Quelle: Joseph Weizenbaum: Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft, Suhrkamp 1978 2. Woher die Macht des Computers kommt (Auszug S.65-68) Wenn wir plötzlich etwas sähen, das uns fremd vorkommt, etwa eine Wolke mit rechtwinkligen Ecken, dann würden wir bestimmt wissen wollen, was es ist. Und wenn man uns dann sagte, es sei eine Fuba, dann würden wir fragen, was eine Fuba ist. Aber die vielen Dinge, die uns umgeben, sind schon so lange zu einem Bestandteil unseres Lebens geworden, dass sie uns nicht fremd sind und wir auch nicht fragen, was das für Dinge sind. So verhält es sich auch mit Maschinen. Das Wort „Maschine“ ruft in uns das Bild einer komplizierten, aber irgendwie regelmäßigen Bewegung hervor. Das Auf und Ab der Nadel einer Nähmaschine, das sowohl dem Stoßen des kreisenden, schiebenden Verbindungsgestänges der Antriebsräder einer Lokomotive als auch dem Zittern oder Pulsieren eines Ankerwerks der feinsten Uhr gleicht, solche Bilder fassen fast alles zusammen, was wir mit „Maschine“ meinen. Fast. Jedenfalls so weit, dass wir nicht weiter zu fragen brauchen, was eine Maschine ist: Regelmäßigkeit, Kompliziertheit, Bewegung, Kraft. Aber darüber hinaus gibt es noch etwas, und wir wissen, was es ist. Wir setzen eine Stanzpresse in Bewegung, und sie zermalmt die Hand eines Arbeiters, der ihr zu nahe kommt. Gerade ihre Regelmäßigkeit ist die fürchterlichste Eigenschaft der Maschine. Wir richten sie für ihre Aufgabe ein, und sie erledigt sie zuverlässig ebenso blind wie regelmäßig. Die Maschinen, die heute unsere Welt bevölkern, sind nicht mehr ausschließlich, auch nicht mehr in der Überzahl stampfende Monster, die durch die geräuschvolle Bewegung ihrer Teile als Maschinen gekennzeichnet sind. Die Ausdehnung des Bedeutungsumfangs des Wortes „Maschine“ verweist auf zwei deutlich getrennte Sachverhalte. 1. Die Volksweisheit sieht das wesentliche Kennzeichen einer Maschine in ihrer unbarmherzigen Regelmäßigkeit, in dem blinden Gehorsam gegenüber einem Gesetz, dessen Verkörperung sie darstellt. Und wie die Volksweisheit ebenfalls zutreffend feststellt, hat diese Regelmäßigkeit wenig mit der Bewegung der Materie zu tun. Diese Einsicht ist es, die es den Menschen ermöglicht, etwa von einer Bürokratie oder einem Rechtssystem wie von einer Maschine zu sprechen. 2. Das Aufkommen aller Arten elektronischer Maschinen, insbesondere des elektronischen Computers, hat unsere Vorstellung von einer Maschine als Medium der Umwandlung und Übertragung von Kraft ersetzt durch das Bild eines Umwandlers von Daten mit dem Ziel des Informationsgewinns. Darauf folgen oftmals Taten.