amnesty international Länderkurzbericht Russische Föderation Koordinationsgruppe Russische Föderation Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V. 53108 Bonn Telefon: 0228/9 83 73-0 Telefax: 0228/630036 e-mail: [email protected] http://www.amnesty.de http://www.amnesty.org November 2002 Seit der Auflösung der Sowjetunion im Dezember 1991 befindet sich die Gesellschaft der Russischen Föderation in einem umfassenden Umbau ihrer staatlichen, wirtschaftlichen, politischen und sozialen Strukturen. Dieser Prozess wirkt sich auch auf die Menschenrechtssituation aus: die Verfassung von 1993 und in den letzten Jahren auch zunehmend die neu verabschiedeten Gesetze garantieren zumindest formell ein internationalen Normen entsprechendes Niveau des Menschenrechtsschutzes. Allerdings fehlt es in vielen Bereichen an einer ausreichenden Umsetzung. Verfassungsanspruch und – wirklichkeit entsprechen einander kaum. Teile der Verwaltung kennen die Rechte der Bürger nur ungenügend oder missachten sie sogar; die Justiz ist größtenteils schlecht ausgestattet, der Gesetzgeber stellt keine ausreichenden Finanzmittel zur Verfügung und beschneidet vor allem in den Regionen die Meinungsfreiheit und andere Grundrechte. In der autonomen Republik Tschetschenien achten weder die russischen Einheiten, noch die tschetschenischen Kämpfer grundlegende Rechte. Verletzungen der Menschenrechte werden gar nicht oder nicht umfassend und ernsthaft strafrechtlich verfolgt. amnesty international fordert die Einhaltung der durch völkerrechtliche Verträge und die russische Verfassung garantierten Menschenrechte und die sofortige, unabhängige und umfassende Untersuchung von Vorwürfen von Verletzungen dieser Rechte. Schwerpunkte sind die endgültige Abschaffung der Todesstrafe, die Zustände in der Untersuchungshaft und Armee, die Diskriminierung ethnischer Minderheiten sowie die sehr besorgniserregende Lage in Tschetschenien. amnesty international fordert insbesondere den Schutz besonders verletzlicher Personenkreise wie Frauen, Minderheiten und Kinder. Gute rechtliche Regelungen, aber mangelhafte praktische Umsetzung In der rechtsstaatlich-liberalen Verfassung vom Dezember 1993 mit ihrem ausführlichen Kapitel über die "Rechte und Freiheiten des Menschen und Bürgers" wurde der Vorrang des Schutzes der menschlichen und rechtsstaatlichen Grundfreiheiten über den früher vorrangigen Schutz des Staates und seiner Ideologie verankert. Dieser neue materielle Schutz der Grundrechte wurde auch beim Erlass verschiedener anderer wichtiger Rechtsakte berücksichtigt, wie beispielsweise beim 1997 in Kraft getretenen Strafgesetzbuch und der Strafprozessordnung vom November 2001. Die Bürger konnten seit Anfang der 90er-Jahre bereits mehrfach in freien und geheimen Wahlen auf föderaler Ebene und in den 89 Föderationssubjekten am Aufbau rechtsstaatlicher Institutionen mitwirken. Dem Präsidenten und der Staatsduma ( dem russischen Parlament) stehen Menschenrechtsbeauftragte beratend zur Seite. Gleichzeitig gibt das Gerichtssystem den Bürgern auf föderaler und teilweise auch auf regionaler Ebene die Möglichkeit, in mehreren Instanzen ihre Rechte vor unabhängigen Richtern einzuklagen. Auch international hat sich die Russische Föderation in einer Reihe von Vertragswerken zu einem weit reichenden Schutz der Menschen- und Bürgerrechte verpflichtet. Der Vorrang der Bestimmungen völkerrechtlicher Verträge über föderale und regionale Gesetze ist in Artikel 15 der Verfassung verankert. Russland ist u.a. Vertragsstaat des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (1966), des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (Anti-Folter-Konvention von 1984), und der Genfer Konventionen und ihrer Zusatzprotokolle sowie der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951. Ein bedeutender Schritt auf Spendenkonto: Kto.-Nr. 80 90 100 Bank für Sozialwirtschaft Köln (BLZ 370 205 00) -2europäischer Ebene war die Aufnahme Russlands in den Europarat am 28. Februar 1996. Als Folge hiervon wurde das Land u.a. im Mai 1998 Vertragsstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK von 1950), des Europäischen Übereinkommens zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (1987) sowie einiger Zusatzprotokolle dieser beiden Konventionen. Im politischen Alltag wurden viele der im nationalen Recht verankerten Rechtsnormen und Bestimmungen sowie der in völkerrechtlichen Verträgen eingegangenen Verpflichtungen jedoch nicht oder nicht ausreichend umgesetzt oder sie wurden systematisch verletzt. Einige der wichtigsten Bedingungen des Europarates für seine Mitgliedschaft hat Russland bis heute nicht vollständig erfüllt. Hierzu zählen insbesondere die endgültige Abschaffung der Todesstrafe, die Verbesserung der Haftbedingungen sowie eine friedliche und dauerhafte Lösung für den Konflikt in Tschetschenien. Die Verabschiedung der neuen Strafprozessordnung lässt zwar auf eine Ausrichtung der Strafverfahren an rechtsstaatlichen Kriterien hoffen, allerdings treten wesentliche Regelungen erst in den kommenden Monaten in Kraft. Ob die Änderung der gesetzlichen Grundlagen auch praktische Auswirkungen für die Stärkung der Stellung der Verteidigung vor Gericht hat, kann daher noch nicht endgültig beurteilt werden. Die Stärkung der Stellung des Gerichts gegenüber der Staatsanwaltschaft - etwa beim Erlass eines Haftbefehls durch den Richter - stellt die Judikative bei größtenteils gleichbleibender finanzieller und personeller Ausstattung vor neue Aufgaben, deren Ausfüllung noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Dies kann sich vorübergehend nachteilig auf die bereits überlangen Gerichtsverfahren auswirken. Da nunmehr erstmalig die StPO umfassend die Möglichkeit der Freilassung auf Kaution vorsieht, kann deren konsequente Anwendung die Überfüllung der Untersuchungshaftanstalten vermindern. Die notwendige Unabhängigkeit können die Gerichte erst erlangen, wenn die einzelnen Richter nicht mehr vom Wohlwollen der Kommunalverwaltung bei der Vergabe von Wohnungen oder der Bewilligung von Dienstreisen abhängen und so das Geflecht der Abhängigkeiten und Gefälligkeiten aufgelöst werden kann. Systematische Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht in Tschetschenien Wie schon während des bewaffneten Konflikts zwischen russischen Truppen und tschetschenischen Kämpfern von 1994 bis 1996 kommt es im Verlauf der seit September 1999 neu aufgeflammten heftigen Kämpfe in der tschetschenischen Teilrepublik systematisch zu massiven Menschenrechtsverletzungen und schweren Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht. Im August 1999 waren mehrere Hundert Rebellen aus Tschetschenien unter Führung der Feldkommandanten Bassajew und Schattab nach Dagestan eingedrungen und riefen einen unabhängigen islamischen Staat aus. Es kam zu heftigen Kämpfen mit russischen Streitkräften. Ende August zogen sich die Separatisten wieder aus Dagestan zurück. Vor dem Hintergrund dieser Kämpfe bombardierten russische Streitkräfte mutmaßliche Stützpunkte der Rebellen in Tschetschenien. Die russische Regierung lastete die Bombenanschläge auf Wohnhäuser in verschiedenen russischen Städten, bei denen im Spätsommer 1999 mindestens 292 Menschen getötet wurden, ohne Beweise vorzulegen bewaffneten Gruppen aus der autonomen Republik Tschetschenien an. In dieser Situation begann die neue russische Militäroffensive, bei der ohne Rücksicht auf Zivilisten gegen alle in der Kaukasus-Republik lebenden Menschen vorgegangen wurde. Gleichzeitig wurden in Moskau lebende Tschetschenen vermehrt von der Polizei und anderen Behörden durch Repressionen und Übergriffe eingeschüchtert. Die Härte des Vorgehens der russischen Streitkräfte und die Diskriminierung durch Moskauer Behörden lassen ein Klima entstehen, in dem tschetschenische Volkszugehörige beinahe den Status einer ethnischen Gruppe erhalten haben, die außerhalb des Schutzes durch das Gesetz steht und Opfer von Verfolgung, Erpressung und staatlicher Willkür wird. Gegenüber der Öffentlichkeit wurden die Menschenrechtsverletzungen als "Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus" dargestellt. Die russische Seite unterbindet gezielt die Berichterstattung durch unabhängige Medien sowie Untersuchungen durch internationale Organisationen. Aufgrund der zahlreichen und schweren Verstöße hat die Parlamentarische Versammlung des Europarates hatte der -3russischen Delegation bereits für fast ein Jahr, vom 6. April 2000 bis 25. Januar 2001 das Stimmrecht entzogen. amnesty international bezieht keine Stellung zur Ursache bewaffneter Konflikte und zur Frage der Gewaltanwendung an sich. Die Organisation ruft jedoch alle an einem Konflikt beteiligten Parteien auf, die Bestimmungen des humanitären Völkerrechts, vor allem die Verpflichtungen zum Schutz der zivilen Bevölkerung einzuhalten. Zahllose Opfer und Zeugen aus der Republik Tschetschenien berichten über schwere Verstöße gegen diese Bestimmungen. Russische Einheiten griffen danach zivile Ziele direkt an oder nahmen Opfer unter der Zivilbevölkerung bewusst und billigend in Kauf. In einzelnen Orten soll besonders grausam vorgegangen worden sein. Dabei sollen ganze Familien ausgelöscht worden sein. Viele Bewohner verschwanden, wurden misshandelt oder vergewaltigt und verloren ihre Häuser und alles Hab und Gut. Mehrere Tausend unbeteiligter Menschen wurden angeblich inzwischen getötet oder verletzt. Rund 300.000 Menschen mussten aus ihrer Heimat fliehen. Dabei hätten russische Einheiten sie mehrfach an der Flucht gehindert oder sogar auf der Flucht angegriffen. Im Juli 2001 kam es zu Überfällen durch russische Sicherheitskräfte auf zwei Dörfer, Sernovodsk und Assinovskaia. Im Verlaufe dieser Übergriffe wurden mehrere hundert Personen festgehalten, wobei es Berichten zufolge zu Folter und Misshandlungen gekommen sein soll. Alle in Assinovskaia Verhafteten wurden wieder freigelassen. In Sernovodsk werden nach wie vor sechs Personen vermisst. In Assinovskaia zerstörten die Sicherheitskräfte Häuser und Gebäude, u.a. das Krankenhaus und eine Schule. Von Oktober 2001 bis zum Ende des Jahres kam es zu wiederholten Militäraktionen russischer Sicherheitskräfte in tschetschenischen Dörfern. Das Dorf Zotsin-Yurt war hiervon mehrfach betroffen. Angehörige der Streitkräfte warfen den Dorfbewohnern vor, tschetschenische Kämpfer zu unterstützen. Auch hier kam es während der Aktionen zu Folter und Misshandlungen der Dorfbevölkerung. Nach wie vor sind einige der von den russischen Sicherheitskräften festgehaltenen Dorfbewohner verschwunden. Es wird berichtet, dass einige Dorfbewohner aufgefordert wurden, Bestechungsgelder für ihre eigene Sicherheit oder aber für die Freilassung der festgehaltenen Personen zu zahlen. amnesty international erreichten auch Berichte, dass russische Sicherheitskräfte am 2. Juni 2002 fünf Männer aus ihren Häusern in dem Dorf Nowye Atagi verschleppt haben, von denen seither jede Spur fehlt. Zeugenaussagen vom November 2001 zufolge, haben russische Sicherheitskräfte auch Frauen vergewaltigt. Mehrere Zeugen berichteten von der 30-jährigen Frau “Zainap” aus dem Dorf Kurchelow. Am 18.10.2001 seien föderale Streitkräfte in die Wohnung von “Zainap” eingedrungen, um ihren Mann zu verhaften. Da dieser nicht zu Hause gewesen sei, hätten sie “Zainap” verhaftet, die im achten Monat schwanger gewesen sei. Sie wurde in das Übergangsministerium für Inneres (VOVD) gebracht. Dort wurde sie nach ihrer Aussage und der von zwei Zeuginnen vergewaltigt und misshandelt. Als Folge dieser Misshandlungen erlitt sie eine Fehlgeburt. “Zainap” wurde Mitte November entlassen, nachdem ihre Angehörigen für sie zehn von den Soldaten geforderte Maschinengewehre als Auslöse übergeben hatten. Im Juli 2001 erließ der Generalstaatsanwalt der Russischen Föderation die “Order” Nr. 46, die vorschreibt, dass bei den Durchsuchungen immer ein Staatsanwalt anwesend sein muss. Nichts desto trotz kam es weiterhin zu Misshandlungen, auch wurden keine Anklagen gegen die Sicherheitskräfte erhoben. Insbesondere nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA nahmen die Übergriffe im Rahmen der “Terrorismusbekämpfung” nachweislich zu. Im Januar 2002 verabschiedete die parlamentarische Versammlung des Europarates eine Resolution, in der sie in deutlicher Sprache den russischen Umgang mit Vorwürfen von Folter und anderen Menschenrechtsverletzungen und von Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht in Tschetschenien kritisiert. Eine ähnliche Resolution konnte bei der 58. Menschenrechtskommission der VN nicht verabschiedet werden. Die tschetschenischen Kämpfer und ihre Führung sind ungeachtet der derzeitige unklaren Rechtslage in der nordkaukasischen Republik ebenfalls den internationalen Menschenrechtsstandards verpflichtet. Auch sie sind für eine Reihe schwerer Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Bereits vor dem erneuten Ausbruch der Kämpfe kritisierte amnesty international die Menschenrechtsverstöße durch die Verantwortlichen in der Führung der Tschetschenischen Republik. Die von Scharia-Gerichten nach -4islamischem Recht gefällten Urteile sahen wiederholt Bestrafungen vor, die eine grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Strafe darstellten und das grundsätzlichste aller Menschenrechte, das Recht auf Leben, verletzten. Bis Juli 1999 sollen nach tschetschenischen Angaben mindestens elf Personen zum Tod verurteilt und zum Teil öffentlich hingerichtet worden sein. Andere Strafen waren die Amputation von Körperteilen und öffentliche Auspeitschungen. Zudem kam es wiederholt zu Übergriffen gegen Journalisten und andere Personen, deren Sicherheit nach Auffassung von amnesty international nicht ausreichend gewährleistet wurde. Neben diesen Menschenrechtsverletzungen kam es im Verlauf des bewaffneten Konflikts außerdem vielfach zu schweren Verstößen gegen das Humanitäre Völkerrecht durch tschetschenische Kämpfer. Es wird unter anderem über Misshandlungen und Hinrichtungen von gefangengenommenen russischen Militärangehörigen und über den Einsatz von Flüchtlingen bei Kampfhandlungen, beispielsweise als menschliche Schutzschilde, berichtet. Die Geiselnahme Ende Oktober in einem Moskauer Theater durch Tschetschenen ist aus der Sicht von amnesty international ein “neues Beispiel für die Missachtung der Menschenrechte in Russland.” amnesty international hat diesen kriminellen Akt als nicht hinnehmbare Menschenrechtsverletzung scharf verurteilt und den Angehörigen der Opfer ihr Beileid ausgesprochen. Dennoch darf diese Tat keinen Anlass für eine pauschale Verurteilung aller Tschetschenen sein und nicht zu neuen Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien führen. Am 29. Mai 2002 unterzeichneten der neugewählte Präsident von Inguschetien, FSB General a.D. Murat Syasikov, und der von der russischen Regierung eingesetzte Leiter der tschetschenischen Verwaltung, Akhmad Kadyrow, ein Übereinkommen über die Rückführung aller tschetschenischen Flüchtlinge aus Inguschetien bis Ende September 2002. Berichten zufolge gibt es alleine in Inguschetien etwa 150.000 Binnenflüchtlinge. amnesty international verurteilt die zwangsweise Rückführung der Binnenflüchtlinge nach Tschetschenien, wo ihr Leben in Gefahr ist und darüber hinaus internationale humanitäre Hilfsorganisationen und Menschenrechtsorganisationen nur sehr eingeschränkten Zugang zu den Flüchtlingen haben. Ermittlungen gegen Menschenrechtsverletzungen in Russland Der Sprecher des Kremls, Sergey Jastrshembsky, wird im Mai 2002 von der Nachrichtenagentur AFP mit der Aussage zitiert, dass mehr als 30 Militärmitglieder, 4 Offiziere eingeschlossen, wegen in Tschetschenien verübter Straftaten vor Gericht gestellt worden seien. Weitere Auskünfte über die Strafverfahren gab er nicht. Statistiken der internationalen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zufolge wurden die meisten der Ermittlungen wegen Folter oder Misshandlungsvorwürfen während des Tschetschenien-Konfliktes entweder aufgeschoben, an ein anderes Ermittlungsgremium verwiesen, oder aber fallengelassen. Einzige Ausnahme ist die Anklage des Offizier Juri Budanow, dem Kommandanten eines russischen Panzerregiments. Diesem wird der Mord an der 18- jährigen Cheda Kungaewa in Tangi-Tschu, Tschetschenien im März 2000 zur Last gelegt. Gefahr politisch motivierter Verfolgung In Russland besteht weiterhin die Gefahr, dass Personen Opfer politischer Verfolgung werden. In einem Wiederaufnahmeverfahren wurde Grigorij Pasko in nicht-öffentlicher Sitzung am 25. Dezember 2001 wegen des Versuches der Informationsverbreitung, die der “Kampfbereitschaft der Pazifik-Flotte schaden würde”, zu einer vierjährigen Freiheitsstrafe in einem Arbeitslager verurteilt. Das Wiederaufnahmeverfahren wurde auf Antrag eines Militärstaatsanwaltes im November 1999 eingeleitet und begann im Juli 2001. Der Journalist und Marineoffizier Grigorij Pasko war 1997 verhaftet worden, nachdem er die illegale Deponierung von Atommüll durch die russische Marine aufgedeckt hatte. Im Juli -51999 wurde Pasko des Landesverrates angeklagt und wegen Amtsmissbrauches zu drei Jahren Haft verurteilt, aber im Zuge einer Generalamnestie 1999 aus der Haft entlassen. Seit der Verurteilung und seiner Verhaftung noch im Gerichtssaal am 25. Dezember 2001 befindet sich Grigorij Pasko in Lagerhaft. Inzwischen hat das Militärkollegium des Obersten Gerichtshofs von Russland am 25. Juni 2002 die Entscheidung des Militärgerichts von Wladiwostok bestätigt. Da der nationale Rechtsweg damit ausgeschöpft ist, bleibt Grigorij Pasko nur der Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. amnesty international hält ihn für einen politischen Gefangenen und fordert seine unverzügliche und bedingungslose Freilassung. Meinungsfreiheit Im Dezember 2001 wurde die Journalistin und Abgeordnete des Regionalparlaments des Oblastes Belgogrod, Olga Kitova, wegen Verleumdung, Ehrverletzung und Verhinderung strafrechtlicher Ermittlungen zu einer zweieinhalbjährigen, vorerst ausgesetzten Haftstrafe verurteilt. Olga Kitova hatte in Artikeln in der “Belgorodskaja Pravda” über den Verdacht von Korruption durch Behörden in dem Belgogroder Oblast berichtet. Am 21. März 2001 wurde sie erstmals festgenommen. Nach dem Verhör bei der Staatsanwaltschaft musste sie wegen zu hohen Blutdrucks in das städtische Krankenhaus gebracht werden. In der Klinik wurden außerdem Prellungen und andere Verletzungen an Armen und am Kopf festgestellt. Am 22. Mai 2001 wurde Olga Kitova in ihrer Wohnung erneut festgenommen. Die Polizeibeamten hatten sich weder ausgewiesen noch einen Haftbefehl vorgelegt. In der Arrestzelle der Polizeiwache des Stadtbezirks erlitt sie einen Herzinfarkt. Zunächst wurde ihr die ärztliche Behandlung verweigert, bis sie schließlich in ein Krankenhaus gebracht wurde, in dem sie bis zum 8. Juni 2001 blieb. In der Zwischenzeit hatte das Bezirksgericht von Belgogrod ihre Inhaftierung für rechtswidrig erklärt. Am 3. Juli 2002 hat das Oberste Gericht die Bewährungsstrafe von 30 Monaten auf 25 Monate reduziert, da drei der fünf Anklagepunkte nunmehr fallengelassen wurden. Im April 2001 übernahm die halb-staatliche Gasgesellschaft Gazprom die Media-Most Gruppe von Vladimir Gusinsky. Zu dieser gehören: die unabhängige Fernsehstation NTV, die Tageszeitung Sevodina, das Wochenmagazin Itogi und die Radiostation Ekho Moskvy. Alle waren sehr populär und hatten den Ruf, kritisch über Regierungshandeln zu berichten. Nach der Übernahme durch Gazprom wurde das Redaktionspersonal von Itogi entlassen und die Tageszeitung Sevodina eingestellt. Der Vorstand und der geschäftsführende Direktor von NTV wurden ersetzt. Aufgrund dieser Entlassungen verließen viele Angestellte von NTV den Sender und wechselten aus Protest zu TV-6, einem kleineren unabhängigen Sender. Inzwischen wurde der Fernsehsender TV-6 von Boris Berezovsky auf Anordnung eines Moskauer Gerichts wegen Unrentabilität ebenfalls geschlossen. Auch wenn politische Motive für dieses Vorgehen nicht eindeutig belegbar sind, sehen viele Beobachter hierin eine neue Form staatlicher Sanktionen gegen unabhängige Medien. Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Strafe Ein Beispiel für das Auseinanderklaffen von rechtlicher Verpflichtung der RF durch Verfassung und völkerrechtliche Verträge einerseits und der juristischen Praxis andererseits ist das Verbot des Einsatzes von Folter, Gewalt oder einer anderen grausamen oder erniedrigenden Strafe gemäß Artikel 21(2) der Verfassung sowie zahlreiche europäische und internationale Verträge. Die neue Strafprozessordnung (StPO) verbietet nun ausdrücklich die Berücksichtigung von Zeugenaussagen, die unter Zwang entstanden sind. Dennoch liegen amnesty international seit langem Berichte vor, wonach in Polizeigewahrsam, Gefängnissen, Armeeeinheiten sowie bei anderen staatlichen Sicherheitskräften Folter und Misshandlung nach wie vor weit verbreitet sind und systematisch angewandt werden – nicht zuletzt um Geständnisse zu erpressen. Bereits 1995 zeigte die Menschenrechtskommission des -6russischen Präsidenten auf, dass die Macht der Sicherheits- und Polizeidienste unter dem Deckmantel der Verbrechensbekämpfung auf Kosten der verfassungsmäßigen Rechte und Garantien der Bürger ausgeweitet wird. Diese Tendenz verstärkte sich in den vergangenen Jahren weiter. Immer wieder werden unter Folter, Zwang oder mit gefälschten und untergeschobenen Beweisstücken Geständnisse erpresst, die Grundlagen für nachfolgende strafrechtliche Verurteilungen werden. Ein Vorgehen, das explizit von Artikel 15 der Anti-Folter Konvention der Vereinten Nationen, aber auch von Artikel 50(2) der russischen Verfassung sanktioniert wird. Die Methoden reichen von verschiedenen Formen der Einschüchterung bis hin zu schweren körperlichen Misshandlungen (Drosseln der Sauerstoffzufuhr, Schlagen von an den Händen aufgehängten Häftlingen, Vergewaltigungen etc.). In der Folge kam es mehrfach zu Todesfällen. Der VN-Ausschuss gegen die Folter bedauerte in seinen abschließenden Empfehlungen an die Russische Föderation vom Mai 2002 die ungenügende Zahl von Strafverfahren und Verurteilungen wegen Folter, obwohl es zahlreiche Beschwerden von Betroffenen gab. Die Verurteilung nur aufgrund von Geständnissen gemeinsam mit einem System, das den Erfolg polizeilicher Arbeit an dem Maß der Verurteilungen misst, begünstige Folter während des Ermittlungsverfahrens. Polizei, Staatsanwaltschaft und Richter werden nicht ausreichend ausgebildet, um Hinweisen von Folter nachzugehen und so die Verbreitung von Misshandlungen zu verhüten. Hinzu kommt ferner, dass Verhafteten häufig der unverzügliche Zugang zu Anwälten, Ärzten oder Familienangehörigen verwehrt wird. Auch der VN-Ausschuss für die Rechte der Kinder forderte die russische Regierung 1999 auf, dringend besondere Vorkehrungen zum Schutz von Minderjährigen vor willkürlicher Verhaftung, Folter und Misshandlung in Gewahrsam sowie unverhältnismäßig langer Inhaftierung zu treffen. Misshandlungen, Vergewaltigungen und Totschlag kennzeichnen auch die Zustände in der russischen Armee, denen v.a. junge Rekruten ausgesetzt sind. Die Längerdienenden können auf Grund der Praxis ungeschriebener Gesetze, der "Dedowschtschina" (Großvaterrecht), frei über sie verfügen. Von den Vorgesetzten und zuständigen Militärbehörden werden diese Folterungen und Misshandlungen in der Regel gedeckt. Dies dürfte zu den jährlich mehreren tausend Selbstmorden von Soldaten beitragen. Auch auf Grund von Unterernährung kam es bereits zu Todesfällen in der Armee. Haftbedingungen Die systematische und massive Verletzung der Menschenrechte durch grausame, unmenschliche und erniedrigende Haftbedingungen in Gefängnissen und Untersuchungshaftanstalten werden sowohl durch den VN-Ausschuss gegen Folter als auch die russische Generalstaatsanwaltschaft bestätigt. Häufig behindern wirtschaftliche Schwierigkeiten die Behebung der größten Missstände wie Raumnot, Mangel an Nahrungsmitteln, Hygiene und medizinischer Versorgung sowie Epidemien unter den Häftlingen. Hierunter leiden v.a. viele Untersuchungshäftlinge, die auf Grund der Überlastung der Gerichte sehr viel länger als gesetzlich erlaubt festgehalten werden. Besonders bedenklich sind zudem verschiedene Formen von Folter und Misshandlung durch Gefängniswärter, medizinisches Personal oder privilegierte Mitgefangene. Ein Häftling des Moskauer Butirka-Gefängnisses nannte die Zustände in einem Brief die "Hölle auf Erden." Trotz der Amnestie im Jahr 2000 sind die Strafvollzugsanstalten und Untersuchungsgefängnisse nach wie vor überfüllt. Unter den katastrophalen Bedingungen verbreiten sich schwer heilbare Krankheiten, so dass in den Hafteinrichtungen die Ansteckungsgefahr mit Tuberkulose und Aids sehr hoch ist. So sollen sich fast 100.000 Gefängnisinsassen mit Tuberkulose infiziert haben. In einigen Einrichtungen sind die Bedingungen so schlecht, dass sie Folter und Misshandlung gleichkommen. Von den katastrophalen Bedingungen in den überfüllten Gefängnissen sind Frauen besonders betroffen. Ihre Anzahl hat sich in den Gefängnissen in den letzten zehn Jahren verdoppelt, obwohl die Belegungszahlen insgesamt durch Amnestien und Reformen im Strafvollzug gesunken sind. Todesstrafe -7Artikel 20 (2) der Verfassung der Russischen Föderation enthält das Verfassungsgebot, die Todesstrafe abzuschaffen. Mit seinem Beitritt zum Europarat 1996 hat sich Russland zudem international verpflichtet, die Todesstrafe bis 1999 abzuschaffen und alle Hinrichtungen sofort auszusetzen. Diese Verpflichtungen wurden jedoch noch nicht vollständig umgesetzt. Das im April 1997 unterzeichnete 6. Protokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), das die Abschaffung der Todesstrafe vorsieht, ist noch nicht ratifiziert. Gleichzeitig sieht das 1997 verabschiedete Strafgesetzbuch weiterhin für bestimmte Verbrechen dies als äußerstes Strafmaß vor. Auch nach der Aufnahme Russlands in den Europarat wurde die Todesstrafe noch in mindestens 150 bis 200 Fällen verhängt. Anfang 1999 entschied das russische Verfassungsgericht, dass die Todesstrafe nicht mehr verhängt werden könne, bis in allen territorialen Einheiten der Föderation die von der Verfassung vorgesehenen Geschworenengerichte zur Verfügung stünden. amnesty international begrüßt das Urteil des Verfassungsgerichts, mit dem die Todesstrafe zumindest vorläufig de facto ausgesetzt wurde, weist aber darauf hin, dass sie damit noch nicht generell abgeschafft ist. Die neue Strafprozessordnung, die die Einrichtung von Geschworenengerichten in den Föderationssubjekten ab Januar 2003 vorsieht, lässt erhebliche Zweifel aufkommen, ob das Hinrichtungsmoratorium weiterhin bestand haben wird. Mit großer Sorge stellt amnesty international fest, dass, auch wenn sich Präsident Putin öffentlich gegen die Todesstrafe ausgesprochen hat, nach wie vor sogar Regierungsmitglieder und ein Großteil der Duma-Abgeordneten die Todesstrafe im Kampf gegen die Kriminalität im Land befürworten. Dies sogar, obwohl Untersuchungen russischer Stellen Anfang der 90er-Jahre gezeigt hatten, dass in 30% der Todesstrafenfälle juristische Fehler gemacht wurden. Vor dem Hinrichtungsmoratorium im Juni 1999 hatte Russland eine der höchsten Exekutionsraten weltweit. amnesty international ist besorgt darüber, dass bislang kein Gesetz über ein Hinrichtungsmoratorium verabschiedet wurde. Nur so kann auch eine Exekution von nach dem Juni 1999 verurteilten Häftlingen ausgeschlossen werden. Kriegsdienstverweigerung und alternativer Zivildienst Für Männer zwischen 18 und 27 Jahren besteht in der Russischen Föderation Wehrpflicht. Gleichzeitig enthält Artikel 59(3) der Verfassung das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen und auf Ableistung eines alternativen Zivildienstes. Am 28. Juli 2002 unterzeichnete Präsident Putin das am 10. Juli 2002 vom Föderationsrat verabschiedete Gesetz zum alternativen Zivildienst. Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2004 in Kraft. Damit ist die russische Regierung ihrer Verpflichtung zur Umsetzung des in Artikel 59 (3) der Verfassung normierten Rechts auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen durch ein Gesetz nachgekommen. Das Gesetz sieht die Möglichkeit des alternativen Zivildienstes sowohl in Zivileinrichtungen als auch in Militäreinrichtungen vor, wobei die Dauer des Zivildienstes je nach Einrichtung von drei Jahren in Militäreinrichtungen bis zu dreieinhalb Jahren in Zivileinrichtungen variiert. Für Zivildienstleistende mit einem höheren Schulabschluss verkürzt sich die Länge des Zivildienstes auf 18 Monate in Militäreinrichtungen und 22 Monate in Zivileinrichtungen. Kritik wird seitens russischer Menschenrechtsorganisationen dahingehend geäußert, dass der Zivildienst im Verhältnis zum Militärdienst (2-3 Jahre) zu lang sei und deshalb einer Bestrafung gleichkomme. Dadurch, dass das Gesetz erst 2004 in Kraft tritt, ist die Lage derjenigen, die vor in Kraft treten des Gesetzes Zivildienst leisten wollen, ungeklärt. Dies trifft insbesondere auf eine Gruppe von 20 Zivildienstleistenden in Nischnij Nowgorod zu. Auf Grund der widersprüchlichen Rechtslage kam es in der Vergangenheit zu einer Reihe unterschiedlicher Entscheidungen einzelner Gerichte und Militärbehörden. Während vor allem der Oberste Gerichtshof mehrfach das Recht auf Kriegsdienstverweigerung trotz fehlender Ausführungsbestimmungen über den Ersatzdienst bestätigte, verurteilten lokale Gerichte junge Männer wiederholt sogar wegen Desertion. Die russische Organisation der "Soldatenmütter" berichtete wiederholt von Verweigerern, die trotz gerichtlicher Anerkennung in Militäreinheiten gebracht und dort festgehalten wurden. Andere sollen von den Einberufungskommissionen zu Hause oder an der Schule bzw. Universität direkt "verhaftet", in eine Kaserne gebracht und bei einer entfernten Einheit stationiert worden sein. Vor -8allem im Verlauf der bewaffneten Konflikte in Tschetschenien ergriffen viele Wehrpflichtige, die vom Recht auf Wehrdienstverweigerung keinen Gebrauch machen konnten, die Möglichkeit, aus ihren Einheiten zu desertieren. In diesem Zusammenhang wurde schon in den Jahren 1994 bis 1996 Berichte über Massenexekutionen ganzer Gruppen von Deserteuren bekannt, die bis heute nicht verifiziert und untersucht wurden. Verstöße gegen die Rechte von Flüchtlingen und Asylsuchenden Das in Artikel 63 der Verfassung der Russischen Föderation verankerte Recht von Flüchtlingen und Asylsuchenden auf Schutz vor Abschiebung bei drohender Gefahr für Leib und Leben (Völkerrechtsgebot des non-refoulement), der 1993 erfolgte Beitritt Russlands zur Genfer Flüchtlingskonvention sowie die Inkraftsetzung des neuen Flüchtlingsgesetzes 1997 waren wichtige Schritte zum Schutz der Rechte der sich in Russland aufhaltenden oder dorthin gelangenden Flüchtlinge. Allerdings ist die praktische Umsetzung dieses rechtlich verankerten Schutzes unzureichend. Besonders die aus anderen Teilen des russischen Staatsgebietes stammenden Binnenflüchtlinge genießen keinen spezifischen rechtlichen Schutz. Hierdurch entstehen vor allem für die rund 300.000 aus der tschetschenischen Teilrepublik geflüchteten Menschen, welche durch die humanitäre Tragödie bereits besonders betroffenen sind, weitere große Probleme. Beim Umgang mit Flüchtlingen aus benachbarten oder anderen Staaten kommt es vielfach zu Verstößen gegen die bestehenden Grundsätze, v.a. gegen das Gebot des non-refoulement. Zwangsmigranten, also Bürger aus den ehemaligen sowjetischen Republiken, die ihren bisherigen Wohnort verlassen mussten, werden zwar nach einem Gesetz von 1993 bei der Anerkennung ihrer Rechte als Flüchtlinge und der Ausstellung einer Aufenthaltsgenehmigung im Vergleich mit Flüchtlingen aus anderen Staaten beträchtliche Vorteile eingeräumt. Auf Grund des komplizierten Melde- und Registrierungssystems fehlt ihnen aber oftmals der zur Anerkennung notwendige Nachweis eines Wohnsitzes. Viele russische Behörden arbeiten außerdem sehr eng mit den Behörden aus den Herkunftsländern dieser Flüchtlinge zusammen, wenn sich diese um deren Auslieferung aus politischen Gründen bemühen. Für die "sonstigen", hauptsächlich aus asiatischen und afrikanischen Ländern nach Russland kommenden Flüchtlinge ist Russland oftmals nicht das erwünschte Zielland. Billige Flugverbindungen führen viele von ihnen über den Moskauer Flughafen Scheremetewo-2. amnesty international liegen Berichte vor, wonach Flüchtlinge schon im Flughafen-Transitbereich systematisch am Zugang zu einem fairen Asylverfahren gehindert und ohne eine Prüfung ihres Antrags abgewiesen und abgeschoben werden. Oftmals sitzen sie unter unmenschlichen Bedingungen tage- oder wochenlang im Transitbereich fest. Es gibt sogar Berichte über Suizide unter den Flüchtlingen. Auch die Rechte der Flüchtlinge, die über andere Grenzpunkte in die Russische Föderation einreisen wollen, um dort einen Asylantrag zu stellen, werden vielfach verletzt. Und selbst wenn es ihnen gelingt, sich als Asylbewerber registrieren zu lassen und die Erlaubnis zur Einreise zu bekommen, sind sie oftmals nicht ausreichend vor einer unfairen Bearbeitung des Asylbegehrens und vor Übergriffen durch Angehörige staatlicher Stellen geschützt. Ethnisch motivierte Gewalt Misshandlungen und willkürliche Inhaftierungen von Personen, deren Äußeres leicht als nicht-slawisch zu identifizieren ist, werden Berichten zufolge nicht nur durch die Polizei und andere Sicherheitsbehörden begangen. amnesty international erhält darüber hinaus auch Berichte über ethnisch motivierte Übergriffe durch nicht-staatliche Gruppen in Moskau, St. Petersburg und anderen Städten der Russischen Föderation. Die Opfer sind meist dunkelhäutige Studenten aus Afrika oder Personen aus dem Kaukasus, insbesondere Tschetschenen. Die betroffenen Personen berichteten, dass wenig getan würde, um diese Fälle zu verfolgen und ein Klima der Straflosigkeit für die Täter herrsche. Am 16. Juni 2001 wurde der Sudanese “Joseph Peter” von 15-20 “Skinheads” angegriffen und zusammengeschlagen. Er konnte einige seiner Angreifer filmen und übermittelte eine schriftliche Aussage -9an die für seinen Distrikt (Kuzminki/Liublino) zuständige Polizei. Daraufhin suchten ihn drei Polizeibeamte auf und forderten ihn auf, eine Aussage zu unterzeichnen, die den Vorgang abweichend von dem wirklichen Verlauf schilderte. Er sollte aussagen, dass die Angreifer betrunken gewesen seien. Den von ihm der Polizei übergebenen Film mit den Aufnahmen des Überfalls hat “Joseph Peter” nicht mehr zurückerhalten. Niemand wurde in Zusammenhang mit dem Überfall festgenommen. Dies ist kein Einzelfall. Die Anklage wegen eines Überfalls auf sechs Asylbewerber am 23. August 2001, wobei einer der Asylbewerber starb, wurde von Körperverletzung mit Todesfolge in das Delikt des sogenannten “Hooliganismus” abgeändert. Dieser Tatbestand ist mit einem geringeren Strafmaß belegt. Wegen eines Überfalles auf einen Markt in Süd-Moskau durch 300 männliche Jugendliche am 30. Oktober 2001, wobei ein Armenier, ein Inder und ein Tadschike umkamen, wurden fünf junge Männer wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung und wegen Verschwörung zum Mord angeklagt. Die Todesfälle wurden so nicht ausreichend berücksichtigt. Mögliche Gesetzesänderung zur Strafbarkeit von Homosexualität Im April 2002 haben mehrere Abgeordnete der Duma Berichten zufolge einen Antrag zur Änderung des Strafgesetzbuches erwogen, wonach Homosexualität wieder unter Strafe gestellt werden soll. Auch wenn viele Abgeordnete sich ausdrücklich dagegen ausgesprochen haben, beobachtet amnesty international diese Entwicklung Lage mit Besorgnis. amnesty international spricht sich gegen jedes Gesetz aus, das eine Unterstrafestellung sexueller Orientierung vorsieht. Personen, die aufgrund einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage strafrechtlich verfolgt werden, verhaftet werden oder sich in Haft befinden, sind politische Gefangene und sollten unverzüglich und bedingungslos freigelassen werden. Schlussbemerkungen und Empfehlungen des VN-Komitees zur Abschaffung der Diskriminierung von Frauen Im Januar 2002 hat das VN-Komitee zur Abschaffung der Diskriminierung von Frauen seinen fünften Bericht über die Russische Föderation abgegeben. Das Komitee begrüßt einige Verbesserungen, insbesondere in Zusammenhang mit der Bekämpfung von Frauen- und Kinderprostitution, äußert aber auch Bedenken und gibt Empfehlungen. So gibt das Komitee seiner Besorgnis über die häusliche Gewalt ebenso Ausdruck wie über die Bedingungen in der Untersuchungshaft, und die häufig fehlende strafrechtliche Verfolgung von Vergewaltigungen oder sexueller Gewalt durch russische Streitkräfte in Tschetschenien. Das Komitee fordert die russische Regierung zu den notwendigen Schritten auf, um Gewalt, insbesondere sexuelle Gewalt, gegen Frauen und Mädchen zu verhindern. Es empfiehlt die Ausarbeitung einer konzertierten Aktion gegen Frauenhandel. Hierzu gehöre auch die stärkere strafrechtliche Verfolgung der Täter. Schlussbemerkungen und Empfehlungen des VN-Komitees gegen Folter Im Mai 2002 hat das VN-Komitee gegen Folter die Zustände in der Russischen Föderation behandelt. In den abschließenden Bemerkungen und Empfehlungen wurden drei Schwerpunkte genannt, die besondere Besorgnis erregten: zahlreiche und stimmige Berichte über weit verbreitete Folter und andere Formen von grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung von Häftlingen durch Angehörige der Strafvollzugsbehörden - häufig mit der Zielsetzung, Geständnisse zu erpressen; die oben bereits angesprochene “Dedowschtschina” sowie Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe innerhalb der Streitkräfte und die anhaltende Straflosigkeit für Folter und Misshandlungen sowohl für Zivilpersonen, als auch für Militärangehörige. Das Komitee drückte insbesondere seine Besorgnis über die anhaltenden Berichte über schwere Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen der Anti-Folter-Konvention in Tschetschenien aus und empfiehlt eine Reihe von - 10 Gesetzesänderungen sowie praktische Maßnahmen, die zur Verbesserung der Zustände beitragen sollen. - 11 amnesty international fordert die Regierung der Russischen Föderation auf: alle Menschenrechtsverletzungen vollständig und unabhängig untersuchen zu lassen und die Untersuchungsergebnisse zu veröffentlichen; Gesetzgebung und Gerichtswesen so zu reformieren, dass der materielle Menschen- und Grundrechtsschutz nicht nur auf dem Papier steht, sondern auch faktisch von allen Individuen einklagbar ist; rechtsstaatliche Strukturen zu schaffen, die allen Beschuldigten ein zügiges und faires Gerichtsverfahren garantieren; Straflosigkeit zu bekämpfen und alle Verbrechen, auch die, die durch staatliche Akteure begangen worden sind, gleichermaßen zu ahnden; umgehend die systematische Verletzung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts in der tschetschenischen Teilrepublik zu beenden und die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen; Vorkehrungen gegen rassistisch motivierte Verfolgung zu treffen; den vom VN-Ausschuss gegen die Folter empfohlenen Aktionsplan zur Abschaffung der Folter umzusetzen, u.a. die Grundlagen für Folter und Misshandlungen in Polizeigewahrsam, in Gefängnissen und in der Armee zu beseitigen und zu garantieren, dass Haftbedingungen nicht grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gleichkommen sowie die Berichte des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter zu veröffentlichen; die schnelle Ratifizierung und Umsetzung des 6. Protokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention über die Abschaffung der Todesstrafe und die umgehende Verabschiedung eines Gesetzes über ein offizielles Hinrichtungsmoratorium; die Empfehlungen des VN-Ausschusses für die Rechte der Kinder umzusetzen; die Einhaltung der Rechte von Flüchtlingen, einschließlich des Prinzips des non-refoulement und des ungehinderten Zugangs zu einem fairen und ausreichenden Anerkennungsverfahren zu garantieren; die Einhaltung der Grundfreiheiten, u.a. der Versammlungs-, Informations-, Religions- und Bewegungsfreiheit, für alle Menschen in der Russischen Föderation zu garantieren und Minderheiten vor Diskriminierung zu schützen.