Hintergrund - Bayerischer Rundfunk

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Wie war das damals?
Sprechstunde in der Nähstube- Vom Alltag einer Kinderärztin in der Trümmerzeit
Autorin:
Rerdaktion:
Anja Mösing
Petra Herrmann
Einführung
Mit dem Einmarsch der Amerikaner am 30. April 1945 war für die Münchner der Zweite
Weltkrieg beendet. Was nun begann, war ein neuer Alltag, der zwar nicht mehr geprägt
war von unmittelbarer Lebensgefahr, dafür aber von allgemeinem Mangel. Nahrungsmittel
und Wohnungen fehlten an erster Stelle.
Zum einen war der Wohnraum in weiten Teilen der Stadt zerstört, zum anderen kehrten
bald nach Kriegsschluss nicht nur die evakuierten Münchner zurück, sondern es kamen auch
die Heimatvertriebenen und Flüchtlinge. Und die amerikanischen Besatzer ließen für
sich ebenfalls Unterkünfte räumen. In Flüchtlingslagern und noch erhaltenen Wohnungen
rückte man jetzt durch Zwangseinquartierungen notgedrungen zusammen.
Oktober 1945: Kinderarztpraxis in München-Obermenzing
Die junge Kinderärztin Martha Eisenach besaß neben ihrer Ausbildung die damals
wichtigsten Voraussetzungen für eine Niederlassung: das politische Entlastungszeugnis, den
so genannten "Persilschein", und ein Haus. Noch im selben Jahr, im Oktober 1945, eröffnete
sie ihre eigene Praxis in München-Obermenzing.
In der Sendung schildert Frau Eisenach diese Zeit der Trümmerjahre als eine Zeit der
Improvisationskunst, in der medizinische Utensilien noch nicht zu "Einwegprodukten"
degradiert waren.
Auch der ärztliche Maschinenpark war noch begrenzt. Der persönliche Kontakt zu dem
Patienten stand im Vordergrund und so störte es niemanden, wenn neben dem Stethoskop die
Höhensonne das modernste Hilfsmittel der Ärztin war. Man hat sich miteinander arrangiert.
Insgesamt vermitteln Frau Eisenachs Berichte von den Mütterberatungen, die bald wieder
vom Gesundheitsamt organisiert und zum Teil in Wirtsstuben oder auch in Nähstuben
abgehalten wurden, ebenso wie ihre Erfahrungen als Schulärztin, Mutter und Ehefrau einen
plastischen Eindruck von der Vielfalt der Probleme in den Trümmerjahren, aber auch von der
Fähigkeit, sich miteinander zu arrangieren. Ärzte wurden dabei ins Vertrauen gezogen und
um Hilfe gebeten. So erfahren wir durch Frau Eisenach von den ganz alltäglichen Spätfolgen"
des Krieges: sei es, dass die Kinder ihre aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrenden Väter
nicht (wieder-) erkannten und auch nicht akzeptieren konnten, sei es, dass die Mütter mit
den amerikanischen Besatzern “fraternisierten" oder sei es, dass die heimkehrenden Väter sich
nicht mit der Selbstständigkeit ihrer Ehefrauen abfinden konnten.
Im Zentrum der Sendung stehen nicht die politischen Ereignisse der Nachkriegszeit, sondern
der gewöhnliche Alltag einer Kinderärztin, die mit den Sorgen und Nöten vieler
Bevölkerungsgruppen konfrontiert war.
Artikel abgedruckt in Schulfunk November 1993
© Bayerischer Rundfunk, 1999
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