§5 Quadriken

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§5 Quadriken
Kegelschnitte
Ein Kegelschnitt ist eine Teilmenge K ⊆ R2 , welche durch eine quadratische Gleichung in zwei Unbestimmten beschrieben werden kann:
x
K={
∈ R2 | ax2 + bxy + cy 2 + dx + ey + f = 0}
y
wobei a, b, c, d, e, f reelle Zahlen sind mit (a, b, c) 6= (0, 0, 0).
Beispiele:
1
Quadriken
Ein quadratisches Polynom in n Unbestimmten ist eine Funktion
p : Rn → R der Gestalt
X
X
p(x) =
αij xi xj +
bi xi + c
1≤i≤j≤n
1≤i≤n
mit reellen Zahlen αij , bi , c, wobei nicht alle αij gleich Null sein dürfen.
Definition: Eine Quadrik Q im Rn ist die Nullstellenmenge eines quadratischen Polynoms wie oben, d.h.
Q = {x ∈ Rn | p(x) = 0}.
Andere Schreibweise: Q : p(x) = 0.
Matrizenschreibweise für quadratische Polynome
P
(i) Funktionen der Gestalt q(x) =
αij xi xj nennt man auch
1≤i≤j≤n
quadratische Formen.
Setze aij := αii und aij = aji := 12 αij für i < j. Dann ist A =
(aij )i,j=1,...,n eine symmetrische n × n–Matrix und es gilt


x1
 
q(x) =
aij xi xj = xt Ax für x =  ...  ∈ Rn .
i,j=1
xn
n
X
Also ist q die zur Bilinearform s(x, y) = xt Ay gehörige quadratische
Form.
x
Beispiel: q 1 = x21 + 2x1 x2 + 2x22 = x21 + x1 x2 + x2 x1 + 2x22 =
x2 1 1
x1
(x1 , x2 )
.
1 2
x2
n
(ii) Eine Linearform auf dem Rn ist eine Funktion
 ℓ : R → R der Gestalt
b1
 .. 
t
ℓ(x) = b1 x1 + . . . + bn xn = b x, wobei b =  .  ∈ Rn .
bn
2
Somit ist jedes quadratische Polynom p(x) von der Form p(x) = q(x) +
ℓ(x) + c, wobei q(x) eine quadratische Form, ℓ(x) eine Linearform und
c ∈ R eine Konstante ist. Jede Quadrik Q ⊆ Rn hat also eine Darstellung
(1)
Q=
n
X
aij xi xj +
i,j=1
n
X
bk xk + c = 0
k=1
mit einer symmetrischen Matrix A = (aij ) 6= 0.
In Matrizenschreibweise:
(1)
Q : xt Ax + bt x + c = 0
Beispiele:
a) Q : x21 + x22 = r 2 , r > 0 (Kreis)
Q : xt E2 x − r 2 = 0(A = E2 , b = 0, c = −r 2 )
b) Q : x2 = ax21
, a 6= 0 (Parabel)
a
0
x
a
0
0
1
Q : xt
x + (0, −1)
= 0(A =
,b =
, c = 0)
0 0
x2
0 0
−1
c) Q : x21 − x22 = r 2
, r > 0 (Hyperbel)
1
0
1
0
t
2
Q:x
x − r = 0(A =
, b = 0, c = −r 2 )
0 −1
0 −1
Affine Klassifikation der Quadriken
(5.1) Bemerkung: Ist Q ⊆ Rn eine Quadrik und f : Rn → Rn eine Affinität,
so ist auch f (Q) eine Quadrik.
Beweis: Sei Q : xt Ax + bt x + c = 0 wie oben. Jede Affinität f : Rn → Rn ist
von der Form f (x) = S · x + v, wobei S eine invertierbare n × n–Matrix ist
und v ∈ Rn . f setzt sich also zusammen aus
(i) einen Vektorraum–Isomorphismus x 7→ Sx und
(ii) einer Translation x 7→ x + v.
Es genügt also, (5.1) in den Fällen (i) und (ii) zu zeigen.
3
Zu (i) Setze ϕ := f −1 : Rn → Rn , x 7→ S −1 x
x ∈ f (Q) ⇔ ϕ(x) ∈ Q ⇔ ϕ(x)t Aϕ(x) + bt ϕ(x) + c = 0 ⇔
xt (S −1 )t AS −1 x + bt S −1 x + c = 0 ⇔ xt A′ y + (b′ )t y + c = 0
wobei A′ = (S −1 )t AS −1 , b′ = (S −1 )t b. Also ist
f (Q) : xt A′ y + (b′ )t x + c = 0 eine Quadrik.
Zu (ii) Setze ϕ := f −1 : Rn → Rn , x 7→ x − v
x ∈ f (Q) ⇔ ϕ(x) ∈ Q ⇔ (x − v)t A(x − v) + bt (x − v) + c = 0 ⇔
xt Ax + (b′ )t y + c′ = 0, b′ = b − 2Av und c′ = v t Av − bt v + c, also ist
f (Q) : xt Ax + (b′ )t x + c′ = 0 eine Quadrik.
Beispiel: Q : x21 + 2x2 = 0 (Parabel)
x1
2x1 + 3x2 + 1
y
2
2
f :R →R
7→
= 1 = Sx + b
x2
5x1 + x2
y2
2 3
1
mit S =
und b =
. f (x) = y mit Koordinaten
5 1
0
y1 = 2x1 + 3x2 + 1
Auflösen nach x1 und x2
y2 = 5x1 + x2
ergibt die Umkehrung (Gauß–Algorithmus):
1
x1 = − 13
(y1 − 3y2 − 1)
1
x2 =− 13
(−5y1 +2y2 + 5). Es ist also
y1 − 3y2 − 1
x1
1
−1 y1
f
= − 13
=
x2
y2
−5y
1 + 2y2 + 5
x1
y
y1
∈ f (Q) ⇔
= f −1 1 ∈ Q. Einsetzen ergibt
y2
x2
y2
1
2
2
· (y1 − 3y2 − 1) − 13 (−5y1 + 2y2 + 5) = 0 ⇔
(13)2
2
(y1 − 6y1 y2 + 9y22 − 2y1 + 6y2 + 1) + 130y1 − 52y2 − 130 = 0 ⇔
y12 + 9y22 − 6y1y2 + 128y1 − 46y2 −129 = 0.
{z
}
|
{z
} |
q ′ (y)
′
ℓ′ (y)
′
f (Q) : q (X) + ℓ (X) − 129 = 0
Definition: Zwei Quadriken Q und Q′ im Rn heißen affin äquivalent, wenn
es eine Affinität f gibt mit f (Q) = Q′ . Schreibe dafür Q ≈ Q′ .
(5.2) Bemerkung: Affine Äquivalenz ist eine Äquivalenzrelation, d.h. :
(i) Q ≈ Q; (ii) Aus Q ≈ Q′ folgt Q′ ≈ Q;
(iii) Aus Q ≈ Q′ und Q′ ≈ Q′′ folgt Q ≈ Q′′ .
4
Beweis: Dies gilt, weil idRn , die Inverse eine Affinität und die Komposition
von zwei Affinitäten wieder Afffinitäten sind.
Es soll nun gezeigt werden, dass es nur endlich viele affine Äquivalenzklassen von Quadriken im Rn gibt.
(5.3) Satz: (Affine Klassifikation der Quadriken). Jede Quadrik Q ⊆ Rn
ist affin äquivalent zu einer Quadrik Q′ mit einer Gleichung der folgenden
Gestalt:
(1) x21 + . . . + x2r − x2r+1 − . . . − x2r+s = 0; r > 0, x ≥ 0, 0 < r + s ≤ n, oder
(2) x21 + . . . + x2r − x2r+1 − . . . − x2r+s = 1; 0 < r + s ≤ n, oder
(3) x21 + . . . + x2r − x2r+1 − . . . − x2r+s = xr+s+1 ; r > 0, s ≥ 0, r + s < n.
Die Quadriken mit Gleichungen (1), (2) oder (3) heißen Quadriken in affiner Normalform oder Hauptachsenform. Ist Q ≈ Q′ und Q′ von in affiner
Normalform, so heißt Q′ der affine Typ oder die affine Normalform von
Q.
Beweis I. Vereinfachung des quadratischen Anteils.
Sei Q : p(x) = q(x) + ℓ(x) + c = 0 wie oben.
Nach (IV 3.6) gibt es eine Basis B = (w1 , . . . , wn ) des Rn und natürliche
Zahlen r, s mit 0 < r + s ≤ n, so dass
q(x1 w1 + . . . + xn wn ) = x21 + . . . + x2r − x2r+1 − . . . − x2r+s =: q ′ (x)
ℓ(ϕ(x)) = d1 x1 + . . . + dn xn = ℓ′ (X) Linearform mit di = ℓ(wi ).
Setze f := ϕ−1 . Dann gilt x ∈ f (Q) genau dann wenn ϕ(x) ∈ Q, d.h.
f (Q) : q ′ (x) + ℓ′ (x) + c = 0. Also ist
Q′ = f (Q) : p′ (x) = x21 +. . .+x2r −x2r+1 −. . .−x2r+s +d1 x1 +. . .+dn xn +c = 0.
Es ist Q ≈ Q′ und Q′ hat keine gemischt-quadratischen Terme.
II. Vereinfachung des linearen Anteils von p′ .
1) Eliminiere die Terme d1 x1 , . . . , dr+s xr+s :
2
Ergänze x2i ± di xi jeweils durch d2i zu vollständigen Quadraten:
p′ (x) = (x1 + d21 )2 + . . . + (xr + d2r )2 − (xr+1 − dr+1
)2 − . . . − (xr+s −
2
+dr+s+1xr+s+1 + . . . + dn xn + e
r
s
P
P
)2 . Setze
mit e = c′ − ( d2i )2 + ( di+r
2
i=1
i=1
5
dr+s 2
)
2
p′′ (x) = x21 + . . . + x2r − x2r+1 − . . . − x2r+s + dr+s+1xr+s+1 + . . . + dn xn + e.
Mit v := 12 (d1 , . . . , dr , −dr+1 , . . . , −dr+s , 0, . . . , 0)t ist dann p′′ (x + v) = p′ (x).
Fazit:
Ist τv : Rn → Rn , x 7→ x + v, die Translation um den Vektor v, so ist
p′ (x) = 0 ⇔ p′′ (τv (x)) = 0. Somit ist τv (Q′ ) = Q′′ , wobei
Q′′ : p′′ (x) = 0, und Q′′ ≈ Q′ .
Zwischenergebnis: Q ≈ Q′′ mit
Q′′ : x21 + . . . + x2r − x2r+1 − . . . − x2r+s + dr+s+1xr+s+1 + . . . + dn xn + e = 0.
1) Unterscheide drei Fälle:
a) dr+s+1 = . . . = dn = e = 0: Es liegt Typ (1) vor.
b) dr+s+1 = . . . = dn = 0, e 6= 0.
Nach Multiplikation mit −1, falls e > 0 und Änderung der Reihenfolge
kann man annehmen:
Q′′ : x21 + . . . + x2r − x2r+1 − . . . −√x2r+s + dr+s+1xr+s+1 + . . . + dn xn + e = 0
und e < 0. Ersetze xi durch −exi für i = 1, . . . , r + s. Erhalte die
Gleichung −e(x21 + . . . + x2r − x2r+1 − . . . − x2r+s ) + e = 0. Dividiere durch
−e, erhalte: p′′′ (x) = x21 + . . . + x2r − x2r+1 − . . . − x2r+s − 1 = 0 ist die
Gleichung der Quadrik Q′′′ = f (Q′′ ) mit
f (x) = ( √1−e x1 , . . . , √1−e xr+s , xr+s+1 , . . . , xn )t . Also ist Q ≈ Q′′′ und
Q′′′ : x21 + . . . + x2r − x2r+1 − . . . − x2r+s − 1 = 0 ist vom Typ (2).
c) dr+s+1xr+s+1 + . . . + dn xn 6≡ 0 : O.E. sei dr+s+1 6= 0. Setze
f (x) = (y1 , . . . , yn )t mit yi = xi für i 6= r + s + 1 und yr+s+1 =
−(dr+s+1xr+s+1 + . . . + dn xn + e).
Dann ist x ∈ Q′′′′ ⇔ f (x) ∈ Q′′′′ , wobei
Q′′′′ : p′′′′ (x) = x21 + . . . + x2r − x2r+1 − . . . − x2r+s − xr+s+1 = 0 vom Typ
(3) ist.
Praktisches Verfahren zur Bestimmung der affinen Normalform einer Quadrik
Beispiele:
6
a) I. Q : p(x) = x21 + 8x22 − 6x1 x2 + 128x1 + 46x2 − 129 = 0.
Ergänze x21 − 6x1 x2 quadratisch durch (3x2 )2 , erhalte
p(x) = (x1 − 3x2 )2 − 9x22 + 8x22 + 128(x1 − 3x2 + 3x2 ) + 46x2 − 129
= (x1 − 3x2 )2 − x22 + 128(x1 − 3x2 ) + 384x2 + 46x2 − 129
= (x1 − 3x2 )2 − x22 + 128(x1 − 3x2 ) + 430x2 − 129
Also ist Q ≈ Q′ mit Gleichung
Q′ : x21 − x22 + 128x1 + 430x2 − 129 = 0
II. (x1 + 64)2 = x21 + 128x1 + 642
(x2 − 215)2 = x22 − 430x2 + (215)2 , also
x21 − x22 + 128x1 + 430x2 − 129 =
(x1 + 64)2 − (x2 − 215)2 − 129 − 642 + 2152 =
(x1 + 64)2 − (x2 − 215)2 + 42000
Division
durch
42000
ergibt das Polynom
2
x1 +64
√
−
42000
Q′′ : x21 − x22
x2 −215
√
42000
2
+ 1 = 0 und Q ≈ Q′ ≈ Q′′ .
= 1 (Typ (2))
b) Q : x1 x2 − x3 = 0. Ersetze x1 durch x1 + x2 und x2 durch x1 − x2 :
(x1 + x2 )(x1 − x2 ) − x3 = x21 − x22 − x3 . Also hat A die Normalform
x21 − x22 − x3 = 0 (Typ (3)).
1. Schritt: Eliminiere die gemischten Terme xi xj , i 6= j aus p(x). Unterscheide zwei Fälle:
a) Es kommt ein reiner“ Term ax2i , a 6= 0 vor (o.E. i = 1). In p(x) ersetze
”
man x1 durch √x1 und man erhält ein Polynom der Form
|a|
±(x21 + 2(a2 x2 + . . . + an xn )x1 ) + q̃(x2 , . . . , xn ) + ℓ̃(x) + c
mit einer quadratischen Form q̃ in x2 , . . . , xn .
In der neuen Gleichung ersetze man x1 durch x1 − (a2 x2 + . . . + an xn )
und erhält ein Polynom der Form
≈
≈
±x21 + q (x2 , . . . , xn )+ ℓ (x1 , . . . , xn ) + c
≈
wobei q eine quadratische Form in x2 , . . . , xn ist.
7
b) Die Terme x21 , . . . , x2n kommen in q(x) nicht vor:
Dann kommt etwa ax1 x2 vor mit a 6= 0. In p(x) ersetze man x1 durch
x1 + x2 und x2 durch x1 − x2 , also ax1 x2 durch ax21 − ax22 .
Fahre nun fort wie in a).
In beiden Fällen gelangt man schließlich zu einer Gleichung der Form
≈
≈
±x21 + q (x2 , . . . , xn )+ ℓ (x1 , . . . , xn ) + c
≈
≈
mit einer quadratischen Form q und einer Linearform ℓ .
≈
Verfahre nun mit q so wie vorher mit q. Nach endlich vielen Schritten
sind die Terme xi xj eliminiert.
2. Schritt: Vereinfache die linearen Terme durch quadratische Ergänzung
wie im Beweis des Satzes beschrieben.
(5.4) Bemerkung: Sind Q : xt Ax + bt x + c = 0 und
Q′ : xt A′ x + b′t x + c′ = 0 affin äquivalente Quadriken, so ist
Rang A = Rang A′ .
Beweis: Sei f : Rn → Rn , x 7→ Sx + v eine Affinität mit f (Q) = Q′ .
Dann ist S invertierbar und A′ = (S −1 )t AS −1 .
Es folgt Rang A = Rang A′ .
Im nächsten Abschnitt werden wir uns mit den Fällen n = 2 und n = 3
genauer beschäftigen.
8
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