Der Wasserspeicher

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Der Wasserspeicher
Ein Beitrag von Ingmar Rubin
29. März 2001
Ein 5 m hoher Wasserspeicher, der die Form eines Zylinders mit einem Volumen von 10m3
hat, füllt sich durch Zufluß aus einer Wasserleitung nach 8 Stunden. Im Boden befindet sich
ein Ventil mit kreisförmigen Querschnitt. Wenn man das Ventil öffnet, leert sich der volle
Zylinder in 12 Stunden.
Wann hat sich der Zylinder gefüllt, wenn das Ventil von Beginn an geöffnet ist und der Zylinder vorher vollständig entleert war ?
Diese Aufgabe wird gewöhnlich folgendermaßen gelöst: Man berechnet zuerst die Zufließgeschwindigkeit, d.h. wieviel Wasser pro Stunde zugeführt wird.
v0 =
m3
10 m3
= 1.25
8h
h
(1)
Ähnlich berechnet man die Abfließgeschwindigkeit, d.h. wieviel Wasser in einer Stunde
durch das geöffnete Ventil entweicht.
v1 =
m3
10 m3
= 0.833
12 h
h
(2)
In jeder Stunde füllt sich der Behälter um die Differenz aus Zufließgeschwindigkeit und
Abfließgeschwindigkeit. Der ganze Behälter füllt sich also in der Zeit:
t=
10 m3
= 24 h = 1 T ag
v0 − v 1
(3)
Der slowakische Mathematiker Pavel Bartos entdeckte an der Lösung der Aufgabe einen
Fehler. Was war ihm aufgefallen ? Wie muß die richtige Lösung lauten ?
Punktezahl=10
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Lösung zum Wasserspeicher
Der Wasserspeicher würde sich bei geöffneten Ventil niemals füllen. Bei der Lösung wurde eine
wichtige physikalische Gesetzmäßigkeit außer acht gelassen. Das Wasser fließt um so schneller
aus dem Behälter, je höher der Wasserspiegel steigt ! Mit anderen Worten die Ausströmgeschwindigkeit v2 am Ventil ist ein Funktion der Füllstandshöhe x (siehe Abbildung 1). Für
kreisförmige Querschnitte beschreibt die Formel nach Torricelli [1] die Geschwindigkeit wie
folgt:
v2 = f (x) = µ ·
2·g·x
(4)
µ Viskosität von Wasser, µ = 0.6
g Fallbeschleunigung an der Erdoberfläche, g = 9.81 m/s2
x aktuelle Füllstandshöhe im Zylinder
W as serz uflu ß V0 = 1 2 .5 h l / h
A1
Z ylind er m it V = 1 0 0 h l V olu m en
dx
h = 5m
v1
x
V en tilö ffn u n g m it d em Q u ersch n it A2
v 2 = µ ∗ (2 g x)
0.5
Abbildung 1: Skizze zum Wasserspeicher
Voraussetzung bei allen hier betrachteten Strömungsvorgängen ist eine laminare Strömung,
d.h. es soll zu keinen Verwirbelungen in der Flüssigkeit kommen. Im Falle einer wirbelbehafteten Strömung stimmt Gleichung (4) nicht mehr. Zu beachten ist, das Gleichung (4) die
Fließgeschwindigkeit v2 an der Ventilöffnung mit dem Querschnitt A2 beschreibt ! Um die
Sinkgeschwindigkeit v1 des Wasserspiegels im Zylinder, bei gesperrten Zufluss zu ermitteln,
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ist die Kontinuitätsgleichung aus der Strömungslehre anzuwenden. Sie ergibt sich als Proportionalitätsbeziehung der Querschnitte zu den Fließgeschwindigkeiten und besagt, daß die
Volumenänderung im Zylinder identisch mit der ausgetretenen Wassermenge am Ventil sein
muß.
v1 · A1 = v2 · A2
(5)
Aus der Kontinuitätsgleichung kann die Sinkgeschwindigkeit v1 des Wasserspiegels im
Behälter ermittelt werden.
v2 · A 2
A1
v1 =
(6)
In der Gleichung sind die beiden Querschnitte A1 und A2 momentan noch unbekannt.
Sie müssen aus den Angaben der Aufgabenstellung ermittelt werden. Der Querschnitt A1
berechnet sich nach der bekannten Volumenformel für den geraden Zylinder :
Vzyl = A1 · h
→
A1 =
Vzyl
10 m3
=
= 2 m2
h
5m
(7)
Der Querschnitt A2 ist komplizierter zu ermitteln. Das Gesamtvolumen von V = 10 m3
und die Tatsache, das sich der volle Zylinder in 12 h leert, ist Ausgangspunkt der folgenden
Rechnung. Anstelle der Sinkgeschwindigkeit v1 im Zylinder wird der Differentialquotient dx/dt
geschrieben.
A2
dx
=
·µ· 2·g·x
dt
A1
v1 =
(8)
Gleichung (8) stellt eine Differentialgleichung 1.Ordnung dar, die mittels Trennung der
Veränderlichen integriert werden kann.
t=T
dt =
t=0
T
=
A1
√
·
A2 · µ · 2 · g
√
2 · A1 · h
√
A2 · µ · 2 · g
x=h
dx
x=0
√
x
(9)
(10)
Die Zeit T ist aus der Aufgabenstellung bekannt. Gleichung (10) kann nach A2 aufgelöst
werden.
√
2 · A1 · h
√
A2 =
= 0.7916 cm2
(11)
T ·µ· 2·g
Aus dem Querschnitt A2 folgt eine Ventilöffnung mit dem Radius r = 5.0 mm. Im Vergleich dazu hat der Wasserspeicher einen Radius von :
R=
A1
= 79.8 cm
π
(12)
Mit dem ermittelten Querschnitt A2 kann aus der Kontinuitätsgleichung das abfließende
Wasservolumen je Zeiteinheit in Abhängigkeit von der Wasserspiegelhöhe x berechnet werden:
LITERATUR
4
A1 · v1 =
dV
dt
dV
dt
dV
dt
A1 · dx
dt
(13)
= A2 · v2
(14)
=
(15)
=
√
2 · A1 · h
√
·µ· 2·g·x
T ·µ· 2·g
√
2 · A1 · h · x
T
(16)
h Höhe des Zylinders
x aktuelle Höhe des Wasserspiegels im Zylinder
T Zeit in der sich der volle Zylinder bei gesperrten Zufluß entleert hat
v in m^3 h
1.5
1.25
1
0.75
0.5
0.25
1
2
3
4
5
Abbildung 2: Diagramm zum Funktionsverlauf
h in m
dV
dt
Für h = 2.81 m überschreitet die ausfließende Wassermenge den Wert der zufließenden
Menge V0 = 1.25 m3 /h. Der Zylinder kann sich also bei geöffneten Ventil maximal bis zu einer
Höhe von h = 2.81 m mit Wasser füllen.
Um die volle Höhe von h = 5.0 m zu erreichen, müßte V0 = 1.665 m3 /h betragen.
Literatur
[1] Stoecker, R.: Taschenbuch der Physik, Verlag Harri Deutsch, Thun, Frankfurt a.M. 1998
[2] Greiner, W.: Hydrodynmaik, Reihe Theoretische Physik Teil 2A, Verlag Harri Deutsch,
Thun, Frankfurt a.M. 1991
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