Handout : Theodor W. Adorno „Erziehung nach Auschwitz“

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190268 SE SoSe2008 Argumentation und Legitimation – Zum Umgang mit metatheoretischen Positionen in
Pädagogischen Begründungsprozessen
Handout : Theodor W. Adorno
„Erziehung nach Auschwitz“1
Zitat: „ Menschen, die blind in Kollektive sich einordnen, machen sich selber schon zu etwas wie Material,
löschen sich als selbstbestimmte Wesen aus. Dazu passt die Bereitschaft, andre als amorphe Masse zu
behandeln… Eine Demokratie, die nicht nur funktionieren, sondern ihrem Begriff gemäß arbeiten soll, verlangt
mündige Menschen. Man kann sich verwirklichte Demokratie nur als Gesellschaft von Mündigen vorstellen…
Die Konkretisierung der Mündigkeit besteht darin, dass die paar Menschen, die dazu gesonnen sind, mit aller
Energie darauf hinwirken, dass die Erziehung eine Erziehung zum Widerspruch und zum Widerstand ist.“
1. Bibliografie
* 11. September 1903 in Frankfurt/Main
6. August 1969
o lehrte in Frankfurt als ordentlicher Professor für Philosophie und Soziologie
o war Direktor des Instituts für Sozialforschung an der Johann-Wolfgang-Goethe
Universität.
2. Ausgangspunkt
• Adorno teilt die Erziehung nach Auschwitz in zwei Bereiche ein.
Erziehung in der (frühen) Kindheit
Allgemeine Aufklärung, um ein geistiges, kulturelles und gesellschaftliches Klima
zu schaffen, dass eine Wiederholung unmöglich macht.
• „Auschwitz soll nicht mehr sein.“
Begründung: Forderungen und Fragen, die dieser Satz aufwirft, wurden zu wenig
behandelt/sich zu wenig bewusst gemacht.
Folge: Das Ungeheuerliche (dieses Ereignisses) ist nicht in die Menschen eingedrungen.
D.h. Die Möglichkeit der Wiederholung bleibt bestehen. Jede Debatte über
Erziehungsideale ist irrelevant, wenn der Bewusstseins-/Unbewusstseinsstand der
Menschen Auschwitz gegenüber gleich bleibt.
• Drohender Rückfall in die Barbarei
besteht fort, so lange die Bedingungen fortdauern
o nach FREUD2 bringt die Zivilisation nicht nur ihrerseits das Antizivilisatorische
hervor, sondern verstärkt es auch noch in zunehmenden Maße.
o D.h. Im Zivilisationsprinzip selbst ist Barbarei angelegt
o Dieses Phänomen muss man sich bewusst machen
o Barbarei geht einher mit einer mächtigen gesellschaftlichen Tendenz.
o Vgl. Erfindung der Atombombe = der selbe geschichtliche Zusammenhang wie
der Völkermord = Kräfte des Zuges der Weltgeschichte
o Ein weiteres Problem: die fortdauernde kulturelle Differenz von Stadt und Land
deshalb: eines der wichtigsten Erziehungsziele sei die Entbarbarisierung des
Landes
1
Adorno, W. Theodor (1971),Erziehung nach Auschwitz in: Erziehung zur Mündigkeit. Suhrkamp Verlag
Frankfurt.
2
Vgl. Schriften: „ Das Unbehagen in der Kultur“, „ Massenpsychologie und Ich-Analyse“
Lakmayer Karin 0507342 A-297
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3. Forderungen an Erziehung
•
Wendung auf das Subjekt
o Mechanismen erkennen, die Menschen zu solchen Taten fähig werden lassen
„ Schuldig sind allein die, welche besinnungslos ihren Haß [sic!] und ihre Angriffswut an ihnen
ausgelassen haben.3“
o Keine Reflexion auf sich selbst
o Zu kritischer Selbstreflexion erziehen
ausgehend in der frühen Kindheit, weil hier schon die Charaktere ausgebildet
werden.
• Unbehagen in der Kultur
vgl. nach FREUD
o Zivilisatorischer Druck vervielfachte sich
o Tendenzen zu einer Explosion haben zugenommen
o Soziale Seite: Gefühl des Eingesperrtseins in einer durch und durch
vergesellschafteten, netzhaft dicht gesponnenen Welt. Je dichter das Netz, desto
mehr will man heraus, aber die Dichte verwährt ein Herauskommen. Das verstärkt
eine Wut gegen die Zivilisation. Folge: Gewalttätigkeit
o Soziologisch: Gesellschaft integriert sich immer mehr, zugleich entsteht aber
auch Zerfallendes, wobei durch den Druck vom herrschenden Allgemeinen auf
alles Besondere enorm ansteigt, dass das Besondere und Einzelne samt seiner
Widerstandskraft zu vernichten versucht wird.
• Begriff der Bindung
o Autoritätsverlust
Menschen haben keine Bindung mehr
Stellt eine Bedingung des sadistisch-autoritären Grauens dar
Forderung nach: „Du sollst nicht“ – ist illusorisch
Bindungen: als Gesinnungspass (Ausweis für einen zuverlässigen
Bürger)
bedeuten ein Sichabhängigmachen von Geboten, Normen
verantworten sich nicht vor der eigenen Vernunft des Individuums
• Problem der Kollektivierung
o
Initiationsriten jeglicher Gestalt
Mensch physischen Schmerz zufügen, damit er sich als dazugehörig, als einer
des Kollektivs fühlen darf
o Mensch wird blind in Kollektive eingeordnet = löscht sich als
Selbstbestimmtes Wesen aus, macht sich zu etwas wie Material = amorphe Masse
• Manipulativer Charakter
o Zeichnet sich aus durch Organisationswut, Unfähigkeit unmittelbare
menschliche Erfahrungen zu machen, Emotionslosigkeit, überwertigen Realismus
o „Er denkt oder wünscht nicht eine Sekunde lang die Welt anders, als sie ist, besessen vom
Willen […] Dinge zu tun, gleichgültig gegen den Inhalt solchen Tuns.“
o Verdinglichtes Bewusstsein
Richtet sich gegen alles Geworden-Sein
Setzt „was so ist“ absolut
Bsp. Technik: ist ein doppeldeutiges Verhältnis
„Eine Welt, in der Technik eine Schlüsselposition hat, bringt auf Technik eingestimmte
Menschen hervor.“ D.h. Menschen sind geneigt, die Technik für die Sache
selbst, für Selbstzweck, für eine Kraft eigenen Wesens zu halten und
darüber zu vergessen, dass sie der verlängerte Arm der Menschen ist.
3
vgl. Adorno 1971, S.90.
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vgl. mit Fetischismus
vgl. mit Menschen, die nicht lieben können
d.h. Die Liebe wurde von Dingen, Maschinen als solche absorbiert.
Mensch hat sich den Dingen gleichgemacht
Dann machen sie, wenn möglich, die anderen den Dingen gleich
Siehe Folter: als beschleunigte Anpassung der Menschen an die
Kollektive
Siehe Unmenschlichkeit: manipulative Menschen weisen Züge von
Unansprechbarkeit auf.
Forderung nach Veränderung der Bedingungen, um das Entstehen des
manipulativen Charakters zu verhindern.
Vorschlag: Erforschung der Genese: Kennen der äußeren und inneren
Bedingungen, um zu lernen, wie sie so wurden.
• Erziehungsbild der Härte
o Vorgebliches Ideal
o Spielt in der traditionellen Erziehung eine erhebliche Rolle
o Erziehung zur Disziplin, um richtig erscheinenden Typus von Mensch
hervorzubringen
o Jedoch: Vorstellung: Männlichkeit sei in einem Höchstmaß Ertragenkönnen =
Deckbild eines Masochismus – Sadismus
Zwischen eigener Person und anderen wird nicht mehr unterschieden
„Wer hart ist gegen sich, der erkauft sich das Recht hart auch gegen andere zu sein.“
Er rächt sich gegen Schmerz, den er verdrängen musste.
Erziehung soll fördern, sich diesen Mechanismus bewusst zu machen,
indem die Angst nicht verdrängt werden soll.
• Bewusstmachen der subjektiven Mechanismen
o Stereotype Abwehr
Um nicht Mittäter zu produzieren
o Möglichkeit der Verschiebung
Klima schaffen, damit Nationalismus nicht wiedererwacht
Geht einher mit egoistischem Interesse: jeder kann zu einer verfolgten
Gruppe gehören
Fragen, nach der spezifischen, geschichtlich objektiven Bedingungen
der Verfolgung
4. Zusammenfassung
• „Die einzig wahrhafte Kraft gegen das Prinzip von Auschwitz wäre Autonomie […]
die Kraft zur Reflexion, zur Selbstbestimmung, zum Nicht-Mitmachen.“
• Die Kälte der Menschheit sei ein Grundzug der Anthropologie, die die Beschaffenheit
der Menschen darstellt, wie sie in unserer Gesellschaft tatsächlich sind. Das drückt sich in
einer extremen Gleichgültigkeit aus, gegen das was mit anderen passiert. Es beruht nicht
auf der Anziehungskraft, sondern auf der Verfolgung des je eigenen Interesses gegen die
Interessen aller anderen.
• Durch Maßnahmen auch einer noch so weit gespannten Erziehung wird sich so etwas
wie „Schreibtischmörder“ nicht verhindern lassen, jedoch kann mit Erziehung und
Aufklärung ein Weniges gegen „Folterknechte“ unternommen werden.
Lakmayer Karin 0507342 A-297
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