als rtf - establish cultural worker

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Mag. Bettina Messner
Konzept 9. Oktober 2002
Arbeitswelten – bezogen auf die Kunst- und Kulturszene
Arbeitslosenzahlen steigen und auf dem verengten Arbeitsmarkt nimmt die Zahl prekärer,
kurzfristiger und schlecht dotierter Beschäftigungsverhältnisse deutlich zu. Tatsache ist,
dass der Zugang zur Arbeitswelt auch gegenwärtig über die Lebenschancen aller
Gesellschaftsmitglieder entscheidet.
In den letzten Jahrzehnten wird zwar in der Kunstgeschichte die soziale Dimension von
Kunst verstärkt diskutiert, dies beschränkt sich jedoch meist auf die Auswirkung von
Kunstwerken auf die Gesellschaft. Die "Produzenten", die KünstlerInnen als soziale
Akteurinnen, die in einem bestimmten Dispositionssystem agieren, bleiben oft
ausgeblendet. Der sich zwischen allen Klassen, Schichten, Feldern "frei-bewegende"
Künstler wird häufig als Mythos weitertradiert.
Frage nach den Lebensbedingungen von KünstlerInnen und Kulturschaffenden
Schwerpunkte: Neben dem Aspekt des "Frau-seins" im Kunstbereich, wird der
Schwierigkeit der Definition des Berufsbildes "KünstlerIn" und der damit verbundenen
Unschärfe des "beruflichen Feldes"
Der Ortseffekt der Stadt Graz - bezüglich seiner Auswirkungen auf künstlerische
Lebenssituationen und Handlungen
Erkenntnisse der Projektforschung
Das künstlerische Feld ist einer der “unsicheren Orte des sozialen Raumes” : nur vage
Positionen, an wenig Voraussetzungen gebunden, gleichzeitig höchst ungewisse und
schwankende Zukunftsaussichten
Über Mehrheit der bildenden Künstlerinnen und Künstler gibt es kaum statistische Daten:
ihre “Probleme” bleiben deshalb meist unsichtbar.
In diesem “Beruf” muss mit einem unregelmäßigen und sehr niedrigen Einkommen
gerechnet werden. Kunstschaffende sind auf zusätzliche Deckung des Lebensunterhaltes
durch Neben- bzw. Haupttätigkeiten angewiesen.
KünstlerInnen sind in höchstem Maße von anderen Personen abhängig, die insgesamt
eine künstlerische “Öffentlichkeit” repräsentieren und befinden sich dadurch in einer
beherrschten Position, die durch weitere Faktoren geschwächt wird, z.B. durch ein
ländliches, kunstfremdes Herkunftsmilieu oder durch das “Frau-sein” im Kunstbetrieb.
Die Reputation und die “Ressource Aufmerksamkeit” ist in einem Feld, dessen
Perspektiven mit öffentlicher Anerkennung verbunden sind, wichtiger als Geld. Doppeltes
Bewusstsein: Gehören zugleich dem ökonomischen Universum und einem
anti-ökonomischen Subuniversum (dem künstlerischen Feld) an.
Definitionskämpfe um den Kunst-Begriff im künstlerischen Feld: Kunstschaffende sind
ständig mit der Sinnfrage ihrer Tätigkeit konfrontiert, was ein beruflich-privates
Spannungsfeld erzeugt. Ihre Existenzberechtigung wird in Frage gestellt, ihre kulturelle
Identität permanent gefährdet und destablisiert.
Klischee des jenseits aller Normen und Reglementierungen der Gesellschaft stehenden
Künstlers, verdeckt die tatsächlichen Alltagsprobleme.
Die gesellschaftliche Vorstellung vom Künstler, der “sich durchs Leben schlägt” wurde zu
einer Projektion der Idee der Selbstverwirklichung. Autonomie wird dabei auf die
Lebensführung und die Strategien von Künstlern bezogen, die als erstrebenswert
angesehen werden. In anderen Kreisen jedoch wird gerade die (scheinbare) Autonomie
der Künstlerinnen/Künstler zum Feindbild.
Im Zuge der kapitalistischen Tendenzen gelten KünstlerInnen als “Vorreiter der
Marktwirtschaft”, von denen Unternehmer lernen können, wie man etwas verkauft, für das
es keine Nachfrage gibt. Das projektorientierte Arbeiten der Künstler, fern von
strukturierten Dienstverhältnissen, gilt als Vorbild für die sich heute entwickelnden Typus
des “neuen Selbständigen” mit allen damit verbundenen Vor- und Nachteilen.
Immer seltener lose KünstlerInnenvereinigungen: Die Ursache der geringen Solidarität
findet sich weniger bei den Personen, sondern im schwierigen, ambivalenten Berufsfeld.
Durch Reduzierung der finanziellen Ressourcen für den Kunst- und Kulturbereich wird der
Konkurrenzdruck zusätzlich erhöht. Eine unsichere Marktlage fördert Verhaltensweisen,
Insiderwissen besser für sich zu behalten und RivalInnen durch Ausschluss von
Informationen auszuschalten.
Der “Erfolg” bleibt unsicher: Ein “Backlash” ist jederzeit möglich.
Die experimentelle “freie Szene” wird durch die sukzessive Reduzierung von strukturellen
kulturpolitischen Subventionen und Förderungen mehr und mehr gefährdet, wird von
marktpolitischen Überlegungen ausgebremst und ausgehungert.
Private Finanzierungen, die oft als “Unabhängigkeit” für die Kultur und Kunst verkauft
werden, können sich nach genauerem Hinsehen als immer stärkere wirtschaftliche
Zwänge entpuppen, die ein “autonomes Arbeiten” unmöglich machen.
Graz als “Avantgarde-Stadt” contra “Kulturhauptstadt 2003”: Die Kulturhauptstadt als
Tourismus- und Wirtschaftssymbol benutzt das symbolische Kapital der “Kultur” als
Schlagwort und als Etikett, um zahlungskräftige Investoren in die Stadt bzw. Region zu
bringen. Doch was wird für die kleinen Initiativen getan? Zur Kulturhauptstadt Graz 2003
gibt es zahlreiche Stellungnahmen von Kulturschaffenden, die das Übergehen von
kleineren und vor allem regional gewachsenen Initiativen beklagen. Die großen
Einrichtungen, die “Flakschiffe der Eventkultur”, beanspruchen den “Löwenanteil” des
Budgets für sich.
Parallel zu den Vorbereitungen für 2003 werden permanent Kulturbudget-Kürzungen in
Aussicht gestellt. Die derzeit laufende Debatte über eine 15 %-Sperre der städtischen
Subventionen für alle Projekte, ist für kleinere kulturelle Vereine und Initiativen sehr
bedrohlich.
Lebensbedingungen für Kunstschaffende in Graz: Bis dato wurden keine
Rahmenbedingungen geschaffen, um junge Kunstinteressierte an die Stadt Graz zu
binden und somit für eine sich ständig erneuernde kreative Szene zu sorgen. Es gibt: keine
adäquate Ausbildungsstätte für zeitgenössische Kunst, kaum Raum und Servicestellen
oder Treffpunkte zum Informationsaustausch für KünstlerInnen.
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Mögliche Diskussionsansätze
Da das Ziel des Projektes eine Untersuchung des “Ist-Zustandes” gewesen ist, bietet sich
die Frage nach möglichen Lösungen an.
Wie können Netzwerke, gerade für Frauen, erfolgreich geknüpft werden, wo die
einflussreichen Positionen des Feldes (immer noch) großteils von Männern besetzt
werden? Wie kann Rivalität in einem enger werdenden Feld durch Solidarität ersetzt
werden? Wie kann die Zerrissenheit vieler Kunstschaffender zwischen ökomomischer
Realität und experimenteller kultureller “Arbeit” gemildert werden? Welche längerfristigen
strukturellen Bedingungen müssten geschaffen werden?
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