Untersuchung akustischer Wahrnehmungsdefizite bei Personen mit Lese – Rechtschreibschwäche mittels Erhebung der AMFR bei amplitudenmoduliertem weißem Rauschen und von EKP bei unterschiedlichen Rampenanstiegen Diplomarbeit Zur Erlangung des Magistergrades der Naturwissenschaften an der Fakultät für Psychologie an der Universität Wien eingereicht von Martina Mitteregger Wien, November 2008 Danksagung Damit eine Diplomarbeit zustande kommen kann, ist man auf viele andere Personen angewiesen, welchen ich auf diesem Wege danken möchte: Univ. Prof. Dr. Herbert Bauer, ohne den diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Er hat mich für dieses Thema begeistert und stand bei wichtigen Fragen immer helfend zur Seite. Mag. Dr. Florian Fischmeister, der sich geduldig meiner Fragen annahm und mich immer mit hoher Kompetenz unterstützte. Dem technischen Team des Brain Research Lab, allen voran Ulrich Leodolter, für die gelungene technische Umsetzung meines Versuchsdesigns und für die Geduld, sich den auftauchenden Problemen immer wieder anzunehmen. Ich danke unseren Studienassistentinnen, Mag. Daniela Pfabigan, für die Hilfe bei meinen ersten Ableitungen und für jegliche Hilfe danach, und Mag. Maria Furthlehner für die große Unterstützung bei der Datenauswertung. Stella Färber danke ich für das Bereitstellen ihrer Unterlagen, und für die vielen Tipps, die sie mir mit auf den Weg gegeben hat. Meinen Studienkollegen und – kolleginnen, die mir immer bereitwillig beim Elektrodenapplizieren geholfen haben und die eine- oder andere Verzweiflung mit mir teilten. Besonders danke ich Nevena Radoucheva für das Gegenlesen meiner Diplomarbeit. Ein großer Dank geht an meine Familie, die mich über meine gesamte Studienzeit immer unterstütze und mir Mut, Motivation, und den nötigen Rückhalt gaben. Ich danke meinem Freund Matthias, der meine Launen während der Diplomarbeit tapfer ertragen hat und mir bei Computerproblemen helfend zur Seite stand. Der größte Dank gebührt aber den Personen, die sich freiwillig und unentgeltlich, mit großer Geduld für meine Studie zur Verfügung gestellt haben. Ohne euch wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. 2 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ............................................................................................................ 5 2. Grundlagen der Legasthenie ............................................................................... 7 2.1.:Begriffserklärung und Definition .......................................................................... 7 2.2.: Epidemiologie .................................................................................................... 10 2.2.1.: Prävalenz...................................................................................................... 10 2.2.2.: Geschlechtsunterschiede: ............................................................................. 10 2.3. Diagnose: ............................................................................................................. 11 2.4. Ursachen der Legasthenie: ................................................................................... 14 2.4.1.: Biologische Faktoren ................................................................................... 14 2.4.1.1.: Genetische Faktoren ............................................................................. 14 2.4.1.2: Neuropsychologische Faktoren ............................................................. 16 2.4.2.: Störungen in der visuellen Informationsverarbeitung ................................. 18 2.4.3.: Störungen in der akustischen Wahrnehmung: ............................................. 20 3. Interventionen ................................................................................................... 26 4. Prävention: ........................................................................................................ 28 5. Das auditive System: ........................................................................................ 30 5.1. Das Ohr und die Hörbahn: ................................................................................... 31 5.2. Verarbeitung akustischer Information im Gehirn: ............................................... 33 6. Die Sprachwahrnehmung: ................................................................................. 34 6.1. Grundzüge der Sprachwahrnehmung bei Personen mit LRS: ............................ 37 6.2. Die AMFR (amplitude modulation frequency response): ................................... 38 7. Fragestellung: ................................................................................................... 42 8.Versuchspersonen: ............................................................................................ 43 9. Methode: ........................................................................................................... 44 9.1: Die Vortestung ..................................................................................................... 44 9.1.1.: Anamnesefragebogen: ................................................................................. 45 9.1.2.: Händigkeitsinventar ..................................................................................... 45 9.1.3.: APM (Advanced Progressive Matrices; Raven et al. 1998) ........................ 46 9.1.4.: RT (Rechtschreibungstest; Jäger 1968) ....................................................... 46 9.1.5: Leseprobe ...................................................................................................... 47 9.2.: Das EEG (Elektroenzephalogramm) .................................................................. 47 9.3.: Versuchsablauf: .................................................................................................. 48 9.4.: Itemmaterial ........................................................................................................ 50 9.5.: Auswertung ......................................................................................................... 51 10. Ergebnisse: ..................................................................................................... 52 10.1: Anamnesefragebogen ........................................................................................ 52 10.2: Händigkeit.......................................................................................................... 53 10.3: Alter ................................................................................................................... 53 10.4.: Rechtschreibtest (RT) ....................................................................................... 54 3 10.5.: APM .................................................................................................................. 56 10.6. Leseprobe ........................................................................................................... 57 10.7. EKP bei unterschiedlichen Rampenanstiegen: ................................................... 57 10.8. AMFR: ............................................................................................................... 64 11. Diskussion und Interpretation ......................................................................... 69 12. Zusammenfassung ......................................................................................... 73 13. Literaturverzeichnis ........................................................................................ 75 14. Abbildungsverzeichnis .................................................................................... 82 15. Tabellen .......................................................................................................... 84 16. Anhang ........................................................................................................... 86 4 1. Einleitung Der Begriff Legasthenie wird in unserer Gesellschaft unterschiedlich gebraucht. Zum einen von Schülern und deren Eltern, für die oft schon das alleinige Vertauschen von Buchstaben als Legasthenie gilt. Auch wird der Begriff Legasthenie im Schulwesen gerne für jegliche Schreibschwächen missbraucht. Dagegen versuchen Fachleute mit wissenschaftlichem Zugang, den Legastheniebegriff genauer abzugrenzen. Der Begriff „Legasthenie“ wurde bereits 1928 von dem Budapester Arzt Ranschburg benutzt. Er verwendete diesen Begriff gleichbedeutend mit Leseschwäche. Doch bis heute wurde aufgrund der Komplexität dieses Begriffes eine einheitliche, allgemeingültige Definition nicht gefunden. Grundsätzlich wird aber unter einer „Legasthenie“ heute eine Lese – Rechtschreibschwäche verstanden, die nicht durch das Entwicklungsalter, Visusprobleme oder unangemessene Beschulung erklärbar ist (Dilling et al 1991). Man sieht die Ursachen der Legasthenie als mannigfaltig an, ursprünglich hielt man aber visuelle Ursachen für den Auslöser.. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts verwendeten verschiedene Forscher den Begriff „Wortblindheit“ und meinten damit Personen, die Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben hatten. Später zog man auch akustische Ursachen für die Legasthenie in Betracht. Heute fällt das Hauptaugenmerk der Forschung auf akustische Defizite, es wird aber von einer Wechselwirkung zwischen biologischen Faktoren, Informationsverarbeitungsdefiziten und Umweltfaktoren ausgegangen. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich vorwiegend mit Verarbeitungsdefiziten in der akustischen Wahrnehmung. In einer Studie im Rahmen dieser Diplomarbeit wurden die Aspekte der schnellen Amplitudenwechsel mittels AMFR, sowie die Auswirkungen unterschiedlicher „risetimes“ bei akustischen Reizen mittels EKP untersucht. 5 Die Arbeit gliedert sich in zwei Teile. Im ersten, theoretischen Teil widme ich mich den Grundlagen der Legasthenie. Der Schwerpunkt liegt hier auf den akustischen Wahrnehmungsdefiziten als Ursache der Legasthenie. Des weiteren findet sich in diesem Teil der Arbeit eine Beschreibung des auditiven Systems und der Sprachwahrnehmung beim gesunden Menschen. Am Schluss des theoretischen Teiles gehe ich noch auf die Sprachwahrnehmung bei Legasthenikern und die Erhebungsmethode der AMFR ein. Der zweite Teil der Arbeit umfasst den empirischen Teil. In diesem Abschnitt wird die Studie, die im Rahmen dieser Diplomarbeit durchgeführt wurde detailliert dargestellt. Fragestellungen und Hypothesen werden genannt, die Stichprobe und verwendeten Methoden genau beschrieben. Den Schluss dieses Teils bildet die Ergebnisdarstellung, sowie eine anschließende Diskussion der Ergebnisse. Im Rahmen dieser Diplomarbeit werden die Begriffe „Legasthenie“, „Lese- und Rechtschreibschwäche (LRS) und „Dyslexie“ gleichbedeutend als Entwicklungsschwäche verstanden und auch so verwendet. 6 2. Grundlagen der Legasthenie 2.1.:Begriffserklärung und Definition Der Begriff „Legasthenie“ wurde zu Beginn der Forschung vom Budapester Arzt Ranschburg verwendet. Legasthenie (legere lat. = lesen, legein griech. = sprechen, astheneia griech. = Schwäche) bedeutet übersetzt Leseschwäche und wurde in der frühen Forschung auch auf das Lesen reduziert. Ab den siebziger Jahren unterschied man die Begriffe „Legasthenie“ und „Lese – Rechtschreibschwäche“. In dieser Zeit begann man die Aufmerksamkeit zusätzlich auch auf den Bereich des Schreibens zu richten. Heute werden die Begriffe „Legasthenie“ und „Lese und Rechtschreibschwäche“ häufig gleichbedeutend verwendet und beschreiben damit sowohl Schwächen beim Lesen, als auch in der Rechtschreibung (Steinweger, 1999). Der Begriff „Dyslexie“, der im Englischen ebenfalls die Bedeutung einer Lese – Rechtschreibschwäche hat, bezeichnet im deutschsprachigen Raum aber eine Lese – Rechtschreibstörung in Folge psychischer oder neurologischer Erkrankungen oder des Verlernens aufgrund zerebraler Schädigungen. Dies ist bei Gebrauch des Begriffes „Dyslexie“ bzw. „Dyslexia“ unbedingt zu beachten. Eine allgemeingültige Definition für die Legasthenie scheint es nach wie vor nicht zu geben. Viele Autoren definieren die Lese- und Rechtschreibschwäche auf ihre eigene Weise. Stein und Mc Anell schreiben zur Legasthenie: „Die Legasthenie ist ein Phänomen, bei dem es trotz ordentlicher Beschulung bzw. Erziehung, zumindest durchschnittlicher Intelligenz und normalem Entwicklungsstand zu einer Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Lese – 7 Rechtschreibleistung und der, aufgrund des Alters und des Entwicklungsstandes zu erwartenden Leistung kommt.“1 Reason et al. definieren die Legasthenie wiefolgt: “Dyslexia is evident when accurate and fluent word reading and/or spelling develops very incompletely or with great difficulty.”2 In den weltweit anerkannten Klassifikationssystemen, ICD - 10 ((International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, 10th Revision, Version for 2007) und DSM IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) wird die Legasthenie folgendermaßen definiert: Im ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, 10th Revision, Version for 2007) findet man unter der Achse V “Psychische und Verhaltensstörungen” ( F00 – F99) welche unter anderem die Unterkategorie „Entwicklungsstörungen“ (F80 – F89) beinhaltet. Im Abschnitt „Umschriebene Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten (F81) ist unter „Lese – und Rechtschreibstörung“ (F81.0) die Legasthenie definiert. Laut ICD – 10 ist das Hauptmerkmal der Lese – und Rechtschreibstörung eine „umschriebene und bedeutsame Beeinträchtigung in der Entwicklung der Lesefertigkeiten, die nicht allein durch das Entwicklungsalter, Visusprobleme oder unangemessene Beschulung erklärbar ist. Das Leseverständnis, die Fähigkeit, gelesene Worte wieder zu erkennen, vorzulesen und Leistungen, für welche Lesefähigkeit nötig ist, können sämtlich betroffen sein. Bei umschriebenen Lesestörungen sind Rechtschreibstörungen häufig und persistieren oft bis in die Adoleszenz, auch wenn einige Fortschritte im Lesen gemacht werden. Umschriebenen Entwicklungsstörungen des Lesens gehen 1 Rutter& Jule 1975 zitiert nach Stein J. , McAnally K. (1997). Scalp potentials evoked by amplitude modulated tones in dyslexia. Journal of Speech, Language, and Hearing Research 40, S.939 2 Reason R., Frederickson N., Heffernan M., Martin C., Woods K. (1999). Report by a working party of the Devision of Educational and Child Psychology of the British Psychological Society. Leicester: British Psychological Society) 8 Entwicklungsstörungen des Sprechens oder der Sprache voraus. Während der Schulzeit sind begleitende Störungen im emotionalen und Verhaltensbereich häufig“3 Differenzieren muss man hier die Alexie (R 48.8), die Dyslexie (R.48.8)und die Leseverzögerung infolge emotionaler Störungen (F 93.-). Im DSM IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) wird unter der Achse I „ Klinische Störungen; andere klinisch relevante Probleme“ die Unterkategorie “Störungen, die gewöhnlich zuerst im Kleinkindalter, in der Kindheit oder Adoleszenz diagnostiziert werden” aufgeführt. Hier wird unter den Lernstörungen die Lesestörung (315.00), sowie die „Störung des schriftlichen Ausdrucks (315.2) definiert. Die Lesestörung wird so definiert, dass Leseleistungen, die „mittels standartisierten Tests erhoben wurden, wesentlich unter den Leistungen liegen, die aufgrund des Alters, der gemessenen Intelligenz und der altersgemäßen Bildung einer Person zu erwarten wären (Kriterium A). Die Lesestörung behindert deutlich die schulischen Leistungen oder die Aktivitäten des täglichen Lebens, bei denen Leseleistungen benötigt werden (Kriterium B). Ist ein sensorisches Defizit vorhanden, so sind die Leseschwierigkeiten größer als diejenigen, die gewöhnlich mit diesem Defizit verbunden sind (Kriterium C)“. Weiters steht im DSM IV, dass „das Lesen bei Personen mit einer Lesestörung (auch als „Dyslexie“ bezeichnet) durch Verdrehungen, Substitutionen und Auslassungen gekennzeichnet ist. Für lautes wie für leises Lesen sind Langsamkeit und Verständnisfehler typisch“.4 Für die „Störungen des schriftlichen Ausdrucks“ gilt die gleiche Definition, wie für die oben angeführten Lesestörungen, nur ist die Definition auf Schreibleistungen bezogen. 3 Dilling et al. International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, 10th Revision, Version for 2007. 4 Saß, Wittchen, Zaudig, 2001. Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM IV;3. Auflage, S.83 – 84 und 87 – 88 9 Das DSM IV versteht unter „Störungen des schriftlichen Ausdrucks“ eine Kombination von Schwierigkeiten beim Verfassen schriftlicher Texte. Diese Schwierigkeiten zeigen sich in Grammatik – oder Interpunktionsfehlern, schlechter Strukturierung der Texte, vielen Rechtschreibfehlern oder einer äußerst unleserlichen Handschrift. 2.2.: Epidemiologie 2.2.1.: Prävalenz Laut ICD-10 sind weltweit ca. 4 – 8 % aller Kinder von Legasthenie betroffen. In Deutschland besteht eine vergleichbare Häufigkeit (Warnke, 2002) , ebenso leiden im englischsprachigen Raum 4 – 8% der Kinder an einer Lese – Rechtschreibschwäche (Lewis et al., 1994). 2.2.2.: Geschlechtsunterschiede: Anhand der bisherigen Forschungsergebnisse geht man davon aus, dass Burschen häufiger betroffen sind als Mädchen. Rutter und Yule (1975) zeigen ein Verhältnis Burschen: Mädchen von 3.3:1 auf, Shaywitz et al (1990) sprechen von einem Verhältnis 1.2 :1 und Lewis (1994) gehen von einem Verhältnis 3.2 : 1 aus. Aktuelle Studien zeigen, dass der Unterschied der Prävalenzen zwischen den Geschlechtern nicht so hoch ist wie bisher angenommen. Als Grund hierfür könnte gelten, dass Jungen häufiger in klinischen Stichproben erfasst wurden. Daher findet 10 sich in unausgelesenen, epidemiologischen Stichproben auch ein fast ausgeglichenes Verhältnis zwischen Jungen und Mädchen. (zitiert nach http://www.kjp.med.uni-muenchen.de/forschung/legasthenie/diagnose.php) 2.3. Diagnose: Zur Diagnose der Lese- Rechtschreibstörung wird heute international das „multiaxionale Diagnoseschema“ (Remschmidt, Schmidt, Poustka 2001) herangezogen: „ Die multiaxiale Diagnostik stellt sicher, dass nicht nur die LeseRechtschreibstörung des Kindes einer fachmännischen Untersuchung zugeführt wird, sondern das gesamte Kind im Zusammenhang mit seinem Lebensumfeld, seinen seelischen und körperlichen Voraussetzungen zum schulischen Lernen, seinen spezifischen Fertigkeiten (Teilleistungsfertigkeiten), seiner Begabung und seinem psychosozialen Lebensumfeld Verständnis findet. Denn Zweck der aufwendigen Diagnostik ist es nicht allein, qualifiziert festzustellen, ob eine Legasthenie vorliegt oder nicht, sondern es sollen mit ihr auch entscheidende Hinweise für die Hilfestellung gewonnen werden.“ 11 Die folgende Abbildung (entnommen aus Kalb 2002, „LRS/Legasthenie – Verbreitete Präventionsmodelle für die Grundschule) zeigt die Inhalte der multiaxialen Diagnostik: Abbildung 1 - Schema der multiaxialen Diagnostik 12 Differentialdiagnose: Um eine Lese- Rechtschreibstörung diagnostizieren zu können müssen folgende Ursachen ausgeschlossen werden können: - Die Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben dürfen nicht aufgrund einer neurologischen Erkrankung ausgelöst worden sein (z.B. Schreibstörungen infolge einer zerebralen Bewegungsstörung, eines zerebralen Anfallleidens oder infolge von Sinnesfunktionsstörungen des Sehens und Hörens). - Der Verlust einer bereits erworbenen Lese- Rechtschreibfertigkeit - Erworbene Lese- und Rechtschreibhemmung infolge einer emotionalen Störung oder anderen psychiatrischen Erkrankung (z.B. LeseRechtschreibschwierigkeiten im Rahmen einer depressiven Erkrankung). - Lese- Rechtschreibschwäche infolge mangelnder Unterrichtung (z.B. Kinder mit vielen Fehlzeiten, Schulwechsel oder Kinder aus dem Ausland) (Warnke 2002) Das multiaxiale Diagnosesystem beinhaltet sowohl alle Definitionskriterien als auch die Ausschlusskriterien der Differentialdiagnose. Es ist ein System, das allen Anforderungen der internationalen Standards gerecht wird, und mit dem man eine Legasthenie sowohl diagnostizieren als auch ausschließen kann. 13 2.4. Ursachen der Legasthenie: Für das Auftreten einer Legasthenie sind verschiedenste Ursachen verantwortlich. Auch nach jahrelanger Forschung kann nicht eindeutig gesagt werden, welche Faktoren die gewichtigste Rolle spielen. Um die möglichen Ursachen in ein theoretisches Modell zu betten, ziehe ich das „interaktive Modell der Entwicklung von Lese- und Rechtschreibstörungen“ (Klicpera 2007) heran. Hier wird angenommen, dass sowohl individuelle Faktoren, wie geringe Lernvoraussetzungen, das individuelle kognitive wie auch emotionale Verhalten, ein schlechter Unterricht, wie auch familiäre Faktoren eine Rolle spielen. Diese Fakoren stehen in ständiger Wechselwirkung zueinander und sind nicht unabhängig. 2.4.1.: Biologische Faktoren Biologische Faktoren haben einen großen Einfluss auf individuelle Lernvoraussetzungen, sie sind ein Teil der individuellen Ausstattung. 2.4.1.1.: Genetische Faktoren Um genetische Ursachen für das Auftreten von Legasthenie zu erforschen, dienten vorwiegend Familien- und Zwillingsstudien: Familienstudien: Schon recht früh wurde das Auftreten von Lese- Rechtschreibschwierigkeiten bei weiteren Familienmitgliedern untersucht und in Familien auch gehäuft festgestellt. Dazu dienten systematische Familienuntersuchungen mit großen, unabhängigen Stichproben (Schulte-Körne 2002). 14 Laut Schulte-Körne (2002) liegt das Wiederholungsrisriko für Geschwister bei 38 – 62%. Bei Jungen beträgt das Risiko etwa 40%, wenn der Vater unter einer LRS leidet, und bei 36% wenn die Mutter LRS hatte. Bei Mädchen ist dieses Risiko etwas geringer und liegt bei 20%, egal welches Elternteil Legastheniker war (Klicpera 2002). Wenn mehr als ein Elternteil an Legasthenie leiden, nimmt das Risiko des Kindes ebenfalls eine LRS zu entwickeln noch deutlich zu (Gilger et al. 1996). Es gab auch einige Versuche, mittels Familienstudien, genauer mit Hilfe einer Linkage – Analyse, die genetischen Loci festzustellen. Bei einer LRS scheint ein Gen auf dem langen Arm des Chromosoms 15 eine Rolle zu spielen (Grigorenko et al 1997, zitiert nach Klicpera 2002). Bei ca. einem Drittel der Lese- Rechtschreibschwierigkeiten dürfte es an der Genese beteiligt sein. Weiters wurde ein Gen auf dem kurzen Arm des Chromosoms 6 entdeckt, dass laut Untersuchungen ebenfalls eine Rolle spielt. Der Genlocus auf Chromosom 6 wurde 1994 von Cardon et al bestätigt. In neueren Studien wurden weitere Genloci identifiziert, die Bedeutung haben könnten. Dazu zählen Loci auf den Chromosomen 1, 2, und 18. Die Ergebnisse erscheinen aber in verschiedenen Stichproben nicht einheitlich, weil es sich um ein heterogenes Störungsbild handelt (Klicpera 2002) Die Art der Vererbung der Lese- Rechtschreibstörung ist noch unklar. Aber es spricht einiges dafür, dass es sich um ein Hauptgen handelt, dass autsomal dominant vererbt wird (Klicpera 2002). Weitere Forschungen in diese Richtung werden aber von Nöten sein. 15 Zwillingsstudien: Das familiär gehäufte Auftreten von LRS bedeutet nicht zwangsläufig, dass es sich tatsächlich um Vererbung handelt. Erst Zwillingsstudien bestätigen Hinweise auf eine Vererbung von LRS eindeutig. Ziel von Zwillingsstudien ist es, den Anteil der genetischen und der nicht- genetischen Varianz an einem Merkmal abzuklären. Dazu werden einiige Zwillinge mit zweieiigen Zwillingen verglichen. Das Maß an Varianz wird als Herabilitätsschätzung angegeben (Schulte-Körne 2002). Die Herabilität für die Lesefähigkeit liegt bei 50%, für die Rechtscheibfähigkeit bei 60% (Schulte-Körne 2002). Olson et al. (1994) untersuchte bei 183 eineiigen Zwillingen und 126 zweieiigen Zwillingen die Fähigkeit zum Wort – Lesen und fand eine Herabilität von 47%. Eine Untersuchung über die phonologische Bewusstheit bei 93 eineiigen Zwillingen und 68 zweieiigen Zwillingen zeigt eine Herabilitätsschätzung von 60%. 2.4.1.2: Neuropsychologische Faktoren Anatomisch-strukturelle Abweichungen des Zentralnervensystems: Galaburda et al (1991) fanden in ihren Untersuchungen eine ungewöhnliche Symmetrie des Planum temporale. Sie untersuchten acht Gehirne von verstorbenen Personen, die ausgeprägte Leseschwierigkeiten aufwiesen. Diese Gehirne wurden vermessen und man fand heraus, dass alle Gehirne eine abnormale Symmetrie des Planum temporale aufwiesen. Normalerweise weisen Rechtshänder eine Assymtetrie zugunsten der linken Hemisphäre auf, diese fehlte bei den untersuchten Personen jedoch. Leonhard et al. (2001) bzw Leonhard (2001) sehen diese Ergebnisse differenzierter. Sie meinen, dass es nur bei solchen Personen zu Symmetrien kommt, die sowohl in ihren sprachlichen Fertigkeiten, als auch im Lesen Schwierigkeiten haben. Bei Leseschwierigkeiten alleine, sind diese Symmetrien 16 nicht nachzuweisen. Weiters sprechen die Autoren von einer Abnahme des Volumens des Planum Temporales auf der linken Hemisphäre, sowie von einer Reduktion des Volumens der ersten und zweiten Querwindung des Heschl`schen Gyrus und des Vorderlappen des Kleinhirns der linken Hemisphäre bei Kindern mit einer allgemeinen Sprachentwicklungsstörung. Eine weitere Rolle bei LRS spielt die Morphologie des Corpus Callosum. Hynd et al (1995) fanden eine geringere Ausbildung des vorderen Teils des Corpus Callosum zwischen den beiden Hemisphären. Galaburda (1991) fand in Untersuchungen eine Häufung von ektopischen Nervenzellen. Das bedeutet, dass sich Nervenzellen an Stellen befinden, an denen eigentlich keine sein sollten. Besonders kamen diese ektopischen Nervenzellen in den Sprachregionen in Kombination mit einer Desorganisation der umgebenden Hirnrinde vor. Des weiteren gibt es Hinweise auf Veränderungen der zentralnervösen Informationsverarbeitung. Mittels Durchblutungs- und Stoffwechseluntersuchungen wurden Hinweise auf Abweichungen in der Sprachverarbeitung untersucht und versucht, diese Abweichungen bestimmten Gehirnarealen zuzuordnen. Petersen et al (1989,1990) führten Durchblutungsmessungen mittels PET durch und fanden heraus, dass die Fähigkeit, die visuelle Form der Buchstabenreihe in eine abstrakte orthographische Form umzuwandeln und zu speichern, wodurch dann eine Verbindung zur phonologischen und zur semantischen Repräsentation des Wortes herzustellen ist, im linken medialen prästriaten Okzipitallappen lokalisiert ist. Man nimmt an, dass diese Region für die Verbindung zwischen visuellen Reizen und dem Sprachsystem verantwortlich ist. 17 2.4.2.: Störungen in der visuellen Informationsverarbeitung Schwierigkeiten bei der visuellen Informationsverarbeitung wurden als Ursache für LRS schon sehr früh diskutiert. Da Personen mit einer Leseschwäche in Subskalen verschiedener Intelligenztests, in denen es um visuelle Informationsverarbeitung ging oder auch bei einzelnen visuellen Tasks, schlecht abschnitten, ging man davon aus, dass eine Beeinträchtigung der Gestaltwahrnehmung eine Ursache sein könnte (Hermann 1959, zitiert nach Beaton 2004). Boder (1971,1973) unterscheiden zwischen „dyseidetic“ und „dysphonetic dyslexics“. „Dyseidetics“ hätten vor allem Defizite in der Raumwahrnehmung. Heute wird von einem multiplen Defizit in der Informationsverarbeitung ausgegangen. In Bezug auf die visuellen Wahrnehmungsdefizite werden folgende Defizite in der Forschung näher betrachtet: - Blickbewegungen: Eine mögliche Ursache für die Schwierigkeiten beim Lesen könnte eine schlechte Steuerung der Blickbewegungen bei Legasthenikern sein. Pavlidis (1981) berichtet von abnormalen Blickbewegungen von Personen mit Legasthenie bei visuellen Aufgaben. Allerdings scheint es hier widersprüchliche Ergebnisse in der Forschung zu geben. Legastheniker scheinen sich von guten Lesern in den Blickbewegungen zu unterscheiden, schlechte Leser aber nicht (Martos et al 1990). Eden et al (1994) kamen bei non-reading Task Aufgaben zum selben Ergebnis. De Luca et al (1999) untersuchten die Unterschiede in der Fixationsstabilität und in den Blickbewegungen beim Lesen von Wörtern und beim Erkennen des Erscheinens von Lichtpunkten bei Personen mit einer Leseschwäche und bei einer Kontrollgruppe. Es konnten in beiden Bedingungen keine Gruppenunterschiede nachgewiesen werden. Allerdings zeigte sich bei den Leseschwachen eine signifikant höhere Anzahl von Sakkaden, wobei die Amplitude der Sakkaden deutlich geringer ausgeprägt war. Außerdem zeigten die Leseschwachen signifikant längere Fixationszeiten. 18 Abnormale Blickbewegung äußern sich in kürzeren Sakkaden, die aber mit erhöhter Anzahl auftreten, häufigeren Regressionen, verlängerten Fixationen, häufigeren unwillkürlichen Blicksprüngen und Defizite in der Stabilität von Fixationen. - laterale Maskierung: Geiger et al (1999) (zitiert nach Klicpera 2007) sprechen von einer zu geringen lateralen Maskierung im peripheren Gesichtsfeld und einer zu starken lateralen Maskierung im zentralen Gesichtsfeld bei Legasthenikern. Die laterale Maskierung zeigt sich demnach als aktiver Prozess, der durch Übung der visuell gesteuerten Bewegungen gelernt werde. Legastheniker scheinen diese visuellen Strategien nicht erlernt zu haben. - Defizite im magnozellulärem System: In aktuelleren Studien wird besonders Augenmerk auf Defizite des magnozellulären Systems geworfen. Das magnozelluläre System ist für die Verarbeitung schneller, kontrastarmer, bewegter Reize verantwortlich. Es hat seinen Ursprung in den retinalen Ganglienzellen und projiziert in den Corpus geniculatum laterale weiter bis in den primären visuellen Kortex. Der magnozelluläre Teil des primären visuellen Kortex projiziert über die Area V5 überwiegend in den parietalen Kortex, wobei den temporalen Kortex sowohl parvo- als auch magnozelluläre Bahnen erreichen. (Merigan, Maunsell 1993). Das parvozelluläre System hat eine hohe Orts- und Farbauflösung und verarbeitet langsame, stationäre Reize. Es arbeitet mit dem magnozellulären System eng zusammen. Wenn der Leser über die Zeilen liest, verhalten sich die Buchstaben, als wären sie in Bewegung. Gibt es nun Defizite bei der Verarbeitung von beweglichen, schnellen Reizen, das heißt, die Buchstaben werden schneller aufgenommen, als sie verarbeitet werden können, so kommt es zu Überlappungen und einem Durcheinander der Buchstaben. Das Verarbeiten in der richtigen Reihenfolge ist nicht mehr möglich. 19 Die Studien über Defizite des magnozellulären Systems haben unterschiedliche Ergebnisse vorgebracht. Viele Resultate, die ein Defizit vermuten ließen, konnten nicht repliziert werden. Allerdings deuten einige aktuelle Befunde darauf hin, dass die Bewegungswahrnehmung bei Personen mit LRS gestört ist. In einer Studie mussten die Versuchspersonen die Geschwindigkeit von zwei sich schnell bewegenden Reizen vergleichen. Die Gruppe, zu der Personen mit LRS zählten, schnitt signifikant schlechter ab als die Kontrollen (Eden et al 1995b). Demb et al (1998b) untersuchten diese Hypothese, die Defizite in der Bewegungswahrnehmung annimmt ebenfalls. In einer fMRI Studie gab er einer Gruppe von Legasthenikern und einer Kontrollgruppe verschiedene Punkte vor. Es zeigte sich, dass die Aktivierung der Area V1, sowie die Aktivierung in einigen extrakranialen Arealen in der Gruppe der Legastheniker signifikant niedriger war, wenn die Punkte sehr kontrastarm erschienen, oder wenn die Personen mit LRS beurteilen mussten, welcher von zwei Punkten sich schneller bewegt. Diese signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen gab es bei der Vorgabe von hellen, kontrastreichen Punkten nicht. Das magnozelluläre System spielt auch in der akustischen, sowie in der taktilen Wahrnehmung eine Rolle. Stein und Walsh (1997) gehen von einem Defizit des magnozellulären System in allen drei Bereichen aus. 2.4.3.: Störungen in der akustischen Wahrnehmung: - Schwächen in der phonologischen Bewusstheit: Unter phonologischer Bewusstheit versteht man die Fähigkeit Wörter, Reime und Silben in der gesprochenen Sprache zu erkennen und mit Phonemen umzugehen (Warnke et al. 2002). Kinder müssen sich hierzu vom Bedeutungsinhalt der Sprache lösen und begreifen, dass Sätze aus Wörtern, Wörter aus Silben und Silben aus Lauten aufgebaut, dass manche Wörter länger und andere kürzer sind. Es geht darum zu erfassen, was der erste Laut 20 eines Wortes ist, wie es endet, und dass manche Wörter sich reimen. Man unterscheidet zwei wesentliche Aspekte: Zur phonologischen Bewusstheit im weiteren Sinn gehören die Fähigkeiten, Wörter in Silben zu zerlegen und Silben zu einem Wort zusammenzufügen. Phonologische Bewusstheit im engeren Sinn dagegen bezeichnet die Fähigkeiten, Anlaute zu erkennen, aus Lauten ein Wort zu bilden oder ein Wort in seine Laute zu zerlegen (zitiert nach http://de.wikipedia.org/wiki/Phonologische_Bewusstheit). In zahlreichen Studien wurde der Zusammenhang zwischen phonologischer Bewusstheit und dem Schriftspracherwerb untersucht und bestätigt. Allerdings gibt es Uneinigkeit darüber, welcher Aspekt der phonologischen Bewusstheit nun der ausschlaggebende ist. Oft werden lautanalytische Verfahren durchgeführt, welche aber für Vorschulkinder oft noch zu schwierig sind (Schulte-Körne 2002). Goswami et al (1990, 2002) führten Studien durch, die sich auf die Kenntnisse von Wortanfängen und Wortresten bezogen. Die Ergebnisse zeigten, dass Kinder mit LRS signifikant schlechter abschnitten als die Kontrollgruppe. Auch das Reimerkennen stellt einen guter Prädiktor für die phonologische Bewusstheit dar (Bradley et al 1983). Schwächen in der phonologischen Bewusstheit sind relativ stabil und es handelt sich hierbei nicht um eine verzögerte Entwicklung. Selbst bei Erwachsenen mit einer Lesestörung konnte ein Defizit der phonologischen Bewusstheit festgestellt werden (Schulte-Körne 2002). Allerdings kann man durch Förderung der phonologischen Bewusstheit im Vorschulalter die spätere Leseleistung verbessern und auch bei leseschwachen Kindern kommt es durch Förderung der phonologischen Bewusstheit zu besseren Leseleistungen. Da die phonologische Bewusstheit mit Sicherheit einen Einfluss auf das spätere Wortlesen hat, stellt es sich als notwendig heraus, mit der Förderung so früh wie 21 möglich zu beginnen. Dies gilt mit Sicherheit als sinnvolle Vorbeugung einer LRS. - Basale auditive Wahrnehmungsstörungen - Die zeitliche Verarbeitungshypothese: Eine wichtige Fähigkeit in der Entwicklung des Lesens und Rechtschreibens ist es, Sprachreize diskriminieren zu können (Schulte-Körne 2001). Tallal (1980) geht davon aus, dass leseschwache Personen Schwierigkeiten haben, schnelle, aufeinanderfolgende Reize zu diskriminieren, wobei es sich hier auch um nichtsprachliche akustische Reize und Reizfolgen handeln kann. In einer Studie von Nagarajan et al (1999) mussten die Probanden Folgen von zwei unterschiedlichen 20 ms langen Sinustönen (800 Hz = A, 1200 Hz = B) unterscheiden. Der Abstand dieser aufeinanderfolgenden Töne betrug 100, 200 oder 500 ms und wurde variiert. Mittels Verhaltensdaten, sowie auch neurophysiologischen Korrelaten wurde untersucht, ob sich Leseschwache und Kontrollen unterscheiden. Bei den kürzeren Tonabständen (100 und 200 ms) schnitten die Personen mit einer Leseschwäche signifikant schlechter ab als die Kontrollgruppe. Auch die neurophysiologischen Daten, die mittels MEG erhoben wurden, zeigten Unterschiede in den Gruppen. Es ergab sich eine geringere Aktivität corticaler Areale bei den Leseschwachen bei den ersten beiden Tönen, wenn der Abstand weniger als 500 ms betrug. Bei leseschwachen Personen wurden Unterschiede zu einer Kontrollgruppe in vielen Studien nachgewiesen. Anders verhält es sich bei Personen mit einer Rechtschreibschwäche, hier zeigen bisherige Studien recht unterschiedliche Ergebnisse. Tallal et al (1980) verglich eine Gruppe von Kindern mit einer diagnostizierten Rechtschreibschwäche mit jüngeren Kindern, die eine normale Rechtschreibung aufwiesen. In einem ersten Teil wurden den Kindern zwei Töne mit unterschiedlichem Interstimulusintervall (8 – 420 ms) vorgegeben. Die Aufgabe der Kinder war es, die Reizfolge mittels dem Drücken zweier Knöpfe nachzumachen. Im zweiten Teil 22 bekamen die Kinder die gleichen Stimuli noch einmal vorgegeben. Jedoch war es nun ihre Aufgabe anzugeben, ob es sich um gleiche oder unterschiedliche Stimuli gehandelt hatte. Dies geschah mittels eines einzelnen Tastendrucks. In beiden Teilen schnitten die Personen mit einer Rechtschreibschwäche schlechter ab als die Kontrollgruppe, allerdings nur in den Bedingungen mit kurzem Interstimulusintervall (unter 350ms). Andere Ergebnisse aus Studien von Tallal waren nicht so eindeutig. Auch Snowling (2001) deutet an, dass nicht alle Personen mit einer LRS Probleme mit auditiven Tests haben. Eine Ursache für diese uneindeutigen Ergebnisse könnten die vielen Untergruppen sein, die es in Bezug auf LeseRechtschreibschwäche gibt. - Störungen der Sprachwahrnehmung: Laut Schulte-Körne (2001) zählen hier Probleme in der kategoriellen Sprachwahrnehmung, bei der Lautidentifikation, der Lautdiskrimination und der Sprachproduktion dazu. Unter Defizite in der kategoriellen Sprachwahrnehmung versteht er das Phänomen, dass die Wahrnehmung von synthetisch konstruierten Lauten nicht kontinuierlich ist. Die Laute wurden zu einem Lautkontinuum zusammengefasst, welches sich hinsichtlich Frequenz und Richtung der Transition des zweiten Formanten in kleinen und großen Abständen unterschied. Die Testpersonen hörten ab einem gewissen Zeitpunkt ga`s statt da`s und waren nicht in der Lage die da`s aus dem Kontinuum herauszufiltern. Sehr wohl jedoch die da`s von den ga`s. Den größten Teil der Studien, die Störungen in der Sprachwahrnehmung untersuchen, machen Studien über Defizite in der Wahrnehmung von Stoppkonsonanten bei Personen mit LRS aus. Für die Unterscheidung von Stoppkonsonanten, wie zum Beispiel „da“, „ga“, „ba“ oder „pa“ ist es notwendig Formantenwechsel zu erkennen. Diese Formantenwechsel gehen sehr schnell, nämlich zwischen 10 und 20 ms von statten. Eng damit verbunden ist die Wahrnehmung der voice onset time, die ebenfalls eine 23 rasche Verarbeitung voraussetzt. Unter voice onset time versteht man die Zeit zwischen dem Einsetzen von Energie zur Produktion des Konsonanten und dem Stimmeinsatz (Schulte-Körne 2002). Laut Beaton (2004) wird bei einem Ton mit einer voice onset time mit 0 ms ein „ba“ wahrgenommen, bei einer voice onset time von 40 ms ein „pa“. Bei einer voice onset time, die zwischen diesem Bereich liegt, kann subjektiv entweder ein „ba“ oder „pa“ wahrgenommen werden und nicht ein Mittelding zwischen „ba“ und „pa“. Dies wird kategorielle Wahrnehmung genannt. Werker und Tees (1987) führten eine Studie an 28 Kindern durch, von denen 14 eine Leseschwäche aufwiesen und 14 der normallesenden Kontrollgruppe angehörten. Die Kinder wurden hinsichtlich ihrer Fähigkeiten in der kategoriellen Wahrnehmung verglichen. Werker und Tees fanden heraus, dass die Sprachwahrnehmung bei den leseschwachen Kindern weniger kategoriell war als in der Kontrollgruppe. Leseschwache scheinen Laute weniger abzugrenzen. Godfrey et al (1981) untersuchten 17 dyslektische Kinder und 17 Kontrollen und fanden heraus, dass beide Gruppen kategorische Sprachwahrnehmung aufwiesen. Jedoch zeigten die Legastheniker mehr Inkonsistenzen bezüglich ihrer Klassifikation von Stimuli und wechselten öfter zwischen den Lautkategorien hin- und her. Goswami et al (2002) führten eine Studie an 24 Kindern mit LRS, 49 gesunden Kindern und 28 jüngeren Kindern durch, die außerdem für eine Längsschnittstudie verwendet wurden. Die Testpersonen bekamen unter anderem sinusförmige, amplitudenmodulierte Töne vorgegeben, die sich in ihrer Anstiegszeit (15 - 300 ms) zu Beginn unterschieden. Durch eine kurze Anstiegszeit (< 120 ms) ergaben sich sinusförmige Sounds mit einem Beat, durch längere Anstiegszeiten (> 250 ms) ein kontinuierlicher, sinusförmiger Sound. Kinder mit einer LRS zeigten signifikante Defizite in der Wahrnehmung der Beats im Gegensatz zu den gesunden Kindern, und zu den jüngeren Lesern. Dennoch gibt es in diesem Bereich auch wieder Studien, die diese vermuteten Defizite nicht bestätigen. Brandt und Rosen (1980, zitiert nach Beaton 2002) fanden in Bezug auf die Identifikation und Diskriminierung der 24 VOT zwischen Personen mit LRS und Personen ohne LRS keine signifikanten Unterschiede. 25 3. Interventionen Vor allen therapeutischen Interventionen ist es zunächst einmal wichtig, dass die Eltern die Schwäche ihres Kindes verstehen. Deshalb ist eine umfangreiche Aufklärung der Eltern eine erste, unverzichtbare Maßnahme. Den Eltern muss erklärt werden, was die Diagnose „Legasthenie“ bedeutet, wie man damit umgeht und welche Hilfen angeboten werden und woher sie diese Unterstützung bekommen. Die Therapie eines Kindes mit Legasthenie umfasst einige Bereiche. Natürlich geht es vor allem um eine funktionelle Behandlung des Lesens und des Rechtschreibens. Wichtig ist aber auch die Unterstützung des Kindes bei der psychischen Bewältigung der Lese- und Rechtschreibstörung. Weiters sollen auch eventuelle Begleitstörungen, wie mögliche Störungen des Sehens und Hörens behandelt werden (Warnke et al 2002). Bei der Behandlung des Lesens und Rechtschreibens ist es gut, so früh wie möglich zu beginnen. Meist geschehen erste Interventionen bereits in der ersten oder zweiten Volksschulklasse. Einzeltherapie ist einer Gruppentherapie auf jeden Fall vorzuziehen, da so ganz individuell auf die Schwächen des Kindes eingegangen werden kann. Des weiteren erweist es sich als positiv, wenn die Therapieeinheiten mindestens einmal in der Woche stattfinden, wobei tägliche Übungseinheiten, die mit den Eltern durchgeführt werden von Nöten sind. Die Behandlung der LRS dauert je nach Ausprägung der Schwäche meist zwischen ein und zwei Jahren (Warnke et al 2002), wobei auch nach dieser Zeit kontinuierliche Übungen unerlässlich sind. Die Lernprogramme, die zur Behandlung der Lese- und Rechtschreibschwäche dienen, umfassen meist Schulungen im Umgang mit 26 den lautlichen Eigenschaften der Schriftsprache und den visuell-lautlichen Merkmalen, wie der Verknüpfung von Phonemen mit den visuellgraphischen Merkmalen der Lautzeichen, den Buchstaben und Worten. Beispiele für Leseprogramme die häufig Verwendung finden, sind zum Beispiel der „Kieler Leseaufbau“ (Dummer-Smoch, Hackethal 1994), die „psycholinguistische Lese- Rechtschreibförderung“ (Grissemann 1998) oder das Programm „flüssig lesen lernen“ (Tacke 1999a, b). Rechtschreibprogramme sind der „Kieler Rechtschreibaufbau“ (DummerSmoch, Hackethal 1996) oder die „lautgetreue Rechtschreibförderung“ (Reuter-Liehr 1992). In letzter Zeit stehen jedoch computergestützte Programme immer mehr im Vordergrund. (Warnke et al 2002) Um Erfolge in der Therapie der Lese- und Rechtschreibschwäche zu erzielen, muss aber auch die psychischen Belastungen, die eine solche Schwäche mit sich bringt behandelt werden. Wichtig ist hier, das Selbstbewusstsein des Kindes zu stärken, damit die Motivation aufrecht bleibt und das Kind Lernerfolge auch registriert. Kinder müssen Lehrer und Mitschüler nicht als Menschen vor denen man sich schämen muss, sondern als helfende Partner anerkennen. Gute Lern- und Rahmenbedingungen erleichtern dem Kind mit der Legasthenie umzugehen und erhöhen die Motivation, Lernprogramme konsequent durchzuführen. Der Erwerb von Entspannungs- und Lerntechniken empfiehlt sich ebenfalls, um besser mit der Schwäche umgehen zu können. Des weiteren ist es auch wichtig, mögliche psychische Begleitstörungen wie Angststörungen, depressive Störungen oder Aufmerksamkeitsstörungen in Betracht zu ziehen und wenn nötig zu behandeln. Dasselbe gilt für mögliche Augen- oder Ohrerkrankungen. 27 4. Prävention: In der Prävention der Lese- Rechtschreibstörung spielt besonders die Früherkennung eine große Rolle. Als guter Prädiktor für spätere Schwächen im Lesen und Schreiben hat sich die phonologische Bewusstheit (siehe Kapitel 3.3) herausgestellt. Längsschnittstudien haben gezeigt, dass Vorschulkinder, die Aufgaben zur phonologischen Bewusstheit gut lösen, mit großer Wahrscheinlichkeit ohne Schwierigkeiten nach der Einschulung Lesen und Rechtschreiben erlernen, wobei Kinder die bei diesen Aufgaben Schwierigkeiten haben, auch beim Erlernen des Lesens und Rechtschreibens Probleme bekommen könnten (Warnke et al 2002). In diesen Längsschnittstudien kam unter anderem das Bielefelder Screening (BISC, Jansen et al. 1999) zur Anwendung. In diesem Verfahren werden neben der phonologischen Bewusstheit auch bestimmte Gedächtnisfunktionen und Fertigkeiten der visuellen Aufmerksamkeit gemessen. Das BISC ermöglicht die Früherkennung ab dem letzten Kindergartenjahr. Eine Vorhersage mit dem Screening Verfahren ließ sich bis in das neunte Schuljahr hinein nachweisen. Mit dem BISC lassen sich demnach Risikokinder im Vorschulalter identifizieren, sodass frühzeitig entsprechende Fördermaßnahmen gesetzt werden können. Eines dieser frühen Fördermaßnahmen ist zum Beispiel das Würzburger Trainingsprogramm der phonologischen Bewusstheit (Küspert, Schneider 2000). Dieses besteht aus sechs Übungseinheiten, die Vorschulkinder gezielt auf das Lesen und Schreibenlernen in der Schule vorbereiten sollen. Diese Übungseinheiten sind sehr spielerisch gestaltet und bestehen aus Lauschspielen, Reimspielen, Sätzen und Wörtern, Silbensynthesen und – analysen, Anlautidentifikationen und Problemsynthesen und – analysen. Über 20 Wochen hinweg werden jeden Tag für ca. 10 – 15 min. gezielte Übungen durchgeführt. In Längsschnittstudien wurde gezeigt, dass die 28 Gruppe von Vorschulkindern, die an diesem Programm teilnahmen, deutlich bessere Leistungen im Lesen und Schreiben in der Grundschule aufwies als eine Vergleichsgruppe. Es ließ sich gleichzeitig nachweisen, dass besonders auch Risikokinder mit sprachlichen Defiziten im Bereich der phonologischen Bewusstheit von dem Training profitierten (Warnke et al 2000). Ziel der künftigen Präventionsforschung wird sein, Methoden, zu finden, die eine noch frühere Früherkennung ermöglichen, nämlich Methoden die eventuell schon im Kleinkindalter oder noch früher mögliche Risiken identifizieren können und so ein sehr frühes Setzen von Gegenmaßnahmen ermöglichen. Da biologische Faktoren eine wichtige Rolle in der Entwicklung einer Lese – Rechtschreibschwäche zu spielen scheinen, erforscht man derzeit Möglichkeiten, schon im Mutterleib mit der Prävention zu beginnen. 29 5. Das auditive System: Wird ein Ton abgegeben, beginnt die Luft zu schwingen, das heißt die Luftmoleküle werden abwechselnd komprimiert und dekomprimiert. Die Luftschwingungen, oder auch Schallwellen, breiten sich von der Quelle mit einer Geschwindigkeit von etwa 340 m/s wellenförmig aus. Wenn Schallwellen mit einer Frequenz zwischen 20 und 60 000 Hz (Hertz) in einer gewissen Mindestdruckstärke auf unser Ohr treffen, erregen sie Sensoren im Innenohr und lösen so im Gehirn eine Schallempfindung aus (Birbaumer, Schmidt 2003). Eine einzige Sinusschwingung einer bestimmten Frequenz wird als Ton wahrgenommen. Enthält das Schallereignis mehrere Frequenzen, so spricht man von einem Klang. Wenn so gut wie alle hörbaren Frequenzbereiche in einem Schallereignis vorkommen, wird ein Geräusch wahrgenommen.(Birbaumer, Schmidt 2003). Eine Schallwelle weist besondere Merkmale auf. Von Bedeutung sind hier die Amplitude und die Frequenz. Unter der Amplitude versteht man die Differenz zwischen Maximal- und Minimaldruck. Je größer die Amplitude, umso lauter ist das Schallereignis. Unter der Frequenz versteht man die Zahl der Schwingungsperioden pro Sekunde, wobei 1 Hz einer Periode pro Sekunde entspricht. Die Frequenz definiert die Tonhöhe und wird in Hertz gemessen. Je höher die Frequenz, desto höher ist der Ton (Schandry 2006). 30 5.1. Das Ohr und die Hörbahn: Abbildung 2 - der Bau des Ohres Die Schallwellen erreichen über den äußeren Gehörgang das Trommelfell. Über die Gehörknöchelchenkette, die aus Hammer (Maleus), Amboss (Incus) und Steigbügel (Stapes) besteht, werden die Wellen auf das flüssigkeitgefüllte Innenohr übertragen. Das Innenohr besteht aus dem Gleichgewichtsorgan und dem Hörorgan im engeren Sinne, der Cochlea. Die Cochlea ist in drei Kanäle unterteilt, die Scala vestibuli, Scala media und Scala Tympani. Die Grenze zwischen der Scala media und der Scala tympani bildet die Basilarmembran, welche für die Transduktion von akustischen Ereignissen in Nervensignale verantwortlich ist. Auf dieser Basilarmembran sitzt das Corti – Organ, welches die Hörsensorzellen, die sogenannten Haarzellen, enthält. 31 Abbildung 3 – das Innenohr Der Schall wird also von der Scala vestibuli in die Scala tympani des Corti – Organs weitergetragen, wobei die dazwischenliegende Scala media mitschwingt. Von der Scala media breiten sich abhängig von der Schallfrequenz Wanderwellen aus. Aufgrund bestimmter Eigenschaften der Cochlea und der Basilarmembran bilden sich, abhängig von der Frequenz, bestimmte Schwingungsmaxima, sowie Schwingungsminima aus. Bei hohen Frequenzen bilden sich die Schwingungsmaxima in der Nähe des Steigbügels aus, bei tiefen Frequenzen eher in der Nähe des Helicotremas. Jede Frequenz wird also einem bestimmten Ort im Corti – Organ zugeordnet (Ortsprinzip). 32 Bereits im Innenohr vereinigen sich die primären Hörnervenfasern mit den primären Nervenfasern des Gleichgewichtsorgans und bilden den Nervus statoacusticus aus. Dieser Nerv tritt in die die Meduall Oblongata ein und endet im Nucleus cochlearis. Vom vorderen Teil des Nucleus cochlearis zieht eine Bahn in den gleichseitigen bzw. gegenüberliegenden Olivenkomplex, dessen Neurone ihre Axone zu den lateralen Schleifenkernen senden. Über die Colliculi inferiores ziehen sie weiter zum corpus geniculatum mediale, wobei der Weg ventral zum primären auditiven Kortex und dorsal zu den sekundären Regionen führt. Im primären auditorischen Kortex funktioniert die Frequenzselektivität ebenfalls durch Ortsslektivität, wobei hier die Heschl – Querwindung eine bedeutende Rolle spielt. Die Analyse der Tonhöhe erfolgt relativ spät im auditiven Kortex, nämlich zwischen 70 bis 100 ms nach der Reizdarbietung. Deshalb lassen sich um 100 ms nach Reizdarbietungen die stärksten akustisch evozierten Hirnpotentiale im EEG ablesen (N100). (Birbaumer, Schmidt 2003) 5.2. Verarbeitung akustischer Information im Gehirn: Akustische Reize werden zunächst auf subkortikalem Niveau verarbeitet. Diese Verarbeitung beinhaltet Analysen hinsichtlich Tonhöhe, - intensität und – dauer, sowie der Richtung der Schallquelle. Die Tonhöhe wird wie oben erwähnt, durch den Ort maximaler Erregung festgelegt. Die Dauer eines Schallereignisses hängt von der Aktivierungsdauer der jeweiligen Faser ab. Dagegen wird die Intensität durch die Entladungsrate der Fasern festgelegt. (Schandry 2006) Für die Analyse der Richtung aus der die Schallquelle stammt, ist binaurales Hören notwendig. Ein Ohr ist naturgemäß von der Schallquelle weiter entfernt als das andere. Auf das abgewendete Ohr, treffen die Schallwellen etwas verspätet auf. Außerdem wird der Schall auf diesem Ohr weniger laut 33 wahrgenommen. Aufgrund dieser beiden Prozesse kann erkannt werden, aus welcher Richtung der Schall kommt. (Silbernagel, Despopoulos 2001) 6. Die Sprachwahrnehmung: In der Sprachwahrnehmung sind vier Basiselemente von großer Bedeutung. Das Phonem ist das kleinste Element der gesprochenen Sprache. Phoneme kann man als Sprachklänge bezeichnen, die der Mensch in der Lage ist zu produzieren. Sie haben keinen Bedeutungsgehalt. Morpheme sind oft eine kurze Sequenz von Phonemen und entsprechen in der geschriebenen Sprache den Silben. Sie haben oft schon eine Bedeutung. Wenn man die Morpheme zusammensetzt, entstehen Wörter, die die eigentlichen Bedeutungsträger darstellen. Wendet man die Regeln der Syntax an, kann man aus Wörtern Sätze bilden. Wenn man aus Sätzen Aussagen mit einer gewissen Bedeutung gewinnen kann, so ist das die semantische Ebene des Satzes. Die Analyse der Sprache im Gehirn geht nicht so hierarchisch voran, wie man hier annehmen könnte, sondern passiert nahezu gleichzeitig. Bereits bei der Phonemidentifikation werden erste Modelle für das syntaktische und semantische Umfeld entwickelt, in welches diese Phoneme eingebettet sein könnten (Schandry 2006) Paul Broca nahm bereits 1861 an, dass sprachliche Leistungen ihren Ursprung in der linken Großhirnhemisphäre haben. Nach einigen Studien an verstorbenen Patienten, die zu Lebzeiten nicht mehr sprechen konnten, fand er heraus, dass sich die Läsionen immer im linken Frontallappen befanden. Heute versteht man unter diesem Gebiet das Broca – Areal (Brodmann Area 44, 45), welches sich im posterioren Bereich des Gyrus frontalis inferior befindet. Broca ging zumindest bei Rechtshändern von einer 34 Hemisphärendominanz zugunsten der linken Hemisphäre aus, wonach auch in der linken Hemisphäre der Ort der Sprache und der höheren Kognitionen sei. Nur wenige Jahre später beobachtete Karl Wernicke, dass bei Patienten, die zu Lebzeiten Schwierigkeiten hatten, gesprochene - ,wie auch geschriebene Sprache zu verstehen, Läsionen im linken posterioren Schläfenlappen aufwiesen. Dieser Bereich ist heute unter dem Wernicke – Zentrum bekannt. Dieses Zentrum grenzt an die Heschl – Querwindung und schließt das Planum temporale mit ein. Hinzuweisen ist hier auf die räumliche Nähe des sekundären auditiven Kortex. Anzumerken ist, dass es sich sowohl in den Studien bei Broca, als auch bei Wernicke um Patienten mit erworbenen Sprachstörungen handelte (Schandry 2006) Anhand von bildgebenden Verfahren (z.B. PET) ist es möglich, Aktivitäten im Gehirn zu lokalisieren. Während der Sprachproduktion und Verarbeitung schwieriger Texte zeigt sich eine erhöhte Aktivität im Broca Areal sowie in benachbarten Gebieten. Ähnliche Aktivitäten zeigten sich bei der Identifizierung von Ähnlichkeiten oder Differenzen sinnloser Silben. Bei Diskriminationsaufgaben von gesprochenen Worten innerhalb einer längern Passage stellte man erhöhte Aktivitäten im posterioren Teil des Gyrus temporalis superior fest. Bei komplexeren Aufgaben zeigte sich allerdings vor allem eine Aktivierung benachbarter Regionen des Wernicke - Areals. Später ging man von einer Verbindung zwischen dem Broca – und dem Wernicke Areal aus. Nach dem Wernicke – Geschwind Modell (Geschwind, Galaburda 1987) wird das gehörte Wort im auditiven Kortex analysiert. Nach dieser Analyse wird die Information an das Wernicke – Zentrum weitergeleitet, wo eine Analyse des Bedeutungsgehalts stattfindet. Das Broca Areal ermöglicht das Nachsprechen des Wortes. Die Information gelangt über den Fasciculus arcuatus zum Broca Areal. Von dort werden 35 über motorische Areale entsprechende Impulse an die Sprechmuskulatur gesandt, wodurch die Sprachproduktion von statten gehen kann. Ein weiterer Ansatz des Wernicke – Gschwind Modells ist die Analyse des Lesevorgangs. Der gelesene Input wird im visuellen Kortex analysiert und gibt die Information an den Gyrus angularis weiter. Wenn die Information in das Broca – Areal gelangt, wird die Sprachproduktion initiiert. Abbildung 4 – die Sprachzentren In der aktuellen Forschung wird angenommen, dass außer den oben beschriebenen Arealen noch weitere Gehirnregionen eine Rolle beim Sprachverständnis und bei der Sprachproduktion spielen. 36 6.1. Grundzüge der Sprachwahrnehmung bei Personen mit LRS: Eine wichtige Rolle für den Schriftspracherwerb spielt die richtige Sprachwahrnehmung. Die Sprache enthält viele schnelle Wechsel von akustischer Energie, wie der Frequenz oder den Amplituden. Um Sprache richtig zu verstehen und zu verarbeiten, ist es notwendig diese schnellen Wechsel zu erkennen und damit umgehen zu können. (Hautgast und Steeneken (1995), zitiert nach McAnally und Stein 1997) fanden heraus, dass die Verständlichkeit der Sprache von der Aufrechterhaltung dieser schnellen Wechsel abhängt. Ändern sich die zeitlichen Komponenten, wie die Amplitudenwechsel, durch die Verwendung eines Filters, so ist die Sprachverständlichkeit eindeutig reduziert (Shannon et al 1995). Viele frühere und auch aktueller Studien weisen darauf hin, dass Personen mit einer Lese – Rechtschreibschwäche Schwierigkeiten mit der Verarbeitung von schnell wechselnden akustischen Reizen haben (sieh Kapitel 3.3.). So wurde festgestellt, dass viele Dyslektiker Probleme haben, bestimmte Buchstaben oder Silben zu unterscheiden. Ursache dafür könnte sein, dass Personen mit LRS die schnellen Frequenzwechsel, die zwischen den Buchstaben stattfinden und dazu führen, dass ein anderer Buchstabe daraus wird, nicht genug differenziert wahrgenommen werden (Geiblinger 2005). Eine Methode, um die Sensitivität von Personen mit LRS für schnelle Amplitudenwechsel zu erheben, ist die sogenannte AMFR (amplitude modulation frequency response). 37 6.2. Die AMFR (amplitude modulation frequency response): In der audiologischen Diagnostik ist die AMFR eine gute Methode zur Hörschwellenbestimmung. Die Potentiale der AMFR sind stationäre Potentiale, was bedeutet, dass sie während der gesamten Reizdarbietungszeit an der Schädeloberfläche ableitbar sind und der zeitlichen Struktur des dargebotenen Reizes folgen (Pethe et al 2002) Die AMFR wird durch die Darbietung eines sinusförmigen, amplitudenmodulierten, auditiven Reizes ausgelöst. Als Reizantwort ist im EEG dann ebenfalls eine Sinuswelle sichtbar, deren Frequenz exakt der Modulationsfrequenz entspricht. Die stabilsten und ausgeprägtesten Potentiale ergaben sich laut Pethe et al (2002) bei einer Modulationsfrequenz um die 40 Hz. McAnally und Stein (1997) untersuchten 15 Legastheniker und 15 NichtLegastheniker hinsichtlich ihrer Sensitivität für schnelle Amplitudenwechsel. Den Versuchspersonen wurde ein zu hundert Prozent modulierter 400 Hz Trägerton in den Frequenzen 20, 40, 60 oder 80 Hz vorgegeben, welcher eine AMFR induzieren sollte. Die Vorgabe erfolgte mittels Kopfhörer über das rechte Ohr. Das Ergebnis zeigte, dass die Ausprägung der AMFR bei Personen mit LRS signifikant kleiner war als bei Personen ohne LRS. Ebenso wies die Modulationsfrequenz ein hoch sígnifikantes Ergebnis auf. Keine signifikanten Ergebnisse ergaben sich bei der Wechselwirkung Gruppe – Modulationsfrequenz, Phase und Latenz. In einer Folgestudie (Menell et al. 1999) wurden 20 Legasthenikern und 20 Nicht – Legasthenikern 100 Prozent moduliertes weißes Rauschen in den Frequenzen 10, 20, 40, 80 und 160 Hz vorgegeben. Die Vorgabe erfolgte seriell wieder über das rechte Ohr. Auch in dieser Untersuchung zeigte sich 38 eine signifikant kleinere Amplitude der AMFR bei Personen mit LRS. Der Effekt der Modulationsfrequenz war ebenfalls signifikant. Die Wechselwirkung Gruppe-Modulationsfrequenz ergab, wie schon in der Studie von 1997, kein signifikantes Ergebnis. Die Autoren stellten außerdem fest, dass die Amplitude der AMFR mit höherer Amplitudenmodulation immer kleiner wurde, was bedeutet, dass die Sensibilität für die Amplitudenmodulation abnahm. Allerdings war dies bei beiden Gruppen zu beobachten, auch wenn dieses Phänomen bei der Gruppe der Legastheniker stärker ausgeprägt war. Die hier recht eindeutigen Ergebnisse konnten aber nicht in allen Folgestudien repliziert werden: Färber (2005) gab ihren Versuchspersonen 80 % amplitudenmoduliertes rosa Rauschen vor. Im rosa Rauschen sind im Gegensatz zum weißen Rauschen nicht alle Frequenzen vertreten, sodass es für den Menschen angenehmer zu hören ist. Dieses rosa Rauschen wurde in den Frequenzen 4, 8, 10, 20, 40 und 80 Hz vorgegeben. Die Items wurden als kurze Stimuli vorgegeben, welche von unmoduliertem rosa Rauschen umgeben waren. Die Vorgabe erfolgte über Kopfhörer und über beide Ohren. Färber konnte in ihrer Studie keine signifikanten Unterschiede in der Ausprägung der AMFR zwischen Legasthenikern und Nicht – Legasthenikern finden. 39 Abbildung 5 – Darstellung einer AMFR und eines Frequenzspektrums bei 80 Hz 40 EMPIRISCHER TEIL 41 7. Fragestellung: Im Rahmen einer empirischen Studie wurde nun die Frage des Einflusses akustischer Wahrnehmungsdefizite genauer untersucht. Sprache besteht aus vielen verschiedenen, komplexen Einzelkomponenten. Um Sprache zu verstehen, muss man in der Lage sein, diese Komponenten, wie Frequenz, Amplituden, Pausen und schnelle Wechsel richtig wahrzunehmen und zu verstehen. In der vorliegenden Studie wurden zwei davon genauer untersucht: - Legastheniker haben Schwierigkeiten, schnelle Amplitudenwechsel richtig wahrzunehmen. Die Amplitude Modulation Following Response (AMFR) ist eine Möglichkeit, die Sensitivität für schnelle Amplitudenwechsel zu messen. - Die Zeit zwischen der Berührung der Lippen bis zum Schwingen der Stimmbänder und somit dem Einsetzen des Tones wird voice onset time (VOT) genannt. Das richtige Erkennen von unterschiedlichen VOT, sowie von unterschiedlichen Rampenanstiegen („rise time“) bei akustischen Stimuli ist wichtig für die Unterscheidung zwischen sogenannten StoppKonsonanten. Um die Sensitivität für unterschiedliche „rise times“ zu messen, wurden ereigniskorrelierte Potentiale (EKP) 100 ms nach Einsetzen des Stimulus (N100) gemessen. 42 Folgende Fragestellungen wurden untersucht: - Unterscheiden sich die EKP von Legastheniker und Nicht- Legastheniker in ihrer Ausprägung? - Unterscheiden sich die EKP von Legasthenikern in Bezug auf die drei Anstiege? - Gibt es Unterschiede in der Ausprägung der AMFR zwischen Legasthenikern und Nicht – Legasthenikern? - Unterscheidet sich die Amplitude der AMFR der Legastheniker in den unterschiedlichen Frequenzen? 8.Versuchspersonen: An der vorliegenden Studie nahmen 22 männliche Personen im Alter zwischen 19 und 31 Jahren teil. Nach vorangegangener Vortestung und festgestellter Eignung nahmen alle 22 Versuchspersonen an der EEG Ableitung teil. Durch technische Probleme während der EEG Aufzeichnung wurden dann allerdings nur die Daten von 20 Personen zur Auswertung herangezogen. Anhand der Ergebnisse der Vortestung ließen sich acht der 20 Versuchspersonen der Versuchsgruppe, die den Legasthenikern entsprach, und zwölf Personen der Kontrollgruppe zuordnen. Nach Durchsicht der Daten mussten weitere zwei Personen aufgrund zu vieler Artefakte aus der weiteren Datenanalyse ausgeschlossen werden, sodass sich zum Schluss ein Datensatz von insgesamt 18 Personen ergab. Acht Personen gehörten der Versuchgruppe und zehn Personen der Kontrollgruppe an. 43 9. Methode: 9.1: Die Vortestung Um die Versuchspersonen auf ihre Eignung zu prüfen und um sie dann eindeutig der Kontroll- oder Versuchsgruppe zuordnen zu können, mussten vor Beginn der EEG Studie einige Testungen durchgeführt werden. Um an der Studie teilzunehmen, mussten folgende Voraussetzungen gegeben sein: - Geschlecht: aufgrund der unterschiedlichen anatomischen Voraussetzungen und aufgrund des häufigeren Auftretens von Legasthenie bei Männern, wurden in dieser Studie nur männliche Versuchspersonen zugelassen. - Um alle Versuchspersonen vergleichen zu können, durften ausschließlich Rechtshänder an der Studie teilnehmen. - Alter: Für eine ausreichende Homogenität der Stichprobe, wurde der Alterbereich der teilnehmenden Personen auf 18 – 32 Jahre eingeschränkt. - Muttersprache: Da bei der Vortestung auch eine kurze Leseprobe durchgeführt und ebenso der Rechtschreibungstest von Jäger auf Deutsch vorgegeben wurde, war die deutsche Muttersprache aller Versuchspersonen Voraussetzung. - Intelligenzquotient: Um von einer Lese – Rechtschreibschwäche ausgehen zu können, muss laut ICD - 10 ein zumindest durchschnittlicher Intelligenzquotient gegeben sein. Um diesen zu erheben, wurde eine Computer Version des APM (Advanced Progressive Matrices) vorgegeben. - Rechtschreibleistung: Erst wenn die getestete Rechtschreibleistung unter einem 15 % Niveau (Klicpera 2007) liegt, kann von einer Legasthenie 44 ausgegangen werden. Zur Erhebung wurde in diesem Fall der RT (Rechtschreibungstest) von Jäger verwendet. - Leseleistung: Um eine einzelne Rechtschreibschwäche ausschließen zu können, wurde den Versuchspersonen eine kurze Leseprobe (Die Perlentaucher) vorgeben. Diese wurde in Bezug auf Lesegeschwindigkeit, Lesefehlern und späteres Erinnern an Details subjektiv ausgewertet. - Bei der Versuchsgruppe: Frühere Diagnose einer Legasthenie oder der Besuch eines Legasthenie Förderkurses 9.1.1.: Anamnesefragebogen: Einen wichtigen Teil dieser Voruntersuchung machte ein Anamnesefragebogen aus. Dieser enthielt neben einigen Fragen zu demographischen Daten vor allem Fragen zur schulischen Laufbahn, Schwierigkeiten beim Lernen und etwaigen früheren Interventionen im Rahmen einer Legasthenie. Außerdem wurde hiermit erhoben, ob eine Legasthenie diagnostiziert wurde und von wem, oder ob ein Legasthenie Förderkurs besucht wurde. Bei allen Personen, die später der Versuchsgruppe zugeordnet wurden, bestand die Diagnose Legasthenie, oder sie hatten einen Kurs besucht (siehe Anhang). 9.1.2.: Händigkeitsinventar Vor der weiteren Testung wurde am Computer das Edinburgh Händigkeitsinventar (Oldfield 1971) vorgegeben. Hiermit sollte sichergestellt werden, dass es sich bei den Versuchspersonen um Rechtshänder handelt. 45 9.1.3.: APM (Advanced Progressive Matrices; Raven et al. 1998) Hierbei handelt es sich um einen sprachfreien Intelligenztest zur Untersuchung von (über-) durchschnittlicher Intelligenz. In dieser Studie wurde die Computerversion des APM im Umfang von 36 Items vorgegeben. Außerdem wurde eine Power Version vorgegeben, das heißt, dass sich die Versuchspersonen soviel Zeit für ein Item nehmen konnten, wie sie brauchten. Um an dieser Studie teilnehmen zu können, mussten alle Versuchspersonen einen Intelligenzquotienten von über 70 aufweisen, da eine Legasthenie u.a. nur dann diagnostiziert werden kann, wenn ein IQ über 70 vorliegt (Warnke et al, 2002) und somit eine Intelligenzminderung ausgeschlossen werden kann. 9.1.4.: RT (Rechtschreibungstest; Jäger 1968) Mit dem Rechtschreibungstest von Jäger kann die Rechtschreibleistung junger Erwachsener erhoben werden. Den Versuchspersonen wird ein zusammenhängender Text, in dem eine Reihe von Wörtern ausgelassen ist, vorgelegt. Der vollständige Text wird dann vom Testleiter vorgelesen und die Testpersonen haben die Aufgabe, die Lücken im Text zu füllen. In diesem Fall wurde das Diktat „Moselfahrt“ verwendet. Versuchspersonen, die bei diesem Test einen Prozentrang von unter 15 erreichten, wurden der Versuchsgruppe, Personen, die einen Prozentrang über 50 erreichten, der Kontrollgruppe zugeordnet (s. Anhang). 46 9.1.5: Leseprobe Um eine separate Rechtschreibschwäche ausschließen zu können, wurde die Leseleistung der Versuchspersonen getestet. Zu diesem Zweck wurde ein Text vorgelegt, den die Versuchspersonen laut vorlesen mussten. Danach wurden Fragen vorgegeben, die die Versuchspersonen richtig beantworten mussten, so wurde sicher gestellt, dass der Text auch verstanden wurde. Der vorgegebene Text trug den Namen „Die Nächte der jungen Papageientaucher“ und stammt aus dem Modul 5 Leseförderung aus dem Landesinstitut für Schule. Die Auswertung erfolgte subjektiv, erhoben wurde die Lesegeschwindigkeit und die Fehler während des Lesens, des weiteren wurde anhand der anschließenden Fragen überprüft, ob der Text auch verstanden wurde (s. Anhang) 9.2.: Das EEG (Elektroenzephalogramm) Das EEG zeichnet hirnelektrische Vorgänge an der Schädeloberfläche auf. Wenn sich große Neuronenverbände in ihren Potentialveränderungen synchron verhalten, entstehen starke Gesamtpotentiale, die an der Schädeldecke messbar sind. Das EEG zeichnet im Gegensatz zu bildgebenden Verfahren zeitliche Aspekte dieser Potentialveränderungen auf. Zur Analyse von EEG Daten dienen Frequenz und Amplitude. Die hirnelektrische Aktivität kann sich sowohl als Spontanaktivität, als auch als evozierte Aktivität zeigen. Die Spontanaktivität ist immer vorhanden. In charakteristischen, verschiedenen Frequenzbändern ist diese ununterbrochen an der Schädeloberfläche ableitbar. Evozierte Aktivität gibt es dann, wenn die elektrische Aktivität von äußeren oder inneren Ereignissen ausgelöst wird. Diese, an Ereignisse gebundenen Potentiale, nennt man ereigniskorrelierte Potentiale. Die EEG Registrierung geschieht mittels mehreren Elektroden, die an der Kopfhaut angebracht werden. Durch eine Mittelungstechnik werden die ereigniskorrelierten Potentiale 47 von der Spontanaktivität getrennt und können dann analysiert werden (Schandry 2006). Für eine genauere Beschreibung des EEG und der Datenerhebung im Brain Research Lab siehe z.B. Lamm (1996). 9.3.: Versuchsablauf: Die Stichprobe bestand aus 22 männlichen Personen zwischen 19 und 31 Jahren. Acht Personen gehörten der Versuchsgruppe an, welche sich aus Personen mit Legasthenie zusammensetzte, und zwölf Personen der Kontrollgruppe, welche Personen ohne einer Lese – Rechtschreibschwäche enthielt. Vor der eigentlichen EEG Ableitung fand eine umfangreiche Vortestung mit den oben beschriebenen Verfahren statt. In der Regel füllten die Versuchspersonen zuerst den Anamnesefragebogen aus, machten dann das Händigkeitsinventar und den APM am Computer und wagten sich zum Schluss an den Rechtschreibtest und die Leseprobe. Die Dauer der Vortestungen war sehr unterschiedlich, da der APM in einer Powerversion vorgegeben wurde und auch beim Lesen Unterschiede in der Schnelligkeit auftraten. Grundsätzlich betrug die Dauer aber zwischen 45 und 90 Minuten. Diese Vortests dienten zur Selektion von Versuchspersonen und zur richtigen Aufteilung der Personen in die jeweilige Gruppe. Außerdem mussten die Versuchspersonen eine Einverständniserklärung ausfüllen. Nachdem die Person als geeignet eingestuft wurde, wurden die Elektroden appliziert. Dies erfolgte über eine „Easy Cap“ Elektrodenhaube, welche 64 Silber – Silberchlorid Ringelektroden enthielt (Setting siehe Abbildung 6). Um den Widerstand zwischen Kopfhaut und Elektrode so gering wie möglich zu halten wurde die Kopfhaut mit einer sterilen 48 Einwegnadel angeritzt (skin scratching) und leitendes, evakuiertes Elektrodengel in die Sockel der Elektrodenhaube gefüllt. Nach der Applikation folgte eine erste Widerstandsmessung, hier sollten die Widerstände unter 3 kOhm liegen. Wenn alle Elektroden den richtigen Widerstand aufwiesen, wurde die Versuchsperson in den schalldichten Ableitraum geführt und die Elektroden wurden an der Elektrodenbuchse angesteckt. Um Augen – und Herzschlagartefakte später eliminieren zu können, wurden schon vor der eigentlichen EEG Ableitung Herztöne und Augenbewegungen aufgezeichnet. Diese wurden dann auch simultan zur EEG Ableitung aufgezeichnet und später herausgerechnet. Die Aufzeichnung der Augenbewegungen erfolgte über zwei Elektroden, die über und unter dem linken Auge, sowie außen an den beiden Canthi angebracht waren. Jeweils eine Elektrode am sternalen Ende der rechten Clavicula, sowie am siebenten Halswirbel dienten als Referenzelektroden. Als Masse wurde eine weitere Elektrode an der Stirn angebracht. Nach einer neuerlichen Kontrolle der Widerstände fand dann die eigentliche Ableitung statt, welche mittels eines Gleichspannungsverstärkers (NeuroPaxMr) durchgeführt wurde. Die abgeleiteten DC -Potentiale (direct current) wurden mit einem Lowpassfilter bei 95Hz gefiltert und mittels dem Registrierprogramm „lab record 3“ aufgezeichnet. Die Aufzeichnung erfolgte mit einer Samplerate von 1 kHz (1000 Datenpunkte pro Sekunde), was eine gute Darstellung der neuronalen Reaktion sicherte. Die Darbietung der Items erfolgte in drei Blöcken, zu jeweils 30 min. Nach der EEG Ableitung wurden die Elektroden entfernt und die Versuchsperson verabschiedet. 49 Abbildung 6 - Elektrodensetting 9.4.: Itemmaterial Den Versuchspersonen wurde während der EEG Ableitung weißes Rauschen vorgespielt. Das Rauschen wurde mit der Funktion "noise" des Programms "wfct" generiert und ist ein gleichverteiltes Rauschen, erzeugt mit einem Zufallsgenerator. Weißes Rauschen bedeutet, dass das Signal alle Frequenzen beinhaltet. Jedes Item wurde einzeln, in einer Lautstärke von 75 dB SPL vorgegeben. Zwischen den einzelnen Items lag das Interstimulusintervall (ISI), welches je nach Itemlänge unterschiedlich lang war. Während dem ISI wurde kein Rauschen vorgegeben. Die letzten 500ms dieses ISI wurden als Baseline verwendet. Die Versuchspersonen hörten die Items über zwei Lautsprecher (Logitech X210), welche links und rechts in Ohrhöhe angebracht waren. Diese Lautsprecher befanden sich in 1m Entfernung, sowohl zum linken als auch zum rechten Ohr. Während der Itemdarbietung befand sich am Bildschirm (Samsung Sync Master 900 SL) ein Fadenkreuz, auf welches sich die Versuchspersonen konzentrieren sollten. Das Fadenkreuz sollte sowohl zu viele 50 Links und Rechts bewegungen, als auch zu viele Augenbewegungen der Testpersonen verhindern. Da die Fixierung auf das Fadenkreuz aber sehr rasch zu einer Ermüdung führte, wurde den Versuchspersonen erlaubt, einen frei gewählten Punkt im Raum zu fixieren. Der Beginn des Signals unterschied sich durch drei verschieden schnelle Anstiege bis zur maximalen Lautstärke. Diese Anstiege wurden in 15ms, 65ms und 300ms vorgegeben. Nach diesem Anstieg folgte für 1000ms ein Plateau. Nach diesem Plateau folgte die Amplitudenmodulation, welche in den Frequenzen 10 Hz, 20 Hz und 40 Hz vorgegeben wurde und welche eine Modulationstiefe von 100 Prozent aufwies. Somit ergaben sich neun unterschiedliche Items, die in randomisierter Form dargeboten wurden. Die Items wurden in drei Blöcken zu je 300 Wiederholungen vorgegeben. Zwischen den Blöcken gab es eine Pause von ungefähr fünf Minuten , so dass sich eine Gesamtlänge der EEG Ableitung von ca. 100 Minuten ergab. 9.5.: Auswertung Nachdem die Datenaufnahme abgeschlossen war, wurden die Daten Artefakt kodiert. Artefakte, die durch Bewegung, Lidschläge und technische Schwierigkeiten entstanden waren, konnten dadurch eliminiert werden. Die Daten wurden dann in Bezug auf die drei unterschiedlichen Rampenbedingungen, sowie auf die drei verschiedenen Frequenzen der AM gemittelt, sodass am Schluss neun gemittelte Bedingungen zu weiteren Berechnungen zu Verfügung standen. Diese Daten wurden für jede Versuchsperson einzeln einer Maßzahlengewinnung unterzogen. Dieses Programm berechnet die Mittelwerte über die miteinbezogenen Datenpunkte. Bei einer Dauer von 12 ms und einer Samplerate von 1 kHz wurden zwölf Datenpunkte gemittelt. Nach der Maßzahlengewinnung waren die Daten für die statistische Weiterverarbeitung aufbereitet. Für die Berechnung der EKP wurde das General Linear Model für wiederholte Messzeitpunkte im Statistikprogramm 51 SPSS 15.0 gerechnet. Damit konnte berechnet werden, ob es Unterschiede zwischen den Gruppen in der Ausprägung der EKP gibt und ob es Unterschiede zwischen den Bedingungen in den einzelnen Gruppen gibt. Außerdem wurde auch eine Berechnung der einzelnen Bedingungen mittels T- Test für unabhängige Stichproben durchgeführt. Für die Berechnung der AMFR wurde eine Fast Fourier Transformation5 (FFT) mittels MATLAB 7.5.0 (R2007b) durchgeführt, woraus Powerspektren und nach weiterer Berechnung Amplitudenspektren resultieren. Die AMFR wurde als Differenz zwischen der Baseline und dem amplitudenmoduliertem Stimulus berechnet. Zur Berechnung der Gruppenunterschiede diente wieder das General linear Model für wiederholte Messzeitpunkte. Für die Berechnung der einzelnen Frequenzen wurde wieder der T – Test für unabhängige Stichproben verwendet. 10. Ergebnisse: 10.1: Anamnesefragebogen Beim Ausfüllen des Anamnesefragebogens gaben alle Versuchspersonen, die später der Versuchsgruppe zugeordnet wurden, an, einen Legastheniekurs besucht zu haben, oder durch eine Lehrerin oder Psychologin als Legastheniker diagnostiziert worden zu sein. Außerdem wurde durch die Angabe des Alters 5 Fast Fourier Transformation: Die Fourier Analyse führt zu Leistungsspektren des EEG. Angenommen wird, dass man jede EEG Kurve in viele Sinuskurven unterschiedlicher Frequenzen zerlegen kann. Die Fourier Analyse berechnet die Frequenzanteile, die in einer bestimmten Zeit vorkommen. Als Ergebnis bekommt man die Verteilung der quadrierten EEG Amplituden für einen best. Frequenzausschnitt. Die schnelle Fourier Transformation (FFT) beinhaltet einen Logarithmus zur schnelleren und unkomplizierteren Berechnung desselben (Birmbaumer, Schmidt, 2003) 52 sichergestellt, dass sich alle Versuchspersonen in der gesuchten Altersgruppe befanden. 10.2: Händigkeit Durch das Händigkeitsinventar konnte die Rechtshändigkeit aller Versuchspersonen festgestellt werden. 10.3: Alter Der Altersbereich der gesamten Stichprobe umfasste 19 bis 31 Jahre. Die Streubreite war in der Versuchsgruppe etwas größer, als in der Kontrollgruppe (Tab.1). Der Unterschied bezüglich des Alters in den Gruppen ist nicht signifikant, was auf eine gute Parallelisierung der beiden Gruppen schließen lässt (Tab.2). 53 Report Lebensalter Gruppenzugehörigkeit KG Mean 24,70 N 10 Std. Deviation 2,541 Minimum 19 Maximum 29 VG 26,13 8 3,643 19 31 Total 25,33 18 3,068 19 31 Tabelle 1 Ranks lebensalter gruppenzugehörigkeit KG N 10 Mean Rank 7,95 Sum of Ranks 79,50 VG 8 11,44 91,50 Total 18 Test Statistics(b) Mann-Whitney U lebensalter 24,500 Wilcoxon W 79,500 Z -1,411 Asymp. Sig. (2-tailed) ,158 Exact Sig. [2*(1-tailed Sig.)] ,173(a) a Not corrected for ties. b Grouping Variable: gruppenzugehörigkeit Tabelle 2 10.4.: Rechtschreibtest (RT) Ein Kriterium, um eine Legasthenie diagnostizieren zu können, ist eine signifikant schlechtere Leistung im Rechtschreiben im Vergleich zu einer Kontrollgruppe. Laut Klicpera (2002) muss diese Leistung unter einem 15 % Niveau liegen. Erhoben wurde die Rechtschreibleistung in dieser Studie mit dem Rechtschreibtest von Jäger (1968). Sieben Personen der Versuchsgruppe erreichten einen Prozentrang zwischen 11 und 15. Eine Person erreichte einen Prozentrang von 20 (Tab.3). Aufgrund der Tatsache, dass die 54 Rechtschreibschwäche mit höherem Alter eventuell durch viel Förderung kompensiert worden sein könnte und bei der Testperson eine Legasthenie durch einen klinischen Psychologen diagnostiziert wurde, wurde diese Person nicht aus der Studie ausgeschlossen. Die Kontrollgruppe musste einen Prozentrang von über 50 erreichen, was dem Durchschnitt entspricht. Alle Versuchspersonen der Kontrollgruppe erfüllten dieses Kriterium. Das Ergebnis zeigt, dass die Versuchsgruppe im Rechtschreibtest signifikant schlechtere Leistungen erbrachte, als die Kontrollgruppe (Tab.4). Report rechtschreibtest gruppenzugehörigkeit KG Mean 85,70 N 10 Std. Deviation 6,255 Minimum 76 Maximum 93 VG 15,38 8 3,378 11 20 Total 54,44 18 36,309 11 93 Tabelle3 Ranks rechtschreibtest Gruppenzugehörigkeit KG N 10 Mean Rank 13,50 Sum of Ranks 135,00 VG 8 4,50 36,00 Total 18 Test Statistics(b) Mann-Whitney U rechtschrei btest ,000 Wilcoxon W 36,000 Z -3,560 Asymp. Sig. (2-tailed) ,000 Exact Sig. [2*(1-tailed Sig.)] ,000(a) a Not corrected for ties. b Grouping Variable: gruppenzugehörigkeit Tabelle 4 55 10.5.: APM Der APM diente zur Feststellung des Intelligenzquotienten, der, um eine Legasthenie diagnostizieren zu können, mindestens durchschnittlich sein muss. Laut Warnke et al (2002) muss der IQ über 70 liegen. In der vorliegenden Studie erreichten alle Versuchspersonen dieses Kriterium (Tab.5). Der Unterschied bezüglich des Intelligenzquotienten war zwischen den beiden Gruppen nicht signifikant, was wiederum auf eine gute Parallelisierung der beiden Gruppen hindeutet (Tab.6). Report intelligenztest gruppenzugehörigkeit KG Mean 107,0000 N 10 Std. Deviation 12,73665 Minimum 80,00 Maximum 120,00 VG 107,3750 8 6,02228 100,00 118,00 Total 107,1667 18 10,04256 80,00 120,00 Tabelle 5 Ranks intelligenztest Gruppenzugehörigkeit KG N 10 Mean Rank 10,40 Sum of Ranks 104,00 VG 8 8,38 67,00 Total 18 Test Statistics(b) Mann-Whitney U Intelligenztest 31,000 Wilcoxon W 67,000 Z -,816 Asymp. Sig. (2-tailed) ,415 Exact Sig. [2*(1-tailed Sig.)] ,460(a) a Not corrected for ties. b Grouping Variable: gruppenzugehörigkeit Tabelle 6 56 10.6. Leseprobe Die Leseprobe wurde subjektiv hinsichtlich Leseflüssigkeit und Leseverständnis geprüft. Hinsichtlich der Leseflüssigkeit konnten Defizite bei den Legasthenikern festgestellt werden. Diese zeigten sich zum Beispiel durch Lesefehler, Wortwiederholungen und einer langsameren Lesegeschwindigkeit. Außerdem verfolgten viele Legastheniker die Zeile während des Lesens mit dem Finger. Zur Überprüfung des Leseverständnisses dienten Fragen, die die Testpersonen beantworten mussten (siehe Anhang). Hier fiel kein Unterschied zwischen den Gruppen auf. 10.7. EKP bei unterschiedlichen Rampenanstiegen: Die akustisch evozierten Potentiale, konnten bei allen Versuchspersonen ermittelt werden. In dieser Studie wurde nur auf die N100 bezug genommen. Besonderes Augenmerk wurde auf die Elektroden gerichtet, die in der Region des primären und sekundären auditiven Kortex (Brodman Area 22, 41, 42) angebracht waren. Es zeigte sich ein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen in der Ausprägung des EKP an der Elektrode 52 bei einem Anstieg von 15 ms (df =16, t= 2.130, p= 0.049). Hier zeigte die Versuchsgruppe eine signifikant geringere Ausprägung der EKP als die Kontrollgruppe (Tab.10 und Abb.8). In den Bedingungen 65ms und 300ms zeigte sich an der Elektrode 52 kein signifikanter Unterschied, ebenso, wenn man über alle Bedingungen rechnet ( df =1, F= 0.141, p=0.712). (Tab.8, Tab.9 und Abb.7) An den anderen Elektroden zeigten sich in keiner Bedingung signifikante Ergebnisse. Tendenziell waren jedoch die EKP der Versuchsgruppe bei einem Anstieg von 15 ms kleiner als die der Kontrollgruppe, und bei den beiden anderen Bedingungen größer. Die EKP der Versuchsgruppe wurden also mit längerem Anstieg immer ausgeprägter, wogegen, die EKP der Kontrollgruppe immer 57 kleiner wurden. Als Beispiele sind die ERP an der Elektrode 46 (Tab. 11 – 13, bzw. Abb.9) und 36 (Tab.14 – 16, bzw. Abb.10) dargestellt. Mauchly's Test of Sphericity(b) Measure: MEASURE_1 Epsilon(a) Approx. GreenhouseLowerHuynhMauchly's ChiWithin Subjects Geisser bound Feldt Sig. df Square W Effect Bed ,500 ,800 ,704 ,017 2 8,184 ,580 Tests the null hypothesis that the error covariance matrix of the orthonormalized transformed dependent variables is proportional to an identity matrix. a May be used to adjust the degrees of freedom for the averaged tests of significance. Corrected tests are displayed in the Tests of Within-Subjects Effects table. b Design: Intercept+VgKg Within Subjects Design: bed Tabelle 7 Tests of Within-Subjects Effects Measure: MEASURE_1 Source Bed bed * VgKg Error(bed) Sphericity Assumed Type III Sum of Squares ,848 df 2 Mean Square ,424 F ,215 Sig. ,808 Greenhouse-Geisser ,848 1,408 ,602 ,215 ,730 Huynh-Feldt ,848 1,600 ,530 ,215 ,759 Lower-bound ,848 1,000 ,848 ,215 ,649 Sphericity Assumed 5,428 2 2,714 1,378 ,267 Greenhouse-Geisser 5,428 1,408 3,855 1,378 ,265 Huynh-Feldt 5,428 1,600 3,393 1,378 ,266 Lower-bound 5,428 1,000 5,428 1,378 ,258 Sphericity Assumed 63,038 32 1,970 Greenhouse-Geisser 63,038 22,527 2,798 Huynh-Feldt 63,038 25,596 2,463 Lower-bound 63,038 16,000 3,940 Tabelle 8 Tests of Between-Subjects Effects Measure: MEASURE_1 Transformed Variable: Average Source Intercept Type III Sum of Squares 9,698 Df 1 Mean Square 9,698 F 4,436 Sig. ,051 VgKg ,309 1 ,309 ,141 ,712 Error 34,982 16 2,186 Tabelle 9 58 Estimated Marginal Means of MEASURE_1 VgKg Kontrollgruppe Versuchsgruppe Estimated Marginal Means 0,25 0 -0,25 -0,5 -0,75 1 2 3 bed Abbildung 7 Independent Samples Test Levene's Test for Equality of Variances Equal variances assumed Equal variances not assumed Tabelle 10 E52. Rampe 1 t-test for Equality of Means Mean Differenc e Std. Error Differenc e 95% Confidence Interval of the Difference F Sig. t Df Sig. (2tailed) Lower Uppe r Lowe r Upper Lower Upper Lower Uppe r Lowe r 3,450 ,082 2,130 16 ,049 1,051 ,494 ,005 2,098 2,003 10,50 3 ,072 1,051 ,525 -,110 2,213 59 E52.Rampe1 1 0 -1 -2 -3 Kontrollgruppe Versuchsgruppe VgKg Abbildung 8 60 Mauchly's Test of Sphericity(b) Measure: MEASURE_1 Epsilon(a) Approx. GreenhouseLowerHuynhMauchly's ChiWithin Subjects Geisser bound Feldt Sig. df Square W Effect bedingung ,500 1,000 ,946 ,641 2 ,888 ,942 Tests the null hypothesis that the error covariance matrix of the orthonormalized transformed dependent variables is proportional to an identity matrix. a May be used to adjust the degrees of freedom for the averaged tests of significance. Corrected tests are displayed in the Tests of Within-Subjects Effects table. b Design: Intercept+VgKg Within Subjects Design: bedingung Tabelle 11 Tests of Within-Subjects Effects Measure: MEASURE_1 Source bedingung bedingung * VgKg Error(bedingung) Sphericity Assumed Type III Sum of Squares 1,510 Df 2 Mean Square ,755 F ,354 Sig. ,705 Greenhouse-Geisser 1,510 1,891 ,798 ,354 ,693 Huynh-Feldt 1,510 2,000 ,755 ,354 ,705 Lower-bound 1,510 1,000 1,510 ,354 ,560 Sphericity Assumed 6,394 2 3,197 1,498 ,239 Greenhouse-Geisser 6,394 1,891 3,381 1,498 ,240 Huynh-Feldt 6,394 2,000 3,197 1,498 ,239 Lower-bound 6,394 1,000 6,394 1,498 ,239 Sphericity Assumed 68,314 32 2,135 Greenhouse-Geisser 68,314 30,260 2,258 Huynh-Feldt 68,314 32,000 2,135 Lower-bound 68,314 16,000 4,270 Tabelle 12 Tests of Between-Subjects Effects Measure: MEASURE_1 Transformed Variable: Average Source Intercept Type III Sum of Squares 14,890 df 1 Mean Square 14,890 F 3,447 Sig. ,082 VgKg ,277 1 ,277 ,064 ,803 Error 69,122 16 4,320 Tabelle 13 61 Estimated Marginal Means of MEASURE_1 VgKg 0 Kontrollgruppe Versuchsgruppe Estimated Marginal Means -0,25 -0,5 -0,75 -1 -1,25 1 2 3 bedingung Abbildung 9 62 Mauchly's Test of Sphericity(b) Measure: MEASURE_1 Within Subjects Effect Mauchly's W Approx. ChiSquare df Epsilon(a) Sig. Lower- GreenhouseLower- Greenhouse- HuynhGreenhouse- HuynhGeisser bound Feldt bound Geisser Feldt Geisser bedingung ,500 1,000 ,988 ,914 2 ,181 ,988 Tests the null hypothesis that the error covariance matrix of the orthonormalized transformed dependent variables is proportional to an identity matrix. a May be used to adjust the degrees of freedom for the averaged tests of significance. Corrected tests are displayed in the Tests of Within-Subjects Effects table. b Design: Intercept+VgKg Within Subjects Design: bedingung Tabelle 14 Tests of Within-Subjects Effects Measure: MEASURE_1 Source bedingung Sphericity Assumed GreenhouseGeisser Huynh-Feldt Lower-bound bedingung * VgKg Sphericity Assumed GreenhouseGeisser Huynh-Feldt Lower-bound Error (bedingung) Sphericity Assumed GreenhouseGeisser Huynh-Feldt Lower-bound Type III Sum of Squares ,290 df 2 Mean Square ,145 F ,226 Sig. ,799 ,290 1,976 ,147 ,226 ,796 ,290 2,000 ,145 ,226 ,799 ,290 1,000 ,290 ,226 ,641 4,025 2 2,012 3,139 ,057 4,025 1,976 2,037 3,139 ,058 4,025 2,000 2,012 3,139 ,057 4,025 1,000 4,025 3,139 ,095 20,516 32 ,641 20,516 31,622 ,649 20,516 32,000 ,641 20,516 16,000 1,282 Tabelle 15 Tests of Between-Subjects Effects Measure: MEASURE_1 Transformed Variable: Average Source Intercept Type III Sum of Squares 5,120 df 1 Mean Square 5,120 F 5,489 Sig. ,032 VgKg ,213 1 ,213 ,228 ,639 Error 14,923 16 ,933 Tabelle 16 63 Estimated Marginal Means of MEASURE_1 VgKg 0,2 Estimated Marginal Means Kontrollgruppe Versuchsgruppe 0 -0,2 -0,4 -0,6 -0,8 1 2 3 bedingung Abbildung 10 10.8. AMFR: Die AMFR konnte bei allen Testpersonen ermittelt werden. Die Berechnung wurde mittels MATLAB durchgeführt. Durch die Subtraktion AMFR minus Baseline resultierten Powerspektren, die in Amplitudenspektren umgerechnet wurden. Die Werte der Amplitudenspektren wurden dann mittels SPSS verrechnet. Zur Berechnung der Gruppen – bzw. Frequenzvergleiche diente das General Linear Model. Die Ergebnisse zeigten keine signifikanten Unterschiede zwischen der Versuchs – und der Kontrollgruppe über alle 64 Bedingungen (df =1, F= 0.386, p= 0.543). Ebenso unterscheiden sich die Bedingungen nicht signifikant voneinander (df =2 , F= 1.553, p= 0.228) (Tab.1719 und Abb.11). Bei der Berechnung der einzelnen Bedingungen zeigte sich ein signifikanter Unterschied in der ersten Bedingung, der Frequenz von 10 Hz. Hier ist die AMFR der Versuchsgruppe signifikant kleiner, als die der Kontrollgruppe (df =16, t=2.384 , p=0.030) In den beiden anderen Bedingungen gibt es keine signifikanten Ergebnisse (Tab.20 – 22; Abb.12) General Linear Model Mauchly's Test of Sphericity(b) Measure: MEASURE_1 Epsilon(a) Approx. GreenhouseLowerHuynhMauchly's ChiWithin Subjects Geisser bound Feldt Sig. df Square W Effect Hertz ,500 1,000 ,944 ,635 2 ,910 ,941 Tests the null hypothesis that the error covariance matrix of the orthonormalized transformed dependent variables is proportional to an identity matrix. a May be used to adjust the degrees of freedom for the averaged tests of significance. Corrected tests are displayed in the Tests of Within-Subjects Effects table. b Design: Intercept+Gruppe Within Subjects Design: hertz Tabelle 17 Tests of Within-Subjects Effects Measure: MEASURE_1 Source Hertz Hertz * Gruppe Error(hertz) Sphericity Assumed Type III Sum of Squares 2,302 df 2 Mean Square 1,151 F 1,553 Sig. ,227 Greenhouse-Geisser 2,302 1,889 1,219 1,553 ,228 Huynh-Feldt 2,302 2,000 1,151 1,553 ,227 Lower-bound 2,302 1,000 2,302 1,553 ,231 2,289 2 1,145 1,544 ,229 Greenhouse-Geisser 2,289 1,889 1,212 1,544 ,230 Huynh-Feldt 2,289 2,000 1,145 1,544 ,229 Lower-bound 2,289 1,000 2,289 1,544 ,232 Sphericity Assumed 23,718 32 ,741 Greenhouse-Geisser 23,718 30,222 ,785 Huynh-Feldt 23,718 32,000 ,741 Lower-bound 23,718 16,000 1,482 Sphericity Assumed Tabelle 18 65 Tests of Between-Subjects Effects Measure: MEASURE_1 Transformed Variable: Average Source Intercept Type III Sum of Squares 18,332 df 1 Mean Square 18,332 F 18,331 Sig. ,001 Gruppe ,386 1 ,386 ,386 ,543 Error 16,001 16 1,000 Tabelle 19 Estimated Marginal Means of MEASURE_1 Gruppe 1,0000 Kontrollgruppe Versuchsgruppe Estimated Marginal Means 0,8000 0,6000 0,4000 0,2000 0,0000 -0,2000 1 2 3 hertz Abbildung 11 66 Independent Samples Test Levene's Test for Equality of Variances V10.mod10 Equal variances assumed Equal variances not assumed t-test for Equality of Means 95% Confidence Interval of the Difference F Sig. t df Sig. (2tailed) ,045 ,835 2,384 16 ,030 ,7416850 ,3111157 ,0821493 1,4012207 2,414 15,737 ,028 ,7416850 ,3071803 ,0896066 1,3937634 Mean Difference Std. Error Difference Upper Lower Tabelle 20 V10.mod10 2,0000 1,0000 0,0000 - 1,0000 Kontroll g ruppe Versuchsg ruppe Gruppe Abbildung 12 67 Independent Samples Test Levene's Test for Equality of Variances V20.mod20 Equal variances assumed Equal variances not assumed t-test for Equality of Means 95% Confidence Interval of the Difference F Sig. t df Sig. (2tailed) 2,852 ,111 ,429 16 ,674 -,2275525 ,472 11,174 ,646 -,2275525 Mean Difference Std. Error Difference Upper Lower ,5305949 1,3523635 ,8972585 ,4818985 1,2861884 ,8310834 Tabelle 21 Independent Samples Test Levene's Test for Equality of Variances V40.mod40 Equal variances assumed Equal variances not assumed t-test for Equality of Means 95% Confidence Interval of the Difference F Sig. t df Sig. (2tailed) ,157 ,697 ,009 16 ,993 -,0036775 ,009 15,952 ,993 -,0036775 Mean Difference Std. Error Difference Upper Lower ,4245292 ,9036393 ,8962843 ,4156095 ,8849475 ,8775925 Tabelle 22 68 11. Diskussion und Interpretation Ein Ziel dieser Diplomarbeit war, festzustellen, ob es für Legastheniker schwieriger sei, unterschiedlich schnelle Rampenanstiege wahrzunehmen, als für Nicht – Legastheniker. Defizite in der Wahrnehmung unterschiedlicher Rampenanstiege sind verantwortlich für Probleme bei der Wahrnehmung von Stopp- Konsonanten, was wiederum als bekanntes Defizit in der Sprachwahrnehmung bei Legasthenikern gilt. Zu diesem Zwecke wurden ereigniskorrelierte Potentiale (EKP) 100ms nach Itemdarbietung erhoben. Anhand der Literatur war zu erwarten, dass Personen mit einer Lese – Rechtschreibschwäche Probleme haben, schnelle Anstiege richtig wahrzunehmen, was bedeutet, dass die EKP der Versuchsgruppe geringer ausfallen würden, als die der Kontrollgruppe. Die Ergebnisse zeigen, dass es an der Elektrode 52, welche sich auf der linken Seite in der Gegend des akustischen Kortex befindet, einen signifikanten Unterschied bei einem Anstieg von 15ms, zwischen den Gruppen gibt. Hier weist die Versuchsgruppe ein signifikant kleineres EKP auf, als die Kontrollgruppe. In den beiden anderen Bedingungen gibt es an dieser Elektrode keine signifikanten Unterschiede. Ebenso konnte auch an allen anderen Elektroden kein signifikanter Effekt festgestellt werden. Es ist aber ein Trend bemerkbar, der zeigt, dass die Versuchsgruppe bei einem Anstieg von 15 ms immer ein kleineres EKP aufweist, als die Kontrollgruppe. Bei den Anstiegen von 65 und 300 ms ist das EKP der Versuchsgruppe durchgehend größer als die der Kontrollen. Generell ist anzumerken, dass die EKP der Legastheniker mit steigender Dauer des Anstieges größer werden, während die Ausprägung der EKP der Nicht – Legastheniker immer kleiner werden. Dies könnte bedeuten, dass die Auswirkung des Ereignisses bei längeren Anstiegen nicht mehr so groß ist und deshalb bei der Kontrollgruppe eher kleinere EKP evoziert. Die Ergebnisse der Versuchsgruppe weisen darauf hin, dass Legastheniker Probleme mit sehr kurzen Anstiegen zu haben scheinen. Bei größerer Dauer der Anstiege können keine Defizite nachgewiesen werden. Der Effekt der bei der Kontrollgruppe beobachtet wurde, konnte bei der Versuchsgruppe nicht gezeigt werden. Da die 69 Legastheniker bei längeren Anstiegen größere EKP aufweisen, scheinen sie diese besonders gut wahrnehmen zu können. Des weiteren wurde in dieser Studie die Sensitivität von Legasthenikern für schnelle Amplitudenmodulationen untersucht. Die Literatur wies in der Vergangenheit zu diesem Thema unterschiedliche Ergebnisse auf. McAnally und Stein (1997) ,aber auch Menell (1999) konnten signifikante Unterschiede nachweisen. Hier zeigten die Legastheniker eine signifikant niedrigere Sensitivität für schnelle Amplitudenwechsel. Auch Färber (2005) widmete sich diesem Thema. Sie konnte allerdings keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen nachweisen. Auch die Ergebnisse dieser Studie wiesen keine signifikanten Unterschiede über alle Bedingungen nach. Ebenso waren die Unterschiede zwischen den Frequenzen nicht signifikant. Bei der Berechnung der einzelnen Frequenzen ergab sich allerdings ein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen bei einer Frequenz von 10 Hz. Hier zeigte die Versuchsgruppe eine signifikant geringer ausgeprägte AMFR als die Kontrollgruppe. In den beiden anderen Bedingungen zeigte sich kein signifikanter Unterschied. Legastheniker scheinen also bei niedrigen Frequenzen eine geringere Sensitivität für Amplitudenmodulationen aufzuweisen als die Kontrollen. Bei höheren Frequenzen ist kein Unterschied nachzuweisen. Dieses Ergebnis deckt sich auch mit den Ergebnissen der ERP, wonach Legastheniker nur bei sehr schnellen Wechseln von akustischen Reizen Probleme aufweisen. Bei allen anderen Bedingungen konnten in dieser Studie keine Defizite nachgewiesen werden. Zu diskutieren gibt es auch einige Aspekte der Studie. Der Umfang der Stichprobe war sehr klein, was sich auf die Ergebnisse ausgewirkt haben könnte. Da es aber sehr schwierig ist, erwachsene Legastheniker in kurzer Zeit zu rekrutieren, war es leider nicht möglich, eine größere Stichprobe zu verwenden. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Angaben der Personen der Versuchsgruppe im Anamnesefragebogen. Ein Kriterium, um als Legastheniker an der Studie 70 teilnehmen zu können, war die frühere Teilnahme an einem Legastheniekurs, oder die Diagnose durch einen klinischen Psychologen oder einer Lehrerin. Dieses Kriterium konnte allerdings nicht überprüft werden und beruhte nur auf der Angabe der Versuchspersonen. Des weiteren muss angemerkt werden, dass auch die Diagnose durch Lehrpersonal als Erfüllung des Kriteriums angesehen worden war, da die Stichprobe ansonsten noch kleiner ausgefallen wäre. Um die Teilnahme von Personen, die an einer isolierten Rechtschreibschwäche leiden, ausschließen zu können, wurde eine Leseprobe durchgeführt. Diese Leseprobe wurde aber nicht für Erwachsene konzipiert, sondern stammt aus dem Landesinstitut für Schule. Ab der 4. Klasse sollen Schüler in der Lage sein diesen Text zu lesen und zu deuten (nach http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/0,1518,520291-2,00.html). Die Auswertung der Leseprobe erfolgte subjektiv in Bezug auf Leseflüssigkeit und Leseverständnis, was sowohl das Einschätzen der Leseleistung, als auch das Rekrutieren der Versuchspersonen subjektiv gemacht hat. Es ist also nicht gänzlich auszuschließen, dass auch Personen mit einer isolierten Rechtschreibschwäche an der Untersuchung teilgenommen haben. In zukünftigen Studien wäre es angebracht, diesen Aspekt noch mehr einzubeziehen und objektive Bewertungskriterien zu schaffen. Die Vorgabe der Items erfolgte binaural mittels Lautsprecher, wogegen in den Vorgängerstudien Kopfhörer verwendet wurden. Da in einer durchgeführten Probeuntersuchung allerdings eine Beeinflussung der Kopfhörer auf die Ohrelektroden gefunden wurde, entschied man sich in dieser Studie für Lautsprecher. In den Studien von McAnally und Stein (1997) und Menell (1999) erfolgte die Vorgabe monaural. Laut Laback (zitiert nach Färber 2005) dürfte dieser Aspekt allerdings keinen Einfluss auf die Ergebnisse haben. Trigger dienten zur exakten zeitlichen Darstellung der Daten. Leider wurden die Trigger nicht bei allen Versuchspersonen aufgezeichnet, was zu einer Verschiebung der Daten führte. Dadurch musste die Berechnung der AMFR mittels FFT durchgeführt werden, weil diese zeitliche Aspekte nicht mit 71 einbezieht. Durch die Berechnung mittels FFT konnte eine exakte Berechnung der Daten sichergestellt werden. Ein weiterer Diskussionspunkt betrifft die Dauer der Untersuchung. Da auch die Vortestung am selben Tag wie die EEG Ableitung stattfand, ergab sich eine Gesamtdauer von ca. vier Stunden. Einige Versuchspersonen waren schon nach den Vortests sehr müde. Auch die Dauer der EEG Ableitung von ca. 100 Minuten war sehr lange. Viele Testpersonen klagten über Müdigkeit. Eine Versuchsperson musste exkludiert werden, weil sie zwischendurch immer wieder eingeschlafen war. Generell muss angemerkt werden, dass nicht alle Personen mit LRS Schwierigkeiten haben, schnelle akustische Reize wahrzunehmen und zu verarbeiten, wie viele frühere Forschungen zeigen. Die Legasthenie scheint in viele Untergruppen unterteilbar zu sein, welchen in folgenden Studien zu diesem Thema mehr Beachtung geschenkt werden sollte. Dies könnte dann auch zu genaueren und differenzierteren Ergebnissen führen. 72 12. Zusammenfassung Akustische Wahrnehmungsdefizite spielen als Ursache für Legasthenie eine große Rolle. Viele Legastheniker haben Probleme mit der phonologischen Bewusstheit, welche einen guten Prädiktor für spätere Mängel im Lesen und Schreiben darstellt. Ein weiteres Hauptdefizit scheint das Erkennen und Verarbeiten von schnell wechselnden akustischen Reizen zu sein. Sprache besteht aus schnellen Wechseln von akustischer Information, deshalb ist die richtige Wahrnehmung dieser Wechsel essentiell für die Sprachwahrnehmung. Das Verarbeitungsdefizit schneller, akustischer Reize war Gegenstand der vorliegenden Studie. Zum einem wurde die neurologische Antwort auf unterschiedlich schnelle Rampenanstiege zu Beginn der Items erhoben. Aufgrund früherer Studien und der Literatur war zu erwarten, dass Legastheniker eine geringer ausgeprägte N100 aufweisen, als Nicht Legastheniker. Dies war in dieser Studie nur in der Bedingung mit dem schnellsten Anstieg (15 ms) der Fall. Trotz gewisser Tendenzen zeigte sich in den anderen Bedingungen keine Unterschiede. Des weiteren wurde die Sensitivität für schnelle Amplitudenwechsel bei Legasthenikern mittels Amplitude Modulation Following Response (AMFR) erhoben. Hier zeigen sich in der Literatur unterschiedliche Ergebnisse. McAnally und Stein (1997), sowie Menell (1999) fanden einen Unterschied zwischen Legasthenikern und NichtLegasthenikern in der Ausprägung der Amplitude der AMFR. In der Arbeit von Färber (2005) fanden sich jedoch keine Differenzen zwischen den Gruppen. In der vorliegenden Studie konnten bei einem Vergleich über alle Bedingungen ebenfalls keine Unterschiede zwischen Legastheniker und Nicht – Legastheniker gefunden werden. Bei Betrachtung der einzelnen Frequenzen zeigte sich jedoch ein Unterschied in der niedrigsten Frequenz (10 Hz) zwischen den Gruppen. Um differenzierte Ergebnisse zu erhalten, werden weitere Forschungen von Nöten sein. In kommenden Studien sollte auf eine größere Stichprobe 73 wertgelegt werden. Die Legastheniker sollten noch genauer vorgetestet werden, sodass auch eventuelle Subtypen berücksichtigt, oder eine isolierte Rechtschreibschwäche ausgeschlossen werden kann. Außerdem sollte die Dauer der Untersuchung so kurz wie möglich gehalten werden, da die Darbietung akustischer Stimuli als Untersuchungsmaterial sehr schnell zu Ermüdungserscheinungen seitens der Versuchspersonen führt, was auch in dieser Studie einen Einfluss auf die Ergebnisse haben könnte. 74 13. Literaturverzeichnis Beaton A.A. (2004). Dyslexia, Reading and the Brain – A Sourcebook of Psychological and Biological Research. Psychology Press Birbaumer N., Schmidt R.F. (2003). Biologische Psychologie. 5. Auflage, Springer Verlag Boder E. (1971). Progress in learning disabilities. 293-321 New York:Grune&Stratton Boder E. (1973). Developmental dyslexia: a diagnostic approach based on three atypical reading – spelling patterns. 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Sollte dennoch eine Urheberrechtsverletzung bekannt werden, ersuche ich um Meldung bei mir.“ Abbildung 1 - Schema der multiaxialen Diagnostik (entnommen aus Kalb 2002, „LRS/Legasthenie – Verbreitete Präventionsmodelle für die Grundschule, nach Warnke 2002, S.39) Abbildung 2 - der Bau des Ohres (www.bbcig.de/pic/ohr-innen.gif) Abbildung 3 – das Innenohr (www.tz-wien.at/Informationen/Bilder/cochlea.jpg) Abbildung 4 – die Sprachzentren (http://www.marcus-haas.de/dgs/gehirn.jpg) Abbildung 5 - Darstellung einer AMFR (http://www.est-med.com/ERA/Bilder/amfr.gif) Abbildung 6: Easy Cap Elektrodensetting (aus http://lab1.psy.univie.ac.at/brlwiki/EasycapHauben?action=AttachFile&do=get&t arget=M10_setting_Brain-Research-Lab.pdf) Abbildung 7: Ausprägung des EKP über alle Bedingungen an der Elektrode 52 Abbildung 8: Ausprägung des EKP bei einem Anstieg von 15ms; Elektrode 52 Abbildung 9: Ausprägung des EKP über alle Bedingungen an der Elektrode 46 Abbildung 10: Ausprägung des EKP über alle Bedingungen an der Elektrode 36 82 Abbildung 11: Ausprägung der AMFR über alle Bedingungen Abbildung 12: Ausprägung der AMFR bei einer Frequenz von 10 Hz 83 15. Tabellen Tab.1: Alter – Deskriptivstatistik Tab.2: Alter – Mann – Withney – U - Test Tab.3: Rechtschreibtest – Deskriptivstatistik Tab.4: Rechtschreibtest – Mann – Withney – U – Test Tab.5: APM – Deskriptivstatistik Tab.6: APM – Mann – Withney – U – Test Tab.7: GLM (general linear model) – Mauchly Sphärizitätstest – Elektrode 52 Tab.8: GLM – Within Subject Effects – Elektrode 52 Tab.9: GLM – Between Subject Effects – Elektrode 52 Tab.10: T-Test für unabhängige Stichproben – Elektrode 52, Rampe1 (15ms) Tab.11: GLM – Mauchly Sphärizitätstest – Elektrode 46 Tab.12: GLM – Within Subject Effects – Elektrode 46 Tab. 13: GLM – Between Subject Effects – Elektrode 46 Tab. 14: GLM – Mauchly Sphärizitätstest – Elektrode 36 Tab. 15: GLM – Within Subject Effects – Elektrode 36 84 Tab.16: GLM – Between Subject Effects – Elektrode 36 Tab.17: GLM – Mauchly Sphärizitätstest über alle Frequenzen Tab.18: GLM – Within Subject Effects - AMFR über alle Frequenzen Tab.19: GLM – Between Subjects Effects – AMFR über alle Frequenzen Tab. 20: T – Test für unabhängige Stichproben, AMFR 10 Hz Tab. 21: T – Test für unabh. Stichproben, AMFR 20 Hz Tab. 22: T – Test für unabh. Stichproben, AMFR 40Hz 85 16. Anhang -Anamnesefragebogen -Leseprobe „Die Nächte der jungen Papageientaucher“ -Rechtschreibungstest von Jäger (1967) 86 ANAMNESEFRAGEBOGEN Code: Geburtdatum: Geschlecht: Haben Sie eine Vorschule besucht? Mit welchem Alter haben sie lesen gelernt? Beschreiben Sie bitte Ihre Schullaufbahn (z.B. Volksschule, Hauptschule etc.) Hatten Sie besondere Lernschwierigkeiten während Ihrer Schulzeit? Ist Ihnen das lesen und/oder schreiben in der Schule eher leicht oder eher schwer gefallen? 87 Welche Noten hatten Sie in Lesen und Deutsch in der Volksschule? Haben Sie eine Legasthenie- Förderkurs besucht? Wenn ja, wie lange? Wurde bei Ihnen ein Verdacht auf Legasthenie geäußert? Wenn ja, von wem? Ist bei Ihnen eine Legasthenie diagnostiziert worden? Wenn ja, von wem? VIELEN DANK für die Beantwortung der Fragen!!! 88 89 90 91 92 93 94 95 Curriculum Vitae Persönliche Daten Name Martina Mitteregger Geburtsdatum / -ort 02.07.1980 / Leoben Wohnhaft in Hauptstrasse 56 4542 Nußbach Telefon 0664/4363953 E-Mail [email protected] Bildungsgang 1986 – 1990 Volksschule Liezen 1990 – 1999 Stiftsgymnasium Admont mit Schwerpunkt Musik 10/99 – 02/00 Psychologiestudium in Graz 04/00 – 06/01 Angestellte bei Mc Donalds in Liezen 2001 - 2008 Psychologiestudium an der Universität Wien Bisherige Tätigkeiten 2004 6-wöchiges Praktikum in der Justizanstalt Wien Favoriten 04/06 – 07/07 Angestellte bei Cineplexx Reichsbrücke 02/08 – 09/08 Ordinationsassistentin bei prakt. Arzt mit Berechtigung für Substitutionstherapie 2006 - 2008 EEG Forschungen über Legasthenie (Diplomarbeit) Sonstiges Fremdsprachen Englisch in Wort und Schrift Grundkenntnisse Französisch Führerschein Führerschein B Kurse 16-stündiger Grundkurs Erste Hilfe Sonstiges Kenntnisse in Word und Excel Kenntnisse in statistischen Auswertungsprogrammen (SPSS, Matlab) EEG Kenntnisse 96