Prof. Dr. Gerhard Berendt SS 2006 Modellierung und Simulation von Warteschlangen Arbeitsblatt 5 / S. 1 von 5 10. Allgemeinere (M/M/x) – Warteschlangen. Die bisher besprochenen Warteschlangen können bei Beibehaltung ihres RandomCharakters auch auf allgemeinere Situationen angewandt werden, wenn die Ankunfts- und Bedienungsraten modifiziert werden, ohne dabei ihre Unabhängigkeit von der Zeit zu verlieren. Ausgangspunkt ist dann das Differentialgleichungs-System (10.1) dp0 0 p0 1 p1 dt dp1 0 p0 (1 1 ) p1 2 p2 dt dp2 1 p1 (2 2 ) p2 3 p3 dt dpn n1 pn1 (n n ) pn n1 pn1 dt Bislang existieren keine exakten Lösungen für den allgemeinen Fall. Karlin und McGregor [5] haben gezeigt, dass eine notwendige und hinreichende Bedingung für die Existenz einer stationären Lösung die Konvergenz der Reihe (10.2) S 1 0 0 1 0 12 ist. 1 1 2 1 2 3 Mit dem angegebenen Ansatz lassen sich z.B. neben der unbegrenzten Warteschlange für den stationären Fall einfach die folgenden Situationen modellieren: 1. Eine Warteschlange mit begrenztem Warteraum, 2. Eine Warteschlange, in der Klienten bei langer Schlange entmutigt werden, 3. Ein Selbstbedienungs-System, 4. Eine Warteschlange mit mehreren Bedienern. a) Der allgemeine Fall: Im stationären Fall folgt aus der ersten Gleichung (10.1) (10.3) p1 0 p 1 0 Prof. Dr. Gerhard Berendt SS 2006 Modellierung und Simulation von Warteschlangen Arbeitsblatt 5 / S. 2 von 5 und die pn weiter aus den folgenden Gleichungen durch sukzessives Einsetzen zu pn (10.4) 0 1 n1 p . 1 2 n 0 p0 wird aus pn 1 zu p0 = 1 / S bestimmt. n 0 b) Spezialfälle: Für die oben angegebenen Fälle 1. bis 4. müssen die i und i jeweils angepasst werden: 1. 0 = 1 = . . . n-1 = , n = n+1 = . . . = 0 , 1 = 2 = . . . n = . 2. n = / (n+1), n = für alle n. 3. n = , n = n für alle n. 4. n = für alle n, für beispielsweise 2 Bediener: 1 = , k = 2 für k 2. In allen diesen Fällen ist die Konvergenz der Reihe für S gesichert (in 1. ist S nur eine endliche Summe). Für den Fall 1. lässt sich auch vergleichsweise einfach zeigen, dass die zeitabhängige Lösung des Systems mit t → ∞ gegen die stationäre Lösung konvergiert: Hierzu braucht man nur nachzuweisen, dass die n n – Koeffizientenmatrix A des Systems keine Eigenwerte mit nicht-negativem Realteil besitzt (vgl. dazu 7. und 8. aus Arbeitsblatt 3). Im folgenden betrachten wir die (dimensionslose) durch (–1)n+1 n+1 dividierte Koeffizientenmatrix und beweisen für diese, wiederum der Einfachheit halber mit A bezeichnete, Matrix das Lemma: Der einzige Eigenwert x von A mit Re(x) 0 ist x = 0 . Beweis: Die zur Bestimmung der Eigenwerte von A zu bildende Determinante det(A–xE) lässt sich mit Hilfe des GAUSSschen Eliminationsverfahrens auf die Form einer oberen Dreiecksdeterminante bringen, wenn die Größen fkk (k=1,2,...n–1) mit (L.1) f kk akk f k 1 k 1 , f 00 a00 , k 1, 2, 3, ....n ungleich Null sind. Dabei sind die akk die ursprünglichen Diagonalelemente der Matrix A , also (L.2) a00 x , akk 1 x , 0 k n , ann 1 x . Prof. Dr. Gerhard Berendt SS 2006 Modellierung und Simulation von Warteschlangen Arbeitsblatt 5 / S. 3 von 5 Es folgt zunächst, dass Re( f 00 ) Re( a00 ) für Re(x) 0. Daher ist 1 Re f 00 und damit auch Re( f11 ) für Re(x) 0. Fortsetzung der Abschätzungen liefert Re(fkk) für alle k = 2, 3, .... n–1. Für k = n schließlich folgt f nn 1 x 0 für x 0 und Re(x) 0 . f n 1 n 1 und fnn = 0 für x = 0. Da der Wert der Determinante gleich dem Produkt der Diagonalelemente ist: n (L.3) det( A xE ) f kk , k 0 ist mithin x = 0 ein Eigenwert von A , jedoch gibt es keinen Eigenwert von A für x 0 und Re(x) 0 . c) System mit 2 Bedienern: Als Beispiel für ein System mit mehrerer Servern wird hier die – leicht verallgemeinerbare – stationäre Lösung mit n = für alle n und 1 = , k = 2 für k 2 vorgestellt: Aus den statischen Gleichungen (10.1) mit den angegebenen Werten für die n und n folgen durch sukzessives Einsetzen direkt die Wahrscheinlichkeiten für die Zustände 0, 1, 2, …n, …( := / ) : p1 p0 , p2 p0 2 2 , p3 p0 3 22 , p4 pn 2 p0 für n 1 . 2 n d.h. Da pn 1 ist, folgt für p0 , sofern / 2 < 1 : n 0 p0 (10.5) 2 , und damit 2 2 pn 2 für n 1. 2 2 n 4 23 etc. Prof. Dr. Gerhard Berendt SS 2006 Modellierung und Simulation von Warteschlangen Arbeitsblatt 5 / S. 4 von 5 Eine stationäre Lösung existiert, wie auch intuitiv zu erwarten (da der Warteraum unbeschränkt ist), also nur für : (10.6) 2. Aus den Gleichungen (10.3) und (10.4) lassen sich – wie auch in den bereits diskutierten Fällen – alle Aussagen über die Schlangenstruktur gewinnen. So ergibt sich beispielsweise der Erwartungswert der Anzahl der Klienten im System zu E( N ) (10.7) 4 , 4 2 der Erwartungswert der Anzahl der Klienten in der Schlange zu 3 . Lq (n 2) pn 2 4 n2 (10.8) Etwas mühsamer ist die Berechnung der Wartezeit X für einen beliebigen Klienten; sie erfolgt analog zu der Argumentation für einen Bediener (vgl. Arbeitsblatt 3): Sei (x) die Dichtefunktion des kontinuierlichen Anteils der Zufallsvariablen X (die Wahrscheinlichkeit dafür, dass X = 0 ist ist P(X=0) = p0 + p1); dann wird die Verteilungsfunktion von X P(x X x+ dx) = (x) dx, und diese Wahrscheinlichkeit ist gleich der Summe der Produkte für n = 2, 3, ... : P(n Klienten im System bei Ankunft) P(n-2 Bedienungen in der Zeit x) P(Beenden der Bedienung in x ... x+ dx) . Da die Bedienungsrate 2 ist, bedeutet das: 2 (2 x) n2 e 2 x ( x) dx 2 2 dx für x > 0 2 2 ( n 2 )! n2 n oder 2 2 ( 2 ) x für x > 0 . e 2 ( x) Den Erwartungswert E(X) erhalten wir dann aus (10.9) Wq E ( X ) x ( x) dx 0 3 . 4 2 1 Prof. Dr. Gerhard Berendt SS 2006 Modellierung und Simulation von Warteschlangen Arbeitsblatt 5 / S. 5 von 5 Man beachte, dass (x) nur den kontinuierlichen Anteil der Dichtefunktion von X darstellt, und daher ( x) dx 1 ist. Die mittlere Wartezeit im System ergibt sich 0 daraus mit W = Wq + 1/ zu (10.10) W 4 . (4 2 ) Die Behandlung der übrigen genannten Spezialfälle wird als Aufgabe dem Leser überlassen. Beispiel: Eine Tankstelle beschäftigt zwei Mitarbeiter zum Betanken. Fahrzeuge kommen exponentiell verteilt mit einer Rate von 20 pro Stunde zum Tanken an, die Betankungszeit in Minuten ist vollständig zufällig mit einer Dichte von 1/3 * exp(-(1/3)t) für jedes Fahrzeug. Bestimmen Sie die mittlere Anzahl von Fahrzeugen an der Tankstelle, die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Fahrzeug warten muss, den Zeitanteil, in dem jeder Mitarbeiter mit Betanken beschäftigt ist. Lösung: Die Ankunfts- und Bedienungsraten sind = 1/3 min-1 und = 1/3 min-1, mithin ist = 1 . Gleichung (10.7) liefert also E(N) = 4 / 3 . Ein Fahrzeug muss warten, wenn sich bei seiner Ankunft im System bereits entweder 2 oder mehr Fahrzeuge befinden. Nach Gleichung (10.5) ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass das System leer ist, p0 = 1/3 , die dafür, dass sich 1 Fahrzeug im System befindet, p1 = 1/3. Die gesuchte Wahrscheinlichkeit ist mithin 1 – p0 – p1 = 1/3 . Jeder Mitarbeiter ist untätig, wenn das System leer ist und mit Wahrscheinlichkeit ½ untätig, wenn sich ein Fahrzeug im System befindet. Daher ist der gesuchte Zeitanteil gleich p0 + ½ p1 = 50% . Literatur zu 10.: [5] S. Karlin und J. McGregor: Trans. Am. Math. Soc., 85, 1957, pp. 489-546, Trans. Am. Math. Soc., 86, 1957, pp. 366-400 [6] B.D. Bunday, "Basic Queuing Theory", Arnold 1986.