Überfall auf Harper`s Ferry - Zur Vorgeschichte des

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Schulfunk
7./9.6.1999, Bayern2Radio
Manuskript
Überfall auf Harper‘s Ferry – Zur Vorgeschichte des amerikanischen
Bürgerkrieges
Autor:
Redaktion:
Matthias Fink
Renate v. Walter
Erzähler:
Sonntag, 16. Oktober 1859, nachmittags. In dem kleinen Farmhaus ein
paar Meilen außerhalb des Städtchens Harper‘s Ferry ging John Brown
mit seinen Männern den Plan noch einmal Schritt für Schritt durch: Sie
würden das Waffen und Munitionsdepot in Harper‘s Ferry besetzen
und seine Wächter als Geiseln gegen Vergeltungsangriffe nehmen;
sobald sich die Nachricht vom Überfall verbreitet hätte, würden die
Sklaven aus Maryland und Virginia zuhauf nach Harper‘s Ferry
strömen und sich ihnen anschließen; gemeinsam würden sie dann über
die Apalachen Richtung Süden ziehen und das Land von dem Übel
befreien, das wie ein Schandfleck auf ihm lastete: die Sklaverei.
Nordstaatler:
Ich, John Brown, bin jetzt fest davon überzeugt, dass die Verbrechen
dieses schuldigen Landes nie anders gesühnt werden können als mit
Blut.
Erzählerin:
1859 waren die Vereinigten Staaten von Amerika tief gespalten. Eine
Art inneramerikanische Grenze – die Mason-Dixon line - verlief von
der Atlantikküste Marylands entlang der Südgrenze Pennsylvanias und
folgte dann dem Ohio River Richtung Westen. Nördlich dieser
Mason-Dixon line waren die Staaten seit 1804 sklavenfrei, südlich
davon war Sklaverei erlaubt. Und es war die Sklaverei, an der sich der
Streit zwischen Nord und Süd entzündet hatte.
Nordstaatler:
Ein Haus, das in sich uneins ist, kann nicht bestehen. Ich glaube, diese
Regierungsform kann nicht von Dauer sein, wenn sie immer zur Hälfte
mit der Sklaverei, zur Hälfte mit der Freiheit lebt. Ich erwarte nicht,
dass die Union aufgelöst wird. Ich glaube nicht, dass das Haus in sich
zusammenfällt. Aber ich erwarte, dass diese Uneinigkeit aufhört. Es
muss ganz das eine oder ganz das andere sein.
Abraham Lincoln, Politiker aus Illinois.
Erzählerin:
Die Geschichte der Vereinigten Staaten hatte unter ganz anderen
Voraussetzungen begonnen. De damals noch lockere Staatenbund hatte
die Kolonialmacht Großbritannien im Unabhängigkeitskrieg von
1775.89 vertrieben, hatte die Briten in einem erneuten Krieg zwischen
1812 und 1814 geschlagen und hatte sich eine demokratische
Verfassung gegeben, wie sie kein anderen Land auf der Erde besaß.
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The world’s best hope – der Welt größte Hoffnung hatte Thomas
Jefferson, einer der Gründerväter, die Vereinigte Staaten, wie sie nun
hießen, genannt. Für die Armen und Unterdrückten Europas galten sie
als das Land der Verheißung. Riesige, unerschlossene Gebiete lockten.
Und die Siedler kamen. 1789, als George Washington als erster
gewählter Präsident ins Weiße Haus einzog, zählten die Vereinigten
Staaten knapp 4 Millionen Einwohner. In den siebzig Jahren danach
war ihre Zahl auf weit über 31 Millionen angewachsen.
“Manifest Destiny” lautete die Parole, “offensichtliche Bestimmung”,
mit der das riesige Gebiet zwischen Atlantik und Pazifik in Besitz
genommen werden sollte. Und der Pionier, der seinen Planwagen
belädt, mit der Familie hinaus in die Weite des Westens zieht, das Land
rodet und urbar macht, wurde zum Urbild Amerikas.
Fernab der europäischen Machtkämpfe wuchs eine Großmacht heran,
selbstbewusst, vom Glauben an die eigene Vorbestimmung beseelt.
Nordstaatler:
Woher könnte uns Gefahr drohen? Wird irgendein
transatlantischer Riese angetrampelt kommen und uns mit einem
Schlag zerschmettern? Niemals! Sämtliche Armeen Europas und
Asiens könnten es in tausend Jahren nicht erzwingen, dass sie
aus dem Ohio River trinken oder ihre Spuren auf dem Blue Ridge
hinterlassen. Wenn der Untergang unser Los ist, können nur wir
selbst die Urheber und Vollender sein. Als eine Nation freier Menschen
werden wir ewig leben oder durch eigene Hand sterben.
Abraham Lincoln, Politiker aus Illinois
Erzählerin:
War es eine düstere Vorahnung, eine Warnung, die der noch
junge Abgeordnete Abraham Lincoln 1843 im
Repräsentantenhaus aussprach? Die Ausdehnung Richtung
Westen wurde jedenfalls begleitet von einer immer tiefer werdenden
politischen Spaltung Amerikas. Der Streit kreiste um die Frage: Was
sollte geschehen, wenn die großen Territorien im Westen als
Bundesstaaten den Vereinigten Staaten beitreten? Sollten dort Sklaven
gehalten werden dürfen? Sollten Schwarze dort als freie Bürger leben
dürfen? Je großer die USA wurden, umso schärfer wurde dieser
Konflikt. Er trennte die Staaten des Nordens von denen des Südens.
Den ersten toten Weißen in diesem Streit gab es 1837 im Norden in
Alton, Illinois. Es war Elzia Lovejoy, Besitzer einer Druckerei, in der
eine sklavenfeindliche Zeitung gedruckt wurde.
Erzähler:
Sonntag, 16. Oktober 1859, gegen 20 Uhr.
John Brown machte sich mit seinem kleinen Trupp auf den Weg
dreizehn Weiße und fünf Schwarze. Sie durchquerten mit einem
Planwagen das hügelige Land Richtung Harper‘s Ferry, der kleinen
Stadt im Nordwesten Virginias am Zusammenfluss von Potomac und
Shenandoah.
Nordstaatler:
Hier, vor Gott und der Gegenwart dieser Zeugen, weihe ich mein
Leben der Vernichtung der Sklaverei.
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Erzähler:
...hatte John Brown viele Jahre zuvor in einer Kirche im Norden, in
Hudson, Ohio, geschworen. Sein erster öffentlicher Auftritt. 1855 hatte
er dann in Kansas auf sich aufmerksam gemacht, als er zusammen mit
seinen Söhnen am Potawatomie River fünf Befürworter der Sklaverei
mit Säbeln in Stücke hackte.
Beim Schulhaus am Stadtrand von Harper‘s Ferry blieb einer der Söhne
von John Brown zusammen mit zwei Männern zurück. Sie sollten dort
Revolver, Schrotflinten und Spieße an die Sklaven ausgeben, die sich
laut Plan erheben sollten, sobald sich die Nachricht vom Überfall
herumgesprochen hätte. John Brown und die anderen setzten ihren Weg
fort. Sie schnitten die Telegrafenleitungen durch, ließen einen Mann
bei der Brücke über den Shenandoah zurück, dem
Hauptzugang zu der kleinen Stadt, besetzten das Arsenal, nahmen
Geiseln und verbarrikadierten sich.
Erzählerin:
Wer die Sklaverei abschaffen wollte, rüttelte direkt am
Selbstverständnis der Südstaaten, denn die Versklavung von vier
Millionen Menschen schwarzer Hautfarbe war das Fundament für das
gesellschaftliche System und das wirtschaftliche Wohlergehen im
Süden. Die Sklaven waren das Kapital der Südstaaten.
Südstaatler:
Hat es je ein Volk gegeben, sei es zivilisiert oder wild, das mit
menschlichen oder göttlichen Argumenten dazu hatte überredet
werden können, freiwillig ein Vermögen von zwei Milliarden Dollar
aufzugeben?
James Hammond, Senator aus South Carolina
Erzählerin:
Das Bild vom legendären alten Süden ist geprägt vom so genannten
Southern Gentleman, dem Baumwoll-Pflanzer, der auf seiner riesigen
Plantage ein Heer von Sklaven hielt und in einem hochherrschaftlichen
Haus ein fürstliches Leben führte. Ein falsches Bild, denn nur eine
winzige Minderheit – lediglich ein halbes Prozent der weißen Familien
des Südens - besaß einen Plantagenbetrieb mit fünfzig und mehr
Sklaven. Aber aus dieser Aristokratie kamen die Politiker, die Richter
und Anwälte, die Militärs, die Intellektuellen, die den Süden
beherrschten Die anderen, die Kleinbauern und Handwerker und
Geschäftsleute lebten mit dem Traum, eines Tages in diese
Herrschaftsschicht aufzusteigen. Gemeinsam mit den Gentlemen in den
Herrenhausern waren sie bereit, die Sklaverei als Pfeiler ihrer Lebens
zu verteidigen. Und rechtfertigen ließ sich das System aus ihrer Sicht
allemal.
Südstaatler:
Unsere Sklaven sind schwarz und geboren einer untergeordneten
Rasse an. Der Zustand, in welchem sie sich bei uns befinden, ist eine
Erhöhung ihres natürlichen Zustandes. Dadurch, dass sie unsere
Sklaven geworden, sind sie aus der Lage, in welcher Gott sie
ursprünglich schuf, erhoben worden. Auf dem ganzen Erdenrund
befinden sich die Neger nirgends in einer so günstigen Lage als unsere
Sklaven im Süden. Und niemand weiß es besser als sie selbst. Sie sind
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glücklich, zufrieden, antriebslos und ihrer geistigen Erniedrigung
wegen durchaus unfähig, uns durch ihre Bemühungen zu beunruhigen.
James Hammond, Senator aus South.Carolina
Erzählerin:
Schwarzer:
Die Sklaverei war mit der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten
nicht abgeschafft worden. A peculiar institution - eine besondere
Einrichtung hatten schon die Gründerväter die Sklaverei genannt. Es
zeigt ihre Scham und ihr schlechtes Gewissen. Selbst sie? Männer der
Aufklärung und Verfechter des Naturrechts von der Gleichheit der
Menschen, waren nicht in der Lage gewesen, die Versklavung von
Menschen schwarzer Hautfarbe abzuschaffen. Aber erst die Erfindung
des cotton gin, der Baumwollentkörnungsmaschine, hatte die Sklaverei
auch zu einer wirklich lohnenden Einrichtung gemacht. Durch sie
entstanden nämlich die riesigen Baumwollplantagen im
Süden, die nur zu bewirtschaften waren, wenn man die schwarzen
Arbeitskräfte als Besitz und nicht als Menschen mit eigenen
Rechten betrachtete.
Meine Brüder und Schwestern wurden zuerst versteigert, einer nach
dem anderen während mich meine Mutter, gelähmt vor Schmerz, bei
der Hand hielt. Dann kam sie an die Reihe und wurde von Isaac Riley
aus Montgomery County gekauft. Dann wurde ich feilgeboten ... Meine
Mutter, halb von Sinnen aus Angst, für immer von ihren Kindern
getrennt zu werden, drängelte sich, während für mich geboten wurde,
durch die Menge zu Riley. Sie fiel ihm zu Füßen, klammerte sich um
seine Knie und in einem Ton, über den nur eine Mutter verfügen kann,
flehte sie ihn an, doch auch ihr jüngstes Kind zu kaufen und ihr so
zumindest eines ihrer Kleinen zu erhalten ... Der Mann machte sich mit
brutalen Schlagen und Tritten von ihr los ... Ich muss zwischen fünf
und sechs Jahren alt gewesen sein.
Josiah Henson, ehemaliger Sklave
Erzählerin:
Seit Anfang der dreißiger Jahre hatte sich im Norden eine kleine,
aber lautstarke Bewegung gegen die Sklaverei gebildet die
Abolitionisten. 1831 war in Boston die erste Ausgabe von The
Liberator erschienen, einer Zeitschrift für die Abschaffung der
Sklaverei, herausgegeben von dem wortgewaltigen Wililiam Lloyd
Garrison.
Nordstaatler:
Geneigter Leser. Stellst du dich im Mitgefühl den Menschenräubern an
die Seite oder an die Seite ihrer niedergetretenen Opfer? Wenn zu den
ersteren, dann bist du ein Feind Gottes und der Menschen. Wenn zu
den letzteren, was gedenkst du für sie zu tun und welches Wagnis willst
du auf dich nehmen? Sei getreu, sei wachsam, bleibe unermüdlich in
deinem Bemühen, jedes Joch zu zerbrechen und lass die Unterdrückten
frei. Komme, was mag; lass es kosten, was es wolle; schreibe auf die
Fahne, die du im Wind flattern lässt, als dein politisches und religiöses
Motto: Kein Kompromiss mit der Sklaverei! Keine Union mit den
Sklavenhaltern!"
WiIIiam LIoyd Garrison
Südstaatler:
Die Abolitionisten wollen die Neger sozial und politisch auf eine
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Stufe mit den Weißen stellen. Wenn das geschieht, wird sich das
Verhältnis der beiden Rassen bald umkehren. Die Neger und ihre
Verbündeten aus dem Norden werden die Herren und wir die Sklaven
sein.
John C. Calhoun Politiker aus South Carolina
Erzähler:
Montag, 17. Oktober 1859, vormittags
Gegen elf Uhr trafen die ersten Angehörigen der Virginia-Miliz
zusammen mit bewaffneten Bauern aus der Umgegend in Harper‘s
Ferry ein. Sie blockierten mögliche Fluchtwege und weigerten sich, mit
John Brown zu verhandeln.
Beim Waffen- und Munitionsdepot kam es zu Schießereien. Der
erste Tote war der Zeughausverwalter der Stadt, ein freier
Schwarzer. Der erste Tote von John Browns Leuten war
Dangerfield Newby, ein freier Schwarzer. Von aufrührerischen
Sklaven, auf die John Brown so große Hoffnungen gesetzt hatte,
ließ sich kein Einziger sehen.
Die Schießereien hielten den ganzen Tag über an. Am Abend waren
von den Aufrührern nur noch fünf am Leben verschanzten sich im
Maschinenhaus, Am folgenden Tag gegen elf Uhr, trafen aus der etwa
sechzig Meilen entfernten Hauptstadt Washington Bundestruppen in
Harper‘s Ferry ein - Marineinfanteristen, also Elitesoldaten. Ihr
Kommandeur, Colonel Robert E. Lee, ließ das Arsenal umstellen
und forderte John Brown zur Kapitulation auf.
Brown war bereit aufzugeben, forderte aber für sich und seine vier
Leute, die noch am Leben waren, freien Abzug. Lee lehnte ab und ließ
das Arsenal stürmen. Von den Aufrührern überlebten nur drei. John
Brown wurde verwundet und gefangen genommen. Der Staat Virginia
würde ihn wegen Hochverrats vor Gericht bringen.
Erzählerin:
Nach dem Überfall auf Harper‘s Ferry waren im ganzen Süden die
Milizen aufgerüstet worden. Der Schock saß tief, denn das
Ereignis schien zu beweisen, dass die Yankees im Norden zu allem
entschlossen waren. Aber der Einfluss der Abolitionisten wurde im
Süden überschätzt. Sicher, sie waren radikal, verstießen bewusst gegen
geltende Gesetze wie das Sklavenfluchtgesetz, wonach entlaufene
Sklaven ihren Besitzern zurückzugeben waren, auch wenn sie den
freien Norden erreicht hatten. Sie organisierten eine so genannte
"Untergrundeisenbahn" als Fluchthilfe für Sklaven. Sie erregten viel
Aufmerksamkeit mit ihren Publikationen, am meisten mit dem Roman
Onkel Toms Hütte von Harriett Beecher-Stowe, der 1853 erschien und
ein Erfolg wurde, der bis dahin nicht gekannte Ausmaße erreichte.
Trotzdem war der direkte Einfluss der Abolitionisten auf die Politik
gering, auch wenn sich der Süden vor ihnen fürchtete. Und es gehört zu
den Mythen der amerikanischen Geschichte dass es nur wegen der
Befreiung der Sklaven zum Bürgerkrieg gekommen sei.
Nordstaatler:
Wenn die Menschen aus den Südstaaten uns sagen, sie sind für
den Ursprung der Sklaverei nicht mehr verantwortlich als wir, so
anerkenne ich diese Tatsache. Wenn gesagt wird, dass diese
besondere Einrichtung besteht und es sehr schwer ist, sie auf
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eine befriedigende Weise Art und Weise abzuschaffen, kann
ich das verstehen und würdigen. Ich will wahrlich niemanden
beschuldigen, dass er etwas unterlässt, von dem ich selbst nicht
wüsste, wie ich es tun sollte Was nun? Sie freilassen und sie
uns politisch und gesellschaftlich ebenbürtig machen? Mein Gefühl
kann dem nicht zustimmen, und wenn mein Gefühl es auch würde,
wissen wir doch sehr wohl, dass die große Mehrheit der Weißen es
nicht will.
Abraham Lincoln, Politiker aus Illinois
Erzählerin:
Tatsächlich hatten es die Politiker der beiden Lager in den
Jahrzehnten zuvor immer wieder geschafft, sich irgendwie zu
einigen - 1820 im Missouri Compromise, in dem sie eine neue
Grenzlinie zwischen sklavenfreien und sklavenhaltenden Staaten
festlegten; 1854 im Kansas Nebraska Act, nach dem es in
Zukunft der Bevölkerung in den neu hinzukommenden Staaten
überlassen bleiben sollte, darüber abzustimmen, ob in ihrem
Staat Sklaverei erlaubt sein sollte oder nicht. Allerdings war dies
die letzte Verständigung zwischen Nord und Süd, bei der sich
allerdings zeigen sollte, wie aufgeheizt die Stimmung bereits war.
Tausende von Sklavereigegnern und -befürwortern waren nach
Kansas geströmt, um die Abstimmung zu Gunsten ihrer Sache zu
beeinflussen. Es kam zu Mord und Totschlag, denen innerhalb
von drei Monaten über 200 Menschen zum Opfer fielen.
Nordstaatler:
Wer denkt, dies sei ein zufälliger, überflüssiger Zusammenstoß,
das Werk selbstsüchtiger oder fanatischer Agitatoren, und er sei
daher von vorübergehender Natur, versteht die Sache ganz falsch.
Es ist ein Konflikt, der nicht unterdrückt werden kann.
William Henry Seward, Senator aus New York
Erzählerin:
Die Haltung zur Sklaverei hatte Nord und Sud vordergründig entzweit,
dahinter verbargen sich politische und wirtschaftliche Interessen, die
unversöhnlich waren.
Der Norden war geprägt durch eine aufstrebende industrielle
Struktur und brauchte deshalb hohe Schutzzölle gegen die
Konkurrenz aus Europa.
Der Süden wurde von den Baumwoll-Plantagen beherrscht. Die
konnten aber nur mit Hilfe des riesigen Heeres Arbeitssklaven
gedeihen. Und man war auf freien Handel, also auf niedrige Zolle
angewiesen, um sie zu verkaufen.
Da der Verkauf von Baumwolle zu Ende der fünfziger Jahre
mehr als die Hälfte der amerikanischen Exporteinkünfte
ausmachte, war man im Süden natürlich nicht bereit, die aus dem.
Norden bei der Regelung der eigenen Angelegenheiten mitreden
zu lassen. Dies war der Kern des Konfliktes, der schon in den dreißiger
Jahren zu einer schweren Verfassungskrise geführt hatte, als der
Kongress von South Carolina beschloss, Bundesgesetze für null und
nichtig zu erklären. Damals hatte der Präsident mit dem Einsatz von
Bundestruppen gedroht und South Carolina hatte nachgegeben. Jetzt,
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an der Wende zu den sechziger Jahren, würde es keinen Kompromiss
mehr geben.
Erzähler:
Freitag, 2. Dezember 1859, später Vormittag
Auf einer leichten Anhöhe nahe der Stadt Charleston, Virginia,
war ein Galgen errichtet worden, an dem John Brown gehängt werden
sollte.
Südstaatler:
Um elf Uhr erschien der Gefangene, von einem starken Aufgebot
Soldaten eskortiert. Er saß in einem Möbelwagen auf seinem Sarg.... Er
hatte sich anscheinend vollkommen von seinen Verwundungen erholt
und sah entschieden besser und kräftiger aus als früher. Als er sich dem
Galgen näherte, verzog sich sein Gesicht zu einem grimmigen,
höhnischen Grinsen, das keineswegs zu dem Ernst der Situation passte.
Er sprang mit überraschender Lebhaftigkeit vom Wagen und ging
hastig auf das Schafott zu.... Er stand da und wartete bewegungslos auf
den Fall ... Der Sheriff schnitt mit einem scharfen Axthieb das Halteseil
durch, mit einem Krachen fiel die Falltür herunter - einige letzte
krampfhafte Zuckungen, und eine Menschenseele stand vor Gottes
Gericht.
David Strother, Reporter von Harper‘s Weekly
Erzählerin:
Der Überfall auf Harper's Ferry hat den Bürgerkrieg nicht
ausgelöst. Aber er war einer der Funken, die die Lunte in Brand
setzten, die schließlich die große Explosion entzünden sollte.
Ein Jahr später, am 6. November 1860 wurde Abraham Lincoln mit
vierzig Prozent der Stimmen zum Präsidenten der Vereinigten Staaten
gewählt. Sechs Wochen danach, im Dezember 1860, trat South
Carolina aus der Union aus. Nach und nach folgten andere
Südstaaten und zusammen gründeten sie im Februar 1861 die
Konföderierten Staaten von Amerika.
In den frühen Morgenstunden des 12. April 1861 schlugen im
Fort Sumter, einer Inselfestung im Hafen von Charleston, South
Carolina, die ersten Artilleriegeschosse ein. Der Bürgerkrieg hatte
begonnen.
- STOPP© Bayerischer Rundfunk, 1999
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