Entscheidungen in der Schule - Publikationen von Dietrich von

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Entscheidungen in der Schule
sm 18 (1987) H. 6
Beim Thema Entscheidungen in der Schule treffen zahlreiche Fragestellungen
aufeinander. Es handelt sich dabei keineswegs um lediglich technische oder
personalpolitische Perspektiven. Empirische Untersuchungen haben gezeigt,
daß ein Lehrer während nur einer Unterrichtsstunde ca. 200 pädagogische und
sachliche (stoffbezogene) Entscheidungen fallen muß.
Für den Schulalltag eines Schulleiters wird man einen ähnlichen
Entscheidungsdruck annehmen dürfen: Schüler, Kollegen, nichtlehrendes
Personal, Eltern, Schulverwaltung bzw. Schulträger, i sogar die Öffentlichkeit
erwarten Entscheidungen von ihm. Einfühlungsvermögen, Sachkenntnis,
Problembewußtsein und eine enorme Aufmerksamkeit sind dazu erforderlich,
denn manches rasch gesagte Wort wirkt noch nach Monaten, manch
unterlassene Entscheidung führt zu schwerwiegenden Konflikten, viele gute
Entscheidungen
beeinflussen
vielleicht
Schulklima,
Lehrermotivation,
Elternengagement, nicht zuletzt einen ganzen Lebensweg eines Schülers usw.
Entscheidungen enthalten also eine Menge Risiken.
Die hier beginnende Reihe zum Thema „Entscheidungen in der Schule" hat sich
zur Aufgabe gemacht, die Risiken zu mindern und Orientierungswissen bereitzustellen. Eine vollständige Theorie darf indessen nicht erwartet werden,
wohl aber einige Hilfsmittel.
Häufig tritt Entscheidung als Problemlösung in Erscheinung. Zwei Lehrer erheben
Anspruch auf einen bestimmten Schulraum zur gleichen Zeit. Sie können sich
nicht einigen. Der Schulleiter soll entscheiden. Die Entscheidung ist zugleich
eine Problemlösung. Damit soll sich der erste Beitrag beschäftigen.
Eine Entscheidung ist längerfristig tragfähig, wenn die erforderlichen Informationen zur Verfügung stehen und berücksichtigt, das heißt zutreffend bewertet wurden und in die Entscheidung eingehen.
Es soll über Schulwege der Schüler im Zusammenhang mit einer Änderung der
Verkehrsführung entschieden werden. Dazu sind Informationen über Verkehrsdichte zu bestimmten Zeiten, Stundenplan (Schulbeginn und Schulaus für die
verschiedenen Klassen), entsprechend Schülerzahl usw. erforderlich. Die Entscheidung
stellt
sich
also
des
öfteren
als
eine
Form
von
Informationsverarbeitung dar. Damit soll sich der zweite Beitrag beschäftigen.
In der Entscheidung fließen immer persönliche und sachliche Momente
zusammen.
Es gibt unterschiedliche „Typen" von Schulleitern:
Der eine ist mit Leib und Seele Lehrer. Seine Verwaltungsentscheidungen
werden daher stets einen hohen Anteil an Pädagogik haben. Der andere
Schulleiter ist in seinem Wesen besonders der erfolgreiche „Leiter". Bei ihm
werden auch pädagogische Entscheidungen überwiegend Gesichtspunkte der
Führung enthalten. Der andere Schulleiter versteht sich überwiegend als
Mitglied einer (lehrenden und lernenden) Gemeinschaft. Er wird daher die
ganze „Schulgemeinde" als das Einzelproblem im Auge haben,
wenn er Entscheidungen zu treffen hat, usw. Mit Entscheidungen hängen
also auch psychologische Gesichtspunkte zusammen. Diese wollen wir in
einem dritten Beitrag "Psychologie der Entscheidung" behandeln.
Durch Entscheidungen werden stets Menschen auch geführt. Den
Zusammenhang von "Führung und Entscheidung" wird ein vierter Beitrag
bearbeiten.
Schließlich
sollen
im
letzten
Aufsatz
einige
"Entscheidungstechniken" vorgestellt und ihre Eignung für Entscheidungen
in der Schule geprüft werden.
Auf Anregungen bzw. besondere Fragestellungen der Leser wird gern eingegangen, sofern diese vorliegen.
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Entscheidungen als Problemlösung
Zahlreiche Entscheidungen in der Schule müssen rasch getroffen werden,
also ohne daß man sich Zeit nehmen kann, Einzelheiten der Problematik
genau zu bewerten und zu durchdenken. Solche Sofortentscheidungen
betreffen sehr oft das einzelne Schülerverhalten: Hier handelt der Lehrer
oder Schulleiter aus seiner allgemeinen fachlichen oder erzieherischen
Kompetenz heraus; oder sie betreffen „leichtere" organisatorische Probleme,
zum Beispiel muß gelegentlich rasch eine Vertretung „organisiert" werden,
oder der Lehrer muß schnell einmal einen zuverlässigen Schüler zum
Schulleiter schicken, um eine Information einzuholen, bevor entschieden
werden kann. Solche Schnellentscheidungen wollen wir hier einmal
ausklammern und uns mehr denjenigen Entscheidungen zuwenden, für die
Zeit zum Nachdenken vorhanden ist.
Vor der Entscheidung steht fast immer ein Problem. Dieses hat eine
sachliche und eine persönliche Dimension.
Zuerst muß geklärt werden: Wer ist von dem Problem betroffen und
- wer kann entscheiden? (wer hat die erforderliche Sachkenntnis?)
- wer darf entscheiden? (wer hat die erforderliche Entscheidungsbefugnis?)
In der Regel werden diese Fragen durch Gesetz oder Verwaltungsvorschriften geklärt. Handelt es sich bei dem Problem um eine Angelegenheit, bei
der das Ansehen oder die Funktion der ganzen Schule berührt wird, ist immer
der Schulleiter am Zug.
Beispiel:
Aus bisher unbekannten Gründen ist es an einer Schule gehäuft zu
Unterrichtsversäumnissen gekommen. Der Schulleiter beraumt aus diesem
Grunde eine Lehrerkonferenz an, in der entschieden werden soll, was zu tun
sei. Er hat zur Vorbereitung bereits feststellen lassen, welche Klassen
besonders betroffen sind. Es findet sich ein Schwerpunkt bei drei Lehrern.
Weitere Gründe sind indessen nicht bekannt.
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Es liegt ein Problem vor, dessen Lösung bestimmte Maßnahmen erfordert,
über die entschieden werden soll.
In der Literatur wird in diesem Zusammenhang auf die universelle Art der Entscheidungsbildung unter dem Stichwort Entscheidungsanalyse hingewiesen.
Der komplexe Vorgang der Entscheidung wird hier in drei zunächst
voneinander unabhängige Vorgänge getrennt:
- Problemanalyse: Wie kommt (kam) es zu dem Problem?
- Entscheidungsanalyse: Welche alternativen Wege der Entscheidung gibt es?
- Analyse potentieller Probleme: Wie können künftig Probleme dieser Art
vermieden werden?
Die Entscheidung wird vorbereitet durch die Überlegung alternativer
Problemlösungen und wird zeitlich und logisch durch Problemanalysen
eingerahmt (Kepner-Tregoe-Methode vgl. Abb. 1).
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In unserem Beispiel handelt es sich um ein Problem, das mit Maßnahmen
mittelfristiger Art zu lösen ist. Es muß also nicht sofort, aber doch nicht viel
später entschieden werden. Die Übersicht in Abb. 2 mag für länger gültige
Entscheidungen indessen gut geeignet sein.
Aus dieser Übersicht ersieht man die Bedeutung der Entscheidungsvorbereitung, welche die Risiken von Entscheidungen mindern soll.
Zahlreiche Entscheidungen beziehen sich auf Probleme, die mit gewissen Verhaltensmustern verknüpft sind. Das betrifft nicht nur Schüler, sondern auch
Lehrer.
Sehr
oft
rühren
Organisationsprobleme
daher,
so
daß
Entscheidungen auch wiederkehrendes Fehlverhalten (z. B. Zuspät-Kommen
oder mangelhafte Vorbereitung u.a.) mit einbeziehen muß.
Wird eine Art Verhaltensmuster erkennbar, dann hilft vor Entscheidung die
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folgende Frageliste:
- Aus welcher Meinung oder Einstellung folgt das Verhalten?
- Sind Traditionen daran schuld? (z. B Vorgängerbeurteilung) oder
Erziehung?
- Stimmen die Erwartungen der Beteiligten überein? (Manchen
Menschen machen Verspätungen anderer nichts aus)
- Bezieht sich die Gewohnheit eines Menschen
auf
spezielle
Gelegenheiten (z. B. Verspätungen regelmäßig nur bei, der
Gesamtkonferenz, sonst aber nie)?
- Hängt das Vorhaltensmuster an der sozialen Selbsteinschätzung
oder Fremdeinschätzung oder am sozialen Status? (z. B. manche
Lehrer fahren absichtlich kleine Autos, andere schnelle, andere
kommen mit dem 'Ferienbus' in die Schule
- welche Gründe mag das haben? Andere kommen mit der
Straßenbahn.)
- Wird bei dem Problem ein „Tabu" des Betreffenden berührt?
- Welchen Nutzen hätte es, wenn das Verhaltensmuster verändert
würde?
Alle Entscheidungen zielen auf das Einverständnis und die
Mitwirkung der Beteiligten. Diese ist deshalb nicht immer zu
erreichen, weil der Hintergrund eines zu entscheidenden Problems
nicht genügend ausgeleuchtet wurde. Das bezieht sich auf
personenbezogene Faktoren ebenso wie auf sachliche Bezüge und
Fakten.
Bei Entscheidungen ist es daher wichtig, sich vorher die richtigen
und genügend Informationen zu beschaffen und diese auszuwerten.
Dieser Frage wird der nächste Beitrag nachgehen: „Entscheidungen
als Informationsverarbeitung".
Der Sinn dieser Überlegungen war:
Jede Entscheidung kann auch als Problemlösung
betrachtet werden.
Der Entscheidungsweg und der Nutzen einer Entscheidung kann
durch diese Sicht positiv beeinflußt werden.
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