Paranoia - Sucht und Selbsthilfe

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Paranoia
Paranoia (griechisch ???????? paránoia, aus ???? parà „neben" und ???? noûs „Verstand"; wörtlich also „neben dem
Verstand", „verrückt", „wahnsinnig") ist im engeren Sinn die Bezeichnung für eine psychische Störung, in deren
Mittelpunkt Wahnbildungen stehen. Häufiger taucht der Begriff jedoch in seiner adjektivischen Form paranoid auf (s.
Infobox ICD 10), der auf Verfolgungsängste oder Verfolgungswahn hinweist. Die Betroffenen leiden an einer verzerrten
Wahrnehmung ihrer Umgebung in Richtung auf eine feindselige (im Extrem bösartig verfolgende) Haltung ihrer Person
gegenüber. Die Folgen reichen über ängstliches oder aggressives Misstrauen bis hin zur Überzeugung von einer
Verschwörung anderer gegen sich selbst.
Das Spektrum paranoider Reaktionen reicht von neurotischen Formen einer paranoiden Neigung bis zu schweren
psychotischen Ausprägungen. Die neurotische paranoide Persönlichkeit ist durch übertriebene Empfindlichkeit gegenüber
Zurückweisung, besondere Kränkbarkeit, sowie Misstrauen gekennzeichnet. Sie neigt dazu, neutrale oder freundliche
Handlungen anderer als feindlich oder verächtlich zu interpretieren (paranoide Persönlichkeitsstörung). Häufig werden
wiederkehrende und unberechtigte Verdächtigungen hinsichtlich der sexuellen Treue des Ehegatten oder Sexualpartners
(Eifersuchtswahn) und streitsüchtiges Bestehen auf eigenen Rechten gefunden. Betroffene neigen andererseits zu
übertriebener Selbstbezogenheit (ICD-10).
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Überblick
Paranoide Symptome sind sehr vielfältig und gesellen sich vielen Grunderkrankungen bei, darunter Neurosen,
Psychosen, wie der Schizophrenie, vielen Persönlichkeitsstörungen und einigen degenerativen Erkrankungen. Die
Verlaufsformen sind hier jeweils unterschiedlich. Sie zählen auch zur Symptomatik von Menschen, die lange unter echter
oder gefühlter Verfolgung leiden mussten, aber nicht eigentlich psychotisch oder persönlichkeitsgestört sind. Paranoide
Symptome können auch als Folge von anderen somatischen, neurologischen und/oder psychiatrischen Erkrankungen
auftreten. Beispiele sind:
Paranoide Persönlichkeitsstörung
Borderline-Persönlichkeitsstörung
Schizophrenie
Hirntumore
Hirnschädigungen in Folge von Alkoholmissbrauch
Alzheimersche Krankheit
Der klinische Begriff Paranoia bezieht sich jedoch immer auf eine endogene Psychose, mit einer ausgeprägten
Positivsymptomatik, der auch andere Merkmale beigesellt sein können wie Fanatismus, oder schweres Querulantentum.
Diese Psychose zeichnet sich auch „durch die Entwicklung eines einzelnen Wahns oder mehrerer aufeinander bezogener
Wahninhalte, die im allgemeinen lange, manchmal lebenslang, andauern; der Inhalt des Wahns oder des Wahnsystems
ist sehr unterschiedlich" (ebd.) aus. Schließlich ist die gravierendste Form, die paranoide Schizophrenie, „durch
beständige, häufig paranoide Wahnvorstellungen gekennzeichnet, meist begleitet von akustischen Halluzinationen und
Wahrnehmungsstörungen; Störungen der Stimmung, des Antriebs und der Sprache, katatone Symptome [hingegen]
fehlen entweder oder sind wenig auffallend" (ebd.). Bemerkenswerterweise bleiben die kognitiven Fähigkeiten der
paranoiden Person erhalten, mit Ausnahme der verzerrten Wirklichkeitswahrnehmung in Bezug auf den Wahntopos.
Paranoia als wahnhafte Störung ist wesentlich durch die Präsenz „nicht-bizarrer" Wahnvorstellungen charakterisiert, die
mindestens einen Monat anhalten (DSM-IV-TR). Im Gegensatz zu bizarren, könnten diese Befürchtungen im Prinzip real
sein, sind es aber regelmäßig nicht. Eine unter wahnhafter Störung leidende Person wurde früher oft „Paranoiker" genannt.
Primär werden heute fünf Formen unterschieden: in der grandiosen, selbst-überwertigen Richtung sind dies Erotomanie
(Liebeswahn) und Größenwahn. Dem gegenüber stehen Eifersuchtswahn (pathologische Eifersucht), Verfolgungswahn
und somatischer Wahn (Hypochondrie); daneben gibt es eine Mischvariante und einen unspezifischen Typ. Die
verbindlichen Definitionen finden sich im Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 4. Ausgabe Text Revision
2000 (DSM-IV-TR) und in der von der WHO herausgegebenen International Statistical Classification of Diseases, 10.
Ausgabe 1992 (ICD-10). Paranoia kann eine eigenständige Pathologie oder auch Symptom anderer Krankheiten sein (z.
B. Bipolare Störung, Altersdemenz oder organische Hirnschäden, Delirium tremens).
Paranoia als individualpathologisches, psychiatrisches Syndrom ist seit der Mitte des 19. Jahrhunderts gut erforscht
worden. Wegweisend war vor allem die Arbeit des deutschen Psychiaters Emil Kraepelin (1856–1926), dessen „Lehrbuch
der Psychiatrie" in der Ausgabe von 1899 die psychotische Ausprägung definierte als „die aus inneren Ursachen
erfolgende, schleichende Entwicklung eines dauernden, unerschütterlichen Wahnsystems, das mit vollkommener
Erhaltung der Klarheit und Ordnung im Denken, Wollen und Handeln einhergeht". Auch Sigmund Freud beschäftigte sich
mit der Paranoia. Früher wurden mit Paranoia eine allgemeine Geistesstörung oder die Paraphrenie (paranoide
Verlaufsform der Schizophrenie) bezeichnet. Der Begriff der Paraphrenie wird heute noch von der Leonhardschen
Klassifikation verwendet, in der er eine der drei systematischen Schizophrenien bezeichnet.
Der Patient hat das Gefühl, verfolgt zu werden, und entwickelt Verschwörungstheorien. Ein paranoider Mensch glaubt oft,
dass andere beabsichtigen, ihn zu schädigen, zu betrügen oder auch zu töten. Oft kann er dafür auch „Beweise"
präsentieren, die für ihn völlig überzeugend scheinen, für Außenstehende dagegen überhaupt nichts besagen. Diese
Überzeugungen sind wahnhaft. Der Patient ist durch nichts von ihnen abzubringen, rationale Argumente und
Überzeugungsversuche von Außenstehenden haben keinen Erfolg und sind vielmehr kontraproduktiv, da sie das
Misstrauen der paranoiden Person nur noch verstärken.
Sofern Paranoia nicht als eigenständiges, sondern als akzessorisches Symptom einer Grunderkrankung erscheint, wie
etwa bei paranoider Schizophrenie oder der Bipolaren Störung, kann sie nur im Kontext dieser Erkrankung therapiert
werden. Prinzipiell können Psychotherapie, medikamentöse Behandlungen oder sogar Operationen (z. B. bei
Hirntumoren) notwendig werden.
Das Objekt des Verfolgungswahns ist von Fall zu Fall sehr verschieden. Manchmal wird beispielsweise der Geheimdienst
des jeweiligen Landes hinter der Verfolgung vermutet. Die Methoden etwa der Überwachung im wahnhaften Szenario
passen sich dabei tendenziell dem jeweils aktuellen Stand der Technik an. Bei Systemwechseln (z. B. nach dem Zweiten
Weltkrieg, nach der Wiedervereinigung Deutschlands) wechselt oft auch der vermeintliche Verfolger (z. B. Stasi - BND).
Hierin zeigt sich, dass der Verfolgungswahn vor allem in einer Veränderung der Denkvorgänge besteht, während die
Denkinhalte variieren können.
Max Wertheimer, der Begründer der Gestalttheorie, hat mit dem deutschen Psychiater Heinrich Schulte ein
sozialpsychologisches Modell zum Verständnis der Paranoia vorgeschlagen: Demzufolge wäre die Paranoia als
Sonderform des Beziehungswahns zu verstehen – ein Mensch, dem es nicht gelingt, Teil eines Wir zu sein und der diese
Kluft zwischen sich und den anderen nicht ertragen kann, schlägt eine Brücke zu den anderen, indem er sich mit ihnen
zumindest in einem „Ersatz-Wir" von Verfolgern und Verfolgtem verbunden sieht. Dementsprechend wird die Chance auf
Heilung auch primär in der Wiederherstellung guter sozialer Beziehungen gesehen. Hierbei handelt es sich allerdings nur
um eines der vielen Modelle, die zum Begriff der „Paranoia" entwickelt wurden.
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Alternative Verwendungen des Begriffs
Trotz der Ernsthaftigkeit von paranoiden Wahrnehmungsstörungen und den oft verheerenden Folgen, wie vor allem im
sozialen Zusammenleben, für die Betroffenen, hält insbesondere der Verfolgungswahn oft als „komisches" Szenario für
Fernsehserien, Verschwörungstheorien oder Spiele her. So gibt es zum Beispiel ein satirisches Pen-&-Paper-Rollenspiel
namens Paranoia. Auch in der Literatur findet das Thema sehr oft Platz. Andy Grove, Mitbegründer von Intel, nannte eine
seiner Publikationen Only the paranoid survive (deutsch: Nur die Paranoiden überleben).
Seitdem technische Informationssysteme, insbesondere das Internet, ein reales Risiko für den Datenschutz und die
Privatsphäre der Nutzer darstellen, wird der Begriff Paranoia umgangssprachlich verwendet, um die erhöhte Vorsicht
sowie technische und soziale Maßnahmen zu beschreiben, mit denen technisch verständige Personen versuchen, ihre
Computersysteme und Privatsphäre zu schützen. Diese Art von Vorsicht ist rational begründet, also weder wahnhaft noch
krankhaft. Dass der Begriff Paranoia umgangssprachlich nach wie vor mit Verfolgungswahn assoziiert wird, mag dazu
beitragen, dass begründete Vorsicht von anderen Personen oft nicht ernstgenommen und gelegentlich ins Lächerliche
gezogen wird. Häufig wird in diesem Zusammenhang auf das Zitat „Just because you’re paranoid doesn’t mean they’re
not after you" (Nur weil du paranoid bist, heißt das nicht, dass sie nicht hinter dir her sind) von Henry Kissinger
hingewiesen.
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Paranoia aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der
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Kurzfassung). In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
https://www.suchtundselbsthilfe.de/forum/lexicon/index.php/Entry/279-Paranoia/?s=0fbc07084e9d7f150a54f1dd17132c3ec437c392
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