorgeführt, in der Beschreibung des ironischen Neologismus Nullbocklamm = ein satirogenes signifikantes neologistisches Sprachkonstrukt zur Diagnostizierung defizitärer Kompetenz basialer innozentoider Dispositionen. So, erklärte der Kursleiter, ließe sich eine unangemessene Fachsprache parodieren. Die Themen der Liste für die Hausarbeiten wurden anschließend einzeln vorgestellt. 3. Ein Beispiel für die Verlegenheit eines Philologen, der ein Gedicht von Goethe interpretieren will. Soll er Meeresstille (Hamburger Ausgabe) oder Meeres Stille schreiben? In den Arbeitsunterlagen S.13 und S.17 finden sich beide unterschiedliche Lesarten der Gedichtüberschrift. In der Ausgabe der Bibliothek Deutscher Klassiker von Karl Eibel ist der Titel richtig, so wie es der Dichter wollte, geschrieben. Die Begründung ist schon durch das Versmaß vorgegeben. Der Titel enthält zwei Trochäen und entspricht dem Versmaß des Gedichtes (schwere Trochäen), die das Lesen der Überschrift schon ankündigt und anstimmt. Das Versmaß des Gedichtes ist ein vierhebiger Trochäus. Das Gedicht verlangt langsames Vortragenund somit ist auch der Titel „Meeres Stille“ vom Rhythmus bestimmt. Frage: Können die Umstände der Entstehung zum Verständnis der beiden Gedichte beitragen? 1787 ist Goethe von Messina in Sizilien mit einem Schiff nach Neapel zurückgekehrt. In der Nähe der Insel Capri aber geriet das Schiff infolge vollkommener Windstille in tödlich gefährliche Seenot. Dazu wurde das erste kleine Referatsthema vergegeben. 2 4. Strophenbildung und Gedichtformen durch Regeln der Reimstellung 4.1 Es wurden drei aus Italien stammende Gedichtformen genannt: Sonett, Terzinen und Stanze. Terzine auf italienisch heißt „Dreizeiler“ - Die Strophen sind dadurch verbunden, dass der Reim der Mittelzeile, jeweils von der ersten und dritten Zeile der nächsten Strophe aufgenommen und zum Schluss der Reim der Mittelzeile aus der letzten Strophe wiederholt wird: aba bcb cdc ... yzy z. Die Terzine ist das Maß in Dantes großem epischen Gedicht Divina Commedia ( um 1320). Der Reim der Terzine ist ein Kettenreim. Wir haben ein Beispiel dieses Kettenreims bei Hugo von Hofmannsthal in dessen Terzinen „Über Vergänglichkeit“ Noch spür ich ihren Atem auf den Wangen: Wie kann das sein, dass diese nahen Tage Fort sind, für immer fort, und ganz vergangen? Dies ist ein Ding, das keiner voll aussinnt, Und viel zu grauenvoll, als dass man klage: Dass alles gleitet und vorüberrinnt. Und dass mein eignes Ich, durch nichts gehemmt, Herüberglitt aus einem kleinen Kind Mir wie ein Hund unheimlich stumm und fremd. Dann: Dass ich auch vor hundert Jahren war Und meine Ahnen, die im Totenhemd, Mit mir verwandt sind wie mein eignes Haar, So eins mit mir als wie mein eignes Haar. 4.2. Das Sonett nach dem Muster von Petrarca ist ein Gedicht, das aus 14 Zeilen besteht, die sich auf zwei Quartette (Vierzeiler) und zwei Terzette (Dreizeiler) verteilen, eine sehr strenge Gedichtform. Ein Beispiel für das Schema: abba abba cde cde gibt Goethe mit dem Sonett Natur und Kunst. Als Beispiel eines in Reimstellung und Verszeilenfüllung freieren Sonetts haben wir in einem Gedicht von Rainer Maria Rilke (S. 11 in den Arbeitsunterlagen) analysiert. Wir haben versucht, 3 nicht nur auf das Versmaß des Gedichts aufmerksam zu machen, sondern auch auf die sehr kunstvoll gefügten bildlichen und anderen klanglichen Mittel und Bestandteile dieses Sonetts, das Rilke zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Paris während seines Umgangs mit dem Bildhauer Rodin geschrieben hat.. 4.3. Verschiedene Formen der Reimstellung wurden noch einmal erklärt: aa = Paarreim; abab= Kreuzreim; abba= Umarmender Reim; aacbbc ddeffe = Schweifreim Der Begriff: WAISE beschreibt eine Zeile, die keine Reimentsprechung hat. 4 5