Das Schulwesen im Zeichen des Marktes Nico Hirtt1 Seit etwas mehr als zehn Jahre ist eine grundlegende Wandlung der Bildungssysteme in den Industrieländern im Gange. Dieser Umbruch bedeutet den Übergang von der Zeit des massenhaften Zugangs zu Bildung hin zu einer Verwandlung der Bildung in eine Ware. Genauer gesagt findet die Verwandlung in doppelter Hinsicht statt: erstens werden Inhalte, Strukturen und Praktiken des Schulwesens den Erwartungen des Marktes angepasst; zweitens werden das Wissen und die Schule selbst in ein neues Marktsegment verwandelt, in dem Profite generiert werden. Diese Entwicklung hängt mit der weltweiten Krise des Kapitalismus und deren Konsequenzen zusammen: verschärfter Wettbewerb, Globalisierung, hohe Erwerbslosigkeit, prekäre Arbeitsverhältnisse, Krise der öffentlichen Haushalte usw. Aber diese Veränderungen werden ebenfalls in erheblichem Masse durch die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien vorangetrieben. Während der wirtschaftlichen Hochkonjunkturphase zwischen 1950 und 1975 war der Diskurs der Arbeitgeberkreise in Bezug auf die Bildung vor allem quantitativ ausgerichtet. Die allgemeine Anhebung des Bildungsniveaus und die zahlenmässige Entwicklung der Lohnarbeit erforderten, dass mehr Jugendliche die Mittel- oder Hochschulen besuchten. Der markanteste Widerspruch zwischen den Bedürfnissen der Wirtschaft und der Wirklichkeit des Bildungssystems lag in einer zahlenmässigen Diskrepanz, woraus eine kohärente Politik des massenhaften Zugangs zu Bildungseinrichtungen folgte. So interessierten sich die Arbeitgeber während der Hochkonjunktur bis Mitte der 70-er Jahre relativ wenig für den Inhalt der Bildung. Der Ausbruch der Krise im Jahre 1975 führte nicht unmittelbar zu einer Änderung dieser Politik. Erst mit dem wachsenden Bewusstsein über die Dauerhaftigkeit, die Tiefe und die weltweite Ausbreitung dieser Krise und ihrer Folgen, die sich nach und nach auf die öffentlichen Haushalte, den Arbeitsmarkt und die Handelstätigkeit niederschlagen, wird ein neuer Diskurs der Arbeitgeber über das Bildungswesen verbreitet. Die volle Entfaltung dieses neuen Diskurses kann man symbolisch mit dem Jahr 1989 in Verbindung bringen. Der Bericht der europäischen Industriellen 1989 bildet die mächtige Lobby der Arbeitgeber, der Runde Tisch der europäischen Industriellen (European Round Table of Industrialists ERT), eine interne Arbeitsgruppe, deren Aufgabe es ist, Empfehlungen zur Bildungspolitik zu formulieren. Im gleichen Jahr veröffentlicht diese Gruppe einen ersten, beunruhigenden Bericht. „Die technologische und industrielle Entwicklung der Unternehmen erfordert eine beschleunigte Reform der Bildungssysteme und ihrer Programme“, so der Bericht. Der ERT bedauert, dass „ die Industrie nur einen sehr bescheidenen Einfluss auf die gelehrten Programme ausübt“, und dass die Lehrpersonen „ein ungenügendes Verständnis des wirtschaftlichen Umfeldes, der Geschäftswelt und des Begriffs ‚Profit‘“ haben und „die Bedürfnisse der Industrie nicht verstehen“2. Dieser Bericht markiert einen Bruch: von nun an konzentrieren die Nico Hirtt ist Gründungsmitglied der belgischen Bewegung „Appel pour une école démocratique“ (Aped). Er hat „L’école sacrifiée“ (EPO 1996) und „Tableau Noir“ (zusammen mit G. de Selys, EPO 1998) veröffentlicht. Kürzlich ist von ihm „Les nouveaux maîtres de l’Ecole“ (EPO & VO-Editions) erschienen, aus dem die meisten Fakten und Zitate in diesem Artikel stammen. Kontakt: [email protected] 1 2 ERT, Education et compétence, Brüssel, Februar 1989 Wirtschaftskreise ihre Aufmerksamkeit auf den Inhalt, die Strukturen und die Funktionsweise des Bildungswesens. Die Thesen des ERT verhallen nicht ungehört. Man findet sie, gleichzeitig oder kurz danach, in den Empfehlungen der OECD, der Weltbank, der nationalen Arbeitgeberorganisationen oder in Dokumenten der Europäischen Kommission. „Durch die Anpassung an die Eigenschaften der Unternehmen des Jahres 2000 werden die Schul- und Bildungssysteme zur europäischen Wettbewerbsfähigkeit beitragen“,3 hält die Europäische Kommission fest. Versuchen wir, den Grundton all dieser Melodien zu verstehen. „Kompetenzen“ statt Kenntnisse Zuerst muss die Schule, wie es der in Amsterdam versammelte Europäische Rat 1997 empfiehlt, „der Entwicklung der beruflichen und sozialen Kompetenzen den Vorrang geben, damit die Arbeitnehmer sich besser an die Entwicklungen des Arbeitsmarktes anpassen können“.4 Im schnellen Wandel des technologischen und industriellen Umfeldes wird die traditionelle Rolle des Schulwesens – nämlich, Wissen zu vermitteln – als überholt dargestellt. Was nun zählt ist, den (zukünftigen) Arbeitnehmer mit dem nötigen Know-how und dem erforderlichen Verhalten auszustatten, um die soziale Flexibilität und berufliche Anpassung zu fördern. Balzac oder die Theorie des elektrischen Feldes werden verabschiedet; was zählt ist, dass jemand die Gebrauchsanweisung eines Apparats lesen und das Gerät bedienen kann. Zu den Kompetenzen, die die Arbeitgeber in der obligatorischen Schulbildung gerne stärker betonen würden, gehört die Kenntnis der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien. Nach Schätzungen werden in Zukunft 70 % der Arbeitsplätze mit solchen Technologien arbeiten; die Angaben auf dem Computerbildschirm verstehen; über eine Schnittstelle mit Bildschirm und Maus kommunizieren können; fähig sein, sich im Internet einzuloggen – dies sind die beruflichen Fähigkeiten, die heute zentral sind, sogar für die Arbeitsplätze mit der niedrigsten Qualifikation. Andererseits werden die Informations- und Kommunikationstechnologien von den Arbeitgebern als ideales Mittel angesehen, den Wettbewerb zwischen den Arbeitnehmern aufrecht zu erhalten, ohne grosse Umschulungskosten in Kauf nehmen zu müssen. Indem jeder – Arbeiter, Techniker, Angestellter, Kadermitglied – mit einem Computer und einem Internetzugang ausgestattet wird, der mit einem Ausbildungsserver verbunden ist, erhoffen sich die Arbeitgeber, dass die Arbeitnehmer selbständig die Initiative für ihre Weiterbildung ergreifen, diese Schulung selbst berappen und ihre Freizeit dafür einsetzen. Anpassung der Schule an die Unternehmenswelt Weiter beanspruchen die Arbeitgeberorganisationen für sich, eine aktivere Rolle auf allen Ebenen der Bildung der Lohnabhängigen zu spielen: indem sie sich direkt an der Ausarbeitung der Programme beteiligen, den „praktischen“ Teil der Berufsausbildung unter ihre Kontrolle bringen oder immer mehr „Partnerschaften“ zwischen Schulen und Unternehmen fördern. Im französischsprachigen Teil Belgiens wurde die Reform der Berufsausbildung durch eine „Kommission der Berufe und der Qualifikationen“5 in die Hand genommen, in der die Arbeitgeber die Mehrheit der Mitglieder stellten. Europäische Kommission, Bericht der Studiengruppe allgemeiner und beruflicher Bildung, „Europa verwirklichen durch die allgemeine und berufliche Bildung“, Dezember 1996 3 4 Für ein Europa des Wissens, Mitteilung der Europäischen Kommission, KOM(97)563final 5 „Commission des Professions et des Qualifications“ Die europäischen Arbeitgeber propagieren als Modell auch die Berufsausbildung „dualistischer“ Art, wie sie in Deutschland oder Österreich durchgeführt wird: der Schüler geht nur zwei Tage pro Woche zur Schule, den Rest der Zeit verbringt er in der Fabrik. Nicht weil er dort mehr Wissen oder technische Fertigkeiten erwerben würde, sondern weil ihm dort der sogenannte Unternehmergeist beigebracht wird, der in der Institution der Schule so sehr fehlt. Deregulierung und Wettbewerb Ein dritter Punkt ist, dass nicht nur die Arbeiter, sondern das Bildungssystem selbst flexibler werden soll. Die Lösung heisst Autonomie und Deregulierung der öffentlichen Schule. Für die europäische Kommission wird „der natürliche Widerstand des traditionellen öffentlichen Schulwesens durch Methoden überwunden werden müssen, die Ermutigung, Zielvorgaben, Benutzerorientierung und Konkurrenz, insbesondere privater Art, kombinieren“.6 Indem die öffentlichen Bildungssysteme, die durch den Zentralstaat geführt und verwaltet wurden, durch Netzwerke autonomer Bildungseinrichtungen ersetzt werden, unter denen eine starke Konkurrenz herrscht, wird die Anpassungsfähigkeit des Schulwesens an die Erwartungen des Marktes erhöht. So werden die Schulen vermehrt dem Druck der Märkte ausgesetzt, der durch die Eltern noch verstärkt wird, die die Chancen ihrer Kinder im Wettbewerb um die Arbeitsplätze verbessern möchten. Nach und nach schwächt diese Deregulierung das traditionelle öffentliche Schulwesen. Wie es die durch die Europäische Kommission auf Anregung von Frau Cresson eingerichtete Arbeitsgruppe Reiffers festhält, „wird die dadurch ermöglichte Befreiung des Bildungsprozesses zu einer Kontrolle durch Bildungsanbieter führen, die innovativer als die traditionellen Strukturen sind.“7 Der Bericht 1998 der OECD über Bildungspolitik hält denn auch in seltener Deutlichkeit fest: „die – wirtschaftliche, politische und kulturelle – Globalisierung macht die lokale, in einer bestimmten Kultur verankerte Institution namens ‚Schule‘ wie auch die ‚Lehrperson‘ überflüssig.“8 Die Schule als Markt Der zweite Aspekt der Verwandlung der Schule in eine Ware folgt hier ganz natürlich: so wird die Schultätigkeit in einen neuen, gewinnbringenden Markt verwandelt. In diesen Zeiten der Überproduktion suchen die Investoren nach neuen Sektoren, in denen sie ihr Kapital rentabilisieren können. Nach der Post, dem öffentlichen Verkehr, dem Gesundheitswesen bleiben kaum noch grosse Bereiche zu erobern, mit einer Ausnahme: das Schulwesen. Und was für eine Ausnahme: ein potentieller Markt von mehr als 1000 Milliarden Dollar (dies der Wert der weltweiten Ausgaben für das Bildungswesen), also mehr als der gesamte Automobilmarkt der Welt. Man versteht, warum die Investoren diesen Bereich im Auge haben. Gewisse Formen der Verwandlung der Bildung in eine Ware sind nicht wirklich neu. Werbung an der Schule gibt es beispielsweise schon lange, obwohl die meisten EUMitgliedstaaten sie offiziell verbieten. Die Werbung verbreitet sich an den Schulen aber heute in noch nie gekanntem Ausmass. Kostenlose Einführung in die Zahnpflege durch die Marke Colgate, durch Coca-Cola produzierter und auf dem firmeneigenen Produktionsstandort Dunkerque aufgenommener Videofilm über das Funktionieren eines Unternehmens, Werbung für Monatsbinden – an Beispielen für die zunehmenden Investitionen in das „Schulmarketing“ mangelt es nicht. 6 Bericht der Studiengruppe allgemeiner und beruflicher Bildung, a. o. O. 7 Bericht der Studiengruppe allgemeiner und beruflicher Bildung, a. o. O. 8 OECD, Bildungspolitische Analyse, Paris 1998 Gleichzeitig tendiert die Schule dazu, immer grössere Teile ihrer Aktivitäten an den privaten Sektor zu delegieren. Schulkantinen, Hütedienst, Schülertransporte werden privatisiert. In gewissen Ländern wird gar die Verwaltung der Schule und ihres Personals privat erledigt. In den USA verwalten private Gesellschaften in zahlreichen Gemeinden und Städten das gesamte Schulwesen. In Grossbritannien werden 73 % der Schulinspektionen auf der Primarstufe seit 1993 durch private Organisationen durchgeführt, die sich so einen Markt von 118 Millionen Pfund eröffnen.9 Schlüsselrolle der Informations- und Kommunikationstechnologien Auch in diesem Bereich spielen die Informations- und Kommunikationstechnologien eine treibende Rolle. Als der ehemalige französische Bildungsminister Claude Allègre seine Absicht verkündete, 15 Milliarden Francs für den Anschluss sämtlicher französischer Schulen an das Internet bereitzustellen, war in der Arbeitgeber-Tageszeitung Les Echos folgende Reaktion zu lesen: „ Hier eröffnet sich ein immenses Feld, in dem jeder einen Teil des Kuchens beanspruchen kann.“10 Aber der Eintritt dieser Technologien in die Primarschulen, die Sekundarschulen und die Gymnasien ist auch ein Mittel, den Markt indirekt zu entwickeln. Wenn Hunderttausende Kinder und Jugendliche einige Stunden pro Woche am Computer verbringen, wenn sie die Grundlagen der Computerhandhabung lernen, sich in das Internet einloggen und „surfen“ können, werden sie zu künftigen Kunden für die Herstellerindustrie des Informations- und Kommunikationsbereichs. „Für uns bietet die Schule eine doppelte Perspektive“, bestätigt Alain Falck, Direktor der Abteilung Unternehmen, Bildung und Forschung bei Mircrosoft Frankreich. „Einerseits ist die Schule an und für sich ein Markt, wie z. B. der Markt der Unternehmen; andererseits denken wir, dass dieser Markt eine treibende Wirkung auf die Entwicklung neuer Technologien in Frankreich haben wird. Unser Ziel dabei ist es, unsere Windows-Plattform so breit wie möglich durchzusetzen.“11 Ein solch kleinliches Kalkül findet sich durchaus nicht nur bei den Managern, die auf den Profit ausgerichtet sind. Auch die Europäische Kommission wiederholt solche Aussagen Wort für Wort. In ihrem offiziellen Bericht „Lernen in der Informationsgesellschaft“ erfährt man, dass die Schule unbedingt im Bereich der Multimedia und der Lerninformatik aufrüsten muss, denn „dieser Geschäftsbereich ist durch die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen vielversprechend“, daher würde „eine zu geringe Zahl von Benutzern und Produzenten die europäische Multimedia-Industrie nachhaltig schädigen“. Die diesbezügliche europäische Initiative wird es erlauben, „endlich eine genügende Anzahl von Benutzern zu erreichen (...) und einen europäischen Markt im Bereich Bildungs-Multimedia zu schaffen.“12 Virtueller Fernunterricht Der letzte und wichtigste Aspekt dieser Umwandlung der Schulbildung in eine Ware ist die Entwicklung des privaten Schulwesens, für das ein Schulgeld zu entrichten ist. Nichts Neues, könnte man meinen. Aber erstens haben diese neuen privaten „Bildungsanbieter“ explizit kommerzielle Absichten, was bei der Kirche immerhin nicht die Hauptmotivation ist, wenn diese eine private Schule oder ein Gymnasium eröffnet. Zweitens können die neuen Akteure 9 Richard Hatcher, Profiting from schools: business and Education Action Zones, in Education and social justice, Band 1, Nr. 1, Herbst 1998 10 Les Echos Nr. 17563, 15. Januar 1998 11 Les Echos, a. o. O. 12 Lernen in der Informationsgesellschaft, Aktionsplan für eine europäische Initiative in der Schulbildung (1996-1998) im Bildungsbereich dank den Informations- und Kommunikationstechnologien ein viel grösseres Publikum erreichen, insbesondere durch den virtuellen Fernunterricht. Es gibt heute schon eine Reihe „virtueller“ Universitäten, die für die traditionellen Universitäten eine Konkurrenz darstellen. Aber dieser Trend ergreift nun auch die Schulbildung auf Sekundar- und Primarstufe. In den USA gehen 1,5 Millionen Kinder nicht zur Schule: sie sind Teil des Systems des „home schooling“. Für viele unter ihnen haben Computer und Internet die Lehrperson bereits ersetzt. Und wenn sich die Märkte nicht schnell genug öffnen, treten die Lobbys in Aktion. Die Lobbygruppe GATE (Global Alliance for Transnational Education) organisiert jedes Jahr Treffen zwischen den Verantwortlichen von Arbeitgeberorganisationen und transnationalen Organisationen (OECD, WTO, UNESCO, Weltbank...), an denen untersucht wird, wie die Schranken gegen den internationalen Handel im Bereich der Schulbildung abgebaut werden können. Differenzierung, Konkurrenz und Auslese Wie wird die Schule morgen aussehen? Einerseits wird die Instrumentalisierung des Wissens im Dienst des wirtschaftlichen Wettbewerbs die Fähigkeit des Schulwesens noch verringern, Menschen heranzubilden, die selber denken können, der programmierten kulturellen Verarmung widerstehen können, die Welt verstehen können, in der sie leben, Ungerechtigkeiten erkennen und bekämpfen können, sich mobilisieren, sich organisieren und für eine bessere Welt kämpfen können. Nach Frau Cresson hat das österreichische Schulsystem „Vorbildcharakter für die Förderung einer europäischen Schul- und Ausbildungspolitik“.13 Aber hat diese „zweigeteilte“ berufliche Bildung, in der die Jugendlichen keinen Geschichtsunterricht erhalten, der diesen Namen verdient, nicht vielleicht einen Zusammenhang mit dem kollektiven Gedächtnisverlust, dem in Österreich grosse Teile der Bevölkerung unterliegen? Anderseits wird die deregulierte und privatisierte Bildung eine immer ungleichmässigere Entwicklung durchlaufen. Die Hochleistungsschule (in Bezug auf den wirtschaftlichen Wettbewerb) für die einen wird nur durch weniger Schule für viele andere möglich sein. Auch dies ist eine Folge der Anpassung des Schulwesens an die heutigen wirtschaftlichen Bedingungen. Es ist nicht mehr die Zeit der allgemeinen Verbesserung der Qualifikationsniveaus. Einerseits sind Techniker oder Ingenieure gefragt, die eine sehr fundierte und spezialisierte Ausbildung haben. Andererseits entstehen immer mehr prekäre und schlecht qualifizierte Arbeitsplätze, die vielen Hamburger-Jobs der neuen Dienstleistungswirtschaft. Auf die Ära der Verbesserung der Qualifikation folgt nun die Zeit der Differenzierung der Bildung nach oben und unten. Als Anwort darauf soll das Schulwesen nun das Ziel des massenhaften Zugangs zu Bildung zu Gunsten der Differenzierung, der Konkurrenz und der verschärften Auslese aufgeben. 1988 griff Dieter Hundt, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände, bei einem Anlass von IBM Deutschland in Stuttgart die „überholte und falsche Ideologie“ der Gleichheit im Bildungswesen an und forderte „eine radikale Wende hin zu einer stärkeren Betonung der Leistung, der Differenzierung und der Konkurrenz“. Bei der gleichen Gelegenheit stellte der Direktor von IBM Deutschland der Presse den Dienst des IBM Global Campus vor, ein umfassendes Sortiment an Bildungsprogrammen, die über Internet erworben werden können. 13 Edith Cresson, Qualifications et compétences professionnelles, Rede anlässlich der Konferenz über berufliche Bildung in Wien, 3. Juli 1998 Bedeuten all diese Veränderungen den mittelfristigen Tod der öffentlichen Schule? Nicht ganz, denn, wie es die OECD mit seltener Weitsicht – oder vollendetem Zynismus – festhält, werden die Behörden noch „den Zugang zu einer Lehrstelle für diejenigen garantieren müssen, die nie einen rentablen Markt darstellen werden und deren generelle Ausgrenzung aus der Gesellschaft sich in dem Masse verstärken wird, wie andere vorwärts kommen werden.“14 14 Adult learning and Technology in OECD Countries, OECD Proceedings, Paris 1996