Paritätsverletzung beim β-Zerfall

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Technische Universität Darmstadt
Fachbereich Physik
Institut für Kernphysik
Versuch 2.7:
Paritätsverletzung
beim β-Zerfall
Praktikum für Fortgeschrittene
Von
Isabelle Zienert
(1206586)
&
Mischa Hildebrand
(1270606)
3. November 2008
Versuchsleiter: Yuliya Poltoratska
Diese Ausarbeitung wurde von Isabelle Zienert und Mischa Hildebrand eigenständig erstellt.
Eventuell aus anderen Quellen entnommene Zitate sind immer eindeutig als solche
gekennzeichnet und im Literaturverzeichnis gelistet.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung und Überblick
2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Die vier Wechselwirkungen .
2.2 Der Betazerfall . . . . . . .
2.3 Der Comptoneffekt . . . . .
2.4 Die Bremsstrahlung . . . .
2.5 Parität und Polarisation . .
2.6 Das Wu-Experiment . . . .
2.7 Szintillationsdetektor . . . .
3
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3
3
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3 Versuchsdurchführung und Auswertung
3.1 Energie-Eichung mit Hilfe der Natriumquelle . . . . .
3.2 Apparativ vorgetäuschte Polarisation . . . . . . . . . .
3.3 Strontium-Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3.1 Endpunktsenergie im Bremsstrahlungsspektrum
3.3.2 Polarisationsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4 Diskussion und Fehlerabschätzung
15
4.1 Mögliche Fehlerquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
4.2 Messzeitabschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
2
1 Einleitung und Überblick
1 Einleitung und Überblick
Symmetrieeigenschaften haben in der Physik eine zentrale Bedeutung. Bis 1956
ging man davon aus, dass physikalische Phänomene unter einer Rauminversion
genauso ablaufen wie im „Normalfall“. Wu gleang es jedoch zu zeigen, dass bei
Prozessen, die der schwachen Wechselwirkung unterliegen – konkret beim βZerfall von 60 Co – dieses Symmetrieverhalten verhalten verletzt ist.
Ziel dieses Versuchs ist der Nachweis eben dieser Paritätsverletzung beim βZerfall, jedoch mit einem etwas weniger aufwändigem Versuchsaufbau.
2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Die vier Wechselwirkungen
Man unterscheidet allgemein zwischen vier Arten der Wechselwirkung: der starken, der schwachen und der elektromagnetischen Wechselwirkung sowie der
Gravitation. Neuere Theorien fassen die elektromagnetische und die schwache
Wechselwirkung zur elektroschwachen Wechselwirkung zusammen.
Die starke Wechselwirkung bindet Hadronen aneinander und ist somit verantwortlich für den Zusammenhalt der Atomkerne. Die meisten alltäglichen
Phänomene wie Licht oder Elektrizität sind Auswirkungen des Elektromagnetismus, wobei sowohl anziehende als auch abstoßende Kräfte vorkommen. Im
Gegensatz hierzu wirkt die Gravitation stets anziehend und ist zusätzlich nicht
abschirmbar. Sie stellt die prägende Wechselwirkung des Makrokosmos dar. Die
schwache Wechselwirkung wird durch Bosonen vermittelt, die nur an linkshändige Teilchen bzw. rechtshändige Antiteilchen koppeln und ist unter anderem
verantwortlich für bestimmte radioaktive Zerfallsprozesse wie den Betazerfall.
Einen Überblick über diese vier Wechselwirkungen mit ihren Austauschteilchen und Reichweiten gibt die folgende Tabelle:
Wechselwirkung
Relative Stärke
Reichweite
Austauschteilchen
Masse [ GeV/c2 ]
*
Starke
1
10−15
Gluon, Pion
0, 0.135
EM
10−2
∞
Photon
0
Schwache
10−13
10−18
+
W , W −, Z 0
80, 80, 91
Gravitation
10−38
∞
Graviton*
0
Dieses Austauschteilchen wurde bisher nicht nachgewiesen und ist nur postuliert.
2.2 Der Betazerfall
Der Betazerfall ist ein radioaktiver Zerfallsprozess, bei dem als Reaktionsprodukte β-Teilchen, d.h. Elektronen oder Positronen emittiert werden. Man unterscheidet zwischen β + - und β − -Zerfall:
• β + -Zerfall: n → p + e+ + νe
• β − -Zerfall: p → n + e− + ν̄e
3
2 Theoretischer Hintergrund
Zum Betazerfall kommt es häufig dann, wenn ein ungünstiges Verhältnis von
Protonen zu Neutronen vorliegt. Dabei vermittelt ein W-Boson die schwache
Wechelswirkung, die die Umwandlung eines d-Quarks (beim Neutron) in ein
u-Quark bewirkt bzw. umgekehrt (beim Proton). Somit wird insgesamt ein
Neutron in ein Proton umgewandelt bzw. umgekehrt. Dieses umgewandelte
Nukleon bleibt im Kern, während ein Elektron und ein Antineutrino bzw. ein
Positron und Neutrino emittiert werden. Die Energien im β-Spektrum sind
kontinuierlich von Null bis zu einem für den Kern charakteristischen Maximum
verteilt. Dies veranlasste Pauli zur Postulierung der Neutrinos, die später auch
nachgewiesen werden konnten. Die freiwerdende Bindungsenergie teilt sich somit
auf das β-Teilchen und das (Anti-)Neutrino auf.
2.3 Der Comptoneffekt
Unter dem Comptoneffekt versteht man die inelastische Streuung eines Photons
an einem quasi-freien Elektron. Dabei kommt es zu einer Wellenlängenvergrößerung des gestreuten Photons, für die gilt:
∆λ =
h
· (1 − cos ϑ)
m0 c
Die Wellenlängenvergrößerung ist demnach lediglich vom Streuwinkel ϑ abhängig und nicht von der ursprünglichen Wellenlänge des einfallenden Photons. Bei
einer Streuung um ϑ = 90° bezeichnet man ∆λ als Compton-Wellenlänge.
Die Energie des gestreuten Photons ergibt sich zu:
Eγ0 =
Eγ
1+
Eγ
m0 c2
· (1 − cos ϑ)
Die Energiedifferenz zwischen einfallendem und gestreutem Photon wird als
kinetische Energie an das Elektron abgegeben. Damit die Wellenlängenänderung merklich wird, muss die Energie des Photons groß gegenüber der Energie
des Elektrons sein. Dies ist bei Photonenenergien zwischen ca. 100 keV und
10 MeV der Fall. Der maximale Energieübertrag findet bei der Rückstreuung
(Backscattering, ϑ = 180°) statt. In diesem Fall wird die Wellenlänge um die
doppelte Compton-Wellenlänge des Elektrons vergrößert. Im Spektrum bildet
sich an dieser Stelle die sogenannte Compton-Kante heraus.
2.4 Die Bremsstrahlung
Bremstrahlung ist eine Form der elektromagnetischen Strahlung. Sie entsteht
immer dann, wenn geladene Teilchen beschleunigt oder abgebremst werden.
Beim Durchgang durch Materie wechselwirken die geladenen Teilchen mit den
Atomen und werden somit abgebremst. Daher ensteht in diesem Fall immer
Bremsstrahlung, welche durch ein kontinuierliches Spektrum gekennzeichnet ist.
In diesem Versuch werden die erzeugten Bremsstrahlungsquanten an den
ausgerichteten Elektronen von Eisenatomen compton-gestreut. Der Wirkungs-
4
2 Theoretischer Hintergrund
querschnitt ist durch die Klein-Nishina-Formel gegeben:
µ ¶
dσ
r2 k 2
= 0
· (Φ0 + f · P · ΦH )
dΩ
2 k0
2.5 Parität und Polarisation
Das Verhalten eines Systems bei Inversion, also bei Spiegelung aller Koordinaten
am Ursprung, nennt man Parität. Die Paritätsoperator P bewirkt demnach eine
Umkehrung der Vorzeichen aller Koordinaten.
P ψ(~r) ≡ ψ(−~r)
Man unterscheidet zwei Fälle:
• positive Parität (Eigenwert des Paritätsoperators ist λ = +1):
P ψ(~r) ≡ ψ(−~r) = ψ(~r)
Das System ist invariant unter der Inversion P ⇒ gerades System.
• negative Parität (Eigenwert des Paritätsoperators ist λ = −1):
P ψ(~r) ≡ ψ(−~r) = −ψ(~r)
Das System ist nicht invariant unter der Inversion P ⇒ ungerades System.
Unter der Polarisation von Elektronen versteht man eine feste Beziehung
zwischen dem Spin- und dem Impulsvektor des Elektrons. Diese ist gegeben
~ Man unterscheidet zwischen polaren und axialen
durch das Skalarprodukt p~ · J.
Vektoren, wobei polare Vektoren solche sind, die unter Inversion ihr Vorzeichen
ändern und axiale solche, die ihr Vorzeichen unter Inversion beibehalten. Das
~ und einem
gegebene Skalarprodukt besteht demnach aus einem axialen (J)
polaren Vektor (~
p). Wendet man nun den Paritätsoperator P auf dieses Produkt
an, so erhält man
~ = −~
~
P (~
p · J)
p · J.
Die Polarisation ist also eine paritätsempfindliche Größe und eignet sich damit
zur Messung der Parität in unserem Experiment.
2.6 Das Wu-Experiment
1956 stellten Lee und Yang die Theorie auf, dass bei Prozessen, die der schwachen Wechselwirkung unterliegen, die Parität verletzt ist. Den experimentellen
Nachweis hierzu erbrachte Wu bei der Untersuchung des β − -Zerfalls von 60 Co.
Damit die Spins der 60 Co-Kerne in eine Vorzugsrichtung (z-Richtung) zeigten,
wurden die Kerne auf eine Temperatur von ca. 10 mK abgekühlt und magnetisch
ausgerichtet. Gemessen wurden jeweils die in negativer z-Richtung emittierten
Elektronen. Durch Umkehrung des Magnetfelds wurden einmal die in und einmal die entgegen der Spinrichtung emittierten (links- bzw. rechtshändigen) Elektronen detektiert. Wäre die Parität erhalten, müsste in beiden Fällen etwa die
gleiche Anzahl von Elektronen gemessen werden. Wu stellte jedoch fest, dass fast
ausschließlich Elektronen entgegen der Spinrichtung emittiert wurden. Daraus
schloss Wu auf die Paritätsverletzung bei der schwachen Wechselwirkung.
5
3 Versuchsdurchführung und Auswertung
2.7 Szintillationsdetektor
Ein Szintillationsdetektor ist ein Messgerät zur Bestimmung der Energie von
ionisierender Strahlung. Er besteht aus einem Szintillator, einem dahinter geschaltetem Lichtleiter und einem Photomulitplier.
Unter einem Szintillator versteht man ein Material (in diesem Versuch ein
NaJ-Kristall), das durch ionisierende Strahlung angeregt wird und diese Anregungsenergie anschließend wieder in Form von γ-Quanten einer spezifischen
Energie abgibt. Diese γ-Quanten schlagen aus der Photokathode des Photomulitpliers Elektronen heraus (Photoeffekt), die anschließend von Dynode zu
Dynode beschleunigt werden und an diesen jeweils mehrere Sekundärelektronen
auslösen. Die Elektronen werden hierdurch kaskadenartig vervielfacht und an der
Anode kann ein messbarer Spannungsimpuls registriert werden, der proportional
zur Energie der einfallenden Strahlung ist.
3 Versuchsdurchführung und Auswertung
3.1 Energie-Eichung mit Hilfe der Natriumquelle
Bevor wir quantitative Messungen durchführen können, muss zunächst die Energieskala des ADCs geeicht werden, d.h. wir ordnen den 1024 Kanälen entsprechende Energiewerte zu. Dazu verwenden wir das bekannte Spektrum von 22 Na.
Dieses besitzt charakteristische Peaks bei 511 keV (Photopeak der Paarvernichtung) und bei 1275 keV (Rückfallenergie vom angeregten Zustand 22 Ne∗ in den
Grundzustand 22 Ne).
Eine solche Natriumquelle wird direkt auf dem Szintillationsdetektor platziert, um eine Verzerrung des aufgenommenen Spektrums zu vermeiden. Dazu
wird der Detektor aus der Magnetanordnung herausgefahren. Wir führen eine
Messung über die Dauer von 30:36 min durch. Das aufgezeichnete Spektrum
des ADC À ist in Abbildung 1 wiedergegeben. Wir finden die beiden Peaks bei
folgenden Kanalnummern:
• 511 keV → Kanal 266
• 1275 keV → Kanal 719
Wir definieren die Kanalnummer k. Damit ergibt sich die Eichfunktion zu:
E(k) = (1.687 · k + 62.382) keV
Zur Verbesserung der Statistik fassen wir jeweils die registrierten Ereignisse
von 20 Kanälen zusammen, vgl. Abbildung 2. Um beide Eichfunktionen miteinander vergleichen zu können, normieren wir das zusammengefasste Spektrum auf
einen Kanal, indem wir die registrierten Ereignisse von 20 Kanälen jeweils durch
20 dividieren. Zur besseren Ortung der Maxima haben wir eine Splinefunktion
durch die so ermittelten Punkte gelegt. Ablesen der Postionen von Photo- und
Rückfallpeak ergibt die folgende Eichfunktion:
Ez (k) = (1.687 · k + 52.263) keV
6
3 Versuchsdurchführung und Auswertung
35000
Registrierte Ereignisse
30000
25000
20000
15000
10000
5000
0
0
200
400
600
800
1000
Kanalnummer
Abbildung 1: Das gemessene Natrium-Spektrum an ADC À, aufgetragen über
der Kanalnummer
Registrierte Ereignisse / 20 Kanäle
35000
20 Kanäle zusammengefasst
Splinefunktion
30000
25000
20000
15000
10000
5000
0
0
200
400
600
800
1000
1200
Kanalnummer
Abbildung 2: Das gemessene Natrium-Spektrum an ADC À mit jeweils
20 zusammengefassten Kanälen und Splinefunktion, aufgetragen
über der Energie (umgerechnet mit der Eichfunktion)
7
3 Versuchsdurchführung und Auswertung
Um die Energieauflösung zu ermitteln, bestimmen wir zunächst die Halbwertsbreite des Photopeaks bei 511 keV durch Ablesen aus dem Diagramm. Sie
beträgt FWHM = 62 Kanäle. Wir erhalten damit eine Energieauflösung von
∆E = 62 · 1.687 keV = 104.6 keV
oder auf die Energie selbst bezogen:
∆E
104.6 keV
=
= 0.205
E
511 keV
Dabei gehen bei allen hier ermittelten Funktionen von einem Fehler von 3 Kanälen aus. Dies entspricht einer möglichen Energieabweichung von 5.1 keV.
Wir wollen das erhaltene Spektrum und dessen charakteristische Merkmale
nun kurz erläutern:
• 121 keV: Appartur-bedingtes Elektronik-Artefakt
• 202 keV: Überlagerung der Backscatterpeaks des 511 keV- und des 1275 keVPeaks (einzelne Peaks können nicht aufgelöst werden)
• 329 keV: Comptonkante des 511 keV-Peaks
• 511 keV: Photopeak der Paarvernichtung (Elektron–Positron)
• 1032 keV: Comptonkante des 1275 keV-Peaks
• 1275 keV: Rückfall des angeregten
22 Ne∗
in den Grundzustand
Diese experimentell bestimmten Werte der Backscatterpeaks und Comptonkanten weichen von den theoretisch berechneten etwas ab. Nach der ComptonStreuformel
Eγ
Eγ0 =
Eγ
1 + m0 c2 · (1 − cos ϑ)
müssten sich folgende Energiewerte für die rückgestreuten γ-Quanten ergeben:
Eγ0 (511 keV) = 170 keV
Eγ0 (1275 keV) = 213 keV
Die Differenz dieser beiden Energiewerte ist mit 43 keV recht klein; daher können
die einzelnen Backscatter-Peaks nicht mehr aufgelöst werden und überlagern
sich zu einem gemeinsamen Peak.
Die Comptonkante entspricht der maximalen möglichen kinetischen Energie
des gestreuten Elektrons. Sie ist damit gleich der Differenz zwischen der Energie
des einfallenden γ-Quants und der des um 180° zurückgestreuten γ-Quants. Es
folgt damit rechnerisch:
Ee0 (511 keV) = 341 keV
Ee0 (1275 keV) = 1062 keV
Verglichen mit dem Auflösungsvermögen der Messvorrichtung sind die von uns
experimentell ermittelten Werte also recht präzise.
8
3 Versuchsdurchführung und Auswertung
0.04
0.03
Zählrateneffekt η
0.02
0.01
0
-0.01
-0.02
-0.03
-0.04
0
250
500
750
1000
1250
1500
1750
2000
Energie / keV
Abbildung 3: Der Zählrateneffekt mit Fehlerbalken, aufgetragen über der
mittels Eichfunktion berechneten Energie
3.2 Apparativ vorgetäuschte Polarisation
Um zu überprüfen, ob eine apparativ vorgetäuschte Polarisation vorliegt, betrachten wir den Zählrateneffekt η. Dieser gibt den Anteil der Ereignisse an,
welche in einer Richtung pro 20 Kanäle mehr registriert wurden als in der
anderen:
z+ − z−
η= +
z + z−
Im Idealfall sollte der Zählrateneffekt an jeder Stelle 0 betragen. An Abbildung 3 sieht man, dass diese Bedingung im Bereich bis ca. 1400 keV sehr
gut erfüllt ist, während die Abweichungen im höheren Energiebereich größer
werden. Da die Endpunktsenergie des Strontium-Spektrums bereits bei 981 keV
liegt, betrachten wir im Folgenden nur Werte, die im Intervall zwischen 0 und
1000 keV liegen.
Wir verwenden den χ2 -Test, um die Abhängigkeit genau zu überprüfen. Be∧
trachtet man m verschiedene Kategorien, deren erwartete Häufigkeit (= Erwartungswert) jeweils ni,0 beträgt und deren beobachtete Häufigkeit ni beträgt, so
berechnet sich die Größe χ2 allgemein nach folgender Formel:
χ2 =
¶
m µ
X
ni − ni,0 2
σi
i=1
9
3 Versuchsdurchführung und Auswertung
Im Falle unseres Experiments ist der Erwartungswert von z + bzw. z − jeweils
zi+ + zi−
2
+
−
zi,0 := zi,0
= zi,0
=
Die beobachteten Häufigkeiten sind jeweils zi+ bzw. zi− . Damit erhalten wir:
¶2 X
¶2
m µ +
m µ −
X
zi − zi,0
zi − zi,0
2
χ =
=
σi
σi
i=1
i=1
Wir erhalten:
χ2 = 11.17
und damit ist das gesuchte reduzierte χ2 :
χ2red =
χ2
= 0.56
20
Nachschlagen in einer χ2 -Tabelle bestätigt unsere Hypothese, dass der Zählrateneffekt in guter Näherung der Nullverteilung entspricht und damit keine
vorgetäuschte Polarisation vorliegt.
3.3 Strontium-Daten
Nun haben wir die Strontium-Quelle über dem Bleikonus und dem Magneten
platziert und eine Messung des Spektrums über einen Zeitraum von 21:15 h
gemessen (Beginn der Messung: Montag, 13:00 Uhr; Ende: Dienstag, 10:15 Uhr).
Wir haben das Spektrum einmal mit und einmal ohne zusammengefasste Kanäle
geplottet, vgl. Abbildungen 4 und 5.
3.3.1 Bestimmung der Endpunktsenergie im Bremsstrahlungsspektrum
Unter der Endpunktsenergie versteht man die maximale Energie, die ein Bremsstrahlungselektron besitzen kann. Anschaulich entspricht diese der Energie des
compton-gestreuten γ-Quants, welches durch vollständige Abbremsung eines
Elektrons erzeugt wurde.
Wir lesen die Zerfallsenergien aus dem Zerfallsschema von 90 Sr ab. Um den
theoretischen Wert der Endpunktsenergie zu berechnen, müssen wir die hiervon
verbleibende Energie nach Compton-Streuung berechnen:
Eend,theo =
Eβ,kin
1+
Eβ,kin
m0 c2
· (1 − cos ϑ)
Dabei ist ϑ laut Anleitung 45.33°; die Zerfallsenergie von Strontium beträgt
546.2 keV. Damit erhalten wir
Eend,theo = 415 keV
Allerdings gilt es zu beachten, dass auch das Zerfallsprodukt 90 Y unter Aussendung von β − -Strahlung zerfällt. Die theoretische Endpunktsenergie zu diesem
Zerfall berechnet sich zu
Eend,theo = 981 keV
10
3 Versuchsdurchführung und Auswertung
600000
Registrierte Ereignisse
500000
400000
300000
200000
100000
0
0
200
400
600
800 1000 1200 1400 1600 1800
Energie / keV
Abbildung 4: Bremsstrahlungsspektrum der Strontium-Quelle
10
Registrierte Ereignisse / 106
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
0
200
400
600
800 1000 1200 1400 1600 1800
Energie / keV
Abbildung 5: Bremsstrahlungsspektrum der Strontium-Quelle mit zusammengefassten Kanälen
11
3 Versuchsdurchführung und Auswertung
1000
Strontium
Normierter Untergrund
Registrierte Ereignisse
800
600
400
200
0
750
800
850
900
950
1000
1050
1100
Energie / keV
Abbildung 6: Das Strontiumspektrum aufgetragen zusammen mit dem darauf
normierten Untergrund im interessierenden Intervall
In Abbildung 6 haben wir das aufgenommene Strontium-Spektrum zusammen
mit dem Untergrund im Intervall [750, 1100] keV geplottet. Dabei haben wir
wieder die registrierten Ereignisse auf den gleichen Zeitraum normiert, indem
wir die gemessenen Ereignisse des Untergrunds mit der Normierungskonstante1
multipliziert haben.
Aus dem Diagramm liest man eine Endpunktsenergie von etwa
Eend = (1000 ± 30) keV
ab (Schnittpunkt der beiden Graphen). Dieses Resultat liegt sehr nahe am
theoretisch berechneten Wert von 981 keV. Ungenauigkeiten rühren zum einen
von den im Plot sichtbaren, recht starken Schwankungen her, aufgrund derer
eine exakte experimentelle Bestimmung nicht möglich ist. Auf weitere mögliche
Fehlerquellen wird im Abschnitt 4.1 eingegangen.
3.3.2 Polarisationsgrad
Die Polarisation ergibt sich durch Umstellung von Formel (9) des Anleitungsblatts:
η
η Φ0
P =
= ·
A
f ΦH
1
Die Normierungskonstante ist gleich dem Quotienten aus der Messzeit der StrontiumSpektrums und der Messzeit des Untergrunds: cn = ttSr
= 85
≈ 10.63.
8
U
12
3 Versuchsdurchführung und Auswertung
Nach den Formeln (5) und (6) der Anleitung berechnen wir den polarisationsunabhängigen Teil Φ0 und den polarisationsabhängigen Teil ΦH . Daraus ergibt
sich der Quotient ΦH /Φ0 wie in Tabelle 1 angegeben. Den Faktor f ermittelt
man einfach mit der Formel:
µ
¶
1
B
f=
·
−H
Z · NV · µB
µ0
Dabei erhalten wir NV mit der mittleren Atommasse von Eisen A = 55.9 u:
NV =
ρF e
= 8.49 · 1028 m−3
A
Mit den Werten aus der Anleitung ergibt sich damit:
f = 0.049 ± 0.003
Zur Berechnung des Fehlers ∆η haben wir die allgemeine gaußsche Fehlerformel verwendet (siehe Abschnitt 4.2). Vernachlässigt man den Untergrund, so
führt dies auf folgende Formel:
sµ
¶2
2
∆η =
· [(z − ∆z + )2 + (z + ∆z − )2 ]
z+ + z−
√
√
mit ∆z + = z + und ∆z − = z − .
Tabelle 1 listet die Größen Eγ0 , Eβ , η, ∆η, β, ΦH /Φ0 , sowie P und ∆P im
Bereich von 100 keV bis 1000 keV auf. Aus den berechneten Polarisationen haben
wir ein Diagramm P (β) geplottet (vgl. Abbildung 7) und eine Ursprungsgerade
an die Datenpunkte angefittet. Bei einer Geradenfunktion
f (x) = m · x
erhielten wir als Fitparameter:
m = −1.025
Diese Steigung liegt sehr nahe bei −1 und deckt sich somit gut mit der Theorie,
nach der gilt: |P (β)| = |β|. Da für alle Datenpunkte |P (β)| À 0 gilt, ist
offenbar die Parität verletzt. Es werden zum Großteil linkszirkular polarisierte
β − -Teilchen emittiert.
13
3 Versuchsdurchführung und Auswertung
0.2
Gemessene Polarisation
Fitfunktion
0
Polarisation P
-0.2
-0.4
-0.6
-0.8
-1
-1.2
0.6
0.65
0.7
0.75
0.8
0.85
0.9
0.95
1
β = v/c
Abbildung 7: Die Polarisation aufgetragen über β mit Fitgerade
Eγ0 / keV
Eβ / keV
η / 10− 2
∆η / 10− 2
β
ΦH
Φ0
P (β)
∆P (β)
102.9
136.6
170.4
204.1
237.8
271.5
305.3
339.1
372.8
406.5
440.3
474.0
507.8
541.5
575.2
608.9
642.7
676.5
710.2
743.9
777.7
811.4
845.2
878.9
912.6
946.4
980.1
109.4
148.4
189.1
231.6
276.0
322.5
371.2
422.3
475.9
532.3
591.7
654.2
720.3
790.2
864.1
942.6
1025.9
1114.7
1209.3
1310.6
1419.0
1535.5
1661.0
1796.5
1943.4
2103.1
2277.3
−0.207
−0.172
−0.222
−0.344
−0.405
−0.432
−0.544
−0.594
−0.712
−0.751
−0.959
−0.998
−0.864
−1.169
−1.218
−1.234
−1.598
−1.595
−1.543
−1.859
−1.172
−0.396
−2.262
0.154
−0.364
0.031
−0.059
0.060
0.046
0.045
0.048
0.055
0.064
0.077
0.093
0.113
0.136
0.165
0.199
0.241
0.291
0.353
0.429
0.523
0.639
0.781
0.956
1.166
1.408
1.677
1.960
2.279
2.504
2.798
0.567
0.632
0.684
0.726
0.761
0.790
0.815
0.837
0.856
0.872
0.886
0.899
0.910
0.920
0.928
0.936
0.943
0.949
0.955
0.960
0.964
0.968
0.972
0.975
0.978
0.981
0.983
0.041
0.055
0.069
0.084
0.099
0.115
0.130
0.146
0.162
0.178
0.195
0.212
0.229
0.246
0.263
0.280
0.297
0.315
0.332
0.349
0.366
0.383
0.400
0.417
0.433
0.449
0.464
−1.04
−0.64
−0.66
−0.84
−0.84
−0.78
−0.86
−0.84
−0.90
−0.87
−1.01
−0.97
−0.78
−0.98
−0.95
−0.91
−1.10
−1.04
−0.96
−1.09
−0.66
−0.21
−1.16
0.08
−0.17
0.01
−0.03
0.773
0.360
0.292
0.307
0.263
0.215
0.212
0.190
0.188
0.172
0.187
0.177
0.155
0.179
0.184
0.192
0.221
0.238
0.261
0.302
0.331
0.375
0.442
0.480
0.537
0.569
0.615
Tabelle 1: Experimentell ermittelte Werte des Zählrateneffekts η und der
Polarisation P (β) mit den zugehörigen Energien Eγ0 und Eβ .
14
4 Diskussion und Fehlerabschätzung
Abbildung 8: Skizze der Messanordnung zur Bestimmung des Geometriefehlers
4 Diskussion und Fehlerabschätzung
4.1 Mögliche Fehlerquellen
• Die Elektronen aus der Quelle wechselwirken auch mit Teilchen in der
Quelle und im Blei.
• Die Detektoröffnung ist nicht punktförmig, sondern 76.4 mm breit. Die
Annahme, die γ-Quanten würden stets so gestreut, dass sie genau die
Mitte des Detektors treffen, führt zu einem weiteren Fehler. Die mögliche
Winkelabweichung ∆ϑ lässt sich aus der Geometrie des Aufbaus berechnen
(siehe Abbildung 8).
∆ϑ = arctan
11.8
50
− arctan
≈ 15.7◦
131
131
• Wir können nicht sicher davon ausgehen, dass die automatische Umpolung des Magnetfelds exakt funktioniert hat. Es könnte durchaus kleine
Abweichungen in der Zeit gegeben haben.
• Da wir nicht die Elektronen selbst, sondern nur die durch sie verursachten Gamma-Quanten gemessen haben (Bremsstrahlung), ist es ebenfalls
möglich, dass bei diesem Vorgang eine Verzerrung des Messergebnisses
stattgefunden hat. Möglicherweise ist der Bremsstrahlungsprozess nicht
ideal abgelaufen und es wurde nicht die gesamte Elektronenenergie in
Bremsstrahlung umgewandelt.
Für P =
η·Φ0
f ·ΦH
berechnet sich der Fehler ∆P zu
v
¯2
u¯
¯2 ¯
¯2 ¯¯
¯
u¯ ∂P
¯
¯
¯
∂P
∂P
Φ
¯
¯
H
∆P = t¯¯
∆η ¯¯ + ¯¯
∆f ¯¯ + ¯ Φ ∆
¯
H
¯
∂η
∂f
Φ0 ¯
∂Φ
0
15
4 Diskussion und Fehlerabschätzung
4.2 Messzeitabschätzung
Damit der Polarisationsgrad bei der experimentell gefundenen Endpunktsenergie auf besser als 1 % bestimmt werden kann, muss gelten
∆η
≤ 0.01 ,
η
da eine Verlängerung der Messzeit lediglich eine Minimierung des statistischen
Fehlers darstellt. Unter Berücksichtigung des Untergrunds (z 0 ) berechnet sich η
zu
(z + − z 0 ) − (z − − z 0 )
z+ − z−
η= +
=
(z − z 0 ) + (z − − z 0 )
z+ + z− − 2 z0
und damit ergibt sich ein Fehler von
s¯
¯2 ¯
¯2 ¯
¯2
¯
¯ ∂η
¯
¯ ∂η
¯
¯ ∂η
+
−
0
¯
¯
¯
¯
¯
∆η = ¯ + ∆z ¯ + ¯ − ∆z ¯ + ¯ 0 ∆z ¯¯
∂z
∂z
∂z
Wir ersetzen nun in der Formel für ∆η die Variablen z i durch ż i · t und erhalten:
∆η =
ξ·t
(ż + + ż − − 2ż 0 )2 · t2
mit der Definition
q
ξ · t :=
[2(ż − − ż 0 ) · ∆z + · t]2 + [2(−ż + + ż 0 ) · ∆z − · t]2 + [2(ż + − ż − ) · ∆z 0 · t]2
q
[2(ż − − ż 0 ) · ∆z + ]2 + [2(−ż + + ż 0 ) · ∆z − ]2 + [2(ż + − ż − ) · ∆z 0 ]2 · t
=
Es folgt:
t=
ξ
∆η
und mit ∆η ≤ 0.01 η erhalten wir für die Messzeit:
t ≥
=
ξ
0.01 · η
q
[2(ż − − ż 0 ) · ∆z + ]2 + [2(−ż + + ż 0 ) · ∆z − ]2 + [2(ż + − ż − ) · ∆z 0 ]2
0.01 · (ż + + ż − − 2ż 0 )2
≈ 230 d
Ganz offensichtlich ist die Genauigkeit unserer Messung also weit unterhalb den
gewünschten 1 % und wir müssen unsere Resultate mit größter Vorsicht genießen. Mit über 230 Tagen Messdauer ist der Versuchsaufbau in der verwendeten
Form ungeeignet, eine effektive und genaue Messung zur Paritätsverletzung
durchzuführen.
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