P H Y S I K

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T h e o r ie , S im u la tio n e n u n d E x p e r im e n te z u r
P
H Y S IK
K u r z th e o r ie u n d A u fg a b e n
S te p h a n S c h e id e g g e r
Theorie, Modelle und Experimente zur
Physik
Kurztheorie und Aufgaben
Autoren
Prof. Dr. Stephan Scheidegger
Zentrum für Angewandte Mathematik und Physik
Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW
[email protected]
mit Beiträgen von
Prof. Dr. Ruedi Füchslin
Zentrum für Angewandte Mathematik und Physik
Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW
[email protected]
1. Auflage 2008 (Theorie, Simulationen und Experimente zur Physik)
2. revidierte Auflage 2009
3. revidierte und ergänzte Auflage 2010
4. revidierte und ergänzte Auflage 2011
5. revidierte und ergänzte Auflage 2012
6. revidierte und ergänzte Auflage 2015
7. leicht revidierte Auflage 2016
Vorwort
Dieser Grundkurs in Physik beinhaltet viele verschiedene Themen. Ziel ist es,
einen Überblick zur Physik als wissenschaftliche Disziplin zu geben. Das vorliegende Skript mit Kurztheorie und Aufgaben soll dabei die Orientierung unterstützen.
Die einzelnen Gebiete werden nicht erschöpfend behandelt, sondern es werden Beispiele exemplarisch dargestellt – mit dem Ziel, grundlegende Konzepte
und Methoden der Physik zu vermitteln. Insbesondere stehen Computersimulation und Modellierung physikalischer Prozesse im Vordergrund.
Die vorliegenden Aufgaben mit Kurztheorie ersetzten kein Lehrbuch. Die Theorie ist absichtlich knapp gehalten. Die aktive Beteiligung am Unterricht und
selbstständiges Repetieren des Stoffs ist unabdingbare Voraussetzung für das
Verständnis.
Viele Aufgaben sind mit Musterlösungen versehen. Dies verleitet, bei
Schwierigkeiten direkt die Musterlösung anzuschauen. Um jedoch auf Prüfungen gut vorbereitet zu sein, genügt es nicht, die Aufgaben einfach nachzuvollziehen können. Deshalb einige Tipps für die Prüfungsvorbereitung:




Lösen Sie die Aufgaben begleitend zum Unterricht – wer seine Hausaufgaben regelmässig macht, erspart sich lange Abende vor der Prüfung!
Führen Sie ein Theorieheft (gebunden), wo Sie nicht nur Theorie und
Aufgaben hineinschreiben, sondern auch Fragen schriftlich festhalten.
Lösen Sie vor der Prüfung eigene Aufgaben. Ändern Sie z.B. in den
vorliegenden Aufgabe die Zahlen oder versuchen Sie, die Aufgabenstellung umzukehren.
Orientieren Sie sich an Fragen: Was bedeutet eine bestimmte physikalische Grösse? Warum wird eine bestimmte Formel verwendet? Gilt
etwas allgemein oder ist es nur für eine spezielle Situation gültig? Wie
ist ein Problem strukturiert?
Im Skript sind auch Praktikumsaufträge enthalten. Diese beinhalten unter anderem Aufträge zu Modellbildung und Computersimulationen. Dabei soll einerseits anhand von Simulation und Modellbildung eine wichtige Technik in der
Physik erlernt werden. Andererseits dienen die Simulationen als virtuelle Experimente, welche die Physik veranschaulichen. Viele Simulationen können
mit-tels Tabellenkalkulationsprogrammen (GNUmeric, Excel) realisiert werden.
Einige Simulationen erfordern ein Systemdynamikprogramm (e.g. Vensim, Berkeley-Madonna etc.).
Als mathematische Kenntnisse wird das Rechnen mit Potenz-, Exponential- und
Logarithmusfunktionen sowie mit trigonometrischen Funktionen vorausgesetzt.
Weitere Voraussetzung für das Verständnis sind die Grundzüge der Vektorgeometrie und Vektorrechnung.
Vorwort zur 5. Auflage
Bei der Weiterentwicklung dieses Grundkurses für Physik wurde versucht,
gezielt sinnvolle Ergänzungen mit illustrativen Beispielen zur Physik bzw. zur
Methodik zu finden. Dabei stellte und stellt sich immer wieder die Frage nach
den Inhalten, welche in einer Grundvorlesung in technisch, naturwissenschaftlich oder medizinisch orientierten Studiengängen behandelt werden sollen. Insbesondere aus Sicht von anwendungsorientierten Studiengängen ist dies Frage
nicht immer einfach zu beantworten. Zum Einen sind gewisse Grundlagen im
Sinn von Definitionen und Methoden wichtig, zum Anderen muss im Rahmen
der üblicherweise vorhandenen Zeitbudgets auf eine umfassende Behandlung
der einzelnen gebiete verzichtet werden. Wichtig dürfte deshalb vor allem der
orientierende und einführende Charakter eines Grundkurses sein. Es wird in
diesem Grundkurs auch auf eine historisierende Behandlung der Physik bewusst
verzichtet. Historische Entwicklungen in der Physik sind faszinierend, ihnen
aber in einem zeitlich stark begrenzten Unterricht gerecht zu werden, ist
unmöglich. Deshalb werden im hier vorliegenden Physik-Kurs die Zugänge zu
einigen Themen unkonventionell, manchmal durchaus etwas rudimentär gewählt. Im Vordergrund stehen jedoch Konzepte, welche sich durchaus auf biologische, chemische, technische oder sogar ökonomische Systeme übertragen
lassen.
Winterthur, im Frühling 2012
Stephan Scheidegger
Inhalt
100 Kinematik: Wurfbewegungen
110 Raum und Zeit
120 Berechnung von Bahnkurven
1
2
18
200 Dynamik: Kräfte und Impuls
210 Ursache von Kräften
220 Fall- und Wurfbewegungen mit Luftwiderstand
230 Impuls
27
28
42
50
300 Arbeit, Energie und Potential
310 Arbeit und Leistung
320 Felder und Potentiale
72
73
82
400 Schwingungen
410 Pendel
420 Untersuchung von oszillierenden Systemen
109
110
135
500 Rotation des starren Körpers
510 Drehungen und Drehmomente
520 Rotationsenergie und Drehimpuls
157
158
168
600 Mechanik der Kontinua
610 Feste Körper
620 Flüssigkeiten und Gase
183
184
201
700 Thermodynamik
710 Temperatur
720 Wärme und Energie
730 Chemische Reaktionen
740 Wärmetransport und Transportphänomene
246
247
258
282
295
800 Elektrodynamik
810 Materie im elektrischen Feld
820 Schaltungen im Gleichstromkreis
830 Geladene Teilchen im Magnetfeld
840 Induktivitäten und Kapazitäten im Wechselstromkreis
850 elektromagnetische Feldgleichungen
308
309
317
328
343
376
900 Wellen, Strahlen und Teilchen
910 geometrische Optik
920 Wellenoptik
930 Quantenmechanische Modelle
940 Kerne und Teilchen
392
393
403
410
439
000 Anhänge
010 Mathematische Grundlagen
020 Strukturen und Definitionen in der Physik
456
456
463
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 100 Kinematik: Wurfbewegungen
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, wie sich Bahnkurven von
Punktmassen mathematisch beschreiben lassen. Dabei stehen vor allem zwei
mathematische Hilfsmittel im Vordergrund: Vektoren und Differentiale.
Die Lernziele sind:
Inhalt
Lernziele
1. Bewegungen in zwei- und dreidimensionalen Räumen mit Vektoren
beschreiben können
2. Die Definitionen der kinematischen Grundgrössen auswendig kennen
3. Differentialkonzept anhand von Geschwindigkeit und Beschleunigung erklären können
4. Weg, Geschwindigkeit und Beschleunigung einer Bewegung als
Funktion der Zeit skizzieren können
5. Wurfbewegungen ohne Luftwiderstand mit dem Computer simulieren können
Beispiel
Ausbruch des Stromboli (Oktober 2007): Zu sehen sind die parabel-förmigen
Flugbahnen der glühenden Lavabomben (Pfeil).
1 Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 110 Raum und Zeit
111 Ortsvektoren
Theorie
Im dreidimensionalen Raum können jedem Punkt drei Koordinaten zugeordnet werden. Dafür muss vorgängig ein Koordinatensystem definiert
werden. Dieses wird als rechtshändiges System mit den Achsen für x-, yund z-Koordinaten definiert. Die Koordinaten eines Punktes im Raum bilden einen Ortsvektor:
 x
  
r   y
z
 

(Eq.1)


Die Strecke s zwischen zwei Punkten mit den Ortsvektoren r1 und r2 kann

als Differenzvektor r geschrieben werden, wobei die Strec-ke ihre
Richtung durch die Festlegung ZIEL minus START erhält:

  
s  r  r2  r1
Beispiele
B1. Der folgende Vektor beschreibt eine Kreisbahn in zwei Dimensionen:
   cos(t ) 

r  
  sin(t ) 
Die Strecke zwischen zwei Punkten auf der Kreisbahn (Achtung, dies ist
nicht die Strecke auf der Kreisbahn, s. Fig.1!) zwischen den Zeiten t1 und t2
beträgt bei konstantem  (Kreisgeschwindigkeit)
2
Die genauen Definition der Einheiten ist im Anhang gegeben.
Strecke
(Eq.2)
Die SI-Einheit1 der Strecke (Länge) ist Meter (m).
1
Ortsvektor
Meter
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik s  r   x 2   y 2 
  2  cos(  t2 )  cos(  t1 )    2  sin(  t2 )  sin(  t1 ) 
2

 cos(  t2 )  cos(  t1 ) 
2
  sin(  t2 )  sin(  t1 ) 
2
Kreisbewegung
2
y
y
r(t2)
y(t)
s
x
t
r(t1)
Fig.1. Strecke zwischen zwei Punkten auf einer Kreisbahn (mit Mittelpunkt gleich
Ursprung des Koordinatensystems)
Die maximale Distanz für die zwei Punkte und den dazugehörigen Zeitpunkt
können mittels folgender Überlegungen gefunden werden: Die Punkte liegen dann am weitesten auseinander, wenn die cos-Terme und oder sinTerme eine möglichst grosse different ergeben. Dies ist z.B. der Fall, wenn
cos(t2 )  cos(t1 )  1  (1)  2 und folglich bei diesem gegebenen t2
bzw. t1 sin(t2 )  sin(t1 )  0  0  0 . Die Strecke s wird dann zu
 22  2 (also dem Kreisdurchmesser). Der Zeitpunkt t2 ergibt sich aus
der Bedingung cos(t2 )  1 , also t2  n  2 mit n  (0,1, 2,3,...) und
somit t2  n  2 /  . Analog kann der Zeitpunkt t1 gefunden werden, dieser
beträgt t1  (2n  1)   /  . Die Zeitdifferenz t  t2  t1 ist dann folglich
gegeben durch t   /  für gleiches n. Das Minuszeichen zeigt an, dass
bei der Wahl für die Werte von t ein negativer Drehsinn für die Be
wegung von r (t ) resultiert.
B2. Für bestimmte Probleme oder Anwendungen empfielt sich die Verwendung angepasster Koordinatensysteme. Besonders günstig ist die an die
Anpassung an die Symmetrie des Problems. Für Kreisbewegungen können
3 Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik so z.B. Polarkoordinaten in Betracht gezogen werden, wobei die Ortsangabe
durch einen Radius r und einen Winkel  erfolgt.
 r
r  
 
Dabei hat jede Festlegung Vor- und Nachteile. In Fig.2. ist der gleiche Vektor einmal in karthesischen und einmal in Polarkoordinaten dargestellt. Wird
 
nun die Differenz r2  r1 gebildet, ergen sich Probleme bezüglich der

Subtraktionsoperation.So ist die Differenz zwischen dem Vektor r2  (0,1)
 

und r2  (1,0) in karthesischen Koordinaten r2  r1  (1,1) , jedoch in
Polarkoordinaten:
   1  1  2   0 
r2  r1  
  
     

  / 2   0   3 / 2    / 2 
Fig.2. Karthesische Koordinaten und Polarkoordinaten
4
PolarKoordinaten
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Aufgaben
A1. Berechnen Sie den Betrag der Strecke zwischen den Punkten
A(1m,3m,2m) und B(4m,-1m,2m).
A2. Gegeben sei der Ort als Funktion der Zeit t:
 vt 

 
r (t )   0  mit der Konstante z.
z
 
a) Berechnen Sie den Ortsvektor und die Distanz zum Ursprung des
Koordinatensystems zur Zeit t = 4 s.
b) Welche Strecke wird zwischen t = 2s und t = 4s zurück gelegt, wenn
v = 5 m/s ist?
Lösungen

L1. Der Betrag ist gegeben durch s  s 
x 2  y 2  z 2 , also
s  (4m  1m) 2  (1m  3m) 2  (2m  2m) 2  5m
L2.
a)
 v  4s 



r (4 s )   0 
 z 


b)
 v  4s  v  2s   v  2s 
 


 

Δr  r (4s )  r (2s )  
0
 0 

  0 
zz

 


Distanz = r  r  v 2 16s 2  z 2

Δr  Δr  v  2 s  10m
5 Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 112 Geschwindigkeit und Beschleunigung
Theorie
Nebst den drei Raumkoordinaten wird für die Beschreibung physikalischer
Prozesse auch die Zeit benötigt. Angenommen, ein punktförmiges Objekt


befinde sich zur Zeit t1 am Ort r1 und zur Zeit t 2 am Ort r2 , so legt der
  
Punkt während der Zeitdifferenz t  t 2  t1 die Strecke r  r2  r1
zurück. Für eine nicht beschleunigte Be-wegung lässt sich die Geschwindigkeit schreiben als:
  x / t 
 r 
v
  y / t 
t 

 z / t 
(Eq.3)
Für eine Bewegung nur in x-Richtung wird der Geschwindigkeitsvektor zu:
 x 
   vx 
  t   
v  0  0
 0  0
   
 
6
Geschwindigkeitsvektor
(Eq.4)
Mit Geschwindigkeit kann sowohl der Geschwindigkeitsvektor als auch der
Betrag der Geschwindigkeit gemeint sein. Streng genommen sollten aber
diese beiden Grössen begrifflich getrennt werden, z.B. in dem mit Geschwindigkeit die vektorielle Grösse und mit Schnelligkeit der Betrag der
Geschwindigkeit gemeint ist (analog zu den englischen Begriffen Velocity
und Speed, s. Fig.3). Im Folgenden werden aber die Begriffe Geschwindigkeitsvektor und Geschwindigkeit im Sinn des Betrages des Geschwindigkeitvektors begrifflich nicht explizit getrennt.
Fig.3. Geschwindigkeit und Schnelligkeit
Zeit
Geschwindig
und
Schnelligkeit
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Die Formel Eq.3 und Eq.4 gelten nur für Bewegungen mit konstanter Geschwindigkeit. Dies ist jedoch eine Ausnahme. Für sich zeitlich verändernde
 
Geschwindigkeiten ist diese eine Funktion der Zeit, also: v  v (t ) . Die
Änderung einer Funktion wird durch die Steigung beschrieben. Dabei ist der

Quotientenvektor r / t nur ein Schätzwert, welcher immer besser wird
für kleine Zeitschritte t . Im Folgenden soll nur die Bewegung in xRichtung betrachtet werden.
Mit Steigung wird in der Mathematik die Eigenschaft der Steilheit einer
Kurve beschrieben. Für eine Gerade x(t )  v x t  x 0 ist die Steigung definiert durch:
vx 
x
t
nicht konstante
Geschwindigkeiten
Steigung
(Eq.5)
Sei nun x  x(t ) eine reelle Funktion mit dem Definitionsbereich D
( t  D  R ), so kann nun für die Punkte P (t , x)  x(t ) und
Q(t  t , x  x)  x(t ) die Steigung der Verbindungsgerade mit (Eq.5)
berechnet werden. Nun soll aber die Steigung der Kurve x(t ) bei Punkt P
genau bestimmt werden. Wenn sich der Punkt Q verschiebt, ändert sich
auch die Steigung der Verbindungsgeraden PQ (Fig.2).
x(t)
Q
Q+
P
Q*
t
t
Fig.4. Steigung einer Kurve
7 Steigung einer
Tangenten
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik In Fig.4. kann festgestellt werden, dass sich die Gerade PQ mit kleiner
werdendem t einer Tangente an die Kurve bei P annähert. Die Steigung
v x  v x (t ) der Tangente beim Punkt P lässt sich durch eine Grenzwertbildung ermitteln:
GrenzwertBildung
 x 
 x(t  t )  x(t ) 
v x  lim    lim 

t 0 t
t
  t 0

(Eq.6)
Im Gegensatz zu einer Geraden ändert sich aber bei der Funktion x(t ) der
Wert für die Steigung ständig. Die Steigung v x  v x (t ) ist deshalb im Allgemeinen wieder eine Funktion, welche als Ableitung bezeichnet wird. Um
nicht jedes Mal den ganzen Ausdruck für die Grenzwertbildung hinschreiben zu müssen, werden folgende abgekürzte Schreibweisen verwendet:
 x  dx
lim   
 x
t 0 t
  dt
(Eq.7)
Ableitung und
Ableitungsfunktion
Die SI-Einheit der Geschwindigkeit ist m / s . Im Kapitel 100 müssen meistens noch keine Ableitungen analytisch berechnet werden. Hingegen ist
diese Betrachtung wichtig für die Computersimulation physikalischer Prozesse, welche in diesem Kapitel anhand von Wurfbewegungen eingeführt
werden soll.
Die Geschwindigkeit v x (t )  x (t ) ist also die zeitliche Ableitung der Ortsfunktion x(t ) . Diese Definition kann problemlos auf den Geschwindigkeitsvektor (Eq.3) übertragen werden:
 x (t ) 
 x(t ) 

 d 


v (t )   y (t )    y (t ) 
 z (t )  dt  z (t ) 




(Eq.8)
Dabei wird der Operator der zeitlichen Ableitung geschrieben als:
d
 ...
...  lim
t 0  t 
dt


8
(Eq.9)
Geschwindigkeitsvektor in
differentieller
Form
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 
Die Geschwindigkeitsfunktion v (t ) ändert sich im Allgemeinen ebenfalls
mit der Zeit. Die zeitliche Änderung der Geschwindigkeit ist die Beschleu 
nigung a  a (t ) . Diese ist im Allgemeinen ebenfalls eine Funktion der
Zeit, welche sich als Ableitung der Geschwindigkeitsfunktion schreiben
lässt:

dv

a (t ) 
dt
(Eq.10)
Da die Geschwindigkeit eine vektorielle Grösse darstellt, bildet auch die
Ableitung davon, also die Beschleunigung, einen Vektor. Da die Geschwindigkeit ihrerseits bereits die zeitliche Ableitung der Ortsfunktion ist, kann
die Beschleunigung auch als die zweite Ableitung der Ortsfunktion
aufgefasst werden (mit der SI-Einheit m / s 2 ):


d  dr  d 2 r

a (t )     2
dt  dt  dt
(Eq.11)
Beispiele
B1. Sei x(t ) 
Beschleunigung
ax 2
 t . Wie gross ist die Geschwindigkeit bei t = 2 s für
2
ax  1m / s 2 ?
Näherungsweise ist die Geschwindigkeit
ax
a
 (t  t ) 2  x  t 2
Δx x(t  Δt )  x(t ) 2
2
v


Δt
Δt
Δt
Um ein möglichst genaues Resultat zu erhalten, sollte der Zeitschritt Δt so
klein wie möglich gewählt werden:
1
1
m / s 2  (2s  1s ) 2  m / s 2  (2 s ) 2
2
2
Für Δt = 1 s ergibt sich: v 
 2.5 m/s
1s
1
1
m / s 2  (2s  0.1s ) 2  m / s 2  (2 s ) 2
2
2

Für Δt = 0.1 s ergibt sich: v 
0.1s
= 2.05 m/s
9 Ableitung und
Ableitungsfunktion
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 1
1
m / s 2  (2s  0.01s ) 2  m / s 2  (2 s ) 2
2
2

Für Δt = 0.01 s ergibt sich: v 
0.01s
= 2.005 m/s
Für Δt = 0.001 s ergibt sich 2.0005 m/s. Für Δt  0 strebt die errechnete
Geschwindigkeit gegen 2 m/s.
B2. Sei v(t ) 
k
 v0 . Wie gross ist die Beschleunigung bei t = 3 s für
t
k = 2 m?
k
k
2m 2m
 v0   v0

t

0.1
s
t
3.1
s 3s 

Für Δt = 0.1 s ergibt sich: a 
0.1s
0.1s
= -0.215 m/s2
Für Δt = 0.01 s ergibt sich -0.221 m/s2 und für Δt = 0.001 s -0.222 m/s2.
Auch hier strebt für Δt  0 die berechnete Beschleunigung gegen einen
Grenzwert (-0.22222 m/s2).
Um die Geschwindigkeit oder die Beschleunigung für einen belie-bigen
Zeitpunkt t zu berechnen, gibt es Ableitungsregeln, welche relativ einfach
angewendet werden können. Diese sind im Anhang 1 und 2 hergeleitet.
Aufgaben
A1. Die Messung des Aufenthaltsortes eines punktförmigen Objekts relativ
zu einem x-y-z-Koordinatensystem ergab folgende Werte:
Zeit t  2 s : x  2m; y  3m; z  0m
Zeit t  4 s : x  1m; y  1m; z  12m
a) Bestimmen Sie den Geschwindigkeitsvektor für den Fall, dass das
Objekt sich mit konstanter Geschwindigkeit bewegt,
b) Bestimmen Sie den Betrag von Geschwindigkeit und Beschleunigung anhand der Werte aus Teilaufgabe a.
10
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik A2. Für eine beschleunigte Bewegung in x-Richtung lässt sich die während
der Zeitdauer t Strecke x aus der Beschleunigung a x durch folgende
Formel berechnen:
1
x  ax  t 2
2
a) Begründen Sie diese Formel.
b) Welche Strecke (Betrag) legt ein punktförmiges Objekt in 10
Sekunden zurück welches in x-Richtung mit 2m / s 2 und in zRichtung mit 10m / s 2 beschleunigt?
A3. Die Position eines Objekts wurde in Abhängigkeit der Zeit gemessen
(Messwerte Tab.1). bestimmen Sie numerisch die Geschwindigkeit und die
Beschleunigung als Funktion der Zeit. Verwenden Sie dazu ein Tabellenkalkulationsprogramm und stellen Sie s(t), v(t) und a(t) graphisch dar.
Tab.1. Position in Abhängigkeit der Zeit
t/s 0
s/m 0
0.5
1.2
1
2.3
1.5
3.4
2
4.4
2.5
5.2
3
5.7
3.5
5.9
4
6.0
4.5
5.8
t/s 5
s / m 5.6
5.5
5.0
6
4.1
6.5
3.1
7
2.0
7.5
1.0
8
-0.1
8.5
-1.1
9
-2.3
9.5
-3.5
A4. In einem Gefäss befinde sich eine Flüssigkeit. Beim Ausfliessen der
Flüssigkeit wurde die Füllhöhe h(t) als Funktion der Zeit bestimmt:
h(t )  h0  e  bt
Bestimmen Sie numerisch die Sinkgeschwindigkeit des Flüssigkeits-pegels
als Funktion der Zeit. Verwenden Sie dazu h0  1m und b  1s 1 . Stellen
Sie die Resultate graphisch dar: Was fällt auf?
A5. Die Position eine Objektes sei gegeben durch:
t

 x(t )   5  cos t 


  
 y (t )   t  sin t 
5

Bestimmen Sie numerisch die Geschwindigkeiten in x- und y- Rich-tung.
Stellen Sie die Bahnkurve und die Geschwindigkeiten graphisch dar.
11
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik A6. Die zweidimensionale Bewegung einer punktförmigen Masse wurde
durch eine Positionsmessung festgehalten (Messwerte Tab.2). Bestimmen
Sie numerisch die Geschwindigkeiten in x- und y- Richtung. Stellen Sie die
Bahnkurve und die Geschwindigkeiten graphisch dar.
Tab.2. Position eines Körpers in Abhängigkeit der Zeit
t/s
x/m
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
12
2
2.5
3.2
4
5
6
7
7.8
8.5
9
9.3
9.5
9.7
9.9
10.1
9.8
9.2
8
7
6
5.5
5
4.7
4.5
4.4
4.3
4.2
4.1
4
3.9
3.8
y/m
10
10
9.8
9.5
9.1
8.5
8
7.5
7
6.5
6
5.5
5
4.5
4
3.5
3
2.5
2
1.6
1.2
1
0.9
1.1
1.3
1.7
2.5
4
6
8
10
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
(a)
 x / t   (1m  2m) / 2s    1.5 

 
 
 
v   y / t    (1m  3m) / 2 s     1 m / s
 z / t   (12m  0m) / 2s   6 

 
 

(b)

v  v  v x2  v 2y  v z2  6.265m / s ; a = 0 m/s2
L2.
(a) Die Strecke kann gemäss Eq.5 aus der Geschwindigkeit berechnet
werden:
x  vx  t
Nun ändert sich aber die Geschwindigkeit dauernd, deshalb gilt:
x  v x  t  (a x  t )  t  a x  t 2
Wird
hingegen
die
mittlere
Geschwindigkeit
v x (t )  v x (t  t )
2
genommen, so ergibt sich das korrekte Resultat:
x
1
1
vx  t  ax  t 2
2
2
Eine bessere Begründung liefert die Differentialrechnung: Wird die Strekkenfunkion abgeleitet, muss sich die Geschwindgkeit ergeben:
 0.5a(t  t ) 2  0.5at 2 
dx d  1 2 
 x 
  at   lim    lim 

t
dt dt  2
 t 0  t  t 0 

 t 2  2t  t  t 2  t 2  a
a
2t  t   a  2t  a  t  v(t )
 lim 
  lim

t

0
t

0
2
t
2

 2
(b)
 0.5a x  t 2   1m / s 2  100 s 2   100m 
 
 

  
   0m 
r  s   0.5a y  t 2   
0m

2 
2
2

 
 
 0.5a z  t   5m / s  100 s   500m 
s  x 2  y 2  z 2  509.9m
13
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L3. Für die numerische Berechnung kann folgende Tabelle programmiert
werden:
Zeit t / s
Position s / m
t0
s 0  s(t 0 )
t1
s1  s (t1 )
t2
s 2  s (t 2 )
a / m/s2
v / m/s
v0 
s1  s 0
t1  t 0
a0 
v1  v0
t1  t 0
v1 
s 2  s1
t 2  t1
a1 
v 2  v1
t 2  t1
…
…
Folgende Diagramme resultieren:
s/m
10
5
0
0
2
4
6
8
10
-5
t/s
4
v / m/s
2
0
-2
0
5
10
-4
a / m/s2
t/s
1
0.5
0
-0.5 0
-1
-1.5
-2
5
t/s
14
10
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Höhe h(t) / m
L4. Die numerische Rechentabelle ist analog zu Aufgabe 3. Es resultieren
folgende Diagramme:
1.2
1
0.8
0.6
0.4
0.2
0
0
2
4
6
Zeit t / s
dh/dt / m/s
0
-0.2 0
2
4
6
-0.4
-0.6
-0.8
-1
Zeit t s
Es fällt auf, dass sich beide Kurven exponentiell verhalten. Die Ablei-tung
einer Exponentialfunktion scheint also wieder eine Exponential-funktion zu
sein, hier mit negativem Vorzeichen (siehe spätere Kapitel und 002: Anhang
2). Wird das Δt kleiner gewählt, lässt sich beobachten, wie die Ableitung
 dh / dt t 0  h(0) gegen 1 strebt. Die obigen Resultate sind also nicht
genau, sie enthalten numerische Fehler. Um diese numerischen Fehler so
klein wie möglich zu halten, muss das Δt möglichst klein gewählt werden.
L5. Die numerische Rechentabelle ist analog zu Aufgabe 3, jedoch muss die
Geschwindigkeit für jede Richtung getrennt berechnet werden.
15
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 0.6
0.4
0.2
y/m
0
-1
-0.5
-0.2 0
0.5
-0.4
-0.6
-0.8
-1
-1.2
x/m
1.5
vx / m/s
1
0.5
0
-0.5 0
2
4
6
4
6
-1
t/s
0.4
vy / m/s
0.2
0
-0.2 0
2
-0.4
-0.6
-0.8
t/s
16
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L6. Analog Aufgabe 5.
12
10
y/m
8
6
4
2
0
0
5
10
15
x/m
1.5
vx / m
1
0.5
0
-0.5
0
10
20
30
40
30
40
-1
-1.5
vy / m/s
t/s
2.5
2
1.5
1
0.5
0
-0.5 0
-1
10
20
t/s
17
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 120 Berechnung von Bahnkurven
121 horizontaler Wurf
Theorie
Beim horizontalen Wurf wird ein Gegenstand in waagrechter Richtung
geworfen. Dieser Gegenstand fliegt dann nicht einfach gerade aus, sondern
wird durch die Erdanziehung nach unten abgelenkt (Fig.1).
Bahnkurve
y-Richtung
Fallhöhe
x-Richtung
Wurfweite
Fig.1. Horizontaler Wurf
Die Bahnkurve sieht aus wie eine Parabel. Dass es sich um eine Parabel
handelt, kann durch eine einfache Rechnung gezeigt werden. Dabei ist es
sehr hilfreich, wenn man sich die Bewegung des Gegen-standes als eine
Kombination einer Bewegung in x-Richtung und einer Bewegung in yRichtung vorstellt!
Die Bewegung lässt sich vektoriell in zwei Dimensionen darstellen (hier mit
positiver y-Achse nach unten):
 v t 
 x(t )   x 

r (t )  
 1 2
 y (t )   gt 
2

Im Folgenden soll nun jede Raumrichtung getrennt betrachtet werden.
18
Bewegung in
Raumrichtungen
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik ☼ Kernidee: Eine räumliche Bewegung kann in Bewegungen in den
einzelnen Raumrichtungen zerlegt oder aus diesen zusammengesetzt
werden.
Wenden wir diese Kernidee auf den schiefen Wurf an: In x-Richtung startet
der Gegenstand mit einer Anfangsgeschwindigkeit v x  x / t , welche
konstant bleibt, wenn kein Luftwiderstand wirkt. Es gilt deshalb für die xRichtung:
x  vx  t
Bewegung in xRichtung
(Eq.12)
Die Bewegung in y-Richtung ist ein freier Fall. Die Geschwindigkeit in yRichtung
v y  v y (t ) ist demnach gegeben durch v y (t ) 
 g  t  v y (t  0s ) , wobei in y-Richtung beim horizontalen Wurf die
Anfangsgeschwindigkeit v y (0 s )  0m / s ist. Die Strecke ist gegeben
durch:
1
y  g t2
(Eq.13)
2
Bewegung in yRichtung
Die Strecke in y-Richtung nimmt quadratisch mit der Zeit zu. Aus Eq.12
und Eq.13 können wir nun die Bahnkurve in der x-y-Ebene berechnen.
Dabei ersetzen wir in Eq.13 t , indem wir Eq.12 umfor-men: t  x / v x ,
wobei v x die Anfangsgeschwindigkeit in x-Richtung ist.
Bewegung in
x-y-Richtung
1
1  x
y  g  t 2  g  
2
2  vx



2
(Eq.14)

g
 x2
2
2( v x )
Damit haben wir bewiesen, dass es sich bei der Bahnkurve tatsächlich um
eine Parabel handelt. Zudem können wir jetzt direkt aus der Fallhöhe y die
Wurfweite x berechnen und umgekehrt.
19
Wurfparabel
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Aufgaben
A1. Wie weit fliegt ein Ball, der mit 1.5 m/s aus einem Fenster in 80 m
Höhe geworfen wird?
A2. Ein Ball wird mit einer horizontalen Anfangsgeschwindigkeit von 1.3
m/s von einem 57 m hohen Kraterrand eines Mondkraters geworfen.
a) Wie weit fliegt der Ball?
b) Wie schnell ist die Endgeschwindigkeit des Balls kurz vor dem
Auftreffen?
c) Mit welchem Winkel würde der Ball auf eine horizontale
Oberfläche treffen?
A3. Im Film springen Helden oft von einer Brücke auf einen fahrenden
Lastwagen. Meistens werden solche Sprünge von einem Stuntman ausgeführt, welcher im Voraus alles genau plant. Dazu gehört auch folgende
Frage:
Wo muss sich der Lastwagen zur Zeit des Absprungs befinden, damit der
Stuntman den darauf vorbereiteten Landeplatz erreicht?
a) Lösen Sie die Aufgabe für die Lastwagengeschwindigkeit v und die
Höhe h.
b) Lösen Sie die Aufgabe für v = 40 km / h und h = 2.5 m.
A4. Der horizontale Wurf soll mit dem Computer simuliert werden. Zur
Berechnung der Bahnkurve muss aus der Geschwindigkeit die Position und
somit die zurückgelegte Strecke berechnet werden.
Erstellen Sie eine Berechnungstabelle, mit der aus der Geschwindigkeit die
zurückgelegte Strecke berechnet werden kann, und zwar für
a) v = const.
b) v  g  t
20
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik A5. Ein Ball wird schief in die Luft geworfen. Die vertikale Anfangsgeschwindigkeit betrage 3 m/s.
a) Wie lange dauert es, bis der Ball wieder auf die Abwurfhöhe zurück
kehrt
b) Welche maximale Höhe erreicht er?
A6. Ein frei fallender Körper werde horizontal beschleunigt. Die
Geschwindigkeit in horizontaler (x) – Richtung sei gegeben durch:
vx  k  t  v0
Mit k  1m / s1.5 und v0  2.5m / s . Berechnen Sie den Zeitpunkt, bei dem
der Körper mit einem Winkel von 45° zur horizontalen Richtung nach unten
beschleunigt wird.
Lösungen
L1.
x
2( v x ) 2  y
 6.06m
g
x
2( v x ) 2  y
 10.9m
g
v
v x2
L2.
(a)
(b)

v 2y

v x2
2
 (g  t) 
v x2

x
  g 
 vx



2
= 13.73m / s
(c)
tan  
g
x
vx
y


x v x
vx
vy

gx
v x2
g  x
 84.6
2 
 vx 
  arctan 
21
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L3.
(a)
s  vt  v
(b)
s  7 .9 m
2h
g
L4. Für den k-ten Zeitschritt t k gilt:
(a) s k  v  t k und s 
 s
k
k
(b) s k  gt k  t k und s k  s k 1  s k
Dieses verfahren nennt man numerische Integration (Umkehrung der Ableitung!)
L5.
a) v y (tb / 2)  v y (0)  g 
2v y (0)
tb
 0  tb 
 0.61s
2
g
2
b) ymax
2
2
1  t  1  v (0)  v y (0)
 g b   g 0  
 0.46m
2 2
2  g 
2g
L6.
ax 
dvx
1
d
k
 k   t   0  k   t 0.5 
2
dt
dt
2 t
Bei einen Winkel von 45° ist ax  g und somit:
2
 k 
k
3
t
, also t  
 = 2.598 10 s
2g
 2g 
22
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 122 schiefer Wurf
Theorie
In Abschnitt 121 wurde die Bahnkurve analytisch hergeleitet. Dies wäre
auch für den schiefen Wurf möglich. Jedoch soll an dieser Stelle ein anderer
Weg beschritten werden: Die Computersimulation.
Für die x-Richtung (horizontale Richtung) gilt ohne Luftwiderstand für ein
während dem n-ten Zeitschritt zurück gelegtes Streckenstück x :
x n  v x  t
Methode
Bewegung in xRichtung
(Eq.15)
Dabei ist v x die Anfangsgeschwindigkeit in x-Richtung. Ohne Luftwiderstand ist diese konstant. Die während der Zeitdauer t Strecke x(t )
ergibt sich als Summe aller Teilstücke:
x(t  n  t )   x n
zurückgelegte
Strecke
(Eq.16)
n
Für die horizontale Richtung sind alle Teilstücke x n gleich gross, es gilt
also: x(t )  n  x n  v x  n  t .
Für die y-Richtung (vertikale Richtung) muss zusätzlich die
Schwerebeschleunigung g berücksichtigt werden. Deshalb muss für jeden
Zeitschritt t die aktuelle vertikale Geschwindigkeit v y (t )  v y (n  t )
neu berechnet werden. Die Geschwindigkeitsänderung v n für den n-ten
Zeitschritt ist gegeben durch:
v n   g  t
Bewegung in yRichtung
(Eq.17)
Die Geschwindigkeit v y (t )  v y (n  t ) ergibt sich durch Summation:
v y (n  t )  v y (0)   v n
(Eq.18)
n
Die während der Zeit t zurück gelegte Strecke y (t ) ist nun gegeben durch:
y (t  n  t )   y n   v y (n  t )  t
n
n
(Eq.19)
Die Formeln Eq.18 und Eq.19 sind Approximationen (Warum?).
23
Aktuelle
Geschwindigkeit
Zurückgelegte
Strecke in yRichtung
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Aufgaben
A1. Implementieren Sie in einem Tabellenkalkulationsprogramm
(GNUmeric, Excel etc.) die im Theorieteil beschriebene Methode und
stellen Sie für verschiedene Werte von v x und v y (0) die Wurfbahn
graphisch dar.
A2. Ermitteln Sie für verschiedene Wurfwinkel die Wurfweite: Bei
welchem Winkel wird die grösste Wurfdistanz erreicht, bei welchem Winkel
die grösste Wurfhöhe? (Wie lässt sich der Wurfwinkel be-stimmen?)
A3. Simulieren Sie einen Wurf auf dem Mond: Wie verändert sich die
Wurfweite in Verhältnis zur Schwerebeschleunigung? Lässt sich dieses
Resultat durch Handrechung prüfen? (Hinweis: Bahnkurve als y = f(x)
analog zum Abschnitt 121 berechnen)
A4. Überlegen Sie sich, wie die Simulation erweitert werden müsste, damit
der Luftwiderstand mitberücksichtigt werden könnte? ( Dynamik 200)
24
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1. Kern der Simulation bildet die folgende Berechnungstabelle (Tab.1).
Tab.1. Schrittweise Berechnung der Geschwindigkeiten und Strecken.
t
v y (t )
0
  g  t  v y (0)
v y (t )
y (t )
y (t )
x(t )
 v y (0)  t
0
 vx  t ...
 v y (0.01)  t
 y (0)
 vx  t ...
x(t )
0.01   g  t
 v y (0)  g  t
0.02   g  t
 v y (0.01)  g  t  v y (0.02)  t  y (0.01)  y (0.01)  vx  t ...
...
...
...
...
...
...
vertikale Distanz y / m
Fig.2 zeigt Wurfbahnen bei verschiedenen Wurfwinkeln.
12
10
8
6
60°
4
45°
36°
2
5
10
15
20
25
30
35
40
horizonale Distanz x / m
Fig.2. Simulierte Wurfbahnen. Parameterwerte: 36°-Bahn: v x  14m / s ;
v y  10m / s ;
v  v x2  v y2  17.2m / s ; 45°-Bahn:
v x  14m / s ;
v y  14m / s ;
v  v x2  v y2  19.8m / s ; 60°-Bahn:
v x  9.2m / s ;
v y  16m / s ; v  v x2  v y2  18.5m / s
25
...
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L2. maximale Wurfweite wird bei 45° erreicht. Für diese Fragestellung ist
es von Vorteil, den Betrag der Anfangsgeschwindigkeit v 0 und den
Wurfwinkel  vorzugeben. Die Anfangs-geschwindigkeiten für die x- und
die y-Richtung sind dann gegeben durch:
v x (0)  v0  cos 
v y (0)  v0  sin 
L3. Wurfweite und Wurfhöhe werden grösser bei gleicher Anfangsgeschwindigkeit: Die Wurfweite steigt um den Faktor 6, analog zur
Reduktion von g um diesen Faktor. Das lässt sich durch die Berechnung der
Bahnkurve zeigen:
v0 t  cos 


  x(t )  

r 

1 2
 
y
t
(
)

  v0t  sin   gt 
2


t
v x  sin 
x(t )
g
 y ( x)  0
 2
 x2
2
v0 cos 
v0 cos 
2v0 cos 
y  x  tan  
g
 x2
2
2v cos 
2
0
Maximale Reichweite durch Suche der Nullstellen:
y  x  tan  
tan  
g
 x2  0
2
2v cos 
2
0
g
 x2  0
2v cos 2 
2
0
 2 tan  cos    v   2sin  cos    v
2
 x2 
 x1  0
g
2
0
2
0
g

v02
 sin(2 )
g
L4. Der Luftwiderstand wirkt der Bewegungsrichtung entgegen. Dabei kann
dieser als Kraft betrachtet werden ( Kap. 200)
26
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 200 Dynamik: Kräfte und Impuls
Die Mechanik beschäftigt sich mit der Beschreibung von Bewe-gungen von
Körpern. Sie ist im Wesentlichen aus der Entwicklung einfacher Maschinen
und der Beobachtung von Himmelskörper her-vorgegangen. Es gibt es zwei
unterschiedliche Ansätze. Die Newtonsche Mechanik (begründet auf Isaak
NEWTON 1643-1727 und Galileo GALILEI 1564-1642) geht von den
Grundgrössen Ort und Zeit und den daraus abgeleiteten Grössen Geschwindigkeit und Beschleunigung aus. Ein anderer Weg führt über die Betrachtung der Energie eines Körpers – ein Ansatz, welcher in Kap. 300
besprochen wird.
Im Rahmen der Newtonschen Mechanik spielt die Kraft eine zen-trale
Rolle. Das Unterkapitel 220 beschäftigt sich exemplarisch mit der Anwendung dieses Begriffs auf Fall- und Wurfbewegungen. Im Unterkapitel
230 wird die mit der Kraft zusammenhängende Grösse Impuls behandelt.
Zuerst werden aber im Unterkapitel 210 die Ursache von Kräften und die
fundamentalen Wechselwirkungen im Be-reich Gravitation und Elektrizität
behandelt.
Die Lernziele sind:
Inhalt
Lernziele
1. Bewegungsgleichungen aufstellen können
2. Die Definitionen für Kraft und Impuls auswendig kennen
3. Wurf- und Fallbewegungen mit Luftwiderstand mit dem Computer
simulieren können
4. Differentialrechnung auf einfache Beispiele in der Mechanik anwenden können
Fig.1. Band-Generator und Konduktorkugeln zur Untersuchung elektrischer Kräfte
27
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 210 Ursache von Kräften
211 Trägheit
Theorie
Schon anhand der Definition der Kraft wird ein Grundprinzip sichtbar,
welches auf NEWTON
zurück geht. Eine auf einen Körper mit Masse m


wirkende Kraft F führt zu einer Beschleunigung a des Körpers.
 a x   Fx 

   

F  ma  m   a y    Fy 
a  F 
 z  z
(Eq.1)
Die SI-Einheit der Kraft ist kg  m / s 2  N (Newton). Da die Beschleunigung eine vektorielle Grösse darstellt, muss auch die Kraft vektoriell sein, da die Masse eine skalare Grösse ist.
Daraus lässt sich ableiten, dass ohne Einwirkung einer Kraft ein Körper
seinen Bewegungszustand beibehält, also Richtung und Betrag der Geschwindigkeit sich nicht ändern. Massen sind also Träge. So muss auf einen
Körper auch dann eine Kraft wirken, wenn dieser bei konstanter Geschwindigkeit eine Kurve fliegt. Auf einen sich auf einer Kreisbahn
bewegenden Körper muss eine sogenannte Zentripetalkraft wirken. Diese ist
proportional zur Masse m des Körpers und hängt vom Radius r der
Kreisbahn und von der Ge-schwindigkeit v ab. Zur Herleitung dieser Kraft
lässt sich annehmen, dass eine Punktmasse bei der Drehung um eine Strecke
r von der Position abweicht, die sie bei geradliniger Bewegung hätte
(Fig.1)
vt
r
Fig.1 Drehbewegung einer Punktmasse
28
r +r
Definition der
Kraft
TrägheitsPrinzip
ZentripetalKraft
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Gemäss dem Satz von Pythagoras gilt: (r  r ) 2  (v  t ) 2  r 2 und somit
r 2  2r  r  r 2  (v  t ) 2  r 2 . Somit resultiert v 2 t 2  (2r  r )  r .
Für sehr kurze Zeitschritte gilt r  r . Somit kann der quadratische Term
r 2 vernachlässigt werden: 2r  r  v 2 t 2 . Auflösen nach r ergibt
r 
1  v2

2  r
ZentripetalBeschleunigung
 2 1 2
  t  at
2

Somit ist die Punktmasse beschleunigt mit a Z  v 2 / r (Zentripetalbeschleunigung). Es wirkt die Kraft:
FZ  m 
v2
 m  aZ
r
(Eq.2)
Für viele Problemstellungen ist die Berechnung über die Geschwin-digkeit
ungünstig. Deshalb wird gerne die sogenannte Winkelge-schwindigkeit 
verwendet. Diese kann durch die Beziehung von Winkel und Kreisumfang
hergeleitet werden. Die Länge eines Kreisbogens s ist durch den Radius r
und den Winkel  gegeben: s  r . Dabei muss natürlich der Winkel 
in Bogenmass genom-men werden. Aus dieser Beziehung folgt für die
Geschwindigkeit v eines Körpers auf einer Kreisbahn:
v
ds d
d
 r   r 
 r 
dt dt
dt
Winkelgeschwindigkeit
(Eq.3)
Die zeitliche Änderung des Winkels    definiert die Winkelgeschwindigkeit. Somit lässt sich die Beziehung Eq.2 umschreiben:
FZ  mr 2
(Eq.4)
Von einem still stehenden Beobachter aus muss also eine Zentralkraft
wirken, damit der beobachtete Körper eine Kreisbahn fliegt. Eine in einer
Kapsel eingeschlossene Person würde hingegen nach radial nach aussen
Gedrückt, wenn die Kapsel eine Kreisbahn fliegt. Im mitbewegten Koordinatensystem der Kapsel wirkt somit eine
 * durch die Massenträgheit
verursachte Scheinkraft: Die Zentrifugalkraft FZ   FZ .
Im Prinzip lässt sich bei jeder Bahn eine tangentiale und eine radiale Beschleunigungskomponente definieren (Fig.2), wobei die radiale Komponente gerade az und der entsprechende Kreisradius r derjenige des in die
Bahnkurve eingeschriebenen Kreises ist.
29
ZentrifugalKraft
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik az
at
at
az
Fig.2. Tangential- und Radial- (Zentral-)-Komponenten der Beschleunigung
Aufgaben
A1. Eine Zentrifuge drehe sich mit einer Winkelgeschwindigkeit von 20 s-1.
Die Zentrifugengläser (Proben) befinden sich in einem Abstand von 10 cm
von der Drehachse.
a) Wie gross ist die Bahngeschwindigkeit in m/s und welcher Weg
wird in einer Sekunde zurückgelegt?
b) Welche Zentrifugalbeschleunigung wirkt auf die Proben?
A2. Das Schaufelrad einer Turbine (Flugzeugtriebwerk) drehe sich
mit 30000 U/min. Die einzelnen Schaufeln haben eine Masse von 50
g und befinden sich im Abstand von 15 cm von der Drehachse
entfernt. Welche Kraft muss mindestens aufgebracht werden, damit die
Schaufeln nicht aus der Turbine fliegen?
A3. Warum kann ein Flugzeug ohne aerodynamischen Hilfen keine Kurve
mit einem Neigungswinkel von 90° fliegen und dabei die Höhe halten?
A4. Eine Person mit einer Masse von 70 kg stehe auf einer Waage, welche
sich in einem Lift befinde. Der Lift beschleunige mit aL  1.7 m / s 2 (a)
aufwärts bzw. (b) abwärts. Was zeigt die Waage an?
A5. Ein Fahrzeuglenker mit einer Masse von 80 kg kollidiere mit seinem
Fahrzeug mit einer Mauer. Die Geschwindigkeiten vor der Kollision betrage
56 km/h. Das Fahrzeug komme innerhalb von 0.2 s zum Stehen. Welcher
maximalen Belastung müsste ein Sicherheitsgurt standhalten?
30
Tangentialund
Zentralkomponente bei
allgem.
Bahnkurven
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik A6. Bei CT (Computertomogeaphie)-Scannern rotieren Detetktor und Strahlerteil in einem typischen Abstand von 60 cm von der Drehachse um den
Patienten. Welche Masse darf der Strahlerteil haben, wenn eine Fleihkraft
von 4737 N nicht überschritten werdeen kann und pro Sekunde eine Umdrehung ’’gescannt’’ wird.
A7. Eine Masse m1 =200 g werden an einem vertikalen Faden (dieser kann
als masselos angenommen werden) befestigt. Der Faden ist über eine Umlenkrolle an einem Wagen mit der Masse m2 befestigt (Fig.A). Dieser
Wagen bewege sich reibungsfrei auf einer horizontalen Schiene.
a) Wie schnell beschleunigt sich die Masse m1 in Abhängigkeit der
Masse m2 nach unten?
b) Welche Masse m2 besitzt der Wagen, wenn die Masse m1 mit 2
m/s2 nach unten beschleunigt?
c) Welche Masse m2 besitzt der Wagen, wenn die Masse m1 nach 3
Sekunden aus dem Stillstand heraus eine Geschwindigkeit von 0.6
m/s erreicht hat?
m2
m1
Fig.A.
31
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
(a) v  r  0.1m  20 s 1  2m / s , s = 2m
(b) FZF  mr 2  a ZF  m  a ZF  r 2  0.1m  400 s 2  40m / s 2
L2. FZP  mr 2  0.05kg  0.15m  9.87  10 6 s 2  7.4  10 4 N
L3. Lösung via Kräftediagramm und / oder Rechnung: Die von den Flügel
aufzubringende Auftriebskraft FA setzt sich aus der Gewichtskraft FG und



zusammen:
FA  FG  FZF
bzw.
der
Zentrifugalkraft
FZF
2
2
FA  FG  FZF da FG und FG senkrecht zu einander stehen. Für das
Verhältnis der Kräfte gilt:
FZF
F  sin 
 tan 
 A
FG
FA  cos 
Der tan  strebt für 90° gegen ∞. Bei einer Gewichtskraft ungleich 0N
müsste also unendlich viel auftrieb erzeugt werden, was ersten aerodynamisch unmöglich ist und zweitens keine reale Flugzeugkonstruktion
ertragen kann.
L4.
m 
( g  aLift )
F mg

 m
 a) 82.1 kg; (b) 57.9 kg
g
g
g
L5. Annahme amax 
v
Δv vmax

 F  m  max  6.22kN
Δt
Δt
Δt
Die Kollision führt z.T. wegen der Deformation der Fahrzeugzelle zu keiner
konstanten Beschleunigung. Bei einer steiffen Konstruktion, welche erst
nach einer bestimmten Belastung gestaucht wird, sind kurzzeitig noch
höhere Spitzenkräfte zu erwarten.
32
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L6. FZF  m 2 r  m 
FZF
4737 N

 200kg
2
r
0.6m  4 2 s 2
L7.
a) Träge Kraft = schwere Kraft: (m1  m2 )  a  m1 g  a 
b) (m1  m2 )  a  m1 g  m2 
m1
g
m1  m2
m1  ( g  a )
= 0.781 kg = 781 g
a
v 

m1   g 

m  ( g  a)
t 

= 9.61 kg
c) m2  1

v
a
t
33
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 212 fundamentale Wechselwirkungen
Theorie
Die Frage nach dem Ursprung von Kräften führt unweigerlich über das
Trägheitsprinzip hinaus zu den fundamentalen Naturkräften. In der makroskopischen Welt sind es vor allem zwei Wechselwirkungen, welche die
Physik bestimmen: Die Gravitation und die elektrischen Kräfte. Alls weiteres Phänomen könnte noch der Magnetismus angefügt werden. Dieser
lässt sich jedoch zusammen mit den elektrostatischen Kräften im Rahmen
des Elektromagnetismus beschreiben (Kap. 800).
Fundamentale
Wechselwirkungen
Als Gravitation wird die Eigenschaft von Massen bezeichnet, sich gegenseitig anzuziehen. Massen sind deshalb nicht nur träge sondern auch schwer.
Es ist nicht a priori klar, dass träge und schwere Masse dasselbe sind. Messungen haben jedoch mit hoher Genauigkeit keinen Unterschied festgestellt.
Ebenfalls recht genau wurde die Kraft zwischen zwei Punktmassen
bestimmt. Sie ist von den beiden Massen m und M und dem Abstand r
abhängig:
Gravitation
FG   
mM
r2
(Eq.5)
Dabei ist   6.6731  10 11 Nm 2 / kg 2 die sogenannte Gravitationskonstante. Da diese sehr klein ist, sind Gravitationskräfte nur spürbar, wenn
zumindest eine der Massen sehr gros ist. Dies ist im Alltag die Anziehung
der Erde auf Gegenstände, was sich als Gewichtskraft FG  mg mit
g  9.81m / s 2 äussert.
Wichtig ist hier auch, dass es sich um eine Wechselwirkung zwischen


den beiden Massen handelt, es gilt für die Kräfte FmM und FMm auf die


beiden Massen: FmM   FMm .
Die elektrische Kraft bildet sich zwischen elektrischen Ladungen aus (SIEinheit Coulomb C). Dabei ist die sogenannte Coulomb-Kraft zwischen
zwei Punktladungen q und Q abhängig vom Abstand r :
FE 
1
4 0

qQ
r2
Elektrische
Kräfte
(Eq.6)
Dabei ist  0  8.8542  10 12 C 2 /( Nm 2 ) die elektrische Feldkonstante.
Der Vorfaktor (4 0 ) 1 beträgt 8.9875  10 9 Nm 2 / C 2 . Dies ist rund 20
34
GravitationsKonstante
Elektrische
Feldkonstante
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Zehnerpotenzen grösser als die Gravitationskonstante. Ent-spre-chend
können schon zwischen kleinen Ladungen veritable Kräfte beobachtet
werden. Da es zwei Sorten von Ladungen gibt (negative und positive),
treten sowohl anziehende als auch abstossende Kräfte auf.
Experiment
Die elektrischen Kräfte lassen sich gut beobachten. Dazu kann ein BandGenerator verwendet werden (sogenannter Van der Graaf – Generator,
Fig.3,4). Dieser besteht aus einem rotierenden Gummiband, welches sich
durch Reibung auflädt. Die Rotation bewirkt eine Ladungstrennung. Die
positiven Ladungen werden in der aufgesetzten Konduktorkugel gesammelt.
Diese Metallkugel dient als Ladungsspeicher (Kondensator). Die elektrischen Kräfte manifestieren sich als Anziehung bei Ladungen mit entgegen
gesetztem Vorzeichen oder als Abstossung bei Ladungen mit gleichem
Vorzeichen. Auch die Blitzentladungen sind Ausdruck von elektrischen
Kräften: Es kommt bei genügend hohen Kräften auf die Elektronen zu
einem Ladungstransport durch die Luft.
+
-
Fig.3. Experiment zu elektrostatischen Kräften: Die Konduktorkugel des Van der
Graaf – Generators lädt sich positiv auf, während sich das untere Ende negativ
auflädt. Zwischen zwei Konduktorkugeln werden bei genü-gend hohen elektrischen
Feldstärken (Kräfte) Entladungen in Form von Blitzen sichtbar.
35
Van der Graaf
Generator
BlitzEntladungen
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Band- oder
Van de GraafGenerator
IC
Fig.4. Aufbau eines Van der Graaf – Genereators: Durch Reibung oder Aufsprühen
fixieren sich auf dem aufwärtslaufenden Band positive elektrische Ladungen. Im
inneren der Konduktorkugel (rechts) werden diese Ladungen auf die Kugeloberfläche abgezogen. Die Konduktorkugel dient als Ladungsspeicher (Kondensator).
Durch die Bewegung des Gummibandes wird pro Zeit dt die Ladung dQ zur
Konduktorkugel transportiert. Somit fliesst ein elektrischer Ladestrom:
IC 
dQ
dt
Andererseits entlädt sich die Konduktorkugel wieder, vor allem, wenn viel
Ladung auf ihr gespeichert ist. Diese Entladungen können über das
abwärtsbewegende Gummiband oder über Glimmentladsdungen in die Luft
erfolgen. Übersteigt die elektrische Feldstärke einen kriti-schen Wert (ca.
2.1 MN/C), kommt es zu Blitzentladungen.
Aufgaben
A1. Zwei Punktmassen mit m = 100 kg und M = 104 kg befinden sich im
Abstand von 0.5 m. Welche Kraft wirkt zwischen diesen beiden Massen?
36
elektrische
Ströme
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik A2. Welche Gravitationskraft wirkt zwischen der Erde und dem Mond?
A3. Welche Kraft wirkt auf eine Waage, auf welcher sich 1 kg Masse
befindet und die einmal auf der jupiterzugewandten Seite des Jupitermondes
Europa und das andere mal auf jupiterabgewandten Seite aufgestellt wird?
Welche Konsequenzen könnte dieser Unterschied haben?
Bahnradius von Europa: 670'900 km; Radius von Europa: 1569 km; Masse
von Europa: 4.8·1022 kg; alle anderen Angaben gem. FOTA; Annahme: Es
schaut immer die gleiche Seite zum Jupiter.
A4. Ein Satellit soll in eine geostationäre Umlaufbahn gebracht wer-den
(Satellit bleibt bezüglich einem bestimmten Ort auf der Erde stehen). Wie
hoch ist die Umlaufbahn?
A5. Leiten Sie die Bahngeschwindigkeit eines Satelliten als Funktion der
Höhe h über der Erdoberfläche her.
A6. Erklären Sie, weshalb auf der Erde bis zu vier Flutberge auftreten
können!
A7. Ein Wasserstoffatom besteht aus einem positiv geladenen Proton
(Atomkern), welches von einem negativ geladenen Elektron umgeben ist.
Welche Kraft wirkt zwischen den beiden Teilchen, wenn das Elektron einen
Abstand von 0.05 nm hat?
A8. Zwei Punktladungen sind 15 cm voneinander entfernt, wobei die eine
Punktladung doppelt so gross ist wie die andere. Dann werden die Ladungen
verschoben und die Kraft, welche die Ladungen nun aufeinander ausüben,
hat sich verdreifacht. Wie weit voneinander sind die Ladungen nun entfernt?
A9. Das dritte Kepplersche Gesetz besagt, dass das Verhältnis von der
dritten Potenz des Bahnradius und dem Quadrat der Umlaufzeit (Periode)
konstant ist. Kann dieses Gesetz auf die Gesetzte in den Abschnitten 211
und 212 zurück geführt werden? (Hinweis: Periode T  2 /  )
37
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1. F   
mM
m3
10 6 kg 2
11

(
6
.
67259
)

10

 2.67  10  4 N
2
2
2
2
r
kg  s (0.5) m
L2.
F  
mM
m 3 5.974 10 24 kg  7.34910 22 kg
11

(
6
.
67259
)

10

 1.98 10 20 N
r2
kg  s 2
(3.844 10 8 ) 2 m 2
L3. Ein Massenelement auf der Oberfläche von Europa verspürt einerseits
die Anziehung vom Mond selbst ( F ), andererseits die-jenige vom Jupiter
( F2 (r ) ) sowie die Zentrifugalkraft, welche durch die Kreisbahn um den
Jupiter entsteht (Annahme: im Bezugssyswtem stillstehdener Mond). Für
die Jupiter zugewandten Seite gilt (mit Abstand zum Jupitermittelpunkt r1 =
669331 km):
F (r  Δr )  FG , Europa  FG , Jupiter  FZ (r +Δr ) 
  m
mEuropa
Δr
2
 m
mJupiter
(r +Δr )
2
 m 2  (r +Δr )
m
 m


 m    Europa
 Jupiter 2    2  (r +Δr ) 
2
(r +Δr ) 
  Δr

Für die abgewandet Seite aber gilt ( r2 = 672469 km):
 m
m


 Jupiter2    2  (r -Δr ) 
F (r  Δr )  m    Europa
2
(r -Δr ) 
  Δr

Die Winkelgeschwindigkeit der Kreisbewegung um den Jupiter kann ersetzt
werden:

mJupiter
r
2
  2r    
mJupiter
r3
also:
  mEuropa
mJupiter 
mJupiter


(
Δ
)
F (r  Δr )  m   


r

r



2
(r  Δr ) 2 
r3
  Δr

 mEuropa

1
(r  Δr )  
  m

m


Jupiter


2
2
r 3 
 (r  Δr )
 Δr
 F1  1.298 N ; F2  1.301N
38
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 1
1
mM
 M 3
 M 3
L4. mr   2  r    2   h  R  h    2   R
r
  
  
2
mit R = Erdradius
L5.
mv 2
mM
M
M
 2 v 
 
r
r
Rh
r
L6. Einfluss von Mond, Sonne und Zentrifugalkräfte berücksichtigen Achtung: Erde und Mond drehen um gemeinsamen Schwerpunkt!
L7.
FE 
1
4 0

2
38
qQ
1 e2
9 1.6022  10



8
.
9875

10

N
4 0 r 2
r2
25  10  22
 9.23  10 8 N
L8.
2
2
 r   15cm 
F (r2 )
15cm
3 1  
 8.66cm
  r2 
F (r1 )
3
 r2   r2 
L9.
mM
mM  M
 r3   

2
r
m 2 4 2
T2
r3  M
 2  2
4
T
mr 2   
39
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 213 Reibungskräfte
Theorie
Reibung entsteht bei mechanischem Kontakt von Oberflächen. Mikroskopisch gesehen lässt sich Reibung auf die elektrischen Kräfte zwischen
Atomen zurückführen.
Naiverweise würde man annehmen, dass die Reibung von der Grösse
der reibenden Oberfläche abhängt. Da jedoch der Druck, also die Kraft pro
Fläche relevant ist, ist die Reibungskraft unabhängig von der Fläche.
Es wird zwischen Haft- und Gleitreibung unterschieden. Bei der Haftreibung haften die beiden Seiten aneinander, die Differenzgeschwindigkeit ist
null. Es gilt:
FR   H  FN
(Eq.7)
Dabei ist  H die Haftreibungszahl (Tab.1). Die Normalkraft FN ist die
senkrecht zur Oberfläche gerichtete Kraft.
Die Gleitreibung beschreibt die Reibung zwischen sich zwei gegenseitig
bewegenden Oberflächen. Analog zu Eq.7 gilt:
FR   G  FN
(Eq.8)
Tab.1. Gleit- und Haftreibungskoeffizienten (ungefähre Werte für trockene Oberflächen).
Holz auf Holz
Stahl auf Stahl
Pneu auf trockenem
Asphalt
Stahl auf Eis
G
H
0.4
0.1
0.6
0.6
0.15
1.0
0.014
0.027
Wichtig anzumerken ist, dass es auch Rollreibung gibt. Die korrekte Behandlung bzw. Modellierung von Reibungskräften bei realen Problemen ist
oft schwiering, da je nach bewegungszustand verschiedene Formen von Reibung ineinander übergehen können.
40
Haftreibung
Gleitreibung
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Aufgaben
A1. Ein Holzblock werde auf eine geneigte Ebene (Brett aus Holz) gestellt.
Wie gross darf der Neigungswinkel maximal sein, damit der Block nicht ins
rutschen kommt?
A2. Ein Motorrad (Masse = 320 kg) fährt mit 90 km/h in eine Kurve. Der
Kurvenradius betrage 70 m. Kann der Motorradfahrer diese Kurve mit dieser Geschwindigkeit durchfahren?
L1.
mg  sin    H  mg  cos 
sin 
  H  tan 
cos 
  arctan  H  30.96
L2. Ansatz: Haftreibungskraft > Zentripetalkraft:
 H  mg 
mv 2
v2
 H  g 
r
r
H ist für Pneu auf Asphalt ca. 1.0, v2/r = 8.93  Kurve ist knapp möglich!
41
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 220 Fall- und Wurfbewegungen mit Luftwiderstand
221 freier Fall mit Luftwiderstand
Theorie
In diesem Abschnitt wird eine Eindimensionale Bewegung betrachtet.
Zielgrösse ist dabei die zurückgelegte Strecke s  s (t ) . Nach Newton ist
das Produkt Masse mal Beschleunigung (m·a) gegeben durch die Summe
Fi . Auf einen frei fallenden
der im System wirkenden Kräfte Fi: ma 
Kraft

i
Körper im Vakuum wirkt nur die Gewichtskraft FG = mg (mit g =
Schwerebeschleunigung = 9.81 m/s). Es gilt deshalb: Träge Kraft gleich
schwere Kraft, also ma = mg. Die Masse m kürzt sich aus der Gleichung.
Berücksichtigt man, dass die Beschleunigung a gleich der ersten Ableitung
der Geschwindigkeit v = v(t) nach der Zeit t ist, so resultiert eine einfache
Differentialgleichung:
dv
g
dt
Freier Fall
ohne
Luftwiderstand
(Eq.9)
Die Geschwindigkeit als Funktion der Zeit v(t) lässt sich bestimmen. Dabei
muss diejenige Funktion gesucht werden, welche bei einma-liger Ableitung
g ergibt. Dies ist der Fall für v(t )  g  t  c . Wird die Zeit t = 0 s gesetzt
(Startzeitpunkt), so gilt: v(t=0) = v0 = c, womit die Konstante c bestimmt ist.
Analog kann auch die Streckenfunktion s (t ) bestimmt werden:
s (t ) 
1 2
gt  v0 t  s 0
2
(Eq.10)
Solange kein Luftwiderstand berücksichtigt wird, lässt sich der Vorgang
vollend im Rahmen der Kinematik (Kap. 100) beschreiben.
Auf einen fallenden Körper in der Luft wirkt nun aber neben der
Gravitationskraft FG = mg auch eine Luftwiderstandskraft FW. Da der
Luftwiderstand dem Beschleunigungsvorgang entgegen wirkt, ist FW mit
einem negativen Vorzeichen zu versehen. Die Kräftebilanz sieht nun wie
Fi  FG  FW . Der Luftwiderstand wird als Kraft des
folgt aus: ma 

i
Strömungswiderstandes eines Körpers mit der Querschnittsfläche A und
der Masse m beschrieben, welcher sich in einem Medium mit der Dichte 
42
Luftwiderstand
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik bewegt. Im Unterschallbereich (deutlich unterhalb v  344m / s ) nimmt
diese Kraft quadratisch zur Geschwindigkeit zu:
Fw  c w
A
2
 v2
(Eq.11)
Hier ist cw die Widerstandszahl2 und  die Luftdichte (Standard-atmosphäre:
 = 1.293 kg/m3). Die Fläche A ist die senkrecht zur Anströmung stehende
Querschnittsfläche.
Somit ergibt sich die folgende Bewegungsgleichung für die Geschwindigkeit v:
dv
A 2
 g  cw
v
dt
2m
(Eq.12)
Bei Gleichung (Eq.12) handelt es sich um eine sogenannte Differentialgleichung (DGL, engl. ODE: ordinary differential equation). Es
gibt verschiedene analytische Verfahren zur Lösung solcher Gleichungen,
welche später in diesem Skript erläutert werden. In die-sem Abschnitt soll
die Gleichung numerisch gelöst werden.
In einem ersten Schritt kann der Fall für g = 0 m/s2 untersucht werden.
Dies entspricht dem Fall eines horizontal fliegenden Objekts, welches durch
den Luftwiderstand abgebremst wird. Die Geschwin-digkeitsabnahme für
die horizontale Geschwindigkeit ist dann gege-ben durch:
dv
A 2
 c w
v
dt
2m
Widerstandszahl
(Eq.13)
Setzt man den Vorfaktor cw  A /(2m) gleich 1, ist nun eine Funktion
gesucht, welche beim Ableiten das Quadrat von sich selbst ergibt. Dies ist
erfüllt für v(t )  t 1 , denn diese Funktion erfüllt die Differen-tialgleichung
Eq.13:
dv
d
 v 2  t 1   t 2
dt
dt
2
DPK, DMK: Formeln und Tafeln, Orell Füssli Verlag AG (1977), 9. Auflage
(2001), S.170
43
Differentialgleichung
Bewegung in
horizontaler
Richtung
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Unter Berücksichtigung des Vorfaktors ergibt sich als Lösungsfunktion:
 A 

v  v(t )   c w
  t  c
 2m 

1
(Eq.14)
Durch Ableiten und Einsetzen in die Bewegungsgleichung (Eq.13) lässt sich
überprüfen, ob die Funktion Eq.14 tatsächlich Lösung von Eq.13 ist.
Die Konstante c kann durch Einsetzen der Zeit für t = 0 s erhalten
werden: c = -(v0)-1 mit v0 = v(t=0).
Analytische
Lösung
Die numerische Berechnung erfolgt über eine Differenzengleichung. Dabei
wird für den n+1-ten Berechnungsschritt die Geschwindigkeit vn+1 aus der
Geschwindigkeit des n-ten Berechnungsschritts vn und der Geschwindigkeitszunahme (Differenz) vn ermittelt:
Numerische
Lösung
A 2 

vn 1  vn  vn  vn   g  cw
 vn   t
2m


(Eq.15)
Dabei wurde die Ableitung nach der Zeit dv/dt durch den Quotienten v/t
 v 
 rückgängig gemacht.
t 0 t
 
ersetzt. Es wird quasi der Limes lim 
Das Verfahren wird umso genauer, desto kleiner die Zeit-schritte t sind.
Die Wahl eines günstigen t hängt von der Rechen-leistung des Computers
und vom zu berechnenden Problem ab. Kleine Zeitschritte t führen zwar zu
einer hohen numerischen Genauigkeit, aber auch zu grossen Datenmengen
und längerer Rechenzeit (was bei einfachen Systemen heute kein Problem
mehr darstellt). Je kleiner die zeitlichen Änderungen der Geschwindigkeit
sind und umso weniger hohe Ansprüche an die Genauigkeit gestellt werden,
desto grösser können die Zeitschritte t gewählt werden. Letzen Endes
handelt es sich um ein Optimierungsproblem.
Die Differenzengleichung (Eq.15) lässt sich problemlos in ein
Tabellenkalkulations-Programm implementieren. Die resultierende Berechnungstabelle (Tab.2) kann durch eine weitere Kolonne für die Strecke ergänzt werden, welche durch eine numerische Integration erhalten wird.
44
Genauigkeit
Verwendung
von TabellenKalkulation
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Tab.2. Berechnungstabelle für den freien Fall mit Luftwiderstand. Für den n+1-ten
Schritt die Geschwindigkeit vn+1 aus der Geschwindigkeit des n-ten Berechnungsschritts vn und der Geschwindigkeitszunahme vn berechnet.
Zeit
t
t0
Geschwindigkeit
v
v0 = v(t0)
t1
v1 = v0 + v0
t2
v2 = v1 + v1
t3
v3 = v2 + v2
Differenz v
Strecke s
v0 =
(g-cw·A(v0)2/(2m))·(t1-t0)
v1 =
(g-cw·A(v1)2/(2m))·(t2-t1)
v2 =
(g-cw·A(v2)2/(2m))·(t3-t2)
v3 =
(g-cw·A(v3)2/(2m))·(t4-t3)
s0
s1 =
v0(t1-t0)+s0
s1 =
v1(t2-t1)+s1
s1 =
v2(t3-t2)+s2
Aufgaben
A1. Verwenden Sie die Formel Eq.15, um mit Hilfe des Programms Excel
die Geschwindigkeit als Funktion der Zeit schrittweise zu be-rechnen.
A2. Berechnen Sie für eine Masse m = 70 kg, eine Querschnittsfläche A = 1
m2 und eine Widerstandszahl cw = 0.74 die Gleichgewichts-geschwindigkeit
analytisch. Vergleichen Sie das Resultat mit der numerisch berechneten
Gleichgewichtsgeschwindigkeit.  Arbeitet die Computersimulation korrekt?
A3. Berechnen Sie im Excel mit Hilfe der analytischen Lösungs-funktion
für v (Eq.14) die Geschwindigkeiten für ein horizontal fliegendes Objekt mit
der Anfangsgeschwindigkeit v0 = 100 m/s. Verwenden Sie die gleichen
Zeitschritte wie bei der numerischen Berechnung. Bilden Sie die Differenzen. Was stellen Sie fest?
45
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1 / L2. Die Tabelle (Tab.2) kann auf verschiedene Arten erweitert werden.
So kann ein Fallschirmsprung mit Skydive (Abtauchen des Springers durch
Einnehmen einer vertikalen Position) oder das Öffnen des Fallschirmsprungs simuliert werden.
Die Gleichgewichtsgeschwindigkeit veq kann analytisch berechnet werden.
Die Bedingung dafür liefert das Nullsetzen der Ableitung der Geschwindigkeitsfunktion:
dv
A 2
 0  g  cw
 veq
2m
dt
Gleichgewicht
(Eq.16)
Durch Umformen ergibt sich die Gleichgewichtsgeschwindigkeit:
veq 
2mg
c w A
(Eq.17)
L3. Der zweite Vergleich kann zwischen der numerisch gerechneten
Geschwindigkeit vnum und der analytischen Lösung vanal (Eq.14) für den Fall
g = 0 m/s2 erfolgen. Dafür muss in der Berechnungstabelle (Tab.2) die
Schwerebeschleunigung g null gesetzt werden. Die Anfangsgeschwindigkeit
sollte für eine realistische Simulation nicht zu hoch gewählt werden (≤100
m/s), da sonst Kompressibilitätseffekte mitberücksichtigt werden müssten.
In der gleichen Tabelle kann direkt die Lösungsfunktion v(t) für die
gegebenen Zeitschritte berechnet und die Differenz zur numerischen Lösung
zeilenweise gebildet werden (Fig.1ab).
In Fig2b lässt sich gut erkennen, wie die Differenzen zwischen
analytischer und numerischer Lösung mit abnehmendem t kleiner werden.
46
Vergleich mit
analytischer
Lösung
Numerische
Fehler
Geschwindigkeit v / ms-1
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 100
a) vana
80
b) vnum
60
a
40
b
20
0
0
4
2
6
10
8
Zeit t / s
Fig.1a. Die Abnahme der horizontalen Geschwindigkeit v(t), Kurve a be-rechnet mit
Excel unter Verwendung von Eq.14, Kurve b numerisch berechnet mit Eq.15,
Schrittweite t = 1 s. Die Anfangsgeschwindigkeit v0 beträgt 100 m/s und es wurde
ein Intervall von 10 s berechnet. Achtung: Die Kurven täuschen über den Umstand
hinweg, dass die Geschweindigkeit nur an wenigen Punkten gerechnet wurde!
Differenz  = vana - vnum / ms-1
25
a) t = 1 s
20
b) t = 0.5 s
15
a
c) t = 0.2 s
10
b
5
0
c
0
2
4
6
8
10
Zeit t / s
Fig.1b. Differenz = vanal - vnum zwischen Berechnung von v(t) mit Eq.14 und Eq.15
für verschiedene Schrittweiten t. Die Anfangsgeschwindigkeit v0 beträgt 100 m/s.
47
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 222 Ballistische Kurven
Theorie
In diesem Abschnitt geht es um die Erweiterung der Computer-Simulation
von Abschnitt 122. Für die Bewegung in x-und in y-Rich-tung soll nun der
Luftwiderstand mitberücksichtigt werden. Dabei erfolgt die Simulation
analog zum Abschnitt 211. Der schiefe Wurf mit Luftwiderstand kann als
Kombination von vertikalem Wurf (und freier Fall) mit Luftwiderstand und
horizontaler Bewegung mit Luftwiderstand (Eq.5) gedacht werden.
Aufgaben
A1. Erweitern Sie Ihre Simulation für den schiefen Wurf so, dass der
Luftwiderstand berücksichtigt wird.
A2. Simulieren Sie mit der Simulation von Aufgabe 1 einige Bei-spiele.
Betrachten Sie die resultierenden Bahnkurven: Wie lässt sich der Verlauf
der Bahn qualitativ erklären?
A3. Beantworten Sie mittels der Simulation von Aufgabe 1 folgende Frage:
Wie weit fliegt ein kugelförmiges Geschoss, welches in einem
Abschusswinkel von 45° mit einer Anfangsgeschwindigkeit von 300 m/s
abgeschossen wird. Die Masse des Geschosses betrage 20 kg.
A4. Was wurde in Aufgabe 3 vernachlässigt?
Lösungen
L1. Die Berechnung des Luftwiderstands darf wegen dem quadra-tischen
Term für die Geschwindigkeit nicht getrennt für jede Richtung erfolgen. Es
muss also die Geschwindigkeitsabnahme in Flug-richtung simuliert werden.
Hingegen ist die Schwerebeschleunigung nur in der vertikalen Richtung anzuwenden. Die Beschreibung der aktuelle Flugrichtung kann durch den
Winkel  zwischen Gesamt-geschwindigkeit und Horizont erfolgen. Dieser
muss bei jedem Schritt neu aus v x und v y erfolgen.
48
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Folgende Berechnungstabelle berechneten den schiefen Wurf mit Luftwiderstand korrekt:
t v x  v x
x  x
v x
  g  t  v  sin   y  v y  t
 v  cos   x  v x  t


v
v
v x2

v 2y
 cw
0
1000
y  y
v y  v y v y
A
2m
 vy
 arctan
 vx
 v 2  t




2000
1500
1000
500
0
2000
3000
4000
5000
6000
-500
-1000
Fig.2. Simulation eines Kanonenschusses: Die Masse des kugelförmigen Geschosses beträgt 20 kg, die Anfangsgeschwindigkeit 300 m/s und der Abschusswinkel
45°; Numerik: Euler-Verfahren mit Schrittweite
t  0.01 s.
L3. gem. Fig.3: ca. 4700 m
L4. Abnahme der Luftdichte mit zunehmender Höhe: Die Abnahme der
Dichte läuft exponentiell mit der Höhe. Alle 6600 m Höhendifferenz halbiert sie sich (Der Druck halbiert sich ca. alle 550 m).
49
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 230 Impuls
231 Impulserhaltung
Theorie
Im Gegensatz zur Kraft ist der Impuls eine Erhaltungsgrösse. Definiert ist
der Impuls durch:


p  mv
(Eq.18)
Die SI-Einheit ist kg  m / s  Ns . Die Kraft stellt die zeitliche Ände-rung
 
des Impulses dar. Wenn die Geschwindigkeit v  v (t ) und die Masse
m  m(t ) von der Zeit abhängig sind, folgt unter Anwendung der Ableitung:


dv  dm
F m
v
dt
dt
dm
v*dm
dv*dm
m
p=m*v
m*dv
v
dv
m
p=m*v
v
dv
Fig.4. Illustration der Impulsänderung bei gleichzeitiger Änderung von Masse und
Geschwindigkeit.
50
Impuls und
Kraft
(Eq.19)
Die mathematische Herleitung von Eq.19 ist in Anhang 3 gegeben
(Produkteregel für Ableitungen). An dieser Stelle sei dieser Sachverhalt
graphisch illustriert (Fig.4). Die gleichzeitige Änderung von zwei unabhängigen Grössen lässt sich mit einem Quadrat darstellen, welches auf der
einen Seite um dv und auf der anderen Seite um dm vergrössert wird. Die
Flächenänderung beträgt dann m  dv  v  dm  dv  dm . Wenn die die Änderungen gegenüber den Seitenlängen m und v sehr klein sind (also für
dm  0 und dv  0 , kann der Term dv  dm vernachlässigt werden, es
resultiert m  dv  v  dm . Ist dies die Änderung pro Zeitschritt dt, so
resultiert Eq.19.
dm
Definition des
Impulses
Produkte-Regel
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Kraft und Impuls sind vektorielle Grössen. Deshalb gilt für jede Raumrichtung in Gleichung Eq.19 Fx  p x , Fy  p y bzw. Fz  p z .
 null, so dass gilt:
Für konstante Massen wird die zeitliche Ableitung m

 dp
dv

F
m
 ma
dt
dt
(Eq.20)
Im Folgenden sollen nun zwei wechselwirkende Körper (e.g. Planeten,
welche sich gravitativ anziehen) betrachtet werden (Fig.5).
FA
Impulsvektor
ZweikörperProblem
FB
mA
mB
Fig.5. Kräfte beim Zweikörperproblem
Gemäss dem dritten
Axiom (Actio gleich Reactio) haben die
 Newtonschen

Kraftvektoren FA und F
 B den
 gleichen Betrag, aber entgegen gesetzte
Richtung. Es gilt somit: FA  FB  0 . Daraus folgt unter Verwendung von




Eq.20 und mit p A  m A v A bzw. p B  m B v B :



dp dp A dp B


0
dt
dt
dt
(Eq.21)
Wenn die zeitliche Änderung des Impulses null ist, bedeutet dies, dass der
Impuls im System erhalten bleibt, also:
 

p  p A  p B  const.
Actio =
Reactio
(Eq.22)
Dies bedeutet auch, dass zu zwei verschiedenen Zeiten t1 und t 2 der Impuls




erhalten bleibt: p A (t1 )  p B (t1 )  p A (t 2 )  p B (t 2 ) . Dies gilt auch für
Systeme mit mehr als zwei Körpern, wenn keine äussere Kraft wirkt.
51
ImpulsErhaltung
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 
Aus Eq.22 kann auch die Geschwindigkeit v des Schwerpunktes des



Systems berechnet werden. Es gilt (m A  m B )v  m A v A  m B v B und
somit:


 m v  mB v B

v A A
m A  mB
Geschwindigkeit des
Schwerpunktes

p
m
i
(Eq.23)
i
i
i
Die Summe aller Teilimpulse im System dividiert durch die Gesamt-masse
ergibt also die Geschwindigkeit des Schwerpunktes.
Stösse können mit dem Computer simuliert werden. Im Folgenden soll ein
Ball betrachtet werden, welcher aus der Anfangshöhe h0 fallen gelassen
wird. Beim Auftreffen auf den Boden kann sich der Ball plastisch und
elastisch deformieren (eine Einführung in die Mechanik der Kontinua ist im
Kapitel 600 gegeben). Die elastische Deformation führt zu einer rücktreibenden Kraft FD . Diese wirkt nach oben, solange der Ball deformiert ist.
Dies ist während der Dauer der Bodenberührung der Fall. Während dieser
Zeit wird Impuls auf den Ball zurück übertragen. Bei einer vollkommen
elastischen Deformation ist dies der doppelte Impuls, welcher der Ball kurz
vor dem Auftreffen auf den Boden hat. Der Impuls kann auch über die
Wirkungsdauer und Stärke der rücktreibenden Kraft FD berechnet werden
(Kraftstoss):

p  FD  dt
(Eq.24)
Das Integral Eq.24 (Abschnitt 321) ist die Umkehrung der Ableitung. Es
berechnet quasi die Fläche unter der Kurve von FD (t ) . Wäre die Kraft FD
zeitlich konstant, so könnte die Impulsänderung pro Zeitdifferenz Δt einfach durch Δp  FD  Δt berechnet werden. Für einen genügend kurzen
Zeitschritt kann angenommen werden, dass die Kraft einigermassen konstant bleibt. Die gesamte Impulsänderung lässt sich durch eine Summe approximieren:
p   Δpi   FD (ti )  Δt
i
52
i
Simulation
eines Stosses
Kraft-Stoss
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik FD(t)
p
Zeit t
Fig.5. Schematische Darstellung des Verlaufs der rücktreibenden Kraft wäh-rend
der Dauer der Bodenberührung und Deformation eines Balls: Die graue Fläche
entspricht dem Impuls.
Für die Berechnung der Kraft müsste die elastische und plastische
Deformation des Balls in einem dreidimensionalen Modell gerechnet
werden. An dieser Stelle soll nur ein einfaches Modell vorgestellt werden.
Dabei kann angenommen werden, dass die rücktreibende Kraft proportional
zur Deformation des Balls mit dem Radius r ist (mit der
Proportionaitätskonstante D). Für h(t )  r gilt:
dp
  mg  D  (r  h)
dt
(Eq.25)
Für die Höhe h resultiert daraus die folgende Differentialgleichung:
d 2h
D
  g   r  h 
2
m
dt
53
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Aufgaben
A1. Ein rollender Wagen mit der Masse m verliere durch Reibung Impuls.
Es gelte dabei: p (t )  p 0  e  t .
a) Berechnen Sie die auf den Boden übertragene Kraft F (t ) .
b) Wohin geht der Impuls?
A2. Ein Flugzeugflügel erzeugt seinen Auftrieb, in dem er die anströmende
Luft nach unten ablenkt.
a) Wie viele m3 Luft muss ein Flugzeug mit einer Masse von 1000 kg
pro Sekunde nach unten ablenken, damit es im Horizontalflug genügend Auftrieb besitzt (Annahme: Geschwindigkeit der senkrecht
nach unten strömenden Luft betrage 10 m/s)?
b) Erklären Sie, warum schnellere Flugzeuge kleinere Flügel haben.
A3. Auf ein Glasdach mit einer Neigung von 45° fällt ein 4 g schweres
Hagelkorn mit einer Geschwindigkeit von 20 m/s. Der vollkommen elastische Stoss mit dem Glasdach dauere 1 ms.
Welche Kraft wirkt während der Stosszeit auf das Dach?
A4. Beim Abwaschen lässt sich beobachten, wie das Wasser beim Auftreffen auf den Trogboden um 90° abgelenkt wird.
Welche Kraft wirkt auf den Trogboden, wenn der Wasserstrahl einen
Durchmesser von 1 cm und eine Geschwindigkeit von 7 m/s hat?
(Hinwies: Wassermenge pro Zeit betrachten und Symmetrie des abfliessenden Wassers ausnutzen)
A5. Ein Auto mit einer Masse von 1200 kg fährt mit 50 km/h einem anderen
Auto mit einer Masse von 700 kg und einer Geschwindigkeit von 30 km/h
hinten auf.
Welche Geschwindigkeit haben die beiden Autos, wenn es sich um einen
inelastischen Stoss handelt (und die Deformation der Autos vernachlässigt
wird)?
A6. Simulieren Sie mit dem Computer einen Ball, welcher aus einer Höhe
von 1 m auf den Boden fällt. Schreiben Sie dafür ein Programm (Programmiersprache frei wählbar). Implementieren Sie zuerst den vollkommen
elastischen Fall. Fügen Sie danach noch eine zur Deformationsgeschwindigkeit proportionale Dämpfung ein.
54
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
(a) F (t ) 


dp d

p 0  e  t   p 0  e  t
dt dt
(b) Impuls wird auf den Boden übertragen.
L2.
(a) FA 
p
m
V
V FA
 v
 v 


= 760.47 m3
t
t
t
t
v
(b) Der Flüge erfasst durch die höhere Geschwindigkeit pro Zeiteinheit ein
grösseres Luftvolumen. Zudem wird dieses mit einer höheren Geschwindigkeit nach unten abgelenkt.
L3. p 
2  mv  F  2 
mv
= 113 N
t
L4. Der Gesamtimpuls nach dem Auftreffen auf den Trogboden ist Null
(Vektorsumme!).
m  v   V  v   d 2  s    v 1
F


   d 2 v 2 = 4 N
t
t
4  t
4
L5.
v
m A v A  m B v B 1200kg  (50 / 3.6)m / s  700kg  (30 / 3.6)m / s

m A  mB
1200kg  700kg
 11.84m / s  42.6km / h
55
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L6. Der folgende Programmcode wurde in Ruby geschrieben:
# Program Push v1.0 #
# Created by Stephan Scheidegger #
# ------------------------------ #
# Calculation of the velocity of a falling ball
including elastic pushes #
# using an Euler algorithm #
# Use command ruby push.rb > filename.txt to create
output file #
# Input section #
v0 = 0.00 # m/s #
g = 9.81 # m/s2 #
h0 = 1.0 # m #
rd = 0.05 # m, radius of ball #
rh = 1.293 # kg/m3, density of air #
A = 0.01 # m2, cross section area of ball #
m = 0.1 # kg, mass of ball #
D = 100000 # N/(m*kg), elastic constant of ball divided
by the mass m, corresponding to Hooks law #
y = 100 # 1/s, attenuation constant describing friction
in deformed ball #
cw = 0.45 # no unit #
dt = 0.002 # s #
z = 40000 # Numbers of steps #
# setting initial values #
v = v0
h = h0
t = 0
time = 0
puts "#{0} #{v} #{h}"
# main routine #
for i in 1..z
s = h
t = time
if (h > rd)
u = v + (-g-(cw*rh*A/(2*m))*v*Math.sqrt(v*v))*dt
h = s + v*dt
time = t + dt
puts "#{time} #{u} #{h}"
v = u
s = h
56
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik else
dz = dt/1000
u = v + (-g-y*v+D*(rd-s))*dz
h = s + v*dz
time = t + dz
puts "#{time} #{u} #{h}"
v = u
s = h
end
end
gets
Für h(t )  r wurde zusätzlich noch der Luftwiderstand berücksichtigt. Da
die Luftwiderstandskraft immer der Bewegung entgegenwirkt, muss beim
quadratischen Geschwindigkeitsterm v  v oder sgn(v)  v 2 gesetzt werden.
h(t) / m
Zeit t / s
Fig.6. Zeitlicher Verlauf der Höhe eines Balls: Die Parameterwerte sind dem Programmcode zu entnehmen.
57
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 232 Computersimulation von Impulsänderungen
Theorie
In diesem Abschnitt soll anhand eines einfachen Beispiels in die Computersimulation mit Systemdynamikprogrammen eingeführt werden.
Dazu wird ein Triebwerk betrachtet, dessen Schubkraft von der
Geschwindigkeit v  v(t ) gegenüber dem umgebenden Medium (e.g. Luft)
abhängig ist:
dp
  u  v(t ) 
dt
(Eq.26)
Der Faktor  hat die Einheit Masse pro Zeit. Somit kann  (u  v) als
Masse interpretiert werden, welche pro Zeitschritt dt auf die Differenzgeschwindigkeit u  v gebracht wird (wobei u konstant sein soll).
Die Gleichung Eq.26 ist wiederum eine Differentialgleichung, wobei
die Impulsfunktion p  p (t )  mv(t ) mit der Geschwindigkeit v  v(t )
verknüpft ist. Die Masse m ist die bewegte Masse, also Triebwerksmasse
plus die Masse des angetriebenen Objektes (e.g. Flugzeug). Die Gleichung
(Eq.26) kann nur mit dem Impuls geschrieben werden:
dp
p

   u  
dt
m

(Eq.28)
Gesucht ist nun eine Funktion  (t ) , welche beim Ableiten bis auf die
Multiplikation mit einem Vorfaktor wieder die gleiche Funktion ergibt.

 t
Dafür kommt  (t )  c  e m in Frage. Nun muss die Substitution wieder
rückgängig gemacht werden. Mit p (t )  mu  m (t ) resultiert:
58
DGL für
Impuls
(Eq.27)
Die Gleichung kann analytisch gelöst werden. Dafür kann folgende
Substitution gemacht werden:  (t )  u  p / m . Die Ableitung ergibt
   p / m . Durch Einsetzen in Eq.25 ergibt sich:

d
  
dt
m
Ziel
Analytische
Lösung
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 
p (t )  mu  mc  e
 t
m
(Eq.29)
Nun gilt es noch die Konstante c zu bestimmen. Dafür wird t  0 s gesetzt.
Der Impuls p (t  0 s )  p (0 s )  p 0 ist der Anfangswert. Somit wird Eq.29
zu:
p(t )  mu  mu  p 0   e
Bestimmung
der
Konstanten;
Anfangswert

 t
m
(Eq.30)
In diesem Beispiel kann also eine analytische Lösung von Eq.28 bzw. Eq27
gefunden werden. Für kompliziertere Systeme stösst man im Allgemeinen
schnell an Grenzen. Deshalb soll hier exemplarisch der alternative Weg über
die numerische Berechnung aufgezeigt werden.
Grundsätzlich kann mittels eines einfachen Eulerverfahrens unter
Verwendung eines Tabellenkalkulationsprogramms die Lösung nu-merisch
ermittelt werden, analog zur Simulation des freien Falls mit Luftwiderstand
und des schiefen Wurfes mit Luftwiderstand. Für komplexe Systeme
empfiehlt sich aber die Verwendung von spe-zialisierter Systemdynamiksoftware, da die graphische Oberfläche den Überblick enorm erleichtert.
Ausgangspunkt für die Programmierung sind Speichergrössen. Diese werden auf der graphischen Oberfläche mit rechteckigen Kästchen dargestellt
(Fig.7). In dies Kästchen hinein oder aus ihnen heraus führen Flüsse (durch
dicke Pfeile dargestellt), d.h. also zeitliche Änderungen der Speichergrössen. Kreise symbolisieren Hilfsgrössen. Dies können Konstanten, aber
auch andere Grössen sein, welche aus den aktuellen Werten von Speichergrössen berechnet werden. Einfache Pfeile stellen die Verbindungen zwischen den Rechengrössen dar.
Während dem zeichnen auf der Oberfläche werden im Hinter-grund die
Gleichungen für den numerischen Algorithmus program-miert. Zur numerischen Berechnung stehen bei vielen Systemdy-namikprogrammen zwei
verschieden Verfahren zur Auswahl: Das Euler-Verfahren, welches der
Berechnungsmethode beim freien Fall mit Luftwiderstand (Abschnitt 221)
entspricht, und das Runge-Kutta-Verfahren, welches die Differenzengleichung mittels Taylorreihen-Entwicklung bis zur n-ten Ableitung entwickelt. Die Eigenschaften der Verfahren und die numerischen Fehler werden später im Kapitel 400 besprochen.
59
Numerische
Lösung
Tabelle für
EulerVerfahren
graphische
Oberfläche
Runge-KuttaVerfahren
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Billanzgrösse
(Ladung auf einer Fläche
des Kondensators)
Q
U
R
C
dQ/dt
Q
Abfluss
(Änderung der Ladung
pro Zeiteinheit Strom)
Pfeil für Abhängigkeit
dQ/dt
C
R
Konstante Grössen
(Kapazität, Widerstand)
U
Abhängige Grösse
(elektrische Spannung)
Fig.7. Flussdiagramm bei einem Systemdynamikprogramm: Beispiel für die Simulation der Kondensatorentladung.
Aufgaben
A1. Programmieren Sie mittels eines graphischen Modelleditors (Vensim,
Dynasys, Stelle etc.) eine Simulation zu Eq.26. Überprüfen Sie die Simulation: Welche Möglichkeiten der Überprüfung bieten sich an?
A2. Erweitern Sie ihr Modell unter Annahme sinnvoller Parameter-werte für
ein Flugzeug
a) mit Luftwiderstand.
b) Für einen Steigflug
vclimb  0.1  v(t ) .
mit
einer
Steiggeschwindigkeit
von
Vergleichen Sie die Resultate mit Aufgabe 1: Wie lassen sich die Unterschiede bezüglich der Geschwindigkeit charakterisieren? Woher kommt
oder wohin geht der Impuls?
60
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L1. Das zu Eq.26 entsprechende Flussdiagramm ist in Fig.8 gezeigt.
u
b
p
dp
v
Fig.8. Flussdiagramm für Simulation von Eq.26, erstellt mit Vensim3:
m
 b
Für die Kontrolle der Simulation eignet sich die Darstellung der Geschwindigkeit. Dafür kann die Gleichgewichtsgeschwindigkeit v eq berechnet werden. Es gilt im Gleichgewicht:
dp
 0    (u  veq )
dt
(Eq.31)
somit ist die Gleichgewichtsgeschwindigkeit gegeben durch veq  u . Zu
diesem Resultat gelangt man auch, wenn in der Lösungsfunktion (Eq.30)
t   gesetzt wird. Streng genommen wird also das Gleich-gewicht erst im
Unendlichen erreicht.
Generell kann für die Kontrolle der Simulation die Lösungs-funktion
(Eq.30) herangezogen werden.
3
Kontrolle der
Simulation
Vensim Version 5: Ventana Systems Inc., Harvard, MA
61
Gleichgew.Geschwindigkeit
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Die Geschwindigkeitsfunktion ist in Fig.9 dargestellt (die Parameter-werte
sind in Bildlegende gegeben).
v
100
75
50
25
0
0
20
40
60
80
100
120
Time (Second)
v : Current
140
160
180
200
m/s
Fig.9. Geschwindigkeitsfunktion bei Schubkraft gemäss Eq.26: Anfangsimpuls
p 0  0 Ns ;   30kg / s , u  100m / s , m  1000kg
L2. Die Berücksichtigung des Luftwiderstandes erfolgt über die Luftwiderstandskraft. Die Systemgleichung Eq.26 muss nun entsprechend angepasst werden:
A 2
dp
  u  v   c w
v
dt
2
(Eq.32)
Für die Luftdichte kann bei Standardatmosphäre   1.293kg / m 3 angenommen werden. Die Querschnittsfläche ist etwas schwieriger zu bestimmen. Wird von einem Kleinflugzeug mit einer Masse von 1000 kg ausgegangen, so kann in grober Näherung eine Fläche von 3 m2 ausgegangen
werden. Für das in Fig.10 gezeigte Simulationsresultat wird von einem cwWert von 0.3 ausgegangen.
62
Simulation mit
Luftwiderstand
ParameterWerte
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik v
60
45
30
15
0
0
20
40
60
80
100
120
Time (Second)
140
160
v : Current
180
200
m/s
Fig.10. Geschwindigkeitsfunktion bei Simulation mit Luftwiderstand.
Die Gleichgewichtsgeschwindigkeit wird bei Berücksichtigung des Luftwiderstandes herab gesetzt. Zudem dauert es etwas länger, bis eine entsprechende Geschwindigkeit erreicht wird, als dies bei Fig.9 der Fall ist.
Bis jetzt wurde von einer horizontalen Bewegung ausgegangen. Im Steigwirkt aber zusätzlich eine
flug mit dem Steigwinkel 
Gewichtskraftkomponente FD der beschleunigenden Kraft entgegen:
FD  FG  sin   mg  sin  . Der Steigwinkel  lässt sich aus den Geschwindigkeitskomponenten bestimmen. Es gilt gemäss dem Geschwindigkeitsdreieck:   arcsin vclimb / v(t )  mit v = Geschwindig-keit in
Bewegungsrichtung. Da bei Aufgabe 2 die Steiggeschwindigkeit in einem
festen Verhältnis zur Vorwärtsgeschwindigkeit steht, ist der Steigwinkel
konstant. Für Luftwiderstand und Steigflug wird Eq.26 zu:
dp
A 2
  u  v   c w
 v  mg  sin 
dt
2
(Eq.33)
Die Gleichgewichtsgeschwindigkeit nimmt weiter ab (auf 38.58 m/s für die
oben angenommenen Werte).
Der Zugewinn des Flugzeugs an Impuls erfolgt durch Impulsübertragung an die Luft.
63
Auswirkungen
auf die Geschwindigkeit
Simulation des
Steigfluges
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 233 Simulation eines Raketenfluges
Theorie
Raketen erzeugen ihren Schub durch Ausstossen von Masse. Bei Verbrennung von Treibstoff besteht die ausgestossene Masse aus den heissen
Verbrennungsgasen. Somit sind Raketen klassische Beispiele für Systeme
mit veränderlicher Masse.
Sei m0 die Masse der Rakete zu beginn und werde in einem kleinen
Zeitschritt dt die Masse dm mit der Geschwindigkeit u aus-gestossen, so
ist nach diesem Zeitschritt die neue Masse der Rakete gegeben durch
m  m0  dm . Für das Aufstellen des Impulssatzes soll das Bezugssystem
gewählt werden, in welchem sich die Rakete vor dem Start befinde. Der
Gesamtimpuls nach dem ersten Ausstoss ist gegeben durch:
0  dm  (u  v1 )  (m0  dm)  v1 (Fig.11).
u-v1
m0-dm
dm
Systeme mit
veränderlicher
Masse
Prinzip des
Raketenantriebs
v1
Fig.11. Prinzip des Raketenantriebes: Durch Ausstossen der Masse dm wird die
Rakete auf die Geschwindigkeit v1 beschleunigt.
Die Geschwindigkeit v1 nach dem Ausstoss ist somit gegeben durch:
v1 
dm
u
m0
(Eq.34)
Der Impulszuwachs ist dp  mv1  u  dm . Der Impulssatz liesse sich nun
für jeden Schritt analog anwenden.
Wird nun eine senkrecht nach oben startende Rakete mit Luftwiderstand
betrachtet, verwendet man am besten Eq.19 aus dem Abschnitt 231: Die
  v  m  v ist gleich der Bilanz der
zeitliche Ableitung des Impulses p  m
Impulsströme (mit FS = Schubkraft):
dp
 m  v  m  v  FS  FG  FW
dt
(Eq.35a)
 u  m  FG  FW
64
Impulszuwachs
Simulation mit
Gewichtskraft
und
Luftwiderstand
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Hier ist u eine feste Gas-Ausstossgeschwindigkeit (quasi Laborsystemunabhängig). Die Impulsströme sind die wirkenden Kräfte sowie der von
der Rakete abgehende Impulsstrom, welcher an den aus dem Triebwerk
  v kommt auf der
austretenden Massestrom gekoppelt ist. Der Term m
linken Seite der Gleichung Eq.35a kann nach rechts genommen werden:
m
dv dm

 (u  v)  FG  FW
dt dt
(Eq.35b)
Nun muss noch berücksichtigt werden, dass die Masse pro Zeit abnimmt,
 negativ ist. Mit  m  u  ( m  u )  m  u und unter der Berückalso m
sichtigung der Richtung von FG   mg und FW resultiert:
m
dv
dm
A
2
 (u  v) 
 m(t )  g  cw
  v(t ) 
2
dt
dt
(Eq.36)
Aufgaben
A1. Implementieren Sie die Systemgleichung Eq.35 in ein Systemdynamikprogramm. Wählen Sie selbst sinnvolle Parameter und testen Sie die Simulation.
A2. Simulieren Sie den Fall, dass nach Aufbrauchen des Treibstoffs das
Triebwerk abstellt. Wie kann dieses Problem in der Simulation umgesetzt
werden?
A3. Stellen Sie eigene Fragen zum Problem (Erweiterung des Systems z.B.
für Raketen, die aus der Atmosphäre hinaus ins Weltall fliegen. Versuchen
Sie, diese anhand der Simulation zu beantworten.
65
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1 / L2.
Fig.12. Flussdiagramm für Simulation des Raketenfluges (erstellt mit Berkeley
Madonna): Zusätzlich zur Geschwindigkeit v wird noch die Höhe h  h(t )
berechnet.
Der Simulation liegen folgende Systemgleichungen und Parameter-werte
zugrunde (Programm-Output Berkeley Madonna):
{Top model}
{Reservoirs}
d/dt (h) = + dhdt
INIT h = 0
d/dt (p) = + Fs - FGandFw
INIT p = 0
d/dt (mfuel) = - Im
INIT mfuel = 0.05
{Flows}
dhdt = v
Fs = (u-v)*Im
FGandFw =
mtot*g+(cw*ro*A/2)*v*abs(v)
Im = IF mfuel>0 THEN dmdt
ELSE 0
66
{Functions}
mempty = 0.05
mtot = mempty+mfuel
u = 2000
dmdt = 0.005
v = p/mtot
cw = 0.1
A = 0.001
ro = 1.293*exp(-k*h)
g = 9.81
k = logn(2)/6600
{Globals}
{End Globals}
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Die folgenden Resultate (Fig.13 & 14) wurden mit einem Batch Run erstellt:
mempty = Batch Run (0.02; 0.06; 0.1; 0.14; 0.18)
500
400
v
300
200
100
0
-100
0
5
10
15
20
25
30
TIME
Fig.13. Geschwindigkeit v(t). Numerik: Schrittweite  t = 0.1 s, Runge-KuttaVerfahren
5000
4500
4000
3500
h
3000
2500
2000
1500
1000
500
0
0
5
10
15
20
25
30
TIME
Fig.14. Höhe h(t). Numerik: Schrittweite t = 0.1 s, Runge-Kutta-Verfahren
L3. Mit der Simulation können eine ganze Reihe von Fragestellungen
bearbeitet werden. Beispiele dafür sind die maximale Flughöhe, Flugdauer
oder die Simulation kann auf Abschusswinkel kleiner als 90° zum Boden
erweitert werden. Dann kann analog zu Abschnitt 222 die Flugweite
untersucht werden. Eine andere Möglichkeit ist die Simulation einer in den
Weltraum fliegenden Rakete. Dabei nimmt die Erdanziehung ab und vor
67
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik allem die Luftdichte und damit der Luftwiderstand wird kleiner. Das
folgende Modell simuliert eine Rakete, welche in die obere Atmosphäre
steigt (wobei angenommen wird, dass bis auf die Maximalhöhe sich noch
keine wesentliche Änderung der Erdanziehung ergibt). Für die Höhenabhängigkeit der Dichte wurde ro = 1.293*exp(-k*h) mit k = logn(2)/6600m
verwendet.
Batch Run mempty = (400; 500; 600; 700; 800)
1000
800
600
400
v
200
0
-200
-400
-600
-800
0
50
100
150
200
250
300
TIME
6e+4
5e+4
4e+4
3e+4
h
2e+4
1e+4
0
-1e+4
-2e+4
-3e+4
0
50
100
150
200
250
300
TIME
Zu beachten ist, dass die Geschwindigkeit noch innerhalb der Atmosphäre
deutlich in den Überschallbereich geht und somit das Modell für den
Luftwiderstand angepasst werden müsste (strömungs-abhängige Änderung
des cw-Wertes, siehe Kapitel 600). Sinkt die Rakete deutlich unter Meeresniveau, so wird die Dichtezunahme der Atmosphäre als einer Abnahme der
(Gleichgewichts-) Geschwindigkeit im Diagramm sichtbar.
68
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 234 Simulation eines Zweikörperproblems
Theorie
Mit graphischen Modelleditoren lässt sich auch ein Zweikörperproblem, wie
z.B. das Erde- Mond-System simulieren. Zur Vereinfachung soll vorerst der
eine (in der regel schwerere Körper, also z.B. die Erde) als fest angenommen werden. Der Ansatz für die Modellierung kann wiederum über den
Impuls erfolgen, wobei nun ein zweidimensionales Problem vorliegt,
also die vektorielle Form der Gleichung p  dp / dt   Fi zur Anwendung
i
kommt. Unter Anwendung des Gravitationsgesetztes Eq.5 im Abschnitt 212
resultuert:



dp
mM r
r
  2    mM  3
dt
r
r
r
(Eq.1)
Dabei ist m die Masse des einen Körpers (z.B. Mond) und M die Masse des
anderen (z.B. Erde). Zudem soll die Masse M im Ursprung des Koordinatensystems fixiert sein. Dies führt dazu, dass die Kraft auf die Masse

m dem Ortsvektor r entgegen gesetzt ist. Unter Annahme konstanter Massen kann nun für die Masse m die Beschleunigung komponentenweise
geschrieben werden als:
dvx 1 dpx
x
 
  M  3
dt m dt
r
(Eq.2)
dv y
dt

y
1 dp y

  M  3
m dt
r
Aufgaben
A1. Implementieren Sie in einem graphischen Modelleditor ein Modell für
das Erde.Mond-System. Berechnen Sie mit Hilfe des Models die Umlaufbahn des Mondes (gem. Angaben in Formeln und Tafeln, DMK / DPK).
Wie lässt scih das Modell anhand der astronomischen Daten überprüfen?
Wie verhält sich die Umlaufbahn des Mondes in Abhängigkeit der
Anfangsbedingungen?
Was ändert sich, wenn anstelle eines r-2-Gesetzes für die Gravitation eine
andere Potenz gewähl wird (z.B. r-1)?
69
Systeme mit
veränderlicher
Masse
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1. Als Speichergrösse im Flussdiagramm bietet sich der Impuls in x- und
y- Richtung an. Aus Eq.2 lässt aber auch direkt eine Struktur mit 4 Integratoren ableiten (Fig.1)
Fig.1. Modell in Flussdiagramm-Darstellung
Die Simulation lässt sich anhand der Abstände Erde-Mond und der Umlaufzeit überprüfen (Fig.2,3).
4e+8
3e+8
2e+8
x
1e+8
0
-1e+8
-2e+8
-3e+8
-4e+8
0
5e+5
1e+6
1.5e+6
2e+6
2.5e+6
3e+6
TIME
Fig.2. x-Koordinate in Abhängigkeit der Zeit: in Abhängigkeit der (Anfangs)Geschwindigkeit v y (0) bei x(0)  xmax  3.84  105 km.
70
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 4e+8
3e+8
2e+8
0
y
1e+8
-1e+8
-2e+8
-3e+8
-4e+8
-4e+8 -3e+8 -2e+8 -1e+8
0
1e+8 2e+8 3e+8 4e+8
x
Fig.3. Umlaufbahn des Mondes in Abhängigkeit der (Anfangs)-Geschwindigkeit
v y (0) bei x(0)  xmax  3.84  105 km: Mit abnehmender Anfangsgeschwindigkeit
werden die Bahnen eliptischer.
4e+8
3e+8
2e+8
0
y
1e+8
-1e+8
-2e+8
-3e+8
-4e+8
-4e+8 -3e+8 -2e+8 -1e+8
0
1e+8 2e+8 3e+8 4e+8
x
Fig.4 Hypothetrische Umlaufbahn für ein r-1-Gesetz: Die Graphitationskonstante
und die Anfangsgeschwindigkeit wurden entsprechend angepasst ( 6.674  1017
m2/(kg.s2)).
71
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 300 Arbeit, Energie und Potential
Um Bewegungen zu beschreiben, existieren zwei sehr unter-schiedliche
Ansätze: Im Kapitel 100 und 200 wurde von den Kräften als zentrale Grösse
ausgegangen. Auch die Grössen Impuls und Arbeit lassen sich von Kräften
ableiten. Ausgangspunkt für die Beschreibung von Bewegungen ist in diesem Fall eine Bewegungsgleichung, welche aufgrund der von NEWTON
gefundenen Prinzipien aufgestellt werden kann.
Einen alternativen Zugang bietet die Energiebetrachtung eines physikalischen Problems. Viele Fragestellungen in der Physik sind über den Begriff Energie besser zugänglich.
Die Lernziele sind:
1. Energieerhaltungssatz für verschiedene Beispiele aufstellen und zur
Lösung verwenden können
2. Definitionen für kinetische und potentielle Energie auswendig
kennen
3. Begriff Potential selber definieren können
4. Einfache Probleme mit Potentialen lösen können
5. Integralrechnung auf einfache physikalische Probleme anwenden
können
Fig.1. Flusskraftwerk bei Laufenburg
72
Inhalt
Lernziele
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 310 Arbeit & Leistung
311 potentielle & kinetische Energie
Theorie
Als Ausgangspunkt dient die physikalische Definition der Arbeit, eine
Grösse, welche sich wie der Impuls aus der Kraft ableiten lässt. Für eine


über den Weg s  r wirkende, konstante Kraft F gilt für die Arbeit W :
 
W  F s
(Eq.1)
Die Arbeit ist eine skalare Grösse (SI-Einheit Joule J  Nm ). Die
vektoriellen Grössen Weg und Kraft werden über ein Skalarprodukt
verknüpft. Für die Beträge lässt sich auch schreiben: W  F  s  cos  .
Dabei ist  der Winkel zwischen Kraft und Weg.
Zwei mechanische Formen von Energie lassen sich besonders einfach
aus der Definition der Arbeit (Eq.1) ableiten. Die potentielle Energie E pot
entspricht der Arbeit, welche im Schwere- bzw. Gravitationsfeld beim
Heben einer Masse m auf die Höhe h verrichtet wird:
E pot  W  F  s  mgh
Definition der
Arbeit
Arbeit als
skalare Grösse
potentielle
Energie
(Eq.2)
Wird eine Masse eine schiefe Ebene mit dem Neigungswinkel  über die
Wegstrecke s befördert, so resultiert aus Eq.1 W  s  mg  cos  . Der
Winkel  kann durch den Neigungswinkel der Ebene ausgedrückt werden:
    90 . Somit wird cos(  90)   sin  und
W  ()mg  s  sin   ()mgh .
Die kinetische Energie ist die in der (reibungsfreien) Bewegung eines
Körpers mit der Masse m steckende Bewegungsenergie. Es ist die bei der
Beschleunigung der Masse geleistete Arbeit. Wieder kann von der Definition der Arbeit (Eq.1) ausgegangen werden. Es gilt für die pro Wegstück
 

geleistete Arbeit: dW  ma  dr , wobei dr ein kleines Wegstück sein
soll, auf dem die Masse während dem Zeitschritt dt verschoben wird.
Somit gilt:

dW
 dr
  d  1   d  1

 ma 
 ma  v   mv  v    mv 2 
dt
dt
dt  2
 dt  2

(Eq.3)
73
schiefe Ebene
kinetische
Energie
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Die pro Zeitschritt dt geleistete Arbeit dW wird als Leistung bezeichnet.
Auf beiden Seiten von Eq.3 steht eine zeitliche Ableitung. Das Weglassen
dieser zeitlichen Ableitung entspricht einer Inte-gration, es gilt also für die
kinetische Energie E kin :
W 
1 2
mv  E kin
2
(Eq.4)
Aufgaben
A1. Bei der Verbrennung von einem mol Oktan (C8H18) werden 5471
kJ/mol freigesetzt. Wie schnell würde ein Motorrad mit einer Masse von
250 kg fahren, wenn diese Energie in die Beschleunigung des Motorrads
umgesetzt würde?
A2. Eine Punktmasse (m = 2 kg) bewege sich mit folgender Geschwindigkeit durch den Raum:
 2
  
v   4 m / s
1
 
a) Berechnen Sie die kinetische Energie Ekin.
b) Berechnen Sie die kinetische Energie nur für die Bewegung in xRichtung (Ekinx).
c) Berechnen Sie die kinetische Energie nun für die Bewegung in y(Ekiny) und z-Richtung getrennt (Ekinz).
d) Berechnen Sie nun aus dem so gewonnen ‘‘Energievektor‘‘ den
Betrag und vergleichen Sie diesen mit (a): Was ist ihre
Schlussfolgerung?
e) Zeigen Sie, dass folgende Beziehung stimmt:
1  
mv  v   E kinx  E kiny  E kinz
2
74
Leistung
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
v
2 E chem
 209.2m / s
m
L2.
(a) E kin 


1
m  v x2  v y2  v z2  21J
2
(bc)
E kin , x  4 J ;
E kin , y  16 J ;
E kin , z  1J
(d)

2
2
E kin  E ki2 , x  E kin
, y  E kin , z  16.5 J  E kin
Energie als vektorielle Grösse macht keinen Sinn. Die Gesamtenergie ist die
Summe der Bewegungsenergien in die einzelnen Raumrichtungen (skalare
Erhaltungsgrösse: Energieerhaltung!).


1   1
1
1
1
mv  v   m v x2  v y2  v z2  mv x2  mv y2  mv z2
2
2
2
2
(e) 2
 E kin , x  E kin , y  E kin , z
75
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 312 Leistung und Energieerhaltung
Theorie
Die Leistung P ist physikalisch definiert durch die pro Zeit dt geleistete
Arbeit dW :
P
dW F  ds

 F v
dt
dt
(Eq.5)
Die Leistung ist somit die zeitliche Änderung der Energie (SI-Einheit
W  J / s ). Die Energie ihrerseits ist eine Erhaltungsgrösse. Für ein
geschlossenes System gilt deshalb:
 E (t )   E (t
i
i
1
i
2
)
EnergieErhaltung
(Eq.6)
i
Die Summe aller Teilenergien E i im System ist als für zwei beliebige
Zeitpunkte t1 und t 2 konstant. Für ein abgeschlossenes System gilt auch:
W  P  0 . Es wird also vom System keine Arbeit nach aussen verrichtet
oder von aussen Energie ins System hinein gebracht. Für ein offenes System
lässt sich die zeitliche Änderung der Energie im System durch folgende
Bilanz berechnen:
dW
 Pin  Pout
dt
(Eq.7)
Dabei ist Pin die ins System investierte Leistung und Pout die vom System
abgegebene Leistung.
Aufgaben
A1. Eine Kugel mit einer Masse von 10 kg wird von einer 20 m hohen
Mauer fallen gelassen.
a) Wie gross wäre die Geschwindigkeit beim Auftreffen auf dem
Boden?
b) Wie gross wäre die Geschwindigkeit beim Auftreffen auf dem
Boden, wenn das Experiment auf dem Mond stattfände?
A2. Wie viel Leistung erbringt eine Turbine bei einem Speicherkraft-werk,
wenn durch diese pro Sekunde 100 Liter Wasser fliessen, welches aus einer
Höhe von 1100 m über der Turbine stammt?
76
Definition der
Leistung
LeistungsBilanz
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik A3. Das Mehrzweckflugzeug PC-12 der Pilatus-Werke ist mit einer Propellerturbine vom Typ Pratt&Whitney mit einer Leistung von 1180 kW
ausgerüstet. Die maximale Reisegeschwindigkeit auf der Dienstgipfelhöhe
von 9150 m beträgt 500 km / h. Das maximale Startgewicht ist 4500 kg und
die maximale Steiggeschwindigkeit beträgt 9.85 m/s.
a) Wie gross ist die gesamte mechanische Energie des beladenen
Flugzeugs, wenn es mit Höchstgeschwindigkeit auf der Dienstgipfelhöhe fliegt?
b) Wie lange dauert es, bis das beladene Flugzeug aus dem Stand die
Dienstgipfelhöhe und die Maximalgeschwindigkeit erreicht hat (Annahmen?)?
c) Warum stimmt die in Aufgabe b gerechnete Zeit nicht mit der
tatsächlich benötigten Zeit überein? Ist die berechnete Zeit zu gross
oder zu klein?
A4. Ein Triebwerk mit einer Standleistung von 250kW beschleunige einen
Wagen mit einer Masse von 500kg . Dabei solle sich die vom Triebwerk
erzeugte Leistung in Abhängigkeit der Geschwindigkeit reduzieren:
P (v)  P0  v 3
mit   0.3Ws 3 / m 3 . Modellieren Sie den Prozess mit eine Systemdynamikprogramm und stellen Sie den zeitlichen Verlauf der Geschwindigkeit
dar.
A5. Mit einem graphischen Modelleditor (Berkeley-Madonna oder
äquivalent) soll ein elastischer Stoss zwischen zwei Massen model-liert und
mittels Simulation untersucht werden. Der Stoss soll auf der Impulsebene
modelliert werden. Diese hat zwei Speicher für die beiden Massen. Parallel
dazu soll die Energieebene mit-modelliert werden. Diese hat drei Speicher:
Die kinetische Energie der beiden Massen sowie die elastische Energie
während der Deformation beim Stoss. Die elastische Deformationsenergie
wird durch die Kraft und den Weg, während diese Kraft wirkt, bestimmt.
Die elastische Kraft soll durch das folgende lineare Gesetz modelliert
werden: FD  D  ( x1  x2 ) für xi sei die Position des i-ten Körpers. Die
Kraft soll nur während des Stosses wirken, also wenn sich die Körper berühren (Analog A6, Abschnitt 231). Wie kann die Simulation über-prüft
werden?
77
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
(a)
E kin  E pot  mgh 
1 2
mv
2
 v  2 gh  19.8m / s
(b) v 
2 g mond  h  8.1m / s
L2.
P
dW d
dm
dV
 gh  m(t )  gh 
 gh 
 1.08MW
dt
dt
dt
dt
L3.
(a) E tot  E kin  E pot 
(b) t 
1 2
mv  mgh = 447 MJ
2
E
= 6.3 min.
P
(c) Es wurde der Luftwiderstand vernachlässigt. Zudem bleibt das Gewicht
nicht konstant, da Treibstoff verbrannt wurde. Auch lässt mit zunehmender
Höhe die Leistung des Triebwerks nach, da die Luft-dichte abnimmt. Des
Weiteren ist die Rotationsenergie aller rotieren-den Teile im Flugzeug
(Turbine, Getriebe) nicht berücksichtigt). Der Luftwiderstand macht jedoch
den grössten Anteil aus. Die berechnete Zeit ist zu klein. In der maximalewn
Steiggeschwindigkeit sind bereits einige aerodynamische Faktoren
enthalten, jedoch ist auch t  h / vclimb = 15.48 min. eine zu optimistische
Abschätzung, da die maximale Steiggeschwindigkeit nur auf Meereshöhe
erreicht wird.
78
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L4.
mu
Ekin
Pin
P0
m
v
Fig.1. Flussdiagramm zu Aufgabe 4
v
100
75
50
25
0
0
v : Current
6
12
18
24
30
36
Time (Second)
42
48
54
60
m/s
Fig.2. Zunahme der Geschwindigkeit bei Antrieb durch ein Triebwerk gemäss
Aufgabe 4.
Anmerkung: Für t  0 strebt die Beschleunigung gegen Unendlich:
a  v   . Somit kann ganz zu Beginn die umgesetzte Leistung nicht
konstant sein, da unrealistisch hohe Kräfte entstünden. Die Simulation
funktioniert trotzdem, da ein nicht unendlich kleines t genommen wird.
79
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik A5. Die Berkeley-Madonna- Flowchart hat die folgende Struktur:
Dieses Modell berücksichtigt auch Reibung. Dadurch lassen sich auch
teilelastische Stösse untersuchen. Das Modell lässt sich anhand ein-facher
Fälle (vollelastische Stösse) schnell überprüfen.
Impulsebene: Der Gesamt-Impuls vor dem Stoss muss gleich dem
Gesamtimpuls nach dem Stoss sein.
(1) Für zwei gleiche Massen gilt für v1 (vor )  v2 (vor ) :
v1 (vor )  v2 (vor )  v1 ( nach)  v2 (nach)
(2) zwei gleiche Massen gilt für v1 (vor )  v1 (0) und zwei gleiche Massen
gilt für v2 (vor )  0 m/s:
v1 (nach)  0 m/s und v2 (nach)  v1 (0)
Dies lässt sich auch gut an den Orts-Zeit-Diagrammen (Fig.A und B)
erkennen.
Energie-Ebene: Gesamt-Energie vor und nach dem Stoss ist erhalten.
80
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 1
0.875
0.875
0.75
0.75
0.625
0.625
0.5
0.5
0.375
0.375
0.25
0.25
0.125
0.125
0
x2
x1
1
0
0
0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
0.8
0.9
1
TIME
Fig. A. Ort als Funktion der Zeit bei zwei Massen mit je 0.5 kg und den
Anfangsgeschwindigkeiten v1  v2  1 m/s.
1
0.875
0.875
0.75
0.75
0.625
0.625
0.5
0.5
0.375
0.375
0.25
0.25
0.125
0.125
0
x2
x1
1
0
0
0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
0.8
0.9
1
TIME
Fig. B. Ort als Funktion der Zeit bei zwei Massen mit je 0.5 kg und den
Anfangsgeschwindigkeiten v1  1 m/s und v2  0 m/s.
Die Massen durchdringen sich beim Stoss leicht. Dies lässt sich durch
Anpassen der Koordinaten (Koordinatentransformation für die elastische
Kraft) vermeiden.
81
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 320 Felder & Potentiale
321 Gravitationspotential
Theorie
In diesem Abschnitt soll die potentielle Energie im Gravitationsfeld
berechnet werden. Dabei wird von einer kugelförmigen, grossen Masse M
mit dem Radius r1 ausgegangen. Eine kleine Masse m soll nun von der
Oberfläche der Grossen Kugel auf einen bestimmten Abstand r2 gebracht
werden. Da sich die beiden Massen
anziehen, muss dafür die
 gravitativ


Arbeit W verrichtet werden: W  F  s . Dabei ist s der Streckenvektor.
Weil die Masse m radial von der grossen Kugel entfernt werden soll, gilt
wegen   180 W  F  s  cos    F  r   F  (r2  r1 ) .
Da nun die Gravitationskraft nur über ein praktisch unendlich kleines
Wegstück dr konstant ist, müsste die Kraft immer wieder neu berechnet
werden. Dies kann man sich als ein schrittweises Vorgehen vorstellen. Für
jeden Schritt müsste der Beitrag zur Arbeit berechnet werden durch:
dW  F (r )  dr
(Eq.8)
Konkret für die ersten Schritte würde die Rechnung wie folgt aussehen (mit
einer Endlichen Schrittweite r ):
1. Schritt:
W1  F (r1 )  r
2. Schritt:
W2  F (r1  r )  r
3. Schritt:
W3  F (r1  2  r )  r
Die gesamte Arbeit ergäbe sich durch aufsummieren: W 
 W
i
i
82
(Fig.3).
Arbeit im
Gravitationsfeld
schrittweise
Berechnung
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik F(r)
r1
r
r
F(r)
F(r1)
Fig.3. Konzept zur Berechnung der Arbeit im Gravitationsfeld: Die Kraft wird hier wegen
cos 180  1 negativ genommen (Anziehung).
Für die praktisch unendlich kleinen Schritte dr ist das Berechnen einer
solchen Summe ein aussichtsloses Unterfangen. Glücklicher-weise steht an
dieser Stelle ein mathematisches Hilfsmittel zur Verfügung: Der
Grenzwertübergang für r  0 (also für r  dr ) führt die Summe auf
ein sogenanntes Integral. Dafür wird folgende Schreibweise verwendet:


lim  Wi    dW
r 0
 i

Summation
durch Integral
(Eq.9)
Rechnerisch ist das Integral von grossem Nutzen, weil es die Umkehroperation zur Ableitung darstellt. Dies sei an dieser Stelle an folgendem
Beispiel gezeigt:
Sei f ( x) eine Funktion mit dem Definitionsbereich D, so kann die Fläche
unter der Kurve (also zwischen Kurve und x-Achse) zwischen den Grenzen
a und b wie in Fig.4 angenähert werden.
83
Rechnen mit
Integralen
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik f(x)
a
b
x
Fig.4. Approximation für Fläche unter einer Kurve
Die Fläche eines jeden Rechtecks berechnet sich aus der Breite x mal die
Höhe, welche durch den Funktionswert f ( x) gegeben ist (Fig.5).
Fläche unter
einer Kurve
f(x)
f(xi)
xi
a
bx
x
Fig.5. Flächenelement
Nun kann für die approximative Berechnung der Fläche A zwischen a und b
die Summe aller Rechteckflächen gebildet werden:
A   f ( xi )  x
i
Die Stelle xi berechnet sich aus dem Startwert a 
x
 xa plus die
2
Anzahl Schritte i  x . Die Approximation wird mit kleiner werden-der
Schrittweite x genauer. Somit liegt es auf der Hand, die folgende
Grenzwertbildung zu betrachten:
84
Approximation
durch Summe
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 

A  lim  f ( x a  i  x)  x 
x  0

 i
Diese Grenzwert- und Summenbildung wird Integration genannt. Dafür
wurde eine spezielle Notation eingeführt:
b
A( x)   f ( x)dx
a
Wobei a und b die Grenzen der Integration darstellen. An dieser Stelle wird
auf eine mathematisch exakte Behandlung dieser Summen verzichtet und
eine einfache intuitive Betrachtung angestellt. Dafür soll die Fläche A unter
den Funktionen der Form f ( x)  ax n ermittelt werden. Für n = 0 suchen
x

wir also A( x)  a  dx . Da a konstant ist, ist aber die gesuchte Fläche
0
direkt die Rechtecksfläche A( x)  a  x .
Für n = 1 ist f ( x)  ax eine Gerade. Die Fläche unter dieser Gerade ist
die Dreiecksfläche:
A( x) 
Beispiel:
Fläche unter
einer Geraden
1
1
ax  x  ax 2
2
2
f(x)
ax
A(x)
x
Für n = 2 kann die Fläche unter der Kurve abgeschätzt werden. Sie ist sicher
kleiner als die Dreiecksfläche:
1
1
A   ax 2  x   ax 3
2
2
85
Fläche unter
einer Parabel
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Betrachtet man die Beispiele für n  0,1 , so liegt der Verdacht vor, dass
die Fläche durch folgende Funktion gegeben sein könnte:
1
A   ax3
3
Dies lässt sich empirisch durch eine numerische Integration testen. Es lässt
sich die Summe für ein kleines, aber diskretes Δx ausführen:
A( x  Δx)  A( x)  f  Δx 
f ( xi )  Δx (Euler-Methode, s. 221).

1
 f ( x )  Δx  3 ax
Die Differenz
Numerische
Berechnung
von Integralen
sollte für Δx  0 verschwinden
3
i
i
(Fig.6). Es lässt sich dabei feststellen, dass für Δx  0 die numerisch
Delta_A
integrierte Funktion sich
1 3
ax nähert.
3
0
-0.05
-0.1
-0.15
-0.2
-0.25
-0.3
-0.35
-0.4
-0.45
-0.5
0
2
4
6
8
10
12
x
Fig.6. Differenz
1
 f ( x )  Δx  3 ax
3
i
für f(x) = x2 (a = 1) für variierendes x
i
zwischen 10-2 bis 10-5: Für kleine Integrations-Schritte (hier Euler-Verfahren)
verschwinden die Differenzen.
Rechnerisch
lässt
sich
folgende
Überlegung
machen:
Sei
dA( x)  f ( x)  dx  f  dx  dA , so ist die Ableitung von A(x) ja gerade
dA / dx  f ( x) . Die Ableitung ist also gerade die Umkehrung der
Integration und umgekehrt. Somit gilt folgende Integrationsregel:
1
 x dx  n  1  x
n
n 1
c
Dieser Sachverhalt gilt allgemein: Es ist eine deutliche Erleichterung bei der
Berechnung von Integralen, dass die Integration die Umkehroperation der
Ableitung ist:
86
Umkehrung
der Ableitung
Regel für
Potenzfunktionen
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik d

 dx f ( x)   dx  dx  f ( x)  f ( x)
Die zur Stammfunktion addierte Konstante c fällt beim Ableiten weg. Das
Integral (5) ist also nur bis auf eine beliebige Konstante c bestimmt: Es
handelt sich um ein unbestimmtes Integral, da mit beliebig vielen
Konstanten auch beliebig viele Stammfunktionen zu einem Integral
existieren.
Wenn nun aber die in Abschnitt 311 gestellte Aufgabe (Flächenberechnung unter einer Kurve) gelöst werden soll, so erstreckt sich die
Integration über einen bestimmten Bereich, der zwischen den Grenzen a und
b liegt. Für die folgende Überlegung soll nur der positive Teil der x-Achse
betrachtet werden. Um die Fläche zwischen diesen Grenzen zu erhalten,
muss von 0 bis b integriert und die Fläche zwischen 0 und a wieder
abgezählt werden. Wie im Beispiel in Abschnitt 311 muss also bis zur
oberen Grenze b integriert werden. Dann wird der Wert b für die Grenze
eingesetzt. Nun muss die Fläche bis zur unteren Grenze a wieder abgezählt
werden, was durch das abzählen des Integrals bis a geschieht:
b
b
a
a
0
0
Grenzen der
Integration
 f ( x)dx   f ( x)dx   f ( x)dx  A(b)  A(a)
Das Integral (6) ergibt einen definierten Zahlenwert, es handelt sich also um
ein bestimmtes Integral. Der resultierende Zahlenwert ist aber nicht einfach
die Fläche unter der Kurve. Wird die Funktion f (x) negativ, so nimmt
auch F (x) negative Werte an. In diesen Fällen muss für eine Flächenberechnung das Integral bei den Nullstellen von f (x) zerlegt und stückweise berechnet werden. Hingegen unproblematisch ist die Ausdehnung der
Integration auf die negative x-Achse.
bestimmtes
Integral
Dieses Rechenverfahren soll nun für die Berechnung der potentiellen Energie im Gravitationsfeld angewandt werden. Gemäss Eq.9 muss folgendes
Integral berechnet werden:
Anwendung auf
Berechnung
der Arbeit
r2
r2
r1
r1
W   dW   F (r )  dr
(Eq.10)
87
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Um das Integral auswerten zu können, muss das Kraftgesetz für die
Gravitation bekannt sein. Entsprechend Abschnitt 222 gilt:
F (r )  
mM
r2
(Eq.11)
Dieses Kraftgesetz gilt nicht nur für Punktmassen, sondern auch für Kugeln,
da das Feld radialsymetrsich verläuft (Experiment in Abschnitt 322).
Eingesetzt in Eq.11 ergibt sich:
r2
GravitationsKraft
Feld um
kugelförmige
Masse
r
2
mM
1
W    2 dr  mM  2 dr
r
r1
r1 r
(Eq.12)
Da die Massen und   6.6731  10 11 Nm 2 / kg 2 konstant sind, können sie
vor das Integral gezogen werden (analog zu einer ganz normalen Summe!).
Somit reduziert sich die Berechnung des Integrals auf die Suche einer
Stammfunktion zu f (r )  r 2 . Durch Anwenden der Integrationsregel für
Potenzfunktionen ergibt sich:
r2
r
2
1
1
W  mM 2 dr  mM  
r
 r  r1
r

1
1 1
 mM   
 r2 r1 
(Eq.13)
Für viele Aufgabenstellungen in der Physik hat es sich als günstig erwiesen,
ein sogenanntes Potential zu definieren. Das Gravitations-potential ist
definiert als:
V (r )  
M
r
(Eq.14)
Für das Potential muss wie bei der potentiellen Energie ein Bezugs-punkt
festgelegt werden. Dieser wird im Unendlichen gewählt: Für r   gilt
E pot  0 (Fig.7).
Das Gravitationspotential kann als Integral des Gravitationsfeldes
G  G (r ) aufgefasst werden: Die Gravitationskraft ist gegeben durch:
88
Potential
BezugsPunkte
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik F (r )  m  G (r )
(Eq.15)
V (r )   G (r )  dr
(Eq.16)
und somit:
GravitationsPotential
V(r)
r
Fig.7. Potential V (r ) in Abhängigkeit des Abstands r .
Die Arbeit lässt sich nun durch eine Potentialdifferenz darstellen:
W  m  V (r2 )  V (r1 )
(Eq.17)
Dies entspricht im Wesentlichen der Differenz der potentiellen Energie:
W  mV (r2 )  mV (r1 )  E pot (r2 )  E pot (r1 )  mgh2  mgh1 .
potentielle
Energie
89
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Aufgaben
A1. Überprüfen Sie durch numerische Integration (Euler-Verfahren), ob die
Integration die Umkehrung der folgenden Ableitungsregeln ist:
a)
d
1
 ln x  
dx
x
c)
d
sin(t )    cos(t )
dx
b)
d cx
 e   c  ecx
dx
Verwenden Sie dazu für Teilaufgabe (a) und (b) Tabellenkalkulation und für
Teilaufgabe (c) Berkeley Madonna.
A2. Eine Raumsonde soll mittels einer riesigen Kanone in den Weltraum
geschossen werden. Die Masse der Erde ist M  5.974  10 24 kg und der
Radius r1  6.378  10 6 m .
a) Wie gross müsste die Abschussgeschwindigkeit sein, um die
Raumsonde ins unendliche zuschiessen (Fluchtgeschwindig-keit)?
b) Wie realistisch ist ein solcher Schuss von der Erde aus?
A3. Betrachten Sie folgendes Integral:
 
 


F
r
(
t
)

v
(
t
)
dt

F



  r (t )   r (t )dt
C
C
Dabei sei F=F(r) eine vom Ortsvetor r abhängige Kraft. Sie können sich
dabei vorstellen, dass sich ein Körper mit der Geschwindigkeit v = dr/dt auf
dem Pfad C bewege und am Ort r befindet und auf diesen Körper eine Kraft
F wirke.
a) Wie hängt dieses Integral mit der Arbeit bzw. der Leistung zusammen?
Betrachten Sie dafür eine Kraft, welche in Richtung der Geschwindigkeit
zeigt (wirkt).
b) Welchen Wert nimmt das Integral an, wenn sich ein Körper in einem
homogenen Kraftfeld auf einem quadratischen Pfad bewege, bei dem zwei
Seiten exakt senkrecht zum Kraftfeld stehen?
c) Welchen Wert nimmt das Integral für einen Mond an, wenn sich dieser
kreisförmig oder elliptisch um den Zentralplaneten (z.B. Erde) bewegt?
90
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1. Die folgenden Integrationsregeln gelten tatsächlich:
1
a)
 x  dx  ln x
b)
e
c)
 cos(t )  dt    sin(t )
cx
für x  0
1
dx   ecx
c
1
Mit Berkeley Madonna lässt sich folgende Integrator-Struktur im
Flussdiagramm bilden (J1 = cos(2*time)):
Delta_A
Für die Integration von cos(2 x) ergibt sich folgendes Diagramm für die
Differenz (t zwischen 10-2 bis 10-5):
0.01
0.009
0.008
0.007
0.006
0.005
0.004
0.003
0.002
0.001
0
0
2
4
6
8
10
12
t
91
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L2
(a) Energieerhaltung
1 2
mv  W  m  V (r2 )  V (r1 )
2
für r   : V ()  
M
0

also gilt:
1 2
mM
mv  mV (r1 )  
2
r1
für die Fluchtgeschwindigkeit resultiert:
v  2
M
r1
Die Masse der Sonde spiel hier keine Rolle.
Für einen Abschuss von der Erde aus ergibt sich:
v  2  6.673  10 11

Nm 2 5.974  10 24 kg

kg 2 6.378  10 6 m
2  6.673  5.974
Nm
 10 1118
 11.2  10 3 m / s
6.378
kg
(b) Die Fluchtgeschwindigkeit liegt weit oberhalb der Schallgeschwindigkeit. Abgesehen von der riesigen Beschleunigung, welche in einem realistisch langen Kanonenrohr notwendig wäre, würde ein gewaltiger Luftwiderstand resultieren.
92
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L3.
(a) Steht der Kraftvektor parallel zur Geschwindigkeit, resultiert aus dem
Skalarprodukt im Integral:
 

 F  r (t )   v (t )dt   F  v  cos(0)dt   F  v(t )dt
C
C
C
Wird nun die Geschwindigkeit v durch die Ableitung des Ortvektors nach
der Zeit ersetzt, kann das Integral über die Zeit in ein Integral über den Weg
ersetzt werden:
dr
 F  vdt   F  dt dt   F  dr   dW
C
C
C
C
Somit wird also über alle Arbeitsbeiträge dW aufintegriert. Betrachtet man
nur eine bestimmten Zeitpunkt, lässt man also die Integration weg, resultiert
die Definition der Leistung P:
dr F  dr dW

F  r (t )   v  F  

P
dt
dt
dt
(b) Das Integral kann in eine Summe mit vier Sumanden für jede Seite
aufgespalten werden:
 

F
  r (t )   v (t )dt 
C
 F  v  cos(90)dt   F  v  cos(0)dt
C1
  F  v  cos(90)dt 
C3
 0
C2
 F  v  cos(0)dt
C4
 F  v  cos(0)dt  0   F  v  cos(0)dt  0
C2
C2
Die Minuszeichen ergeben sich durch einen Wechsel von 180° auf 0° resp.
Von 270° auf 90°. Die beiden übriggeblienen Terme sind dem Betrag nach
gleich, da mit derselben Kraft die gleich lange Streckte C2 bzw. C4 zurück
gelegt wird (jedoch in entegengesetzter Rich-tung).
(c) Im Fall einer Kreisbahn steht der Vektor der Gravitationskraft immer
senkrecht zum Geschwindigkeitsvektor: Das Integral wird null, es wird
keine Arbeit verrichtet! Bei einer elliptischen Bahn wird das Integral
ebenfalls null, dies analog zu (b) aus Symmetriegründen.
93
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 322 elektrisches Potential &elektrische Spannung
Theorie
An dieser Stelle folgt ein Abschnitt zur Elektrostatik. Der Grund dafür ist
die mathematisch Beschreibung, welche völlig analog zu Gravitationsfeld
und Gravitationspotential ist.
 
Entsprechend den Gravitationsfeld G  FG / m (Kraft pro Masse)
definiert man das elektrische Feld:

 FE
E
q
(Eq.18)
Die Einheit ist Newton pro Coulomb (N/C). Die elektrische Kraft
 ergibt
 sich
demnach durch die Ladung q und das elektrische Feld: FE  qE . Im
Unterschied zur Gravitation gibt es aber zwei Sorten von Ladungen, positive
und negative Somit treten anziehende und auch abstossende Kräfte auf.
Analog zu Eq.16 kann das elektrische Potential definiert werden:


    E  dr
 
U AB    E  dr   A   B
elektrisches
Potential
(Eq.19)
Hier wurde mit dem Skalarprodukt noch berücksichtigt, dass sowohl das

Feld wie auch das Wegelement dr Vektoren sind (was natürlich für die
allgemeine Formulierung beim Gravitationspotential auch der Fall ist).
Die elektrische Spannung U AB zwischen den beiden Punkten A und B
ist definiert als Arbeit pro Ladung: U AB  W AB / q . Sie kann durch das
elektrische Potential ausgedrückt werden:
B
(Eq.20)
A
Die Definition der elektrischen Spannung vereinfacht die Berechnung von
elektrischer Energie und Leistung (SI-Einheit Nm / C  V , Volt).
Entsprechend der Definition der Spannung ist die von einer Ladung
verrichteten oder an diese abgegebene Arbeit beim Durchlaufen der
Spannung U AB :
94
Definition des
elektrischen
Feldes
elektrische
Spannung
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik B
B
 
 
W    F  dr  q  E  dr  qU AB
A
(Eq.21)
A
Dabei kann E pot  q als die potentielle Energie eines geladenen Teilchens im statischen elektrischen Feld betrachtet werden. Die elektrische
Leistung ist die Arbeit pro Zeitintervall, also:
P
dW d
dq
 qU   U
 UI
dt
dt
dt
elektrische
Leistung
(Eq.22)
Dabei wird angenommen, die Spannung bleibe konstant. Die Grösse Ladung
pro Zeit wird als elektrische Stromstärke bezeichnet (SI-Einheit C / s  A ,
Ampère).
Die gemachten Definitionen sollen nun für zwei Spezialfälle kon-kretisiert
werden.
Ein erster Spezialfall ergibt sich für das homogene Feld. Als homogenes
Feld wird ein Feld bezeichnet,
welches an allen Orten die selbe Richtung
 
und Stärke aufweist: E (r )  const. . Ein solches Feld kann sich zwischen
zwei parallelen, leitenden Platten (Plattenkondensator) ausbilden (Experiment 1). Die elektrische Feldstärke E zwischen den Platten ist
homogenes
Feld
Plattenkondensator
d

wegen U  E  ds  E  d durch die anliegende Spannung U und den
0
Plattenabstand d gegeben:
E
U
d
(Eq.23)
Die auf den Metallplatten gespeicherte Ladung hängt vom Fassungsvermögen dieser Platten ab, die sogenannte Kapazität C . Diese Kapazität ist
gegeben durch die Fläche A der Platten, dem Abstand d und im Vakuum
durch die elektrische Feldkonstante  0  8.8542  10 12 C 2 /( Nm 2 ) :
C  0 
A
d
Kapazität
(Eq.24)
Die SI-Einheit der Kapazität ist Ladung pro elektrische Spannung
C / V  F und wird mit Farad abgekürzt. Die im Kondensator gespeicherte Ladung Q ist:
95
gespeicherte
Ladung
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Q  CU
(Eq.25)
Die im Kondensator gespeicherte Energie hängt von Spannung und Ladung
ab. Gemäss Eq.22 gilt für die Leistung P  UI und für die Arbeit
W  QU . Bei Entladung (Experiment 2) ändert sich jedoch nicht nur die
Ladung, sondern auch die Spannung. Spannung und gespeicherte Ladung
sind aber von einander abhängig: U  Q / C . Die während dem Zeitschritt
dt geleistete Arbeit dW beträgt U  dq  (q / C )  dq . Für die bei einer
Entladung freigesetzte Energie gilt:
gespeicherte
Energie
1
1 Q2
W   dW   q  dq  
C0
2 C
Q

1
1
QU  CU 2
2
2
(Eq.26)
Ein zweiter Spezialfall bilden elektrische Felder um Punktladungen oder
homogen geladene Kugeloberflächen mit der Ladung Q (Coulomb-Feld,
Experiment 3). Analog zum Gravitationsfeld in Abschnitt 321 ist das Feld
radialsymetrisch und das Potential kann unter Verwendung von Eq.18 und
dem Coulom-Gesetz (Abschnitt 222) einfach berechnet werden:
 (r )    E (r )  dr  
Q
4 0
1
r
2
dr 
Q
4 0

1
r
(Eq.27)
Für die elektrische Spannung gilt:
U AB 
96
1 1
Q
    
4 0  rB rA 
4 0
Q
1 1
  
 rB rA 
(Eq.28)
Coulomb-Feld
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Experiment 1
Wenn zwei elektrisch leitenden Platten mit Ladungen unterschied-lichen
Vorzeichens aufgeladen werden, bildet sich zwischen diesen ein elektrisches
Feld aus. Im Falle von grossen, ebenen Platten ist dieses Feld zwischen den
Platten homogen, d.h. Feldstärke und Richtung sind ortsunabhängig bzw.
konstant (Fig.7).
Experiment
zum
homogenen
Feld
d
+
-
+
+
+
+
+
+
+
+
E
--------
Fig.7. Feld zwischen zwei leitenden Platten.
Experiment 2
Die in einem Kondensator gespeicherte Energie wird bei der Ent-ladung
freigesetzt. Je höher die Spannung, desto mehr Energie steht zur Verfügung.
Diese kann bei Hochspannung als Blitzentladung eindrücklich sichtbar
gemacht werden. Dafür wir ein Hochspannungskondensator mit einem Van
der Graff – Generator oder einer Influenzmaschine (Fig.8) aufgeladen. Wird
ein bestimmter Spannungswert überschritten, so entlädt sich der Kondensator über eine Funkenstrecke.
97
Experiment zur
Energie des
geladenen
Kondensators
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik InfluenzMaschine
D
A
B
C
C
Fig.8. Influenz-Maschine: Auf zwei sich in Gegenrichtung drehenden Plexiglasscheiben (A) sind Streifen aus Alu-Folie (B) aufgeklebt. Initial werden durch
Kupferbesen elektrische Ladungen auf die Folien gebracht. Befinden sich auf der
einen Seite positive Ladungen, so ziehen diese auf der Gegenseite (Folie auf der
anderen Scheibe) wegen dem von ihnen aus-gehenden elektrischen Feld negative
Ladungen an (Influenz-Effekt). Durch die entgegen gesetzte Drehrichtung der beiden Plexiglasscheiben werden die Ladungen getrennt. Über metallische Bügel (C)
werden die Ladungen abgegriffen und zu einer Funkenstrecke (D) geleitet. Die
Spannung über den Polen beträgt bis zu 160 kV.
98
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Experiment 3
Die radiale Symmetrie des Coulomb-Feldes lässt sich mit einem Van der
Graaf – Generator schön zeigen. Bewegliche Fäden laden sich an der Oberfläche einer Konduktorkugel auf und werden radial abgestos-sen.
+
Fig.9. Experiment zur radialen Symmetrie des Coulomb-Feldes. Die Ladungsverteilung auf der Konduktorkugel muss homogen sein. Flächen gleichen Potentials
sind Kugelflächen.
99
Experiment
zum CoulombFeld
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Aufgaben
A1. Auf einer metallischen Kugel mit einem Radius r = 5 cm befinde sich
die Ladung Q  12 C .
a) Welche elektrische Spannung herrscht zwischen Kugelober-fläche
und einem Punkt in 2 m Entfernung?
b) Welche Ladung müsste auf die Kugel gebracht werden, damit die
Spannung zwischen Oberfläche und der 5 m entfernten Umgebung
1 MV beträgt?
A2. Welche Geschwindigkeit würde ein Proton im Vakuum maximal
erreichen, welches von der Oberfläche der mit  20 C geladenen
Konduktorkugel mit einem Radius von 10 cm eines Bandgenerators
abgestossen würde?
A3. Ein geladenes Teilchen durchläuft in x-Richtung ein sich ändern-des
elektrisches Feld E(x) = b·x2/3. Welche kinetische Energie gewinnt oder
verliert das Teilchen, wenn es sich von x = 0 bis x = a bewegt hat?
A4. Ein Elektroauto mit einer Masse von 300 kg soll seine Energie aus
einem Kondensator beziehen. Dieser habe eine Kapazität von 700 F. Die am
Kondensator anliegende Spannung beim Laden betrage 24 V. Welche
maximale Geschwindigkeit könnte damit das Elektroauto erreichen?
A5. Die Energiedichte des elektrischen Feldes im Vakuum ist gegeben
durch:
wE 
1
0E2
2
Zeigen Sie ausgehend von Eq.26, dass für die Kapazität gilt: C  

A
.
d
A6. Gegeben sei das elektrische Feld E  (kx, 0, Ez ) mit Ez = kon-stant.
Berechnen Sie die Arbeit, wenn die Ladung q (a) entlang der x-Achse von 0
m bis x m und (b) entlang der z-Achse von 0 m bis z m verschoben wird.
100
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
(a) U AB  
(b) Q 
Q
4 0
B
1
r
2
A

1 1
     2.1MV
4 0  rB rA 
Q
4 0  U AB
 5.6 C
1 1

rB rA
L2.
1 2
qQ  1 
 
mv  q A   B  
2
4 0  rA 
E kin  E pot 
v
2qQ 1


4 0 m rA
2  1.6  10 19 C  20  10 6 C
1

12
 27
4  8.85  10 As /(Vm)  1.6  10 kg 0.1m
 1.897  10 7 m / s
L3.
a
a
a
0
0
0
E kin  W   F ( x)  dx  q  E ( x)  dx  qb  x 2 / 3 dx
a
3bq 5 / 3
 3bq 5 / 3 

x  
a
5
 5
0
L4.
1 2 1
CU 2
mv  CU 2  v 
 36.7 m / s
2
2
m
L5.
  E 2 V
CU 2 wE  V
V
A

C  0 2
 0  2  0 
2
2
d
U
d




 
(b) W  q  E  dr  q  E
qk 2
x
2
z  dz  qE z  z
L6. (a) W  q E  dr  q kx  dx 
101 Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 323 Rechnen mit Potentialen
Theorie
In Abschnitt 322 führte der Begriff des Potentials zur skalaren Grösse der
elektrischen Spannung. Für viele praktische Anwendungen ist das Rechnen
mit der elektrischen Spannung vorteilhaft. Auch in der Mechanik vereinfachen skalare Grössen unter Umständen sehr. Am Schluss dieses Kapitels
soll deshalb aufgezeigt werden, wie mit Potentialen in der Mechanik gerechnet werden kann.

Das Potential V (r )  V ( x, y, z ) ist eine skalare Grösse. Gegenüber den


vektoriellen Kraftfeldern ( G (r ) , E (r ) ) hat dies den Vorteil, dass bei Überlagerung von Potentialen nicht vektoriell addiert werden muss. Bei Existenz


verschiedener Potentiale V1 (r ) und V2 (r ) ist das resultierende Potential
die Superposition beider Potentiale, also:



V (r )  V1 (r )  V2 (r )
(Eq.29)
Das entsprechende Kraftfeld kann aber aus dem Potentialfeld berechnet
werden. Dafür muss das Potential nach den Raumrichtungen abgeleitet werden. Die einzelnen Komponenten des Kraftfeldvektors (Gravitationsfeldvektors) sind gegeben durch:
Gx  
V
V
; Gy  
y
x
Gz  
V
z
(Eq.31)
Die Abkürzung grad steht für Gradient. Der Nabla-Operator  ist ein
Vektor, dessen einzelne Vektorkomponenten die räumlichen Ableitungen
beinhalten:
102
Kraftfelder
(Eq.30)
Für diese räumlichen Ableitungen wird folgende Kurzschreibweise eingeführt:

G  V   gradV
Superposition
von
Potentialen
Gradient
NablaOperator
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik x 
 
   y 
 
 z
mit  x 
(Eq.32)


bzw.  y 
etc..
x
y
Wird dieser Operator auf eine skalare Funktion angewendet,
so ent-steht ein

Vektorfeld. Die Gravitationskraft ist gegeben durch: F  mG   mV
Ein Vorteil von Potentialen besteht darin, dass physikalische Probleme über
eine Energiebetrachtung gelöst werden können. An dieser Stelle sei anhand
eines ganz einfachen Beispiels aufgezeigt, wie mittels eines zur Newtonschen Mechanik alternativen Ansatzes mechanische Probleme angegangen
werden können. Dieser Ansatz wird Lagrange-Mechanik genannt.
Als einfaches Beispiel dient hier die Atwoodsche Fallmaschine (Fig.10).
x1
x2
m1
m2
Fig.10. Atwoodsche Fallmaschine.
103 LagrangeMechanik
Atwoodsche
Fallmaschine
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Gemäss Newtonscher Mechanik können die Kräfte im System betrachtet
werden. Für die Beschleunigung x1 der Massen m1 und m 2 gilt:
(m1  m2 )  x1  m1 g  m2 g
(Eq.33)
und somit:
x1 
d 2 x1 m1  m2

g
m1  m2
dt 2
(Eq.34)
Die Lagrange-Mechanik betrachtet die Energie im System. Dabei wird die
sogenannte Lagrange-Funktion definiert:
 
L( ,  , t )  E kin  E pot
LagrangeFunktion
(Eq.35)

Dabei sind die Komponenten des Vektors  sogenannte generalisier-te
Koordinaten. Dies sind nicht zwingend Längen, müssen aber das System
eindeutig beschreiben und von einander unabhängig sein. Die zeitlichen
Ableitungen
generalisiert
Koordinaten
d  d i
 
 i
dt
dt
sind dem entsprechend die generalisierten Geschwindigkeiten. Die Lagrange-Funktion (Eq.35) erfüllt nun die folgende Bedingung (LagrangeGleichung 2.Art):
d  L  L
0


dt  i   i
(Eq.36)

Für das Beispiel der Atwoodschen Fallmaschine bietet sich für  die
folgende Wahl an:   x1 . Die Koordinate x 2 ist bestimmt durch die
Zwangsbedingung x1  x 2  l , also x 2  l   . Für die LagrangeFunktion muss nun die kinetische und potentielle Energie berechnet werden.
Für die kinetische Energie gilt:
104
LagrangeGleichungen
LagrangeFunktion für
die
Atwoodsche
Fallmaschine
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik E kin 
1
1
1
m1 x12  m2 x 22  (m1  m2 )   2
2
2
2
Und für die potentielle Energie:
E pot  m1 g  x1  m2 g  x 2   m1 g    m2 g  (l   )
Somit ergibt sich für die Lagrange-Funktion:
L
1
(m1  m2 ) 2  (m1  m2 ) g    m2 gl
2
(Eq.37)
Für das Einsetzen in Eq.36 muss nun die Lagrange-Funktion abgeleitet
werden:


d  L  d
(m1  m2 )    (m1  m2 )  
 
dt    dt
L
 (m1  m2 ) g

Eingesetzt in Eq.36 ergibt dies:
(m1  m2 )    (m1  m2 )  g  0
(Eq.38)
Dies führt auf das genau gleiche Resultat (gebremster Fall) wie Eq.33.
Natürlich ist für das einfache Beispiel der Atwoodschen Fallmaschine der
Weg über die Lagrange-Mechanik verglichen mit der Newtonschen Mechanik unnötig kompliziert. Jedoch gibt es unzählige physikalische Probleme,
bei denen der Zugang mittels Newtonscher Mechanik unmöglich ist.
Besonders günstig erweist sich die Erweiterung auf die Hamilton-Mechanik in Bezug auf die Quantenmechanik (Kapitel 900).
105 Vorteil der
LagrangeMechanik
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Aufgaben
A1. Gegeben sei ein Potentialfeld V ( x, y, z )  ax 2  by 2  cz 2 .
a) Berechnen Sie das korrespondierende Kraftfeld.
b) Für welche Koeffizienten a, b und c sind die Flächen gleichen
Potentials Kugelflächen?
A2. Eine Punktmasse m habe zu einer grossen Punktmasse M 1 den
Abstand r1 und zu einer anderen grossen Punktmasse M 2 den Abstand r2 .
a) Wie gross ist das Potential an der Stelle von m .
b) Welche potentielle Energie hat m .
A3.
Gegeben
seien
V2   2 x   2 y 2 .
die
Potentialfelder
2
V1 ( x, y )   1 x  1 y
und
a) Berechnen Sie das resultierende Potential.
b) Berechnen Sie das resultierende Kraftfeld.
A4. Eine Ladung q mit der Masse m befinde sich in einem Potentialfeld
 ( x)   0  cos(kx) .
a) Berechnen Sie die elektrische Kraft, welche am Ort x auf die
Ladung wirkt.
b) Stellen Sie für die Ladung im Potentialfeld die Lagrange-Gleichung
auf und Berechnen Sie die Beschleunigung.
A5. Folgendes Integral beschreibt die Arbeit über den Weg C (s. 321, A3):
 
 


 F  r (t )   v (t )dt   F  r (t )   r (t )dt
C
C
Dabei sei F=F(r) eine vom Ortsvetor r abhängige Kraft.
Berechnen Sie dieses Integral für einen geschlossenen Pfad für ein
Gravitationspotential V, und zwar (a) allgemein bzw. formal sowie (b) für
V ( x, y, z )  gz  c (mit g und c = const.).
106
Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.

(a) G   gradV
Gx  


V


ax 2  by 2  cz 2  2ax
x
x




V

Gy  

ax 2  by 2  cz 2  2by
y
y
Gz  
 2ax 



G   2by 
 2cz 


V


ax 2  by 2  cz 2  2cz
z
z
(b) a  b  c
L2.
(a) V  V1  V2  
(b) E pot  mV  
M1
M
 2
r1
r2
mM 1
mM 2

r1
r2
L3.
(a) V ( x, y )  V1 ( x, y )  V2 ( x, y )   1 x   2 x 2  1 y   2 y 2
(b)
Gx  
V
  1  2 2 x
x
Gy  
V
  1  2 2 y
y
     2 2 x 

G   1
  1  2 2 y 
107 Scheidegger, S., Füchslin R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L4.
(a) F  qE  q
d
 q 0  k  sin( kx)
dx
(b) L( ,  , t )  E kin  E pot
L
mit   x
1 2
1
m  q ( )  m 2  q 0  cos(k )
2
2
 
d  L  d

m  m
dt    dt
L
 q 0  k  sin(k )

Lagrange-Gleichung:
m  q 0  k  sin(k )  0
 
q 0  k
F
 sin(k ) 
m
m
Dies entspricht dem Resultat der Newtonschen Mechanik: Die Kraft von
Teilaufgabe (a) durch die Teilchenmasse dividiert ergibt die Beschleunigung.
L5.
 
 




F
r
(
t
)
v
(
t
)
dt
mG


 r (t )   v (t )dt   mV  r (t )   v (t )dt


C
C
C
(a)
 V

V
V

  m  V  vdt   m  
 vx 
 vy 
 vz  dt
x
y
z

C
C
 V

V
V
m  
 vx 
 vy 
 vz  dt  m   g  vz  dt   mg  vz dt
(b)
x
y
z

C
C
C
0
da Weg (Pfad) geschlossen ist (und sofern keine weitere Arbeit
verrichtet wird, z.B. durch Antrieb / Triewerk).
108
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 400 Schwingungen
Zellzahl Ni / 102 Zellen
Schwingungen stellen einen speziellen Nicht-Gleichgewichtszustand dar. Es
handelt sich um eine Oszillation um eine Gleichgewichtslage. Aus Sicht der
Physik ergeben sich interessante Fragen: Vom was hängt die Form und
Geschwindigkeit einer Schwingung ab? Wie lange dauert es, bis das System
wieder in einer bestimmten Position ist.
Schwingungen stellen in der Natur ein weit verbreitetes Verhalten dar.
In Fig.1 ist ein Beispiel aus der Biologie gegeben.
Inhalt
Zeit t / U
440
N(t)
330
M(t)
220
110
0
0
20
40
60
80
100
Zeit t / U
Fig.1. Entwicklung zweier Populationen in einem Räuber-Beute-Modell (VolterraLotka-Modell)
Schwingungen können regelmässig sein, dass heisst, nach einer bestimmten,
konstant bleibender Zeit kehrt das System wider in den Ausgangszustand
zurück. Die Frequenz (Anzahl Schwinugen pro Zeit) ist somit auch konstant. Es gibt aber auch chaotische Systeme.
Die Lernziele sind:
Lernziele
1. Definitionen für Amplitude, Periode und Frequenz auswendig
kennen
2. Differentialrechnung auf Schwingungsprobleme anwenden
können
3. Differentialgleichungssysteme mit Computer simulieren und
numerische Fehler erkennen können
4. Schwingungen und oszillierende Systeme analysieren können
109 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 410 Pendel
411 Energiebetrachtung eines ungedämpften Federpendels
Theorie
In einem ersten Schritt soll ein reibungslos beweglicher Wagen mit Masse
m betrachtet werden, welcher an einer Feder befestigt ist (Federpendel,
Fig.2).
s(t)
m
Fig.2. Federpendel
Sie s  s (t ) die Ortskoordinate. Im Gleichgewichtszustand ruhe der Wagen
bei s  0m . Diese Gleichgewichtslage kennzeichnet sich dadurch aus, dass
der Wagen für alle Zeiten t an der selben Stelle verbleit. Um den Wagen
aus dieser Position auszulenken, wird eine Kraft benötigt. Diese Kraft muss
der Federkraft entgegen wirken, welche den Wagen in der Gleichgewichtsposition festhält. Die Federkraft ist abhängig von der Steifigkeit der
Feder und der Auslenkung. Für lineare Federn gilt:
FD  D  s
(Eq.1)
Dabei ist D die Federkonstante, welche aus der bei Dehnung auftretenden
Kraft berechnet werden kann.
Für eine Energiebetrachtung muss die in der Feder gespeicherte Energie
berechnet werden. Die Arbeit dW , welche pro Längenänderung ds geleistet wird ist dW  FD  ds  D  s  ds . Durch Integration erhält man:
110
Gleichgewichts
-Zustand
Federkonstante
Feder-Energie
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik W  D  s  ds 
1 2
Ds
2
(Eq.2)
Nun kann mit Hilfe des Energieerhaltungssatzes der Zusammenhang zwischen maximaler Auslenkung und maximaler Geschwindigkeit gefunden
werden. Es gilt für die kinetische Energie E kin bei maximaler Geschwindigkeit v̂ beziehungsweise für die Federenergie E D bei maximaler Auslenkung ŝ E kin  E D , also:
1 2 1 2
mvˆ  Dsˆ
2
2
(Eq.3)
Somit ergibt sich die maximale Geschwindigkeit (Geschwindigkeitsamplitude) aus der maximalen Auslenkung (Auslenkungsamplitude):
vˆ  sˆ 
D
m
(Eq.4)
Die Definitionen / Begriffe Amplitude und Periode sind in Fig.3. dargestellt.
1 2
Dsˆ
2
EnergieErhaltung
1 2
mvˆ
2
^s
s(t)
^v
v(t)
Zeit t
Periode T
Fig.3. Darstellung einer Schwingung und der dazugehörigen charakteristischen
Grössen
111 Amplituden
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Aufgaben
A1. An eine Feder mit Federkonstante D  500 N / m werde eine Masse
m  100 g angehängt.
a) Welche Geschwindigkeitsamplitude wird bei einer maximalen
Auslenkung von 10 cm erreicht?
b) Wie gross ist die Auslenkungsamplitude, wenn die Geschwindigkeit beim Durchgang durch die Gleichgewichtslage 1 m/s
beträgt?
A2. Stellen Sie die Lagrange-Gleichung für das Federpendel von Fig.2 auf
und berechnen Sie die Beschleunigung.
A3. Im Abschnitt 231 (Impulserhaltung) wird die Bewegungsgleichung für
einen springenden Ball gegeben (ohne Reibungsverluste):
d 2h
D
  g   r  h 
2
m
dt
Dabei ist h die Höhe über dem Boden und r der Radius des Balls. Der Term
mit r - h ist null, solange h > r ist. ĥ sei die maximale Sprunghöhe und v̂
die maximale Geschwindigkeit.
a) Welche Formen von Energie sind im System vertreten, wie gross
sind die Maximalwerte dieser Energien?
b) Wie hängen Amplitude und maximale Geschwindigkeit zusammen?
c) Von welchen Faktoren hängt die Periode (Zeitdauer zwischen zwei
Aufschlägen des Balls auf dem Boden) ab?
A4. Zeigen Se, dass die totale Energie im Fall der Schwingung
s (t )  sˆ  cos(t ) konstant bleibt, wenn gilt:   D / m
112
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L1.
(a) vˆ  0.1m 
(b) sˆ  vˆ 
500 N / m
 7.07m / s
0.1kg
m
0.1kg
 1m / s 
 1.41cm
D
500 N / m
L2.
L  E kin  E D 

1
1
mv 2  Ds 2 
2
2
1 2 1
m  D
2
2
2
 
d  L  d
m  m
 
dt    dt
L
  D

Einsetzen in Lagrange-Gleichung
d  L  L
 0  m  D
 
dt    
D
Auflösen nach Beschleunigung:     
m
L3. a) max. potentielle Energie:
E pot ,max  mghˆ ; kinetische Energie:
1
1
Ekin ,max  mvˆ 2 ; max. elastische Energie: ED ,max  D  max r  h
2
2
vˆ 2
b) hˆ 
für h > r
2g
Etotal  ED  Ekin
L4.

1 2
2hˆ
T 
 TStoss )
c) von ĥ ( hˆ  gTSprung
g
2
1
1
1
1  ds 
 Ds 2  mv 2  Ds 2  m  
2
2
2
2  dt 
2
sˆ 2
1
  D  cos 2 (t )  m 2  sin 2 (t )   mD
2
2
113 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 412 Kräftebetrachtung des ungedämpften Federpendels
Theorie
Der Ansatz für das Auffinden der Bewegungsgleichung führt soll nun über
eine Kräftebilanz erfolgen. Bei einem Federpendel wird dabei die Bewegung der Masse m betrachtet, welche an einer Feder hängt. Die Beschleunigung a dieser Masse ist gegeben durch die Summe aller Kräfte im System
dividiert durch die Masse m. Wird die Reibung vernachlässigt, so kommen
zwei Kräfte in Frage: Die Gewichtskraft FG = mg und die Federkraft. Die
Federkraft ist durch FD = -Ds gegeben, mit der Federkonstanten D. Die
Auslenkung der Feder ist durch die Strecke s gegeben. Da FD eine rücktreibende Kraft ist, muss das Vorzeichen negativ sein. Man erhält also
folgende Gleichung für die Beschleunigung: a = g –(D/m)s. Um das Auffinden der analytischen Lösung zu erleichtern, kann hier ein Federpendel
betrachtet werden, welches in horizontaler Richtung schwingt. In diesem
Fall kann die Gewichtskraft weggelassen werden. Das Weglassen der
Schwerebeschleunigung g in der Gleichung führt nicht zu einer völlig
anderen Lösung des Problems. Der Haupteffekt besteht in einer Verschiebung der Gleichgewichtslage. Für ein horizontales Feder-pendel ohne
Reibung (ohne Dämpfung) resultiert nun mit der zeit-abhängigen Auslenkung des Pendels s = s(t) folgende Bewegungsgleichung:
d 2s
  2 s mit  
2
dt
D
m
Kräftebilanz
(Eq.5)
Die analytische Lösung von Eq.5 lässt sich erraten: Gesucht ist eine Funktion, deren zweite Ableitung nach der Zeit gerade das Negative der Funktion
selber ist (natürlich noch mit einem konstante Wert multipliziert). In Frage
kommen Sinus- und Cosinusfunktionen. Durch Einsetzen können schnell
die zwei folgenden Lösungen gefunden werden: s (t )  sˆ  sin(t ) und
s (t )  sˆ  cos(t ) . Dabei ist ŝ eine frei wählbare Amplitude. Die maximale Geschwindigkeit, also die Geschwindigkeitsamplitude v̂ lässt sich
durch Ableiten der Auslenkungsfunktion finden: Für s (t )  sˆ  sin(t )
ergibt sich v(t )  s(t )  sˆ cos(t )  v cos(t ) ,also
vˆ  sˆ  D / m  sˆ . Dies steht in völliger Übereinstimmung mit Abschnitt
411. Etwas allgemeiner lässt sich die Lösungsfunktion schreiben als
s (t )  sˆ  sin(t   ) . Die Phasenverschiebung φ berücksichtigt die Auslenkung des Pendels zum Startzeitpunkt.
114
Bewegungsgleichung
Lösung der
Schwingungsgleichung
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Bevor auf ein verfeinertes Modell des Federpendels mit Reibung ein-gegangen wird, soll ergänzend zur analytischen Lösung von Eq.5 auf die
numerischen Lösungsmethode eingegangen werden.
Die Differentialgleichung Eq.5 unterscheidet sich wesentlich von den
bisher betrachteten Gleichungen durch die zweite Ableitung. Die zweite
Ableitung verhindert eine direkte Umsetzung des Models in ein Flussdiagramm in einem graphikorientierter Modelleditor. Dieses Problem lässt
sich aber elegant umgehen, wenn die Differential-gleichung 2. Ordnung
(Eq.5) in zwei Differentialgleichungen 1. Ordnung überführt wird. Dies
geschieht durch die Verwendung der Geschwindigkeitsdefinition v = ds/dt.
Es resultiert folgendes System:
Zerlegen einer
DGL 1.
Ordnung in
zwei DGL
2. Ordnung
ds
v
dt
(Eq.6)
dv
D
 s
dt
m
Der Übergang zu einem graphikorientierter Modelleditor in den vorgängigen kapiteln zahlt sich nun aus. Systemdynamikprogramme wie Dynasys, Vensim, Stella, Powersim, Modus, Berkeley Madonna etc. erlauben eine
einfache und schnelle Implementierung von Differentialgleichungssystemen. Das Flussdiagramm für ein Federpendel wird anschliessend bei den
Resultaten zu den Aufgaben vorgestellt.
Zum Schluss noch ein paar wichtige Definitionen. Die Frequenz  der
Schwingung berechnet sich aus der Kreisfrequenz  wie folgt:


2
(Eq.7)
Die Periode T ist diejenige Zeitdauer, bis das Pendel nach einem Hin- und
Herschwingen wieder seinen Ausgangszustand einnimmt. Diese hängt wie
folgt von der Frequenz ab:
T
1


2

(Eq.8)
115 Verwendung
eines
Modelleditors
Frequenz und
Periode
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Aufgaben
A1. Ein Federpendel bestehe aus einer Feder mit der Federkonstante D =
500 N/m und einem Gewicht mit einer Masse m = 100 g. Die maximale
Auslenkung des Pendels beträgt 2 cm.
a) Leiten Sie den Impuls p(t) als Funktion der Zeit her.
b) Wie gross ist der Impuls nach 1.5 s?
c) Wie kann mit dem Impulserhaltungssatz erklärt werden, dass der
Impuls des Pendels mit der Zeit variiert?
A2. An einer Feder mit einer Federkonstante von 50 N / m wird eine Masse
von 700 g befestigt.
a) Bestimmen Sie die Frequenz, mit welcher die Masse an der Feder
schwingt.
b) Wie gross müsste die Federkonstante sein, damit die Masse mit
einer Frequenz von 1 Hz schwingt?
A3. Ein Gewicht wird an eine Feder gehängt, wobei sich diese um 5 cm
ausdehnt. Nach Anregung schwinge das Gewicht an der Feder mit einer
Periodendauer von 0.8 s.
Wie gross ist die Schwerebeschleunigung?
A4. Implementieren Sie in Dynasys, Vensim oder in ein äquivalentes
Programm ein Modell für ein ungedämpftes Pendel. Überprüfen Sie dieses
mit einer analytischen Berechnung der Schwingungsdauer (Periode).
116
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
(a) p (t )  mv(t )  mvˆ  cos(t )  msˆ  cos(t )  msˆ
 D 
D
 cos
 t 
m
m


(b)
p(t )  msˆ
 D 
D
 cos
 t 
m
 m 
 0.1kg  0.02m
 500 N / m

500 N / m
 cos
 1.5s 
0.1kg
0.1kg


 0.104kgm / s
(c) Auf die Befestigung des Pendels wird ebenfalls eine Impuls übertragen.
Der Gesamtimpuls bleibt stets erhalten!
L2.
(a)  
1
1
D
1
50 N / m




 1.345Hz
T 2
m 2
0.7 kg
(b) D  4 2 2 m  4 2 (1Hz ) 2 (0.7 kg )  27.635kg / s 2  27.635 N / m
L3.
Periodendauer T  2
 T  2
F
mg
m
; Federkonstante D  G 
s
s
D
m
s
s
0.05m
 2
 g  4 2 2  4 2
 3.084m / s 2
2
g
T
(0.8s )
 mg 


 s 
117 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L4. Die Umsetzung der Differentialgleichungen für das ungedämpfte Federpendel in ein Flussdiagramm ist in Fig.4 gegeben. Mathematisch spielt es
keine Rolle, ob Ein- und Ausflüsse vertauscht werden, das System schwingt
in beiden Fällen. Da die Änderung der Geschwindigkeit pro Zeit (also die
Beschleunigung) durch die rücktreibende Kraft gegeben ist, wird diese
Änderung aus Ausfluss gewählt. Im Programm Dynasys oder Vensim wird
das Vorzeichen für Ein- und Ausfluss automatisch festgelegt. Werden von
Hand Vorzeichen in die Abhängigkeiten der Flüsse eingegeben, so können
auch beide Änderungen als Ein- oder als Ausflüsse programmiert werden.
s
ds/dt
v
D
dv/dt

m
Fig.4. Flussdiagramm für ungedämpftes Federpendel: s = Auslenkung, v = Geschwindigkeit, m = Masse, D = Federkonstante
Bei der Darstellung der Lösungsfunktion können Auslenkungs- und Geschwindigkeitsfunktion im gleichen Diagramm verglichen werden. Die Phasenverschiebung von Geschwindigkeit und Auslenkung um /2 wird dann
deutlich sichtbar. Je nachdem, ob eine Anfangsauslenkung oder eine Anfangsgeschwindigkeit ungleich null gewählt wurde, resultiert für die Auslenkung eine Sinus- oder eine Cosinus-Funktion (vorausgesetzt, die jeweils
andere Zustandsgrösse hat den Anfangs-wert null).
118
Flussdiagramm
für
Federpendel
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 413 gedämpftes Federpendel
Theorie
Das Modell von Abschnitt 412 lässt sich auf ein gedämpftes Pendel erweitern. Dabei hängt die Dämpfung linear von der Geschwindigkeit v und
einem Dämpfungskoeffizienten  ab:
d 2s
ds
 2   02 s  0
2
dt
dt
mit
 02   2  2
(Eq.9)
Die analytische Lösung zu Eq.9 kann wiederum über einen Ansatz gefunden
werden. Lösungsfunktion für die Auslenkung s(t): s (t )  sˆe  t  sin(t ) .
Die Frequenz , mit welcher das Pendel schwingt, ist etwas kleiner als die
Frequenz des ungedämpften Pendels 0. Zudem ist die Schwingung exponentiell gedämpft.
Der Beweis für die Lösung erfolgt durch Einsetzen in die Bewegungsgleichung. Die wichtigsten Rechenschritte seien hier ausgeführt: Mit Vorteil
berechnet man zuerst die erste und die zweite Ableitung von s(t):

ds
 sˆ e t  cos(t )  e t  sin(t )
dt


d 2s
 sˆ (2   2 )e t  sin(t )  2e t  cos(t )
2
dt

Nun können diese Ableitungen in Eq.9 eingesetzt werden:
sˆ ( 2   2 )e  t  sin(t )  2 e  t  cos(t ) 
2 sˆ  e  t  cos(t )   e  t  sin(t )  
02 sˆ  e  t  sin(t )   0
Die Amplitude ŝ kann jetzt heraus gekürzt werden. Auch kann die Gleichung durch e-t dividiert werden. Es gilt also:
119 Analytische
Lösung für
das
gedämpfte
Pendel
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik (2   2 ) sin(t )  2 cos(t )  2 cos(t )
 22 sin(t )   02 sin(t )  0
Durch Zusammenfassen der Terme erhält man nun:
(2   2 ) sin(t )  22 sin(t )  ( 2  2 ) sin(t )  0
 22 sin(t )   2 sin(t )  22 sin(t )   2 sin(t )  0
Somit ist gezeigt, dass die Funktion s (t )  sˆe  t  sin(t ) Lösung von Eq.9
ist.
Auch s (t )  sˆe  t  cos(t ) ist Lösung von der Gleichung Eq.9. Die Cosinus- Lösung ist diejenige, bei welcher die Anfangsauslenkung s (0)  sˆ und
die Anfangsgeschwindigkeit v(0)  0 ist.
Ein spezieller Fall tritt ein, wenn  02  2 ist. Dann wird   0 und somit
s (t )  sˆe  t . Das Pendel schwingt nicht mehr (kritische Dämpfung).
Aufgaben
A1. Bei einem Pendel wurde zur Zeit t  5s eine Amplitude von 20 mm
gemessen. Nach weiteren 10 Sekunden wurde eine maximale Auslenkung
von 8 mm gemessen.
a) Bestimmen Sie den Dämpfungskoeffizient  .
b) Bestimmen Sie die Anfangsauslenkung (zur Zeit t  0 s )
120
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik A2. In der nachfolgenden Figur ist die Auslenkung eines Pendels als Funktion der Zeit aufgetragen.
s(t) / m
(a) bestimmen Sie anhand des Diagramms die Lösungsfunktion.
(b) Bestimmen Sie anhand des Diagramms den Dämpfungskoeffizienten und die Frequenz graphisch. Schätzen Sie ŝ ab.
0.06
0.05
0.04
0.03
0.02
0.01
0
-0.01 0
-0.02
-0.03
-0.04
-0.05
2
4
6
8
10
Zeit t / s
A3. Erweitern Sie das Modell von Aufgabe 4, Abschnitt 412 mit einer
Dämpfung: Überprüfen Sie die Resultate analytisch, soweit als möglich.
A4. Fügen Sie nun im Modell eine Anregung hinzu, welche sinus-förmig
das Pendel anregt (erzwungene Schwingung).
Wie verhalten sich die Amplituden, wenn sich die Anregungsfrequenz der
Eigenfrequenz des Pendels nähert?
121 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
(a) s (t1 )  sˆ  e
  t1
und s (t2 )  sˆ  e
  t 2
s (t1 ) e  t1

 e   t1   t 2  e  ( t 2  t1 )
s (t2 ) e  t 2
 s (t ) 
ln 1  ln 20 
s (t )
 s (t ) 
8
ln 1    (t2  t1 )     2      0.0916s 1
10s
(t2  t1 )
 s (t2 ) 
(b) s (t )  sˆ  e  t  s (0 s )  sˆ  s (t )  e  t
sˆ  20mm  e 0.0916 s
1
5 s
 31.62mm
L2. (a) s (t )  sˆe  t  sin(t )
(b)   0.2 s 1 ;   5s 1 ; sˆ  0.05m
L3. Die Erweiterung auf den gedämpften Fall erfolgt über das Auf-stellen
der entsprechenden Differentialgleichungen. Dabei kann wie-derum die
DGL. 2.Ordnung (Eq.9) in zwei DGL 1.Ordnung auf-gespaltet werden:
ds
v
dt
(Eq.10)
dv
  02 s  2v
dt
Das zu Eq.10 gehörende Flussdiagramm (Fig.5) unterscheidet sich wenig
von Fig.3. Im Wesentlichen wird eine Abhängigkeit zwischen Geschwindigkeit und deren zeitliche Änderung eingeführt, welche zu einer exponentiellen Dämpfung führt. Würde man in Eq.10 bei der Gleichung führ die
Geschwindigkeit die Abhängigkeit von der Auslenkung weglassen, würde
die folgende Gleichung resultieren: v  2v . Das ist mathematisch gesehen nichts anderes als die DGL eines exponentiellen Zerfall. Analog dazu ist
die Repräsentation die-ser Dämpfung im Flussdiagramm ein Pfeil, der wie
bei der Kondensatorentladung von der Zustandsgrösse zu deren Änderung
(Abfluss) geht. Hier kann also das System in einer Art Additionsverfahren
erweitert werden – man addiert quasi weitere Einflüsse dazu.
122
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Flussdiagramm für
gedämpftes
Federpendel
s
ds/dt
v
D
dv/dt


m
Fig.5. Flussdiagramm für gedämpftes Federpendel: s = Auslenkung, v = Geschwindigkeit, m = Masse, D = Federkonstante,  = Dämpfungskoeffizient.
Die Lösungsfunktionen von Eq.10 sind in Fig.6 dargestellt. Die exponentielle Dämpfung ist in diesem Diagramm schön zu erkennen. Die Hüllkurve
(umhüllende Funktion) ist dabei durch sˆe  t gegeben, welche eine zeitabhängige Amplitude beschreibt. Dieser Sachverhalt kann man sehr gut
selber überprüfen, wenn es gelingt, die Hüllkurve im Diagramm quantitativ
zu erfassen. Dies wäre dann quasi eine experimentelle Überprüfung der
Theorie.
Lösungsfunktion für
gedämpftes
Federpendel
1.0
Auslenkung s(t) / cm
Geschwindigkeit v(t) / cm/s
Auslenkung s(t) / cm
Geschwindigkeit v(t) / cm/s
0.0
12
36
24
48
60
Zeit t / s
-1.0
Fig.6. Lösungsfunktionen für das gedämpfte Federpendel: Anfangsauslenkung s0 =
1 cm, Anfangsgeschwindigkeit v0 = 0 cm / s,  = 1 s-1,  = 0.1 s-1; Numerik: RungeKutta -Verfahren mit t = 0.1 s.
123 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Auch das Pendel ohne Dämpfung kann bei der numerischen Simu-lation
eine exponentielle Dämpfung. Der Grund dafür sind nu-merische Fehler.
Die numerischen Fehler manifestieren sich als nu-merische Dämpfung oder
aber als numerisches Aufschaukeln. Zwei Beispiele dafür ist in Fig.7 und
Fig.8 gegeben. In Fig.7 wird eine numerische Dämpfung gezeigt, wie sie für
zu grosse Zeitschritte bei einem Runge-Kutta – Verfahren1 typisch sind.
Da die Frequenz im Verhältnis zur Zeitachse relativ klein gewählt
wurde, ist in Fig.7 schon anhand des eckigen Kurvenverlaufs zu erkennen,
dass die Schrittweite t nicht adäquat gewählt wurde. Bei deutlich höheren
Frequenzen hingegen sind die einzelnen Schwingungen im Diagramm nur
schwer auszumachen, womit dieser Hinweis entfällt.
Wird ein Euler-Gauchy – Verfahren zur Integration verwendet, so
können bereits bei relativ kleinen Schrittweiten erhebliche numerische Fehler auftreten. Diese kumulieren sich mit zunehmender Zeit, da im bei jedem
Minimum und bei jedem Maximum der Sinus- und Cosinus-Kurven die
Werte für die zweite Ableitung gross werden. Beim Beispiel im Abschnitt
221 hingegen nähert sich die Lösungsfunktion asymptotisch einem Gleichgewichtsniveau. Da sich die Lösungsfunktion mit zunehmender Zeit kaum
mehr ändert, wächst der globale Fehler nicht weiter durch Addition lokaler
Fehler an. Dies steht im Gegensatz zu einem Pendelsystem, wo sich die
lokalen numerischen Fehler zusehends aufkumulieren. Überschiesst die
Auslenkungsfunktion s(t) numerisch, werden automatisch die Werte für die
ersten und zweiten Ableitungen grösser, was ein weiteres Anwachsen der
numerischen Fehler zur Folge hat. Anstelle einer exponentiellen Dämpfung, tritt jetzt ein exponentielles Wachstum des Fehlers (Fig.8).
Gerade im Fall von Fig.8 ist für unerfahrene Anwender nicht unbedingt
sofort klar, dass das Diagramm nicht das physikalische Systemverhalten
widerspiegelt. Deshalb ist es wichtig, die Resultate kritisch zu hinterfragen.
Ebenfalls wichtig ist die gründliche Dokumentation der numerischen Parameter. Da beim einfachen Federpendel die Lösungsfunktionen auch analytisch bekannt und das physikalische Verhalten nachvollziehbar ist, sind
diese Beispiele besonders illustrativ.
1
Eine kurze Beschreibung des Rechenschemas findet sich bei Bronstein et al.
[Bro95] sowie in DPK, DMK: Formeln und Tafeln, Orell Füssli Verlag AG (1977),
9. Auflage (2001), S.109.
124
Numerische
Dämpfung
Numerisches
Aufschaukeln
bei EulerGauchy-
Vergleich mit
analytischer
Lösungsfunktion
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Geschwindigkeit v(t) / cm/s
Auslenkung s(t) / cm
1.0
0.0
12
24
36
48
60
Zeit t / s
a)
-1.0
Auslenkung s(t) / cm
Geschwindigkeit v(t) / cm/s
1.0
b)
0.0
12
24
36
48
60
Zeit t / s
Auslenkung s(t) / cm
-1.0
Geschwindigkeit v(t) / cm/s
Geschwindigkeit v(t) / cm/s
Auslenkung s(t) / cm
1.0
c)
0.0
12
24
36
48
60
Zeit t / s
-0.7
Fig.7. Numerische Dämpfung bei einem ungedämpften Federpendel: Anfangsauslenkung s0 = 1 cm, Anfangsgeschwindigkeit v0 = 0 cm / s,  = 1 s-1,  = 0.1 s-1;
Numerik: Runge-Kutta -Verfahren mit (a) t = 0.1 s; (b) t = 1.4 s; (c) t = 2.0 s.
125 Auslenkung s(t) / cm
Geschwindigkeit v(t) / cm/s
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 16.0
7.0
0.0
12
24
36
48
60
Zeit t / s
-11.0
-20.0
Fig.8. Numerisches Aufschaukeln einer Schwingung: Euler-Gauchy –Verfahren mit
t = 0.1 s; Anfangsauslenkung s0 = 1 cm, Anfangsgeschwindig-keit v0 = 0 cm / s, 
= 1 s-1,  = 0.1 s-1
L4. Im Folgenden soll ein gedämpftes Federpendel betrachtet werden.
Dieses wird durch eine anregende Kraft f(t) zum Schwingen gezwun-gen.
Diese Kraft soll sich cosinusförmig mit der Zeit ändern, es gilt also:
f (t )  aˆ1 cos(1t ) . Dabei ist â1 eine Beschleunigungs-amplitude und 1
die Kreisfrequenz der Anregung. Die Anregungs-kraft kommt nun als
weiterer Term zu Eq.9 dazu:
d 2s
ds
 2   02 s  aˆ1 cos(1t )
2
dt
dt
(Eq.11)
Für das angeregte Pendel, welches durch Eq.11 beschrieben wird, kann
folgende Lösungsfunktion für die Auslenkung s(t) gefunden werden:
s (t ) 
aˆ1
(   )  4 
2
0
2 2
1
2
2
1
 cos(1t   )  sˆe t  sin(t )
(Eq.12)
126
Pendel mit
Anregung
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Dabei ist φ eine Phasenverschiebung, welche von 0, 1 und λ abhängig ist
und berücksichtigt, dass die Anregung nicht in Phase zum Pendel schwingen
muss. Der letzte Term in Eq.12 stellt die gedämpfte Schwingung des freien
Pendels dar. Der erste Term beinhaltet eine frequenzabhängige Amplitude:
A(1 ) 
aˆ1
( 02  12 ) 2  4212
(Eq.13)
Amplitude A / cm
Für den Fall, dass  = 0 s-1 (keine Dämpfung) und die Anregungs-frequenz
1 gleich der Eigenfrequenz 0 des Pendels ist, wird diese Amplitude
unendlich – es handelt sich um den Resonanzfall. In Fig.9 sind verschiedene
Fälle für das gedämpfte Pendel dargestellt.
5
 = 0.01 s-1
4
3
 = 0.02 s-1
2
 = 0.05 s-1
1
 = 0.1 s-1
0
8
10
12
Kreisfrequenz 1 / s-1
Fig.9. Frequenzabhängige Amplitude A(1) für die erzwungene Schwingung beim
gedämpften Federpendel (analytisch berechnete Werte): Die verschiedenen Kurven
repräsentieren die verschieden starken Dämpfungen (unter-schiedliche Dämpfungskoeffizienten ). Um die Resonanzstelle besser dar-zustellen, wird nur der Bereich
um 1.0 s-1 (Resonanz-Kreisfrequenz) gezeigt.
Die Darstellung in Fig.8 zeigt eine Abhängigkeit der Amplitude im Frequenzraum. Sie bietet also einen anderen Blinkwinkel auf das Problem als
die Lösungsfunktion s(t), welche die Auslenkung in Abhängigkeit der Zeit
darstellt. Dies kann als erstes Beispiel dafür dienen, wie Betrachtungen im
Frequenzraum bestimmte Sachverhalte adäquater dargestellt werden können. Natürlich können die Resonanzkurven in Fig.8 auch durch numerische
127 Frequenzabhängige
Amplitude
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Simulation ermittelt werden. Dafür müssen aber mehrere Simulationsdurchgänge berechnet werden.
Fig.10 zeigt das Flussdiagramm eines gedämpften Pendels mit Anregung. Für die Anregungsfunktion f (t )  aˆ1 cos(1t ) muss bei ge-wissen
Programmen eine Uhr ins Modell eingefügt werden, damit im cos-Term die
Zeit zur Verfügung steht. Im Dynasys lässt sich dies durch die Verwendung
einer Tabellenfunktion realisieren, bei der die lineare Beziehung  = t
verwendet wird (mit t als laufende Zeit der Si-mulation). Es besteht aber
auch die Möglichkeit, eine bereits vorhan-dene Funktion mit dem Namen
Zeit zu verwenden.
Numerische
Berechnung
der
Resonanzkurve
Flussdiagramm
für angeregtes
Pendel
s
ds/dt
v
dv/dt
t
a1
â


1
Fig.10. Flussdiagramm eines gedämpften Pendels mit Anregung: Für die Anregung
wurde f (t )  aˆ1 cos(1t ) verwendet, wobei t in diesem Diagramm eine
mitlaufende Uhr bedeutet, s = Auslenkung, v = Geschwindigkeit.
In Fig.11 sind zwei Beispiele für die simulierte Auslenkungskurve (s(t)) zu
sehen. Für den Fall eines ungedämpften Pendels ( = 0 s-1) ergibt sich ein
linearer Anstieg der Amplitude. Diese erreicht dem-nach nach unendlich
viel Zeit unendliche Werte. Allerdings werden die Werte für die Amplitude
schon in endlicher Zeit sehr gross, was zur sog. Resonanz-Katastrophe
führt. Im gedämpften Fall (hier  = 0.05 s-1) hingegen wird das Anwachsen
der Amplitude nach ein bestimmten Zeit gedämpft und es stellt sich ein
Gleichgewicht ein. Die Erklärung dafür ist die mit der Amplitude anwachsende Geschwindigkeit. Diese führt zu einer zunehmenden Reibung im
Dämpfungsterm von Eq.11.
128
Einfluss der
Geschwindigkeit auf die
Dämpfung
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Geschwindigkeit v(t) / cm/s
Auslenkung s(t) / cm
0.6
0.3
0.0
24
48
72
96
120
Zeit t / s
-0.3
a) =0.0 s-1
-0.6
a =1 s-1
Auslenkung s(t) / cm
Geschwindigkeit v(t) / cm/s
0.6
0.3
0.0
24
72
96
120
Zeit t / s
-0.3
-0.6
48
b) =0.05 s-1
a =1 s-1
Fig.11. Resonanzverhalten eines ungedämpften Pendels mit  = 0 s-1 und einer
Anregungsbeschleunigung â1 = 0.01 cm/s (a) und eines gedämpften Pendels mit 
= 0.05 s-1 (b): Gerechnet mit einem Runge-Kutta-Verfahren mit der Schrittweite t
= 0.1 s.
An diesem System können viele Fragestellungen untersucht werden. Mathematisch herausarbeiten lässt sich z.B. die Frage nach dem Zeitpunkt des
Gleichgewichts oder die Form der Hüllkurve von s(t). An dieser Stelle soll
jedoch der Fokus auf das Diagramm von Fig.9 gelegt werden. Dieses Diagramm lässt sich durchaus auch anhand der Daten einer Simulation erstellen. Für verschiedene Werte von  und der Anregungsfrequenz a kann die
maximale Amplitude ermittelt werden. Allerdings gilt es zu beachtet, dass
hierfür eine sinnvolle Definition der maximalen Amplitude nicht eindeutig
ist. Der grösste Amplitudenwert kann in der Anfangsphase der Anregung
auftreten. Die Amplitude im später eintretenden Gleichgewicht ist kleiner.
129 maximale
Amplitude
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Im Folgenden soll deshalb nicht der grösste Wert der Amplitude, sondern
der Wert im Gleichgewicht verwendet werden. Für verschiedene Werte der
Anregungsfrequenz a wurden diese Amplituden-werte mit den analytischen Werten von Eq.13 verglichen. Das Resultat ist in Fig.12 gezeigt. Es
kann generell eine sehr gute Übereinstimmung der numerisch ermittelten
Werte mit der analytisch ge-rechneten Kurve festgestellt werden. Eine
Ausnahme bildet der Wert bei a = 0.6 s-1.
Amplitude A / cm
0.1
0.08
0.06
0.04
0.02
0.00
0
0.5
1.0
1.5
2.0
Kreisfrequenz 1 / s-1
Fig.12. Frequenzabhängige Amplitude A(1) für die erzwungene Schwingung eines
Pendels mit Anregungsbeschleunigung â1 = 0.01 cm/s2:  = 1 s-1,  = 0.05 s-1.
Gerechnet mit einem Runge-Kutta-Verfahren (Schritt-weite t = 0.1 s).
130
Gleichgewichtswert für die
Amplitude
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 414 mathematisches Pendel
Theorie
Beim mathematischen Pendel handelt sich dabei um eine Masse m, welche
an einen Faden der Länge l gehängt wird. Da man bei der Pendelbewegung
von einen stets gestreckten Faden ausgeht, kann dieser auch als eine starre,
masselose Verbindung mit dem Drehpunkt des Pendels gedacht werden. Die
Bewegungsgleichung des Pendels erhält man durch eine Kräftebetrachtung.
Das entsprechende Kräftediagramm ist in Fig.13 dargestellt.
Modell

l
FN
m
FG
FD
s
Fig.13. Kräftediagramm für ein math. Pendel: Die Masse m sei an einer masselosen,
starren Verbindung mit der Länge l zum Drehpunkt befestigt.
Wird das Pendel um den Winkel  ausgelenkt, so wirkt die rück-treibende
Kraftkomponente FD = FG·sin = mg·sin. Die Bewegungsgleichung kann
sowohl für den Winkel  als auch für die Strecke s formuliert werden. Der
Strecke der Auslenkung ist gegeben durch s = l, somit gilt für den
Drehwinkel  = s/l. Für die Beschleunigung ergibt sich somit:
d 2s
s
  g  sin  
2
dt
l
(Eq.14)
Bezüglich dem Drehwinkel gilt für die Beschleunigung s  l   . Somit
lässt sich die Bewegungsgleichung auch schreiben als:
131 Bewegungsgleichung für
mathematisches
Pendel
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik d 2
g
   sin 
2
l
dt
(Eq.15)
Die Umsetzung in ein Computermodell ist einfach. Das Flussdiagramm ist
praktisch identisch zu Fig.3. Das Pendel lässt sich in gedämpfter wie
ungedämpfter Form schnell realisieren. Als interessante Fragestellung kann
der Übergang der Schwingungsform untersucht werden. Für kleine Winkel
 kann der Sinusterm ersetzt werden, da gilt2:
 sin  
  1
lim
  
  0
(Eq.16)
Es resultiert für diese Näherung die Pendelgleichung von Eq.5, aller-dings
mit 2 = g/l. Das Pendeln erfolgt deshalb Sinusförmig. Für grössere
Auslenkungen des Pendels weicht die Schwingungsform im-mer mehr von
der Sinus-Kurve ab.
Aufgaben
A1. Ein Pendel einer Uhr soll eine Periodendauer von 1 s haben. Wie lange
muss dass Pendel sein?
A2. Ein Gewicht wird an eine Schnur mit einer Länge von 0.5 m gehängt
(math. Pendel). Nach Anregung schwinge das Gewicht an der Schnur mit
einer Periodendauer von 1.42 s.
a) Mit welcher Frequenz schwingt das Pendel?
b) Wie gross ist die Schwerebeschleunigung?
A3. Programmieren Sie eine Simulation des mathematischen Pendels. Fügen
Sie im Modell ein Dämpfung hinzu. Erklären Sie die resul-tierenden
Auslenkungs-Zeitdiagramme.
2
An dieser Stelle kann auch folgende Taylor-Reihenentwicklung betrachtet werden:
1
x3
sin( kx)  f ( x)  f ( x 0 )  f ( x 0 )( x  x 0 )  f ( x 0 )( x  x 0 ) 2  ...  x 
 ... mit
2!
3!
x 0  0 . Daraus ergeben sich verschiedene Approximationen von Eq.15, welche für
Vergleichssimulationen verwendet werden können.
Der Grenzwert (Eq.16) lässt sich mit der am Einheitskreis ablesbaren Beziehung
sin x  x  tan x zeigen, es gilt mit tan x  sin x / cos x auch die Ungleichung
1  ( x / sin x)  (1 / cos x) . Wegen lim 1 / cos x   1 ist der Grenzwert eingegrenzt.
x 0
132
Näherung für
kleine Auslenkungen
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
2
2
l
 T 
2  1s 
 l  g
T  2
  9.81m / s 
  0.248m
g
 2 
 2 
L2.
(a)  
1
1

 0.704 Hz
T 1.42s
2
(b) T  2
2
l
 2 
 2 
2
 g  l
  0.5m
  9.789m / s
g
 T 
 1.42 s 
L3. Die Form der Schwingungskurve in Fig.13 lässt sich physikalisch gut
erklären. Je mehr sich der Winkel  gegen 180° (= ) nähert (bei l = 1 m ist
dies bei einer Auslenkung s = 3.14159 m), desto länger verweilt das Pendel
oben, da bei einer starren Verbindung zum Dreh-punkt die beschleunigende
Kraftkomponente klein ist. Entsprechend bleibt die Geschwindigkeit lange
fast null, bevor es zu einer schnellen Änderung der Pendelposition kommt.
Wird zusätzlich noch Reibung berücksichtigt, so kann der Über-gang
der Schwingungsformen mit abnehmender Amplitude schön beobachtet
werden.
Erklärung für
Schwingungsform
Das mathematische Pendel ist ein einfaches Beispiel für eine nicht-sinusförmige, also nicht-harmonische Schwingung. Folgender Satz3 kann als
Definition für die harmonische Schwingung genommen werden: Eine lineare Schwingung, die mit der Projektion einer gleichförmigen Kreisbewegung übereinstimmt, heisst harmonische Schwingung.
harmonische
und nichtharmonische
Schwingung
3
Vgl. z.B. Grehn, J., Krause, J.: Metzler Physik. Hannover: Schroedel Verlag,
1998.
133 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Auslenkung s(t) / m
Geschwindigkeit v(t) / m/s
3.2
1.6
0.0
2
4
6
10
8
Zeit t / s
-1.6
a
-3.2
v(t)
s(t)
Auslenkung s(t) / m
Geschwindigkeit v(t) / m/s
5.2
2.6
0.0
2
4
6
8
10
Zeit t / s
-2.6
b
-5.2
v(t)
s(t)
Auslenkung s(t) / m
Geschwindigkeit v(t) / m/s
6.4
3.2
0.0
2
4
6
10
8
-3.2
Zeit t / s
-6.4
c
s(t)
v(t)
Fig.13. Simulation eines mathematischen Pendels für verschiedene Anfangsauslenkungen s0: (a) s0 = 1 m; (b) s0 = 2 m; (c) s0 = 3 m; Länge l = 1 m, ohne Reibung,
gerechnet mit Runge-Kutta-Verfahren, Schrittweite t = 0.01 s.
134
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 420 Untersuchung von oszillierenden Systemen
421 Phasendiagramme
Theorie
Die Projektion einer Kreisbewegung ist eine Sinus-Schwingung. Es liegt
somit auf der Hand, für die Schwingungen noch eine andere Darstellungsform zu suchen. Hier bietet sich ein sog. Phasendiagramm an, welches
sich mit Systemdynamik-Programmen sehr einfach erstellen lässt.
Die Gegenüberstellung von Geschwindigkeit des Pendels und der Auslenkung zeigt, wie die beiden Grössen phasenverschoben sind. In Fig.14
sind die Phasendiagramme für verschiedene Pendel einander gegenüber gestellt.
Geschwindigkeit v
Geschwindigkeit v
1 cm/s
Auslenkung s
1 cm
0.64 cm/
Auslenkung s
0.8 c
b
Auslenkung s
a
3.2 m
Geschwindigkeit v
3.3 m/s
-6.0 m/s
c
Fig.14. Phasendiagramme für verschiedene Pendel, gerechnet mit Runge-KuttaVerfahren: (a) Federpendel ohne Dämpfung, s0 = 1 cm,  = 1 s-1, Schrittweite t =
0.1 s; (b) Federpendel mit Dämpfung, s0 = 1 cm,  = 1 s-1,  = 0.1 s-1, Schrittweite
t = 0.1 s; (c) mathematisches Pendel, s0 = 3.14 m, l = 1 m, Schrittweite t = 0.01 s,
nur ein Intervall von 10 s gezeigt.
135 Phasendiagramme
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Phasendiagramme repräsentieren ein System auf charakteristische Weise.
Für einfache Systeme ist der Informationsgehalt dieser Dia-gramme nicht
gross, bei komplexen Systemen können aber anhand solcher Diagramme
interessante Aussagen gemacht werden. In diesen Phasendiagrammen lassen
sich immer wieder ähnliche Strukturen beobachten. So zeichnen sich
periodische Prozesse durch Kreise um ein Zentrum aus (e.g. Fig.14a) und
Gleichgewichtszustände sind als Spiralen identifizierbar. Allerdings
repräsentiert nicht jeder Spiral-punkt ein Gleichgewicht. Nur wenn das
System sich ins Zentrum der Spirale hinein entwickelt, handelt es sich um
einen sog. stabilen Spi-ralpunkt. Da die Zeit in einem Phasendiagramm
nicht als Achse dar-gestellt wird, müssten die Linien im Diagramm mit einer
Pfeilrich-tung für die Zeit versehen werden (Trajektorien), damit ein
Phasen-diagramm vollständig interpretierbar wird.
In Phasendiagrammen wird zwischen verschiedene Grundmuster unterschieden. In Fig. 15 sind diese dargestellt4. Dabei wird der Phasen-raum
von zwei Systemgrössen x(t) und y(t) aufgespannt. Dabei han-delt es sich
nicht zwingend um Geschwindigkeit v und Auslenkung s, sondern um
beliebige, voneinander abhängige Grössen im System. Die in Fig.15
dargestellten Fälle zeigen die möglichen Trajektorien x(t) und y(t) in der
Umgebung in der Umgebung eines stationären Punktes für das folgende
System:
dx
 a11 x  a12 y
dt
(Eq.17)
dy
 a 21 x  a 22 y
dt
Die Koeffizienten aik können als Matrix A aufgefasst werden. Im Folgenden
wird eine Methode gezeigt, wie sich mit der Eigenwertmethode ein Differentalgleichungssystem (DGL_System) lösen lässt.
4
Eine analoge Darstellung findet sich in Grosche G., Zeidler, E., Ziegler D.,
Ziegler, V. (Ed.): Teubner –Taschenbuch der Mathematik, Stuttgart, Leipzig:
Teubner, 1995.
136
Aussagen von
Phasendiagrammen
Trajektorien
Grundmuster
in Phasendiagrammen
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik y
y
x
Zentrum,
1 und 2 rein imaginär
y
y
x
x
Zentrum,
1 und 2 rein imaginär,
mit negativem Realteil
1 und 2 rein imaginär,
Zentrum,
mit positivem Realteil
y
x
stabiler Knoten,
1 und 2 reell, negativ
y
x
x
instabiler Knoten,
1 und 2 reell, positiv
Sattelpunkt,
1 und 2 reell,
12 < 0
Fig.15. Schematische Darstellung möglicher Trajektorien x(t) und y(t) in der x-yEbene (Phasenraum): Die Pfeile weisen in die wachsende Zeitrichtung.
Für lineare DGL-Systeme können Lösungsfunktionen durch die Berechnung
der Eigenvektoren der zugeordneten Matrix gefunden werden. Dabei wird
folgendes system betrachtet:
du1
 a11u1  a12 u 2  a13 u 3
dt
du 2
 a 21u1  a 22 u 2  a 23 u 3
dt
(Eq.18)
du 3
 a31u1  a32 u 2  a33 u 3
dt
137 Lineares
DGL-System
1. Ordnung
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Das System lässt sich in Vektor-Matrix-Form schreiben als u i  aik u k . Die
Eigenwerte der Matrix a ik sind gegeben durch:
det(aik   ik )  0
charakt.
Gleichung
(Eq.19)
mit  ik  1  i  k und  ik  0  i  k . Die resultierende Glei-chung
ist für eine 22-Matrix eine Gleichung zweiten Grades und für eine 33Matrix eine Gleichung dritten Grades. Für Eq.19 ergeben sich deshalb als
Lösungen drei Eigenwerte (1) , ( 2 ) und ( 3) . Der zugehörige Eigenvektor


x n erfüllt die Bedingung (aik  n ik ) x n  0 . Als Lösungsansatz für
Eq.18 kann nun folgende Wahl getroffen werden:
Eigenvektor




u i (t )   n (t )  x n   1 (t )  x1   2 (t )  x 2   3 (t )  x3
(Eq.20)
Die Ableitung des Ansatzes ergibt:
du i  d 1  d 2  d 3
 x1
 x2
 x3
dt
dt
dt
dt
(Eq.21)

Da nun die Eigenvektoren die Bedingung (aik   n  ik ) x n  0 erfüllen,
gilt: aik x k  xi . Mit Einsetzen des Ansatzes ergibt sich (unter Verwendung von



u i  aik u k  aik (  n x n )   n aik x n   n n x n :

n

n

n

 d 1
   d
   d
 1 1  x1   2  2 2  x 2   3  3 3  x3  0

 dt

 dt

 dt

(Eq.22)
Das Problem reduziert sich nun auf die Bestimmung der Funktionen  i (t ) .
Da die Eigenvektoren eine Basis in R3 bilden, also linear unabhängig sind,
gilt:
 d i

 i  i  xi  0

 dt

(Eq.32)
Lösung des
Systems
138
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Dies ist erfüllt, wenn  i  i i  0 . Daraus ergibt sich  i (t )   0 e
Und somit die Lösung zu Eq.18:
i t
.




u i (t )  u (t )  x1   1 (0)  e 1t  x 2   2 (0)  e 2t  x3   3 (0)  e 3t
(Eq33)
Die Lösungen sind also von der Form e t . Für reelle Werte von 
resultieren Exponentialkurven. Für imaginäre Werte ist zu bedenken, dass
e i  cos   i sin  ist (Euler, mit i 2  1 , siehe Anhang 4, Abschnitt
004). Dieser Sachverhalt erklärt Fig.15 vollständig.
Aufgaben
A1. Wenden Sie das in diesem Abschnitt vorgestellte Verfahren auf das
ungedämpfte und das gedämpfte Federpendel an:
(a)
ds
v
dt
ungedämpftes
Pendel
dv
  2 s
dt
(b)
ds
v
dt
gedämpftes
Pendel
dv
  02 s  2v
dt
139 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1. Die Matrix für das ungedämpfte System ist gegeben durch:
 0
A  
2

1

0 
mit 2 = D/m, x = s und y = v. Die Eigenwerte sind gegeben durch ξk =
det(A-ξkI) mit I = ik (Einheitsmatrix). Dies führt auf ξ2 + 2 = 0, und somit
auf die Eigenwerte ξ1,2 = ±i. Die Lösung des Systems Eq.63 lässt sich
darstellen als x(t )  xˆ  e t  xˆ  e  it . Die Eigenwerte sind rein imaginär,
was einem Zentrum im Phasendiagramm passt (Fig.15).
Berechnung
der
Eigenwerte
Die Theorie lässt sich problemlos auf das gedämpfte Federpendel übertragen, allerdings wie bei (a) mit einem kleinen physikalischen Schönheitsfehler: Der zu bildende Vektor besteht aus einer Strecke und einer Geschwindigkeit. Es ergibt sich für A die folgende Matrix:
Anwendung
auf
gedämpftes
Federpendel
 0
A  
2
  0
1 

 2 
Aus det(A-ξkI) können wiederum die Eigenwerte bestimmt werden. Durch
Einsetzen lässt sich die folgende quadratische Gleichung gewinnen:
 2  2  02  0 . Die Lösungen sind ξ1,2 = - ± 2   02 . Mit der
Definition  02   2  2 ergibt sich ξ1,2 = - ± i, wobei 0 die
Eigenfrequenz des ungedämpften und  die Frequenz des gedämpften Pendels ist. Auch hier kann die Lösung in der Form x(t )  xˆ  e t  xˆ  e(    i ) t
geschrieben werden. Beide Eigen-werten sind imaginär, haben aber einen
negativen Realteil, was ebenfalls mit der Darstellung in Fig.15 übereinstimmt.
Für    02 ergibt sich ein rein reeller Eigenwert (ξ1,2 = - ± 0). Dies
entspricht dem Fall der kritischen Dämpfung (siehe Abschnitt 413).
140
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 422 Untersuchung eines Systems mit gekoppelten Pendeln
Theorie
Beispiele für gekoppelte Oszillatoren lassen sich sowohl in der Mechanik
als auch in der Elektrizitätslehre finden. So kann der Teslatransformator als
System, bestehend aus zwei elektrischen Schwingkreisen, aufgefasst werden. Er soll im Kapitel 800 ausführlich vorgestellt werden.
Zuerst wird ein analytischer Weg vorgestellt. Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf ein mechanisches System, bei wel-chem die
Kräfte auf die einzelnen Massen auch von der Abstandsdifferenz zu einander abhängig sind.
Das Verfahren von Abschnitt 421 lässt sich auch auf DGL-Systeme
2.Ordnung anwenden. Als Veranschaulichung dient ein System von gekoppelten Pendeln (Fig.16).
k
k
k
m
m
k
m
Fig.16. System von gekoppelten Pendel: Alle Kugeln haben die gleiche Masse und
sind mit Federn mit der gleichen federkonstante gekoppelt.
Die Kreisfrequenz sei  0  k / m , wobei alle Federn die gleiche Federkonstante haben und alle Massen gleich schwer sein sollen. Wird eine
Masse m verschoben, so übt die Feder auf der einen Seite einen Zug, die
Feder auf der anderen Seite einen Druck aus. Dies bedeutet für die
Auslenkung s i (t ) einer Kugel i zwischen zwei Federn, dass
si (t )  2 0  s i (t ) ist. Während die Auslenkung in eine Richtung in einer
negativen (also rücktreibender) Kraftwirkung auf die betref-fende Kugel
mündet, führ die Auslenkung einer Nachbarkugel in die gleiche Richtung
zur Reduktion dieser rücktreibenden Kraftwirkung. Für die erste Kugel
ergibt sich daraus s1  2 0 s1   0 s 2 . Die Kugeln 1 und 3 koppeln nicht
direkt. Die zweite Kugel hingegen koppelt an die erste und dritte Kugel, es
141 DGL-System
2.Ordnung
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik gilt also s2   0 s1  2 0 s 2   0 s 3 . Das ganze system lässt sich schreiben
als:
d 2 si
  0  aik s k
dt 2
(Eq.34)
KopplungsMatrix
mit der Kopplungsmatrix:
0 
 2 1


aik   1  2 1 
 0
1  2 

(Eq.35)
Die Eigenwerte von a ik sind gegeben durch det(aik   ik )  0 . In diesem
Fall betragen sie: 1  2 ,  2  2  2 und 3  2  2 . Die

Berechnung der Eigenvektoren mittels der Bedingung (aik   n  ik ) x n  0
führt zu:
 x0 
  
x1   0 
x 
 0
 x0 

 
x 2   2  x0 
 x 
0


 x0


 
x3    2  x 0 
 x

0


Die Eigenvektoren lassen sich bestimmten Schwingungsmodi zuord-nen
(Fig.17).
Fig.17. Schematische Darstellung der Schwingungsmodi eines Systems von gekoppelten Pendeln: Die drei Eigenvektoren repräsentieren drei Schwingungsmuster.
142
Eigenvektoren
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Gekoppelte Systeme können auch sehr gut mit dem Computer simu-liert und
dabei untersucht werden. Die Umsetzung in ein Flussdiagramm ist in Fig.18
gezeigt.
a12
s1
ds1/dt
s2
ds2/dt
v1
dv1/dt
t
a1
â
1
v2
1
dv2/dt
a21
1
2
Fig.18. Flussdiagramm für zwei gekoppelte Pendel: Die Differenz der Auslenkungen beider Pendel führt zu einer weiteren Beschleunigung -(s1 – s2) auf Pendel 2
und -(s2 – s1) auf Pendel 1).
Aufgaben
A1. Implementieren Sie ein System mit zwei gekoppelten Pendeln (Fig.18)
in ein Systemdynamik-Programm. Schreiben Sie dazu die Systemgleichungen und die Kopplungsmatrix auf. Untersuchen Sie das System auf sein verhalten.
143 2
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1. Nachfolgend sind die Systemgleichungen gegeben. Zu beachten ist, dass
das System via Pendel 1 oder 2 angeregt werden kann. Die Anregung kann
durch eine Anfangsauslenkung oder Geschwindig-keit erfolgen (bei beiden
Pendeln) oder aber durch eine cosinus-förmige Kraft (bei Pendel 1 implementiert).
Zustandsgleichungen
Zustandsänderungen
s1.neu <-- s.alt + dt*(ds1)
Startwert s1 = 1
v1.neu <-- v.alt + dt*(-dv1)
Startwert v1 = 0
s2.neu <-- s2.alt + dt*(ds2)
Startwert s2 = 0 Konstanten
v2.neu <-- v2.alt + dt*(-dv2)
ds1 = v1
dv1= 2*l*v1+(w^2)*s1+a1+a21
ds2 = v2
dv2 = 2*l2*v2+(w2)^2*s2+a12
Startwert v2 = 0
Kopplungskonstanten
Systemgleichungen
l1 = ; w1 = ; a = â1 ;
l2 = ; w2 = 2
k12 = k21
Zwischenwerte
t = Tabelle(Zeit); a1 = a*cos(wa*t); a12 = k12*(s2-s1);
a21 = k21*(s1-s2)
Die entsprechenden Auslenkungs- Zeit- Diagramme sind in Fig.19 gezeigt.
Dabei wurde eine Anfangsauslenkung als Anregung benutzt und die
cosinusförmige Kraft null gesetzt. In Fig.19 ist schön zu erkennen, wie die
Bewegung zwischen den beiden Oszillatoren hin und her pendelt. Dies
entspricht auch einem Hin- und Herpendeln der Energie im System – ein
Phänomen, welches auch in gekoppelten, elektrischen Schwingkreisen zu
beobachten ist.
144
Pendeln der
Energie
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Auslenkung s(t) / cm
1.0
0.0
24
48
72
96
120
Zeit t / s
-1.0
a
Auslenkung s(t) / cm
1.0
0.0
24
48
72
96
120
Zeit t / s
b
-1.0
Pendel 1
Pendel 2
Auslenkung s(t) / cm
1.0
0.0
24
48
72
96
120
Zeit t / s
-1.0
c
Fig.19. Auslenkung s(t) von zwei gekoppelten Pendeln mit einer Anregungsauslenkung s1(0) = 1 cm; â1 = 0.0 cm/s2; 1 = 2= 1 s-1: a) beide Pendel
ungedämpft, 1 = 2 = 0.0 s-1, b) 1 = 0.0 s-1, 2 = 0.02 s-1; c) 1 = 2 = 0.02 s-1.
Gerechnet mit einem Runge-Kutta-Verfahren mit der Schrittweite t = 0.1 s.
145 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 423 Fouriertransformation
Theorie
Eine weitere Art, Schwingungen darzustellen, ist das Spektrum. Da-bei
handelt es sich um eine Darstellung in einem Frequenz-Amplitudenraum.
Ein Beispiel dafür wurden bereits in Fig.11 gegeben. Eng mit dem Begriff
des Spektrums verknüpft ist die Fourier-Trans-formation. Schon bei der Diskussion des Resonanz-Verhaltens erwies sich dies Darstellung als nützlich.
Die zentrale Frage ist nun, wie ein Spektrum aus einem Auslenkungs-ZeitDiagramm gewonnen werden kann. Die Antwort dazu liefert die FourierTransformation.
Um den Begriff des Spektrums verständlicher zu machen, sollen zu-erst die
Fourier-Reihen betrachtet werden. Gegeben sei eine periodische Funktion
f(t). Die Periode sei T = 2/. Jede periodische Funktion lässt sich nun
durch unendliche eine Summe von Sinus- und Cosinus-Funktionen beschreiben:
f (t ) 
Spektrum
Analyse von
Schwingungen
FourierReihen

1
a 0   a n cos(n  t )  bn sin(n  t ) 
2
n 1
(Eq.36)
Dies ist die Fourierreihen-Entwicklung für f(t) mit den Koeffizienten an und
bn. Diese Koeffizienten sind Amplituden und gehören zur Kreisfrequenz n
– sie bilden also quasi das Spektrum. Die eingangs gestellte Frage reduziert
sich nun auf die Bestimmung dieser Koeffizienten. Für einige spezielle
Funktionen lassen sich die Amplituden durch einfache Gesetze beschreiben.
So kann eine Sägezahnkurve (Fig.20) durch eine Summe von Sinusfunktionen mit n  IN gebildet werden:

1

f (t )    sin(n  t ) 

n 1  n
(Eq.37)
wobei  eine beliebige Grundfrequenz ist. Auch eine Rechteck-Kurve kann
einfach erhalten werden, wenn nur ungerade Werte für n genommen
werden.
Die Koeffizienten lassen sich für beliebige Signale im Prinzip durch
folgende Überlegung ermitteln: Es kann das folgende Integral betrachtet
werden:
146
SägezahnKurve
RechteckKurven
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik x2
c
 f ( x)  g ( x)  dx
x1
Werden nun verschiedene, spezielle Fälle betrachtet (z.B. f ( x)  g ( x) ,
f ( x)  sin x und g ( x)  cos x , etc.), so lässt sich grob feststellen, dass der
Wert von c davon abhängt, wie gut die Funktion f ( x) in die Funktion g ( x)
passt (wie gut sich die Flächen zwischen Kurve und x-Achse überdecken).
1.5
1
0.5
0
0
1
2
3
4
5
6
3
4
5
6
7
-0.5
-1
-1.5
1.5
1
0.5
0
0
1
2
7
-0.5
-1
-1.5
Fig.20. Darstellung des Produkts aus zwei Sinusfunktionen (dicke Linie): Oben
sin t  sin(2t ) , unten sin t  sin(3t )
147 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Für eine beliebige, aber periodische Funktion können die Koeffizienten an
und bn durch folgende Integrale bestimmt werden:
T
an 
2
f (t )  cos(n  t )  dt
T 0
T
2
bn   f (t )  sin(n  t )  dt
T 0
Bestimmung
der Fourierkoeffizienten
(Eq.38)
mit n  IN (bei an auch noch n = 0) und  = 2/T. Das Integral für die Koeffizienten an entspricht einer Cosinus- und für die bn einer Sinus-FourierTransformation. Die in Eq.38 vorgestellten Integrale testen somit quasi, wie
gut eine Sinus- oder Cosinusfunktion mit einer bestimmten Frequenz in ein
Signal passt. Generell kann die allgemeine Fouriertransformation unter Verwendung der Formel von Euler in eine Summe aus Sinus- und Cosinustransformation zerlegt werden.
Die Integrale (Eq.38) können auch numerisch ausgewertet werden. Dies
kann mit Hilfe eines Tabellenkalkulationsprogramms geschehen (Tab.1).
Dabei wird durch den Zeitraum t = 0 bis t = T und durch den diskreten
Frequenzraum n bis N eine Matrix auf-gespannt.
Numerische
Fouriertransformation
Tab.1. Berechnungstabelle für eine Sinus-Fouriertransformation: Die Grundfrequenz  wurde auf 1 s-1 gesetzt.
t
0
t=t1
2t
3t
4t
5t
6t
…
kt
…
Kt
=T
148
f(t) = fk
f(0) = f0
f(t) = f1
f(2t) =f2
f(3t) =f3
f(4t) =f4
f(5t) =f5
f(6t) =f6
…
f(kt) =fk
…
f(Kt)=fK
= f(T)
n=1
f0sin(1*0)t
f1sin(1t1)t
f2sin(1t2)t
f3sin(1t3)t
f4sin(1t4)t
f5sin(1t5)t
f6sin(1t6)t
…
fksin(1tk)t
…
fKsin(1T)t
n=2
f0sin(2*0)t
f1sin(2t1)t
f2sin(2t2)t
f3sin(2t3)t
f4sin(2t4)t
f5sin(2t5)t
f6sin(2t6)t
…
fksin(2tk)t
…
fKsin(2T)t
…
…
…
…
…
…
…
…
…
…
…
…
n=N
f0sin(N*0)t
f1sin(Nt1)t
f2sin(Nt2)t
…
…
…
…
…
fksin(Ntk)t
…
fKsin(NT)t
b1 =
2 K
 f k sin(1t k )t
T k 1
b2 =
2 K
 f k sin(2t k )t
T k 1
… bN =
2 K
 f k sin( Nt k )t
T k 1
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Auslenkung s / cm
Das Resultat der numerischen Berechnung ist in Fig.21 gezeigt. Dabei wurden als Testfunktionen für f(t) direkt einfache Fourierreihen gewählt. Dadurch lässt sich die Genauigkeit des Verfahrens quantifizieren. Der relative
Fehler ist bei einer Schrittweite von t = 0.01 s und T = 1 s für verschiedene
Reihen kleiner als 10-4 bei der Sinustransformation und 10-3 bei der
Cosinustransformation.
2
1.2
1.5
1
1
Amplituden bn / cm
0.8
0.5
0
-0.5 0
0.2
0.4
0.6
0.8
Zeit t / s
0.6
1
0.4
1.2
-1
0.2
-1.5
0
1
-2
2
3
4
5
6
7
8
Frequenzfaktor n
b)
a)
Auslenkung s / cm
Überprüfung
der
Genauigkeit
3
1.2
2.5
1
2
Amplituden an / cm
0.8
1.5
0.6
1
0.5
0.4
Zeit t / s
0
-0.5 0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
0.2
1.2
0
1
-1
2
3
4
5
6
7
8
6
7
8
Frequenzfaktor n
c)
d)
Auslenkung s / cm
1.5
1.2
0.8
0.5
Zeit t / s
0.6
0
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
0.4
1.2
-0.5
0.2
-1
0
-1.5
-0.2
e)
Amplituden bn / cm
1
1
1
2
3
4
5
Frequenzfaktor n
f)
Fig.21. Resultate einer Fouriertransformation mit einem Tabellenkalkulationsprogramm: Es wurde eine Periode T = 1 s gewählt. Die Schrittweite der numerischen Integration beträgt t = 0.01 s. (a) Sägezahnkurve (Sinussumme) und (b)
Spektrum einer Sägezahnkurve (Sinus-transformation); (c) Sägezahnkurve (Cosinussumme) und (d) Spektrum einer Sägezahnkurve (Cosinustransformation); (e)
Rechteckkurve (Sinussumme) und (f) Spektrum einer Rechteckkurve (Sinustransformation).
149 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Mit der numerischen Fouriertransformation können verschiedene
Schwingsysteme untersucht werden, wobei die Fourieranalyse nicht immer
gleichviel Sinn macht.
Aufgaben
A1. Implementieren Sie in ein Tabellenkalkulationsprogramm eine
numerische Sinus- und eine Cosinus-Fouriertransformation. Testen Sie
anhand einer Fourier-Reihe, ob die Transformation korrekt arbeitet.
Untersuchen Sie mit der Transformation ein ihnen interessant er-scheinende
Schwingungsfunktion: Was stellen Sie fest?
150
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 424 Chaotische Systeme, chaotische Oszillationen
Theorie
Es gibt Systeme, bei denen geringste Änderungen in den Anfangswerten zu
einer unterschiedlichen Entwicklung führen können. Solche Systeme können in der Folge chaotische Verhaltensmuster ausbilden. Der Umstand, dass
geringste Unterschiede bei Anfangsbedingungen oder Parameterwerten eine
andere Entwicklung zur Folge haben, bietet auch Schwierigkeiten bei der
numerischen berechnung bzw. der Computersimulation: Wird die Schrittweite t bei der numerischen Integration verkleinert, resultieren immer
wieder andere Muster. Auch bei noch so kleinen Zeitschritten hat also die
Numerik bzw. die Rechenmaschine Einfluss auf das Resultat.
Verblüffend ist, dass bereits relativ einfache Mechanische Systeme wie
gewisse Doppelpendel oder Planeten-Mond-Systeme chaotisches Verhalten
zeigen können.
Aufgaben
A1. Seien X(t), Y(t) und Z(t) zeitabhängige Funktionen, für welche das
folgende System (Lorentz-Gleichungen) gelten soll:
dX
 s (Y  X )
dt
dY
 rX  Y  XZ
dt
dZ
 XY  bZ
dt
Implementieren Sie die Gleichungen als Integratorstruktur in einen graphischen Modellbildungseditor: Simulieren Sie unter leichter Variation der
Konstanten und Anfangswerte das System (Startwerte: X (0)  2 ,
Y (0)  Z (0)  10 ; Parameterwerte: b = 0.225, r =70, s = 1.05). Was beobachten Sie (Beschreiben Sie in Worten, was Sie feststellen)? Wie sieht die
Lösung im Phasenraum (Phasendiagramm) aus?
A2. Integrieren Sie N  dN / dt   N  bN 2 (logistisches Wachstum)
numerisch mittels einfachem Eulerverfahren: Variieren Sie die Schrittweite
der Integration: Was beobachten Sie?
151 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L1. Die Resultate in Fig.22a zeigen die unterschiedlichen Verläufe bei einer
geringfügigen Änderung der Parameterwerte. Das Grundverhalten des
Systems besteht in einer Oszillation, welche auf zwei Niveaus erfolgen
kann. Das System springt zwischen den Niveaus hin und her. Die Wechsel
erfolgen unregelmässig. In einigen Diagrammen in Fg.22a kann eine
Dämpfung beobachtet werden. Das System erreicht dann eines der beiden
Gleichgewichtsniveaus, um welches die Oszillationen erfolgen. Eine kleine
Änderung des Wertes s von 0.001% genügt, damit sich das System nicht auf
dem einen, sondern auf dem anderen Niveau einpendelt, wobei es eine
gewisse Zeit geht, bis sich das Syswtem anders entwickelt (die Lösungen
sind also über einen kurzen Zeitraum gleich – es gibt eine Art Kohärenzlänge).
X
X
20
20
10
10
0
0
X0 = 2; Y0 = Z0 = 10;
b = 0.225; r = 70; s = 1.05;
Runge-Kutta mit t = 0.01
-10
-20
0
10
20
30
40
50
60
Time (Second)
70
80
90
-10
-20
100
0
10
20
X : Current
20
10
10
0
0
X0 = 2; Y0 = Z0 = 10;
b = 0.225; r = 70; s = 1.051;
Runge-Kutta mit t = 0.01
-10
-20
0
10
20
30
X : Current
40
50
60
Time (Second)
20
30
Zeit t
X
X : Current
X0 = 2.02; Y0 = Z 0 = 10;
b = 0.225; r = 70; s = 1.05;
Runge-Kutta mit t = 0.01
70
80
90
-10
0
10
20
30
X : Current
20
90
100
Zeit t
40
50
60
Time (Second)
70
80
90
100
Zeit t
X
20
X0 = 2; Y0 = Z0 = 10;
b = 0.225; r = 70; s = 1.05101;
Runge-Kutta mit t = 0.01
10
10
0
0
-10
-10
-20
X0 = 2; Y0 = Z0 = 10;
b = 0.225; r = 70; s = 1.05;
Runge-Kutta mit t = 0.001
-20
0
10
X : Current
20
30
40
50
60
Time (Second)
70
80
90
100
0
10
Zeit t
20
30
40
50
60
Time (Second)
X : Current
Fig.22a. Chaotisches Verhalten im Lorenz-System: Die verwendeten
Parameterwerte und Zeitschritte (hier ohne Einheit) sind bei den Kurven angegeben.
Die Berech-nung erfolgte mit Vensim.
152
80
X
Zeit t
X
70
X0 = 2; Y0 = Z0 = 10;
b = 0.225; r = 70; s = 1.05;
Runge-Kutta mit t = 0.005
-20
100
40
50
60
Time (Second)
70
80
90
Zeit t
100
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 15
10
X
5
0
-5
-10
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
TIME
15
10
X
5
0
-5
-10
-60
-40
-20
0
20
40
60
Y
Fig.22b. Zeitsignal und Phasendiagramm bei X (0)  2.02 , Y (0)  Z (0)  10 ;
Parameterwerte: b = 0.225, r =70, s = 1.05
In Fig.22b lässt sich im Phasnediagramm beobachten, wie die Lösung um
zwei Punkte (Attraktoren) herum bewegegt. Werden die Anfangswerte für X
und Y in die nähe dieser Punkte gesetzt (z.B. 4,2 bzw. -4,-4), erfolgt am
Anfang eine starke Abstossung, bevor sich die Bahn wieder um die Punkte
legt. Es ist hier zu beachten, dass eigentlich die Z- Dimension in der Darstellung fehlt, d.h. das Phasendiagramm in Fig.22b nur eine zweidimensionale Projektion des gesammten Phasenraumes ist.
153 Attraktoren im
Phasenraum
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L2. Systeme mit Gleichungen des Typs dN / dt  N  N n haben im
Grund genommen ein recht einfaches Verhalten, welches immer geprägt ist
von einem exponentiellen Anstieg und einer Hemmung mit einem Gleichgewicht. Um so mehr sind Schülerinnen und Schüler überrascht, wenn die
numerische Lösung plötzlich oszilliert. Der Grund dafür liegt in einem im
Verhältnis zu  zu gross gewähltem t, was zu einem numerischen Pendeln
führt (Fig.23). Dieses entsteht durch ein Überschiessen der Wert für Ni und
Ni, was in einem nächsten Schritt (i+1) zu einer Überkorrektur von Ni+1
führt. In Fig.23 sind die einzelnen Datenpunkte dargestellt. Eine durchgezogene Kurve ohne die Darstellung der gerechneten Punkte würde ein kontinuierliches Problem vortäuschen – eine Interpretation der Graphiken würde
dadurch erschwert.
N(t)
N(t)
10
10
8
8
6
6
4
4
(a)
2
(b)
2
0
0
0
20
40
60
80
100
0
20
40
Zeit t / Einheiten U
60
80
100
Zeit t / Einheiten U
(d)
N(t)
N(t)
10
10
8
8
6
6
4
4
(c).
2
2
0
0
0
20
40
60
80
Zeit t / Einheiten U
100
0
20
40
60
80
Zeit t / Einheiten U
Fig.23. Numerische Oszillationen im System dN/dt’= N-Nn für n = 2 und t = 1
Einheit (U), N0 = 1:
(a)  = 1.9 U-1,  = 0.19 U-1; (b)  = 2.0 U-1,  = 0.2 U-1; (c)  = 2.2 U-1,  = 0.22 U1
; (d)  = 3.0 U-1,  = 0.3 U-1
154
numerische
Oszillationen
100
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Zwei Aspekte fallen bei den numerischen Oszillationen (Fig.10) auf: Bei
Werten für  < 2 entstehen gedämpfte Schwingungen. Die Dämpfung ist
exponentiell. In Fig.24 zeigt einen Ausschnitt aus Fig.10a, wobei durch die
oberen Datenpunkte eine Exponential-funktion gelegt wurde. Die oberen
Punkte sind recht genau durch die Funktion f(t) = 10+1.08·e-0.108t repräsentiert.
numerische
Dämpfung
N(t)
12
10
8
0
20
40
Zeit t / U
Fig.24. Ausschnitt aus Fig.23a: Die umhüllende Funktion ist gegeben durch f(t) =
10+1.08·e-0.108t; Schrittweite t und Parameter a und b sind gleich, wie in Fig.10a.
Für  > 2 verschwindet die Dämpfung zunehmend, bei a = 2.2 erfolgt ein
regelmässiges Pendeln, allerdings nicht symmetrisch um die Gleichgewichtslage bei Neq = 10. Für grössere Werte entstehen in Fig.23 irreguläre
Muster, welche von grossen Ausschlägen nach oben und vor allem nach
unten geprägt sind. Beim Übergang zwischen Fig.23c (reguläre Schwingung) und Fig.23d (chaotisches Muster) lässt sich zuerst ein regelmässiges
Pendeln mit fester Amplitude beobachten, dass dann plötzlich in weitere
Niveaus aufspaltet (Bifurkationen, Fig.25). Diese Bifurkationen lassen sich
besonders schön in den Histogrammen für die auftretenden Werte der
Berechnung zeigen (Fig.25, rechts).
155 Bifurkationen
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 12
N(t)
600
10
500
8
400
Häufigkeit / Anzahl Werte
300
6
 = 20
=2
4
2
200
100
0
0
0
10
20
30
40
50
60
01 2 23 4 45 6 67 8 8
9 10 10
11 12 12
13 14 14
15 16 16
17 18 18
19 2 21
70
Werte
Zeit / U
14
N(t)
350
Häufigkeit / Anzahl Werte
300
12
10
250
8
200
6
150
4
100
 = 22
 = 2.2
2
0
0
10
20
30
40
50
60
0
01 2 23 4 45 6 6
7 8 8
9 10 10
11 12 12
13 14 14
15 16 16
17 18 18
19 2 21
70
N(t)
Werte
350
12
300
10
250
8
200
Häufigkeit / Anzahl Werte
 = 25
 = 2.5
4
2
0
0
10
20
30
40
50
60
100
50
0
01 2 2
6 8 8
3 4 4
5 6 7
9 10 10
11 12 12
13 14 14
15 16 16
17 18 18
19 2 21
70
Werte
Zeit / U
N(t)
120
12
Häufigkeit / Anzahl Werte
100
10
80
8
 = 27
 = 2.7
4
2
0
0
10
20
30
40
50
60
40
20
0
01 2 23 4 45
70
N(t)
120
14
6 67
8 89 10 10
11 12 12
13 14 14
15 16 16
17 18 18
19 2 21
Werte
Zeit / U
Häufigkeit / Anzahl Werte
100
12
80
10
6
 = 30
 = 3.1
4
2
0
-2 0
 = 30
 = 3.1
60
8
10
20
30
Zeit / U
40
50
60
70
40
20
0
3 4 5
7 8 9
11 12 12
13 14 14
15 16 16
17 18 18
19 2 21
01 2 2
4 6 6
8 10 10
Werte
Fig.25. Zeitdiagramm und Histogramm numerischer Oszillationen: Parameterwerte
sind bei den Diagrammen angegeben; Gerechnet mit Euler-Verfahren, t = 0.1 U.
156
 = 27
 = 2.7
60
6
16
 = 25
 = 2.5
150
6
14
 = 22
 = 2.2
50
Zeit / U
14
 = 20
=2
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 500 Rotation des starren Körpers
Wurde in den Kapiteln 100 – 300 vor allem die Bewegung von Punktmassen betrachtet, so soll nun auf die speziellen Eigenschaften des starren
Körpers eingegangen werden. Insbesondere die Grössen Kraft, Impuls und
Energie haben bei rotierenden Körpern eine entsprechende physikalische
Grösse, welche das Rechnen vereinfacht.
Inhalt
Rotierende Körper sind in der Technik von grosser Bedeutung. Sie werden
zur Stabilisierung und zur Messung der Orientierung (Kreiselinstrumente)
eingesetzt.
A
B
Fig.1. Kreiselinstrumente im Cockpit (Bell Jet Ranger 206B): A künstlicher
Horizont (attitude indicator), B Kurskreisel / Kreiselkompass (directional gyro)
Die Lernziele sind:
Lernziele
1. Definitionen der wichtigsten physikalischen Grössen aus-wendig
kennen
2. Einfache physikalische Probleme mit Hilfe der Drehimpuls- und
Energieerhaltung lösen können
3. Mit Tensoren rechnen können
157 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 510 Drehungen und Drehmomente
511 Schwerpunkt
Theorie
Starre Körper sind ausgedehnte Körper, welche eine bestimmte Dich-te
ausweisen. Im Gegensatz zum deformierbaren Medium werden sie aber als
starr betrachtet, die Einwirkung von Kräften führt also zu keiner Deformation.
Ein starrer Körper kann als Ansammlung von (unendlich) vielen Punktmassen betrachtet werden (Punktsystem). Jede Punktmasse mi befinde sich

dabei am Ort ri . Die Starrheit des Körpers drückt lässt sich dadurch
ausdrücken, dass die relativen Positionen der Masse-punkte untereinander

konstant bleiben: rik  const. . Der Schwer-punkt des starren Körpers ist
gegeben durch:

rCG 

 r  dm
 dm
Schwerpunkt
i i
i
(Eq.1)
i
i

m v

m
i i
i
i


p
i
mtot
i
(Eq.2)
i
Aufgaben
A1. Gegeben seien folgende Punkmassen und die zugehörigen Ortsvektoren
(2-Dim.): m1 = 1 kg, r1 = (1,1) m; m2 = 3 kg, r2 = (1,3) m; m3 = 1 kg, r3 =
(3,3) m; m4 = 3 kg, r4 = (3,1) m
Berechnen Sie den Schwerpunkt!
A2. Eine Masse m1 sei fest mit einer zweiten Masse m 2 verbunden.
Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, dass sich der Schwerpunkt des
Systems nicht Bewegt?
158
Punktsystem

m r

m
Die Geschwindigkeit ist durch den Impuls aller Punktmassen bestimmt:

vCG
Starrer Körper
Geschwindigkeit des
Schwerpunktes
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.

rCG
1
 3
 3
9
 m   m   m   m
1
9
 3
 3   1  16 m   2 m
 
 2
(1  3  1  3)kg
8 16 
 

vCG
m v

m
L2.

i i
i
i
0


m1v1  m2 v 2
m1  m2
i




 m1v1  m2 v 2  0  p1  p 2
Impulserhaltung im geschlossenen System gilt: Die Summer aller Teilimpulse muss null sein. Bei einer Rotation um gemeinsamen Schwerpunkt von
zwei Massen im Abstand r1 bzw. r2 vom Schwerpunkt muss erfüllt sein


v1   r1 und v2   r2 und somit für den Impuls p1  m1 r1  er und


 
p2   m2 r2  er mit dem Einheitsvektor er  er (t ) , welcher in Rotationsrichtung von m1 zeigt.
159 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 512 Drehmoment und Axialvektoren
Theorie
Ist ein Körper drehbar gelagert, so kann sich dieser drehen, wenn eine Kraft
einwirkt. Dabei spielt die Richtung der Krafteinwirkung eine Rolle. Um zu
bestimmen, ob und wie sich ein Körper dreht, kann eine physikalische

F
im
Grösse herangezogen werden: das Drehmoment. Wirkt
ein
Kraft


Abstand r zum Drehpunkt, so ist das Drehmoment M definiert als:
  
M  rF
(Eq.3)
Besonders zu beachten ist das Vektor- oder Kreuzprodukt, welches die beiden Vektoren verknüpft. Das Drehmoment steht senkrecht auf dem Kraftvektor und dem Abstandsvektor. Der Drehmomentvektor hat somit die
Richtung der Drehachse.
Dreht sich der Körper, so kann dieser Rotation eine Winkelgeschwindigkeit  zugeordnet werden. Sie ist definiert als Winkel (in Bogenmass) pro Zeit. Der Zusammenhang zur normalen Geschwindigkeit kann
über die Bodenlänge gefunden werden (Kapitel 200, Abschnitt 211):
v
d
ds d
 r   r 
 r 
dt dt
dt

M
 
M
(Eq.5)
Eine bessere Möglichkeit der Richtungsdefinition ist die Verwendung des
Drehimpulses (Unterkapitel 520).
160
WinkelGeschwindigkeit
(Eq.4)
Auch der Winkelgeschwindigkeit kann eine Richtung zugeordnet werden.
Die Richtung ist durch die Drehrichtung definiert (Rechte-Hand-Regel). Da
die Drehrichtung durch das Drehmoment festgelegt ist, kann geschrieben
werden:

Drehmoment
Richtung der
Drehung
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Drehmoment und Winkelgeschwindigkeit sind Vektoren, welche sich aus
einem Vektorprodukt ergeben. Solche Vektoren nennt man Axialvektoren.
Sie kennzeichnen Drehachsen und haben spezielle Eigenschaften.
Das Kreuzprodukt lässt sich über ein Tensorprodukt darstellen. Tensoren
sind Zahlenschemen, für welche eine Metrik (Koordinatensystem) vorausgesetzt werden muss. Ein Tensor 0.Stufe ist nichts anderes als ein Skalar,
also eine Zahl. Ein Tensor 1.Stufe stellt einen Vektor dar und ein Tensor
zweiter Stufe eine n  n -Matrix.
Tensor 0.Stufe
Skalar T
Tensor 1. Stufe Vektor

T  Ti
Tensor 2.Stufe
Matrix Tik
Tensor 3.Stufe
″Zahlenwürfel″ Tikl
Spähtestens bei Tensoren dritter oder vierter Stufe wird die Darstellung
schwierig. In der Physik kommen aber solche Tensoren vor und die Tensorschreibweise erweist sich als sehr nützlich. Sie soll hier am Beispiel des
Vektorproduktes erläutert werden.


Das Vektorprodukt zwischen zwei Vektoren a und b ist definiert
durch:
 a y bz  b y a z 

  
a  b   a z bx  bz a x 
a b  b a 
x y 
 x y
(Eq.6)
Für die Verknüpfung kann aber auch eine Darstellung über einen Tensor
3.Stufe gefunden werden:
 
a  b  Tikl a k bl
(Eq.7)
Dabei wird über alle doppelt vorkommenden Indizes (hier k und l) aufsummiert (Einstein-Konvention). Durch einen Koeffizientenvergleich können
die einzelnen Komponenten von Tikl bestimmt werden. Dafür schreiben wir
für a x  a1 , a y  a 2 , a z  a3 , bx  b1 etc.. Der Koeffizientenvergleich
kann so durchgeführt werden, dass das Tensorprodukt Eq.7 ausgeschrieben
wird und mit den Komponenten des Resultatevektors von Eq.6 verglichen
wird:
161 Axial-Vektoren
TensorProdukt
Tensoren in
der Physik
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Für i  1 ergibt sich:
KoeffizientenVergleich
T1kl a k bl 
 T111 a1b1  T112 a1b2  T113 a1b3 
T121 a 2 b1  T122 a 2 b2  T123 a 2 b3 
T131 a3b1  T132 a3b2  T133 a3 b3
 a 2 b3  b2 a3
Daraus folgt für T123  1 und T132  1 . Alle anderen Komponenten sind
null. Für i  2 und i  3 kann analog verfahren werden. Die Komponenten
Tiii  Tkkk  Tlll sind alle null. Die nur Komponenten T231  T312  1 und
T213  T321  1 sind ungleich null.
Eine spezielle Eigenschaft von Axialvektoren ist ihr Verhalten bei Spiegelung. Dazu soll eine Spiegelung an der x-z-Ebene betrachtet werden.
Diese ist durch die folgende Abbildungsmatrix Aik gegeben:
1 0 0


Aik   0  1 0 
0 0 1


Das folgende Vektorprodukt soll auf das Transformationsverhalten untersucht werden:
1  0  0
       
a  b   0  1   0
 0  0 1
     


Werden nun die Vektoren a und b zuerst gespiegelt, ergibt sich folgendes
Resultat des Vektorproduktes:
162
Eigenschaften
von
Axialvektoren
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 1  0   0 
     
( Aik a k )  ( Aik bk )   0     1   0 
 0   0    1
     
Dies ist genau
die entgegen gesetzte Richtung. Bei Spiegelung des Resultat 
vektor a  b hingegen resultiert:
0
 
Aik (Tklm al bm )   0 
1
 
Axialvektoren haben somit ein anderes Transformationsverhalten als normale Vektoren (Fig.2).
Fig.2. Transformationsverhalten von normalen Vektoren und Axialvektoren: Bei
Axialvektoren wird quasi die Drehung (Drehrichtung) gespiegelt.
163 Spiegelung von
Drehungen
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Das Drehmoment und die Winkelgeschwindigkeit sind solche Axialvektoren. Wird nur der Betrag des Drehmomentes benötigt, so kann auch die
folgende Beziehung verwendet werden:
 
M  r  F  r  F  sin 
Betrag des
Drehmoments
(Eq.8)
Wirken nun verschiedene
Kräfte auf einen Körper ein, so summieren sich

alle Drehmomente M i zu einem gesamten Drehmoment M tot auf:


M tot   M i
gesamtes
Drehmoment
(Eq.9)
i
Ein starrer Körper befindet sich in Ruhe, wenn die Gleichgewichts
bedingungen
Fi  0 und
M i  0 gelten.


i
i
Aufgaben
A1. Untersuchen Sie das Transformationsverhalten des Vektors der

Winkelgeschwindigkeit  bezüglich der folgenden Rotation R( ) :
 x 
 
  0 
 0
 

 cos 

R ( )   sin 
 0

 sin 
cos 
0
0

0
1 
A2. Ein Grossvater setzt sich mit seiner kleinen Enkelin auf eine Schaukel.
Die 20 kg schwere Enkelin sitzt am Ende der Schaukel, 2 m vom Drehpunkt
entfernt. Wo muss sich der 75 kg schwere Grossvater hinsetzen, damit die
Schaukel waagrecht steht und die beiden im Gleichgewicht sind.
164
GleichgewichtsBedingungen
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik A3. Ein Brett liegt an zwei Stellen auf (Fig.3). Nun läuft eine Person über
das Brett. Dabei bewege sich diese Person mit der Masse M in Richtung des
freien, nicht abgestützten Endes des Bretts.
l1
x
l2
Fig.3. Person auf Brett.
Das Brett habe über die ganze Länge gleiche Dicke und Breite und besitze
die Masse m.
Berechnen Sie aus den gegebenen Grössen die Distanz x, bei welcher das
Brett kippt.
A4. Ein Versuchshelikopter verfüge über ein Rotorsystem, welches über
Raketen an den Rotorblattern angetrieben werde. Am Ende von jedem
Rotorblatt sitzt eine Rakete, welche eine maximale Schubkraft von 1500 N
besitzt. Die vier Rotorblätter haben eine Länge von je 3 m. Vom Piloten in
Flugrichtung gesehen bewegen sich die Rotorblätter von rechts nach links.
a) Wie gross ist das von Antrieb gelieferte maximale Drehmoment?
b) In welche Richtung schaut das Drehmoment?
c) Wie schwer darf der Hubschrauber sein, wenn 10% der pro
Umdrehung eines Rotorblatts geleistete Arbeit für einen Steig-flug
mit einer Höhendifferenz von 0.1 m ausreichen soll?
165 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
 cos 

 sin 
 0

 sin 

 
cos 
0
0   x    x cos  
  

0  0     x sin  
1  0  
0 
    (a  b ) :
0
  
a  1
0
 
 0
  
b   0
1
 
  sin    0 
 cos  


  



 x  R( ) a  R( )b   x   cos     0    x   sin  
 0  1
 0 

  





Der Vektor  hat bezüglich Rotation das gleiche Transformationsverhalten
wie ein normaler Vektor.
L2. Bedingung für Gleichgewicht:
F1  l1  F2  l 2  m1 g  l1  m2 g  l 2  l 2 
m1  l1
 0.53m
m2
Der Grossvater muss sich 0.53 m vom Drehpunkt entfernt auf die Schaukel
setzen.
166
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L3. Wenn l2 kleiner als l1 ist, dann fehlt auf der rechten Seite die Masse m :
 l
m  m   1
 l1  l 2

 l
  m 2

 l1  l 2

l l
  m 1 2

 l1  l 2



Das Brett ist gerade noch im Gleichgewicht, wenn das durch m fehlende
Drehmoment von der Person erzeugt wird. Das Drehmoment der Masse m
würde durch die Gewichtskraft verursacht. Da das Brett konstante Breite
und Dicke hat, darf angenommen werden, der Schwerpunkt von m liege
bei l2 + (l1-l2)/2. Es gilt also:
l l

M  x   l2  1 2
2

l l


  m   l 2  1 2
2


l l  l l

 m   l 2  1 2    1 2
2   l1  l 2

x
m
M
  l1  l 2
  m
  l1  l 2



 l 2  l 22 


  m 1
2
(
)
l
l


 1 2 
 l 2  l 22  m  l1  l 2 
 

  1

 2(l1  l 2 )  M  2 
L4.
(a) M  4  l  F  18000 Nm
(b) nach oben
(c) Energieerhaltung: Wrotor = mgh:
mgh  0.1  F  s  0.1  F  2r  0.2l  F
m
0.2l  F
 11528.78kg
gh
167 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 520 Rotationsenergie und Drehimpuls
521 Rotationsenergie
Theorie
Die kinetische Energie einer Punktmasse m , welche in einem festen Abstand r von der Drehachse um diese rotiert, lässt sich schreiben als:
E kin 
1 2 1 2 2
mv  mr  
2
2
kinetische
Energie
(Eq.10)
Für mehrere Punktmassen (starrer Körper) muss über die Energien der einzelnen Massen aufsummiert werden:
1
1
1
m1 r12   2  m2 r22   2  m3 r32   2  ...
2
2
2

1
1

  mi ri 2    2   2
2 i
2

(Eq.11)
Die Grösse  wird Trägheitsmoment genannt. Dieses ist durch die
Geometrie des Körpers bestimmt. Für einfache Körper lässt sich dieses
Trägheitsmoment durch folgendes Integral finden:
   r 2  dm
(Eq.12)
K
In Tab.1 sind die Trägheitsmomente für verschiedene, einfache Körper aufgeführt. Es wird von einer Drehachse durch den Schwerpunkt ausgegangen.
Die Lage der Drehachse spielt eine Rolle, da die Abstände ri der Punktmassen mi von dieser Position abhängen.
168
Trägheitsmoment
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Tab.1. Trägheitsmomente für einfache Körper
s
Bemerkung
dünner Stab
1
ml 2
12
Quader
1
m  a 2  b 2 
12
1 2
mr
2
 r 2 h2 
m    
 4 12 
Länge l , Drehachse
senkrecht zur
Längsachse
Dimensionen a, b, c:
Drehachse parallel zu c
Zylinder
Zylinder
Radius r, Achse parallel
zur Höhe
Achse senkrecht zur
Höhe h
1
mr12  r22 
2
2 2
mr
5
2
 mr 2
3
Hohlzylinder
Kugel (voll)
Kugel (hohl)
Trägheitsmomente für
einfache
Körper
Drehachse parallel zur
Höhe
Radius r
Wandstärke viel kleiner
als Radius r
Wenn die Drehachse nicht durch den Schwerpunkt führt, müssen die Trägheitsmomente angepasst werden. Das Trägheitsmoment (Eq.11) bezüglich
Drehachse durch den Schwerpunkt lässt sich schreiben als:
 s   mi ri 2   mi  ( xi2  y i2 )
i
i
Bezüglich einer Drehachse nicht durch den Schwerpunkt ergibt sich mit der
x, ~
y) :
Verschiebung um ( ~
   mi ri 2   mi  ( xi  x ) 2  ( yi  y ) 2 
i
i
  mi  xi2  x 2    mi  2 xi  x   mi  2 yi  y   mi  yi2  y 2 
i
i
i
i


  mi  xi2  yi2   2 x  mi  xi  2 y  mi  yi    mi    x 2  y 2 
i
i
i
 i

169 Drehachse
nicht durch
Schwerpunkt
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Dabei ist aber
 m x
i
2
i
 y i2    s gerade wieder das Trägheitsmoment
i
x
bezüglich der Drehachse durch den Schwerpunkt. Die Terme 2 ~
y
und 2 ~
m y
i
m x
i
i
i
i
beinhalten die Koordinaten des Schwerpunkts.
i
Für die Lage des Schwerpunkts im Ursprung des Koordinatensystems
verschwinden diese beiden Terme. Somit bleibt übrig:

Satz von
Steiner

   s    mi    x 2  y 2 

i

(Eq.13)
  S  ms
2
Dies ist der Satz von Steiner, welcher besagt, dass die Verschiebung der
Drehachse um die Strecke s weg vom Schwerpunkt das Trägheitsmoment
um ms 2 bewirkt (mit der Masse m des Körpers).
Interessant ist dieser Satz auch im Zusammenhang mit dem physikalischen
Pendel. Wird ein Körper drehbar gelagert aufgehängt, so schwingt dieser bei
Anregung mit einer Periodendauer von:
T  2 
 s  ms 2
mgs
(Eq.14)
Genau gleich wie für das mathematische Pendel gilt diese Formel nur für
kleine Auslenkungen.
Aufgaben
A1. Eine Kugel mit einem Radius von 0.5 m und einer Masse von 2 kg
drehe sich mit einer Winkelgeschwindigkeit von 10 s-1 um ihren Schwerpunkt.
a) Welche Rotationsenergie besitzt diese Kugel?
b) Welche Winkelgeschwindigkeit hätte die Kugel, wenn bei gleicher
Rotationsenergie und gleicher Masse der Kugelradius doppelt so
gross wäre?
170
physikalisches
Pendel
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik A2. Die charakteristische Rotationsenergie eies Moleküls ist gegeben durch
E0 r   2 /(2 ) mit   1.05 1034 Js. Für ein Stickstoff-Molekül beträgt
sie 2.48 1023 J. Wie gross ist die Distanz zwischen den Schwerpunkten der
beiden Stickstoffatome, wenn die Verbindung dazwischen als starr angenommen wird?
A3. Wie viel Leistung müsste ein Motor haben, um die Erde inner-halb von
1 Tag in ihrer Drehung zu stoppen?
A4. Ein Vollzylinder mit der Masse m und dem Radius r rolle eine schiefe
Ebene hinunter.
Welche Geschwindigkeit hat der Schwerpunkt des Zylinders, wenn dieser
die Höhendifferenz h hinunter gerollt ist?
A5. Ein Zylinder mit einer Masse von 1 kg und einer Länge von 20 cm soll
drehbar an einem Punkt aufgehängt werden. Der Radius des Zylinders betrage 4 cm.
a) Wie gross muss der Abstand zwischen Drehpunkt (Drehachse) und
Schwerpunkt sein, damit der Zylinder mit einer Frequenz von 1 Hz
schwingt?
b) Wie gross muss die Masse sein, wenn das Pendel mit einer Periode
von 1 s schwingen soll und der Abstand zwischen Drehpunkt
(Drehachse) und Schwerpunkt 9 cm beträgt?
A6. Eine Person mit der Masse m1 stehe auf einer umkippenden Leiter (mit
Masse m2, Höhe h). Welche Endgeschwindigkeit erreicht die Person vor
dem Auftreffen auf den Boden, wenn sie sich an der Leiter festhält? Ist es
besser, wenn die Person sich von der Leiter löst beim Sturz?
171 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L1.
(a)
1
1 2
E rot   s   2    mr 2   2
2
2 5

1
 2kg  (0.5 2 )m 2  100s  2  10 J
5
(b)
E rot (r1 )  E rot (r2 ) 
  2  1 
1 2 2 1 2 2
mr1  1  mr2   2
5
5
r1 1
  1  5s 1
r2 2
L2.   m1r12  m2 r22 
ml 2

,l
 0.110 nm
2
mE0r
L3.
P

dE E E rot 1 2mr 2


 
 2
t
t
dt
2 5  t
5.974  10 24 kg  6.3782 2  1012 m 2
 7.292 2  10 10 s  2
4
5  8.64  10 s
 299.15  10 22 W  2.992  10 24 W
L4.
E pot  E kin  E rot  mgh 

1 2 1 2 v2 3 2
mv  mr  2  mv
2
4
4
r
v
172
1 2 1 2
mv  
2
2
4 gh
3
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L5. (a)
 r 2 h2 
    ms 2
m
2
  ms
 4 12 
T  2 s
 2
mgs
mgs
2
 r 2 h2   T 
2
 0   m    
  mgs  ms
 4 12   2 
 0.00373[m 2 ]  0.24849  s[m 2 ]  s 2 [m 2 ]  0
 s1  0.016m  1.6cm;
s 2  0.232m  ausserhalb des Zylinders!
(b)
 r 2 h2 
m    ms 2
 4 12 
T  2
mgs
 r 2 h2  2
    s
4 12 
 2  
 m  beliebig!
gs
L6. Die Leiter wird hier als Stab approximiert. Der Energiesatz liefert:
2
1
1
h 1
v
v
m1 gh  m2 g  1   2      m1v 2   2   
2 2
2
2
h
h
2
mit dem Trägheitsmoment für die Leiter (Drehpunkt gleich Boden)
2 
m  m m 
m2 h 2 m2 h 2

folgt: gh   m1  2    1  2   v 2 .

12
4
2   2
6 

Somit ergibt sich für die Aufschlaggeschwindigkeit:
m2
2
v  2 gh 
m2
m1 
3
m1 
173 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 522 Drehimpuls
Theorie

Analog zur Definition des Drehmoments kann auch der Drehimpuls L
definiert werden:
  
Lrp
(Eq.15)


mit dem Impuls p . Der Zusammenhang zum Drehmoment M ergibt sich
aus der zeitlichen Ableitung:



dL d  
 dr  dp
 r  p   p 
r
dt dt
dt
dt
Drehimpuls
und
Drehmoment
   
 pv  r F
 
 rF
 
da immer p  v  0 ist. Also gilt:


dL
M
dt
(Eq.16)
Für den Betrag des Drehimpulses kann auch geschrieben werden:
L  r  p  sin 

(Eq.17)

Ist der Winkel  zwischen r und dem Impuls p 90° (was für
Punktmassen
auf
einer
Kreisbahn
erfüllt
ist),
so
gilt:
2
L  r  p  r  mv  r  m  r  mr  . Für den gesamten Drehimpuls
vieler Punktmassen (starrer Körper) gilt deshalb:


L    mi  ri 2     
 i

174
(Eq.18)
Drehimpuls
des starren
Körpers
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Somit ergibt sich auch der Zusammenhang zur Rotationsenergie:
E rot 
L2
2
Drehimpuls
und Rotationsenergie
(Eq.19)
Ein interessantes physikalisches Problem ist die Präzession des Kreisels.
Wird ein symmetrischer Kreisel kräftefrei gelagert, gilt:

 dL
M 
0
dt
(Eq.20)
Wird ein Kreisel einseitig gelagert (Experiment, Fig.4), kommt es zu einer
Drehimpulsänderung, es gilt:

 
dL
  L
dt
(Eq.21)
wobei  die Präzessionsfrequenz ist. Für die Beträge des Kreuzpro-duktes
lässt sich schreiben: r  FG  sin   rmg  sin   L  sin  . Somit lässt
sich die Präzessionsfrequenz berechnen:

rmg
L
Präzession des
Kreisels
(Eq.22)
Experiment
Ein drehendes Rad werde einseitig gelagert (Fig.4). Die Achse kann in
erster Näherung als masselos betrachtet werden. Die Gewichtskraft FG setzt
im Abstand r zum Lagerungspunkt an. Zu beobachten ist, wie sich das Rad
um eine durch den Lagerungspunkt gehende Achse dreht.
175 Präzessionsfrequenz
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Experiment zur
Präzession

r
FG
Fig.4. Einseitig gelagertes, rotierendes Rad.
Aufgaben
A1. Eine drehende Scheibe mit einer Masse von 1 kg und einem Radius R =
10 cm rotiere mit einer Winkelgeschwindigkeit   20 s 1 . Die Scheibe
werde gemäss Fig.4 einseitig gelagert, wobei der Abstand r zum Lagerpunkt
20 cm betrage.
Mit welcher Kreisfrequenz präzessiert die Scheibe?
A2. Eine Scheibe mit einer Masse von 10 kg einem Trägheitsmoment von
5kg  m 2 werde aus dem Stillstand heraus mit einer Leistung von 100 W
während 2 Sekunden angetrieben. Die Scheibe sei während dieser Zeit an
beiden Enden der Drehachse gelagert, wobei der Abstand zum Lagerpunkt
15 cm betrage. Nun werde die eine Lagerung entfernt.
Mit welcher Kreisfrequenz präzessiert die Scheibe?
A3. Welche Leistung P wird aufgewendet, wenn auf einen starren Körper
permanent ein Drehmoment M wirkt?
176
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik A4. Sterne können im eigenen Gravitationsfeld in sich zusammen fallen,
wenn die Energieproduktion nachlässt. Ein Stern mit der Masse m und dem
Radius r1 drehe sich mit der Winkelgeschwindigkeit 1 . Nun kollabiere der
Stern und habe (bei gleicher Masse) den Radius r2 .
a) Mit welcher Winkelgeschwindigkeit dreht sich nun der Stern?
b) Welche Arbeit wird beim Kollaps des Sterns verrichtet?
Lösungen
L1.

rmg rmg
2rmg
2rg


 2  19.62 s 1
2
 mR   R 
L

rmg

L
L2.

rmg
2  E rot

0.15m  10kg  9.81m / s 2
10kg / m  100W  2 s
2
rmg
2  P  t
 0.329s 1
L3.
P

dE rot
d  L2  1 d 2
L dL
  

L (t )  
dt
dt  2  2 dt
 dt


 dL
dL


 M
 dt
dt
alternativ kann auch eine Betrachtung über die am rotierenden Körper
verrichtete Arbeit gemacht werden:
W  F  ds  F  r  d  M  d
177 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik und somit:
P
dW
d
M
 M
dt
dt
L4.
(a) Bei diesem Prozess bleibt der Drehimpuls erhalten, wenn sich die Masse
radial zusammenzieht (Die Impulse aller Massenelemente gleichen sich
aus):
r 
2
2
L1  L2  2  1  mr12  1  mr22  2 , also: 2  1   1 
5
5
 r2 
(b) Energiesatz: Erot (r2 )  Erot (r1 )  W
1
1
W  Erot (r2 )  Erot (r1 )   (r2 )  22   (r1 )  12
2
2

1
1  r4
 m   r22  22  r12  12   m   r22  14 12  r12  12 
5
5  r2

2

m12 2  r1 

 r1     1
5
 r2 

178
2
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 523 Trägheitsmomententensor
Theorie
Das Trägheitsmoment ist abhängig von der Lage der Drehachse. Liegt die
Drehachse in allgemeiner Lage relativ zur Geometrie des rotierenden Körpers, kann die Rotationsenergie nicht einfach über Eq.11 (Abschnitt 521)
berechnet werden. Je nach Drehrichtung ergeben sich andere Werte für das
Trägheitsmoment. Somit ist das Trägheitsmoment eine tensorielle Grösse.
Der Trägheitsmomenten-tensor  ik ist definiert durch:

  mi ( yi2  zi2 )
 i
 ik     mi xi yi

i
   mi xi zi

i

Lage der
Drehachse

  mi xi zi 
i
i

2
2
m
(
x
z
)
m
y
z


i i i i
i i i i 
mi ( xi2  yi2 ) 
  mi yi zi

i
i

  mi xi yi
(Eq.23)
Für symmetrische Körper mit den Achsen parallel zur x-, y- und z-Achse
des Koordinatensystems kann der Tensor in die sogenannte Hauptachsenform gebracht werden.
mi xi yi   mi xi zi   mi yi zi  0
Die Nicht-Diagonalelemente 

i

symmetrische
Körper

i
i
verschwinden wegen der Symmetrie:

  mi ( yi2  zi2 )
 i
0
 ik  


0





2
2

m
(
x
z
)
0

i i i i

2
2 
0
m
(
x
y
)

i i i i 
0
0
(Eq.24)
Für einen zylindrischen Körper (Fig.5) ergibt sich konkret folgender Tensor:
179 HauptachsenForm
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik  ik für
Zylinder

0 


0 

1 2
mr 

2

  r 2 h2 
 m  
0
  4 12 

 r 2 h2 
 ik  
0
m  

 4 12 

0
0



(Eq.25)
z
x
y
Fig.5. spezielle Lage der Drehachsen bei einem Zylinder.
Die Rotationsenergie kann aus dem Trägheitsmomententensor und dem

Vektor der Winkelgeschwindigkeit    i berechnet werden:
1
Erot  iikk
2
(Eq.26)
Für die Hauptachsenform führt dies auf E rot  E rot , x  E rot , y  E rot , z , in
Analogie zur kinetischen Energie (Abschnitt 311). Auch der Drehimpuls
lässt sich einfach berechnen:
Li   ik  k
180
RotationsEnergie
(Eq.27)
Drehimpuls
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Damit lässt sich die dynamische Grundgleichung Eq.16 im Abschnitt 522
umschreiben:

dL d
 ik k   M k
dt dt
Dabei ist zu beachten, dass wegen der relativ zur Orientierung des Körpers
zeitlich
ändernden
Drehachse
der
Trägheitsmomententensor
ik  ik (t ) zeitabhängig ist. Dieser Tensor kann aber durch eine
zeitabhängige Transformation Rik  Rik (t ) Zeit-unabhängig gemacht werden
(Transformation
 ins mitrotiernde, lokale Hauptachsensystem (mit   ik ):

T
  R L R  ). Mit Anwendung der Produkte-Regel für die Ableitung




ergibt sich dann: d / dt  RRT    R  L RT   R L R T   R L RT  und
 T RRT  RR
 T  (wegen RRT  I , orthogonale Matrix)
mit R  L RT  RR



 T   RR T    . RR
 T ist aber gerade die zum
d / dt  RRT    RR
Kreuzprodukt gehörende schiefsymmetrische Abbildungsmatrix. Daraus
resultieren die Eulerschen Kreiselgleichungen (Euler-Gleichungen):


d L


M L   L  ( L L )   L
dt
(Eq.28)
Mit allen Bezugsgrössen im lokalen Koordinatensystem, und somit  L in
Hauptachsenform.
Aufgaben
A1. Ein Quader aus Eisen (Dimensionen ( x  y  z ): 2  2  8cm 3 )
rotiere mit einer Winkelgeschwindigkeit  x  5s 1 um die x-Achse, mit
 y  12s 1 um die y-Achse und mit  z  9s 1 um die z-Achse.
a) Stellen Sie den Trägheitsmomententensor auf.
b) Berechnen Sie die Rotationsenergie.
A2. Auf einen Würfel mit Kantenlänge a  2cm und einer Masse
m  0.1kg wirke ein konstantes Drehmoment M . Die Kanten des Würfels
seien parallel zu den x-, y- und z-Achse des Koordinaten-systems. Der
Drehmomentvektor sei parallel zu einer Raum-diagonalen des Würfels und
der Betrag sei M  6 Nm .
a) Welche Drehimpulsänderung erfährt der Würfel nach 4 Sekunden?
b) Welche Arbeit wird während diesen 4 Sekunden geleistet?
181 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
(a)

1
2
2
 m y  z
 12
0
 ik  


0



0




0


1
m x 2  y 2 
12

0

1
m x 2  z 2
12


0

(b)
E rot 

1   (x  y  z )

 y 2  z 2   x2  x 2  z 2   y2  x 2  y 2   z2
2
12





7.86  10 3 kg / m 3  32  10 6 m 3
 68  25  68  144  8  81  10 4 m 2 s 2 
24
 1.25  10  2 J
L2.
(a)

 M x  t   12 Nm  4s  13.86 







dL
 M  L   M  dt   M y  t    12 Nm  4s   13.86  Nms
dt
 M  t   12 Nm  4s  13.86 

 
 z
 
(b)
E rot 
1
1 m
m
m

  i ik  k     2a 2   x2   2a 2   y2   2a 2   z2 
2  12
12
12
2

ma 2
ma 2
 3
  x2 
12
4
 43.2MJ
182
L
  x
x
2

ma 2 144 L2x 18L2x 18  13.86 2
 



J
4 4m 2 a 4 ma 2 0.1  4  10  4



Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 600 Mechanik der Kontinua
Im Kapitel 500 wurden sogenannte starre Körper betrachtet. Dabei wurde
angenommen, dass auf einen Körper einwirkende Kräfte zu keiner Deformation führen. Die Mechanik der Kontinua beschäftigt sich mit deformierbaren Körpern. Im Extremfall sind dies Flüssigkeiten oder Gase. Dabei steht
eine makroskopische Betrachtungsweise im Vordergrund. Die Körper werden als kontinuierliches Medium angesehen, unabhängig von ihrer atomaren
Struktur.
Inhalt
Die Lernziele sind:
Lernziele
1.)
2.)
3.)
4.)
Grundbegriffe selber definieren können
Konzept der Beschreibung von Kontinua verstehen
Grundaufgaben aus der Mechanik der Kontinua selber lösen können
Mechanische Wellen qualitativ und quantitativ beschreiben können
183 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 610 Feste Körper
611 Deformation fester Körper
Theorie
Alle festen Körper sind mehr oder weniger deformierbar. Fasst man die
Atome im Körper als Punktmassen auf, kann festgehalten werden, das sich
bei Deformation die Relativabstände dieser Punktmassen ändert. Da
elektrische Kräfte zwischen den Atomen auftreten, steckt in der Deformation Energie. Bei Festkörpern führen diese zwischen-atomaren Kräfte
dazu, dass die Atome bestimmte Positionen ein-nehmen.
Die Fähigkeit eines Körpers, sich zu verformen, wird Plastizität genannt, wenn der Körper danach verform bleibt. Die Elastizität hingegen
beschreibt die Fähigkeit bestimmter Festkörper, nach einer Deformation
wieder die ursprüngliche Form anzunehmen. Die elastischen Eigenschaften
eines Kristalls sind vom Kristallgitter abhängig. Je nach Symmetrie des
Gitters ergeben sich für unterschiedliche Richtungen des Körpers verschiedene elastische Eigenschaften.
Bei den verformenden Prozessen werden Kompression, Zugdeformation, Schubdeformation (Scherung) und Torsion unterschieden.
Bei einer reinen Kompression wirkt eine Kraft FN senkrecht auf eine
Fläche A des Körpers ein. Der Druck p ist dabei definiert durch:
p
FN
A
184
1 V

V p
Plastizität und
Elastizität
Formen von
Deformationen
Kompression
(Eq.1)
Dabei ist A ein Flächenelement, auf welches die Kraft FN ein-wirkt.
Die SI-Einheit ist N / m 2  Pa (Pascal). Die Kompressibilität  ist die
relative Änderung des Volumens V / V pro Druckän-derung p :
 
deformierbare
Medien
(Eq.2)
Druck
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Bei der Zugdeformation wirkt ebenfalls eine Kraft senkrecht zur Oberfläche,
jedoch zeigt der Kraftvektor weg vom Körper, es wird an ihm gezogen. Die
Zugspannung  ist gegeben durch die Kraft FN gegeben, welche auf eine
senkrecht dazu stehende Fläche A wirkt:

FN
A
(Eq.3)
Für kleine Zugspannungen kann der Zusammenhang zwischen rela-tiver
Längenänderung l / l   und Zugspannung linear angenom-men werden,
es gilt das Hooksche Gesetz:
l

 
l
E
ZugDeformation
Hooksches
Gesetz
(Eq.4)
Dabei ist E das sogenannte Elastizitätsmodul (auch bekannt als
Youngscher Modul).
ElastizitätsModul
Bei der Schubdeformation (Scherung) wirkt eine Kraft F tangential auf
eine Fläche A (Angriffsfläche). Die Schubspannung ist definiert als:
Scherung

F
A
(Eq.5)
Es ist zu beachten, dass bei Scherung bzw. Schubdeformation immer auch
Normalkräfte auftreten.
Für kleine Deformationen wird der Zusammenhang zwischen der auf
die Grösse der Angriffsfläche bezogene Kraft  und dem Tan-gens des
Verformungswinkel  als linear angenommen:
  G  tan 
(Eq.6)
Die Grösse G wird Schubmodul genannt. Für isotrope Werkstoffe kann
folgender Bereich für das Schubmodul angegeben werden:
E
E
G
3
2
185 Schubmodul
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Für den Fall von inkompressiblen Materialien gilt:
E  3G
inkompressible
Materialien
(Eq.7)
Bei der Torsion wird ein Werkstück verdreht. Wirkt auf einen inkompressiblen Zylinder mit der Höhe h und dem Radius r ein Dreh-moment
M , so gilt:
M 
r 4
6h
E
(Eq.8)
Dabei ist  der Torsionswinkel, also jener Winkel um das der Zylin-der
über die Länge h verdreht wird.
Aufgaben
A1. Die Elastizitätsgrenze von Stahl liegt bei 0.572 GPa. Unter der Wirkung
einer Zugkraft verlängere sich ein Stahldraht mit einer Länge von 3m und
einem Querschnitt von 1.2mm 2 um 8mm . Das Elastizitätsmodul von Stahl
sei 196 GPa.
a) Ist die Verformung elastisch oder plastisch?
b) Wie gross ist die wirkende Kraft?
A2. Welcher Querschnitt muss eine Kupferstange mit einer Länge von 5m
haben, damit sich bei einer Belastung mit 480 N um maximal 1mm
ausdehnt? ( E  120GPa )
A3. Welche Länge muss ein vertikal hängender Kupferdraht haben, damit
dieser unter seinem eigenen Gewicht zu reissen beginnt?
(Festigkeitsgrenze für Kupfer ist 245MPa , Dichte   8.6 g / cm 2 )
Lösungen
L1. (a) elastisch; (b) F  627 N
L2. A  20mm 2
186
L3. l  2904m
Torsion
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 612 Transversalwellen auf einer Saite
Theorie
Wellenphänomene sind in deformierbaren Medien typische physi-kalische
Erscheinungen. Wellen spielen in der Technik und auch in der Medizin
(Sonographie) eine wichtige Rolle. Deshalb lohnt sich die Beschäftigung
mit Wellen. Als Wellen werden räumliche und zeitliche Oszillationen bezeichnet, bei denen eine Schwingung sich durch den Raum fortpflanzt. Für
mechanische Wellen wird dazu ein Medium benötigt.
In diesem Abschnitt geht es Transversalwellen auf Saiten (Fig.6). Dabei
wird die Saite (mit Querschnittsfläche A fil ) senkrecht zur Bewegungsrichtung ausgelenkt.
Bedeutung von
Wellen
Wellen als
Phänomen
s(x)
Afil
x
dx
Fig.6. Schnappschuss ( t  const. ) einer Transversalwelle: Im Längenelement dx
ist das Masseelement dm ausgelenkt.
Sei nun x die Koordinate der Längsrichtung eines gespannten Drahts und
s ( x, t ) die von Zeit und x-Koordinate abhängige Auslenkung senkrecht zur
x-Richtung. Im Folgenden soll die Auslenkung des Massenelements
dm  A fil  dx betrachtet werden. Die Kraft senkrecht auf dieses bewirkt
eine Beschleunigung. Gemäss Newton gilt:
dm 
d 2s
d 2s


A

dx

  Fis
fil
dt 2
dt 2
i
Kraft auf ein
Massenelement
(Eq.9)
Die Summe der im System wirkenden Kräften Fis bezieht sich nur auf die
s-Richtung (Auslenkungsrichtung, Fig.7). Vektoriell kann geschrieben werden:
187 Kräftebilanz
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 
F
i


F2  F1 . Dabei wird hier eine Saite betrachtet, welche mit
i
der Kraft F gespannt wird. Diese Zugkraft wird auf beiden Seiten des
Massenelements, aber in unterschiedlichen Richtungen (Fig.7).
s(x)
F1s

F
dm
F1x
F
F2s
x

F2x
Fig.7. Kräftediagramm für das Massenelement dm .
In x-Richtung wirken die Kräfte Fix und in s-Richtung die Kräfte Fis . Unter
Berücksichtigung der Auslenkungswinkel i können die Kräfte in x-Richtung durch den Betrag der Gesamtkraft F ausgedrückt werden:
F1x  F  cos 1 und F2 x  F  cos  2 . Anstelle des Auslenkungswinkels
ist es günstiger, die Steigungen zu verwenden:
Steigungen von
s ( x)
F1s
F1s
 s 


 x 
  1 F1x F  cos 1
F2 s
F2 s
 s 


 x 
  2 F2 x F  cos  2
Für kleine Auslenkungswinkel ist cos 1  cos  2  1 . Mit dieser Näherung kann für die Kräfte F1s geschrieben werden:
188
Näherung
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik  s 
Fis  F   
 x  i
(Eq.10)
Somit ergibt sich aus Eq.9:
A fil  x 
d 2 s   s 
 s  
         F  F  (s / x)
2
dt
  x  2  x  1 
Zusammenhang zwischen
Kraft und
Steigung
(Eq.11)
Dabei ist wichtig, dass das Streckenelement dx  x gegen Null strebt, also
winzig klein ist. Unter dieser Voraussetzung wird dann Eq.11 zu:
A fil 
 (s / x)
2s
d 2s




F
F
x
x 2
dt 2
(Eq.12)
Für Δx  0 . Durch Umformen ergibt sich:
 2 s A fil d 2 s  d 2 s


 
F dt 2  dt 2
x 2
(Eq.13)
Dabei wurde die Definition (Eq.3) für die Zugspannung  ver-wendet. Zur
Vereinfachung werden Zugspannung und Dichte in einen Faktor
c   /  zusammengefasst:
2s 1 d 2s


x 2 c 2 dt 2
(Eq.14)
Die Gleichung Eq.14 setzt die zweite räumliche Ableitung einer Funktion in
Relation zur zweiten zeitlichen Ableitung dieser Funktion. Die Frage ist
nun, welche Funktionen diese Eigenschaft besitzen.
189 Wellengleichung
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Funktionen, welche bei zweimaliger Ableitung bis auf das Vorzeichen sich
selbst ergeben sind Sinus und Cosinus. Als Lösungsansatz ergibt sich somit
für die Auslenkung:
s ( x, t )  sˆ  sin( kx  t ) oder s ( x, t )  sˆ  cos(kx  t ) . Einsetzen in
Eq.14 ergibt:
Lösungsfunktionen
2
sˆ  cos(kx  t   sˆ  k 2  cos(kx  t )
2
x
1 d2
sˆ   2
ˆ
 2  2 s  cos(kx  t )   2  cos(kx  t )
c
c dt
Ein Vergleich der beiden Seiten liefert:
c

k

2
    
2
(Eq.15)
Dabei wurden folgende Relationen verwendet:
k
2

und  

2
Die Grössen habe alle konkrete physikalische Bedeutung. Die Wellenlänge
 ist diejenige Strecke in x-Richtung, bei welcher die Welle einmal räumlich hin- und herpendelt. Die Frequenz  (Einheit Herz, Hz  s 1 ) gibt an,
wie viel mal pro Sekunde das Massenelement hin- und herschwingt. Die
Amplitude ŝ gibt die maximale Auslenkung an.
Die Ausbreitungs- oder Wellengeschwindigkeit c ist diejenige Geschwindigkeit, mit welcher sich ein Wellenimpuls fortpflanzt. Dies kann
folgendermassen begründet werden: Die Wellenfunktion kann geschrieben
werden als:
s ( x, t )  sˆ  sin(2  t 
190
2

x)
(Eq.16)
Wellenlänge
und Frequenz
Wellenausbreitungsgeschwindigkeit
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Wir betrachten nun folgendes Gedankenmodell: Eine Welle starte bei t = 0 s
und x = 0 m. In einer bestimmten Distanz x1 beobachten wir, wann die
Welle ankommt. Diese Zeit nennen wir t1. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit, welche die Welle besitzt, ist gegeben durch:
c
x1  x x1

t1  t
t1
(Eq.17)
Für den Ort x1 ergibt sich folgende Schwingungsfunktion:
s ( x, t )  sˆ  sin(2  t 
2

x)  s ( x1 , t )  sˆ  sin(2  t 
2

x1 )
Nun kann x1 durch c und t1 ersetzt werden:
x1  ct1  s ( x1 , t )  sˆ  sin(2  t 
2

ct1 )
Für die Zeit t  t1 gilt:
s ( x1 , t1 )  sˆ  sin( 2  t1 
2
c 

ct1 )  sˆ  sin 2  t1  (  )

 

Wenn die Bewegung eines Wellenknotens ( s ( x, t )  0 ) betrachtet wird,
gilt:
c 

s ( x1 , t1 )  0  sˆ  sin 2  t1  (  )
 

Dies ist erfüllt, wenn gilt:
c 
c

2  t1  (   )  0    
Somit ergibt sich wieder die fundamentale Beziehung von Eq.15: c   .
191 Bedeutung von
c
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Aufgaben
A1. Die Wellenfunktion für eine ebene Transversalwelle habe zur Zeit t = 0
s bei x = 0 m den Wert s(x,t) = 0 mm und bei x = 5 cm den maximalen Wert
von 2 mm.
Bestimmen Sie alle möglichen Wellenlängen.
A2. In einer einfachen Transversalwelle gibt es zwei unterschiedliche Arten
von Geschwindigkeiten: Die Ausbreitungsgeschwindigkeit c und Geschwindigkeit v(x,t), mit welcher sich die einzelnen Teilchen in der Welle auf und
ab bewegen.
Leiten Sie aus der Wellenfunktion s(x,t) die Geschwindigkeits-funktion
v(x,t) her.
A3. Auf einen gespannten Kupferdraht wirke eine Zugspannung von 2 kN /
m2. Der Draht wird nun an einer Stelle bewegt (ausgelenkt). Eine Auf- und
Abwärtsbewegung dauert 0.5 s.
a) Wie schnell pflanzt sich diese Bewegung des Drahtes fort?
b) Wie gross ist die Wellenlänge der durch die Bewegung entstehenden Welle?
192
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
s (0 s,0m)  0mm  sˆ  sin(t  kx)  sˆ  sin(0  0)
s (0 s,0.05m)  sˆ  sˆ  sin(t  kx)  sˆ  sin(0 
Damit s (0 s,0.05m)  sˆ  sin(0 
x
2

2

x)
x) maximal wird, muss gelten:
1
 n mit n  0,1,2,3,.. ., da der sin(kx) maximal ist für
 4
 3 5
, , ,…
2 2 2

4 4
Daraus ergeben sich die möglichen Wellenlängen   4 x, x, x, …
5 9
Nimmt man noch die maximalen negativen Werte, so kommen noch
4 4 4
die Längen   x, x, x, … hinzu → also:  = {20 cm, 6.67 cm,
3 7 11
4 cm, 2.86 cm, 2.22 cm, …}
L2.
v ( x, t ) 
d
ds ( x, t )
 sˆ  sin(t  kx)   sˆ  cos(t  kx)
dt
dt
L3.
(a) c 
2  10 3 N / m 2
2m 2



 0.476m / s

8.82  10 3 kg / m 3
8.82s 2
0.476ms 1
(b) c      
 0.238m

2 s 1
c
193 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 613 stehende Wellen
Theorie
Im Abschnitt 612 wurde die Ausbreitung einer Welle auf einer ge-spannten
Saite betrachtet. Dabei wurde davon ausgegangen, dass die Wellenimpuls
nicht an den Enden reflektiert werden. Bei einer eingespannten Saite mit der
Länge l kann aber genau das geschehen. Bei der Reflektion von Wellen
kommt es zur Überlagerung von Wellenberge und Wellentäler. Dabei gibt
es bei der eingespannten Saite Randbedingungen. Dort wo die Saite fixiert
ist (bei x  0 und x  l ), muss die Auslenkung s (0, t )  s (l , t ) null sein.
Dies führt zu einer Bedingung für die möglichen Wellenlängen  n :
n 
2l
n
c
n

c
n
2l
s ( x, t )  sˆ  sin(kx)  sin(t )
Bedingung für
Frequenz
(Eq.19)
Es treten somit Die Grundfrequenz  1 (Grundton), die Oktave  2  2 1 ,
die Quinte (Quinte + Oktave zum Grundton)  3  3 1 , die Superoktave
(Oktave + Qunite + Quarte zum Grundton) v 4  4 1 ,die grosse Terz
(Oktave + Oktave + gr.Terz zum Grundton)  5  5 5 etc. auf.
Da die Wellenberge und Wellentäler an Ort und Stelle bleiben, lässt sich
die Wellenfunktion für diese Situation folgendermassen schreiben:
(Eq.20)
Die Wellenfunktion lässt sich also in einen zeitabhängigen und in einen
Ortsabhängigen Teil separieren.
194
Bedingung für
Wellenlänge
(Eq.18)
Dabei ist n  N . Da die Relation c   gilt, hat dies Konsequenzen
bezüglich der Frequenz  n , mit welcher eine eingespannte Saite schwingen
kann:
n 
eingespannte
Saite
Ton-Intervalle
Wellenfunktion
für stehende
Wellen
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Aufgaben
A1. Zeigen Sie, dass die Wellenfunktion Eq.20 die Wellengleichung Eq.14
erfüllt
A2. Eine Saite aus Stahl wird mit eine Zugspannung von 5 kN / cm2 eingespannt.
a) Wie lang muss die Saite sein, damit diese in einer Frequenz von 110
Hz schwingt (Grundton)?
b) Wie lang muss die Saite sein, damit diese eine Quinte über dem Ton
mit der Frequenz von 110 Hz schwingt?
c) In welcher Frequenz würde die Saite in Teilaufgabe a schwingen,
wenn diese aus Kupfer wäre?
A3. Der tiefste Ton eines Klaviers / Flügels liegt normalerweise vier Oktaven unter dem Kammerton a (440 Hz).
a) Wie lang müsste diese Seite sein, wenn Klaviersaitendraht (Stahl)
verwendet wird, und die Zugspannung 10% unterhalb der Zugfestigkeit dieses Drahts liegen soll?
b) Wie lang muss diese Seite sein, wenn Klaviersaitendraht (Stahl)
verwendet wird, und die Zugspannung nur 50% der Zugfestigkeit
dieses Drahts beträgt?
c) Bei einem Cembalo wird die Seite nicht durch einen Hammer angeschlagen, sondern durch einen Kiel gezupft. Bei einem kleineren
Cembalo beträgt die Länge des untersten Tons (C, eine kleine
Dezime über dem untersten Ton eines Klaviers) 1.35 m. Wie gross
ist die Zugspannung bei einer Messingsaite?
195 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
1 d 2s
2s
2
cos(kx)  cos(t )



x 2 c 2 dt 2
x 2
 k 2 cos(t )  cos(kx) 

2
c
2
1 d2
cos(kx)  cos(t )

c 2 dt 2
 cos(kx)  cos(t )  c 

k
L2.
(a)
c   



1
 l 



2
2
1
5  10 7 Nm  2
1
5



m  0.36m
s
3
3
220
2.2 7.9
7.9  10 kgm
(b)
2l 2  0.36m

 0.24m  24cm
3
3
(c)
c     
c


1





1
5  10 7 Nm  2
100
5 1




3
3
2  0.36m 8.92  10 kgm
0.72 8.92 s
 103.98H z
196
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L3.
(a)

440 Hz
 27.5 Hz
16
  0.9   B  0.9  70  10 7 Nm  2  63  10 7 Nm  2
l

2


1
1
63  10 7 Nm  2


s
 5.16m
 55
2
7.83  10 3 kgm 3
(b)
  0.5   B  0.5  70  10 7 Nm 2  35  10 7 Nm 2


1
1
35  10 7 Nm  2
l 


s
 3.84m
 55
2 2
7.83  10 3 kgm 3
(c)
kleine Dezime = Oktave + kleine Terz  
c   
6
 55 Hz  66 Hz
5

   ( ) 2  

 (1.35m  66 s 1 )  8.47  10 3 kgm 3  6.72  10 7 Nm  2
197 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 614 Longitudinalwellen in Festkörpern
Theorie
In den Abschnitten 612 und 613 wurden Transversalwellen betrachtet. In
deformierbaren Medien treten aber auch Longitudinalwellen auf. Dabei
handelt es sich um Wellen, bei denen die Teilchen parallel zur Ausbreitungsrichtung der Welle schwingen.
Im Folgenden soll ein Stab mit der Querschnittfläche A aus einem
isotropen, elastischen Medium betrachtet werden. Die Längsrichtung des
Stabs sie die x-Richtung. Zwischen x und x  dx befinde sich das Massenelement dm  A  dx . Beim Durchgang eines Wellenpulses verschiebt und
deformiert sich das Massenelement (Fig.8)
x
Bewegungsrichtung der
Teilchen
Welle im Stab
x+dx
dm
dm

+d
Fig.8. Deformation und Verschiebung eines Massenelements beim Durchgang einer
Longitudinalwelle in einem Stab.
Wird das Material nicht über den linearen Bereich des elastischen Verhaltens hinaus beansprucht, gilt das Hooksche Gesetz (Eq.4):   E ,
wobei gilt (mit der ursprünglichen Länge des Massenelements l  dx :

198
l   d   d


l
dx
dx
(Eq.21)
Anwendung
des Hookschen
Gesetztes
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Für die Betrachtung der Bewegung des Massenelements dm kann nun
wieder eine Kräftebilanz gemacht werden. Dabei lässt sich die Kraft aus der
Zugspannung berechnen: F  A . Die Zugspannung ändert sich wegen der
Deformation mit x , es gilt:
A  dx 
Kräftebilanz
d 2
 A   ( x  dx, t )   ( x, t )  
dt 2
  d 
 d  
 AE   ( x  dx)   ( x)   AE    
   
  dx  x  dx  dx  x 
(Eq.22)
Dabei wird angenommen, dass  als Beschleunigung des ganzen Volumenelements gesetzt werden darf. Dies lässt sich im linear-elastischen
Bereich wegen d  dx rechtfertigen. Somit resultiert (analog zu Eq.12,
Abschnitt 612):
d 2 E  2
  2
 x
dt 2
(Eq.23)
Diese Gleichung hat die identische mathematische Form zu Eq.14. Es
handelt sich dabei um eine Differentialgleichung (Wellengleichung), welche
eine Longitudinalwelle mit der Ausbreitungsgeschwindigkeit c handelt.
Gemäss Abschnitt 612 ergibt sich für c :
c
E

Beschleunigung
(Eq.24)
Aufgaben
A1. Ein Stab aus Messing sei frei gelagert. Am einen Ende werde nun mit
einem Hammer einmal an den Stab geschlagen (auf die Stirn-fläche!). Die
Länge des Stabs betrage 12 m.
a) Wie lange dauert es, bis der Impuls am anderen Ende ange-langt ist?
b) Wie lange müsste der Stab sein, damit der Impuls mit einer
Verzögerung von einer Sekunde am anderen Ende ankommt?
199 AusbreitungsGeschwindigkeit für
LongitudinalWellen
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
(a)
t 
s l
8.47  10 3 kgm 3

 l
 12m 
v
c
E
11  1010 Nm  2
 12m  7.7 s 2 m  2  10  4  3.33  10 3 s
(b)
t 
l
E
11  1010 Nm 2
 l  c  t  t 
 1s 

c
8.47  10 3 kgm 3
11m 2

 10 3 s  3.604  10 3 m
2
8.47 s
200
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 620 Flüssigkeiten und Gase
621 Druck in Flüssigkeiten und Gasen
Theorie
Während beim deformierbaren Festkörper die Relativabstände von Atomen
(Massenpunkte) zwar veränderlich sind, die Relativpositionen hingegen fest
bleiben, so können in Flüssigkeiten die Teilchen sich mehr oder weniger frei
bewegen. Die Hydrodynamik beschäftigt mit Konzepten zur Bewegung von
Flüssigkeiten und die Aero-dynamik mit der Bewegung von Gasen. Ein
Spezialgebiet ist die Rheologie, welche sich mit zähen Flüssigkeiten beschäftigt und sich somit im Übergangsbereich zur Mechanik der deformierbaren festen Medien befindet. Da alle die im Rahmen der genannten
Gebiete verwendeten Methoden zur Beschreibung des Verhaltens nur
Näherungsweise die Realität abbilden, sind die Modelle verschieden, je
nachdem, ob es sich um feste Körper oder Gase handelt.
Im Rahmen dieses Abschnitts (Hydrostatik, Aerostatik) wird auf eine
statische Grösse eingegangen, welche für alle Medien gleich definiert ist:
Der Druck. Dieser ist durch die senkrecht auf eine Fläche wirkende Kraft
gegeben:
p
dFN
dA
gV
A
Druck
(Eq.25)
Die SI-Einheit ist  p   N / m 2  Pa (Pascal). In Flüssigkeiten und Gasen
führt eine gerichtete Kraftwirkung auf eine Referenzfläche zu einem isotropen, also in alle Richtungen gleich grossen Druck, dieser ist somit keine
vektorielle Grösse.
In einem Medium mit wird bereits durch das Gewicht des Me-diums ein
Druck aufgebaut, es wird vom hydrostatischen Druck gesprochen. Wenn
sich über einem bestimmten Punkt eine Säule aus einem flüssigen Medium
mit der konstanten Dichte  mit der Höhe h und dem Volumen V
befindet, so wirkt im Schwerefeld der Erde die Gewichtskraft
FG  mg  Vg . Aus der Definition Eq.25 ergibt sich somit für den
hydrostatischen Druck:
p
Relativpositionen und
Abstände von
Teilchen im
Medium
 gh
(Eq.26)
201 Hydrostatischer
Druck
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik In der Atmosphäre nimmt jedoch mit zunehmneder Höhe die Dichte ab,
diese ist also nicht konstant. Für ein infinitesimal kleines Höhenstück
dz kann aber geschrieben werden: dp    ( z )  g  dz . Die Dichte ist in
einem idealen Gas jedoch proportional zum Druck:
 ( z ) p( z )

0
p0
höhenabhängige
Dichte
(Eq.27)
Dabei sind  0 und p 0 die referenzwerte für die Höhe z  0 . Durch
Umformen und Einsetzen in Eq.26 resultiert eine Differentialgleichung:
 g
dp
 0
p
dz
p0
(Eq.28)
Das negative Vorzeichen beschreibt die Abnahme mit zunehmender Höhe
z . Die Gleichung lässt sich gut integrieren:
1
 p dp  
0 g
p0
analytische
Lösung
 dz
also:
ln p  
0 g
p0
zc
(Eq.29)
Nun muss nach p ( z ) aufgelöst und die Integrationskonstante c be-stimmt
werden:
p( z )  e

0 g
p0
z
 ec
Die Integrationskonstante lässt sich durch Einsetzen von z  0 bestimmen:
p(0)  e c  p0 . Damit resultiert die sogenannte barometrische Höhenformel:
202
Bestimmung
der Konstanten
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik p( z )  p0  e

0 g
p0
z
(Eq.30)
Nun kann noch diejenige Höhe z1 / 2 gesucht werden, bei welcher sich der
Druck halbiert. Dafür setzen wir:

p ( z1 / 2 ) 1
 e
2
p0
0 g
p0
barometrsiche
Höhenformel
Höhe bei
halbem Druck
 z1 / 2
Daraus ergibt sich:
z1 / 2  
p 0  ln(0.5) p 0  ln(2)

0  g
0  g
(Eq.31)
Luftdichte  0  1.293kg / m 3 und einen Druck von
p 0  1013.25hPa ergibt sich (mit g  9.81m / s 2 ) eine Höhe von 5537
m. Dies bedeutet, dass rund alle 5500 m sich der Luftdruck halbiert. In der
Realität wird die Druckabnahme allerdings noch durch die Temperatur
beeinflusst, welche mit zunehmender Höhe nicht konstant ist.
In der Meteorologie werden Temperatur- und Druckprofile mit Ballonsonden gemessen. Ballone fliegen (oder vielmehr schwimmen), weil sie in
der Atmosphäre auftrieb haben. Dieser Auftrieb lässt sich berechnen. Dafür
kann wieder von einer Kräftebetrachtung ausgegangen werden. Die
resultierende Kraft F ist gegeben durch die Auftriebskraft FA und die
Gewichtskraft FG : F  ma  FA  FG . Die Gewichtskraft ist FG  mg .
Die Auftriebskraft erhalten kann über eine Betrachtung der Druckdifferenz
zwischen Ober- und Unterseite des Körpers berechnet werden. Zur Vereinfachung soll ein zylindrischer Körper mit Volumen V  h  A betrachtet
werden. Zwischen Ober- und Unterseite des Zylinders besteht die Druckdifferenz p  1 g  h . Die Dichte 1 ist diejenige des umgebenden
Mediums. Daraus resultiert eine nach oben gerichtete Auftriebskraft
FA  A  p  1 g  A  h  1 g  V . Diese Beziehung gilt nicht nur für
Zylinder, sondern für alle Körper, da beim Druck nur die zur Höhenrichtung
senkrecht stehende Fläche berücksichtigt werden muss. Nun ergibt sich
folgende Kräftebilanz:
ma  1 gV  mg  1 gV   2 gV    gV . Die Dichte  2 ist die
Dichte des Füllmediums des Körpers. Es wird angenommen, die Hül-le sei
vernachlässigbar oder diese kann durch eine mittlere Dichte be-rücksichtigt
Für
eine
203 Hydrostatischer
Auftrieb
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Auftrieb und
Dichtedifferenz
werden. Die resultierende Kraft ist somit vom Volumen des Körpers und der
Dichtedifferenz von Füllmedium und umge-bendem Medium abhängig.
Aufgaben
A1. Ein Flugzeug mit Druckkabine steigt auf eine Höhe von 11000 m. Der
Kabinendruck betrage 800 hPa.
Welche Kraft wirkt auf einen Quadratmeter der Kabinenverschalung?
A2. Welche Druckzunahme ist beim Abtauchen in Wasser bei einer
Tauchtiefe von 10 m zu erwarten?
A3. Welches Volumen an Helium wird benötigt, damit ein Mensch mit einer
Masse von 70 kg abhebt?
A4. Ein kugelförmiger, mit Helium gefüllter Ballon mit einem Radius von
0.5 m und einer angehängten Masse von 500 g wird losgelassen.
a) Auf welche Höhe steigt er?
b) Wie schnell steigt er?
Diese Aufgabe ist mittels einer Computersimulation zu lösen: Über-legen
Sie sich zuerst, welche Kräfte berücksichtigt und welche An-nahmen für das
Modell getroffen werden müssen.
A5. Auf einem fremden Planeten misst eine Sonde bei einem Druck von
2 10 5 Pa eine Dichte von 2.4 kg/m3. Zudem wird eine Fallbeschleunigung
von 13.2 m/s2 gemessen.
In welcher Höhe halbiert sich der Druck in dieser Atmosphäre?
204
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
F  A  p  A  ( pi  p o )  1m 2  (8  10 4 Pa 
1
 10 5 Pa )
4
 5.5  10 4 N
L2.
p  g  z  10 3 kg / m 3  9.81m / s 2  10m  9.81  10 4 Pa
L3.
FA  FG  mg    g  V  V 
m
70kg

 (1.293  0.179)kg / m 3
 62.84m 3
L4. Zu berücksichtigen sind Auftriebskraft und Gewichtskraft, Luftwiderstand. Zudem muss für grosse Höhendifferenzen die Dichte-abnahme
in der Atmosphäre mit eingerechnet werden. Die Simulation lässt sich über
den Impuls verwirklichen:
dp
 FA  FG  Fw
dt
  ( z )  gV  mg 
cw  A   ( z)
v v
2
Die aktuelle Höhe z zur Berechnung der Dichte kann über die Inte-gration

der Geschwindigkeit ermittelt werden: z (t )  v  dt . Zur Berechnung der
Geschwindigkeit aus dem Impuls muss die Gesamt-masse (Masse der
Nutzlast plus Masse des Heliums mtot  m  m He  m   He  V )
verwendet werden:
v(t ) 
p(t )
mtot
Die Dichte kann als Funktion eingegeben werden. Es gilt:  ( z )   0  e z
mit   ln 2 / z1 / 2 . Für nicht konstante Temperatur ist z1 / 2  6600m .
205 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Flussdiagramm für Berkeley Madonna:
Systemgleichungen:
{Top model}
{Reservoirs}
d/dt (p) = + J1
INIT p = 0
d/dt (z) = + vz
INIT z = 0
{Flows}
J1 = Fa-Fg-Fw
vz = v
206
{Functions}
R_Ballon = 0.5
V_Ballon =
4*PI*R_Ballon*R_Ballon*R_Ballon/3
A_Ballon = PI*R_Ballon*R_Ballon
dens_He = 0.179
dens_z = dens_0*exp(logn(2)*z/z12)
delta_dens = dens_z-dens_He
g = 9.81
m = 0.5
Fg = m*g
Fa = delta_dens*g*V_Ballon
v = p/m
Fw =
cw*dens_z*A_Ballon*v*abs(v)
cw = 0.2
z12 = 6600
dens_0 = 1.293
{Globals}
{End Globals}
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Resultate für die Höhe als Funktion der Zeit (Batch run: m = {0.5 kg; 0.4
kg; 0.3 kg; 0.2 kg; 0.1 kg}):
1.2e+4
1e+4
6000
z
8000
4000
2000
0
0
500
1000
1500
2000
2500
3000
3500
4000
TIME
Ein vergrösserter Ausschnitt am Übergang zur Gleichgewichtshöhe zeigt
einen Einschwingvorgang (gedämpfte Schwingung):
1254
1253
1252
z
1251
1250
1249
1248
1247
1000
1200
1400
1600
1800
2000
2200
2400
2600
TIME
Dies ist durch die Bewegungsgleichung begründbar, welche im Prinzip eine
DGL 2. Ordnung ist:
c  A   ( z)
dp
dv
d 2z
m
 m 2   ( z )  gV  mg  w
v v
dt
dt
2
dt

c w  A   0 e z dz dz
d 2z
 z
e
gV
mg





 


0
He
2
dt dt
dt 2


L5.
z1 / 2 
p 0  ln(2)
 4376 m
0  g
207 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 622 stationäre, ideale Strömungen
Experiment
Ein Luftstrom tritt durch zwei bewegliche, gekrümmte Platten hindurch
(Fig.1). Naiv betrachtet müssten ausgehend von einem einfachen Impulsmodell die beiden Platten nach aussen gedrückt werden.
Drehpunkt
gekrümmte Platte
Fig.1. Naives Impulsmodell
Das Experiment zeigt jedoch genau das gegenteilige Verhalten (Fig.2). Das
naive Impulsmodell geht von einem einzelnen Luftteilchen aus, welches auf
die Platte auftrifft. In einem sehr verdünnten Gas beschreibt das naive
Modell einigemassen die Situation. In einem dichten Gas jedoch ist die
Bewegung eines Teilchens an seine Umgebung (andere Teilchen) gekoppelt.
Es muss ein Modell gesucht werden, welches das Fliessverhalten des Gases
insgesamt beschreibt.
Das in Fig.2 beobachtete Phänomen lässt sich in ähnlicher Form bei
weiteren umströmten Gegenständen beobachten (Fig.3).
208
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Experimente
zur Strömung
Fig.2. Experiment zu Fig.1
ohne Luftstrom
mit Luftstrom
Fig.3. Schwebendes Dach
209 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Theorie
Die besondere Eigenschaft von Flüssigkeiten (und von Gasen) ist ihre
Fähigkeit zum fliessen. Wurden im Abschnitt 621 ruhende Medien betrachtet, so soll nun die physikalische Beschreibung auf fliessende Medien
ausgedehnt werden.
Die Strömung kann durch die Bewegung der Teilchen im Medium
beschrieben werden. Die durch die Trajektorien der Teilchen beschriebenen
Bahnen bilden Stromlinien.
Im folgenden sollen nun einige wichtige Beziehungen für strö-mende
Flüssigkeiten und Gase beschrieben werden. Eine davon ist die sogenannte
Kontinuitätsgleichung. Für eine inkompressible Flüssigkeit5, welche durch
ein sich verengendes Rohr strömt, gilt für jede Stelle im Rohr:
dV1
dV
 A1v1  2  A2 v 2
dt
dt
Die Kompressibilität ist durch folgende Beziehung gegeben: dV / V    dp . Für
  0 erfolgt bei Erhöhung des Druckes keine Volumenänderung.
210
KontinuitätsGleichung
(Eq.33)
Dies wird als Kontinuitätsgleichung bezeichnet. Eine Konsequenz dieser
Gleichung (Eq.33) ist, dass eine Flüssigkeit (oder ein Gas) bei Verengung
des Rohres schneller zu fliessen beginnt. Folglich muss das Medium
beschleunigt werden. Dies kann nur aufgrund eines Druckunterschiedes an
der Verengung geschehen. Dies würde be-deuten, dass bei einem weiteren
Querschnitt ein höherer Druck herrscht. Andererseits muss die Energie
erhalten bleiben. Die Arbeit dW , welche während der Zeit dt beim
Verschieben des Mediums um die Strecke v  dt geleistet wird, ist:
5
inkompressible
Flüssigkeiten
(Eq.32)
Dabei ist A1 die Querschnittfläche des Rohres bei der Stelle x1 und A2
diejenige an der Stelle x 2 und vi ist die Geschwindigkeit an der entsprechenden Stelle. Für inkompressible Flüssigkeiten gilt aber dV1  dV2 .
Daraus folgt:
A1v1  A2 v 2
Stromlinien
EnergieBetrachtung
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik dW  F  ds  pA  v  dt
(Eq.34)
x1 und
x2
ist
die
Differenz
die
zwei
Stellen
(dW )  ( p1 A1v1  p 2 A2 v 2 )  dt . Wegen der Kontinuitätsgleichung gilt
Für
nun:
(dW )  ( p1  p 2 ) A1v1  dt  0
(Eq.35)
Diese Arbeit muss wegen der Energieerhaltung in die Beschleunigung der
Flüssigkeit (oder des Gases) investiert worden sein, sofern man von Reibungsverlusten absieht. Die Änderung der kinetischen Energie ist gegeben
durch:
E kin 
kinetische
Energie
1 2 1 2
mv 2  mv1
2
2

1
1
  dV2  v 22    dV1  v12
2
2

1
1
  A2  v 2 dt  v 22    A1  v1 dt  v12
2
2
Wiederum gilt die Kontinuitätsgleichung:
E kin 
Durch Gleichsetzen
(  (dW )  E kin ):
von
1
A1v1 dt (v 22  v12 )  0
2
Eq.35
und
Eq.36
(Eq.36)
ergibt
sich
nun
1
 (v 22  v12 )  p1  p 2
2
BernoulliGleichung
Durch Umformen resultiert die Bernoulli-Gleichung:
211 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik p2 
Die Grösse
1 2
1
v 2  p1  v12
2
2
(Eq.37)
1 2
v wird Staudruck genannt. Die Summe aus stati-schem
2
Druck und Staudruck ist konstant.
Wird für den statischen Druck pi   ghi gesetzt, so lässt sich folgende Betrachtung für den Energiestrom anstellen: Der Energiestrom pro transportiertes Volumen (= Leistung pro transportiertes Volumen) ist bei einer
stationären, idealen Rohrströmung konstant. An der Stelle (1) ist die
1 2
mv1 , die potentielle Energie E pot (1)  mgh1 ,
2
1
an der Stelle 2 ist Ekin (2)  mv22 und die potentielle Energie
2
E pot (2)  mgh2 . Die Energie pro Volumen ist nun:
kinetische Energie Ekin (1) 
d
d 1 2  d
 Ekin  E pot  
mv  
 mgh
dV
dV  2
 dV

1 2 dm
dm 1 2
 gh
  v   gh
v
2 dV
dV 2
Pro Zeit dt gilt:
1 2

1 2

 2  v1   gh1   dt   2  v2   gh2   dt  const.
Und somit:
1 2
1
 v1   gh1   v22   gh2
2
2
bzw.
1 2
1
v1  gh1  v22  gh2
2
2
(Es resultiert eine kinematische Relation analog Aufgabe A1, Abschnitt
312)
212
Staudruck
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Aufgaben
A1. Zur Messung der Geschwindigkeit (gegenüber der Luft) kann ein
Prandtlsches Staurohr verwendet werden. Dabei wird über ein parallel zur
Strömung gerichtetes Rohr der Gesamtdruck gemessen. Über eine seitliche
Öffnung (static port) kann zusätzlich der statische Druck ermittelt werden.
Prandtlsches
Rohr
a) Ermitteln Sie die Geschwindigkeit als Funktion von Gesamt-druck
ptot , statischem Druck p und der Luftdichte.
b) Wie schnell fliegt ein Flugzeug (gegenüber der umgebenden Luft),
wenn die Luftdichte 0.356kg / m 3 betrage und ein Gesamtdruck
von 23800 Pa sowie ein statischer Druck von 13900 Pa gemessen
werde.
A2. In Rohrleitungen lässt sich die Strömungsgeschwindigkeit ohne Einbringen einer Sonde messen. Die Geschwindigkeit kann aus der Reduktion
des statischen Druckes ermittelt werden. Diese Reduktion kann durch zwei
Öffnungen (eine bei einer Verengung im Rohr mit Querschnittsfläche A2 ,
die andere an einer Stelle mit weitem Quer-schnitt mit Fläche A1 ) gemessen
werden. Diese Anordnung wird Venturi-Düse genannt.
Leiten Sie die Formel zur Berechnung der Geschwindigkeit im un-verengten
Teil des Rohres her.
A3. Ein Luftstrom fliesse durch ein senkrecht stehendes Rohr. Am unteren
Ende sei senkrecht zum Rohr mit Radius r eine kreisförmige Platte
angebracht (mit Öffnung mit Rohrdurchmesser). Nun werde eine zweite
kreisförmige Platte auf die Öffnung bzw. die erste Platte gelegt.
Welchen Abstand d darf die Platte maximal haben, damit sie gegen die erste
Platte gesogen wird?
213 Venturi-Düse
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
(a) ptot  p 
1 2
v  v 
2
2( ptot  p)

(b) v  236m / s  850km / h
L2.
ptot ( x1 )  ptot ( x 2 ) 
A1v1  A2 v 2  v 2 
 A
1
 v12   1
2
 A2
v


1
 v 22  v12  p1  p 2
2
A1
 v1
A2
2


  1  p1  p 2


2( p1  p 2 )
 A  2 
   1   1
 A2 

L3. Ist der Luftstrom genügend stark, fällt die Platte nicht nach unten,
sondern ″klebt″ an der oberen Platte: Die ausströmende Luft wird im
dünnen Spalt zwischen oberer und unterer Platte beschleunigt. Es entsteht
ein statischer Unterdruck.
Das Kriterium für den Sogeffekt ergibt sich aus der Kontinuitäts-
A1
 r2
r
 v1 
 v1 
 v1 , wobei A1
2 r  d
2d
A2
die Querschnittsfläche des Rohres und A2 eine Mantelfläche mit Radius des
Zylinders im Spalt zwischen den Platten ist. Damit v2  v1 ist, muss gelten:
r
r
 1 also d 
2
2d
gleichung: A1v1  A2 v2  v2 
214
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 623 stationäre Strömung mit Reibung
Theorie
Im Abschnitt 622 wurde von einer reibungsfreien Strömung ausge-gangen.
Die Reibung kann aber für viele Fälle nicht vernachlässigt werden. Bei der
Beschreibung der Reibung kann auf ein bereits in Abschnitt 611 eingeführtes Konzept zurück gegriffen werden. Strömt eine Flüssigkeit über eine
Oberfläche, so tritt je nach Viskosität eine Scherung des Mediums ein. Die
Schubspannung ist gegeben durch Eq.5:   F / A . Die wirkende Kraft F
pro Fläche A ist bei Flüssigkeiten von der Geschwindigkeitsdifferenz zwischen Strömung und Oberfläche abhängig. Deshalb kann der Geschwindigkeitsgradient dv / dy eingeführt werden, wobei die y-Richtung senkrecht
zur x- bzw. Strömungsrichtung steht. Für sogenannte Newtonsche Fluide
gilt:
  
dv
dy
Schubspannung
Newtonsches
Fluid
(Eq.38)
Die Grösse  wird als dynamische Viskosität bezeichnet. In Tab.1 sind für
einige Fluide die Werte für  gegeben. In gewissen Fällen wird auch die
kinematische Viskosität    /  verwendet.
Dynamische
und
kinematische
Viskosität
Tab.1. dynamische Viskositäten für einige Fluide
Medium
 / Pa  s
Wasser
 10 3
 2  10 5
 0 .1  1
 1 .5
Luft
Schmieröl
Glycerin
Für viele Fluide (z.B. polymere Schmelzen) gilt das Gesetz von Eq.38 nicht,
da diese nicht als Newtonsche Fluide behandelt werden können. Auch Blut
hat ein deutlich komplizierteres verhalten, da es sich um eine Suspension
mit Blutkörperchen handelt und diese bei kleinen Geschwindigkeitsgradienten sich zusammen lagern. Mit zunehmender Geschwindigkeit sinkt der
Wert für die dynamische Viskosität. Wird hingegen nur das Blutplasma
genommen, so ergibt sich dort genau das umgekehrte Verhalten: Die Viskosität steigt mit zunehmender Geschwindigkeit.
215 Nicht Newtonsches
Verhalten
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Das Strömungs- (Geschwindigkeits-)-Profil in einer zylindrischen Röhre
lässt sich bei laminarer Strömug mit folgender Überlegung berechnen: In
einem (zylindrischen) Abschnitt der Röhre mit der Länge z werde ein
Flüssigkeitszylinder mit Radius r durch die Druckdifferenz p in Richtung
Zylinderachse bewegt. Die Reibungs-kraft, welche auf die Mantelfläche
Az  2r  z wirkt, ist gegeben durch:
FR  Az    Az 
StrömungsProfil
dv
dr
Im stationären Zustand muss diese Kraft gleich der antreibenden Kraft sein,
es gilt also: FR  F  r 2  p . Auflösen nach dem radialen Geschwindigkeitsgradienten führt zu:
dv  r 2
r p

 p 

dr  Az
2 z
(Eq.39)
Dieser Ausdruck (Eq.39) lässt sich integrieren:
R
p
p
v(r ) 
r  dr 
 R2  r 2

2  z r
4  z


(Eq.40)
Es resultiert somit ein parabolisches Strömungsprofil. Ausgehend von
diesem Strömungsprofil kann nun auch der Volumenstrom durch die Röhre
berechnet werden. Dabei können als Teilvolumen sehr dünne zylindrische
Schalen betrachtet werden, welche sich in Fliessrichtung vorwärts bewegen.
Das pro Zeit t fliessende Teilvolumen d (V ) ist gegeben durch:
d (V )  2r  dr  v(r )  t . Die Integration über alle Teilvolumen führt
zu:
V 
R 4 p

 t
8 z
(Eq.41)
Dieses Gesetz wird in Abschnitt 625 für die Simulation von Speicher-FlussModellen verwendet.
216
VolumenStrom
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik In diesem Abschnitt geht es um die laminare Strömung in einem Rohr
(laminare Innenströmung). Trotzdem seien hier noch einige Anmer-kungen
zur turbulenten Rohrströmung gemacht: Übersteigt die Strömungsgeschwindigkeit einen bestimmten Wert, ändert sich die Strö-mungsform. Die Gesetze (Eq.39 & 41) können so nicht mehr direkt angewendet werden. Die
verschiedenen Strömungsformen haben unterschiedliche physikalische Charakteristiken. Zur Abschätzung der Strömungsform kann die Reynolds-Zahl
(nach dem engl. Physiker OSBORNE REYNOLDS, 1842-1912) beigezogen
werden. Für die Innenströmung in einem Rohr mit Durchmesser d, durch
welches ein Fluid mit der Dichte  und der Viskosität  fliesst, lässt sich
die Reynolds-Zahl berechnen durch:
Re 
d 

v
Reynolds-Zahl
(Eq.42)
Dabei ist v die mittlere Strömungsgeschwindigkeit. Laminare Strömung
tritt unterhalb eines kritischen Wertes Re krit für die Reynoldszahl auf. Für
zylindrische Innenströmung in Rohren mit kreisförmigem Querschnitt liegt
diese Zahl bei 2320. Oberhalb von diesem Wert tritt turbulente Strömung
auf. Eine Strömung wird als turbulent bezeichnet, wenn der Hauptbewegung
dreidimensionale, instationäre Schwankungen überlagert sind. Das Strömungsprofil bei turbulenter Strömung unterscheidet sich deutlich von
demjenigen bei laminarer Strömung (Fig.9).
v
Strömungsformen
turbulente
Strömung
v
Fig.9. Strömungsprofile bei Rohrströmung: links laminar; rechts turbulent
Der longitudinale Druckabfall in einem Rohr kann bei turbulenter Strömung
durch eine sogenannte Rohrreibungszahl  beschrieben werden. Der
Druckgradient ist dann gegeben durch:
p  v 2
 
z d 2
(Eq.43)
217 RohrreibungsZahl
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Anstelle der mittleren Geschwindigkeit kann auch der Volumenstrom
I V  V / t eingesetzt werden. Mit v  I V /(  (d / 2) 2 ) ergibt sich für
den Druckabfall auf die Länge z :
p  R  I V   
8  z 2
 IV
 2d 5
(Eq.44)
Beachtenswert ist einerseits die quadratische Abhängigkeit vom Volumenstrom und andererseits die fünfte Potenz beim Rohrdurchmesser.
Aufgaben
A1. Gegeben sei ein Rohr mit einem Radius von 1 cm und einer Länge von
1 m. Durch dass Rohr fliesst Wasser, wobei die Druckdifferenz zwischen
den Enden 1 Pa betrage.
a) Wie gross ist die maximale Strömungsgeschwindigkeit?
b) Wie gross ist der Volumenstrom?
A2. Durch ein Rohr (Länge 5 m; Radius 1cm) sollen pro Sekunde
10 6 m 3 / s Wasser fliessen.
a) Welche Druckdifferenz muss dafür zwischen den Enden
herrschen?
b) Ist die Strömung turbulent?
c) Beantworten Sie die Fragen a und b für Glycerin.
A3. Ein Rohr mit einer Querschnittsfläche A1 verenge sich über die Länge l
(Querschnittsfläche A2). Dannach öffne sich das Rohr wieder und habe die
Querschnittsfläche A1.
Welche Druckverhältnisse (statischer Druck und Staudruck) erwarten Sie
am Ende des Rohres für ein reales, inkompressibles Fluid, wel-ches mit der
Geschwindigkeit v1 in den Rohrabschnitt hineinfliesst. Begründen Sie ihre
Antwort mit der Kontinuitätsgleichung und dem Energiesatz.
218
Abhängigkeit
der Druckdifferenz vom
Volumenstrom
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
(a) v max 
(b) I V 
p
 R 2  2.5cm / s
4  z
V R 4 p


 3.93  10 6 m 3 / s
t
8 z
L2.
8  z
 I V  1.273Pa
R 4
2R  
  p  R 3
(b)
Re 
v 
 127.3 für Abschätzung

2 2  z
p
v  v max 
 R 2 ; selbst mit v max keine turbulente Strömung
4  z
(a) p  R  I V 
(c) p 
mit
 Glyc
8z  I V




p

 1.9kPa ;
Glyc
Wasser
Wasser
R 4
keine turbulente Strömung, da bei grösser werdender Viskosität die
Reynoldszahl noch kleiner wird, die Dichte liegt aber in der selben
Grössen-ordnung (1261 kg/m3) wie die von Wasser.
L3. Da das Fluid inkompressibel ist, gilt die Kontinuitätsgelichung: Das
Produkt von Fläche und Geschwindigkeit ist über alle Rohrabschnitte
konstant. Für die Energie kann folgende betrachtung gemacht werden:
E kin 
mv 22 mv12

 E Re ibung
2
2
Nach Abschnitt 622 gilt nun für die Drücke:
p1  p 2 
E Re ibung 1
1
  v 22  v12 
   v 22  v12  p
2
A1v1  dt 2




Daraus ergibt sich die Bernoulli-Gleichung für reale Fluide:
p1 
1 2
1
v1  p 2  p  v 22
2
2
219 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 624 Laminare und turbulente Umströmung von Körpern
Theorie
Auch bei Aussenströmung (Umströmung eines Körpers) kann zwi-schen
laminarer und turbulenter Strömung unterschieden werden. Die durch die
Strömung verursachte Widerstandskraft kann in zwei komponenten aufgeteilt werden: Den Reibungswiderstand und den Druckwiderstand.
Im laminaren Fall strömt das Fluid über die Oberfläche des umströmten
Körpers und erzeugt dabei pro Flächenelement dS die Reibungskraft
dFR    dS . Bei dreidiemnsionalen, umströmten Körpern tragen nur die
gegen die Bewegungsrichtung wirkenden Kraftkomponenten zum Gesamtwiderstand bei. Es muss also die Projektion
die Bewegungsbzw.
 
 auf

Strömungsrichtung betrachtet werden: dFR  (v / v)  dS  (v / v) . Für
eine von einem Fluid mit Viskosität  umströmte Kugel ergibt sich:
FR  6r  v
Reibungs- und
Druckwiderstand
Gesetz von
Stokes
(Eq.45)
Für Re < 1 ist die Umströmung schleichend, es überwiegt die Reibungkraft
den Druckwiderstand bei weitem. Für grössere Werte der Reynoldszahl
wird der Druckwiderstand bedeutend: Die durch den Staudruck verursachte
Widerstandskraft (Druckwiderstand) ist gegeben durch FW 
1 2
v  A ,
2
wobei A die senkrecht zur Strömung stehende Querschnittsfläche des
Körpers ist. Im Fall von Turbulenzen muss ein formabhängiger Korrekturfaktor, der dimensionslose Widerstandskoeffizient cw eingeführt
werden:
FW  c w 
A
2
 v2
(Eq.46)
Der Koeffizient cw ist nur näherungsweise für einen beschränkten Geschwindigkeitsbereich konstant, da er von der Reynoldszahl bzw. von der
Geschwindigkeit abhängt. Bei einer turbulent umströmten Kugel variieren
die cw-Werte zwischen 0.1-0.5.
Nebst dem Luftwiderstand kann auch der (dynamische) Auftrieb eines
umströmten Körpers berechnet werden: FA  c A Av 2 / 2 . Hier ist A die
auftriebserzeugende Fläche. Der Auftriebskoeffizient cA kann experimentell
ermittelt werden.
220
cw-Wert
Abhängigkeit
von der
Reynolds-Zahl
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Aufgaben
A1. Eine Kugel mit Radius r und der Masse m sinke in einem Öl mit
Viskosität  ab.
a) Berechnen Sie die Beschleunigung der Kugel für den Fall Re < 1.
b) Berechnen Sie die Gleichgewichtsgeschwindigkeit: Für welche
Fälle ist Re < 1 während dem Absinken immer erfüllt?
c) Berechnen Sie die Geschwindigkeit als Funktion der Zeit.
d) Um welchen Faktor ändert sich die maximale Sinkgeschwindigkeit, wenn der Radius der Kugel halbiert wird?
A2. Ein Pendel, bestehend aus einer Kugel (Masse m) an einer Feder
(Federkonstante D), werde ausgelenkt. Die Kugel sei in eine Flüssigkeit mit
der Viskosität  eingetaucht.
a) Leiten Sie die Bewegungsgleichung her. Berücksichtigen Sie dabei
Reibungs- und Druckwiderstand.
b) Berechnen Sie die Auslenkung als Funktion der Zeit für den Fall
Re < 1.
c) Programmieren Sie (mit einem graphischen Modelleditor, zB
Berkeley Madonna oder Vensim) eine Simuation zu diesem
Pendel: Wie ändert sich die Hüllkurve der Auslenkungs-funktion,
wenn der Druckwiderstand zunimmt?
d) Erweitern Sie die Simulation für eine Kugel, welche sich unterhalb
der Gleichgewichtsposition im Öl, oberhalb jedoch in Luft bewegt.
A3. Im Kapitel 200, Abschnitt 233 wurde ein Modell zur Simulation des
Raketenflugs entwickelt. Dabei wurde ein konstanter cW-Wert
angenommen. Da nun aber der cW-Wert wesentlich von der Um-strömung
abhängt, vor allem bei grossen Geschwindigkeitsunter-schieden, kann das
Modell entsprechend verfeinert werden. Folgen-de cW-Werte seien in
Abhängigkeit der Geschwindigkeit einer Rakete ermittelt worden:
v
m/s
cW
50
100
200
250
300
320
340
360
400
500
0.08
0.10
0.11
0.14
0.19
0.24
0.31
0.42
0.47
0.53
Erweitern Sie das Modell entsprechend.
221 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
(a) ma = Summe aller Kräfte,
also ma = Gewichtskraft – Auftriebskraft - Reibungskraft:
ma  mg   fluid  Vg  6rv
somit gilt für die Beschleunigung a  v :
dv   fluid  V
 1 
dt 
m

6r
  g 
v
m

(b) Die Bewegungsgleichung hat die Form v     v . Es wird eine
Gleichgewichtsgeschwindigkeit (= maximale Sinkgeschwindigkeit, falls
v0   eq ist) erreicht für 0    v eq , also:
veq 
 m   fluid  V   g

;

6r
Diese Geschwindigkeit muss so klein sein, dass Re < 1 erfüllt ist. Dies wird
erreicht für kleine Massen m , grosses Volumen V (kleine Dichte der Kugel) und grosse Viskosität  . Auch eine grosse Dichte des Öls ist günstig,
da der Auftrieb zunimmt. Allerdings beginnt die Kugel zu steigen, wenn
die Auftriebskraft grösser als die Schwerkraft ist.
(c)
dv
c
   v   dt  t  
   v  e  t  c  v 

1

ln    v 
 e c  t
 e
 
Anfangswert v 0 bei t = 0s einsetzen: v(t ) 
(d)
veq (r2 )
veq (r1 )
222

(m1   fluid  V1 )  r2
(m2   fluid
 

  v0    e  t
 

r22 1
4 3
 2  ; mit V 
r
3
4
 V2 )  r1 r1
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L2.
(a) ma   Ds  6rv  c w 

A
2
v v
d 2s
D
6r ds
A  ds  ds
  s
  cw 
 
2
m
m dt
2m  dt  dt
dt
(b) Für Re < 1 kann der Druckwiderstand vernachlässigt werden, die
Bewegungsgleichung hat nun die Form: s  2s   02 s  0 . Eine Lösung
ist gemäss Kap.400 (Abschnitt 413):
s (t )  s 0  e  t  cos(t ) mit  02   2  2
somit resultiert:
s (t )  s 0  e

3r
t
m
 D  3r  2 
 cos

t
 m  m 



(c) Die Systemgleichungen sind:
A
ds
dv
D
6r
 v und
  s
 v  cw 
v v
2m
dt
dt
m
m
Flussdiagramm für Berkely Madonna:
223 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Für die Simulationen wurden folgende Werte verwendet: Anfangsauslenkung s 0  0.3m , Anfangsgeschwindigkeit v0  0m / s , Radius der
Kugel r  0.01m , Dichte der Kugel 1  10 4 kg / m 3 , c w  0.5 ,
D  100 N / m ; Numerik: Runge-Kutta-Verfahren,
Federkonstante
4
t  2.5  10 s .
Für Wasser (   10 3 Pa  s ,    2  10 3 kg / m 3 ) resultiert ini-tial
eine starke Dämpfung (Fig.10), später werden die Verhältnisse von zwei
aufeinander folgenden Auslenkungsspitzen kleiner – die Dämpfung ist eindeutig nicht exponentiell.
0.3
0.25
0.2
0.15
s/m
0.1
0.05
0
-0.05
-0.1
-0.15
-0.2
0
0.5
1
1.5
2
t/s
Fig.10. Gedämpfte Schwingung einer Kugel in Wasser: Nicht-exponentielle
Dämpfung, verursacht durch den Drukwiderstand.
Die Situation ändert sich, wenn eine Flüssigkeit mit hoher Viskosität
(Glycerin, Öle) genommen wird. Für   1Pa  s ergibt sich eine star-ke
Dämpfung (Fig.11), welche eher exponentiell ist. Wird der Druckwiderstand vernachlässigt, resultiert eine perfekt exponentielle Däm-pfung
(Fig.12). Es stellt sich nun die Frage, welche mathematische Funktion die
Dämpfung in Fig.10 beschreibt. Dazu lässt sich auf-grund der Theorie in
Kap.400 eine Hypothese aufstellen: Die Däm-pfung wird durch eine
Differentialgleichung beschrieben, welche der Bewegungsgleichung ohne
Federkraft-Term entspricht.
224
2.5
3
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 0.3
0.25
0.2
s/m
0.15
0.1
0.05
0
-0.05
-0.1
-0.15
0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
t/s
Fig.11. Strake Dämpfung bei Kombination von Druck- und Reibungs-widerstand
in öliger Flüssigkeit.
0.3
0.2
s/m
0.1
0
-0.1
-0.2
-0.3
0
0.5
1
1.5
2
2.5
t/s
Fig.12. Exponentielle Dämpfung bei vernachlässigten Druckwiderstand.
Die Hypothese lässt sich mit der Simulation gut überprüfen. Sei f  f (t )
die Funktion, welche die Hüllkurve beschreibt, so müsste sie gemäss der
Hypothese eine Lösung von folgender Differentialgleichung sein:
df
   f
dt
2
225 3
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Die Lösung lässt sich durch Separation und Integration finden:
df
f
2
 t  c  
1
 f (t ) 
f
1
t 
1
f0
Somit ist also eine t 1 -Abhängigkeit der Hüllkurve zu erwarten. Die
Differentialgleichung oder aber auch die Lsungsfunktion lässt sich in die
Simulation integrieren. Die Hypothese ist in Fig.13 für Wasser und die
verwendeten Parameter bestätigt (mit   10c w    A / m )
0.3
0.25
0.2
0.15
s/m
0.1
0.05
0
-0.05
-0.1
-0.15
-0.2
0
0.5
1
1.5
2
t/s
Fig.13. Dämpfung proprtional zu t
1
.
(d) In die Simulation muss eine bedingung eingefügt werden:
A
dv
D
 6r

  s
 v  cw 
 v  v   Pos
2m
dt
m
 m

mit Bedingung IF(s > 0, Pos = 1, 0)
oder IF s > 0 THEN Pos = 1 ELSE Pos=0
(Der gernaue Syntax hängt vom verwendeten Simulationsprogramm ab.)
226
2.5
3
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L3. Mit einem konstantem cW-Wert von 0.1 beträgt die maximale
Geschwindigkeit ca. 936 m/s und die maximale Höhe rund 62.9 km, mit
dem angepassten Modell deutlich weniger, allerdings wurde der Effekt der
Dichteabnahme mit der Höhe nicht berücksichtigt. Dieser beeinfluss den
cw-Wert massiv.
600
400
v
200
0
-200
-400
-600
0
20
40
60
80
100
120
140
160
180
TIME
3e+4
2.5e+4
h
2e+4
1.5e+4
1e+4
5000
0
0
20
40
60
80
100
120
140
160
180
TIME
Verwendete Gleichungen und Parameter
{Reservoirs}
d/dt (h) = + dhdt
INIT h = 0
d/dt (p) = + Fs - FGandFw
INIT p = 0
d/dt (mfuel) = - Im
INIT mfuel = 600
{Flows}
dhdt = v
Fs = (u-v)*Im
FGandFw =
mtot*g+(cw*ro*A/2)*v*abs(v)
Im = IF mfuel>0 THEN dmdt
ELSE 0
{Functions}
mempty = 400
mtot = mempty+mfuel
u = 2000
dmdt = 10
v = p/mtot
cw = #cW_v(v)
A=1
ro = 1.293*exp(-k*h)
g = 9.81
k = logn(2)/5500
{Globals}
{End Globals}
227 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 625 Simulation von Systemen mit Speichern und Flüssen
Theorie
In diesem Abschnitt geht es um einfache Modelle zu Systemen mit
Speichern und Flüssen.
Ein einfaches Kreislaufmodell lässt sich als System vorstellen, in welchem
eine Pumpe (also das Herz), einen Druck im System erzeugt (Fig.14).
Iv
pv
pa
Einfaches
Kreislaufmodell
Ia
Cv
Qa
Qv
Ca
IR
R
Fig.14. Einfaches Kreislaufmodell.
Auf der arteriellen Seite erzeugt das Herz den arteriellen Druck p a und
pumpt den Blutstrom I a ins System. Das arterielle System habe die Kapazität C a . Dieses Kapazität kommt durch ein zusätzliches Volumen
zustande, welches bei Druckanstieg durch die Defor-mation der Gefässe
entstehen kann (Windkesseleffekt). Sie beschreibt einfach, welche Blutmenge Qa bei einem bestimmten Druck im System gespeichert werden
kann. Das Blut fliesst über das Kapillarbett in den venösen Teil des
Systems. Dieses setzt dem Blutstrom einen Widerstand R entgegen, es
fliesst der Strom I R . Der venöse Teil besitzt wieder eine Kapazität C v , wo
die Menge Qv gespeichert werden kann. Im venösen System herrsche der
venöse Druck p v . Zum Herzen fliesst der venöse Strom I v zurück. Für die
Differenz von arteriellem zu venösem Strom gilt:
Ia  IR 
228
dQa dQa dp a


dt
dp a dt
(Eq.47)
Arterieller
Druck und
Blutstrom
venöses System
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Die Änderung der gespeicherten Menge dQq pro Druckänderung dp a ist
aber gerade die Kapazität:
Ca 
dQa
dp a
Kapazität
(Eq.48)
Somit ergibt sich aus Eq.47:
I a  I R  Ca 
dp a
dt
(Eq.49)
Für die venöse Seite kann die gleiche Betrachtung gemacht werden. Es resultiert:
I R  I v  Cv 
dp v
dt
(Eq.50)
Der Strom I R ist von der Druckdifferenz von arterieller zu venöser Seite
abhängig:
R  I R  pa  pv
(Eq.51)
Das Modell steht in völliger Analogie zur Elektrizitätslehre. Dabei entspricht Eq.51 dem Ohmschen Gesetz. Der periphere Widerstand ist hier
gegeben durch den mittleren arteriellen Druck dividiert durch den mittleren
arteriellen Fluss (grob geschätzt 80 mm Hg pro 4 l / min, also 10666 Pa pro
0.067 l / s).
Das Diagramm in Fig.15 lässt sich als Berkeley-Madonna- Flowchart oder
generell als Flussdiagramm umsetzen. Dabei wurde der Lungen-kreislauf in
die venöse Seite integriert. Die Blutmenge wird in Fig.15 durch das
Volumen ausgedrückt, entsprechend werden Volumenströme betrachtet.
229 Analogie zu
einem
elektrischen
Stromkreis
Flussdiagramm
für Blutkreislauf
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Fig.15. Flussdiagramm für Kreislaufmodell
In Fig.16 sind die Druckverläufe für die arterielle und venöse Seite sowie
der Ventrikeldruck gezeigt. Deutlich zu erkennen ist der sogenannte Windkesseleffekt im Arteriellen System. Der diastolische Blutdruck sinkt nicht
unter 80 mmHg. Der arterielle Blutdruck pendelt zwischen 80 und 120
mmHg.
230
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 160
140
pSyst, pa, pv
120
100
80
60
40
20
0
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
TIME
Fig.16. Druckverläufe: Der Fluss J2 in Fig.15 ergibt sich aus
(pSyst + pv) / Rv; Zeit in Sekunden
Im folgenden Abschnitt soll die Analogie zur Elektrizitätslehre etwas
allgemeiner betrachtet werden. Dazu doll der Volumenstrom I V be-trachtet
werden. Für den Fluss durch eine dünne Rhrleitung mit Radius r und der
Länge l kann der Volumenstrom aus der Druckdifferenz p  p 2  p1
über der Leitung berechnet werden:
IV 
p r 4

 p
RV 8l
(Eq.52)
Dabei beschreibt RV den Fliesswiderstand (analog dem elektrischen
Widerstand). Dabei kann für eine laminare Strömung das HagenPousseuille-Gesetzt verwendet werden:
RV 
8l
r 4
Volumenstrom
FliessWiderstand
(Eq.53)
Ein einfaches Beispiel ist ein Flüssigkeitstank, bei diesem eine hori-zontale
Rohrleitung am Boden angeschlossen ist. Die Volumenänderung zwischen
t2
zwei Zeiten t1 und t 2 ist gegeben durch V  V  dt .

t1
Wenn der Tank gefüllt ist, fliesst aus der Rohrleitung Flüssigkeit ab. Für die
Volumenänderung pro Zeit (Änderungsrate) gilt:
dV
r 4
  IV  
 p
dt
8l
(Eq.54)
231 VolumenÄnderung
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Angenommen, der Flüssigkeitstank sei zylindrisch mit der Grundfläche A
(also mit dem Volumen V  Ah ), so resultiert unter Verwendung des
hydrostatischen Drucks p  p 2  0  p  gh aus Eq.54:
gr 4
dh

h
8lA
dt
(Eq.55)
Die Gleichung hat die Form h   h /  und besitzt somit die Lösung
h(t )  h0  e t /  . Dies steht in Analogie zur Entladung eines elektrischen
Kondensators. Anstelle einer elektrischen Kapazität (Fassungsvermögen für
Ladungen bei gegebener elektrischer Spannung) kann nun eine hydraulische
Kapazität (analog zu Eq.48, aber hier für das Volumen) definiert werden:
C
dV
A  dh
A


dp g  dh g
Analogie zur
KondensatorEntladung
Kapazität
(Eq.56)
Somit ist die Konstante  gegeben durch   RC , was wiederum in
völliger Analogie zur Elektrizitätslehre steht.
Die Analogie kann noch auf die Induktivität ausgedehnt werden. Fliessen
elektrische Ströme, so entstehen Magnetfelder (Abschnitt 832). Ändern sich
die Stromstärken, so kommt es auch zur Änderung dieser magnetischen
Felder, was zu einer Trägheit des Systems führt. Fliessen Flüssigkeiten, so
ergibt sich ebenfalls eine Trägheit, da bei Änderung der Fliessgeschwindigkeit sich auch der Impuls ändert. Die Impulsänderung entspricht
der Kraft, es gilt für eine Röhre mit der Querschnittsfläche A p also
m  a  V    v  A p l  v   A p  p , also:
 l 
dv
 p
dt
(Eq.57)
Angenommen, in der Röhre sei das Strömungsprofil rechteckig, also über
den ganzen Querschnitt sei die Fliessgeschwindigkeit v konstant, dann gilt
für den Volumenstrom I V  A p  v . Für die zeitliche Änderung ergibt sich
somit:
dI V
dv
 Ap 
dt
dt
Somit lässt sich Eq.57 umschreiben zu:
232
(Eq.58)
Impulsänderung
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik p  
dI
l   dI V

 L  V
dt
A p dt
(Eq.59)
Induktivität
Die Grösse L wird als hydraulische Induktivität bezeichnet. Deren Bedeutung wird sichtbar, wenn beim Volumenstrom nun zusätzlich dieser induktive Anteil in Eq.54 mitberücksichtigt wird:
dV
L dI
1
   p   V
dt
R
R dt
(Eq.60)
Mit C  Δp  V resultiert:
Schwingungen
im U-Rohr
d 2V R dV
1


V  0
2
dt
L dt LC
Die Gleichung Eq.60 liefert z.B. für ein U-Rohr als Lösung eine gedämpfte
Schwingung (vgl. Abschnitte 413). Die Gleichung ist von der Form her vollkommen identisch zur Gleichung für den elektrischen Schwingkreis (Abschnitt 843)!
233 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Aufgaben
A1. Zwei zylindrische Tanks seien am Grund mit einer horizontalen Leitung
mit einem Radius von 1 cm und einer Länge von 1 m ver-bunden. Der eine
Tank habe eine Grundfläche von 1 m2 und die Füllhöhe betrage 1 m. Der
zweite Tank sei leer und habe eine Grund-fläche von 0.5 m2.
Berechnen Sie mittels einer Computersimulation, wie sich für Wasser und
Glycerin die Füllhöhen der zwei Tanks mit der Zeit ändern.
A2. In dieser Aufgabe soll der Ausfluss von Wasser aus einer Büchse mit
einem Loch im Boden simuliert werden (Fig.17).
A
h
AL
Fig.17. Büchse mit Loch: h ist die Füllhöhe des Wassers.
Nach dem Gesetz von Torricelli ist die Ausflussgeschwindigkeit vom
hydrostatischen Druck p = gh und von der Dichte  selbst abhängig (mit 
= Dichte der Flüssigkeit): v  2 p /   2 gh .
a) Begründen Sie die Formel v  2 p /   2 gh
b) Suchen Sie eine Systemgleichung, welche die Abnahme von
h  h(t ) beschreibt (Hinweis: Volumenbilanz).
c) Kann diese Gleichung analytisch gelöst werden? Wenn ja, wie
lautet die analytische Lösung?
d) Simulieren Sie die Abnahme der Füllhöhe h  h(t ) . Was stel-len
Sie fest?
234
Gesetz von
Toricelli
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
Folgendes Flussdiagramm repräsentiert das System:
V1
V2
I12
A1
A2
dp
Rv
h1
h2
g
ro
eta
l
r
Systemgleichungen:
g  (h1  h2 )
dh
dV1
1

 p  
 A1  1
8  l
dt
RV
dt
4
r
und
g  (h2  h1 )
dV2
dh
1

 p  
 A2  2
8  l
dt
RV
dt
4
r
Für die Parameterwerte in Aufgabe 1 ergeben sich die folgenden Lösungsfunktionen für Wasser:
Füllhöhe h / m
1.0
0.5
30
Zeit t / s
60
235 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L2. (a) Die Formel lässt sich mit dem Gesetz von Bernoulli begrün-den:
1 2
v  gh : Nach v auflösen führt zu v  2 gh .
2
Um die Frage (b) zu klären, kann die Füllhöhe h = h(t) (Fig.17) berechnet
werden. Dies kann über das abfliessende Volumen (Volumenänderung
dV/dt) geschehen, wobei die Abnahme des Volumens in der Büchse (-dV/dt)
gleich dem ausfliessenden Volumen, also dem Produkt aus Ausfliessgeschwindigkeit und Querschnittsfläche des Lochs ist:
dV
  AL v
dt
(Eq.61)
Hier ist AL die Querschnittsfläche des Lochs und v ist die Ausfliessgeschwindigkeit. Die Füllhöhe h kann aus dem Volumen V berechnet werden,
wenn durch die Grundfläche A der Büchse dividiert wird. Nach dem Gesetz
von Torricelli ist die Ausflussgeschwindigkeit vom hydrostatischen Druck p
= gh und von der Dichte  selbst abhängig (mit  = Dichte der
Flüssigkeit): v  2 p /   2 gh . Es resultiert somit für die Füllhöhe h
folgende Differentialgleichung:
A
dh
 L
dt
A
2 gh   h
(Eq.62)
mit   ( AL / A) 2 g .
Die Gleichung kann durch Integration analytisch gelöst werden:
 

1 / 2
 h dh    dt  h(t )   c  2 t 
2
(Eq.63)
Die Integrationskonstante c kann wiederum aus den Anfangsbedin-gungen (t
= 0) bestimmt werden: h(t  0)  h0  c 2  c  h0 . Interessant ist,
dass hier die Lösung eine quadratische Funktion ergibt. Diese Parabel ist
aber nur ein Teil der Lösung, da sich die Büchse nur entleeren, nicht aber
wieder von selbst füllen kann (Fig.16)6.
6
Für die Gleichung h  
h würde die Lösungsfunktion nach Erreichen des
Nullniveaus ins Negative durchfallen.
236
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Füllhöhe h(t) / m
0.10
0.08
0.06
a
0.04
b
a
0.02
0
0
0.2
0.4
0.6
Zeit t / s
0.8
1.0
Fig.18. Lösungsfunktion h(t): (a) analytische Lösung, der gestrichelte Teil der
Parabel ist nicht im Definitionsbereich der Differentialgleichung und somit nicht
Lösung, (b) numerische Lösung mit t = 0.01s, h0 = 0.1 m, = 1.
Numerisch äussert sich das Erreichen des Null-Pegelstandes in der Regel für
de Änderung dh/dt mit einem negativen Wert unter der Wurzel, da dass
System numerisch etwas überschiesst. Somit wird auch bei der numerischen
Simulation nicht ein magischer Wieder-anstieg von h(t) beobachtet, sondern
mit einer Fehlermeldung abgebrochen.
Der Zeitpunkt des Erreichens des Nullniveaus h(tN) kann analy-tisch
berechnet werden. Dafür wird h(tN) = 0 gesetzt. Aus der Bedingung
0


2
h0  t / 2 resultiert:
tN 
2 h0

(Eq.64)
Die Systemgleichung Eq.62 stellt streng genommen nur eine Approximation dar. Ein Vergleich von Modellrechnung und Messung am realen
Experiment zeigt jedoch eine recht gute Übereinstimmung.
237 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 626 Schallwellen in Gasen und Flüssigkeiten, Dopplereffekt
Theorie
Wie im elastischen Medium können sich auch in Gasen und Flüssigkeiten
Wellen ausbreiten. Dabei handelt es sich um Longitudinalwellen. Im Folgenden soll ein zylindrischer Bereich betrachtet werden (Fig.19).
jp1
A
Longitudinalwellen
jp2
x
x+x
Fig.19. zylindrisches Volumenelement
Für die Herleitung der Wellengleichung kann die folgende Kräftebetrachtung gemacht werden:
ma   Fi  m 
i
dv
 F1  F2
dt
Nun lassen sich die Imulsstromdichten j p1 und j p 2 in x-Richtungfür das in
Fig.19 eingezeichnete Volumenelement bilanzieren:
jp  
dv
 ( j p1  j p 2 )  A  ( j p 2  j p1 )  A   A  j p
dt
(Eq.65)
Diese Bilanz lässt sich für jedes Längenelement x machen:
j p
m dv
dv

C *    A 
x
x dt
dt
238
Impulsströme
F
A
Das Vorzeichen legt fest, ob es sich um einen Einfluss der Ausfluss handelt.
Somit resultiert:
m
Kräftebetrachtung
(Eq.66)
ImpulsstromBilanz
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik für ein infinitesimales Längenelement ( x  0 ) gilt:
C *
j p
v
 A
x
t
(Eq.67)
Die Massenbelegung, also Massepro Läge C* entspricht der Dichte und
kann als apazitive Grösse aufgefasst werden. Das Verhältnis zwischen v und
j p ist gegeben durch eine induktive Grösse L* für den Impuls. Die Geschwindigkeitsdifferenz v ist proportional zur Querschnittsfläche mal Impulsänderung pro Zeit, zur Läge x und L*:
kapazitive und
induktive
Grössen
 dj p 

v  A  
 dt 
dj p

*
v  x
 x
v   L  A 
dt

*
v  L


L* beinhaltet alle elastischen konstanten. Somit resultiert (mit x  0 ):
j p
v
  L*  A 
t
x
elastische
Konstanten
(Eq.68)
und darum
j p  
1 v
  t
L* A x
(Eq.69)
Die Kombination von Eq.67 mit Eq.68 liefert:
v
1  v 
A
 * *     t
t L C A x  x 
Nach Anwendung der Ableitungsoperation
(Eq.70)

auf die ganze Glei-chung
t
(Eq.70) resultiert die Wellengleichung:
239 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik  2v
1  2v


t 2 L*C * x 2
(Eq.71)
Wellengleichung
Die Wellenausbreitungsbgeschwindigkeit ist gegeben durch:
c
1
L*C *
(Eq.72)
In Flüssigkeiten ist die Wellenausbreitungsgeschwindigkeit von der Kompressibilität  (= L*) und der Dichte  (= C*) abhängig:
c
1

(Eq.73)
In destilliertem Wasser resultiert (bei einer Temperatur von 20°C) eine
Geschwindigkeit von c  1483m / s .
In Gasen spielt die molare Masse, die universelle Gaskonstante R
(Kap. 700) und die Temperatur T eine Rolle:
c 
RT
M
Wellengeschwindigkeit
in
Flüssigkeiten
Wellengeschwindigkeit
in Gasen
(Eq.74)
Für Luft ist der Faktor   1.402 . In Luft beträgt die Schallgeschwindigkeit bei 20°C ca. 344 m/s. In Helium werden 1005 m/s erreicht und in
Kohlendioxid 268 m/s.
Bewegt sich eine Schallquelle relativ zu einem Empfänger, so ver-ändert
sich die wahrgenommene bzw. gemessene Frequenz. Bewegt sich eine
Schallquelle auf einen Beobachter zu, so werden die Wellenfronten gestaucht, wenn das Medium ruht. Die Verkürzung der Wellenlänge  hat
aber eine Erhöhung der Frequenz  zur Folge, weil gilt: c   . Dieser
Effekt wird Doppler-Effekt genannt. Für die durch den Beobachter wahrgenommene Frequenz  gilt:
  0 
c  vB
c  vQ
(Eq.75)
Dabei ist  0 die von der Quelle ausgesendete Frequenz und vQ ist die Geschwindigkeit der Schallquelle. Für einen ruhenden Beobachter ist v B  0 .
Die jeweils oberen Vorzeichen gelten für die Annäherung.
240
Doppler-Effekt
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Aufgaben
A1. Berechnen Sie die Wellenlänge einer Schallwelle in Luft für eine
Frequenz von 20 Hz (untere Hörschwelle) und 20 kHz (obere Hörschwelle)
bei 20°C.
A2. Ein Walbulle gebe unter Wasser einen Pfeifton bei einer Fre-quenz von
20 kHz von sich.
a) Wie lange dauert es bis eine Walkuh in 2 km Entfernung den Laut
hört?
b) Wie gross ist die Wellenlänge der durch diese Lautäusserung
verursachten Schallwelle?
c) Wie gross wäre die Wellenlänge der durch diese Lautäus-serung
verursachten Schallwelle, wenn die Frequenz 5 Hz be-tragen würde
(Infraschall, kein Pfeifton)?
A3. Ein Feuerwehrauto fährt mit Sirene (Frequenz  = 440 Hz) auf einer
geraden Strasse. Ein Beobachter steht im Abstand von 10 m von der Fahrbahn am Strassenrand. Die Geschwindigkeit des Feuerwehrautos betrage
konstant 90 km / h.
Berechnen Sie die Frequenz des Sirenentones, welcher der Beobachter
während der Durchfahrt des Feuerwehrautos hört.
A4. Bei einer Orgel habe die längste Pfeife des Manuals eine Länge von 8’
(8 Fuss ≈ 2.56 m).
a) Welchem Ton entspricht diese Pfeife, wenn es um eine offene
Pfeife handelt?
b) Welchem Ton entspricht diese Pfeife, wenn es um eine gedackte
(oben geschlossene) Pfeife handelt?
c) Welches Intervall zum Grundton besitzt eine Pfeife, deren Länge
2⅔’ beträgt?
d) Welches Intervall zum Grundton besitzt eine Pfeife, deren Länge
1⅓’ beträgt?
241 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.

c


1

C p RT

CV M

untere Hörschwelle  = 17.22 m;
obere Hörschwelle  = 1.72 cm
L2.
(a)
t 
s
 s      2  10 3 m  10 3 kgm 3  4.8  10 10 Pa 1
c
 0.2m  48s 2 m  2  1.39 s
(b)


c


1
  
1
2  48

1
2  10 s  10 kgm 3  4.8  10 10 Pa 1
4
1
3
m  0.07m
(c)


242
1
  

1
5  10  4 48
1
1
5s  10 kgm  4.8  10 10 Pa 1
3
m  288.68m
3
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L3.
s
Q
vQ

vQB
d

B
  0 
c
c
c
 0 
 0 
c  vQB
c  vQ  sin 
c  vQ  sin tan 1 ( s / d )


441.5
Frequenz  / Hz
441
440.5
440
439.5
439
438.5
-400
-300
-200
-100
0
100
200
300
400
Distanz s / m
L4.
(a) C (da  
c


340ms 1
 66.4 Hz ist)
5.12m
340ms 1
 33.2 Hz
(b)  
10.24m
(c) Oktave + Quinte
(d) Oktave + Oktave + Quinte
243 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 627 Schallpegel
Theorie
Die Schallintensität J ist definiert als die Schallleistung pro Fläche. Es gilt:
J
dP
dA
(Eq.76)
Wenn eine punktförmige Schallquelle ihre Leistung isotrop abgibt, nimmt
die Schallintensität quadratisch mit dem Abstand zur Quelle ab, da eine
Kugelfläche um die Quelle quadratisch mit dem Radius zunimmt:
J
J ref
Dabei ist die Referenzintensität bei r  1m zu nehmen. Der Höreindruck
des Schalls ist logarithmisch. Deshalb wurde eine dem Höreindruck entsprechende Grösse definiert: Der Schallpegel L :



(Eq.78)
Hier ist J 0  10 12 W / m 2 die gerade noch wahrgenommene Intensität bei
einer Frequenz von 1kHz (Hörschwelle). Die Einheit ist Dezibel (dB).
Aufgaben
A1. Bei einer punktförmigen Schallquelle werde in einem Meter Abstand
eine Schallintensität von 10 W gemessen. Wie hoch ist der Schallpegel in
einer Entfernung von 2 m bzw. 4 m?
A2. Eine Schallquelle mit einer Schallleistung habe die Geometrie einer
langen, geraden Linie (Länge 100 m). In einem Abstand von 5 m werde eine
Schallintensität von 20 W gemessen.
Wie gross ist der Schallpegel in 10 m Entfernung von der Quelle?
244
quadratisches
Abstandsgesetz
(Eq.77)
r2
 J
L  10  log
10  J 0
Schallintensität
Schallpegel
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
bei 2m
 J (1m) 
 J (r ) 
  124dB
  10  log 2
L  10  log

J

r
J
 0 
0 

bei 4m
 J (1m) 
 J (r ) 
  118dB
  10  log 2
L  10  log

J

r
J
 0 
0 

L2.
 J (r ) 
 J (r ) r
  10  log 1  1
L  10  log
 J0 
 J 0 r2

  130dB

Anmerkung: Die Zylinderfläche um die Schallquelle nimmt linear mit dem
Radius r zu.
245 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 700 Thermodynamik
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der physikalischen Grösse Temperatur
und den mit dieser Grösse zusammenhängenden Phänomenen. Gemäss dem
nullten Hauptsatz der Thermodynamik kann jedem ma-kroskopischen System eine Temperatur zugeordnet werden. Für ein grundlegendes Verständnis
muss auf eine mikroskopische Betrachtungsweise zurück gegriffen werden.
Mit einem Teilchenmodell lassen sich Grössen wie Temperatur und Entropie gut fassen. Die Temperatur lässt sich mikroskopisch mit mechanischen
Grössen in Verbindung bringen. Die physikalischen Anwendungen in diesem Kapitel bewegen sich jedoch vor allem auf der makroskopischen Ebene.
Die Lernziele sind:
1. Temperatur und Temperatureffekte physikalische beschreiben können
2. Prinzipien der Temperaturmessung kennen
3. Definitionen der wichtigsten thermodynamischen Grössen anwenden können
4. Energieumwandlungsprozesse thermisch in eigenen Worten beschreiben können
246
Inhalt
Lernziele
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 710 Temperatur
711 thermische Ausdehnung von Gasen
Theorie
Im Rahmen einer Modellvorstellung für ein ideales Gas können die Teilchen
(Atome bzw. Moleküle) als harte Kugeln betrachtet werden. Die Stösse
zwischen den Atomen sind in diesem Modell vollkommen elastisch. Werden
nun eine Anzahl N Teilchen in einem Volumen V bei einer bestimmten
Temperatur T betrachtet, so bewegen sich diese mit einer Geschwindigkeit

v  (v x , v y , v z ) durch das Volumen. Ein Teil dieser Teilchen stösst gegen
die das Volumen begrenzende Wände. Betrachten wird eine Wand, deren
be-grenzende Fläche senkrecht zur x-Richtungsteht. Der Druck p auf diese
Wand ist durch die x-Komponente der Kraft F gegeben, welche die gegen
die Wand stossenden Teilchen auf diese ausüben. Es gilt für das Flächenelement dA demnach:
p
dFx
dA
Mikroskopisches
Modell
Druck
(Eq.1)
Wenn jedes Teilchen die genau gleiche Masse m hat, so lässt sich die Kraft
in x-Richtung durch die Impulsänderung des Teilchens in x-Richtung ausdrücken:
Fx 
d (2mv x )
dv
 2m x
dt
dt
(Eq.2)
Der Druck könnte nun berechnet werden, wenn die Geschwindigkeitsverteilung bekannt ist. Dafür müssten Überlegungen zur Geschwindigkeitsverteilung angestellt werden1, was hier zu weit führen würde. Im Folgenden
sollen aber ein paar interessante Zusammenhänge aufgezeigt werden.
Die Geschwindigkeitsverteilung im idealen Gas wird durch die sogenannte MAXWELL-BOLTZMANN- Verteilung beschrieben. Dabei kann das dieale Gas im Volumen kann als isotrop betrachtet werden – es gibt also keine
ausgezeichnete Richtung. Wenn sich nun N Teilchen in einem Volumen V
bei der Temperatur T befinden, so kann die Anzahl Teilchen dN, welche die
Geschwindigkeit v + dv haben (sich also in der Geschwindigkeitsverteilung
1
Es müsste der Druckbeitrag dp, welcher durch die Teilchen im
Geschwindigkeitsintervall dv verursacht wird, berechnet werden.
247 Geschwindigkeitsverteilung
Ideales Gas
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik im Intervall v + dv befinden), berechnet werden mit dN  N  f (v)  dv .
Dabei ist f (v) eine normierte Verteilungs-funktion, für die gilt:


f (v)  dv  1

Der Erwartungswert des Quadrates der Geschwindigkeit lässt sich berechnen durch:

v 2   v 2  f (v)  dv
0
Im Fall der Maxwell-Boltzmann- Verteilung ist f (v ) gegeben durch:
4  m 
f (v ) 


  2kT 
3/2
v e
2

mv 2
2 kT
MaxwellBoltzmannVerteilungs
(Eq.3)
In Fig.1 sind die Verteilungen bei verschiedenen Temperaturen T dargestellt.
0.0025
0.002
Reihe1
0.0015
Reihe2
Reihe3
Reihe4
0.001
Reihe5
0.0005
0
0
500
1000
1500
2000
Fig.1. Maxwell-Boltzmann- Verteilung für verschiedene Temperaturen: Reihe 1 T =
273 K; Reihe 2 T = 400 K; Reihe 3 T = 700 K, Reihe 4 T = 1000 K; Reihe 5 T =
2000 K
Ausgehend von Eq.3 kann nun der Erwartungswert für die MaxwellBoltzmann- Verteilung berechnet werden:
248
2500
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 
v
2

3
2
mv
 m  2 2  2 kT
v
e
  v  f (v)  dv   v 


 dv

  2kT 
0
0
2
2
4
3
3
5



mv 2

4  m 2
4  m  2  3   2kT  2 
4
2 kT
v
e
dv










  2kT  0
  2kT   8  m  


3  2kT 
 

2 m 

3
2
5
 2kT  2 3kT

 
m
 m 
Für den Erwartungswert der kinetischen Energie ergibt sich somit:
1 2
3
mv  kT
2
2
(Eq.3)
Dabei ist k = 1.38·10-23 JK-1 die Boltzmann-Konstante. Diese ist quasi eine
Umrechnungskonstante für die mittlere Energie eines Teilchens. Es ist zu
beachten, dass die Temperatur (in Kelvin K) als absolute Grösse in die
Beziehung eingeht. Aus Eq.3 lässt sich herauslesen, dass eine Temperaturerhöhung zu einer Erhöhung des Erwartungswertes für die Geschwindigkeit und somit zu einem Druckanstieg führt. Zudem kann festgehalten werden, dass der Druck mit der Anzahl Teilchen N im Volumen V
steigt. Sowohl theoretisch als auch experimentell kann folgende Beziehung
gefunden werden:
p
N
kT
V
Temperatur
(Eq.4)
In der Praxis (e.g. Chemie) ist es von Vorteil, nicht mit der Anzahl Teilchen
N, sondern mit der Anzahl Mol n zu rechnen. Anstelle der BoltzmannKonstante tritt die universelle Gaskonstante R = NA·k (mit NA = Avogadrozahl). Diese Beträgt 6.022·1023 (mol-1)·1.38·10-23(JK-1) = 8.31 J mol1 -1
K . Mit der universellen Gaskonstante R lässt sich das Gasgesetz für ideale
Gase wie folgt schreiben:
pV  nRT
BoltzmannKonstante
universelle
Gaskonstante
(Eq.5)
Für nicht-ideale Gase müssen die intermolekularen Kräfte noch berücksichtigt werden. Näherungsweise kann dies mit der Van der Waals- Gleichung erfolgen.
249 Van der Waals
- Gleichung
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Aufgaben
A1. Leiten Sie den mittleren Impuls eines Teilchens im idealen Gas als
Funktion der Temperatur her.
A2. Welche mittlere Geschwindigkeit hat ein Stickstoffmolekül bei einer
Temperatur von 0°C und bei 1000°C?
A3. Zeigen Sie, dass das Produkt pV die Einheit Joule hat.
A4. Welches Volumen hat ein Mol eines idealen Gases bei Raumtemperatur
(20°C) und 1013 hPa Druck?
A5. In einer Druckflasche mit einem Volumen von 10 Liter habe es 50 g
reinen Sauerstoff.
a) Welcher Druck hat die Flasche bei 20°C?
b) Welcher Druck hat die Flasche bei 20°C, wenn anstelle von reinem
Sauerstoff 50 g Luft genommen würde?
A6. In einer geschlossenen Flasche mit 20 Liter Inhalt herrsche bei 15°C ein
Druck von 2000 hPa.
a) Welche Menge CO2 müssten in der Flasche sein, um diesen Druck
zu erzeugen?
b) Um welchen Faktor würde sich der Druck ändern, wenn die Flasche
mit Inhalt auf -30°C abgekühlt wird?
250
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
E kin 
(mv) 2
 (mv)  2mE kin  3mkT
2m
L2.
1 2
3
1
3kT
mv  kT  m v 2  v 
 491.64m / s
m
2
2
2
bei 0°C und v  1061.64m / s bei 1000°C
L3.
Pa  m 3 
N
 m 3  Nm  J
m2
L4.
V 
nRT
 0.024m 3  24 Liter
p
L5.
(a) p 
nRT
 380442 Pa  3804.42hPa
V
(b) p 
nRT
 422714 Pa  4227.14hPa
V
L6.
(a) n 
pV
pV
 1.67mol bzw. m  M CO 2  n  M CO 2 
 73.5 g
RT
RT
nRT
 31250 Pa  312.5hPa ;
V
2000hPa
Faktor =
= 1.18
(2000  312)hPa
(b) p 
251 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 712 thermische Ausdehnung von Flüssigkeiten und Festkörpern
Theorie
Die meisten festen Körper und auch Flüssigkeiten dehnen sich aus, wenn sie
sich erwärmen. Wenn die Temperatur in Zusammenhang mit der Bewegung
der Atome gebracht wird, ergibt sich eine Erklärung: Je mehr sich die
einzelnen Atome bewegen, desto mehr Platz benötigen Sie. Dabei nehmen
wir an, dass sich die Atome in beliebige Richtungen bewegen, die Bewegungsrichtungen also statistisch verteilt sind.
Auf makroskopischer Ebene lässt sich diese Ausdehnung Messen. Die
Längenänderung l eines Stabes mit der Länge l bei Erwärmung um die
Temperaturdifferenz T ist gegeben durch:
l  l  T
(Eq.7)
Für Festkörper gilt näherungsweise  ≈ 3.
Aufgaben
A1. Mittels der Ausdehnung eines Stabes soll die Temperatur gemes-sen
werden. Dabei soll eine Längenänderung von 1 mm genau einer Temperaturdifferenz von 1°C entsprechen.
Welches Material ist zu verwenden, damit der Stab möglichst kurz wird und
wie lang wäre dieser Stab?
252
thermische
Ausdehnung
eines Stabes
(Eq.6)
Die Längenausdehnugskoeffizienten liegen im Bereich von 31.3  10 6 K 1
für Blei und 10 7 K 1 für Glaskeramik. Für die Volumenausdehnung von
festen Stoffen und Flüssigkeiten kann ein ganz ähnliches Gesetz gefunden
werden:
V  V  T
Temperatur
und
Ausdehnung
Volumenausdehnung
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik A2. Ein Thermometer bestehe aus einer Hohlkugel mit einem Innenradius
R von 1 cm und einem daran befestigten Steigrohr (Innenradius r  1
mm) gemäss Fig.1. Darin befinde sich Quecksilber.
Fig.1. Hohlkugel mit Steigrohr
a) Welche Höhendifferenz des Quecksilbers wird bei einem Temperaturanstieg um 1°C im Steigrohr erzielt?
b) Ist h  h(T ) eine lineare Funktion? Welchen Einfluss hat das im
Steigrohr befindliche Volumen?
A3. Eine Hochspannungsleitung bestehe aus Kupferdrähten mit einer Querschnittsfläche von 0.5 cm2. Der Abstand zwischen zwei Masten betrage 50
m. Die Länge des Drahtes betrage bei 20°C zwischen den zwei Masten 60
m, da die Leitung durchhängt.
Wie ändert sich die Zugspannung, welche auf den Draht wirkt, wenn die
Umgebungstemperatur auf - 5°C fällt?
Hinweis: Für die Lösung soll hier nur von einem ganz einfachen Modell
ausgegangen werden, bei welchen die Gewichtskraft in der Mitte der beiden
Masten angreift. Der Draht soll von diesem Punkt aus geradlinig zu den
Masten verlaufen.
253 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1. Mit Blei ergibt sich:
l
1 l
10 3 mK 1


 31.95m
 T 31.3  10 6 K 1
L2. Wenn das Anfangsvolumen im Steigrohr vernachlässigt wird, resultiert
durch die Volumenausdehnung in der Kugel eine Änderung der Steighöhe
h  h(T ) :
VRohr  h  r 2  VKugel  V  T   
h   
4 3
R  T
3
4R 3
4  1.82  10  4 K 1 10 6 m 3


T

 6 2  2.43  10  4 m
3
3r 2
10 m
Die von der Temperatur abhängige Höhe h(T ) ergibt sich durch
Grenzwertbildung und Integration:
4 R 3
4 R 3
 dh  3r 2  dT  h(T )  3r 2  T
Dabei müsste für den Nullpunkt h(T  0 K )  h0  0 sein. Da Quecksilber bei diesen Temperatur fest ist, macht dieser Bezugspunkt keinen Sinn.
Für die Kalibrierung muss also ein anderer Bezugspunkt gesucht werden.
Zudem gilt diese Beziehung nur für V Rohr  V Kugel . Sonst muss auch noch
die Volumenausdehnung des im Steigrohr befindlichen Quecksilbers mitberücksichtigt werden. Wird das Volumen im Steigrohr nicht berücksichtigt,
dann ist h(T ) eine lineare Funktion von T, da quasi immer für jeden Temperaturschritt das gleiche Ausgangsvolumen in der Kugel genommen wird.
254
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L3. Sei l die halbe Drahtlänge zwischen den Masten und d die halbe Distanz, sowie  der Winkel zwischen Draht und horizontaler Richtung. Dann
gilt:

FG
F


A A  sin 
  Al  g

 d 
A  sin  arccos  
 l 


 l  g

 d 
sin  arccos  
 l 


FG
Fig.2. Modell für Leitung
Die Zugspannung  lässt sich für beide Temperaturen berechnen. Bei 20°C
beträgt diese:

 l  g

 d 
sin  arccos  
 l 


8920kg / m 3  30m  9.81m / s 2
 4.749  10 6 Pa

 25  
sin  arccos  
 30  

und bei –5°C mit l  30m  l  T  29.987 m ist   4.754  10 6 Pa .
Achtung: Bei –5°C muss die gleiche Masse verwendet werden, wie bei
20°C!
255 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 713 Temperaturabhängigkeit des elektrischen Widerstands
Theorie
Die Längen und Volumenausdehnung kann für Temperaturmessungen verwendet werden. Eine andere Möglichkeit ist die Bestimmung des Ohmschen Widerstandes eines elektrischen Leiters. Dieser ist ebenfalls temperaturabhängig. Die Änderung des elektrischen Widerstandes R ist ebenfalls durch ein analoges Gesetz gegeben:
R  R  T
(Eq.8)
Genau genommen ist es der spezifische elektrische Widerstand    (T ) ,
welcher sich mit der Temperatur ändert. Der Ohmsche Widerstand eines
Leiters mit der Querschnittsfläche A und der Länge l ist gegeben durch:
R
l
A
(Eq.9)
Für Kupfer beträgt   1.7  10 8 m , für Wolfram bei Raumtempera-tur
ist dieser   5.3  10 8 m .
Aufgaben
A1. Die Temperatur soll über den elektrischen Widerstand eines Drahtes
bestimmt werden. Für die Kalibrierung wurden zwei Messungen des Stroms
bei konstanter Spannung gemacht:
T1 = 20°C
I 1 = 2.1 mA
T2 = 700°C
I 2 = 0.2 mA
Bestimmen Sie die Funktion I (T ) : Welche Annahmen machen Sie dabei?
256
Spezifischer
elektrischer
Widerstand
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1. Die Temperaturabhängigkeit des Widerstandes in Eq.8 lässt sich schreiben als:
dR
 R
dT
Durch Integration ergibt sich:
R (T )  R (T1 )  e  (T T1 )
Der Zusammenhang zur Stromstärke ergibt sich durch Anwendung des
Ohmschen Gesetzt U  RI :
U
U

 e T
I (T ) I (T1 )
und somit:
I (T )  I (T1 )  e T
Der Temperaturkoeffizient lässt sich nun bestimmen:
I (T2 )  I (T1 )  e  (T2 T1 )
also:
 I (T2 ) 
   (T2  T1 )
ln
 I (T1 ) 

ln I (T1 ) / I (T2 ) 
 3.458  10 3 K 1
T2  T1
(Der Temperaturkoeffizient liegt in der Nähe desjenigen von Zink)
257 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 720 Wärme und Energie
721 Wärmekapazität
Theorie
Wird eine bestimmte Menge einer Substanz erwärmt, so wird dafür eine
bestimmte Energiemenge benötigt. Oder anders ausgedrückt, es wird mit der
Wärme eine bestimmte Energiemenge gespeichert (in Form von innerer
Energie) – in diesem Zusammenhang wird von der Wärmemenge Q gesprochen, die einem Körper zugeführt wird (z. B. aufgrund eines Temperaturunterschieds. Wichtig ist hier, dass Wärme als Energieform betrachtet
werden kann. Dies ist ein wesentlicher Bestandteil des ersten Hauptsatzes
der Thermodynamik.
Jedem Körper kann eine innere Energie U zugeordnet werden. Es
handelt sich dabei quasi um den ″Energiegehalt″ eines Körpers. Die
Änderung der inneren Energie kann durch verrichten von Arbeit oder durch
Zufuhr von Wärme erfolgen. Für ein geschlossenes System gilt:
dU  Q  W
Definition der
Wärmekapazität
(Eq.3)
Der Index x steht für eine oder mehrere Zustandsgrössen (e.g. Druck,
Volumen), welche bei der Wärmzufuhr Q konstant gehalten wurden.
Die Wärmekapazität lässt sich durchaus auch mikroskopisch erklären.
Bei höherer Temperatur ist die kinetische Energie der Teilchen grösser.
Für ein ideales Gas lässt sich die Wärmekapazität mit Hilfe der kinetischen
Gastheorie beschreiben. Für Gase macht es Sinn, die molare Wärmeka-
258
totales
Differential
(Eq.2)
Auf diesen Umstand wird dann im Abschnitt 724 näher eingegangen. Steht
ein Körper mit der Masse m im thermischen Kontakt mit einer Umgebung,
so wird diesem Wärme zugeführt, wenn die Umgebungstemperatur höher
ist. Für dass Fassungsvermögen für Wärme lässt sich eine Kapazität, die
Wärmekapazität definieren:
 Q 
cx  

 m  dT  x
innere Energie
(Eq.1)
Die Schreibweise deutet darauf hin, dass dU ein totales Differential ist, es
gilt also:
 dU  0
Wärme als
Energieform
mikroskopischer Ansatz
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik pazität zu nehmen. Die molare Wärmekapazität ist jene Wärmemenge, die
einem Mol des betreffenden Stoffes zugeführt werden muss, um eine Temperaturerhöhung von einem Kelvin zu erreichen. Gemäss der Formel Eq.3
gilt für ein Mol mit der Masse m:
Wärmekapazität eines
idealen Gases
1
3
m v 2  RT
2
2
Für n Mole eines idealen Gases ist die gespeicherte Wärmemenge (relativ
zum absoluten Nullpunkt):
Q
3
nRT  CV nT
2
Daraus folgt die molare Wärmekapazität für ideale Gase:
CV 
3
R
2
(Eq.4)
Die drei im Zähler von Eq.4 folgt aus den drei Raumrichtungen für die Geschwindigkeit. Befindet sich ein System vieler Teichen im Gleichgewicht,
entfällt auf jeden Freiheitsgrad eine Energie von:
E
1
1
RT pro Mol bzw. E  kT pro Teilchen
2
2
Dies wird das Äquipartitionstheorem (Gleichverteilungssatz) genannt. Für
ein zweiatomiges Gas kommen zu den drei Richtungen für die Translation
noch zwei Freiheitsgrade für die Rotation dazu (Die Rotation um die
Längsachse des Moleküls liefert wegen dem verschwindend kleinen Trägheitsmoment keinen nennenswerten Beitrag).
Auch für Festkörper gilt der Gleichverteilungssatz. Im Fall eines Kristalls besteht der Körper aus regelmässig, auf einem Gitter angeordneten
Atomen oder Molekülen. Die einzelnen Teilchen können im Kristallgitter
schwingen. Da nun jedes Atom sowohl kinetische als auch potentielle
(Feder)-Energie hat (siehe 411), ergibt sich:
CV  3R
ÄquipartitionsTheorem
(Eq.5)
Dieses Gesetz (Gesetz von DULONG-PETIT) ist gut erfüllt für schwere
Elemente. Für leichte Elemente bleiben die realen Werte hinter dem Wert
von Eq.5 mit sinkender Temperatur zurück.
259 Gesetz von
Dulong-Petit
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Zum Schluss noch ein dynamisches Beispiel: Der zeitliche Verlauf beim
Auskühlen eines Wärmespeichers ist u.a. von der Wärmekapazität abhängig.
In Analogie zum Abschnitt 625 kann folgende Wärmestrombilanz betrachtet
werden: Die zeitliche Änderung der gespeicherten Wärme Q ist gleich dem
ausfliessenden Wärmestrom, also
dQ
  I Q  k  (T  Tu )
dt
Mit der Umgebungstemperatur Tu . Für die Temperatur T des Speichers resultiert, wenn die Wärmekapazität temperaturunabhängig und die Masse
konstant ist:
dT
k

 (T  Tu )
dt
mc0
Mit der Substitution T  Tu   und
d d
dT
 T  Tu  
resultiert:
dt dt
dt
d
k


dt
mc p
Durch Integration und Separation resultiert:
d

Und somit.

k
k
  dt  
 t  const.  ln 
mc p
mc p
 (t )  0  e

k
t
mc p
Aufgaben
A1. Bei der Erhitzung einer festen metallischen Substanz wird folgende Beobachtung gemacht: Für eine Temperaturdifferenz von 90 K werden für 100
g der Substanz werden 2.12 kJ Energie verbraucht.
Um was für eine Substanz könnte es sich handeln?
A2. Wie viel Energie könnte 1 m3 Wasser entzogen werden, wenn dieses
von 20 °C auf 17 °C abgekühlt werden könnte?
260
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik A3. In eine Badewanne wurde zu kaltes Wasser eingelassen. Nun soll durch
Zugabe von heissem Wasser die Temperatur auf angenehme Werte gebracht
werden.
a) Berechnen Sie die Mischtemperatur formal, wenn heisses und kaltes
Wasser gemischt wird?
b) Berechnen Sie die Mischtemperatur für 120 Liter Badewasser mit
einer Temperatur von 22°C, wenn 10 Liter heisses Wasser mit einer
Temperatur von 60°C beigegeben wird.
A4. Eine Kaffee-Tasse sei mit heissem Wasser gefüllt, welcher zur Zeit t =
0 eine Temperatur von 70°C habe. Nach fünf Minuten betrage die Temperatur noch 40°C. Die Umgebungstemperatur betrage 20°C.
Welche Temperatur hat das Wasser nach (a) 8 Minuten; (b) 12 Minu-ten?
A5. Bei einem Wärmespeicher mit 2 kg Wasser werde bei t = 0s eine
Heizung eingeschaltet und nach 5 Minuten wieder ausgeschaltet. Während
15 Minuten (ab Beginn des Heizens) werde die Temperatur gemessen
(Tab.1). Die Heizleistung sei P.
Tab.1. Messwerte (Temperatur)
Zeit
[Min.]
T
[°C]
0
1
2
3
4
5
6
7
8
10
12
15
20.0
33.4
45.0
55.0
63.7
71.2
64.6
58.6
53.4
45.1
38.8
32.2
a) Wie gross ist die maximal gespeicherte thermische Energie?
b) Welche Differentialgleichung beschreibt die Änderung der Wärmemenge im System?
c) Schätzen Sie anhand der Messwerte (Tab.1) die Heizleistung P ab:
Zu welchem Zeitpunkt geht das am Besten?
d) Berechnen Sie die Temperatur T (t ) als Funktion der Zeit für t 
300 s: Bestimmen Sie aus den Messwerten in Tab.1 alle Parameter.
A6. Berechnen Sie gemäss Theorie die molare Wärmekapazität für ein- und
zweiatomige Gase sowie für einfache Kristalle und vergleichen Sie diese
mit Tabellenwerten: Wie gross sind die Differen-zen zwischen gemessenen
und berechneten Werten? Wie könnten sich diese Differenzen erklären
lassen?
261 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
c
Q
2120 J
J

 235.56
 Silber
m  T 0.1kg  90 K
kg  K
L2.
Q  c p  m  T  4182 J  kg 1 K 1  10 3 kg  3K  12.546 MJ
L3. Die vom heissen Wasser abgegebene Wärme Q12 ist gleich die vom
kalten Wasser aufgenommene Wärme Q21:
m1c p  T1  m2 c p  T2
Die Temperaturdifferenzen lassen sich durch die Temperatur des heissen
Wassers T1 und diejenige des kalten Wassers T2 ausdrücken: T1 = T1 – T
und T2 = T – T2, mit der Mischtemperatur T. Somit gilt:
m1c p  (T1  T )1  m2 c p  (T  T2 )  T 
m2T2  m1T1
m1  m2
für (b):
T
m2T2  m1T1
= 24.92°C
m1  m2
(gerechnet mit einer konstanter Dichte für Wasser von 1000 kg/m3)
L4.
d
    (t )  0  e t mit   T  TU und   k /(mc p )
dt
Bestimmung von  :
ln 0 /  (t ) 
 (t )
 e t   
 0.183 min 1
t
0
(a) 31.6°C
262
(b) 25.6°C
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L5.
Qmax  Q(300s )  mc p T (300 s ) 
(a)
(b)
2kg  4182
J
 (71.2  273.16) K  2.88MJ
kg  K
dQ
 I Qin  I Qout  P  k  (T  TU ) ; mit TU  20 °C
dt
(c) Am Anfang des Heizens, da dort I Qout am kleinsten ist (bei eingeschalteter Heizung):
P
Q mc p  (T1  T0 )

 1868W
t
t1  t 0
(effektiv währen es 2 kW)
(d) P = 0 W 
dT
k

 T  TU   T (t )  TU  (T0  TU )  e t
dt
mc p
mit T0  T (300 s )  71.2°C und

ln(T0  TU )  ln(Tt  TU )
 0.0024 s 1
t
k = 19.99 s-1; effektiv wären es k = 20 s-1
L6.
Einatomige Gase: CV = 12.47 J/(molK);
CV(He) = 12.52 J/(molK); CV(Ne) = 12.52 J/(molK);
CV(Ar) = 12.52 J/(molK)
Zweiatomige Gase: CV = 20.78 J/(molK);
CV(H2) = 20.44 J/(molK); CV(N2) = 20.80 J/(molK);
CV(O2) = 20.98 J/(molK)
Kristall (einatomiges Gitter): C = 24.93 J/(molK);
Au: C = 25.28 J/(molK) ; Al : C = 24.10 J/(molK)
263 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 722 Phasenübergänge
Theorie
Materie existiert in unterschiedlichen Aggregatzuständen (gasförmig, flüssig, fest). Innerhalb eines Zustandes können nochmals verschiedene Modifikationen (Phasen) auftreten. Vor allem bei festen Körpern kann bei ein und
demselben Element das Kristallgitter verschieden sein, je nach Druck und
Temperatur. Auch im gasförmigen Zustand können sich durch Ionisation der
Atome Änderungen ergeben. Ein ionisiertes Gas ist ein sogenanntes Plasma,
welches sich ganz anders verhalten kann.
Ein ideales Gas kann nicht kondensieren, da in diesem Model kei-ne
zwischenatomaren oder zwischenmolekularen Kräfte eingeschlossen sind.
Die Zustandsgleichung realer Gase lässt sich näherungsweise finden, wenn
folgende Annahmen berücksichtigt werden: (1) reale Moleküle sind nicht
punktförmig, es steht dem gas somit nur das Volumen (V-b) pro Mol zur
Verfügung. (2) Moleküle üben anziehende Kräfte aufeinander aus, der
Druck wird dadurch reduziert:

an 2
 p  2
V


  V  nb   nRT

Phasen
Reale Gase
Zustandsgleichung
reale Gase
(Eq.6)
Druck p
Dabei wird a als Kohäsionsdruck und b als Kovolumen bezeichnet. Für
hohe Temperaturen ergeben sich in einem p-V-Diagramm für die Isothermen hyperbelförmige Kurven, das Gas verhält sich nahezu ideal. Bei tieferen Temperaturen flachen die Isothermen in bestimmten bereichen ab
(Fig.1).
Volumen V
Fig.1. Isothermen für ein reales Gas: Das Kreuz bezeichnet den kritischen Punkt.
264
AggregatsZustände
Isothermen
realer Gase
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Die Steigung der Isothermen sind gegeben durch:
2an 2
nRT
 p 




3
V
(V  nb) 2
 V  T const
kritischer
Punkt
Am kritischen Punkt wird die Steigung der Isotherme null, es gilt:
p
2 p
 0 und
0
V
V 2
Unterhalb des kritischen Punktes liegt ein Flüssigkeits-Gas-Gemisch vor.
Für CO2 beträgt a = 0.364 Pa·m6/mol2 und b = 0.043·10-3 m3/mol, für
H2O ist a = 0.557 Pa·m6/mol2 und b = 0.031·10-3 m3/mol.
Das p-T-Diagramm von reinen Stoffen kann generell zur Veranschaulichung von Zuständen und deren zugehörigen Phasen dienen (Fig.2).
flüssig
Trippelpunkt
fest
Druck p
Druck p
fest
flüssig
Trippelpunkt
gasförmig
gasförmig
Temperatur T
Temperatur T
Fig.2. Phasendiagramme: Links Stoff ohne Anomalie; recht Stoff mit Anomalie; das
Kreuz bezeichnet den kritischen Punkt.
265 PhasenDiagramme
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Der Vorgang des Schmelzens und des Verdampfen benötigt Energie. Dabei
kann man beobachten, dass während des Schmelz- bzw. des Verdampfungsprozesses die Temperatur nicht ansteigt. Bei diesen Prozessen investieren wir also Energie in die ’’Umformung’’ einer Substanz. Bei dieser
Umformung werden zwischenatomare Bindun-gen gelöst. Umgekehrt wird
diese Energie wieder frei, wenn die Substanz erstarrt (Erstarrungswärme)
oder kondensiert (Kondensationswärme). Die für diese Prozesse benötigte
Energie lässt sich über die Wärmemenge Q und die Menge der Substanz m
berechnen. Die für das Schmelzen oder Erstarren notwendige Schmelzbzw. Erstar-rungswärme L f ergibt sich aus der zugeführten Wärme Q
während dem Prozess:
Lf 
Q
m
(Eq.7)
Analog gilt für das Verdampfen und Kondensieren:
Lv 
Schmelzen
und
Erstarren
Q
m
(Eq.8)
Verdampfen
und Kondensieren
Die für den Übergang benötigte Energie ist somit gegeben durch:
Q  LV m
bzw. Q  L f m
(Eq.9)
Eine spezielle Stoffumwandlung ist das Verbrennen. Dabei handelt es sich
nicht um eine rein physikalische Phasenumwandlung, sondern um eine
chemische Reaktion. Somit gehört dieser Prozess eigentlich nicht in diesen
Abschnitt. Die Berechnung kann aber in analoger Weise geschehen, wie bei
Eq.8 und Eq.9. Die durch eine Verbren-nung freigesetzte Energie ist durch
den Heizwert H gegeben:
Q  Hm
(Eq.10)
Bei Verbrennung von Holzkohle werden 31 MJ / kg, bei trockenem Holz 16
MJ / kg und bei Heizöl 41 MJ /kg freigesetzt.
266
Verbrennen
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Aufgaben
A1. Ein Würfel von 5 g Eis werde in einem Drink (Volumen = 1 dl) geschmolzen?
a) Welche Energie wird dafür benötigt?
b) Um wie viele °C kühlt sich dabei der Drink ab (Annahme: Drink hat
Dichte von Wasser)?
A2. Ein Barren von 250 g Zinn soll geschmolzen werden. Dabei soll dies
elektrisch erfolgen. Die dafür benötigte Heizung arbeite bei einer Spannung
von 100 V und der Heizstrom betrage 3 A. Der Wirkungsgrad der Heizung
betrage 78%.
Wie lange dauert es, bis die 250 g Zinn geschmolzen sind?
A3. Bei einer Regenmessung wurde festgestellt, dass innerhalb von einer
Stunde eine Regenmenge von 20 Liter pro m2 gefallen ist. Das Regengebiet
sei 2 km2 gross.
Welche Kondensationswärme wurde in der Regenwolke frei gesetzt?
A4. In einer kalten Nacht (Umgebungstemperatur unter null Grad) soll mit
einem Feuer durch Schmelzen von Schnee 2 Liter Wasser gewonnen werden.
Welche Menge Holz muss dafür mindestens zur Verfügung stehen?
A5. Berechnen Sie für 1 Mol CO2 den Druck sowohl mit dem Zustandsgesetz für ideale Gase als auch mit dem Gesetz für reale Gase bei 0°C und
bei 20°C, wenn sich dieses in einem Gefäss mit einem Liter Inhalt befindet.
Wie gross ist die Differenz?
A6. Das Aufheizen und Sieden eines Behälters mit Wasser soll mit einem
graphischen Modelleditor modelliert und simuliert werden. Dazu müssen
folgende Fragen geklärt werden: Welche Systemgleichungen beschreiben
den Prozess? Wie sieht die Flussdiagrammstruktur aus?
267 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
(a) Q  L f  m  3.338  10 5 J / kg  5  10 3 kg  1.669kJ
(b) T 
Q
1.669  10 3 J

 4C
mc p 0.1kg  4182 J /(kg  K )
L2.
P  t  UI  t  L f  m  t 
L3.
Lf  m
UI

1.49  10 4 J
 63.7 s
0.78  300W
Q  Lv  m  Lv  V  Lv    A  h
 2.256  10 6 J / kg  10 3 kg / m 3  2  10 6 m 2  20  10 3 m
 9.024  1013 J
L4. Annahme: Alle Energie wird ins Schmelzen investiert:
L f  m H 2O  H  m Holz  m Holz 
L f  m H 2O
H
 41.7 g
Allerdings ist der Wert unrealistisch, da ein offenes Feuer viel Energie in
die Umgebung abstrahlt. Wird lediglich 1% der Energie nutzbar, so werden
bereits 4.17 kg Holz benötigt.
L5.
Ideal: p 
nRT
 2.269  10 6 Pa für 0°C bzw. 2.436  10 6 Pa für 20°C
V
Real: p 
nRT
an 2
 2  2.007  10 6 Pa 0°C bzw. 2.180  10 6 Pa für
V  nb V
20°C
also rund 12-13% weniger Druck
268
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L6.
Fallunterscheidung
T < 100°C
dQ
 Pin    (T  Tu )
dt
dm
0
dt
T > 100°C
dQ
dm
 Pin    (T  Tu )  LV 
dt
dt
dm Pin    (T  Tu )

dt
LV
269 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 723 Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik, Entropie
Theorie
Der erste Hauptsatz reicht zur Beschreibung von thermodynamischen Vorgängen nicht aus. Es können leicht Beispiele gefunden werden, welche nach
dem Energiesatz erlaubt sind, jedoch in der Natur nie beobachtet werden
können. So hebt sich nicht spontan ein Körper unter Abkühlung in die Höhe.
Ein Körper erwärmt sich auch nicht spontan durch Wärmeentzug aus der
Umgebung. Viele Prozesse sind auch nicht einfach umkehrbar. So kann
Leben leicht zerstört, nicht aber einfach generiert werden. Offensichtlich
gibt es bei (spontanen) Energieumwandlungen eine Vorzugsrichtung. Spontan fliesst Wärme von einem heissen zu einem kalten Reservoir. Soll der
Prozess umgekehrt werden, so muss zusätzliche Energie zugeführt werden.
Nach der Aussage von CLAUSIUS lässt sich dies folgendermassen formulieren: Es gibt keine periodisch arbeitende Maschine, die ausschliesslich
einem kälteren Wärmebad Wärme entzieht und diese einem heisseren
Wärmebad zuführt.
Mikroskopisch betrachtet lässt sich der Sachverhalt mit der Ordnung
bzw. Unordnung im System beschreiben. Würden alle Atome mit einer bestimmten Bewegungsenergie in einen bestimmten Bereich des Systems
gebracht, so entspricht dies quasi einem atomaren Ordnung schaffen. Spontan läuft eher der umgekehrte Prozess ab: Teilchen mischen sich, was
makroskopisch einer Verteilung der Wärme entspricht. Für die thermodynamische Beschreibung eines Systems kann nun eine Zustandsfunktion
bzw. Grösse gesucht werden, welche die Ordnung im System beschreibt.
Diese Zustandsgrösse wird Entropie S genannt und wurde von R.
CLAUSIUS 1850 eingeführt. Sie ist definiert durch die bei einer bestimmten Temperatur T reversibel2 ausgetauschte Wärme Qrev :
dS 
2
Qrev
T
(Eq.11)
Irreversible Prozesse können sich nicht von selbst umkehren. Irreversible Prozesse
laufen so lange ab, bis ein Gleichgewicht erreicht wird. Im Gegensatz dazu
bezeichnet man Prozesse, welche nur über Gleichgewichtszustände führen, als
reversibel. Reversible Prozesse stellen somit eine Idealisierung dar, welche es
streng genommen nicht gibt. Im Gleichgewicht haben die Zustandsvariabeln
zeitunabhängige Werte. Reversible Prozesse lassen sich aber durch infinitesimale
Änderungen annähern, wenn das Gleichgewicht nur wenig gestört wird. Erfolgen
die Änderungen genügend langsam, so stell sich im system immer wieder ein
Gleichgewicht ein.
270
spontane
Prozesse
zweiter
Hauptsatz
Entropie
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Die Normierung dieser Grösse erfolgt durch den dritten Hauptsatz der
Thermodynamik: Die Entropie am absoluten Nullpunkt ist null, also
S T 0 K  0 .
Ein abgeschlossenes System erreicht sein Gleichgewicht, wenn dS  0
bzw. S  S max gilt (zweiter Hauptsatz der Thermodynamik). Für irreversible Prozesse nimmt die Entropie zu, es gilt dS  0 . Das System strebt
nach einem neuen Gleichgewichtszustand. Dabei wächst ebenfalls die
Entropie, bis sie maximal geworden ist. Für ein nicht abgeschlossenes System kann die Entropie auch abnehmen, wenn Wärme mit der Umgebung
ausgetauscht wird.
Die Entropie ist eine extensive Grösse (Tab.1). Die Wärmemenge ändert
sich mit der Grösse des Systems (Masse), hingegen die Temperatur nicht.
Mit Hilfe der Entropie kann der erste Hauptsatz der Wärmelehre (Eq.1)
umgeschrieben werden. Für eine reversible Zustandsänderung gilt:
Qrev  TdS . Wird im System noch Kompressionsarbeit verrichtet, so lässt
sich diese berechnen durch:
W   F  ds   pA  ds   p  dV . Somit resultiert für den ersten
Hauptsatz (für reversible Prozesse):
dU  T  dS  p  dV
(Eq.12)
Ist die Funktion U  U ( S , V ) gegeben, so lassen sich daraus folgende
Relationen ableiten:
 U 
T 
 S  V ,N ,...
(Eq.13)
 U 
p
 V  S ,N ,...
(Eq.14)
und
Tab.1. Vier Zustandsgrössen in der Thermodynamik
pV = nRT
TS = pot. Energie
Intensive Grössen
Druck p
Temperatur T
Extensive Grössen
Volumen V
Entropie S
271 absoluter
Nullpunkt
Gleichgewicht
erster
Hauptsatz
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Die Entropie lässt sich als treibende Ursache für thermische Prozesse
auffassen. Ein interessanter Aspekt liefert der Vergleich der Leistung mit
der Elektrizität, Mechanik und Hydraulik: Die Entropie fügt sich zwanglos
in ein Bild der Analogien ein (Tab.2). Die bei einer Temperaturdifferenz
T transportierte Leistung ist durch den Entropiestrom I S gegeben:
P T 
dS
 T  IS
dt
Leistung und
EntropieStrom
(Eq.15)
Tab.2. Analogien zum Entropiestrom
Mechanisch
Potentialdifferenz
p
Elektrisch
Thermisch
Elektr. Spannung Temperatur
Potentialdifferenz
T
Massestrom
Volumenstrom
Ladungsstrom
Entropiestrom
dm
 Im
dt
P  V  I m
dV
 IV
dt
P  p  I V
dQ
I
dt
P  UI
dS
 IS
dt
P  T  IS
V
Hydraulisch
Druckdifferenz
U  
Aufgaben
A1. Bestimmen Sie die Entropie eines idealen Gases bei konstanter
Teilchen-zahl N in Abhängigkeit von der Temperatur T und dem Volumen V . Beachten Sie dabei folgende Zustandsgleichungen:
U
3
NkT
2
und pV  NkT
A2. Bei einem Kraftwerk mit Flusskühlung werde eine Leistung von 200
MW ans Kühlwasser abgegeben. Die Temperatur des Wassers sei konstant
bei 27°C. Wie gross ist der Entropiestrom? Wie gross ist die an den Fluss
abgegebene Entropie als Funktion der abgegebenen Wärmemenge?
272
physikalische
Analogien
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik statistische
Entropie
A3. Betrachten Sie folgende Definition:
S   x k log x k
k
Berechnen Sie S für folgende Zahlenreihen:
0.9999981
1E-07
1E-07
1E-07
1E-07
1E-07
1E-07
1E-07
1E-07
1E-07
1E-07
1E-07
1E-07
1E-07
1E-07
1E-07
1E-07
1E-07
1E-07
1E-07
0.25214322
0.25214322
0.25214322
0.12607161
0.05042864
0.02521432
0.01260716
0.0075643
0.00504286
0.00252143
0.00201715
0.001765
0.00151286
0.00126072
0.00126072
0.00126072
0.00126072
0.00126072
0.00126072
0.00126072
0.05
0.05
0.05
0.05
0.05
0.05
0.05
0.05
0.05
0.05
0.05
0.05
0.05
0.05
0.05
0.05
0.05
0.05
0.05
0.05
Berechnen Sie zudem S auch für 20 Zufallszahlen dividiert durch die Summe der 20 Zufallszahlen.
Was fällt auf? Wie lässt sich die Definition mit der physikalischen Entropie
in Verbindung bringen?
273 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1. Durch Umformen von Eq.11 und einsetzen ergibt sich:
dS 
dU p  dV 3
dT
dV

 Nk 
 Nk 
T
T
2
T
V
(mit p  NkT / V )
Ausgehend von einem Referenzzustand mit T0 und V0 mit der Entropie S 0
kann nun integriert werden:
3
 dS  2 Nk 
dT
dV 3
T
V
 Nk 
 Nk  ln T T0  Nk ln V V0
T
V
2
 
 T
 Nk  ln 
T
   0
3

2 
V
   ln
 
 V0



T

  Nk  ln 

 T0



3
2


V
 
 V0





L2.
IS 
P
W
 0.67  10 6
T
K
Q  T   I S  dt  T  S  Ausgetauschte Entropie S 
L3.
Q
T
S = 1.41·10-5 / 0.769999 / 1.30103 / Zufallszahlen ~ 1.2
Die Zahlen könnten physikalisch die Besetzung von Zuständen beschreiben, wobei 0 unbesetzt bedeuten würde. Die Zahl xk beschreibt dann,
wie viele Teilchen im Zustand k anzutreffen sind. Ist nur ein Zustand besetzt
(erste Zahlenkolonne), so ist die Ordnung hoch und somit die Entropie tief.
Je mehr Zustände besetzt sind, desto grösser wird S. Sind alle Zustände
gleich besetzt (alles ist gleichmässig verteilt), wird S maximal: Die Grösse S
widerspiegelt somit das Verhalten der physikalischen Entropie.
274
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 724 Wärmekraftmaschinen
Experiment und Theorie
Ein Rundkolben sei durch einen Schlauch mit einem Zylinder verbunden
(Fig.5). Wird der Glaskolben nun in ein Bad mit warmem Wasser mit der
Temperatur T2 getaucht, so lässt sich beobachten, wie im Glaszylinder ein
darin befindlicher Kolben nach oben gedrückt wird. Es wird somit Wärme
in mechanische Energie umgewandelt.
Umwandlung
von Wärme
in
mechanische
Energie
V
T2
Fig.5. Experiment zur Wärmekraftmaschine
Die mechanische Arbeit ist durch die Expansion des Volumens V um den
Beitrag dV gegeben, es gilt: dW  F  ds  mg  dh  p  dV . Dabei wird
ein konstanter Druck angenommen. Damit nun diese Anordnung zyklisch
arbeitet, müsst der Rundkolben in einem zweiten Bad mit kaltem Wasser bei
einer Temperatur T1 abgekühlt werden.
Für die genauere Analyse soll im Folgenden ein ganz bestimmter Kreisprozess, der Carnotsche Kreisprozess betrachtet werden. Dieser Kreisprozess wurde von CARNOT 1824 eingeführt. Seine Bedeutung liegt darin,
dass er einerseits der idealisierte Grenzfall realer Kreisprozesse in Wärmekraftmaschinen darstellt. Andererseits lassen sich anhand dieses Prozesses
grundlegende Erkenntnisse gewinnen. Für die Darstellung des Kreisprozesses eignet sich ein p  V - Diagramm (Fig.6). Die von einer Kurve umschlossene Fläche ist die vom system geleistete Arbeit.
275 Carnotscher
Kreisprozess
p-VDiagramm
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Als Arbeitsmedium wird ein ideales Gas verwendet. Der Carnot-Prozess
besteht aus vier reversiblen Teilschritten, welche im p  V - Diagramm
dargestellt werden können. In einem ersten Schritt (Fig.6, A) erfolgt eine
isotherme Expansion. Isotherm bedeutet, dass die Temperatur konstant
gehalten wird. Wenn sich dabei der Rundkolben im Kontakt mit dem
warmen Reservoir (Temperatur T2 ) befindet, wird diesem Wärme entzogen.
Für die isotherme Expansion gilt wegen des idealen Gasgesetzes (Eq.5):
V2
p
 1
V1
p2
isotherme
Expansion
(Eq.16)
Die innere Energie U eines idealen Gases ändert sich nicht. Somit gilt:
U A  W A  Q A  0 . Die entzogene Wärme ist deshalb gegeben durch:
V2
dV
V
V1
Q A  W A  NkT2  
V
 NkT2  ln 2
 V1



(Eq.17)
Der zweite Schritt ist eine adiabatische Expansion (Fig.6, B). Dabei wird
das nun thermisch isolierte Arbeitsmedium vom Volumen V2 auf das
Volumen V3 gebracht. Dabei ändert sich auch die Temperatur von T2 auf
T1 . Für einen reversiblen, adiabatischen Prozess gilt:
dU   p  dV  mcV  dT . Dies resultiert aus dem ersten Hauptsatz unter
der Bedingung, dass kein Wärmeaustausch mit der Umgebung stattfindet.
Mit dem Gesetz für ideale Gase ergibt sich:
mcV dT  
NkT
 dV
V
Die Gleichung Eq.18 kann integriert werden:
276
(Eq.18)
adiabatische
Expansion
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik V1
p1
Druck p
A
Isotherme
T1
p2 V2
D
Isotherme
T2
B
p4
V4
C
V3
p3
Volumen V
Fig.6. Darstellung des Carnotschen Kreisprozesses im p  V -Diagramm: (A)
isotherme Expansion, (B) adaibatische Expansion, (C) isotherme Kompression, (D)
adiabatische Kompression.
mcV
Nk

T2
V
2
dT
dV


T T V V
1
3
V
T 
mcV
 ln 2    ln 2
Nk
 T1 
 V3



(Eq.19)
Mit mcV 
3
Nk (Eq.3!) ergibt sich:
2
3  T2
ln
2  T1
T
  2
 T1

 T

  ln  2

  T1

3

V
2 
   ln  2
  V3
 





1




3
 2 V3
 
V2

(Eq.20)
277 adiabatische
Kompression
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Die geleistete Arbeit wird bei diesem Prozessschritt der inneren Ener-gie U
entnommen: WB  U B  mcV  (T2  T1 ) .
Als dritter Prozessschritt erfolgt eine isotherme Kompression. Da-bei
soll nun der Rundkolben im thermischen Kontakt mit dem Kältebad (Temperatur T1 ) stehen. Analog zur Expansion gilt:
p
V4
 3
V3
p4
isotherme
Kompression
(Eq.21)
Die bei der Kompression an das Kältebad abgegebene Energie be-trägt:
V
QC  NkT1  ln 4
 V3



(Eq.22)
Der vierte Prozessschritt besteht aus einer adiabatischen Kompression. Analog zum Prozessschritt B gilt:
V1  T1 
 
V4  T2 
3
2
adiabatische
Kompression
(Eq.23)
und
WD  U 4  mcV  (T2  T1 )
(Eq.24)
Die Energiebilanz ergibt U total  Q A  W A  WB  QC  WC  WD . Die
genauere Betrachtung zeigt, dass gilt:
Q A QC

0
T2
T1
(Eq.25)
Diese Beziehung gilt für alle reversiblen Prozessführungen und ist in Übereinstimmung mit Abschnitt 723.
278
Energiebilanz
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Wird der Carnotsche Kreisprozess in infinitesimale Schritte zerlegt, so kann
geschrieben werden:

Qrev
T
0
(Eq.26)
Im T  S -Diagramm ist der Carnotsche Kreisprozess durch ein Rechteck
beschrieben, welches durch die Geraden mit konstanter Temperatur (Isothermen bei Schritt A und C) und die Geraden mit konstanter Entropie
(Adiabaten bei reversiblem Prozess zwischen B und D = Isentropen) begrenzt wird.
Zum Schluss soll noch der Wirkungsgrad einer solchen Maschine betrachtet werden. Der Wirkungsgrad  ist definiert als das Verhältnis von
geleisteter Arbeit zu aufgenommene Wärme:

W
QA

Q A  QB
Q
T
 1 B  1 1
QA
QA
T2
(Eq.27)
Je höher die Temperatur T2 ist, desto näher kommt der Wirkungsgrad zu 1.
Im Prinzip kann der Wirkungsgrad auch als Verhältnis von Nutzleistung zu
investierter Leistung formuliert werden. Wird thermische in mechanische
Energie umgewandelt, so ist der Wirkungsgrad gegeben durch:

Pmech
P
(T  T )  I
 mech  2 1 S
Ptherm
T2  I S
T2  I S
Es resultiert somit wieder der Ausdruck Eq.27. Dies entspricht dem best
möglichen Wirkungsgrad, welcher bei Wärmekraftmaschinen erreicht
werden kann.
279 Wirkungsgrad
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Aufgaben
A1. In einem Zylinder mit einem Volumen von 3.5·10-4 m3 werde Luft bei
1013.25 hPa um 200 °C erwärmt, wobei sich ein Kolben aus dem Zylinder
hinaus bewegt und der Druck konstant bleiben soll.
Welche Arbeit kann der Kolben dabei verrichten?
A2. In eine Dampfturbine (Wärmekraftmaschine) wird Dampf mit ei-ner
Temperatur von 350°C eingelassen. Die Austrittstemperatur be-trägt 150°C.
a) Wie gross ist der Wirkungsgrad bestenfalls?
b) Wie gross müsste die Eintrittstemperatur des Dampfes sein, damit
der Wirkungsgrad 90% beträgt?
A3. Betrachten Sie folgendes Diagramm:
Druck p
p3
B
p2
p1
C
D
A
V1
V2
Volumen V
a) Was für ein Prozess erfolgt zwischen Punkt A und B?
b) Welcher Abschnitt könnte eine isotherme Expansion darstel-len
(Begründung?)?
c) Wie gross ist die Arbeit zwischen Punkt D und A? Wird sie vom
System geleistet oder ins System investiert?
d) Wie lässt sich die vom System insgesamt geleistete Arbeit berechnen?
280
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
T2
T
2
nR
W   p  dV  p 
 dT  nR  dT  nR(T2  T1 )
p
T1
T1

 V
m
 R  T 
 R  T
M
M

(1.293 kg/m3 )  (3.5  10-4 m3 )
J
 8.314
 200 K  25.95J
0.029 kg/mol
mol  K
L2.
(a)   1 
(b) T1  
T2
423K
 1
= 0.321  32%
T1
623K
T2
= 4230 K
 1
L3.
(a) isochores Heizen
(b) BC, falls Krümmung einer Isothermen entspricht:
p3 V2

p2 V1
(c) W  p1  V  p1  (V2 V 1) , wird investiert
(d) Vom Kreisprozess eingeschlossene Fläche berechnet sich durch:
W   p(V )  dV  p1  (V2  V1 )

V2
V
nRT
dV  p1 (V2  V1 )  nRT  ln 2
V
 V1
V1


  p1  (V2  V1 )

281 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 730 Chemische Reaktionen
731 Reaktionsenergie und Enthalpie
Theorie
Wärme und Energie spielen nicht nur bei Wärmekraftmaschinen eine entscheidende Rolle. Bei chemischen Reaktionen wird ebenfalls Energie aufgenommen oder abgegeben.
Jeder Stoff beinhaltet eine bestimmte Menge an innerer Energie. Die
Differenz der inneren Energien von Reaktanden (Edukten) und Produkten
einer chemischen Reaktion ist die Reaktionsenergie U . Wird die Reaktion bei konstantem Druck p durchgeführt (also in einem offenen Gefäss)
und tritt bei der Reaktion eine Volumenänderung V ein (z.B. Bildung eine
Gases), dann wird die Volumenarbeit W  p  V geleistet. Soll nun eine
chemische Reaktion bezüglich der beobachtbaren Wärme untersucht werden, kann die Reaktionsenthalpie3 H  U  p  V definiert werden.
Sie gibt den als Wärme beobachtbaren Teil der Reaktionsenergie an. Dabei
ist zu beachten, das quasi ein Teil der Energie als Hubarbeit investiert wird:
W  U 2  p  V  U 1  H . Wird Wärme freigesetzt (exotherme Reaktion) so ist H negativ. Bei einer endothermen Reaktion wird Wärme
benötigt, H ist dann positiv. Die H – Werte können durch kalorimetrische
Messungen bestimmt werden.
Bei chemischen Reaktionen gilt natürlich auch Energie-Erhaltung.
Somit ist der H – Wert unabhängig, ob die Reaktion in einem oder mehreren Schritten abläuft (Satz von Hess). Deshalb kann mit Hilfe von sog.
Standardenthalpien H 0f die Reaktionsenthalpie einer Reaktion berechnet
werden:
Wärme und
chemische
Rektionen
ReaktionsEnthalpie
Satz von
Hess
H   H 0f (Produkte)   H 0f (Reaktanden )
Mit den mittleren Bindungsenergien kann auch der H – Wert abgeschätzt
werden. Die Reaktionsenthalpie ergibt sich dann aus der Summe aller HWerte für das Aufbrechen der Bindungen minus die Summe der H-Werte
für die Energie, welche beim Zusammenfügen der Bindungen in den Reaktionsprodukten frei wird. Es gilt jedoch zu beachten, dass die Bindungsenergie einer einzelnen Bindung stark von der Struktur des Moleküls abhängig ist. Tab.2 gibt nur mittlere Werte für die Bindungsenergie an.
3
Reaktionswärme; Griechisch En = darin, thalpos = Wärme
282
BindungsEnergien
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Tab. 2. Mittlere Bidnungsenergien (Dissoziationsenergie zweiatomiger Moleküle)
Bindung Bindungsenergie
kJ / mol
Br-Br
193
C-C
347
C=C
619
C-H
414
Bindung Bindungsenergie
kJ / mol
C-O
335
Cl-Cl
243
F-F
155
H-Br
364
Bindung Bindungsenergie
kJ / mol
I-I
151
N-H
389
N-N
159
O-H
463
C-F
C-N
H-Cl
H-H
O-O
O2
485
293
431
435
138
494
Aufgaben
A1. Schätzen Sie die Reaktionsenthalpie für die folgende chemische Reaktion ab:
H2 (g) + Cl2 (g)  2 HCl (g)
Ist die Reaktion endotherm oder exotherm?
A2. Beim Verbrennen von O2 und H2 (Knallgasreaktion) entsteht H2O. Die
Reaktion verläuft explosionsartig beim korrekten stöchiometrischen Verhältnis der Reaktanden. Um wieviel würde sich ein mol H2O nach dieser
Reaktion gegenüber den Edukten (bei 20°C) erwärmen?
A3. Aus Graphit (Fig.1) und Wasserstoffgas soll Methan (CH4) hergestellt
werden. Die Reaktionsenthalpie beträgt –74.9 kJ / mol. Schätzen Sie anhand
der Bindungsenergien die Reaktionsenthalpie ab: Was fällt auf?
C
Fig.1. Struktur von Graphit
283 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
H-H (g)  2 H (g): H = +435 kJ / mol
Cl-Cl (g)  2 Cl (g): H = +243 kJ / mol
2 H (g) + 2 Cl (g)  2 HCl (g): H = -2 x 431 kJ / mol
=- 862 kJ / mol
H = -184 kJ / mol
Die Reaktion ist exotherm
L2.
2 x H-H (g)  4 H (g):
H = +2 x 435 kJ / mol
= + 870 kJ / mol
O2 (g)  2 O (g):
H = + 494 kJ / mol
2 O (g) + 4 H (g)  2 H2O (g): H = - 1852 kJ / mol
H = -488 kJ / mol
molare Wärmekapazität von Wasserdampf bei 20°C:
Cp = 33.6 J / mol*K
T 
1 Q
 14523 K
2 nCp
Dieser Wert ist natürlich nicht realistisch (es gilt nicht dU   Q ), es
kommt zu einer fulminanten Explosion und damit zu einer schlagartigen
Expansion des Gases ( W  p  dV ) und das System ist nicht isoliert.
L3. Aus den Bindungsenergien ergibt ergibt sich:
3 x C-C: 3 . 347 kJ
2 x H-H: 2 . 435 kJ
-4 x C-H: -4 . 414 kJ
H = 255 kJ / mol anstelle von –74.9 kJ / mol
Die Differenz erklärt sich, weil die Bindungsenergien für zwei-atomige
Moleküle gelten und bestenfalls für gasförmige Stoffe einigermassen gute
Werte ergeben. Die Differenz ist auf das herauslösen der C-Atome aus dem
Kristallgitter zurück zu führen.
284
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 732 Chemische Reaktionskinetik
Theorie
Die Reaktionsgleichung gibt Auskunft über die stöchiometrische Beziehung zwischen Reaktanden und Produkten einer chemischen Reaktion.
Sie gibt aber nicht Auskunft darüber, wie die Reaktion abläuft, also wie der
zeitliche Verlauf ist oder ob sie über mehrere Stufen abläuft. Die chemische
Reaktionskinetik beschäftigt sich mit diesen Aspekten. Zur Beschreibung
chemischer Systeme kommen u.a. die gleichen mathematischen Konzepte
zur Anwendung, wie sie bereits in den Kapiteln 100-700 besprochen wurden.
Zu Beginn soll folgende Reaktion betrachtet werden: A + B  C. Die
Konzentration des Stoffes A sei eine zeitabhängige Funktion A   c A (t )
und analog dazu B  c B (t ) . Die Reaktionsgeschwindigkeit ist nun definiert durch:
c 
dc
dt
Zeitliche
Entwicklung
von
chemischen
Rektionen
ReaktionsGeschwindigkeit
(Eq.1)
Es stellt sich nun die Frage, von was die Reaktionsgeschwindigkeit abhängt.
In einem einfachen Modell kann folgende Vorstellung herangezogen
werden. Moleküle (A und B) können nur reagieren, wenn sie sich treffen,
also miteinander kollidieren. Die Zahl der Kollisionen ist gemäss der
kinetischen Gastheorie in einem Gas sehr gross: Bei Raumtemperatur und
einem Druck von 1013 hPa erfolgen in einem Liter Gasvolumen ca. 1031
Kollisionen pro Sekunde. Würde jede Kollision jedoch zu einer Reaktion
führen, wäre die Reaktion innerhalb einer Sekunde vollständig abgelaufen.
Die meisten Reaktionen laufen aber wesentlich langsamer ab. Dies legt den
Schluss nahe, dass nur ein geringer Bruchteil der Kollisionen zu einer
Reaktion führen (effektive Kollisionen). Gründe für nicht-effektive Kollisionen können ungünstige Orientierung der kollidierenden Moleküle oder zu
geringe Geschwindigkeit (kinetisch Energie) sein, um einen Bruch der
chemischen Bindung zu bewirken. Dieses Konzept wird durch die Beobachtung unterstützt, dass bei einer Zunahme der Reaktionsgeschwindigkeit bei
einer Temperaturerhöhung von 10°C sich in etwa verdoppelt. Bei einer
Temperaturerhöhung von 25°C auf 35°C erhöht die Zahl der Kollisionen in
einem idealen Gas um ca. 2%. Somit ist nicht die Gesamtzahl der Kollisionen massgebend, sondern die Zahl der effektiven Kollisionen steigt
massiv an. Bei Betrachtung der Geschwindigkeitsverteilung der Moleküle
(Fig.1) wird klar, dass bei geringer Temperaturerhöhung der Anteil an
Molekülen oberhalb eines bestimmten Energiewertes massiv ansteigen
285 KollisionsTheorie
TemperaturAbhängigkeit
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik kann. Um eine Reaktion auszulösen, muss ein bestimmter Schwellenwert
überschritten werden (Aktivierungsenergie, Fig.2)
EnergieVerteilung in
Gasen
Anzahl Moleküle
T1
T2
Energie
potentielle Energie
Fig.1. Schematische Darstellung der Verteilung der kinetischen Energie von Molekülen in einem idealen Gas bei zwei verschiedenen Temperaturen T1 < T2.
AktivierungsEnergie
Ea
Reaktionskoordinate
Fig.2. Energiediagramm für eine einstufige chemische Reaktion mit der Aktivierungsenergie Ea.
Grob zusammengefasst lässt sich sagen, die ist Reaktionsgeschwindigkeit
abhängig von der Anzahl vorhandener Moleküle, der Anzahl Kollisionen
und der Temperatur. Dies gilt im Prinzip auch für Reaktionen in wässerigen
Lösungen. Allerdings beeinflusst das Lösungsmitel die Reaktion und viele
chemische Reaktionen laufen mehrstufig ab. Das hier vorgestellte Modell
greift somit für viele Fälle zu kurz. Gerade aber Abweichungen von solchen
286
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Modellen verraten unter Umständen einiges über die tatsächlich wirkenden
Reaktionsmechanismen. Im Folgenden sollen ein paar exemplarische Reaktionsmuster näher betrachtet werden.
Ein Beispiel der Reaktionskinetik 0. Ordnung ist der Abbau einer Substanz
A  B. Würde dies mit konstanter Rate geschehen, so würde gelten:
dc A
 k
dt
Kinetik
0.Ordnung
(Eq.2)
Durch Integration von Eq.2 resultiert: c A (t )  kt  c A (0) . Die Konzentrationsänderung ist linear. Sobald jedoch keine Substanz A mehr vorhanden
ist, müsste die Reaktionsgeschwindigkeit null werden. Bei der Reaktionskinetik 1.Ordnung wird deshalb auch berücksichtigt, dass die Reaktionsgeschwindigkeit auch proportional zu A   c A (t ) ist:
dc A
 k  c A
dt
Kinetik
1.Ordnung
(Eq.3)
Separation
und Integration führen zur wohlbekannten Lösung
c A (t )  c0  e  kt .
Für Reaktionen vom Typus A + B  C muss berücksichtigt werden,
dass sich die Moleküle begegnen müssen, um mit einander zu reagieren
(Kollisionsmodell). Somit ist die Reaktionsgeschwindigkeit von beiden
Konzentrationen abhängig:
dc A
 k  c A c B
dt
(Eq.4)
Kinetik
2.Ordnung
Für den Spezialfall A + A  C ergibt sich aus Eq.4
dc A
  k  c A2
dt
(Eq.5)
Dies entsprich einer Reaktionskinetik 2.Ordnung. Die Lösung lässt sich
durch Integration und Separation leicht bestimmen:

und somit
dc A
1
  k   dt   kt  c  
2
cA
cA

1 
c A (t )  kt 

c A (0) 

1
(Eq.6)
287 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Die Reaktionskinetik höherer Ordnungen folgt im Prinzip der gleichen
Logik. Für die Reaktion des Typs A + 2B  Produkte lässt sich das folgende Geschwindigkeitsgesetz aufstellen:
dc A
  k  c A c B2
dt
Kinetik
höherer
Ordnung
(Eq.7)
Ob ein solches Gesetz wirklich zutrifft, hängt von den tatsächlich wirkenden
Reaktionsmechanismen ab und muss im konkreten Fall experimentell geprüft werden.
Die Temperaturabhängigkeit der Geschwindigkeitskonstante k kann näherungsweise durch die Arrhenius-Gleichung bestimmt werden:
k  A  e  Ea /( RT )
ArrheniusGleichung
(Eq.8)
Dabei ist A eine für die betreffende Reaktion charakteristische Konstante
und Ea die Aktivierungsenergie.
Ein Spezialfall ist die Katalyse. Dabei wird ein Substrat mittels Katalysator
abgebaut, ohne das dieser verbraucht wird. Typischerweise folgen solche
Reaktionen einer Michaelis-Menten-Kinetik.
vm  c
dc

dt
( k m  c )  Vd
(Eq.9)
Dabei ist vm die maximal mögliche Konzentrationsänderung (max. Änderungsgeschwindigkeit), welche auftritt, wenn alle am Transportvorgang
beteiligten Trägermoleküle ausgenutzt sind. Die Konstante km wird Michaelis-Konstante genannt und repräsentiert die Konzentration, welche beim
halben Wert der maximalen Änderungs-geschwindigkeit vorliegt.
Das Verhalten des Systems bei einer Michaelis-Menten-Kinetik lässt
sich für zwei Grenzfälle mathematisch gut untersuchen. Der erste Grenzfall
ergibt sich, wenn sehr kleine Konzentrationen betrachtet werden:

vm  c
lim
c 0 ( k  c )  V
d
 m
288

vm
 
c
 k m  Vd
(Eq.10)
MichaelisMentenKinetik
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Die rechte Seite von Eq.10 hängt nun linear von der Konzentration c ab.
Damit liegt eine Kinetik erster Ordnung vor. Der zweite Grenzfall ergibt
sich beim Vorliegen sehr hoher Konzentrationen:

vm  c
lim
c  ( k  c )  V
d
 m
 vm
 
 Vd
(Eq.11)
Somit nimmt Eq.11 die Form c   k an, es liegt also eine Kinetik nullter
Ordnung vor.
Phasendiagramm
c = dc
dt
c max = vm
vm
2
km
c(t)
Fig.3. Schematische Darstellung eines Phasendiagramms für ein Michaelis-MentenSystem: Bei der Konzentration km wird für ein Verteilungsvolumen Vd = 1 m3 der
halbe Wert der maximalen Geschwindigkeit vm erreicht.
Aufgaben
A1. Welche Reaktionskinetik bzw. welches Geschwindigkeitsgesetz ist für
die folgenden chemischen Reaktionen zu erwarten?
a)
b)
c)
d)
Au )
2 N2O (g) (
 2 N2 (g) + O2 (g)
2 NO2 (g) 
 2 NO (g) + O2
2 HI (g) 
 H2 (g) + I2 (g)
C2H6 
 2 CH3
289 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik A2. Für die Reaktion 2 NOCl (g) 
 2 NO (g) + Cl2 (g) wurde bei T =
300 K eine Geschwindigkeitskonstante von 2.6  10 8 L/(mol  s) und bei T
= 400 K eine Geschwindigkeitskonstante von 4.9  10 4 L/(mol  s) gemessen.
a) Wie gross ist die Aktivierungsenergie?
b) Wie gross ist k bei 500 K?
A3. In einem Gefäss mit einem Liter Wasser als Lösungsmittel laufe die
folgende Zerfallsreaktion ab: A 
 B. Die Aktivierungsenergie für diese
Reaktion betrage 50 kJ / mol und die Arrheniuskonstante sei 108 L/s. Die
Reaktionsenthalpie betrage –1600 kJ / mol. Die Anfangskonzentration sei
0.1M.
Beantworten Sie mittels Computersimulation folgende Frage:
a) Welchen Reaktionsverlauf (Änderung der Menge der Substanz A
und Temperaturverlauf) stellt sich ein, wenn das Reaktions-gefäss
perfekt wärmeisoliert ist?
b) Was ändert sich gegenüber Teilaufgabe (a), wenn das Gefäss nicht
gut wärmeisoliert ist? Welcher Grenzfall ist bei guter Kühlung zu
erwarten?
A4. Bei welcher Temperaturdifferenz T  T2  T1 verdoppelt sich die Reaktionskonstante k im Fall einer Kinetik 1. Ordnung? Welchen Wert müsste
die Aktivierungsenergie haben, damit bei Zimmertemperatur (293 K) eine
Verdoppelung bei T = 10K eintreten würde?
290
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
(a) katalytische Reaktion, Kinetik 0.Ordnung, solange Konzentration
dc( N 2 O )
 k
dt
dc( NO2 )
  k  c 2 ( NO2 )
(b) Kinetik 2.Ordnung,:
dt
dc( HI )
  k  c 2 ( HI )
(c) Kinetik 2.Ordnung,:
dt
dc(C 2 H 6 )
(d) Kinetik 1.Ordnung,:
  k  c(C 2 H 6 )
dt
genügend hoch ist:
L2.
1 1
   
 T1 T2 
k 
T T
also E a  R  1 2  ln 2   98.2 kJ / mol
T2  T1
 k1 
(a) ln k 2  ln k1 
Ea
R
(b) k(500 K) = 0.19 L/(mol·s)
L3. Flussdiagramm für Vensim
A
R
dA
k
Arrh
T
DeltaH
Ea
m
cp
Q
Pin
Pout
Tu
kcond
291 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L3a) Verlauf der Menge von A (in mol)
A
0.2
0.15
0.1
0.05
0
0
2
4
6
8
10
12
Time (Second)
14
16
18
18
20
A : Current
Temperaturentwicklung
T
400
375
350
325
300
0
2
4
6
8
10
12
Time (Second)
14
T : Current
Änderung der Geschwindigkeitskonstante
292
16
20
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L3b) Verlauf der Menge von A (in mol) für kcond =2000W /K: Die Reaktion läuft mit Kühlung langsamer ab und der Verlauf ist mehr exponentiell.
A
0.2
0.15
0.1
0.05
0
0
2
4
6
8
10
12
Time (Second)
14
16
18
20
14
16
18
20
16
18
20
A : Current
Temperaturentwicklung
T
310
307.5
305
302.5
300
0
2
4
6
8
10
12
Time (Second)
T : Current
Änderung der Geschwindigkeitskonstante
k
0.4
0.325
0.25
0.175
0.1
0
2
4
6
8
10
12
Time (Second)
14
k : Current
293 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L4.
Verdoppelung von k:

Ea
RT2
Ea
Ea


k2 2k1
Ae
RT2 RT1

2


A
e
E
 a
k1
k1
A  e RT1
ln 2 
Ea
R
1 1 E 1
1
    a  
 T1 T2  R  T1 T1  T
 Ea 

T



 R  T1  (T1  T ) 
Ea
RT1  ln 2
T  T T1
T


 1

1
T
T
Ea
T1  T
RT1  ln 2
Ea
T
 1  1  T 
T
RT1  ln 2
T1
Ea
1
RT1  ln 2
Aktivierungsenergie:
 T

Ea  RT1  ln 2   1  1  51.14kJ

T


294
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 740 Wärmetransport und Transportphänomene
741Wärmeleitung
Theorie
Bereits im Unterkapitel 720 wurde der Wärmetransport zwischen Wärmespeicher oder aus Wärmespeicher hinaus betrachtet. Der Transport von thermischer Energie kann durch Konvektion (Energie wird mit Masse transportiert), Wärmeleitung oder Wärmestrahlung geschehen. In diesem Abschnitt soll nun der Wärmetransport durch Wärmeleitung eingehender
betrachtet werden. Die dabei geltenden Gesetze lassen sich auf verschiedene
Diffusionsphänomene übertragen, weshalb in diesem Unterkapitel auch das
generelle Thema Transportphänomene angeschnitten wird.
Als erstes soll der Wärmeleitung in einem Stab (Längsachse ist xRichtung) betrachtet werden. Der Stab habe die Querschnittsfläche A und
sei an den Enden thermisch leitend mit Wärmespeichern mit der Temperatur
T1 bzw. T2 verbunden. Ansonsten sei der Stab ther-misch isoliert. Wie
schnell und somit wie viel Wärme pro Zeit fliesst, hängt sowohl von der
Temperaturdifferenz T als auch von der betrachteten Länge x ab.
Somit ist die Wärmestromdichte j  dQ /( dA  dt ) vom Temperaturgradienten abhängig:
j  k 
dT
dx
j
j
 dT   k   dx   k  x  T  T
1
T1
und somit:
j
T ( x)    x  T1
k
Wärmeleitung in
Stab
Fouriersches
Gesetz
(Eq.1)
Dies ist das sogenannte Fouriersche Gesetz (bzw. das Ficksche Gesetz für
eine Dimension). Im stationären Fall kann angenommen werden, dass die
Wärmestromdichte konstant ist. In diesem Fall lässt sich das Temperaturprofil längs des Stabes durch Integration ermitteln:
T
Arten des
Wärmetransportes
(Eq.2)
Der Temperaturverlauf längs des Stabes ist also im stationären Fall linear.
295 stationärer
Fall
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Interessanter ist der nicht-stationäre Wärmetransport in alle Raumrichtungen. Dazu kann ein infinitesimal kleiner Würfel mit dem Volumen
V  dx  dy  dz betrachtet werden. Die Wärmestromdichte in x-Richtung
sei j x  dQ /( dt  dy  dz ) . Für die x-Richtung kann nun eine Bilanzierung
vorgenommen werden: Die Änderung der Wärmemenge im Würfel verursacht durch den Transport in x-Richtung ist gegeben durch die den Wärmestrom j x ( x)  dy  dz , welcher an der Stelle x in den Würfel hinein fliesst
minus den Wärmestrom j x ( x  dx)  dy  dz , welcher an der Stelle x  dx
wieder aus dem Würfel austritt. Da der Würfel infinitesimal klein ist gilt:
Wärmeleitung in
drei
Dimensionen
WärmestromDichte
 j 
j x ( x  dx)  j x ( x)   x   dx
 x 
Somit ist die durch den Wärmefluss in x-Richtung verursachte Änderung der
Wärmemenge im Volumen dx  dy  dz proportional zum Gradienten der
Stromdichte. Beschreibt der Gradient eine Abnahme der Stromdichte auf der
Länge dx, so bedeutet dies, das Wärme seitwärts an die y- und z-Richtung
abgegeben wird. Die Bilanz lässt sich nu für alle drei Raumrichtungen
aufstellen, wenn die Stromdichten mit den entsprechenden Würfelflächen
multipliziert werden:
 j y

Q
 j

 j

 dy   dx  dz   z  dz   dy  dx
  x  dx   dy  dz  
t
 z


 x
 y

j y j z 
 j
  dx  dy  dz

  x 
 x y z 
Da diese Bilanz für einen infinitesimal kleinen Würfel gilt, wird sinnvollerweise die Wärmedichte u  Q / V  Q /( dx  dy  dz ) eingeführt. Für
diese Wärmedichte resultiert dann:
j y j z


j
du
 x 

   j  div( j )
z
x y
dt
(Eq.3)
Die örtliche Mengenbilanz ist somit durch die Divergenz des Strom
dichtefeldes j ( x, y, z )  ( j x ( x, y, z ), j y ( x, y, z ), j z ( x, y, z )) gegeben. Generell gibt die Divergenz an, ob ein Vektorfeld zusammenläuft (Senke) oder

auseinander läuft (Quelle). Ist das Vektorfeld j quellen- und senkenfrei, so

ist div ( j )  0 .
296
Wärmedichte
Divergenz
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik In der Gleichung Eq.3 ist nun die mathematische Verbindung zwischen der
zeitlichen Änderung der Wärmedichte u ( x, y, z , t ) und dem Stromdichte
feld j ( x, y, z , t ) gegeben. Wärme- und Stromdichte sind aber auch physikalisch über das Ficksche Gesetz gekoppelt. Das Ficksche Gesetz für den
dreidimensionalen Fall ist gegeben durch:

j  k  u  k  grad (u )
und somit j x  k 
Ficksches
Gesetz
(Eq.4)
u
u
u
; j y  k 
und j z   k 
.
x
y
z
Durch Einsetzten von Eq.4 in Eq.3 resultiert die Wärmeleitungs-Gleichung:
  2u  2u  2u 
u
 k   2  2  2 
dt
y
z 
 x
WärmeleitungsGleichung
(Eq.5)
Anstelle der Wärmedichte kann auch die Temperatur genommen wer-den:
Mit
u
dQ
dm  c  T

 cT
dx  dy  dz
dV
resultiert:
dT
k   2T  2T  2T 





dt c  dx 2 dy 2 dz 2 
(Eq.6)
Die Gleichungen gelten auch für Diffusionsprozesse (u = Konzentration
eines Stoffes), weshalb man von der sogenannten Diffusionsgleichung
spricht.
297 DiffusionsGleichung
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Aufgaben
A1. In einem Triebwerk werde eine Achse (Stab mit einer Länge von 20
cm, Querschnittsfläche 1 cm2) verwendet. Die Achse werde mittels Kugellager in der Mitte gelagert. Die Temperatur darf dort 220°C nicht überschreiten. Auf der kalten Seite kann eine konstante Temperatur von 20°C
angenommen werden (Umgebungstemperatur).
a) Wie warm darf die Welle am heissen Ende maximal werden, wenn
angenommen wird, dass die Welle ausser an den Enden thermisch
isoliert sei.
b) Welcher Wärmestrom durch die Achse ist zu erwarten?
A2. Ein dünner Stab mit einer Länge von 0.5 m sei an den Enden mit je
einem Wärmespeicher thermisch leitend verbunden. Die Mantelfläche des
zy-lindrischen Stabs sei thermisch isoliert. Die Temperatur des Warmen
Speicher sei 10°C, die des kalten Speichers 0°C. Der Temperaturverlauf in
Längsrichtung sei zur Zeit t = 0 s gegeben durch:
T ( x,0)  10C  e 50 m
1
x
a) Zeigen Sie, dass T ( x, t )  T0  e  1x  2t eine mögliche Lösung von
Eq.6 für das vorliegende Problem ist. Bestimmen Sie 1 und  2 .
b) Der Temperaturverlauf in Abhängigkeit der Zeit soll durch eine
Computersimulation bestimmt werden. Erstellen Sie ein Konzept,
wie Eq.6 numerisch gelöst werden kann und imple-mentieren Sie
dieses in ein Programm (Tabellenkalkulation oder frei wählbare
Programmiersprache). Testen Sie ihre Simulation: Entsprechen die
Resultate ihren physikalischen Vorstellungen?
A3. Berechnen Sie den Temperaturverlauf für folgende Fälle:
a) Die Wärmequelle (Kugel mit Radius r1) sitzt im Zentrum einer
Kugel mit dem Radius r2: Gesucht ist der radiale Temperaturverlauf
T(r).
b) Zwischen der Grundfläche und der Spitze eines Kegelstumpfes
herrsche eine Temperaturdifferenz: Gesucht ist das Temperaturprofil T(x) entlang der Kegelachse zwischen x und x+l. Die Spitze
des Kegels sei bei x = 0.
298
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L1. (a) Es gilt gemäss Eq.2
T ( x)  T1 
j
x
k
also
j
 0.2m
k
j
T (0.1m)  220C  T1   0.1m
k
T (0.2m)  20C  T1 
 T1  420°C

j T1  T ( x) 

 2000 K/m;
k
x
(b) Wärmestrom
dQ
 j
 j  A     Ak  0.2 Km  k
dt
k
Der Temperaturgradient ist hier durch den stationären Fall bestimmt, k bestimmt den Wärmestrom
L2.
(a)
T
 2T
 2
t
x
T
 2T
 1  x  2 t
  2  T0  e
;
 12  T0  e  1  x  2 t
2
t
x
also  2  e
 1  x  2 t
   12  e  1  x  2 t
das ist erfüllt für:  
2
12
(b) Ausgangspunkt der Simulation ist die folgende Differenzen-gleichung:
  2T 
T     2   t
 x 
299 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Die entsprechende Berechnungstabelle hat folgende Struktur:
x
x0
x1
T ( x, t 0 ) T ( x, t 0 ) 
T ( x , t1 ) 
T ( x0 , t 0 ) T0 / x T ( x0 , t 0 ) / x T ( x 0 , t 0 )    T ( x 0 , t 0 )  t
T ( x1 , t 0 ) T1 / x T ( x1 , t1 ) / x T ( x1 , t 0 )    T ( x1 , t 0 )  t
T ( x, t 0 )
x 2 T ( x 2 , t 0 ) T2 / x T ( x 2 , t 2 ) / x T ( x 2 , t 0 )    T ( x 2 , t 0 )  t
...
...
...
...
...
In vertikaler Richtung liegt die Längsachse (x-Richtung), horizontal liegt die
Zeitachse (t-Richtung). Die Tabelle geht nur bis zum ersten Zeitschritt
t1  t 0  t . Das Rechenschema ist für jeden Zeitschritt zu wiederholen.
Da wegen den zweiten Ableitungen sehr schnell grosse numerische Fehler
auftreten, ist ein entsprechend kleines t zu wählen. Damit werden die Berechnugstabellen schnell sehr gross. Deshalb lohnt sich die Programmierung
mittels einer geeigneten Programmiersprache.
0.1
Delta(T) / K
0.08
0.06
0.04
0.02
0
0
0.05
0.1
0.15
0.2
-0.02
Länge x / m
Fig.1. Resultate der Simulation mit t = 10-3 s,
peraturdifferenz T ( x)  T ( x, t )  T ( x,0) .
300
 = 10-4 m-2s-1: gezeigt ist die Tem-
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Wichtig ist hier, dass die in Fig.1 gezeigten Resultate Lösungen zu einem
Anfangswertproblem darstellen. Je nachdem, wie nun die Randwerte vorgegeben werden, ergeben sich unterschiedliche Lösungen (Fig.2). Die Lösung T ( x, t )  T0  e  1 x  2t  T0  e  1 x  e2t ist Lösung der eindimensionalen
Wärmeleitgleichung (s. Teilaufgabe a) und liefert für ein gegebenes x ein
Anwachsen mit der Zeit t.
Transiente
und
stationäre
Lösungen
T(x)
T(x,t)
T(x,0)
x
T(x)
WärmeReservoir
mit
T(0,t)=const.
stationärer Fall
WärmeReservoir
mit
T(l,t)=const.
T(x,t)
T(x,0)
x
T(x)
WärmeReservoir
mit
T(0,t)=const.
Anfangs- und
RandwertProbleme
stationärer Fall
Isolation
T(x,t)
T(x,0)
x
Fig.2 Verschiedene Lösungen (schematische Darstellung) der eindimensionalen
Wärmeleitgleichung für verschiedene Randbedingungen (Randwerte): In den Fällen
mit vorgegebenen Temperaturen oder Isolierungen an den Rändern nähern sich die
transienten Lösungen dem stationären Fall an.
301 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L3.
(a) Der radiale Wärmestrom ergibt sich aus der Wärmestromdichte:
J (r )  A(r )  j (r )  kA(r ) 
dT
dr
Der gesamte Wärmestrom bleibt über den Radius gesehen konstant, wenn
nicht zusätzliche Wärme produziert wird. Somit kann das Temperaturprofil
durch Integration ermittelt werden:
 dT  
r
r
J 2 1
J 2 1
J 1 1

 dr  
 dr  
  
2

k r1 A(r )
4 k r1 r
4 k  r2 r1 
(b)
J
 dT   k 
J

k
x l

x
x l

x
1
J
 dx  
k
A( x)
1
J
 dx   2
2 2
 x
 k
 T ( x  l )  T ( x)
mit  
302
r ( x  l )  r ( x)
= const.
l
x l
x l

x
r
x
2
1
 dx
( x)
1
J  1
1
 dx   2  
 
2
 k  xl x 
x
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 742 Wärmestrahlung
Theorie
Je wärmer ein Körper, desto mehr Wärme strahlt dieser ab. Diese Wärmeabstrahlung erfolgt auch im Vakuum. Somit kann es sich nicht um Wärmeleitung handeln, da für diese Art von Wärmeübetragung ein Medium benötigt würde. Zudem lässt sich beobachten, dass mit zunehmender Temperatur auch sichtbares Licht emittiert wird. Licht und Wärmestrahung (Infrarot-Strahlung) beruhen auf demselben Phänomen: Energietransport durch
elektromagnetische Wellen (siehe Ab-schnitt 852). Elektromagnetische
Wellen lassen sich mathematisch wie mechanische Wellen (Kap. 600)
beschreiben. Es gilt dabei ebenfalls die fundamentale Beziehung zwischen
Wellenlänge  , der Frequenz  und der Wellenausbreitungsgeschwindigkeit c: c   .
Mit zunehmender Temperatur T eines Strahlers verschiebt sich die Wellenlänge  max des Strahlungsmaximums Richtung kleinere Werte (Wiensches Verschiebungsgesetz):
max 
b
T
Abstrahlung
von Wärme
Wiensches
VerschiebungsGesetz
(Eq.7)
Dabei ist b  2.897756  10 3 m  K die sogenannte Wienkonstante.
Ebenfalls ändert sich die vom Strahler emittierte Leitsung. Das von Josef
STEFAN 1879 empirisch gefundene und 1884 von Ludwig BOLTZMANN
theoretisch begründete Gesetz zeigt eine T4-Abhängigkeit der Strahlungsleistung:
P  AT 4
(Eq.8)
Dabei ist  der Emissionsgrad oder die Emissionszahl, welche für den
schwarzen Strahlen (perfekt absorbierendes Material) gerade eins ist. Die
Stephan-Boltzmann-Konstante   5.67  10 8 Wm 2 K 4 vermittelt den
Zusammenhang von abgestrahlter Leistung zu Fläche A und Temperatur T
des Strahlers.
303 StefanBoltzmannGesetz
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Tab.1. Emissionszahlen ausgewählter Materialien und Oberflächen
Material
Aluminium poliert
Stahl poliert
Kupfer oxidiert
Wasser
Temperatur / °C
170
20
20
0...100

0.05
0.16
0.78
0.95
Aufgaben
A1. Die Lichtemission der Glühlampe beruht auf der Abstrahlung eines
Wolfram-glühwendels (Glühfaden), welcher bei normalen Glühlampen eine
Temperatur von 2900 - 3000 K und bei Niedervolthalogenglühlampen eine
Temperatur von 3100 – 3400 K erreicht.
Programmieren Sie eine Computersimulation des zeitlichen Verlaufs der
Temperatur eines Glühwendels beim Einschalten der Lampe. Verwenden
Sie dabei für die von der Lampe abgestrahlte Leistung folgendes Gesetz:
Prad  A  T 4 mit der Stefan-Boltzmann-Konstante
  5.67  10 8 W /(m 2 K ) . A ist die abstrahlende Oberfläche und  ist
die Emissionszahl (ist 1.0 für schwarze Körper).
Bei welcher Wellenlänge liegt das Strahlungsmaximum? Wie heiss müsste
die Glühlampe werden, um ein Strahlungsmaximum im grünen Bereicht (ca.
500nm) zu haben (wie die Sonne)?
304
EmissionsZahlen
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1. Die im Glühwendel gespeicherte Wärmemenge Q = mcT ist linear von
der Temperatur T, der Masse des Wendels m und von der Wärmekapazität c
abhängig. Die Energiezufuhr erfolgt durch den elektrischen Strom I. Die
zugeführte Leistung P = UI = U2/R ist von der elektrischen Spannung U und
dem ohmschen Widerstand R abhängig. Der Widerstand R = l / A wiederum hängt von der Länge l und der Querschnittsfläche A des Glühwendels
ab. Zudem spielt der spezifische elektrische Widerstand  = (T) eine
wichtige Rolle: Dieser ist Temperaturabhängig. Für Wolfram sind die Werte
in Fig.3 gezeigt.
1.20E-06
1.00E-06
8.00E-07
6.00E-07
4.00E-07
2.00E-07
0.00E+00
0
500
1000
1500
2000
2500
3000
3500
Temperatur T / K
Fig.3. Spezifischer Widerstand  als Funktion der Temperatur T: Die Kurve kann
durch ein lineares Gesetz approximiert werden (hier (T) = 3.16·10-10(m/K)·T
(Daten aus Formeln & Tafeln4).
In erster Näherung kann für (T) ein linearer Ansatz verwendet werden:
(T) = T (Die Verwendung eines exponentiellen Ansatzes wäre genauer,
ändert aber die Simulation wenig). Für die Temperatur5 lässt sich nun
schreiben (ohne Berücksichtigung der Abstrahlung):
4
DPK, DMK: Formeln und Tafeln, Orell Füssli Verlag AG (1977), 9. Auflage
(2001), S.177
5
Aus Systemdynamischer Sicht wäre hier die Gleichung für die Wärmemenge als
Speichergrösse und die Leistung (Energiefluss) als Flussgrösse sinnvoll. Das hier
die intensiven Grösse Temperatur verwendet wird, liegt zum einen am Zugang über
die Differentialgleichung, welche für die Temperatur eine analoge Form zu Eq.20
hat, andererseits ist die Temperatur über den Begriff der Licht- bzw. Farbtemperatur
im Experiment direkt zugänglich.
305 Wärmemenge
im
Glühwendels
spezifischer
elektrischer
Widerstand
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik dT
U 2A

dt l  m  c  T
(Eq.4)
Die Gleichung Eq.4 ist von der Form T  T 1 und besitzt die Lösung
T (t )  2t  T02 mit  = U2A / (lmc). Es handelt sich um eine Art gedämpftes Wachstum, allerdings ohne ein Gleichgewicht zu erreichen, was
den Einsatzt von Glühlampen als Lichtquellen verunmöglichen würde. Wird
nun noch die Abstrahlung des Glühwendels berücksichtigt, so muss in Eq.36
noch der Term ST4 / mc abgezogen werden:
  S 4
dT
U 2A


T
dt l  m  c  T
mc
Abstrahlung
des
Glühwendels
(Eq.5)
Dabei ist  = 5.670·10-8 Wm-2K-4 die Stefan-Boltzmann-Konstante und  die
Emissionszahl (für schwarzen Körper ist  = 1.0). Die abstrahlende
Oberfläche S und die Masse m des Glühwendels lassen sich auf die Querschnittsfläche A und die Wendellänge l zurück-führen: S  2l  A und
m  W  V  W  lA mit der Dichte von Wolfram W = 19.3·103 kgm-3.
Somit ergibt sich für die Temperatur folgende DGL:
1   2 
dT
U2
 2
 
T 4
dt l   W  c   T
W c A
(Eq.6)
Die Computersimulation des Systems zeigt deutlich den Verlauf der Temperatur beim Einschalten der Lampe (Fig.4). Je nach Dimensionierung des
Wendels und Höhe der elektrischen Spannung, welche an der Lampe
anliegt, werden verschiedene Gleichgewichtstemperaturen erreicht. Die
Erhöhung der Spannung führt zu einer höheren Temperatur, was sich in
einer höheren Licht- bzw. Farbtemperatur und somit einem weisseren Licht
äussert. Zudem nimmt die emittierte Lichtmenge zu. Leider ist die
Wendeltemperatur durch den Schmelzpunkt von Wolfram (3380°C bzw.
3653 K) begrenzt. Mehr und weisseres Licht können nur Entladungslampen
liefern.
306
Farbtemperatur
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik T/K
4,000
3,000
2,000
1,000
0
0
0.020
0.040
0.060
Time (Second)
0.080
0.100
T : Current
Fig.4. Temperaturverlauf beim Einschalten einer Niedervolt-Halogen-glüh-lampe:
Mit einer Querschnittsfläche von 5·10-9 m2 und einer Wendellänge von 2.5·10-2 m
sowie  = 0.8 ergibt sich eine Gleichgewichtstemperatur von ca. 3170 K bei einer
Leistung von 30 W. Die Simualtion erfolgte mit Ven-sim (Numerik: Runge-KuttaVerfahren, t = 10-4 s).
In Eq.6 sind die Wärmeverluste durch Wärmeleitung sowie die Iso-lation
durch den Glaskolben (und die Reflektion der Strahlung6) nicht
berücksichtigt. Zudem wird der zeitliche Verlauf auch durch die Trägheit
des Transformators (Spannungsquelle, siehe Abschnitt 841) mitbestimmt.
Wellenlänge bei Strahlungsmaximum bei 3400 K:
max  852 nm  Infrarot
Temperatur für Strahlungsmaximum bei 500 nm: T = 5796 K
6
Osram entwickelte Niedervolt-Halogenglühlampen (IRC-Lampen), bei denen eine
Inrfarot-reflektierede Beschichtung des Glaskolbens zu einer höheren
Wendeltemperatur führt, ohne dass mehr elektrische Leistung zugeführt werden
muss. Dies führt zu einem Energiespareffekt.
307 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 800 Elektrodynamik
In diesem Kapitel wird näher auf die Erscheinungen und Phänomene der
Elektrizität und des Magnetismus eingegangen. Solange sich elektrische
Ladungen nicht bewegen, scheinen elektrische und magnetische Felder zwei
voneinander unabhängigen Naturphänomene zu sein. Sobald sich aber elektrische Ladungen bewegen, kann auf diese eine magnetische Kraft wirken.
Dies, weil bewegte Ladungen magnetische Felder erzeugen können. Deshalb wird auch von Elektromagnetismus gesprochen.
Für dieses Kapitel werden die Abschnitte 212 und 322 voraus gesetzt.
Die Lernziele sind:
1. Definitionen der wichtigsten elektrodynamischen Grössen anwenden können
2. die elektromagnetische Induktion mit der Lorentzkraft erklären
können
3. das Verhalten von Kondensatoren und Spulen im Wechselstromkreis qualitativ und quantitativ erklären können und deren
technische Anwendungen kennen
4. einfache Schaltungen berechnen und simulieren
Fig.1. Überspannungsableiter, Stromwandler und Spannungstrenner im 50-kV-Netz
308
Inhalt
Lernziele
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 810 Materie im elektrischen Feld
811 elektrische Grundgrössen
Theorie
Zu den Grundgrössen Zeit, Länge und Masse kommt in der Elektrodynamik
die elektrische Ladung q hinzu. Zwischen Ladungen wirken elektrische
Kräfte (Abschnitt 212). Für viele Betrachtungen wird dabei analog zu den
Punktmassen in der Mechanik von Punktladungen ausgegangen. Für Elektronen stimmt das hinreichend genau. Für geladene Körper kann jedoch
auch eine Ladungsdichte  definiert werden. Für die Gesamtladung Q gilt:

Q    (r )  d 3 r
elektrische
Ladung
Ladungsdichte
(Eq.1)
V

Werden Ladungen bewegt, so lässt sich auch eine Stromdichte j defi


nieren: j  nqv . Dabei ist v die Geschwindigkeit der Ladungen und
n  N / V ist die Anzahl geladene Teilchen pro Volumen, also die Teilchendichte. Die Stromdichte ist eine vektorielle Grösse. Sie stellt die Anzahl
geladenere Teilchen dar, welche pro Zeiteinheit senkrecht durch ein Flä
chenelement da fliesst. Folglich lässt sich die elektrische Stromstärke I
daraus ableiten als:
 
I   j  da
Stromdichte
Stromstärke
(Eq.2)
A

Zu beachten ist, dass das Flächenelement da ein Vektor mit Richtung der
Flächennormalem ist. Das Skalarprodukt wird maximal, wenn Stromdichte
und Flächennormale in die gleiche Richtung schauen.
Für Ladungsdichte und Stromdichte lässt sich wegen der Erhaltung von
Ladungen eine Kontinuitätsgleichung aufstellen. Dabei wird die zeitliche
Änderung der Ladungsdichte mit der Divergenz der Stromdichte verglichen.
Die Divergenz ist dabei folgendermassen de-finiert:
j y j z

 j

div( j )    j  x 
x y z
(Eq.3)
309 Divergenz
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Ändert sich die Ladungsdichte im Raum dahingehend, dass Ladungen von
einem Punkt weg fliessen, so entsteht dadurch eine Stromdichte. Die zeitliche Änderung der Ladungsdichte entspricht gerade der Divergenz der
Stromdichte. Für die Kontinuitätsgleichung folgt:

d
 j  0
dt
(Eq.4)
das elektrische Feld wurde bereits im Abschnitt 322 definiert. Eine et-was
exaktere Definition sei hier noch einmal gegeben. Wird eine möglichst
kleine Testladung in ein elektrisches
Feld gebracht, so wirkt auf diese die

Kraft FE . Das elektrische Feld E definiert sich dann durch:


 FE
E  lim
q 0
 q



 
n 
r r 
  qi    i 3 
4 0 i 1 
r  ri 

1

310
 ~
r r

 dq
3
4 0 r  ~
r
1
Superposition
von Feldern
(Eq.6)
Auch für kontinuierliche Ladungsverteilungen  (r) lässt sich das elektrische Feld theoretisch berechnen. Der Beitrag dE zum gesamten elektrischen Feld durch die Teilladung dq    d 3 r ist gegeben durch:

dE 
elektrisches
Feld
(Eq.5)
Das elektrische Feld geht von Ladungen aus. Spezielle Felder sind das
Coulomb-Feld und das homogene Feld (Abschnitt 212, 322), welche eine
besonders einfache mathematische Form aufweisen. Für mehrere, im Raum
verteilte Punktladungen qi können die Coulomb-Felder aufsummiert werden. Das resultierende elektrische Feld ist dann gegeben durch:
 
E (r ) 
KontinuitätsGleichung
(Eq.7)
kontinuierliche
Ladungsverteilung
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 
Daraus folgt für das elektrische Feld am Ort r :
 
E (r ) 
1
~
 ~
r r
~
d 3r
   (r ) 
3
~


4 0
r r
(Eq.8)
Die Berechnungen von Eq.8 können schnell sehr mühsam werden. Die
Berechnung mit einem Computer über Eq.6 ist eine mögliche Alternative.
Ebenfalls einfacher ist das Arbeiten mit Potentialen. Diese wurden im Abschnitt 322 eingeführt. Analog zum Abschnitt 323 (Rechnen mit Potentialen) kann ein Zusammenhang von elektrischen Feld und Potential über
eine räumliche Ableitung gefunden werden. Dies soll hier anhand des
Coulomb-Potentials gezeigt werden. Wir bilden folgende Ableitung:
  

1
 

 x  x 2  y 2  z 2  

 




Q
1
Q

 
  
 ( r ) 
4 0  y  x 2  y 2  z 2  
4 0





1
  

 z  2
2
2 

 


x
y
z
 
 x
 3
r 

 y  Q r
 r3 
4 0 r 3
 z 
 3
r 
(Eq.9)
In Eq.9 wurde komponentenweise abgeleitet:
  2
x  y2  z2

x 


1
2


1
2
2
2
   2  2x  x  y  z



3
2
Somit kann nun geschrieben werden:
 

E (r )   (r )
(Eq.10)
Dies steht in völliger Analogie zu Eq.31 in Abschnitt 323.
311 Potentiale
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Aufgaben
A1. Ein elektrisches Dipol besteht aus zwei Ladungen  q und  q , welche
sich im Abstand l zueinander befinden. Das Dipolmoment wird definiert
als:


p  ql
(Eq.11)
Berechnen Sie für ein Dipol das Potential und das elektrische Feld. Nehmen
Sie die negative Ladung im Ursprung des Koordinatensystems an.
A2. Ein dünner, geladener Draht trage pro Längeneinheit die Ladung  .
Das elektrische Feld um den Draht herum nimmt mit dem Abstand r zum
Draht ab:
E (r ) 
 1

2 0 r
(Eq.12)
Berechnen Sie das elektrische Potential.
A3. Stellen Sie die Kontinuitätsgleichung (Eq.4) für ein eindimensionales
Problem (e.g. langer, sehr dünner Draht) auf.
Wie lässt sich für dieses Problem die Kontinuitätsgleichung sinnvoll interpretieren?
A4. gegeben sei ein (radiales) Potential  (r )  a  ln r . Berechnen Sie das

elektrische Feld E ( r ) .
312
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.

 (r ) 
Potential:
q
q 

  
4 0  r
r  l 

1
Elektrisches Feld:
 
E (r ) 

q
q 
 
 3 r    3  r  l
4 0  r
r l

1







 
1 
1
 1

r 
l


 
 3 
4 0  r  l 3 r 3 

r
l



q
L2.
 (r )  


1
   dr  
 ln r  const.
2 0 r
2 0
L3. Für einen unendlich dünnen Draht wäre die Stromdichte unend-lich. Mit
der Beziehung I 
 
 j  da  A  j würde aber eine endliche Stromstärke
A
I  dq / dt resultieren.
A
d
dj
d d  dq 
d d  dq 
 A
 0  A
    A

dt
dx
dt dx  dt 
dt dt  dx 
 A
d
d  dq 
  
dt
dt  dx 
Die Grösse dq / dx ist quasi die Ladung pro Länge, also auch eine Ladungsdichte. Die obige Beziehung kann folgendermassen interpretiert werden: Die zeitliche Änderung der Ladungsdichte ist gleich der pro Zeiteinheit
ab- oder zufliessenden Ladungsdichte.
L4.

E     a   / x  ln x 2  y 2  z 2  ,  / y  ln x 2  y 2  z 2  ,  / x ...




 2
 a  r / r


313 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 812 Das Dielektrikum
Theorie

Durchdringt ein elektrisches Feld E ein Medium, so kann dieses auf das
Feld reagieren, wenn in diesem Material Ladungen verschoben werden. In
diesem Zusammenhang wird von der Polarisation des Mediums gesprochen.

Die verschobenen Ladungen produzieren ihrerseits ein Polarisationsfeld P .

(hier also VerschieDieses beschreibt
das Dipolmoment p pro Volumen

 
bungslänge l mal verschobene Ladung p  l  Q ). Wie stark sich dieses
Polarisationsfeld ausbildet, häng vom Material ab. Die dielektrische Suszeptibilität  beschreibt die Stärke dieses Feldes:


P   0 E
relative
DielektrizitätsKonstante
(Eq.14)
Für Vakuum ist  r = 1 und somit  = 0. Im NaCl – Kristall sind verschiebbare Ladungen vorhanden, aber in einem Kristallgitter fixiert, die Dielektrizitätskonstante  r beträgt 5.6. In Wasser hin-gegen erreicht sie  r = 81.
Noch höhere Werte werden mit gewissen TiO2 - enthaltenden Keramiken
erreicht (bis zu  r = 5000).
Wird eine Punktladung oder eine geladene Kugel in ein Dielektrikum
gebracht, so hat das auch Konsequenzen bezüglich der auf eine Ladung
wirkenden elektrischen Kraft. Für das Potential im Feld einer Punktladung
gilt:

1
1
4 r

dielektrische
Suszeptilität
(Eq.13)
Die relative Dielektrizitätskonstante  r lässt sich daraus ableiten:
r  1 
Polarisation
Potential im
Dielektrikum
(Eq.15)
mit    r   0 . Auch die Kapazität C eines Kondensators wird durch das
Material der Isolierschicht stark beeinflusst. Für einen Zylinderkondensator
mit Länge l, Innenradius ri und Aussenradius ra gilt zum Beispiel:
Beeinflussung
der Kapazität
ZylinderKondensator
314
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik C
2  l
r 
ln a 
 ri 
und für den Plattenkondensator mit der Plattenfläche
Plattenabstand d :
C  
(Eq.16)
A und dem
A
d
(Eq.17)
Die Energiedichte des elektrischen Feldes ist nun gegeben durch:
wE 
1
  E2
2
PlattenKondensator
(Eq.18)
Aufgaben
A1. Zwei metallische, parallele Platten mit einem Abstand von 1 cm werden
bei einer Spannung von 8 kV aufgeladen. Danach wird die Spannungsquelle
abgehängt (Experiment).
Wie gross ist die Spannung, wenn anschliessend eine 1 cm dicke Platte aus
PVC dazwischen geschoben wird?
A2. Ein 80 cm langer Zylinder aus Plexiglas (PMMA) mit einer Wanddicke
von 5 mm und einem Innendurchmesser von 10 cm werde aussen und innen
mit einer Alufolie beklebt.
Wie gross ist die Kapazität?
A3. Auf einer metallischen Kugel mit einem Radius r  5cm befinde sich
die Ladung Q  12C . Die Kugel sei mit einer 2 cm dicken Isolierschicht
aus PMMA ummantelt.
Welche elektrische Spannung herrscht zwischen Ober- und Unterseite der
PMMA - Schicht?
315 Energiedichte
des
elektrischen
Feldes
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
U
 (1)
 (1)
U
C
Q
 2  1  r( 2 )  U 2  U 1  r( 2)
C
U1 C2  r
r
U2 
L2.
C
1
 8kV  1.3kV
6.1
2 0  r  l
 3.1  10 9 F  1.56 pF
r 
ln a 
 ri 
L3.
r2
r2
Q
1
Q
U   E (r )  dr 
  dr  
4 0  r r1 r2
4 0  r
r1
 180kV
r2
r1
r
316
r2
1 
 
 r  r1
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 820 Schaltungen im Gleichstromkreis
821 Serie- und Parallelschaltungen von Kondensatoren
Theorie
Bei einer Serieschaltung von Kondensatoren (Fig.2) werden diese im elektrischen Stromkreis hintereinander angeordnet.
C1
C2
Fig.2. Serieschaltung von zwei Kondensatoren
Die resultierende Kapazität für eine Serieschaltung von zwei Platten-kondenstoren mit der gleichen Plattenfläche A und den Plattenabständen d 1
bzw. d 2 kann wie folgt gefunden werden:




A
A
1



C  

1
1 
d
d1  d 2



 C1 C 2 
(Eq.19)
Allgemein gilt für alle Arten von Kondensatoren:
1
1

C
i Ci
(Eq.20)
Bei einer Parallelschaltung von Kondensatoren werden diese im elektrischen
Stromkreis hintereinander angeordnet (Fig.3).
317 SerieSchaltung
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik ParallelSchaltung
C1
C2
Fig.3. Parallelschaltung von zwei Kondensatoren
Für zwei parallel geschaltete Plattenkondensatoren mit dem gleichen Plattenabstand d und den Plattenflächen A1 bzw. A2 ergibt sich eine gesamte
Kapazität von:
A  A2
A
  1
 C1  C 2
d
d
C 
(Eq.21)
Allgemein gilt wieder für beliebige Kondensatoren:
C   Ci
(Eq.22)
i
Durch Ein- und Ausschalten der anliegenden Gleichspannung können
Kondensatoren geladen und entladen werden. Der Entladeprozess kann
folgendermassen modelliert werden: Wird ein geschlossener Stromkreis mit
einem Kondensator der Kapazität C und einem Widerstand R (Serieschaltung von R und C) betrachtet, so ist die Summe der Spannungen null
(Energieerhaltung bzw. Spannungen über eine Masche  Maschenregel
822): U C  U R  0 . Die Spannung über dem Kondensator ist gegeben
durch die Kapazität C und die Ladung Q, also U C  Q / C und die Spannung über dem Widerstand ist durch das Ohmsche Gesetz gegeben: U = RI.
Somit resultiert: Q / C  RI  Q / C  R  dQ / dt  0
dQ
1

Q
dt
RC
318
(Eq.23)
Entladen eines
Kondensators
Maschenregel
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Aufgaben
A1. Die totale Kapazität einer Serieschaltung von zwei Konden-satoren
beträgt 22 nF. Die Kapazität des einen Kondensators ist bekannt: C1 = 30
nF.
Wie gross ist die Kapazität des anderen Kondensators?
A2. Welches sind die maximale und die minimale Kapazität, welche sich
mit den drei einzelnen Kondensatoren C1 = 700 F, C2 = 200 F und C3 =
150 F realisieren lassen?
A3. Zwei parallel geschaltete Kondensatoren mit gleicher Kapazität C1
werden bei der Spannung U 0 geladen. Danach werden sie über einen
Widerstand R entladen (Experiment, Fig.4). Nach der Zeit T1 / 2 ist die
Spannung auf die Hälfte von U 0 abgefallen.
+
C
R
V
-
Fig.4. Experimentaufbau für die Kondensatorentladung mit der Kapazität (Kondensator) C und dem Entladewiderstand R.
a) Wie lässt sich die Kapazität C aus einer Entladung bestimmen?
b) Wie ändert sich T1 / 2 , wenn die Kondensatoren in Serie geschaltet
werden?
c) Wie lässt sich der Entladungsprozess mit dem Computer simulieren?
A4. Ein geladener Kondensator werde an einen ungeladenen Kondensator
angeschlossen: Was geschieht? Beantworten Sie diese Frage mittels einer
Computersimulation.
319 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen:
L1.
1
1 1
1
 
 C2 
 82.5nF
1 1
C 2 C C1

C C1
L2.
Maximale Kapazität wird bei einer reinen Parallelschaltung erreicht:
C  1050 F
Die minimale Kapazität wird bei einer reinen Serieschaltung erreicht:
C  76.36 F
L3. Die in einem Kondensator gespeicherte elektrische Ladung Q ist durch
die Kapazität C (für Aufgabe 3 also C  2C1 ) das Ohmsche Gesetz: U(t) =
R·I(t), wobei die Spannung U und der Strom I von der Zeit t abhängen7.
Durch Division von Eq.23 mit der Kapazität C erhält man:
dU
1

U
dt
RC
(Eq.24)
Die Differentialgleichung besitzt die analytische Lösung:
U (t )  U 0e

t
RC
(Eq.25)
mit der Anfangsspannung U0.
7
Im Rahmen einer systemdynamischen Betrachtung von Speichergrösse und
Flüssen wäre hier die Verwendung der elektrischen Ladung als Speichergrösse und
der Strom als Ladungsfluss sinnvoll. Experimentell besser zugänglich ist aber die
elektrische Spannung, weshalb hier direkt mit der DGL für U(t) gearbeitet wird.
320
Entladung
eines
Kondensators
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Die Halbwertszeit kann berechnet werden durch:
Halbwertszeit
T1 / 2  RC  ln(2)
(Eq.26)
Wird an Stelle einer Parallelschaltung eine Serieschaltung gewählt, reduziert
sich die Kapazität um den Faktor vier. Entsprechend verkürzt sich die Halbwertszeit ebenfalls um einen Faktor vier.
Der exponentielle Abfall der Spannung lässt sich auch graphisch interpretieren. Dabei kann das Produkt R·C mittels Eq.26 aus dem Spannungsdiagramm ermittelt werden. Der Königsweg ist hier quasi die logarithmische
Darstellung der Daten. Durch Logarithmieren von Eq.25 erhält man eine
Geradengleichung für ln[U]:
lnU (t )  
1
t  lnU 0 
RC
(Eq.27)
Aus Eq.27 wird ersichtlich, dass die Steigung dieser Gerade der reziproke
Wert von R·C ist.
Für die Darstellung der Daten kann anstelle des natürlichen Logarithmus ist es häufig günstiger, den dekadischen Logarithmus zu verwenden.
Mit dem Basiswechsel von e zu 10 resultiert aus Eq.27:
logU (t )  
1
t  logU 0 
ln(10)  RC
(Eq.28)
Um aus dem Steigungswert U/t im Diagramm das Produkt R·C zu berechnen, muss also noch mit der Faktor ln(10) berücksichtigt werden. Es gilt
dann:
U 

R  C  ln(10) 
t 

Logarithmieren
der Daten
1
(Eq.29)
321 Dekadischlogarithmische
Darstellung
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik U(t) / V
log(U(t)/1V)
Logarithmische Darstellungen erfüllen i. a. zwei Zwecke. Ersten zei-gen sie,
ob ein Zusammenhang exponentiell ist. Dies, weil die Entscheidung, ob eine
Gerade wirklich gerade ist, von Auge einfacher zu treffen ist, als wenn
beurteilt werden muss, ob eine Kurve exponentiell verläuft. Zweitens können Damit grosse Datenbereiche erfasst und zur Darstellung gebracht
werden.
100
2
U0
31.6
1.5
10
1
3.16
a
c
0.5
b
0
0
20
40
60
80
100
Zeit t / s
Fig.5. Logarithmische Darstellung des Spannungsabfalls bei einer Kondensatorentladung: Anfangsspannung U0 = 50 V, (a) R·C = 25.57 F; (b) R·C = 12.79 F; (c)
R·C = 5.12 F.
Die Umsetzung von Eq.24 in einen graphischen Modelleditor ist in Fig.6
illustriert.
Billanzgrösse
(Ladung auf einer Fläche
des Kondensators)
Q
U
R
C
dQ/dt
Q
Abfluss
(Änderung der Ladung
pro Zeiteinheit Strom)
Pfeil für Abhängigkeit
dQ/dt
C
R
Konstante Grössen
(Kapazität, Widerstand)
U
Abhängige Grösse
(elektrische Spannung)
Fig.6. Graphische Darstellung der Kondensatorentladung mit Legende für die verschiedenen Funktionen.
322
Nutzen der
logarithmischen
Darstellung
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L4.
Folgendes Flussdiagramm repräsentiert das System:
Q2
Q1
I12
C2
C1
U2
U1
R
Systemgleichungen
dQ1
Q
Q
U U
U  U1
  I 12  I 21   1  2   1  2  2
dt
RC1 RC 2
R
R
R
dQ2
Q
Q
U
U
U U2
  I 21  I 12   2  1   2  1  1
dt
RC 2 RC1
R
R
R
Das System zeigt das gleiche verhalten wie die Entleerung eines Tanks im
Abschnitt 624, Aufgabe 1. Hier wird ein Gleichgewichtsniveau bei der elektrischen Spannung erreicht. Dieses lässt sich durch Nullsetzen von Q 1 bzw.
Q 2 und mit der Ladungsbilanz Q1eq  Q2eq  Q1 (0) berechnen. Für die
Ladungen gilt im Gleichgewicht:
Q1eq  Q1 (0) 
C1
C1  C 2
323 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 822 Serie- und Parallelschaltungen von Widerständen
Theorie
Werden zwei Drahtwiderstände mit der Drahtlänge l1 bzw. l 2 mit dem
spezifische elektrischen Widerstand  in Serie geschaltet, so resultiert ein
Gesamtwiderstand R :
R
SerieSchaltung
l1  l 2
l
l
   1    2  R1  R2
A fil
A fil
A fil
(Eq.30)
Dabei ist A fil die Querschnittsfläche des Drahtes. Allgemein gilt:
R  R1  R2  R3  ...   Ri
(Eq.31)
i
R1
R2
Fig.7. Darstellung einer Serieschaltung von Ohmschen Widerständen.
Für eine Parallelschaltung von zwei Widerständen mit der gleichen Drahtlänge l und den Querschnittsflächen A1 bzw. A2 ist der Gesamtwiderstand
gegeben durch
R
l
1

1
1
A1  A2

R1 R2
(Eq.32)
Es gilt allgemein:
1
1

R
i Ri
324
(Eq.33)
ParallelSchaltung
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik R1
R2
Fig.8. Darstellung einer Parallelschaltung von Widerständen.
Wird an eine Schaltung von mehreren Widerständen eine Spannung angelegt, so ergeben sich entsprechend der Teilspannungen über den Widerständen Stromflüsse durch die einzelnen Widerstände. Es gilt das Ohmsche
Gesetz U  RI . Für das Berechnen von Teilspan-nungen und Teilströme
gibt es nützliche Regeln – die Kirchhoffschen Gesetze.
Die Knotenregel besagt, dass an eine Knoten im Stromkreis die Summe
aller Ströme null sein muss. Dafür muss den Strömen ein Vorzeichen zugeordnet werden:
I
0
k
Kirchhoffsche
Gesetze
KnotenRegel
(Eq.34)
k
Ladungen die pro Zeiteinheit zufliessen, müssen auch wieder abfliessen,
wenn die Schaltung nur aus leitenden Drähten und Widerständen besteht.
Die Maschenregel betrachtet die Teilspannungen in einer Mache eines
Stromkreises. Geht man in einem Stromkreis einmal rund herum, bis wieder
der gleiche Punkt erreicht wird, so muss die Span-nungsdifferenz null sein:
U
k
0
(Eq.35)
k
Wäre dies nicht so, würde der Energieerhaltungssatz verletzt. Eine Ladung
könnte sich immer in der gleichen Richtung im Stromkreis bewegen und
würde dabei ein immer höheres Potential erreichen.
325 MaschenRegel
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Aufgaben
A1. Welches sind der maximale und der minimale Widerstand, welche sich
mit den drei einzelnen Widerständen R1 = 50 , R2 = 200  und R3 = 500
 realisieren lässt?
A2. In einer Schaltung wird ein Widerstand mit 1.4 k benötigt. Zur
Verfügung stehen aber nur drei Widerstände mit 500 , 1 k und 2 k.
Suchen Sie eine Schaltung, mit welcher man den benötigten Widerstand
möglicht gut (angenähert) erreichen kann.
A3. Berechnen Sie den Gesamtwiderstand der nachfolgenden Schal-tung:
R1 = 100 
R3 = 300 
R2 = 200 
R3 = 70
R1 = 20
UQ = 50 V
A4. Bestimmen Sie in der nachfolgenden Schaltung alle Ströme und Spannungen.
R2 = 20
R4 = 50
326
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1. Max.: reine Serie mit R  750 ;
Min.: reine Parallelschaltung mit R  37
L2. 1 k in Serie mit Parallelschaltung von 500  plus 2 k
L3.
R  R *  R3




1
1
1
1
R



R
3
*

1
1 
R1 R2
R



 R1 R2 




1
  300  366.6

1 
 1



 100 200 
L4. Hinweis: Schaltung umzeichnen!
Rtotal  25.45  50  75.45
I total 
UQ
Rtotal
 0.663 A
U 4  R4  I total  33.15V  U 3  50V  U 4  16.85V
U1  U 2 
I3 
U3
 8.43V
2
U3
 0.24 A  I 1  I 2  0.42 A
R3
327 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 830 geladene Teilchen im Magnetfeld
831 Die Lorentz-Kraft
Experiment

Wird ein stromdurchflossener Leiter einem Magnetfeld B ausgesetzt
(Fig.9), so lässt sich eine Kraft F beobachten. Diese ist maximal, wenn die
Fliessrichtung des Stromes senkrecht zu den Magnetfeldlinien steht und
verschwindet, wenn die Fliessrichtung des Stromes parallel zu den Magnetfeldlinien ist.
LinearMotor
-
+
B
v
F
N
S
Fig.9. Schematische Darstellung eines Linearmotors: Wirkt auf bewegte, positive


Ladungen (mit der Geschwindigkeit v ) ein Magnetfeld B , so entsteht senkrecht

dazu eine Kraft F .
Die Richtungen deuten auf eine Verknüpfung über ein Vektorprodukt hin.
Die Kraft wird Lorentz-Kraft genannt. Sie wird für zunehmende Geschwindigkeiten stärker und hängt von der elektrischen Ladung und der Magnetfeldstäke ab:

 
FB  q(v  B)
(Eq.36)
Über Eq.36 kann auch die Einheit des B-Feldes abgeleitet werden: Diese ist
N  s /(C  m)  T (Tesla, benannt nach Nicolai TESLA).
328
LorentzKraft
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Theorie
Die Kraft, welche
in einem elek auf ein bewegtes, geladenes Teilchen

trischen Feld E und in einem magnetischen Feld B wirkt, ist gegeben
durch:

  
F  q( E  v  B)
(Eq.37)
Kraft auf
bewegte
Ladung
 
Die Lorentz-Kraft kann auch für eine Stromdichte j (r ) definiert wer-den:

   
F    j (r )  B(r )   d 3 r
(Eq.38)
Eine Begründung dieser Kraftwirkung wird in Abschnitt 832 gegeben.
Aufgaben
A1. Gegeben sei ein elektrisches Feld ET = (0, 0, 1000) V/m und ein
magnetisches Feld BT = (0.1, 0, 0) T. Eine Ladung q = 1 C durchfliegt diese
Felder mit der Geschwindigkeit vT = (0, 1, 0) m/s. Berechnen Sie den
elektrischen und den magnetischen Anteil des Kraftvektors, welcher auf
diese Ladung wirkt! Was fällt auf, wenn Sie die beiden Kräfte vergleichen?
A2. In einem Protonen - Zyklotron werden Protonen mit einem elektrischen
Feld beschleunigt und durch ein magnetisches Feld auf eine Kreisbahn
gezwungen. Zeigen Sie, dass der Radius der Kreisbahnen proportional zur
Geschwindigkeit der Protonen ist.
A3. In einem Zyklotron können Protonen auf einem Kreis mit 4.5 m
Durchmesser bis auf eine Energie von 32·10-19 J beschleunigt werden.
a) Welche Endgeschwindigkeit erreichen die Teilchen?
b) Welche Stärke hat das Magnetfeld?
A4. Die Sonne schleudert ständig geladene Teilchen in den Weltraum hinaus. Wenn diese Teilchen in das Magnetfeld der Erde eintauchen, bewegen
sie sich meist auf Schraubenlinien weiter. In Polnähe, wo das Erdmagnetfeld
besonders stark ist, kann dies zu spektakulären Lichterscheinungen führen.
Erklären Sie, warum ein geladenes Teilchen, welches unter dem Winkel (0
< φ < ) zu den Feldlinien eintritt, sich auf einer Schraubenlinie bewegt.
Berechnen Sie formal den Radius der Schraubenlinie für den Fall eines
homogenen Magnetfeldes.
329 Formulierung für
Stromdichte
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik A5. Ein geladenes Teilchen (Elektron) mit der Anfangsgeschwindigkeit

v (0)  (0, v y ,0) werde in einen Raum (Speicherring) eingeschossen. In
diesem Speicherring herrsche ein statisches Magnetfeld mit der Stärke

B  (0,0, Bz ) . Zudem soll ein elektrisches Feld in der x-Richtung zugeschaltet werden können.
a) Wie sehen die Bewegungsgleichungen aus, welche das System beschreiben?
b) Modellieren Sie das System mittels graphischem Modelleditor: Überprüfen Sie die Computersimulation anhand einer Handrechnung für den zu
erwartenden Bahnradius.
Lösungen
L1. FE  10 3 N ; FB  0.1N
L2. Ansatz: Lorentz-Kraft = Zentripetalkraft, mit B-Feld senkrecht zur
 
Bewegungsrichtung ergibt sich: q (v  B)  qvB
eBv 
mpv2
r
r
mpv
eB
L3.
(a) v 
(b) B 
2E
= 6.2·104 m/s
mp
mpv
re
= 0.29 mT
L4.
mv 2  sin 2 
mv sin 
r
qvB sin  
r
qB
330
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L5. Systemgleichungen:
{Top model}
{Reservoirs}
d/dt (vx) = + J1
INIT vx = 0
d/dt (vy) = + J2
INIT vy = 100
d/dt (x) = + J3
INIT x = 0
d/dt (y) = + J4
INIT y = 0
{Functions}
Bz = 0.0000001
qe = 1.6*10^(-19)
me = 9.1*10^(-31)
qm = qe/me
Ex = 0
{Globals}
{End Globals}
{Flows}
J1 = -qm*Ex-qm*vy*Bz
J2 = qm*vx*Bz
J3 = vx
J4 = vy
Flussdiagramm des Modells
331 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 832 Ströme und Magnetfelder
Experiment
Fliesst durch einen Leiter Strom, so lässt sich ein zirkuläres Magnetfeld um
den Stromleiter herum beobachten. Fliesst Strom durch eine Spule, so entsteht ein Dipol-Feld (Fig.10).
I
N
B
S
Fig.10. Dipolfeld um eine stromdurchflossene Spule herum: Oben Experiment mit
Eisenspänen, unten shematische Dratsellung
332
magnetisches
Dipol
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Diese Beobachtung liefert eine Erklärung für die Lorentz-Kraft. Be-wegte
Ladungen erzeugen Magnetfelder. Über dieses können die bewegten Ladungen mit einem äusseren Magnetfeld in Wechselwirkung treten. Zwei
stromdurchflossene, parallele Drähte können sich deswegen gegenseitig
anziehen oder abstossen, je nach Fliessrich-tung der Ströme (Biot-SavartKraft).
Biot-SavartKraft
Theorie
Der von einem Leiterelement dl erzeugte Beitrag zum Magnetfeld ist
gegeben durch:

  0 I dl  r
dB 
 3
4
r
Magnetfeld
um
Stromleiter
(Eq.39)

Die Stromstärke durch das Leiterelement ist I und r stellt der Vek-tor
vom Leiterelement zum Aufpunkt dar.
Die Formel Eq.39 erklärt die sogenannte Rechte-Hand-Regel: Wenn der
Daumen die Stromrichtung kennzeichnet, so zeigen die anderen Finger den
Drehsinn des Magnetfeldes um den Leiter herum an.
Wird in eine Spule ein Eisenkern eingefügt, so scheint sich das
Magnetfeld im Eisenkern zu bündeln. In diesem Zusammenhang wird von
magnetischer Permeabilität (Durchlässigkeit) gesprochen. Der Effekt der
magnetischen Permeabilität beruht auf einem Ausrichten der magnetischen
Momente der Atome im Medium. Je nach chemischer Zusammensetzung
und Kristallgitter regiert also das Medium auf ein äusseres Magnetfeld.
Dieses Verhalten wird durch die Permeabilitätszahl  r berücksichtigt. Die
Änderung der Feldstärke kann berechnet werden mit:
B   r B0
magnetische
Permeabilität
(Eq.40)
Die magnetische Feldstärke in einer langen (Länge l), mit nur einem
Medium ausgefüllten Spule mit N Windungen kann durch die Strom-stärke
des elektrischen Stroms, welcher diese Spule durchfliesst berechnet werden:
B  r 0
RechteHand-Regel
NI
l
(Eq.41)
mit  0  4  10 7 Vs/(Am).
333 Magnetfeld
in einer
Spule
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Es wird zwischen ferromagnetischen Stoffen (  r  1 ), paramagnetischen
Stoffen (  r  1 ) und diamagnetischen Stoffen (  r  1 ) unterschieden. Für
einige Materialien sind die Werte sind in Tab.1 gegeben.
Tab.1. Permeabilitätszahlen für einige Materialien
Ferromagnetika
r
Eisen
Nickel
bis 5000
bis 1000
Paramagnetika
Luft
Aluminium
≈1
1.00002
Diamagnetika
Wasser
Kupfer
0.99999
0.9999
Aufgaben
A1. Skizzieren Sie qualitativ unter Verwendung von Eq.39 die Feldlinien
um die folgenden Leiterquerschnitte (Fliessrichtung des Stroms aus dem
Blatt heraus).
A2. Begründen Sie die Formel Eq.41: Warum sinkt die Feldstärke mit zunehmender Spulenlänge l? Warum spielt die Fläche der Windungen keine
Rolle?
334
Permeabilitätszahlen
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik A3. Im Feld einer Spule (Länge l  0.5m ) mit Kern und mit 500 Windungen wird bei einer Stromstärke von 1.2 A eine Feldstärke von 0.75 T
gemessen.
Um welches Material könnte es sich handeln?
A4. An der Stirnfläche eines quadratischen Eisenkerns (mit einer Querschnittsfläche von AL 100 cm2) einer Spule (Läge l  0.3 m) soll eine
magnetische Feldstärke von 2 Tesla erreicht werden. Der Spulendraht (Kupfer) habe eine Querschnittsfläche von A fil = 1 mm2. An der Spule liege eine
Spannung von 12 V an.
Wie viele Windungen braucht es?
335 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
L2. Je weiter die Windungen auseinander liegen, desto weniger überlagern
sich die einzelnen Feldanteile der Windungen. Die Querschnittsfläche spielt
keine Rolle, da es sich bei dem B-Feld um einen magnetischen Fluss pro
Fläche handelt. Es handelt sich damit um eine lokale Feldstärke (differentielle Grösse).
L3.
r 
B l
 497.4
 0  NI
N
B l
B l R
B  l   l fil

 

 r   0  I  r  0 U  r  0 U  A fil
L4.

B  l    4 AL
 r  0  U  A fil
 N 1
Nickel oder Eisen wären möglich
4 Bl AL
 r  0  U  A fil
Die Windungszahl spielt keine Rolle, da sowohl Feldstärke als auch der
Ohmsche Widerstand der Spule linear von N abhängen. Allerdings muss
angemerkt werden, dass Eq.41 nur für lange Spulen gilt ( l  AL ). Wird
die Windungszahl bei gegebener Länge stark variiert, kann nicht mehr von
der Geometrie einer langen Spule ausgegangen werden.
336
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 833 elektromagnetische Induktion
Theorie
Das Experiment des Linearmotors Fig.9) lässt sich auch umkehren. Wird
anstelle einer Spannungsquelle ein Spannungsmessgerät angeschlossen, so
kann beim hin- und herbewegen der Querstange eine elektrische Spannung
gemessen werden. Auch dieses Phänomen lässt sich auf die Lorentz-Kraft
zurück führen. Durch sie werden Ladungen in Richtung der Querstange
verschoben. Diese Verschiebung führt zu einem elektrischen Feld E . Die
Spannung ist gegeben durch U  E  l , wobei l die Länge der Querstange
ist (genau genommen ist es der Abstand der beiden parallelen Stangen, auf
denen die Querstange aufliegt). Das elektrische
Feld wird aufgebaut, weil
 
8
die Lorentz-Kraft wirkt:
 qE  q  (v  B)  qvB  sin  . Ist der Winkel

 zwischen v und B 90°, so resultiert für das elektrische Feld: E  v  B ,
und entsprechend für die elektrische Spannung U  E  l  vl  B . Die
Geschwindigkeit v  ds / dt mit der Länge l multipliziert ergibt die pro
Zeiteinheit dt von der Querstange überstrichene Fläche dA , also eine
Flächenänderung pro Zeit:
U 
dA
l  ds
 B  B  
dt
dt
dB
dt
induzierte
Spannung
(Eq.42)
Wichtig ist, dass die B-Feldlinien senkrecht auf der Fläche A stehen.
Es wird auch eine Spannung gemessen, wenn bei einer Leiterschlaufe
mit konstanter Fläche A die Magnetfeldstärke verändert wird. Es gilt:
U   A 
Umkehrung
des
Linearmotors
(Eq.43)
zeitliche
Änderung des
Magnetfeldes
Die Beziehungen Eq.42 und Eq.43 können zusammengefasst werden. Für
die induzierte Spannung U ind gilt bei Flächen- und Magnetfeldänderung:
U ind  
d
A(t )  B(t )   B  dA  A  dB 
dt
dt
dt 

(Eq.44)
Auf die Bedeutung des negativen Vorzeichens wird in Abschnitt 841 eingegangen. In diesem Zusammenhang kann der magnetische Fluss definiert
werden. Der magnetische Fluss  durch eine Leiterschlaufe ist definiert als
8



Im Kräftegleichgewicht gilt 0  qE  qv  B
337 magnetischer
Fluss
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik das Produkt zwischen der Fläche A senkrecht zu den magnetischen
Feldlinien und der Stärke des Magnetfeldes B:
 
 m   B  dA
(Eq.45)
A
Für ein Leiterschlaufe mit einer zu den Feldlinien senkrechten Fläche
A  A ergibt sich  m  A  B .
Als einfaches Beispiel kann eine drehende Leiterschlaufe mit der Länge
l und der Breite b (Fläche A = l·b) betrachtet werden (Fig.11).
l
B
A=lb b
Fig.11. Rotierende Leiterschlaufe im Magnetfeld.
Wird nun die Leiterschlaufe um den Winkel  gedreht, so reduziert sich die
Fläche, welche senkrecht zum Magnetfeld steht. In Richtung Magnetfeld
verkürzt sich die Länge (projizierte Länge) lp = l·cos() (Fig.12), während b
konstant bleibt.
B

l
lcos(a)
Fig.12. Projektion der Länge l in Richtung Magnetfeld B.
338
rotierende
LeiterSchlaufe
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Die senkrechte Fläche A  A (t ) ist somit gegeben durch A = bl·cos().
Der Drehwinkel  ergibt sich aus der Winkelgeschwindigkeit  und der
Zeit t:  = t. Unter Verwendung von Ausdruck (Eq.42) kann für eine
rotierende Spule mit N Windungen im Magnetfeld (Fig. 12) die induzierte
Spannung Uind = Uind(t) berechnet werden:
U ind   NB
dA
 NB  bl sin(  t )
dt
WechselSpannung
(Eq.46)
Die induzierte Spannung stellt somit einen Wechselspannung dar, welche
mit der Frequenz  = /(2) schwingt.
Für die Berechnung der Leistung, welche ein Generator an einen Ohmschen Verbraucher liefert, ist die Einführung eines sogenannten Effektivwerts günstig. Die Leistung als Funktion der Zeit ist für einen ohmschen
Verbraucher gegeben durch p (t )  uˆiˆ  sin 2 (t ) . Mit Hilfe der trigonometrischen Beziehung 2 sin 2 (t )  1  cos(2t ) lässt sich diese umformen
zu:
EffektivWerte
1  cos(2t )
p(t )  uˆiˆ  sin 2 (t )  uˆiˆ 
2

uˆiˆ uˆiˆ
 cos(2t )
2
2
(Eq.47)
Leistung
Diese Funktion oszilliert also um den Mittelwert
P
uˆiˆ
uˆ
iˆ


 UI .
2
2 2
Der Effektivwert der Spannung ist deshalb definiert als:
U eff 
Uˆ
2

NB  bl
2
(Eq.48)
Analog gilt für die Stromstärke:
I eff 
iˆ
2
(Eq.49)
339 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Aufgaben
A1. Eine Spule mit 300 Windungen (Wdg) und einer Querschnittsflä-che
von 40 cm2 werde in ein homogenes Magnetfeld mit der Flussdichte B = 0.2
T gestellt. Nun werde das Feld ausgeschaltet. Die Flussdichte sinke innerhalb von 10 ms auf Null ab.
Welche elektrische Spannung wird in der Spule induziert?
A2. Ein Generator verfüge über eine Spule (mit Eisenkern) mit 500
Windungen und einer Fläche von 100 cm2 (Stator). Der Rotor des Generator
bestehe aus einem Permanentmagneten und drehe sich mit einer Frequenz
von 50 Hz. Die maximale Magnetfeldstärke in den Spulen betrage 0.3 T.
a) Welche maximale Spannung wird über den Enden einer Spule
erreicht?
b) Wie gross ist der Effektivwert der Spannung über den Spulenenden?
A3. Ein Drehstrom-Generator verfüge über drei Spulen (mit Eisen-kern) mit
je 1500 Windungen und einer Fläche von je 140 cm2 (Stator), welche in
einer Ebene mit einem Winkel von 120° zu einander angeordnet sind. Der
Rotor des Generator bestehe aus einem Permanentmagneten und drehe sich
mit einer Frequenz von 50 Hz. Die maximale Magnetfeldstärke in den Spulen betrage 0.7 T.
a) Welche maximale Spannung wird über den Enden einer Spule erreicht?
b) Wie gross ist der Effektivwert der Spannung bei einer Sternschaltung zwischen Neutralleiter und einer Phase?
c) Wie gross ist der Effektivwert der Spannung bei einer Sternschaltung zwischen zwei Phasen?
340
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
dB
B
  NA 
dt
t
0.2T
 300  40  10  4 m 2  ()  2  24V
10 s
U ind   NA 
L2.
(a)
uˆ  NA  Bˆ  
 500  0.01m 2  0.3T  50  2s 1  471.2V
(b)
uˆ
U eff 
2
 333.2V
L3.
(a)
(b)
uˆ  NABˆ    4616V
UN 
uˆ
2
 3264V
(c)
U P  3  U N  5653V
Der Faktor
3 ergibt sich durch
Spannungssignale um 120° bzw. 2 / 3 :
2
die
Phasenverschiebung
sin(x+2/3)-sin(x)
1.5
1
0.5
0
-0.5 0
-1
-1.5
-2
der
sin(x)
1
2
3
4
5
6
7
sin(x+2/3)
341 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Der Faktor
darstellen:
3 lässt sich graphisch mit einem Phasendiagramm sehr schön
PhasenDiagramm
UN
UN
60°
UP
UN
PermanentMagnet
(Oktopol)
Rotor
Stator
mit Statorspule
Anschlüsse
(3 Phasen)
Fig.A. Innenleben von Fahrrad-Dynamo (1-Phasen-Generator) und Alternator (3Phasen-Generator): Beim Dynamo besteht der Rotor aus einem Permanentmagneten, beim Alternator aus einem Elektromagneten.
342
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 840 Induktivitäten und Kapazitäten im Wechselstromkreis
841 Induktivität von Spulen
Experiment
Wird an eine Spule Wechselspannung angelegt und der Strom gemessen
(Fig.13), so kann festgestellt werden, dass das Verhältnis von Spannung zu
Strom grösser ist, als das Ohmsche Gesetz vorhersagt. Der Effekt wird noch
stärker, wenn in die Spule ein Eisenkern ein-gefügt wird. Da der Eisenkern
einer Spule den Ohmschen Widerstand einer Spule nicht beeinflusst, muss
dieser für Wechselströme typische Widerstand eine andere Ursache haben.
Fig.13. Messung des Widerstandes an einer Spule: Bei einer Wechselspannung (50
Hz) von 10 V (Effektivwert) stellt sich ein Strom von 12 mA ein. Draraus ergibt
sich ein Widerstand von 833 , viel mehr als der Ohmsche Widerstand des Kupferdrahtes.
Die Erklärung liefert die Selbstinduktion in einer Spule. Ändert sich der
Stromfluss in einer Leiterschlaufe der Spule, so ändert sich auch das magnetische Feld um die Spule herum. Dies führt zu einer Änderung des magnetischen Flusses bei benachbarten Windungen (Fig.14). Spulen können
somit zur induktiven Strombegrenzung benutzt werden (Drossel). Diese
werden u.a. bei Entladungslampen angewendet.
343 Spannung
und Strom
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik I (t) 
Iˆ cos(t)
Iind (t)

B(t) 

Bˆ cos(t)
Fig.14. Selbstinduktion in einer Spule
Aus Fig.14 ist zu erkennen, dass der induzierte Strom der ursprünglichen
Stromrichtung entgegen gesetzt ist. Dies entspricht einem Grundprinzip:
Der induzierte Effekt ist dem induzierenden Prozess entgegen gesetzt. Wäre
dies nicht so, hätten wir ein Perpetuum mobile, der Energiesatz wäre verletzt.
Lenz’sche
Regel
Theorie
Das Induktionsgesetz kann einerseits über die Änderung des magnetischen
Flusses durch eine Spule formuliert werden. Wird an Stelle eines Permanentmagnetes ein Elektromagnet in Form einer stromdurchflossenen Spule
verwendet, so ist aber auch eine Formulierung über die Änderung der elektrischen Stromstärke möglich. Die Grösse, welche den Zusammenhang vermittelt, ist die Induktivität L.
L  NA 
B
dB
 NA 
I
dI
Ändert sich der Stromfluss durch eine Spule, so ändert sich auch der magnetische Fluss durch diese Spule und es kommt in der Spule zu einer induzierten Spannung UL (Selbstinduktion):
344
SelbstInduktion
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik U L  L
dI
dt
(Eq.50)
Das negative Vorzeichen wiederspiegelt den Umstand, dass der induzierte
Effekt dem induzierenden Prozess entgegen gesetzt ist. Dadurch besitzt eine
Spule einen Widerstand für Wechselströme mit der Kreisfrequenz  , welcher auch als Impedanz Z bezeichnet wird:
Z
U
 L
I
(Eq.51)
Die Einheit von Z ist [Z] = , die Induktivität besitzt die Einheit [L] = H
(Henry).
Die in einer Spule mit der Induktivität L gespeicherte Energie Em ist
abhängig von der Stromstärke I, welche die Spule durchfliesst:
Em 
1 2
LI
2
(Eq.52)
Wird eine Spule von einem Wechselstrom durchflossen, so baut sich das
Magnetfeld mit der Frequenz des Stromes auf und wieder ab. Dies führt zu
einer Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung. Die Berechnung
dieser Phasenverschiebung kann über das Kirchhoffsche Gesetz für Maschen (Maschenregel) erfolgen. Dabei soll eine Spannungsquelle betrachtet
werden, welche die Wechselspannung U (t ) liefert. Wenn Spule und Drähte
(Leiter) einen vernachlässigbaren Widerstand haben, muss im Weiteren nur
die Spannung U L über Spule berücksichtigt werden. Gemäss der Maschenregel gilt: U (t )  U L  0 . Mit dem Induktionsgesetz Eq.50 ergibt sich:
uˆ  sin(t )  U L   L 
Impedanz
dI
dt
(Eq.53)
somit gilt:
dI uˆ
  sin(t )
dt L
(Eq.54)
Die Gleichung Eq.54 lässt sich leicht integrieren:
345 Energie einer
stromdurchflossenen
Spule
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik I (t )   dI 

uˆ
sin(t )  dt
L
uˆ
 cos(t )  iˆ  cos(t )
L
(Eq.55)
Strom und Spannung sind  / 2 phasenverschoben. Allgemein gilt für
U (t )  uˆ  cos(t  1 ) und I (t )  iˆ  cos(t   2 ) die Relation
1   2  

2
PhasenVerschiebung
.
Die Induktivitäten für Spulen hängen von Geometrie, Windungszahl und
Material des Spulenkerns ab. Für lange Spulen gilt:
L
 r  0  N 2 AL
l
Formeln für
Induktivitäten
(Eq.56)
Für andere Geometrien sind in der Fachliteratur entsprechende For-meln
angegeben.
Werden zwei Spulen um ein Eisenjoch angeordnet, so entsteht ein Spannungswandler oder auch Transformator genannt. Wir durch eine Spule ein
Wechselstrom gelassen, so erzeugt diese einen zeitlich ändernden magnetischen Fluss, welcher in der zweiten Spule eine Wechselspannung induziert. Bei verlustfreier Übertragung ist die magnetische Feldstärke durch
beide Spulen gleich: B1  B2 . Dies gilt auch für die zeitliche Änderung:
B1  B 2 . Wenn beide Spulen die gleiche Querschnittsfläche AL haben,
jedoch die eine Spule (Primärspule) N 1 Windungen und die zweite Spule
(Sekundärspule) N 2 Windungen, so gilt gemäss Induktionsgesetz für die
Spannungen über den Spulen:
U 1   N 1  AL 
dB
dt
U 2   N 2  AL 
dB
dt
und
Durch Division der beiden Gleichungen erhält man die Transfor-matorenGleichung:
346
Transformatoren
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik U 1 N1

U2 N2
(Eq.56)
Ein- und Ausschaltprozesse bei einem Transformator (und bei Spulen generell) lassen sich gut mit dem Computer simulieren. Dazu soll die Schaltung
in Fig.16 betrachtet werden. Es gilt
U Q  U R  U 1  0  U Q  I 1 R1  L1 I . Daraus ergibt sich die Differentialgleichung L1 I  U Q  I 1 R1 . Somit gilt für die Stromstärke im Primärkreis:
dI 1 U Q R1


I1
dt
L1 L1
(Eq.57)
Und für die Sekundärspannung:
U2 
L1 N 2 dI 1

N1
dt
(Eq.58)
Fig.15. Hochspannungstransformator
347 Ein- und
AusschaltProzesse
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik UQ
U1
R1
L1
L2
U2
UR
Fig.16. Schaltschema eines durch eine Spannungsquelle angesteuerten Transformators: Wird eine Gleichspannungsquelle mit einem selbstunterbrechenden Relais
verwendet, entspricht dies einem Funkeninduktor. Allerdings wird dann nicht die
Spannung, sondern der Strom geschaltet: Dies führt zu massiv höheren Primär- und
Sekundärspannungen, da sich mit Öffnen des Relais der Widerstand R1 ändert!
Aufgaben
A1. Zeigen Sie, dass die Einheit Henry H = Vs / A ist.
A2. Eine lange, hohle Spule mit 200 Wdg., einer Länge von 40 cm und einer
Querschnittsfläche von 10 cm2 werde von einem Gleichstrom mit der Stärke
von 0.5 A durchflossen.
a) Welche Energie wird in der Spule gespeichert?
b) Welche Spannung wird induziert, wenn der Strom innerhalb von 5
ms abgeschaltet würde?
c) Wie gross wäre die Impedanz für einen Wechselstrom mit einer
Frequenz von 1 kHz?
A3. Eine Wechselspannung ( = 50 Hz) von 220 V soll auf eine
Wechselspannung von 12 kV transformiert werden. Die Primärspule habe
600 Wdg. und die Spulenlänge betrage 0.1 m. Der Transformator habe einen
Eisenkern mit  r = 400 und einer Querschnittsfläche AL  10 3 m 2 . (Für
die folgenden Teilaufgaben lange Spule annehmen!)
a) Welche Windungszahl muss die Sekundärspule haben?
b) Welche Windungszahl müssten Primär- und Sekundärspule haben,
wenn eine Stromstärke von 1.5 A auf der Primärseite nicht überschritten werden soll?
348
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik A4. Die Primärspule eines Transformators bestehe aus 1200 Win-dungen.
Auf der Sekundärseite werde eine Sekundärspannung von 8 kV gemessen,
wenn auf der Primärseite eine Wechselspannung von 220 V anliegt (bei  =
50 Hz).
a) Wie viele Windungen besitzt die Sekundärseite?
b) Welche Windungszahl müsste die Primärspule haben, wenn bei
gleicher Impedanz die Frequenz von 50 Hz auf 200 Hz erhöht wird?
(Annahme: lange Spule)
A5. An der Primärseite eines Transformators liegt eine Spannung von 220 V
an. Die Primärspule des Trafos besteht aus 1400 Windungen, die Sekundärspule hat 70 Windungen.
a)
b)
Welche Spannung wird auf der Sekundärseite des Transfor-mators
gemessen?
Wie gross müsste die Anzahl Windungen auf der Sekundär-seite
sein, damit die Spannung 2 V betragen würde?
A6. Durch eine Spule mit einer Induktivität von 0.4 H fliesse ein Gleichstrom von 10 A. Nun werde der Strom ausgeschaltet, wobei die Stromstärke
innerhalb von 1 ms auf 0 A zurückgeht.
a) Welche Energie wird vor dem Abschalten in der Spule gespeichert?
b) Wie gross ist die induzierte Spannung beim Ausschalten des
Stromes?
c) Die Spule werde von einer zweiten Spule mit einer Induk-tivität von
10 H umgeben. Welche Spannung kann beim Aus-schalten des
Stromes erwartet werden.
d) Programmieren Sie eine Computersimulation für Teilaufgabe c,
allerdings für das Schalten der Primärspannung. Was stellen Sie im
Vergleich zu Teilaufgabe (c) fest?
e) Wie verhält sich die Spule, wenn Sinus-, Rechteck- und Sägezahnförmige Spannungen an die Spule angelegt werden?
349 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1. V  H  A / s  H  Vs / A
L2.
1 2 0  N 2 A 2
 I  15.7  10 6 J
(a) E m  LI 
2
2l
(b) U  L
dI
0.5 A
 125.7  10 6 H 
 12.6mV
dt
5  10 3 s
(c) Z  L  2  10 3 Hz  0.1257  10 3 H  0.79
L3.
(a) N 2  N 1 
U2
 32727Wdg.
U1
(b)
U  ZI  L  I   
 r  0  N 12 A
l
I
N 2  16364Wdg.
N1 
U l
 300Wdg.
r 0 A  I  
L4. (a) N 2  43636Wdg.
(b) N 12  N 11 
1
 600Wdg.
2
L5.
(a)
U 1 N1
N
 U 2  U 1 2  11 V

U2 N2
N1
(b) N 2  N 1
L6.
(a) E m 
1 2
LI  20 J
2
(c) U 2  U 1 
350
(b) U ind  U L  L
U2
 12.7 Wdg.
U1
dI
I
L
 4000 V
dt
t
N2
L2
2·105 V = 20 kV
 U1 
N1
L1
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L6d) Folgendes Flussdiagramm repräsentiert das System:
Zustandsgleichungen
I1.neu <-- I1.alt + dt*(dI1)
Startwert I1 = 0
Zustandsänderungen
dI1 = (UQ1+UQ2)/L1-(R1/L1)*I1
Konstanten
R1 = 5
L1 = 0,005
N1 = 100
N2 = 10000
Zwischenwerte
UQ2 = Tabelle(Zeit)
((0.02;0.00)(0.02;0.00)(0.02;10.80)(0.02;10.80)(0.02;10.80)
(0.03;10.80)(0.03;10.80)(0.03;10.85)(0.03;10.80)(0.03;0.00)
(0.03;0.00))
UQ1 = Tabelle(Zeit)
((0.01;0.00)(0.01;0.00)(0.01;10.80)(0.01;10.80)(0.01;10.80)
(0.02;10.76)(0.02;10.80)(0.02;10.80)(0.02;10.80)(0.02;0.00)
(0.02;0.00))
U2 = (L1*N2/N1)*dI1
351 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Die Gleichung Eq.57 kann durch Substitution gelöst werden:
J (t ) 
UQ
L1

R1
 I 1 (t )
L1
und
R dI
dJ
 1 1.
dt
L1 dt
Es resultiert damit folgende Differentialgleichung:
R
dJ
  1 J
dt
L1
mit der Lösung
352
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik J (t )  J 0  e

R1
t
L1
.
Durch Rücksubstitution ergibt sich:
R
UQ
  1 t
 
 I 1 (0)   e L1
I (t ) 
R1  R1

UQ
Für den Einschaltprozess kann I 1 (0)  0 gesetzt werden, es resultiert
R
 1 t 
UQ 

 1  e L1  .
I 1 (t ) 

R1 

Beim Ausschalten hingegen ist U Q  0 , also gilt:
I 1 (t )  I 1 (0)  e

R1
t
L1
Dies entspricht einem exponentiellen Abfall der Stromstärke. Es zeigt sich
somit eine Analogie zum Laden und Entladen eines Kondensators. Während
bei der Spule die Speichergrösse die Stromstärke ist, werden beim Kondensator Ladungen gespeichert. Die mathematische Struktur bleibt erhalten,
wenn die elektrische Ladung durch die Stromstärke und die Stromstärke
durch die zeitliche Änderung des Stroms ersetzt wird.
Die Simulation erlaubt das Testen von diversen Signalen. Für eine
sinusförmige Quellenspannung lässt sich die Phasenverschiebung zwischen
Strom und Spannung in Abhängigkeit der Last untersuchen. Für eine kleine
Last (= grosser Widerstand) sind Spannung und Strom praktisch in Phase
(Fig.A), während für eine zunehmende Last die Phasendifferenz grösser
wird (Fig.B). Sehr schon lässt sich dieser Effekt auch im Phasendiagramm
zeigen (Fig.C & D).
Werden Sägezahn- oder Rechteckförmige Spannungen angelegt, so lässt
sich bei zunehmender Induktivität eine Filterwirkung bezüglich den hohen
Frequenzen beobachten: Die Trägheit der Spule lässt dies also zum Tiefpassfilter werden (Fig.E-H).
353 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 10
Last-abhängige
Phasenverschiebung
8
I1 / A und Uq / v
6
4
2
0
-2
-4
-6
-8
-10
0
0.01
0.02
0.03
0.04
0.05
0.06
0.07
0.08
0.09
0.1
Zeit t / s
Fig.A. Spannungs- und Stromkurven bei kleiner Last (R = 10 ): Strom und Spannung sind praktisch in Phase, das Verhältnis von Spannungs- und Stromamplitude
ist durch den Ohmschen Widerstand bestimmt; L = 5 mH,  = 300 s-1.
10
8
I1 / A und Uq / v
6
4
2
0
-2
-4
-6
-8
-10
0
0.01
0.02
0.03
0.04
0.05
0.06
0.07
0.08
0.09
0.1
Zeit t / s
Fig.B. Spannungs- und Stromkurven bei grosser Last (R = 0.1 ): Strom und
Spannung sind praktisch in Phase, das Verhältnis von Spannungs- und Stromamplitude ist nun nicht mehr alleine durch den Ohmschen Widerstand bestimmt; L
= 5 mH,  = 300 s-1.
354
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Phasendiagramme
1
0.8
0.6
I1 / A
0.4
0.2
0
-0.2
-0.4
-0.6
-0.8
-1
-10
-8
-6
-4
-2
0
2
4
6
8
10
Uq / V
Fig.C. Phasendiagramm bei kleiner Last (R = 10 ): Strom und Spannung sind
praktisch in Phase, das Verhältnis von Spannungs- und Stromamplitude ist durch
den Ohmschen Widerstand bestimmt, welches hier einer gerade mit Steigung 1/R
entsprechen würde; L = 5 mH,  = 300 s-1.
8
6
4
I1 / A
2
0
-2
-4
-6
-8
-10
-8
-6
-4
-2
0
2
4
6
8
10
Uq / V
Fig.D. Phasendiagramm bei grosser Last (R = 0.1 ): Die Phasenverschiebung
macht sich als kreisförmige Bahn bemerkbar (die leichten Ecken sind durch die
grossen Zeitschritte, also die Numerik bestimmt); L = 5 mH,  = 300 s-1.
355 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 20
15
Sägezahnförmige
Quellenspannung
10
Uq / V
5
0
-5
-10
-15
-20
0
0.01
0.02
0.03
0.04
0.05
0.06
0.07
0.08
0.09
0.1
0.06
0.07
0.08
0.09
0.1
0.08
0.09
0.1
Zeit t / s
Fig.E. Sägezahn-förmige Quellenspannung.
3
2
I1 / A
1
0
-1
-2
-3
-4
0
a)
b)
0.01
0.02
0.03
0.04
0.05
Zeit t / s
8e-4
7e-4
6e-4
I1 / A
5e-4
4e-4
3e-4
2e-4
1e-4
0
-1e-4
0
0.01
0.02
0.03
0.04
0.05
0.06
0.07
Zeit t / s
Fig.F. Strom als Funktion der Zeit: Der Filtereffekt ist deutlich zu erkennen beim
Diagramm (b); R = 5 , (a) L = 1 mH, (b) L = 100 H.
356
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 1.8
Filterwirkung
bei SägezahnKurve
1.6
1.4
1.2
I1
1
0.8
0.6
0.4
0.2
0
0
50
100
150
200
250
300
350
400
450
FREQ
Fig.G. Spektrum von Diagramm Fig.Fa: Die Beiträge der einzelnen Sinus-Schwingungen sind deutlich zu erkennen.
5e-4
4.5e-4
4e-4
3.5e-4
I1
3e-4
2.5e-4
2e-4
1.5e-4
1e-4
5e-5
0
0
50
100
150
200
250
300
350
400
450
FREQ
Fig.H. Spektrum von Diagramm Fig.Fb: Die hohen Frequenzen sind im Verhältnis
zu den Grundfrequenzen deutlich gedämpft.
Achtung - Die Wirkung eines Filters auf Strom und Spannung ist unterschiedlich: Bei Induktivitäten führt eine Frequenzerhöhung zu tieferen Strömen, bei Kapazitäten (nächster Abschnitt) führt eine Frequenzerhöhung zu
höheren Strömen, jedoch tieferen Spannungen über der Kapazität.
357 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Die Frequenzabhängigkeit der Dämpfung bzw. der Impedanz kann sehr
schön mit folgendem Signal gezeigt werden:
U Q  U 0  sin(t 2 )
Hier steigt die Frequenz linear mit der Zeit an, was zu einer entspre-chenden
Dämpfung führt (Fig.I & K).
10
8
6
4
Uq / V
2
0
-2
-4
-6
-8
-10
0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
3.5
4
4.5
5
3
3.5
4
4.5
5
Zeit t / s
Fig.I.
2
1.5
1
I1 / A
0.5
0
-0.5
-1
-1.5
-2
0
0.5
1
1.5
2
2.5
Zeit t / s
Fig. K.
358
FrequenzAbhängigkeit
der Impedanz
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Experiment
Ein interessantens Experiment im Zusammenhang mit Induktivitäten ist der
Funkeninduktor (Fig.16). Dabei wird nicht die Spannung, sondern der Strom
geschaltet. Die Simulation liefert bei Schaltung der Spannung einen symmetrischen Ausschalg der über Primär- und Sekundärspule anliegenden
Spannung. Wird hingegen die Schaltung des Stromes durch einen zeitlich
veränderlichen Widerstand R = R(t) simuliert, kann auch in der Simulation
die Spoannungsüberhöhung beim Ausschalten beobachtet werden (Fig.17).
5000
0
-5000
-1.5e+4
-2e+4
U2
-1e+4
-2.5e+4
-3e+4
-3.5e+4
-4e+4
0
0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
0.8
0.9
1
TIME
1000
800
600
200
U2
400
0
-200
-400
-600
0.3996
0.3998
0.4
0.4002
0.4004
0.4006
0.4008
TIME
5000
0
-5000
-1.5e+4
-2e+4
U2
-1e+4
-2.5e+4
-3e+4
-3.5e+4
-4e+4
0.8
0.8
0.8
0.8
0.8
0.8
0.8
TIME
Fig.17. Ausschalt-Spannungspuls bei 0.8 s und der deutlich kleinere Einschalt-Puls
bei 0.4 s, unten: vergrösserte Ausschnitte.
359 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 842 Impedanz von Kondensatoren
Theorie
Für Gleichströme ist ein Kondensator ein unüberwindbares Hindernis, der
elektrische Widerstand ist quasi unendlich gross. Dies gilt für Wechselströme nicht mehr. Wird an einen Kondensator eine Wechselspannung mit
der Kreisfrequenz  angelegt, so werden auf beiden Seiten durch den Influenzeffekt Ladungen verschoben – es fliesst somit ein Strom. Einem Kondensator kann deshalb ein Wechselstromwiderstand Z (Impedanz) zugeschrieben werden, welcher mit zunehmender Frequenz abnimmt:
Z
1
C
(Eq.59)
Dabei ist C die Kapazität des Kondensators. Auch hier gilt für die Impedanz:
Z
U uˆ

I
iˆ
Q(t )
C
(Eq.61)
Durch Ableiten lässt sich die Stromstärke berechnen:
I
d
Cuˆ  sin(t   Cuˆ  cos(t )
dt
(Eq.62)


 iˆ  cos(t )  iˆ  sin  t  
2

Offensichtlich gilt: iˆ  C  uˆ , was mit Eq.59 übereinstimmt. Die
Phasendifferenz zwischen Spannung und Strom ist nun 1   2  
360
Impedanz
(Eq.60)
wobei U und I die Effektivwerte von Spannung und Stromstärke darstellen.
Auch bei einem Kondensator sind Strom und Spannung phasen-verschoben. Diese Verschiebung kann wieder mittels Maschenregel berechnet
werden. Im Stromkreis gilt: U (t )  U C  0 . Dabei ist U (t )  uˆ sin(t )
die von der Spannungsquelle gelieferte elektrische Spannung. Mit
U C  Q / C resultiert:
uˆ sin(t ) 
Widerstand
eines
Kondensators

2
.
PhasenVerschiebung
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Aufgaben
A1. An zwei parallele Metallplatten mit je einer Fläche von 20 cm2 und
einen Abstand von 2 mm werde eine Wechselspannung von 400 V (Effektivwert) angelegt.
a) Welcher Strom fliesst bei einer Frequenz von 50 Hz?
b) Welcher Strom fliesst bei einer Frequenz von 200 Hz?
c) Bei welcher Frequenz würde der Effektivwert für die Stromstärke
von 1 A überschritten?
A2. Ein Zylinder aus Teflon (  r  2 ) mit der Länge l und mit einer Wanddicke von 3 mm und einem Innendurchmesser von 12 cm werde aussen und
innen mit einer Alufolie beklebt.
Wie gross muss die Länge l sein, damit bei einer Frequenz von 2 kHz eine
Impedanz von 10  erreicht wird?
A3. An einem Kondensator mit einer Kapazität von 2 mF liegt eine Wechselspannung von 20 V an. Die Frequenz betrage 60 Hz.
a) Welcher Strom fliesst durch den Kondensator?
b) Wie ändert sich der Strom, wenn die Frequenz auf 100 Hz erhöht
wird?
c) Angenommen, der Kondensator soll durch zwei Platten mit je einer
Fläche von 400 cm2 realisiert werden, welche durch eine PVC-Folie
getrennt sind: Wie dick muss die Folie sein?
A4. Die Wirkung eines Kondensators im Wechselstromkreis soll mittels
Computer (Berkeley Madonna, Vensim o.ä.) simuliert werden. Dabei soll
ein Kondensator an einer Spannungsquelle angeschlossen werden. Ohmscher Innen- und Aussenwiderstand sollen durch einen Widerstand in Serie
zum Kondensator bertücksichtigt werden.
Wie Verhält sich die Phasenverschiebung in Abhängigkeit von Kapazität
und Ohmschen Widerstand?
361 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
(a)
C  0 
A
U
U
A
I  
 U 0 
1
d
Z
d
C
 400V  314 s 1  8.85  10 12
(b)
As 2  10 3 m 2

 1.11A
Vm 2  10 3 m
I (200 Hz )  4  I (50 Hz )  4.44A
(c)
I ( )  n  I (50 Hz )  1A  n 
1
 10 6  0.9  10 6
1.11
  n  50 Hz  45  10 6 Hz  45MHz
L2.
r 
r 
 6.3 
ln a 
ln a 
ln

ri 
ri 
1
6 




l 

Z
 10 8 m  3491.2m
2
2 r  0  Z 16  8.85
C   2 r  0 l
L3.
(a) Z 
U
1

 I  CU  15.1 A
I C
(b) I  CU  25.1 A
(c) C  
362
A
A
A
 d 
  r  0  10-9 m = 1 nm
d
C
C
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L4. Berkeley-Madonna Flowchart:
Gleichungen:
{Top model}
{Reservoirs}
d/dt (Q) = + J1
INIT Q = 0
{Flows}
J1 = (Uq-Uc)/R
{Functions}
Uq = umax*cos(frequ*time)
frequ = 315
umax = 1
R=1
C=1
Uc = Q/C
{Globals}
{End Globals}
363 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 0.004
1
0.8
0.003
0.6
0.002
0.4
0.2
0
0
-0.2
-0.001
-0.4
-0.002
-0.6
-0.003
-0.8
-0.004
-1
0
0.01
0.02
0.03
0.04
0.05
0.06
0.07
0.08
0.09
0.1
TIME
Fig.A. Gespeicherte Ladung und Strom als Funktion der Zeit (C = 1 F, R = 1 )
1
0.8
0.6
0.4
Uq
0.2
0
-0.2
-0.4
-0.6
-0.8
-1
-0.004 -0.003 -0.002 -0.001
0
0.001
0.002
0.003
0.004
Uc
Fig. B. Phasendiagramm für verschiedene Frequenzen ( = 315 s-1, 658 s-1,
1000 s-1)
364
J1
Q
0.001
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 843 Schwingkreis
Theorie
Schwingkreise spielen in der Technik eine wichtige Rolle. Dabei handelt es
sich um eine Art elektrisches Pendel.
Für die folgende Schaltung (Fig.15) sollen die Spannungen und Ströme
betrachtet werden.
Betrachtung
der TeilSpannungen
S
C
L
R
Fig.15. Induktivität und Kapazität in einem Stromkreis
Über einen Schalter kann mit einem Gleichspannungsnetzgerät der Kondensator aufgeladen werden (über den Widerstand R und die Induktivität L).
Wird der Schalter (S) geschlossen, entlädt sich der Kondensator (C) über die
Spule (L) und den Widerstand (R). Nun soll die Bewegung der elektrischen
Ladung im Stromkreis berehnet wer-den. Mit der 2. Regel des Kirchhoffschen Gesetzes (Maschenregel, Abschnitt 513) ergibt sich:
I
k
k
Rk   U k  U C  U R  U L  0
(Eq.63)
k
Die Summe der Spannungen über dem Kondensator (UC), Widerstand (UR)
und der Spule (UL) ist null, da der Schalter geschlossen ist! Mit Q = CU,dem
Ohmschen Gesetz U = RI und dem Induktionsgesetz resultiert:
Q
dI
 RI  L
0
C
dt
(Eq.64)
365 Maschenregel
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Die Ladung Q = Q(t) ist eine zeitabhängige Funktion. Genau genommen
handelt es sich um die Ladung auf einer Seite des Kondensators. Der
Zusammenhang zum Stromfluss ergibt sich durch I = dQ/dt. Durch ersetzen
von allen Strömen in Eq.64 ergibt sich folgende Dif-ferentialgleichung:
d 2Q
Q R dQ

 
2
LC L dt
dt
(Eq.65)
Wird der Widerstand R = 0 gesetzt, resultiert eine aus dem Kapitel 400
bekannte Gleichung:
1
d 2Q

Q
2
LC
dt
(Eq.66)
Gemäss Abschnitt 412 lässt sich die Ladung als Funktion der Zeit durch
folgende Funktion beschreiben: Q(t )  Qˆ  sin(t   ) . Durch Einsetzen
kann gezeigt werden, dass es sich um die Lösung von Eq.66 handelt. Die
Ladung Pendelt also mit der Kreisfrequenz w hin und her - es handelt sich
um eine Art elektrisches Pendel, Schwingkreis oder Oszillator genannt.
Analog zu Abschnitt 412 gilt für die Kreisfrequenz:

1
(Eq.67)
LC
Wird zusätzlich noch ein Widerstand berücksichtigt, so resultiert für die
Spannung U (t )  Q(t ) / C eine gedämpfte Schwingung, analog zu Abschnitt 413 und 625:
U (t )  uˆ  e

R
t
2L
 sin(t )
gedämpfte
Schwingung
(Eq.68)
Gemäss Abschnitt 413 gilt  2  02   2  1/( LC )  ( R /(2 L)) 2 . Von einer
RCL-Serieschaltung kann auch die Impedanz berechnet werden. Phasenverschiebung und Impedanz können graphisch veranschaulicht werden.
Dafür eignet sich ein Phasendiagramm (Fig.16).
366
Oszillation
Impedanz
einer RCLSerie
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik I
UL
UR

UQ
UC
Fig.16. Phasendiagramm für RCL-Serie
Das Konzept des Phasendiagramms für elektrische Schaltungen beruht auf
der Darstellung komplexer Ströme und Spannungen im komplexen Zahlenraum9. Konkret kann man sich vorstellen, dass die Strom- und Spannungszeiger im Gegenuhrzeigersinn rotieren. Die Projektion auf die horizontale Achse (Realteil) entspricht einer cos- oder sin-Funktion (je ach
Anfangsposition). Die Phasenunterschiede entsprechen den Winkeln zwischen den Zeigern. Für Parallelschaltungen werden die Ströme dargestellt
(es gilt die Knotenregel). Für Serieschaltungen kommen die Teilspannungen
zur darstellung (Maschenregel). Liegt eine externe Spannung U Q (Quellenspannung) an, so gilt für die Serieschaltung:
UQ  UR UC U L
(Eq.69)
Die Addition im Phasendiagramm entspricht einer Art Vektoraddition. Zu
beachten ist, dass die Teilspannungen in Eq.69 zeitabhängige Grössen sind,
welche zueinander noch eine Phasenverschiebung besitzen. Für die Maximalspannungen gilt deshalb der Pythagoras.
9
PhasenDiagramm
Im Prinzip kommt die Formel von Euler zur Anwendung: e i  cos   i sin  mit
i 2  1
367 Addition
komplexer
Grössen
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Aus dem Phasendiagramm Fig.16 lässt sich für die Spannungsamplituden
folgende Relation für die RCL-Serie ablesen:
uˆ Q2  uˆ R2  (uˆ L  uˆ C ) 2
Bedingung
für
SpannungsAmplituden
(Eq.70)
Wird nun Eq.70 durch die Stromamplitude iˆ dividiert, so resultiert die Impedanz:
Z
uˆ Q
uˆ R2  (uˆ L  uˆ C ) 2

iˆ
iˆ

uˆ R2  uˆ L uˆ C 



iˆ 2  iˆ
iˆ 
2
1 

 R 2   L 

C 

2
(Eq.71)
Auch die Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung lässt sich aus
dem Phasendiagramm Fig.16 elegant bestimmen:
1
L 
uˆ L  uˆ C
C
tan  

uˆ R
R
(Eq.72)
Die Darstellung im Phasendiagramm veranschaulicht die Verschiebung von
Strom und Spannung. Ein alternativer Ansatz ist das Aufstellen einer Bilanz
für Ladungen (Eq.65), was zu Differentialgleichungen führt. Diese können
für komplexe Schaltungen numerisch gelöst werden.
368
PhasenWinkel
numerische
Simulation
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Experiment
Der Tesla-Transformator ist eine spezielle Variante eines HochfrequenzTransformators. Er dient der Erzeugung hoher Spannungen oder Ströme im
Hochfrequenzbereich. Es werden elektrische Spannungen im Bereich von
einigen 100 kV bis mehreren MV erreicht. Benannt wurde er nach seinem
Erfinder, Nikola Tesla. Zur Anwendung gelangt er in der Technik und
Medizin. Typische technische Anwendungen sind Hochspannungstest für
Isolatoren. Auch wurde er als Spannungsquelle für Beschleuniger und Röntgengeneratoren in Betracht gezogen. In der Medizin wird er zur Erzeugung
Joulescher Wärme genutzt. Die dafür benötigten Wechselströme mit hoher
Frequenz (typischerweise 50 - 500 kHz) bilden keine Ionen in den Zellen.
Zellschäden durch Elektrolyse-Produkte bleiben deshalb aus. Des Weiteren
beeinflussen diese Hochfrequenzströme kritische Gewebe, wie Muskeln,
Herz und Nerven kaum.
Transformatoren sind Spannungswandler. Das Grundprinzip be-ruht auf
der Erzeugung eines wechselnden magnetischen Feldes durch eine Primärspule, welches in einer Sekundärspule eine Spannung induziert. Das
Verhältnis der Spannungen von Primär- zu Sekundärseite ist bei einer
sinusförmigen Wechselspannung im Bereich von 50 Hz durch das Verhältnis der Windungen von Primär- und Sekundärspule gegeben. Werden
hohe Spannungen auf der Sekundärseite angestrebt, so sind ein grosses
Windungsverhältnis und eine möglichst hohe Spannung auf der Primärseite
günstig. Dabei ergibt sich folgendes grundlegendes Problem: Die erreichbare Spannung hängt von der Frequenz der Wechselspannung und der Anzahl Windungen der Primärspule ab. Soll auf der Sekundärseite die Windungszahl nicht 105 übersteigen, muss auf der Primärseite mit wenigen
Windungen und bei entsprechender Spannung mit hoher Leistung (hohen
Strö-men) gearbeitet werden, was direkt Auswirkungen auf die thermische
Belastung und somit auch die Dimensionen des Transformators hat. Durch
die Erhöhung der Frequenz kann der induktive Widerstand auf der Primärseite bei konstanter Windungszahl erhöht werden. Dies erlaubt das Erreichen höherer Spannungen mit kleineren Transformatoren. Die Höhe der
Frequenz ist aber durch die Trägheit des Eisenkerns und Wirbelstromverluste limitiert. Deshalb wird bei Hochfrequenztransformatoren ein Kern
aus Ferrit bevorzugt oder es werden Luftspulen verwendet.
Zentral für die Simulation des Tesla-Transformators ist die Übertragung der Schwingungen vom Primär- auf den Sekundärkreis und die
Rückkopplung zwischen den beiden Stromkreisen. Im Prinzip handelt es
sich um zwei gekoppelte Schwingkreise mit der Kopplungskonstante M / Li.
Zur Gleichung Eq.65 muss nun eine zweite Systemgleichung hinzugefügt
werden, welche den zweiten Schwing-kreis beschreibt:
369 Anwendungen
Wirkung von
HF-Strömen
HochfrequenzTransformator
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik d 2 Q1
R1 dQ1 M d 2 Q2
1



Q



1
L1C1
L1 dt
L1 dt 2
dt 2
SystemGleichungen
d 2 Q2
R2 dQ2 M d 2 Q1
1
Q






2
L2 C 2
L2 dt
L2 dt 2
dt 2
C1
C2
L1
R(t)
L2
Fig.17. Aufbau eines Teslatransformators: Die Primärspule ist durch die Induktivität L1 und die Sekundärspule durch L2 bezeichnet, C1 ist die Kapazität des
Kondensators im Primärkreis und R= R(t) stellt den elektrischen Widerstand dar,
welcher vor allem mit der Funkenstrecke assoziiert ist.
C
B
A
Fig.18. Aufbau der Experimentieranlage: Die Anlage besteht im Wesentlichen aus
dem Netztransformator (A), der Kondensatoreinheit mit Funkenstrecke (B) und den
ineinander liegenden Luftspulen mit terminaler Kon-duktorkugel (C).
370
Experimenteller
Aufbau
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Primär- und
SekundärSpulen
Fig.19. Anordnung von Primär- und Sekundärspule (rechts), ebenfalls abgebildet ist
die Sekundärfunkenstrecke, welche durch die terminal angebrachte Konduktorkugel und einen zuführenden Leiter (Aluminium-Rohr mit Messingstift am Ende)
gebildet wird; links weitere Sekundärspule
U2
400,000
Zeitverhalten
der
Sekundärspannung
200,000
0
-200,000
-400,000
0
U2 : Current
5e-005
0.0001
0.00015 0.0002
Time (Second)
0.00025
0.0003
0.00035
Volts
Fig.8. Zeitlicher Verlauf der Sekundärspannung U(t), Numerik: Runge-KuttaVerfahren, t = 1·10-9 s
371 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Aufgaben
A1. Ein Schwingkreis (LC-Glied) bestehe aus einem Plattenkonden-sator
(Fläche AC, Abstand d) und einer langen Spule (N Windungen, Länge l,
Fläche AL).
Berechnen Sie die Spulenlänge l  l ( ) als Funktion der Frequenz des
Schwingkreises.
A2. Ein Schwingkreis soll bei einer Frequenz von 100 kHz maximal
angeregt werden (Resonanz). Als Kondensator werde ein Zylinderkondensator mit einer Länge von 20 cm, mit einer Wanddicke von 4 mm
(aussen und innen mit einer Alufolie) und einem Innen-durchmesser von 5
cm verwendet. Die Spule soll durch Kupferlack-draht gebildet werden,
welcher auf einen zylindrischen, hohlen Spu-lenkörper mit einer Länge von
0.1 m mit einem Durchmesser von 3 cm aufgewickelt wird.
Wie viele Windungen werden benötigt?
A3. Die Messung der Resonanzfrequenz eines L-C-Glieds ergibt 2.5 kHz.
Die Kapazität des Kondensators beträgt 20 F.
a) Wie gross ist die Induktivität im Schwingkreis?
b) Wie gross müsste die Induktivität sein, damit eine Frequenz von 10
kHz erreicht wird?
A4. Ein HF-Oszillator soll aus einem Kondensator und einer Spule gebildet
werden. Der Kondensator bestehe aus einem 10 cm langen Hohl-Zylinder
mit einer Wanddicke von 5 mm und einem Innerradius von 25 mm. Aussen
und Innen ist der Zylinder mit einer Metallfolie beschichtet. Die
Zylinderwand (zwischen den beiden Folien) bestehe aus PVC. Die Spule sei
10 cm lang und habe 10 Windungen mit je einer Fläche von 10 cm2.
a) Wie gross ist die Frequenz des Oszillators?
b) Wie ändert sich die Frequenz, wenn die Zahl der Windungen bei
gleich bleibender Spulenlänge auf 9 reduziert wird?
372
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik A5. Bestimmen Sie für eine reine Parallelschaltung eines Widerstandes,
eines Kondensator und einer Spule die Phasenverschiebung und die Impedanz. Zeichnen Sie zur Hilfe ein Phasendiagramm.
A6. Programmieren Sie mittels Vensim (oder ähnliches Programm) ein
RCL-Schwingkreis. Verwenden Sie zur Hilfe die Theorie im Unterkapitel
410. Untersuchen Sie mittels Simulation das Verhalten des Schwingkreises.
Lösungen
L1.

1
2 LC

1
2 C 
0 N A
2
 l  4 2  C   0 N 2 A  2
l
L2.
LC 
0 N 2 A
l  ln(ra / ri )
1

C

N
2
2
3
l
4 
8  2   0 A   0  l C
 3000Wdg.
L3.
2
1 1 
(a)  
 L 
  2.03·10-4 H
C
2

2 LC


1
2
(b) L 
1 1 

  1.27·10-5 H
C  2 
373 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L4.
(a)  
1
2 LC

1
2
l L  ln(ra / ri )
 1.47·107 Hz = 14.7 MHz
2
N A  2l C
(b)  = 1.64 MHz
L5.
tan  
Phasenverschiebung:
iˆL  iˆC
iˆR
Impedanz:
Z
1
uˆ

2
2
iˆR2  (iˆL  iˆC ) 2

1  1
 C 
  

 R   L
L6. Systemgleichungen:
dI 1
Q
R
  1  1  I1
dt
L1C1 L1
dQ1
 I1
dt
I1
dI1
R1
C1
L1
Q1
dQ1
374
U1
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 10
Gedämpfte
Schwingung
von
Spannung
und Strom
8
6
I, U
4
2
0
-2
-4
-6
-8
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Zeit t / s
Fig.A. Gedämpfte Schwingung bei Entladung des Kondensators über Spule: R = 1
, L = 1 H, C = 0.1 F.
1
ResonanzVerhalten
0.8
0.6
0.2
0
-0.2
Uq / V
0.4
-0.4
-0.6
-0.8
-1
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
1.2
1.4
1.6
1.8
2
Zeit t / s
a)
b)
0.8
0.6
0.4
I/A
0.2
0
-0.2
-0.4
-0.6
-0.8
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
1.2
1.4
1.6
1.8
2
Zeit t / s
Fig.B. Resonanzverhalten des Schwingkreises
Quellenspannung: R = 1 , L = 0.1 H, C = 1 mF.
bei
zeitlich
ändernder
375 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 850 elektromagnetische Feldgleichungen
851 Maxwell-Gleichungen
Theorie
Die Maxwell-Gleichungen, formuliert vom schottischen Physiker James
Clerk MAXWELL, verbinden das elektrische und magnetische Feld mit
ihren Quellen, den elektrischen Ladungen und Stömen. Im Prinzip handelt
es sich um Verallgemeinerungen und Zusammenfassung der Gesetze von
Coulomb, Gauss, Biot-Savart, Lorentz, Ampère und Faraday.
Zuerst soll der Zusammenhang zwischen elektrischer Ladung Q und
dem elektrischen Feld E näher betrachtet werden: Die Ladung Q ist die
Quelle des elektrischen Feldes. Erfassen wir quasi das gesamte, von der Ladung Q ausgehende E-Feld, in dem über eine die Ladung umschliessende
Fläche S aufintegriert wird, so muss dieses Integral proportioal zur Ladung
sein:


1
 E  dA  
S
Q
Felder und
Quellen
Gausscher
Durchflutungssatz für EFelder
(Eq.1)
0
Dabei ist der reziproke Wert der elektrischen Feldkonstante 1 /  0 gerade die
Proportionalitätskonstante. Da nur die zur Oberfläche senkrecht stehende
Feldkomponente einen Beitrag liefern, ist das Skalar-produkt zwischen dem
Feldvektor und dem Flächenelement dA (mit Richtung der Flächennoralen)
zu nehmen. Wenn die Formel Eq.1 auf eine Punktladung und das
umgebende Coulomb-Feld angewendet wird (Integration über eine Kugel
mit Radius r und mit Zentrum bei der Ladung), so resultiert:


1
 E  dA   E  dA   4
S

S
1
4 0

S

0
Q
 dA
r2
1
Q
dA 
Q
2 
0
r S
Eine analoge Betrachtung lässt sich auch für das magnetische Feld anstellen.
Bereits im Unterkaptel 830 wurde darauf ingewiesen, dass magnetische
Feldlinien immer geschlossen sind (es gibt keine magnetischen Monopole).
Der Grund dafür liegt in der Ursache der Felder, den elektrischen Strömen:
376
Gausscher
Durchflutungssatz für BFelder
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Es gibt auch keine Punktströme. Wenn nun magnetische Feldlinien immer
geschlossen sind, also keine eigent-lichen Quellen existzieren, so müssen
Feldlinien, welche in ein ge-schlossenes Volumen eintreten, auch wieder
aus diesem Austreten. Etwas anders formuliert: In einem geschlossenen Volumen (mit Oberfläche S) entsteht oder verschwindet kein Anteil des
magneti-schen Flusses. Wird somit in einem B-Feld über eine geschlossene
Oberfläche S integriert, muss somit immer gelten:
 
B
  dA  0
(Eq.2)
S
Auch die zeitlichen Änderungen der E- und B- Felder lassen sich verknüpfen. Aus dem Induktionsgesetz ist bekannt, dass die zeitliche Änderung des magnetischen Flusses durch eine Leiterschlaufe in dieser eine
eletrische Spannung bzw. ein elektrisches Feld aufbaut (und wenn diese geschlossen ist, somit ein Strom fliesst). Dieser Sachverhalt lässt sich mathematisch ebefalls algemein formulieren. Die elektrische Spannung U kann
durch Integration entlag des Pfades C über die Leiterschlaufe ermittelt werden:


 
B
E

d
l



d
A

A t
C
Faradays
Induktionsgesetz
(Eq.3)
Zu beachten ist, dass der Pfad C geschlossen sein muss, da sonst die vom
Pfad umschlossene Fläche A nicht definiert ist. Aus der Gleichung Eq.3
resultiert das Induktionsgesetz in der bekannten Form, wenn von einem homogenen B-Feld (Stärke und Richtung konstant) ausgegangen wird, welches
senkrecht auf der Fläche A steht:
B
dB
 dA   A 
 U ind
t
dt
A

Das Gesetz Eq.3 verknüpft die zeitliche Änderung des magnetischen Feldes
mit dem elektrischen Feld. Die Eigenschaften der Felder zeigen nun eine
schöne Symmetrie: Die zeitliche Änderung der elektrischen Felder führt zu
magnetischen Felder. Magnetische Felder entstehen also nicht nur, wenn
elektrische Ladungen fliessen (also elektrische Ströme fliessen), sondern
auch, wenn sich die elektrische Feldstärke ändert:
377 Gesetz von
Ampère
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 

 
E
B

d
l




d
A
 0 I
0
0
C
A t
(Eq.4)
Mit der Gleichung Eq.4 schliesst sich der Kreis wider zu Eq.1: Das Integral
entlang eines geschlossenen Pfades um einen stromführenden Leiter ist proportional zur Stromstärke. Die Proportionalitätskonstante ist  0 .
Es muss hier betont werden, dass die vier Maxwellgleichungen (Eq.1-4)
nur im Vakuum gelten. Für das Medium sind sie anzupassen.
Aufgaben
A1. Gegeben sei ein Plattenkondensator mit den kreisrunden Fläche A. Der
Kondensator werde nun geladen, wobei ein Strom von 1 A fliesse. Berechnen Sie für einen geschlossenen Pfad zwischen den Kondensatorplatten:
1
0
 
B
  dl
C
wie ist das Resultat zu interpretieren?
A2. Gegeben sei ein homogenes Magnetfeld in Richtung parallel zur x-Achse. Wie gross ist
 
B
  dA
S
für einen Würfel mit Volumen V  x  y  z im Feld?
378
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik A3. Ein zeitlich veränderliches Magnetfeld sei gegeben durch:
0


 

B
0

 B  x  kt 
 0

Berechnen Sie die induzierte Spannung in der Leiterschlaufe mit Länge x
auf der x-Achse und Breite y auf der y-Achse.
A4. gegeben sei ein zeitlich veränderliches Magnetfeld:
 0 
 

B   B0 xt 
 B 
 z 
In diesem Feld befinde sich eine Leiterschlaufe: Die eine Seite liege auf der
z-Achse und erstrecke sich von –c/2 bis +c/2. Der andere Teil sei
parabelförmig: x( z )   az 2  b .
Berechnen Sie die in dieser Schleife induzierte elektrische Spannung.
A5. Stellen Sie die Feld-Gleichung Eq.4 für ein elektrisches Feld auf,
welches sich nur in x-Richtung ändert und nur eine x-Komponente hat:
Interpretieren Sie das Resultat.
379 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L1. gem. Eq.4 zu Integration über die Fläche übergehen:
 

E
d
d  Q
B
 dl   0 
 dA   0  E  A   0  
 A 

dt
dt
dt   0 A 
0 C
A
1

dQ
 1A
dt
L2. das Integral wird für alle Flächen mit Flächennormalen senkrecht zur
Feldrichtung null. Die Beiträge der restlichen beiden Flächen heben sich
auf:


 B  dA  B
x
 y  z  B x  y  z  0
S
L3.

y x
y x

B
B

 
 dA     z  dx  dy     B0 x  kt   dx  dy
t
t
t 0 0
A
0 0
U ind
y
  B0 2
  B0 2


x
kt
x
dy









 x  y  kt  x  y 

t 0  2
t  2



 k  x  y
oder

y x
y x

B
B
 
 dA     z  dx  dy     k  dx  dy
t
t
A
0 0
0 0
U ind
y
   k  x   dy   k  x  y
0
380
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L4.
U ind
c


2 x( z )

B

 
 dA       B0  xt  dx  dz 
t
t c 0
A

  B0 


t
c
2
2
x( z)
1 2 
c  2 x t  0

 dz   B0 
2
B 
 0 
2 t

c
2
 a
2
z 4  2abz 2  b
c

2

t

c
2

x( z)
 dz
2

2 2

2
 a2 5 2

  c  abc 3  b 2 c 
3
 5

 
d
d ( E  A)
B
  ds   0  0  dt  E ( x)  dA  dt

B
C
c
  2
B   a 2
2
 t  dz   0   z 5  abz 3  b 2 z   t 
2 t  5
3
 c
 
B0   a 2 5 2
B

  c  abc 3  b 2 c   t    0
2 t  5
3
2
 
L5.

2 
1 2
c  2 az  b t  0

( x)  ds
Kreis
Ändert sich die elektrische Feldstärke zeitlich, so entsteht in der Ebene mit
gegebener x-Koordinate ein zirkuläres Magnetfeld. Das Integral entlang
einer Kreisbahn C in dieser Ebene hat einen endlichen Wert.
381 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 852 Elektromagnetische Wellen
Theorie
Die in den Abschnitten 831-843 beschriebenen Phänomene lassen sich auf
eine allgemeiner Theorie zurückführen. Das Kernstück der Elektrodynamik
bzw. des Elektromagnetismus bilden die Maxwell-Gleichungen. Dabei
handelt es sich um Feldgleichungen, welche die elektromagnetischen Felder
beschreiben. In diesem Abschnitt werden die Maxwell-Gleichungen im
Gegensatz zu Abschnitt 851 in differenzieller Form benutzt.
Für die Notation der Feldgleichungen sind die zeitlichen und räumlichen
Ableitungen von Vektorfeldern wichtig. Deshalb soll zuerst ein allgemeines
 

Vektorfeld u (r )  u ( x, y, z ) betrachtet werden, welches jedem Ortsvektor


r einen Vektor u zuordnet (stellvertretend für das magnetische oder elektrischen Feld).
Bereits in Abschnitt 323 wurde der Nabla-Operator eingeführt. Dieser
Differentialoperator lässt sich vektoriell darstellen:
  
   , , 
 x y z 
Gradientfeld
Divergenz
(Eq.6)
Sie führt auf den Begriff der Divergenz. Für die Divergenz gelten ähnliche
Rechenregeln wie für die gewöhnliche Ableitung. So ist für einen kon
stanten Vektor c die Divergenz 0. Für die Summe zweier Vektorfelder gilt
 


div(u1  u 2 )  div(u1 )  div(u 2 ) und für die Multiplikation mit einer


Konstanten div(cu )  c  div(u ) . Das Produkt eines skalaren Feldes f mit

einem Vektorfeldes u führt zu einer Art Kettenregel:
382
NablaOperator
(Eq.5)
Dieser Operator lässt sich sowohl auf skalare Felder als auch auf Vektorfelder Anwenden. Während die Anwendung auf skalare Felder (e.g. Potentialfelder, Abschnitt 323) immer zu einem Gradientfeld, also einem Vektorfeld führt, gibt es bei Vektorfelder verschiedene Möglichkeiten. Da im
Prinzip zwei Vektoren verknüpft werden, kommen als Verknüpfungsoperation das Skalar- und das Vektorprodukt in Frage. In Abschnitt 811 und
731 wurde bereits die Variante mit Skalarprodukt eingeführt:
u
  u
u 

  u   x  y  z   div(u )
z 
y
 x
Elektromagnetismus
Rechenregeln
für die
Divergenz
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 
 
div( fu )  f  div(u )  u  grad ( f ) .
Eine andere Art der Verknüpfung liefert das Vektor- oder Kreuzprodukt. Dies führt zur sogenannten Rotation eines Vektorfeldes:
 u z u y 



z 
 y
  u
u 

  u   x  z   rot (u )
z
x
 u

 y  u x 
 x
y 

(Eq.7)
Auch für die Rotation gelten ähnliche Rechenregeln. Für die Multi-plikation


mit einer Konstanten gilt rot (cu )  c  rot (u ) und für die Summe zweier
 


Vektorfelder: rot (u1  u 2 )  rot (u1 )  rot (u 2 ) . Analog zur Divergenz gilt



auch rot ( fu )  f  rot (u )  grad ( f )  u .
Interessant sind noch eine weitere Beziehungen, welche die Di-vergenz
und die Rotation verknüpft. Dafür definieren wird den Laplace-Operator:
  (  )   2
(Eq.8)
Bei Anwendung auf ein Vektorfeld resultiert:



    u    u   u
Rotation
(Eq.9)

Dabei ist u gegeben durch:
  2u x  2u x  2u x 
 2 


y 2
z 2 
 x
2
2
2
   uy  uy  uy 

u   2 

y 2
z 2 
 x
  2u z  2u z  2u z 




2
y 2
z 2 
 x
(Eq.10)
383 Rechenregeln
für die
Rotation
LaplaceOperator
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Die räumlichen Differentialoperatoren sind hier wichtig, weil räumliche
Ableitungen die Änderungen der elektromagnetischen Felder im Raum beschreiben.
Zur Umwandlung der Maxwellglwichungen von der integralen Form
(851) zur differenziellen Form werden zwei mathematische Integralsätze
benötigt. Der erste ist der Gausssche Integralsatz. Dieser besagt, dass ein
Integral eines Vektorfeldes über eine geschlossene Fläche S in ein Volumenintegral der Divergenz des Vektorfeldes umgewandelt werden kann. Angewendet auf die Feldgleichung Eq.1 in Abschnitt 851 für elektrische Felder
ergibt sich:



 E  dA   divE  d
S
3
r
V
1
0
Gaussscher
Integralsatz
Q
Das Integral wird 0, wenn sich in dem von der Fläche S umschlossenen
Volumen keine Ladung befindet (Q = 0), also:
 3
div
E
 d r  0
V
In diesem Fall ist
quellenfrei und somit gilt gem. Abschnitt
 das Vektorfeld

741 auch: divE    E  0 . Es resultiert damit die differenzielle Form
dieser Feldgleichung.
Der zweite sehr nützliche Integralsatz ist der Stokesche Integral-satz. Er
besagt, dass ein Integral eines Vektorfeldes über den geschlossenen Pfad C
sich in ein Integral der Rotation des Vektorfeldes über eine vom Pfad C
umschlossene Fläche A umwandeln lässt. Wiederum auf das elektrische Feld
angewendet resultiert aus dem Induktionsgesetz Eq. 3 in Abschnitt 851:
 
 
E

d
l

rot
E

  dA
C
Somit gilt:
A


 
dB
A rotE  dA   A dt  dA
Nun ist aber die grösse der Fläche A nicht festgelegt, d.h.
 diese Beziehung
gilt auch für ein infinitesimal kleines Flächenelement dA , also gilt:



dB
rotE  
  E
dt
384
Stokescher
Integralsatz
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Diese Integralsätze lässen sich auch auf die Feldgleichungen für
magnetische Felder anwenden. Es resultieren zusammmenfassend die
folgenden Gleichungen in differenzieller Form:
und

E 0
(Eq.11)


dB
 E  
dt
(Eq.12)
MaxwellGleichungen
Dabei besagt Eq.11 nur, dass keine Raumladung vorhanden sei. Es wird also
angenommen, der hier betrachtete Raum sei ladungsfrei (es gibt keine Ladungen, welche als Quelle eines elektrischen Feldes dienen könnten). Andernfalls wäre die Divergenz nicht null. Dies korrespondiert zur Betrachtung
der Stromdichte in Abschnitt 731.
Für die magnetischen Felder lassen sich ebenfalls zwei Gleichungen
aufstellen:
und

B  0
(Eq.13)


dE
  B   0 0
dt
(Eq.14)
Im Gegensatz zu Eq.11 gilt Eq.12 immer. Diese Beziehung bringt zum Ausdruck, dass keine magnetische Monopole existieren. Magnetische Feldlinien haben keinen Ursprung, sie sind stets geschlossen.
Die Gleichungen Eq.12 und Eq.14 verknüpfen magnetische und
elektrische Felder. Sie beschreiben den Umstand, dass wenn sich Ladungen
bewegen, magnetische Felder entstehen. Bewegen sich Ladungen in einem
Leiter, so führt dies zu einer zeitlichen Änderung des elektrischen Feldes
und somit zu einem zirkulären Magnetfeld um den Leiter herum (Rotation).
Bemerkenswert ist bei Eq.12 und Eq.14 die Symmetrie. Die zeitliche
Änderung des einen Feldes ist mit der räumlichen Änderung des anderen
Feldes verknüpft. Dies führt zu Wellen, welche als elektromagnetische
Wellen bekannt sind und in Form von Radiowellen und Licht auch unseren
Alltag prägen.
385 Verknüpfung
von
elektrischen
und
magnetischen
Feldern
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Die Herleitung der Wellengleichung kann über die Maxwellgleichungen
Eq.11-14 gemacht werden. Wird auf Eq.12 noch einmal der Rotationsoperator angewendet, so resultiert:



    E  (  E )  E

dB
  
dt
(Eq.15)
Dabei wurde die Beziehung Eq.9 verwendet. Da nun aber die Diver-genz
des elektrischen Feldes verschwindet (Eq.11), resultiert:


  E  0  (  E )  0



dB 
 E   

 B
dt t




d 
dE 
d 2E
  0 0 2
  0  0
dt 
dt 
dt
(Eq.16)
Der gleiche Schritt kann für das magnetische Feld gemacht werden. Wird
noch einmal der Rotationsoperator auf Eq.16 angewendet, so ergibt sich:





dE 

    B  (  B )  B      0  0
dt 

(Eq.17)
Wiederum kann die Divergenz wegen Eq.13 null gesetzt werden:
386
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 
  B  0  (  B )  0



dE
d
 B   0  0  
  0  0
 E
dt
dt




 dB 
d 2B
  0  0  
   0 0 2
dt
 dt 
(Eq.18)
Auffällig an Eq.16 und Eq.18 ist die gleiche mathematische Form:

 1 d 2u
u  2 2
c dt
Wellengleichung
(Eq.19)
Es handelt sich dabei um die bereits aus dem Kapitel 600 bekannte
Wellengleichung (hier allerdings in drei Dimensionen), wobei die Ausbreitungsgeschwindigkeit c gegeben ist durch:
c
1
 0 0
WellenGeschwindigkeit
(Eq.20)
Die Wellengeschwindigkeit im Vakuum ist somit gegeben durch die elektrische und die magnetische Feldkonstante. Dieser Umstand birgt ungeahnte
Konsequenzen für die ganze Physik in sich: Da sich elektromagnetische
Wellen im Gegensatz zu den mechanischen Wellen aus Kapitel 600 nicht
über ein Medium ausbreiten, ist die Wellengeschwindigkeit c für alle Bezugssysteme gleich10. Unabhängig von der Bewegung durch den Raum wird
immer c  2.99792458  10 8 m / s gemessen, c ist somit im Vakuum eine
unveränderliche Naturkon-stante. Dies führt allerdings zu Widersprüchen
bezüglich der nicht-relativistischen Mechanik. So zum Beispiel würde die
Besatzung eines Raumschiffs, welches einem Lichtimpuls nachfliegt, diesen
mit der gleichen Geschwindigkeit von sich weg bewegen sehen wie ein
ruhender Beobachter. Soll die Annahme vermieden werden, das Universum
spalte sich auf, muss eine Transformation gesucht werden, welche Raum
10
Das Experiment von Michelson & Morley 1887 konnte keinen Effekt des
sogenannten Aetherwinds nachweisen.
387 LichtGeschwindigkeit
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik und Zeit anders verknüpfen, als dies bei der Galilei-Transformation der Fall
ist.
Wird von einem sich in z-Richtung bewegenden Koordinatensys-tem in
ein ruhendes Koordinatensystem umgerechnet, so muss die folgende Galix  x, ~
y  y, ~
z  z  v z t und
lei-Transformation angewendet werden: ~
~
t  t . Das dabei die Zeit unverändert bleibt, scheint logisch und entspricht
unserer intuitiver Erfahrung. Allerdings stehen diese Transformationsregeln
im Widerspruch zur konstanten Ausbreitungsgeschwindigkeit für elektromagnetische Wellen. Albert EINSTEIN hat 1905 in den Annalen der Physik
den Artikel mit dem Titel Zur Elektrodynamik bewegter Körper veröffentlicht, in welchem die Lösung des Dilemmas beschrieben wird. Das
grundlegende Postulat, dass die Naturgesetze in allen Bezugssystemen gültig sein müssen, also auch die Maxwellgleichungen, führt zur LorentzTransformation. Der Wechsel von einem ruhenden in ein in z-Richtung
bewegtes Koordinatensystem führt über die folgende Transformation:
~
x  x, ~
y  y , ~z   ( z  v z t ) und ~
t   (t  (v z / c 2 )  z ) mit:
1
 
v 
1  z 
 c 
2
l0

(Eq.22)
Wobei l 0 die Länge des Objekts ist, wenn dieses ruht. Als Fazit kann festgehalten werden, dass sich Raum und Zeit mit zunehmender Geschwindigkeit verkrümmen. Allerdings kann kein Teilchen mit einer endlichen
Ruhemasse Lichtgeschwindigkeit erreichen. Für Geschwindigkeiten weit
unterhalb der Lichtgeschwindigkeit c geht die Lorentz-Transformation in
die Galilei-Transformtaion über.
388
LorentzTransformation
(Eq.21)
Irritierend ist, dass nun die Zeit auch transformiert: Vergleicht man bewegte
und ruhende Uhren miteinander, kann festgestellt werden, dass diese nicht
gleich schnell gehen. Zudem kommt es zu Phänomenen, welche unserer
Alltagserfahrung widersprechen. Nebst der Zeitdilatation erfolgt auch eine
Längenkontraktion. Die Länge l eines Objektes, welche in einem Koordinatensystem gemessen wird, in welchem sich das Objekt in z-Richtung mit
v z bewegt, ist:
l
Konsequenzen
für die
klassische
Mechanik
LängenKontraktion
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Aufgaben



A1. Zeigen Sie, dass gilt:   u       u  u
A2. In einem Magnetron (Mikrowellenquelle) fliegen Elektronen in Form
eines modulierten Stahls an einer Kavität (Hohlraum mit elektrisch leitenden Wänden) vorbei. Die Elektronen sollen mit einer Spannung von 10 kV
beschleunigt werden. Wie gross muss die Modulationsweite des Elektronenstrahls und die Länge der Kavität sein, damit elektrische Resonanzschwingungen in der Kavität bei einer Frequenz von 2 GHz auftreten können?
A3. Bei ebenen Wellen sind die Wellenfronten parallel zueinander. Für die
 
Beschreibung der Wellenfelder reicht eine Raumrichtung: u  u (x) . Stellen
Sie die Wellengleichung
 für ebene Wellen für die elektrische Feldstärke
E  E (x) auf, wobei E senkrecht auf der x-Achse steht. Suchen Sie eine
Funktion, welche diese Gleichung löst.
A4. Im optisch transparenten Medium ist die Lichtgeschwindigkeit gegeben
durch:
c
1
 
(Eq.92)
Berechnen Sie die  r für:
a) Quarzglas ( c  2.05562  10 8 m / s )
b) Wasser ( c  2.24900  10 8 m / s )
Nehmen Sie für  r  1 an. Vergleichen Sie die errechneten Werte mit
Tabellenwerten (z.B. DPK / DMK: Formeln und Tafeln, S.177): Was fällt
auf? Interpretieren Sie das Resultat.
A5. Ein Stab mit einer Länge von einem Meter fliege der Ge-schwindigkeit
v an ihnen vorbei. Welche Länge messen Sie als ru-hender Beobachter,
wenn der Stab:
a) mit 100000 km/s
b) mit 0.5  c
c) mit 0.9  c
an Ihnen vorbei fliegt?
389 Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.


  u       u 
  yuz   zu y 


  x u x   y u y   z u z       z u x   x u z 
 u   u 
y x 
 x y
  x ( x u x   y u y   z u z )    y ( x u y   y u x )   z ( z u x   x u z ) 

 

   y ( x u x   y u y   z u z )     z ( y u z   z u y )  x ( x u y   y u x ) 
  ( u   u   u )    ( u   u )   ( u   u ) 
y y
z z 
x z
y
y z
z y 
 z x x
 x z x
  2x u x   2y u x   2z u x 


   2x u y   2y u y   2z u y 
 2  2  2 
yuz
zuz 
 xuz
L2. Die Geschwindigkeit des Elektronenstrahls v e muss so sei, dass pro
Periode T die Distanz zwischen zwei Strahlbäuchen (= Modu-lationsweite)
d zurück gelegt wird: v e  d / T  d  . Somit ist d  v e / . Aus der
Beschleunigungsspannung läst sich die Geschwin-digkeit v e ermitteln:
qU  eU 
1
me v e2  ve 
2
2eU
me
daraus folgt:
d
1


2eU
 2.97cm
me
Die Länge der Kavität muss auf die Wellenlänge der gewünschten Strahlung
angepasst sein, damit Resonanz auftritt. Es wird sich dann in der Kavität
eine stehende Welle ausbilden (vgl. dazu Abschnitt 613).
c     
c

 15 cm;
Für eine beidseitig geschlossene Kavi-tät währen 7.5 cm und für eine
einseitig offene Kavität 3.75 cm ideal (vgl Abschnitt 626, Aufgabe A4).
390
Scheidegger, S., Füchslin, R.M: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L3.
2E
1 d 2E

 2  E ( x, t )  Eˆ  cos(kx  t   )
2
2
x
c dt
mit c   ergibt sich
k
2

und   2 
L4.
r 
1
 0 0c 2
Quarzglas:  r  2.1279 ; statische Dielektrizitätszahl:  r  4
Wasser:  r  1.7777 ; statische Dielektrizitätszahl:  r  80
Die Ursache für den Fehler kann nur bei  r liegen. Die in der Aufgabe angegebenen Werte sind die sogenannten statischen Dielektrizitätszahlen. Aus

c

ergeben sich jedoch für sichtbares Licht Frequenzen im Bereich von 1018
Hz. Bei diesen hohen Frequenzen reagiert das Medium träge, die Polarisation fällt schwächer aus. Entsprechen sind die relativen Dielektrizitätszahlen
kleiner als im statischen Fall, die Wellengeschwindigkeit somit höher.
L5.
(a) 0.94 m
(b) 0.87 m
(c) 0.44 m
391 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 900 Wellen, Strahlen und Teilchen
Modelle im Sinn von Konzepten spielen in der Physik eine zentrale Rolle.
Schon zu Beginn des Grundkurses mussten immer bestimmte Annahmen
gemacht werden, um die Aufgaben zu lösen. Die Bedeutung von Modellen
in der Physik wird aber gerade dort besonders sichtbar, wo komplexe oder
auch kleinste Systeme betrachtet werden. Bei den kleinsten Systemen (Moleküle, Atome, Atomkernen) können sich die Modelvorstellungen nicht
mehr auf alltägliche Erfahrungen abstützen. Die Beschreibung von Atomen
z.B. erfordert hoch abstrakte Konzepte. Dabei ist es eine experimentelle Tatsache, dass die Physik der kleinsten Teilchen eine ganz andere ist, als die
Physik im Kapitel 100. Nicht, dass sich die Theorien widersprächen,
sondern die Vorstellung von Massenkügelchen mit klar definiertem Aufenthaltsort und klar definierter Geschwindigkeit und Impuls funktioniert als
Konzept nicht mehr. Die klassische Mechanik ist ein Grenzfall für im Vergleich zur atomaren Welt grosse Massen und Dimensionen. Dieses Kapitel
zwingt also zu einem Überdenken der grundlegenden Modellvorstellungen
in der Physik.
In den ersten Unterkapiteln (910, 920) wird mit den elektromagnetischen Wellen an das Kapitel 800 angeknüpft. Die elektromagnetischen
Wellen eignen sich sehr gut, um physikalische Modellvorstellungen exemplarisch darzustellen. Im Unterkapitel Optik (910) wird mit einem geometrischen Modell gestartet, der Strahlenoptik. Im Rahmen dieses einfachen
Modells lässt sich gut erklären, wie eine Linse ein Bild abbildet. Warum es
aber überhaupt zur Lichtbrechung kommt oder warum es Farben gibt, kann
mit diesem Modell nicht erklärt werden. Dafür wird ein Wellenmodell benötigt. Allerdings lässt sich damit nicht erklären, warum Licht in Quanten
auftritt oder bestimmte Elemente immer dieselben Spektrallinien besitzen.
Dafür muss sowohl für das Licht als auch für die Materie ein Quantenmodell zu Hilfe genommen werden. Dies führt zur Betrachtung der Atome
(930) und der Kerne und Teilchen (940).
Die Lernziele sind:
1. Verschiedene Modellvorstellungen für Wellen, Strahlen und Teilchen beschreiben und die Näherungen begründen können
2. Abbildung mit dünner Linse geometrisch konstruieren können
3. Wellenoptische Phänomene mit eigenen Worten erklären können
4. Auswirkungen der Axiome der Quantenmechanik auf die Physik
beschreiben und mit Beispielen belegen können
5. Physikalische Grundgrössen des radioaktiven Zerfalls kennen
392
Inhalt
Lernziele
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 910 geometrische Optik
911 Reflexion und Refraktion
Theorie
Im Kapitel 800 wurde aus den elektromagnetischen Feldgleichungen die
Wellengleichung für elektromagnetische Wellen hergeleitet. Diese partielle
Differentialgleichung beschreibt die Ausbreitung des Wellenfeldes im
Raum. Die Geometrie des Wellenfeldes hängt dabei von der Form der Quelle, aber auch von der Materienverteilung im Raum und der Begrenzung des
Raums (Randwerte) ab. Für die Lösung von optischen Problemen muss
jedoch nicht zwingend die Wellengleichung gelöst werden. Es bieten sich
für spezielle Aufgaben einfache Verfahren an. In diesem Abschnitt sind die
geometrische Betrachtungsweisen. Als Basis dazu dienen sogenannte Strahlen. Im geometrischen Sinn sind Strahlen Objekte, welche an einem Punkt
beginnen und dann geradlinig ins unendliche gehen. Physikalisch gesehen
geben Strahlen die Ausbreitungsrichtung des Lichtes an (Fig.1.).
Wellengleichung
Lichtstrahlen

E(x, t)

B(x, t)

k
Fig.1. Darstellung einer elektromagnetischen Welle
Aus den Maxwellgleichungen lässt sich erkennen, dass magnetisches Feld
und elektrisches Feld senkrecht zueinander stehen. Zudem stehen die Felder
im freien Raum senkrecht auf der Ausbreitungsrichtung, welche durch den
Wellenvektor k gegeben ist. Somit handelt es sich um Transversalwellen.
Da die Ausbreitungsrichtung der Welle auch der Strahlrichtung entspricht,
definiert der Wellen-vektor k auch die Strahlrichtung. Damit ist die Lösung
der Wellengleichung mit dem Begriff des Lichtstrahls verknüpft.
393 Strahlrichtung
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Im Vakuum gehen von einer punktförmigen Lichtquelle Kugelwellen aus.
Die Wellenvektoren zeigen dann radial von der Quelle weg. Bei ebenen
Wellen hingegen sind die Wellenfronten parallel zueinander. Die Wellenvektoren stehen senkrecht auf den Wellenfronten und zeigen somit alle in
die gleiche Richtung. Ein solches Wellenfeld wird durch parallele Strahlen
dargestellt. Für die folgenden Betrachtungen reicht die Beschreibung eines
Wellenfeldes durch Strahlen aus.
Licht kann an polierten, metallischen Oberflächen (Spiegel) reflektiert
werden. Eine Erklärung für Reflexion oder Absorption an Grenzflächen
würde ein elektrodynamisches Wellenmodell liefern. An dieser Stelle wird
auf eine Erklärung dieser Phänomene verzichtet. Für die Strahlrichtungen
kann experimentell kann festgestellt werden, dass der Einfallswinkel gleich
dem Ausfallswinkel ist:  1   2 .
Bei optisch transparenten Medien lässt sich ein weiteres Phänomen
beobachten. Ein Lichtstrahl, welcher schief auf eine Grenzfläche zwischen
zwei Medien (e.g. Luft und Wasser) trifft, wird gebrochen (abgelenkt).
Dieser Prozess wird Refraktion genannt und kommt bei optischen Linsen
zum Einsatz. Eine Erklärung dafür liefert das Wellenmodell und wird im
Abschnitt 921 gegeben. Experimentell kann ein Zusammenhang zwischen
den Winkeln gefunden werden, es gilt:
sin  1 c1 n 2


sin  2 c 2 n1
cVakuum
  r  r
c medium
Reflexion
Refraktion
optisches
Lot
(Eq.2)
Sie berechnet sich durch das Verhältnis von Lichtgeschwindigkeit im
Vakuum zur Lichtgeschwindigkeit im Medium.
Ein Spezialfall ist die sogenannte Totalreflexion. Sie entsteht, wenn der
Strahl von einem optisch dichten Medium (hoher Brechungsindex) in ein
optisch weniger dichtes Medium (kleiner Brechungsindex) übertritt. Sei  1
der Winkel zwischen Strahl und Lot im optisch dichteren Medium und  2
derjenige im optisch weniger dichten Medium. Für den Winkel  2 resultiert
dann:
394
ebene
Wellen
(Eq.1)
Dabei sind  i die Winkel zwischen Strahlrichtung und Lot (Senkrechte auf
Grenzfläche). In der Formel stecken die Wellenausbreitungsgeschwindigkeiten ci für die beiden Materialien. Anstelle dieser lässt sich auch der
Brechungsindex (auch Brechzahl genannt) verwenden:
n
Kugelwellen
TotalReflexion
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 
 n1
 sin  1 

 n2
 2  arcsin
(Eq.3)
Da das Medium mit n1 dichter ist, wird das Verhältnis n1 / n 2 grösser als 1.
Somit muss sin  1 entsprechend kleiner sein, damit das Produkt im
Definitionsbereich des arcsin liegt. Dies liefert die Bedingung für den
Grenzwinkel, oberhalb diesem die Totalreflexion auftritt:
1
n
n1
 sin  1   1  arcsin 2
n2
 n1



(Eq.4)
Dies würde gemäss Eq.1. bedeuten, dass sin  2  1 ist, also  1  90 .
Bemerkenswert ist, dass im Fall der Totalreflexion das Licht zu praktisch
100% reflektiert wird.
Bereits im sichtbaren Wellenlängenbereich (700-400 nm) variieren die
Brechungsindizes leicht. Dies liegt an der Wellengeschwindigkeit im Medium, welche von der relativen Dielektrizitätszahl  r abhängt. Diese ist,
wie in Abschnitt 851 (Aufgabe 4) festgestellt, eine Funktion der Frequenz.
Deshalb sind auch die Refraktionswinkel leicht von der Wellenlänge abhängig (Regenbogen!).
Tab.1 Brechungsindices für einige Materialien und Wellenlängen
Wellenlänge
Wasser
Quarzglas
Diamant
Glycerin
434nm
1.340
1.467
486nm
1.337
1.463
589nm
1.333
1.458
656nm
1.331
1.456
768nm
1.329
1.4539
2.417
1.455
Aufgaben
A1. Bestimmen Sie den kritischen Winkel für Refraktion in Luft für
a) Wasser
b) Glycerin
c) Quarzglas
GrenzWinkel
d) Diamant
A2. Ein Lichtstrahl trifft in einem Winkel von 45° auf eine Wasseroberfläche. In welchem Winkel wird der Lichtstrahl gebrochen, wenn es sich um
blauviolettes bzw. rotes Licht handelt?
A3. Ein Lichtimpuls eines He-Ne-Laser (   632.8nm ) treffe auf eine 1
cm dicke Platte aus Quarzglas. Um welche Streckendifferenz verschiebt sich
ein Wellenberg der Lichtwelle gegenüber einem gleichzeitig gestarteten
Wellenberg, welcher nur Luft durchquert?
395 Dispersion
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
(a) 48.6°
(b) 43.4°
(c) 43.2°
(d) 24.4°
L2.
 n1

 sin  1 
 n2

 2  arcsin
blauviolett:
 2  31.84°
rot:
 2  32.15°
L3.
Zeit,
c
um
Strecke
mit
Phasengeschwindigkeit
s  l
zurückzulegen:
t
im Medium:
t 
s
c Medium

n  s
cVakuum
l  s  (n  1)  4.6mm
396
c
in Luft:
t 
s  l
cVakuum
s
t
bzw.
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 912 Abbildung mit dünnen Linsen
Theorie
Für einfache, projektive Abbildungen, wie sie bei der Camera obscura oder
auch bei konventionellen Röntgenverfahren auftreten, lässt sich Bildorientierung und Vergrösserung auf die Strahlensätze zurück führen. Auch bei
dünnen Linsen reicht die Betrachtung von wenigen, speziellen Strahlen für
die Konstruktion des Bildes. Linsen können konvex (Sammellinsen) oder
konkav (Streulinsen) geschliffen sein. Der Schliff gibt der Linsenoberfläche
eine spezielle Krümmung. Diese gekrümmte Oberfläche bricht das Licht so,
dass sich die Strahlen in einem Brennpunkt treffen. Die Distanz zwischen
Lunse und Brennpunkt wird Brennweite f genannt. Sammellinsen haben
dabei eine positive Brennweite, der Brennpunkt liegt von der Lichtquelle
aus gesehen hinter der Linse, Streulinsen hingegen haben eine negative
Brennweite, es existiert bei ihnen ein fiktiver Brennpunkt vor der Linse. Für
dünne Linsen gilt folgendes Kriterium: Die Distanz von der Linsenmitte zu
Objekt und Bild und die Brennweite müssen deutlich grösser sein als die
Dicke der Linse.
Für die Konstruktion eines Strahlengangs (Fig.2) müssen zwei spezielle
Strahlen gezeichnet werden. Der Mittelpunktsstrahl ist derjenige Strahl,
welcher durch die Mitte der Linse geht. Dieser Strahl wird nicht abgelenkt
und bei dünnen Linsen auch nicht verschoben. Ein Strahl, welcher auf der
einen Seite der Linse parallel zur optischen Achse ist, geht nach der Linse
durch den Brennpunkt. Die optische Achse steht dabei senkrecht auf der
Linsenebene.
Objekt
f
G
F
g
Bild
B
b
Fig.2. Konstruktion eines Strahlengangs: G ist die Objektgrösse, B die Bildgrösse, g
die Objektweite und b die Bildweite. Der Punkt F ist der Brennpunkt (Fokus) und f
die Brennweite.
397 geometrische
Optik
Streu- und
Sammellinsen
Brennpunkt,
Fokus
dünne Linsen
Konstruktion
des
Strahlengangs
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Die Brennweite f wird bei dünnen Linsen durch die Krümmungsradien r1
bzw. r2 der beiden Oberflächen und den Brechungsindex bestimmt. Es gilt:
D
1 1
1
 (n  1)    
f
 r1 r2 
(Eq.5)
Die Grösse D wird Brechkraft genannt. Die Einheit ist m 1  dpt (Dioptrie). Zwischen Bildweite b , Gegenstandsweite g und der Brennweite f
gilt für dünne Linsen näherungsweise folgender Zusammenhang:
1 1 1
 
g b f
AbbildungsMassstab
(Eq.7)
Aufgaben
A1. Prüfen Sie durch eine geeignete Konstruktion nach, dass die Formeln
Eq.6 und Eq.7 gelten.
A2. Eine Linse aus Glas ( n  1.45 ) soll einseitig so geschliffen werden,
dass eine Brennweite von 20 cm entsteht.
a) Wie gross muss der Krümmungsradius sein?
b) Wie ändert sich die Brennweite, wenn bei gleichem Krümmungsradius Plexiglas ( n  1.49 ) verwendet wird?
A3. Ein 12 mm grosser Gegenstand wird durch eine Sammellinse abgebildet. Bei einer Gegenstandsweite von 50 mm entsteht in einem bestimmten Abstand zur Linse ein scharfes, 36 mm grosses Bild.
Ermitteln Sie durch eine geeignete Konstruktion die Brennweite der Linse
und kontrollieren Sie durch Berechnung das Resultat.
398
Dioptrien
(Eq.6)
Der Abbildungsmassstab ist durch den Strahlensatz gegeben;
B b

G g
KrümmungsRadien
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1. L2.
(a)
1
1
 (n  1)     r1  (n  1)  f
f
 r1 
 9cm
(b)
f 
1
1
(n  1)   
 r1 

r1
 18.37cm
n 1
L3.
Kontrolle durch Berechnung:
f 
1
1 1

g b

1
1 G

g gB
 37.5mm
399 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 913 para-axiale Optik und Matrix-Formulierung der Gausschen Optik
Theorie
Die Berechnung von Linsensystemen kann durch eine geeignete Formulierung der entsprechenden Gleichungen bewältigt werden. Dabei werden
für die para-axiale Optik folgende Näherungen gemacht: Für Lichstrahlen
nahe an der optischen Achse (im Vergleich zur Brennweite der Linsen) kann
für den Winkel  , welcher die Abweichung von der optischen Achse
beschreibt, angenommen folgendes werden: sin   tan    .
Zur Beschreibung von Abbildungen bzw. des Strahlenganges kann
folgendes Koordinatensystem gewählt werden: Die x-y- Ebene beschreibt
die Ebene senkrecht zur optischen Achse (also die Objekt- oder Bildebene),
die z- Achse fällt mit der optischen Achse zusammen. Die Längen können
dabei als dimensionslos behandelt werden, da die Längen in x- oder yRichtung über den Strahlensatz mit der z- Richtung gekoppelt, also skaliert
sind.
In einem ersten Schritt soll die Translation entlang der optischen Achse
betrachtet werden. Dabei wird an der Stelle z1 von einem Strahl ausgegangen, der im Winkel 1 zur optischen Achse in der y-z- Ebene verläuft. Es
gilt dann für die in z- Richtung zurückgelegte Distanz  in:
Näherungen in
der paraaxialen Optik
Koordinatensys
tem und
Relationen
Translation
y2  y1  1
 2  1
Diese Gleichungen können in Matrix-Form geschrieben werden, wobei die
Winkel jeweils noch mit dem Brechungsindex n multipliziert bzw  . durch
n dividiert wird (da dies für die späteren Berechnungen von Vorteil ist):
 y2   1  / n   y1 
 y1 


  T 


1   n1 
 n 2   0
 n1 
(Eq.1)
Die Translationsmatrix T beschreibt somit die Verschiebung von z1 nach
z1   .
In einem nächsten Schritt kann nun eine Linsenoberfläche mit dem
Krümmungsradius r1 betrachtet werden (Fig.1). Das Brechungsgesetzt von
Snellius (Abschnitt 911) nimmt folgende Form an:
n1 sin(  1 )  n2 sin(   2 )
Wegen den kleinen Winkeln kann geschrieben werden:
n1  n11  n2  n2 2 . Mit   y1 / r1 folgt:
400
TranslationsMatrix
gekrümmte
Oberfläche
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik n2 2  n11 
Und wegen z1  z2 :
(n2  n1 )  y1
r1
(Eq.2)
y2  y1
(Eq.3)
Die Gleichungen Eq.2 und Eq.3 können in Matrixform geschrieben werden,
es lässt sich somit die Brechungsmatrix R für den Übergang von einem
Medium mit n1 zu einem Medium mit n2 definieren:
 1
 y2  

   n1  n2
 n2 2   r
 1
0
  y1   R  y1 


1   n11 
 n11 

 y2 
 y1 
 y1 

  M
  RT 

 n2 2 
 n11 
 n11 
(Eq.5)
Es gilt det(R) = det(T) = 1 = det(M), die Matrizen sind also normiert.
y1 = y2

2
1
r1
z1 = z2
Brecxhungsmatrix
(Eq.4)
Für die Beschreibung einer allgemeinen Abbildung kann die Propagation
der Strahlen durch eine Matrix M beschrieben werden. So resultiert für eine
Translation und eine Brechung an einer gekrümmten Oberfläche:
y
Gleichungen
für gekrümmte
Oberfläche
z
Fig.1. Strahlengang an einer gekrümmten Oberfläche
Aufgaben
A1. Welche Brechungsmatrix resultiert für n1  n2 : Was ist die Bedeutung?
A2. Für eine Linse mit dem Brechungsindex n2  n in Luft (Brechungsindex n1  1 ) soll die Abbildungsmatrix M hergeleitet werden. Hinweis: Die
Matrix kann als folgendes Matrixprodukt geschrieben werden: M = R2TR1.
Skizzieren Sie zuerst eine zu Fig.1 korrespondierende Abbildung.
401 Abbildungsmatrix
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
 1
 y2  

   n1  n2
 n2 2   r
 1
0
  y1    1 0   y1  =I  y1    y1 

1   n11   0 1   n11   n11   n11 

Winkel bzw. Strahlrichtung bleiben gleich, es gibt keine Brechung.
L2.
0
 1
  1
1
 y2 
 y1  



n 1 n

  R 2 TR1 
   n 1 1



n
n
 2 2
 1 1  r
 0 1  r
 1
 2

  (1  n)

1

nr1


 1 1    (1  n) 2
 (n  1)    
nr2 r1
 r2 r1 

0
  y1  
1   n11 




n
  y1 


  (n  1)   n11 
1

nr2 
Folgende weitere Vereinfachung ist möglich: Für dünne Linsen gilt:
  r1  r2 . Zudem ist (1  n) 2 deutlich kleiner als 1. Somit kann näherungsweise geschrieben werden:
  (1  n)

1

nr1


 1 1    (1  n) 2
 (n  1)    
nr2 r1
 r2 r1 




n


  (n  1)
1

nr2

1
0  1


 
 (n  1)  1  1  1     1



  f
 r2 r1 


0

1 

Wobei f die Brennweite der Linse ist, korrespondierend zu Eq.5, Abschnitt
912.
402
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 920 Wellenoptik
921 Interferenz und Huygensches Prinzip
Theorie
Im Rahmen der geometrische Optik kann zwar verstanden werden, wie ein
Objekt durch eine Linse abgebildet wird, aber bereits beim Brechungsindex
liefert das Strahlenmodell keine ausreichende Basis für eine befriedigende
Erklärung. Auch die Beugung von Licht an optischen Gitter erklärt das
Strahlenmodell nicht. Dazu muss die Ausbreitung von Licht durch Wellenfelder beschrieben werden. Für die folgenden Betrachtungen genügen zwei
Spezialfälle von Wellenausbreitung.
Der eine Spezialfall sind ebene Wellen.

Der Wellenvektor k ist überall gleich gross und hat die gleiche Richtung.
Der zweite Spezialfall sind Kugelwellen. Die Wellenvektoren zeigen in
diesem Fall radial von der Lichtquelle weg.
Der Einfachheit zuliebe
 ein skalares Wellenfeld der
  betrachten wir hier

Form u  uˆ (r )  cos(k  r  t ) mit k  2 /  und   2 .
Überlagern sich nun die Wellenfelder u1 und u 2 von zwei verschiedenen
Quellen, so entsteht Interferenz. Je nach Phasenverschiebung können sich
die beiden Wellenfelder aufheben oder verstärken. Das resultierende Wel


lenfeld ist gegeben durch u ( r , t )  u1 (r , t )  u 2 (r , t ) .
Werden nun die Wellenfelder von vielen punktförmigen Lichtquellen
überlagert, so können beliebige Wellenfelder erzeugt werden. Umgekehrt
kann man sich ein beliebiegies Wellenfeld aus unendlich vielen Kugelwellen zusammengesetzt vorstellen (Huygensches Prinzip):
 
uˆ

u (r , t )   i  cos(k i  r  t   i )
i ri
geometrische
Optik vs.
Wellenoptik
skalares
Wellenfeld
Superposition
von
Wellenfeldern
(Eq.8)
Dabei ist für alle Partialwellen die Frequenz   2 die gleiche (natürlich
wäre hier die Verwendung beliebiger Frequenzen ein noch allgemeinerer
Ansatz).
Mit dem Huygenschen Prinzip kann nun die Lichtbrechung erklärt
werden. Dafür betrachten wir Wellenfronten von Ebenen Wellen, welche
unter dem Winkel  1 auf eine Grenzfläche zwischen zwei Medien trifft
(Fig.3). Die von der Grenzfläche ausgehenden Wellen denken wir uns als
unenedlich viele Kugelwellen, welche sich zu neuen Wellenfronten nach der
Grenzfläche superponieren.
403 Erklärung für
Refraktion
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 1
2
Fig.3. Brechung von Wellenfronten an einer Grenzfläche zwischen zwei Medien.
Wenn sich die Wellen sich im neuen Medium weiter bewegen, ändert sich
die Wellengeschwindigkeit mit dem Brechungsindex: c medium  cVakuum / n 2 .
Dies hat auch eine Änderung der Wellenlänge zur Folge. Wenn die Frequenz gleich bleibt, resultiert für die neue Wellenlänge
 2  cVakuum /(n2  ) .
Gilt n 2  n1 , so ist die Wellenlänge im zweiten Medium kleiner als im
ersten. Dadurch werden die Wellenfronten gekippt.
404
BrechungsIndex
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Fig.4. Reflexion von Wellenfronten in einem Parabolspiegel: Zu erkennen ist die
konstruktive Interferenz beim Brennpunkt. 2-Dim. Simulation mit Finite Differenzen Methode.
Fig.5. Fokussierungseffekt einer bikonvexen Linse: Die Fokuszone hinter der Linse
ist relativ gross, da die Wellenlänge im Vergleich zum Linsendurchmesser gross ist.
2-Dim. Simulation mit Finite Differenzen Methode.
Aufgaben
A1. Zeigen Sie ausgehend von Fig.3, dass das Brechungsgesetz Eq.1 gilt.

A2. Zwei punktförmige Lichtquellen mit einem Abstand d (Vektor d
senden in der x-y-Ebene Kreiswellen mit gleicher Wellenlänge  aus. Stellen Sie die Bedingen für die Orte in der x-y-Ebene auf, an denen maximale
konstruktive Interferenz auftritt.
405 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
2
1
d
2
1
Aus sin  1 
1
d
cVakuum

sin  1 1
n 
n
und sin  2  2 folgt

 1
 2
d
sin  2  2 cVakuum
n1
n 2 
L2.

r2

d
r1  r2  n
406

r1



mit n  Z 0 und r1  r2  d
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 922 Beugung am Gitter
Theorie
Trifft eine ebene Lichtwelle auf ein optisches Gitter, so lässt sich hinter dem
Gitter ein Beugungsbild beobachten. Dabei entstehen an bestimmten Positionen helle Lichtpunkte. Die Positionen der sogenannten Beugungsmaxima
lässt sich für die Fernfeldnäherung (Abstand von Beugungsbild zu Gitter
sehr viel grösser als Wellenlänge und Gitterabstand) einfach berechnen. Zu
diesem Zweck sollen zwei Gitterpunkte betrachtet werden, welche die
Lichtwelle streuen. Von diesen zwei Punkten gehen in der Ebene Kreiswellen aus. Im Fernfeld überlagern sich zwei Strahlen, welche wegen des
grossen Abstandes fast parallel von den Gitterpunkten weglaufen (Fig.6).
Beugungsbild
Fernfeld
n
d

Fig.6. Darstellung der Beugung am zwei Gitterpunkten.
Zur konstruktiver Interferenz kommt es, wenn sich nun ein Wellenberg des
einen Strahls mit einem Wellenberg des anderen Strahls überlagert. Dies ist
der Fall, wenn die Phasendifferenz n beträgt. Somit gilt die Bedingung
für konstruktive Interferenz:
sin  n 
n
d
(Eq.9)
Für zwei streuende Gitterpunkte bzw. die Beugung am Doppelspalt ergibt
sich ein Beugungsbild in der Form eines Hell-Dunkel-Musters. Für ein optisches Gitter mit sehr vielen Punkten entstehen durch Überlagerung sehr
vieler Wellen im Beugungsbild relativ scharfe Punkte. Der Anteil an dif-
407 Bedingung für
konstruktive
Interferenz
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Detektor
Kristall
Blende
Röntgenröhre
fuser Streuung gibt somit auch Auskunft über Gitterdefekte. Mit der Bedingung Eq.9 kann bei bekannter Wellenlänge die Gitterkonstante bestimmt
werden. Dieser Umstand und die weitere, im Beugungsbild enthaltene Information wird in der Kristallographie zur Bestimmung der Kristallstruktur
verwendet. Da Kristalle atomare bzw. molekulare Gitter, muss für eine
genügend grosse Beugungsaufspaltung Strahlung mit einer Wellenlänge im
Bereich von wenigen nm verwendet werden, also Röntgenstrahlung.
Fig.7. Röntgendiffraktion am Kristall: Ein dünner Röntgenstrahl wird auf ei-nen
Kristall geschossen. Das Beugungsbild wird mit einem Detektor erfasst.
Aufgaben
A1. Die Wellenlänge eines Lasers soll mittels Beugungsexperiment bestimmt werden. Dabei wird ein Gitter ( d  1.5m ) in einer Entfernung von
1.0 m zu einem Leuchtschirm angebracht.
a) Welche Wellenlänge besitzt der Laser, wenn die Distanz von
Primärstrahl zum nächstgelegenen Beugungspunkt (1. Maximum)
45 cm beträgt?
b) Welche Distanz zwischen Primärstrahl und nächsten Beugungspunkt (1. Maximum) ist zu erwarten, wenn die Wellenlänge
des Lasers 440 nm betragen würde?
A2. Wie gross ist ein Gitterebenenabstand, wenn bei einer Strahlung mit der
Wellenlänge  = 1.54 Ǻ für die erste Beugungsordnung ein Beugungswinkel von 5° resultiert?
408
Anwendungen
KristallStrukturbestimmung
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
(a)

d  sin  n
 d  sin  1 
n

 45  
 d  sin  arctan
   615.55nm
 100  

(b)

 n  
s n  l  tan  n  l  tan arcsin  
 d 

s1  0.3068m
(mit l  1m )
L2.
d

 1.77nm
sin  1
mit 1.54 Å 0.154 nm
409 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 930 Quantenmechanische Modelle
931 Wechselwirkung von Atomen mit Licht
Experiment
Im sichtbaren Bereich der elektromagnetischen Strahlung entspricht eine bestimmte Farbe einer bestimmten Wellenlänge. Rot liegt im Bereich von
  600nm , grün bei ca.   500nm und der blau-violette Bereich liegt
bei 430 nm . Das Auftreten von Farben lässt sich noch halbwegs mit der
elektromagnetischen Wellentheorie erklären. Wenn nun Atome zum Leuchten angeregt werden (chemisch: Flammenfarben, physikalisch: Gasentladungen), dann treten für ein bestimmtes Element charakteristische Spektrallinien auf. Typisches Beispiel ist das Natriumatom mit einer prominenten
Spektrallinie bei 589 nm. Das bedeutet, dass alle angeregten Atome auf die
gleiche Weise Energie abstrahlen.
Eine andere Beobachtung lässt sich mit kürzer werdender Wellenlänge
bei elektromagnetischen Wellen machen. Die Energie im Strahlungsfeld ist
nicht kontinuierlich verteilt. Es können Energiequanten gemessen werden.
Besonders ausgeprägt kann dies bei Röntgenstrahlung (  im Bereich eines
Atomdurchmessers) beobachtet werden. Trotzdem hat VON LAUE 1911
mit seinen Röntgendiffraktionsexperimenten am Kristall auch die Wellennatur der Röntgenstrahlung bewiesen. Somit lässt sich experimentell sowohl
der Teilchen- als auch der Wellencharakter von elektromagnetischer Strahlung beobachten. Die Energiequanten werden Photonen (Lichtteilchen) genannt.
Zwischen Energie eines einzelnen Photons und der Wellenlänge der entsprechenden elektromagnetischen Welle gibt es einen Zusammenhang.
Experimentell lässt sich feststellen, dass rotes Licht keine Fluoreszenzstrahlung im grünen oder blauen Bereich auslösen kann, jedoch blaues oder
ultraviolettes Licht sehr wohl bei Einstrahlung auf geeignete Substanzen
rote Fluoreszenz-Strahlung erzeugt (e.g. UV-Strahlung auf Yttriumsulfat).
Photonen im roten Wellenlängenbereich scheinen somit nicht genügend
Energie zu haben, um den Prozess auszulösen.
Theorie
Weder ein klassisches Wellen- noch ein Teilchenmodell kann die oben
beschriebenen Phänomene befriedigend erklären. Licht ist weder eine klassische elektromagnetische Welle noch sind die Photonen klassische Teilchen. Licht hat sowohl Wellen- als auch Teilchencharakter. In diesem Zusammenhang wird vom Welle-Teilchen-Dualismus gesprochen.
410
Farbe und
Wellenlänge
Spektrallinien
EnergieQuanten
Fluoreszenz
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Experimentell lässt sich zeigen, dass die Energie eines Photons E von der
Frequenz  der entsprechenden elektromagnetischen Welle abhängig ist:
E  h
(Eq.10)
Die Proportionalitätskonstante h  6.626  10 34 Js wird Plancksches Wirkungsquantum genannt. Es kann auch die Kreisfrequenz  verwendet
werden: E  h /( 2 )  2   .
Auch der Impuls p eines Photons ist durch eine Welleneigenschaft bestimmt. Der Impuls ist gemäss der sogenannten de Broglie-Beziehung durch
die Wellenlänge  bzw. durch die Wellenzahl k gegeben:
p
h

 k
WellenTeilchenDualismus
(Eq.11)
Aufgaben
A1. Berechnen Sie die Energie eines einzelnen Photons für eine Radiowelle
mit einer Wellenlänge von 1 m und eine Mikrowelle mit einer Wellenlänge
von 1 cm. Warum werden in diesem Wellenlängenbereich immer klassische
Wellenfelder gemessen / beobachtet?
A2. Die Energie für die erste Ionisation beträgt bei Cäsium 3.9 eV (=
6.24·10-19 J). Mit welcher Wellenlänge müsste auf ein Cäsium-Atom
eingestrahlt werden, damit ein einzelnes Photon diesen Prozess auslösen
kann?
A3. Die Ionisationsenergie für ein Wasserstoffatom beträgt 13.6 eV
(21.79·10-19 J).
a) Wenn das Hüllenelektron sich in einer Kreisbahn um den Kern
bewegen würde, wie gross wäre der Abstand zu diesem?
b) Welche Geschwindigkeit hätte das Elektron?
411 Plancksches
Wirkungsquantum
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
Radiowelle:
E  h  h 
Mikrowelle:
E  h  h 
c

c

 1.98  10  25 J
 1.98  10  23 J
Die Energie eines einzelnen Photons ist so klein, dass sie nicht gemessen
werden kann. Wenn also eine elektromagnetische Welle (Radiosignal) gemessen wird, werden sehr viele Photonen detektiert. Diese vielen Photonen
bilden ein praktisch kontinuierliches Wellenfeld. Die Aufenthaltswarscheinlichkeit eines Photons ist durch das Wellenfeld gegeben. Bei sehr vielen
Photonen wird ein statistisches Mittel gemessen.
L2.
E  h  h 
c

 3.175  10 7 m  317.5nm
L3.
(a)

E  q   E (r )  dr 
r1
e2
4 0

1
e2 1

dr

(

)

2

4
r1
r
0
r1

e2
r1 
 1.059  10 10 m
4 0  E
(b)
me v 2
1
e2

 2 v
4 0 r
r
412
e2
 1.52  10 6 m / s
4 0  me r
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 932 Wellenmechanische Beschreibung des freien Teilchens
Experimente
Der Welle-Teilchen-Dualismus lässt sich nicht nur bei Photonen, sondern
auch bei anderen kleinen Teilchen beobachten. So kann ein Beugungsbild
beobachtet werden, wenn ein Elektronenstrahl auf einen Kristall geschossen
wird. Wird die Bahngeschwindigkeit eines Elektrons als klassisches Teilchen in der Hülle eines Atoms berechnet, so resultiert ein hoher Wert
(Abschnitt 931, Aufgabe 3). Das Elektron wäre eine beschleunigte Ladung
und würde gemäss den Gesetzen der Elektrodynamik (Maxwellgleichungen)
Energie abstrahlen. Atome wären also keine stabilen Gebilde.
Die Abstrahlung von Energie lässt sich beim Abbremsen von schnellen
Elektronen gut beobachten. Wenn in einer Röntgenröhre (Fig.1) Elektronen
mit einer Spannung von 100 kV beschleunigt werden, so erreichen diese
eine kinetische Energie von E kin  qU  1.6022  10 14 J  100keV (keV
= Kiloelektronenvolt).
Welle-TeilcheDualismus bei
Elektronen
Abstrahlung
von
beschleunigten
Ladungen
Anode
+
Röhrenspannung U
Kathode
Fig.1. Aufbau einer Röntgenröhre (Stehanode): Rechts Anode unten, links Anode
oben
Treffen diese Elektronen auf die Wolframanode der Röntgenröhre, so werden die Elektronen durch Stösse abgebremst. Würde das Elektron mit einem
Stoss zum Stillstand kommen, würde die Energie in Form eines Photons mit
einer Energie von 100 keV abgestrahlt. In Realität machen aber die Elektronen sehr viele Stösse mit Wolfrahmatomen. Entsprechend wird eine
breite Energieverteilung im Röntgenspektrum beobachtet (Fig.2).
413 BremsStrahlung
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Spektrum einer
Röntgenröhre
k1
k
rel. Intens.
k1
k
20
30
40
50
60
70
80
E (kV)
Fig.2. Röntgenspketrum: Neben der breiten Energieverteilung (Bremsberg) sind
auch charakteristische Linien zu erkennen. Diese entsprechen Übergängen in der
Elektronenhülle des Atoms.
Mit zunehmender Röhrenspannung nimmt die Energie der Photonen zu. Die
Energie der Photonen lässt sich über die Diffraktion an einem Kristall bestimmen.
Mit dem sogenannten Transmissionselektronenmikroskop (TEM) können an dünnen Schichten eines Kristalls Beugungsbilder erzeugt und ausgemessen werden (Fig.3). Dabei treten wie bei der Röntgenröhre bei Anliegen einer Hochspannung (und je nach Kathodentyp bei Heizen derselben)
Elektronen aus und werden beschleunigt. Die zu untersuchende Probe dient
dann quasi als Anode.
Die Energie der beschleunigten Elektronen kann durch Beugung am
Kristall bestimmt werden. Dabei gilt für die Energie genau gleich wie für
Photonen: E  eU  h mit der Elementarladung e  1.6022  10 19 C .
Somit ergibt sich die Frequenz  :

eU
h
Aus der de Broglie-Beziehung p  h /  folgt zudem:
414
TransmissionsElektronenMikroskopie
Energie und
Frequenz eines
Elektrons
(Eq.12)
Wellenlänge
eines Elektrons
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 
h
p
(Eq.13)
für nicht-relativistische Elektronen ( v  c ) kann für p  me  v gesetzt
werden. Es resultiert mit eU  mv 2 / 2 für die Wellenlänge eines beschleunigten Elektrons im nicht-relativistischen Fall:

h

me  v
h
me 
2eU
me

Wellenlänge im
nichtrelativistischen
Fall
h
2me  eU
(Eq.14)
Sind die Gitterkonstanten d des untersuchten Kristalls bekannt, kann nun
aus der Beugungsformel Eq.9 im Abschnitt 922 auf die Wellenlänge der
Elektronen zurückgeschlossen werden:
 d
sin  n
n
Oder aus der Röhrenspannung lässt sich der zu erwartende Winkel ziwschen
Primärstrahl und den Reflexen im Beugungsbild vorhersagen:
 d

sin  n
h
nh

  n  arcsin 

n
2me  eU
 d  2me  eU




Wellenlänge
eines Elektrons
aus
Beugungsbild
ElektronenBeugung
Fig.3. Elektronen-Beugungsbild an einem BiOCl- Kristall
415 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Theorie
Aus den experimentellen Beobachtungen können folgende Schlüsse gezogen werden. Die Energie eines Elektrons (im Allgemeinen die Energie eines
Teilchens mit Masse m ) ist durch E   und der Impuls durch p  k
gegeben. Da der Wellencharakter von Elektronen (Teilchen) ebenfalls experimentell nachweisbar ist, definieren wir eine Wellenfunktion für ein freies
Teilchen (Axiom):
 ( x, t )  e i ( kx t )
Axiom
Wellenfunktion
(Eq.15)
Hier wird eine eindimensionale Wellenfunktion verwendet (mit i 2  1 ),
was für die folgenden Betrachtungen vollend ausreicht. Wird die Wellenfunktion nun einmal nach der zeit abgeleitet, so resultiert:
d
 i  e i ( kx t )  i 
dt
Ableitungen
der WellenFunktion
(Eq.16)
Bei zweimaliger Ableitung nach x ergibt sich:
 2
 k 2  e i ( kx t )   k 2 
2
x
(Eq.17)
Beim Vergleich von zeitlicher mit räumlicher Ableitung fällt auf, dass die
Wellenfunktion einmal mit  , im anderen Fall mit k 2 multipliziert wird.
Mit der kinetischen Energie E kin  p 2 / 2m lässt sich nu ine Art Energievergleich anstellen. Die Energie eines freien Teilchens ist ja gegeben durch
E   . Wenn E  E kin ist, dann gilt auch E  p 2 /(2m)  . Wird
die Wellenfunktion durch ihre Ableitungen ersetzt, dann ergibt sich
folgende Differentialgleichung:


 d
 2  2



i dt
2m x 2

(Eq.18)
also:
d
i  2


dt
2m x 2
416
(Eq.19)
kinetische
Energie
EnergieVergleich
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Die Gleichung Eq.19 erinnert an eine Wellengleichung. Es handelt sich um
die nach ERWIN SCHRÖDINGER benannte Schrödinger-Gleichung für ein
freies Teilchen. Eine ausführliche Erläuterung zu dieser Gleichung folgt im
Abschnitt 933.
Aufgaben
A1. An einer Röntgenröhre liege eine Spannung von 20 kV an.
a) Welche Wellenlänge haben die Elektronen kurz vor dem Auftreffen
auf die Anode?
b) Welche Energie könne die Photonen maximal haben, welche aus der
Röhre kommen?
c) Können im Röntgenspektrum charakteristische Linien beobachtet
werden, wenn die Energiedifferenz bei diesem Übergang bei 60 keV
liegt? (Begründung)
A2. In einem Elektronenmikroskop werden Elektronen mit einer Spannung
von 50 kV beschleunigt. Im Beugungsbild (auf dem Fluoreszenzschirm)
lässt sich zwischen zwei Beugungspunkten ein Beugungswinkel von 1.5°
bestimmen.
a) Wie gross ist die Gitterkonstante?
b) Wie ändert sich der Beugungswinkel, wenn die Spannung er-höht
wird?
417 SchrödingerGleichung
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1.
(a)
2eU
 8.39  10 7 m / s  es darf näherungsweise nichtme
v
relativistisch gerechnet werden!

h
2me  eU
 8.67  10 12 m
(b)
E p  20keV  3.2  10 15 J
(c) Nein, die kinetische Energie der Elektronen ist 20 keV und damit
deutlich unterhalb der für die Anregung notwendigen Energie von 60 keV.
L2. Die Geschwindigkeit der Elektronen beträgt v  1.33  10 8 m / s , der
Faktor  
1
v
1  
c
2
 1.117 .
In grober Näherung kann noch nicht-relativistisch gerechnet werden. Die
Beugungspunkte sind Orte, wo viele Elektronen auftreffen. Wenn die Aufenthaltswahrscheinlichkeit durch eine Wellenfunktion beschrieben wird,
kann die Beugungsformel verwendet werden. Mit der Beugungsformel Eq.9
ergibt sich:
d
418
n
h

 2.1  10 10 m
sin  n sin  1  2me  eU
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 933 Tunneleffekt und Unschärferelation
Theorie
In der klassischen Mechanik werden einem Teilchen für eine bestimmte Zeit
einen scharfen Aufenthaltsort zugeordnet. In der Newtonschen Mechanik
beruht die Beschreibung der Bewegung eines Teilchens auf den aus Zeit und
Ort abgeleiteten Grössen Geschwindigkeit und Beschleunigung. Die Arbeit
in der Mechanik besteht vor allem aus dem Aufstellen und dem Lösen von
Bewegungsgleichungen. In der Newtonschen Mechanik wird die Bewegungsgleichung über eine Kräftebilanz gefunden. Ein anderer Ansatz wäre
eine Energiebetrachtung, wie sie in Abschnitten 323 und 411 gemacht
wurde. Wird dem Teilchen eine bestimmte Energie E zugeordnet, so kommen für die Bewegung des Teilchens nur bestimmte Bahnen in Frage, je
nach Umgebung. Die Umgebung wirkt dabei via Wechselwirkungen
(Potential, Unterkapitel 320) auf das Teilchen ein (e.g. Anziehung von
elektrisch geladener Teilchen oder die Gravitation). Eine Energiebetrachtung liefert also eine Beschreibung möglicher Aufenthaltsorte eines Teilchens.
Für Elektronen und andere sehr kleine Teilchen zeigt sich aber bereits
experimentell, dass diesen Teilchen unter Umständen zu einer bestimmten
Zeit kein scharfer Aufenthaltsort zugewiesen werden kann. Dieser Sachverhalt wird durch die Heisenbergesche Unschärfenrelation beschrieben:
Wird bei einem Teilchen gleichzeitig der Ort x und der Impuls p gemessen,
so gilt: x  p   = 1.05457·10-34 Js. Wird also zum Beispiel der Impuls
scharf bestimmt (p = 0), dann ist der Ort des Teilchens nicht bestimmbar
( x   ). Für makroskopische Teilchen tritt diese Unschärfe praktisch
nicht in Erscheinung, da bei einer Masse von wenigen Mikrogrammen und
bei Durchmessern von wenigen Mikrometern die Abweichungen x und p
vernachlässigbar werden. Somit lässt sich in der makroskopischen Welt
bereits sehr kleinen Partikeln (z.B. einem Staubkorn) zu jedem Zeitpunkt
einen scharfen Ort zuordnen. Unsere Erfahrungen stellen somit keinen
Widerspruch zur Unschärferelation dar, vielmehr ist das auf unseren Alltagsbeobachtungen aufgebaute Bild von Teilchen ein Grenzfall für grosse
Massen. Das bedeutet aber auch, dass die Vorstellung von Teilchen in der
klassischen Mechanik nicht auf die kleinsten Teilchen übertragbar ist – das
Bild von Teilchen muss also grundsätzlich revidiert werden, wenn
mikroskopische Systeme wie Atome oder Atomkerne beschrieben werden
sollen. Diese Aussage lässt sich anhand der Atomphysik bekräftigen. Die
klassische Mechanik vermag nicht befriedigend erklären, weshalb die in der
Hülle eines Atoms gebundenen Elektronen im stationären Zustand nur auf
ganz bestimmten Energieniveaus anzutreffen sind.
419 Vergleich zur
klassischen
Mechanik
Heisenbergsche
UnschärfenRelation
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Um das Verhalten von kleinsten Teilchen zu erfassen, kann folgender
Ansatz gewählt werden: Anstelle eines exakten Aufenthaltsortes soll die
Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Teilchens betrachtet werden (Dies
beinhaltet ein fundamentales Postulat der Quantenmechanik). Als einfaches,
einführenes Beispiel wird ein eindimensionaler Raum mit der Ortkoordinate
x betrachtet. Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit pro Längenelement dx
(Wahrscheinlichkeitsdichte) sei proportional zu einer Orts- und zeitabhän2
gigen Funktion  ( x, t )   ( x, t ) . Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein
Teilchen im Abschnitt zwischen x und x + dx aufhält, ist gegeben durch
(x,t)·dx. Die Bildung des Betragsquadrates der Funktion ψ verhindert, dass
die Aufenthaltswahrscheinlichkeit bei der Berechnung negativ oder komplex wird. Das bedeutet also, dass für die Funktion ψ(x,t) vorerst keine
besonderen Einschränkungen gelten. Der Grund für die Wahl von ψ(x,t)
liegt in der Berechenbarkeit über die Schrödingergleichung. Diese liefert
über eine Energiebetrachtung eine Bedingung, welche die Funktion ψ(x,t)
erfüllen muss. Um dieses Konzept zu veranschaulichen, soll ein Teilchen
(e.g. Elektron) mit der Masse m be-trachtet werden, welches die Energie E
besitzt. Dieses Teilchen soll sich in einem stationären Zustand befinden. Die
Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte ist nun mit der zeitunabhängigen
2
Funktion ψ = ψ(x) verknüpft (  ( x)   ( x) ). Die Wechselwirkung des Teilchens mit der Umgebung soll durch die potentielle Energie Ep beschrieben
werden.
Für solche stationären Zustände liefert nun die zeitunabhängige
Schrödingergleichung1 die Bedingungen für die Funktion ψ(x):
1
Diese Gleichung ist nach dem Physiker Erwin Schrödinger benannt, welcher 1926
die theoretischen Grundlagen dazu lieferte. Die zeitunabhängige Schrödungergleichung kann in der Form Hψ = Eψ geschrieben werden. Der auf die Funktion ψ
2 d 2
angewandte Operator H  

 E p wird Hamilton-Operator genannt und
2m dx 2
bezieht sich auf die Energie im System. In der räumlichen Ableitung im ersten Teil
 d
des Operators steckt der Impuls, welchem der Operator 
zugeordnet wird
i dx
(mit i2 = -1). Der Zusammenhang von Impuls p zur kinetischen Energie Ekin ergibt
sich analog zur klassischen Mechanik: Ekin = p2 / 2m. Die gesamte Energie E = Ekin
+ Epot eines Teilchens ist in der klassischen Mechanik gleich der Summe von
kinetischer und potentieller Energie. In der Schrödingergleichung widerspiegelt sich
dies in der Anwendung von Operatoren auf die Funktion ψ. Dies wird in der
Quantenmechanik als Korrespondenzprinzip bezeichnet: Den Grössen in der
klassischen Mechanik entsprechen in der Quantenmechanik Operatoren.
420
Aufenthaltswahrscheinlichkeit
stationäre
Zustände
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 2 d 2

   ( E p  E ) 
2m dx 2
(Eq.20)
SchrödingerGleichung
Die Funktion ψ(x) wird durch die Teilchenmasse und durch die Energiedifferenz (Ep - E) bestimmt. Die Energie des Teilchens und die Wechselwirkungen mit der Umgebung bestimmen somit auch die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens. Dies steht in Analogie zur klassischen
Mechanik, wo die Energie des Teilchens ebenfalls für die möglichen Aufenthaltsorte ausschlaggebend ist.
Um die Lösung der Gleichung (Eq.20) zu finden, ist es hilfreich, diese
etwas anders darzustellen:
d 2 2m  ( E p  E )
  

dx 2
2
(Eq.21)
Um das Vorzeichen von  zu bestimmen, wird nun folgender spezielle Fall
betrachtet: Es sei die Energie des Teilchens E > Ep. In diesem Fall besitzt
die Gleichung Eq.21 die Form    k 2 . Dies entspricht der Form von
Eq.5 im Abschnitt 412. Dementsprechend kann der dort verwendete Ansatz
für die Lösungsfunktion wieder verwendet werden:
 ( x)  ˆ  sin(kx   )
analytische
Lösung
(Eq.22)
Die Funktion stellt für die stationäre Betrachtung nun keine zeitliche, sondern eine räumliche Schwingung mit der Amplitude ˆ dar (mit einer allgemeinen Phasenverschiebung φ). Die räumliche Periode (Wellenlänge)
dieser Oszillation ist durch  = 2 / k und somit durch die Energie des
Teilchens gegeben. Dieser Umstand steht in völliger Analogie zu den
elektromagnetischen Wellen, wo die Wellenlänge  durch die Energie E
eines Photons gegeben ist:   hc / E mit h  2   . Wird das Konzept
auf nicht-stationäre Zustände erweitert, so resultiert aus der zeitabhängigen
Schrödingergleichung (Abschnitt 932) eine Wellenfunktion der Form
 ( x, t )  ˆ  sin(kx  t ) . Das verleitet zur Aussage, ein Elektron sei kein
Teilchen, sondern eine Welle. Diese Interpretation ist aber zu einfach, zumal
das Betragsquadrat von ψ lediglich mit der Aufenthaltswahrscheinlichkeit
des Teilchens verknüpft ist. Elektronen sind also weder Teilchen noch
Wellen im klassischen Sinn. Immerhin kann anhand von Eq.22 die Unschärferelation veranschaulicht werden: In der zugehörigen DGL (Eq.21)
wurde ein scharfer, also genauer Energiewert für das Teilchen eingesetzt.
Damit ist in diesem eindimensionalen Problem auch der Impuls genau
421 Wellenfunktion
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik definiert. Da die sin-Funktion von – ∞ bis + ∞ geht, ist der Ort des Teilchens beliebig unscharf. Ein begrenzten Wellenberg hingegen müsste durch
Superposition vieler einzelner Sinusschwingungen mit unterschiedlichen
Frequenzen erzeugt werden. Das bedeutet, die Energie hat dann keinen
scharfen Wert mehr.
Eine andere Situation stellt der Fall E < Ep dar. Die Gleichung Eq.106
besitzt nun die Form     k 2 . Gesucht ist also eine Funktion, welche bei
zweimaligem Ableiten bis auf einen konstanten Faktor sich selbst ergibt.
Diese Bedingung wird durch  ( x)  ˆ  e kx erfüllt. Dabei darf k selbst positiv
oder negativ sein. Im Fall eines negativen Werts für k resultiert eine
exponentielle Abnahme mit zunehmendem Wert für x. Dieses Resultat kann
durchaus plausibel erklärt werden. Ein Teilchen dürfte sich eigentlich gar
nicht im Bereich aufhalten, wo das Potential grösser ist als die Teilchenenergie. Gemäss den Gesetzen der Quantenmechanik kann das Teilchen
dies, allerdings nimmt die Wellenfunktion und somit auch die Aufenthaltswahrscheinlichkeit exponentiell ab. Je höher der Wert für Ep ist, desto
grösser wird k und desto schneller fällt die Aufenthaltswahrscheinlichkeit
ab.
Aufgaben
A1. Untersuchen Sie die Heisenbergsche Unschärfenrelation anhand der
Wellenfunktion  ( x) 
sin(kx) : Wählen Sie eine Anzahl Summanden

k
mit verschiedenen Werten für k und berechnen Sie die Summe. Verwenden
Sie dazu ein Tabellenkalkulationsprogramm oder CAS. Wie könnte ein
räumlich begrenztes Teilchen aus einer Summe von Wellenfunktionen gebildet werden?
A2. Implementieren Sie in ein Tabellenkalkulationsprogramm ein Lösungsverfahren für die folgende Differentialgleichung:
d 2
 E p ( x)  E  
dx 2
Dabei soll vorerst E p ( x)  E konstant sein. Wählen Sie die Werte so, dass
sich für die Darstellung von  (x) möglichst einfache Wertebereiche ergeben. Bauen Sie nun eine Potentialbarriere in ihr Modell ein: Dies
bedeutet, dass nun die Werte von E p (x) in einem bestimmten Bereich
a  x  b ansteigt. Welche Fälle gibt es?
422
Lösungen
für +k2
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1. Durch Überlagerung (Interferenz!) vieler Partialwellen kann bei guter
Wahl von k lokal ein Wellenberg entstehen.
 (x )
PartialWellen
10
8
6
4
2
-8
-6
-4
0
-2 0
-2
2
4
6
-4
x
8
-6
-8
-10
Fig.3. Aus Partialwellen gebildeter Wellenberg
Für Fig.3 wurde folgende Wahl getroffen: k n  8  (n  1)  0.5 mit
n  {1,2,3,4,5,6,7,8,9} .
L2. Es kann eine Berechnungstabelle programmiert werden, wie sie im
Abschnitt 623 zur Anwendung kommt:
BerechnungsTabelle für
numerische
Lösung
Tab.1. Numerisches Verfahren zur Lösung einer DGL 2. Ordnung: Die
Grössen   und   sind hier nicht die Ableitungen im strengen Sinn, sondern deren Approximationen (  / x bzw.   / x ).
x
 (x)

 
E p (x)
0
 0   (0) *
 0   (0) *
 0  ( E p (0)  E )  0
E p ( 0)
0  x
 1   0   0  x
 1   0   0  x
 1  ( E p (x)  E )  1
E p (x)
0  2  x
 2   1   1  x
 2   1   1  x
 2  ( E p (2  x)  E )  2
E p (2  x)
0  3  x
 3   2   2  x
 3   2   2  x
 3  ( E p (3  x)  E )  3
E p (3  x)
...
...
...
...
...
0  n  x  n   n 1   n 1  x  n   n 1   n1  x  n  ( E p (n  x)  E )  n
*) sind als Randbedingungen festzulegen.
423 E p (n  x)
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik In Fig.4 sind die Resultate der numerischen Berechnung mittels des in Tab.1
gezeigten Verfahrens gezeigt. Entsprechend Teilauftrag B wurde eine Potentialbarriere im Bereich 30  x  40 eingebaut. Auffällig sind die numerischen Fehler, welche sich durch ein Anwachsen der Schwingungsamplituden mit zunehmendem x-Wert zeigen.
2
(x)
1.5
2
1
1.5
x
0.5
0
-0.5
(x)
2.5
0
10
20
30
40
50
1
60
0.5
-1
0
-1.5
-0.5
0
10
20
30
40
50
x
60
Fig.9a
6
(x)
4
20
2
15
x
0
-2
(x)
25
0
10
20
30
40
50
10
60
5
-4
0
-6
-5
x
0
10
20
30
40
50
60
Fig.9b
40
(x)
1200
30
1000
20
800
x
10
0
-10 0
(x)
10
20
30
40
50
600
60
-20
400
x
200
-30
0
-40
-200
0
10
20
30
40
50
Fig.9c
Fig.4. Numerische Berechnung von  ( x) und  2 ( x) : Randwerte  0 = 1 und  0
= 0, E p (0  x  30)  0.2  E p ( x  40) , E p (30  x  40)  0 (a) E = 0.1 ; (b)
E = -0.03 ; (c) E = -0.12; Schrittweite x = 0.01.
424
60
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Bezüglich einer Interpretation im Rahmen der Quantenphysik muss betont
werden, dass die Wellenfunktionen in Fig.9 primär einfach einmal Lösungen einer Differentialgleichung sind. Auf welcher Seite sich ein Teilchen
mit höherer Aufenthaltswahrscheinlichkeit befindet, ist von den Randwertbedingungen und dem gewählten Energiewert E abhängig. Je nach dem,
welcher Wert  (a ) annimmt, ändert sich der Verlauf für  (a  x  b)
markant. Immerhin sind für die zwei Gebiete (ausserhalb und innerhalb der
Barriere für E  E p ) die zwei verschiedenen Lösungstypen zu erkennen.
Auch zu Erkennen ist, dass für E  E p  2 auf keiner Seite vollend
verschwindet (besonders gut in Fig.9b zu erkennen). Dies würde in der
Quantenmechanik dem Tunneleffekt entsprechen: Befindet sich ein
Teilchen auf der einen Seite einer Wand, so ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit auf der anderen Seite nicht einfach null (aber je nach Dicke
der Barriere sehr klein). Der Effekt ist auch von der Masse m des Teilchens
abhängig. In Eq.21 wird die Energiedifferenz E p  E damit multipliziert.
Damit wird der exponentielle Abfall bzw. Anstieg auch stärker und somit
die Differenz der Aufenthaltswahrscheinlichkeiten zwischen den beiden
Seiten grösser. Die Simulation von Tab.1 lässt sich leicht erweitern, so dass
der Einfluss der Teilchenmasse studiert werden kann.
425 Interpretation
Einfluss der
Teilchenmasse
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 934 Teilchen im Potentialtopf
Theorie
Ein interessanter Fall ergibt sich für ein Teilchen im Potentialtopf. Dabei
kann für das Potential folgende Funktion verwendet werden:
 Ea  E für x 2  a 2
E p ( x)  
2
2
 Ei  E für x  a
(Eq.23)
Im Innern des Topfs (  a  x  a ) kommt die Lösungsfunktion Eq.22 zur
Anwendung, während ausserhalb dieses Bereichs  ( x) exponentiell abfällt
(Fig1). Sind die Wände des Potentialtopfs unendlich hoch, so hat  ( x) an
der Stelle a bzw. -a den Wert null:  (a )   (a )  0 (Fig.2). Dies gilt auf
beiden Seiten der Wand, da  ( x) stetig differenzierbar sein muss. Daraus
ergeben sich die Bedingungen für die Energie bzw. für die Werte von k,
welche Teilchen in stationären Zuständen im Potentialtopf besitzen:
kn 
 n
2a
(Eq.24)
mit n  N .
Fig.1. Wellenfunktion in endlich hohem Potentialtopf: Ausserhalb der Potentialwände fällt die Wellenfunktion exponentiell ab.
426
RandBedingungen
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Fig.1. Wellenfunktion in unendlich hohem Potentialtopf.
Aufgaben
A1. Ein Metallkristall besteht aus einer regelmässigen Anordnung von Atomen. Ein eindimensionaler Kristall lässt sich durch Atome beschreiben, welche in x-Richtung Translations-Symmetrie besitzen. Dies äussert sich auch
in einer Elektronendichte, welche als periodische Funktion beschrieben
werden kann.
a) Suchen Sie eine Schrödingergleichung, welche einen stationären
Zustand eines Elektrons in einem eindimensionalen Metallgitter beschreibt. Begründen Sie ihre Annahmen.
b) Lösen Sie die in (a) aufgestellte Gleichung numerisch.
427 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1. (a) Die einfachste Variante ist ein Potential, welches durch eine Sinusoder Cosinusfunktion angenähert wird. Die zeitunabhängige Schrödingergleichung lautet dann:
2 d 2

   uˆ  1  cos(x)   E  
2m dx 2
Das verwendete Potential E P ( x)  uˆ  1  cos(x)  ist so gewählt, dass das
Null-Niveau die Grenze für gebundene Zustände ist.
(b) Die nachfolgenden Diagramme zeigen die Ergebnisse der numerischen
Berechnung für die vereinfachte Gleichung:
d2
   1  cos(x)   E  
dx 2
 (x)
1. 4
1.16
1.14
 2 (x)
1. 2
1.12
1.1
1
1.08
0. 8
1.06
0. 6
1.04
1.02
0. 4
1
0. 2
0.98
0
0.5
1
2
EP (x)
0
0
1
3
x
4
5
6
0
0
1
2
3
x
4
x
2
3
4
5
6
- 0.5
-1
-1.5
-2
- 2.5
Fig.5. Simulation eines Elektrons in einem periodischen Potential: E =
1.035,  = 4.
Das Resultat ist abhängig von den Randwerten. Diese müssten im Rahmen
für eine sinnvolle Simulation gezielt gewählt werden!
428
5
6
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Beliebige Potentialformen können durch eine Fourier-Reihe (Kapitel 400)
angenähert werden. In Fig.6 sind die Resultate für die folgende Gleichung
gezeigt:


d2
    1   a n cos( n x)   E  
2
dx
n



Für das Potential wurde für die Frequenzen und Amplituden folgender
Ansatz gewählt:
 n  n   0 und a n 
1
n2
mit n  1, 2, 4.
1.14
 (x )
1.4
 2 (x)
1.12
1.2
1.1
1.08
1
1.06
0.8
1.04
1.02
0.6
1
0.4
0.98
0
1
2
3
4
5
6
0.2
0
0
0.5
1
2
3
EP (x)
0
0
2
4
6
Fig.10B
-0.5
-1
-1.5
-2
Fig.6. Simulation mit E = -1.031.
429 4
5
6
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 935 Wasserstoff-Atom
Theorie
Um nun auch ein System zu verstehen, wie zum Beispiel das Wasserstoffatom, müsste die Schrödingergleichung in drei Dimensionen aufgestellt und
gelöst werden. Auf eine detaillierte Darstellung wird hier verzichtet, zumal
die Theorie dazu in vielen Lehrbüchern der Quantenphysik zu finden ist.
Zudem soll dieser Auftrag nicht mit Mathematik und Theorie überfrachtet
werden, da der Schwerpunkt auf der numerischen Berechnung einfacher eindimensionaler Probleme liegt. Gerade da liefert aber das Wasserstoffatom
ein schönes Beispiel.
Die zeitunabhängige Schrödingergleichung für das Wasserstoffatom
lässt sich durch Separation lösen. Dies bedeutet, die Wellenfunktion ψ kann
als Produkt dreier Teilfunktionen geschrieben werden. In Kugelkoordinaten
ergeben sich ein radialer Anteil sowie zwei Teile, welche von den Winkeln
 und  des Kugelkoordinatensystems abhängen:
 (r ,  ,  )  R(r )  ( )  ( )

 R  0

Separation
(Eq.25)
Der radiale Teil R(r) lässt sich als Lösung zur folgenden Gleichung bestimmen:
d 2 R 2 dR 2m 
e2




E

r
dr 2 r dr  2 
SchrödingerGleichung für
3-Dim. Raum
radialer Teil
der Wellenfunktion
(Eq.26)
Hier ist m die Masse eines Elektrons und e die Elementarladung. Es wird dafür angenommen, der Kern sei unendlich schwer. Die Teilchenenergie ist
immer noch E, das Potential wird durch den Term e2/r beschrieben
(Coulomb-Potential im cgs-System!).
Ohne hier auf die Lösungsfunktion (Eq.25) näher einzugehen sein noch eine
interessante Eigenschaft der Lösungen der Schrödingergleichung erwähnt:
Die Lösungen Rnl   l m   m besitzen diskrete, scharfe Enerieeigenwerte
(analog dem Teilchen im Potentialtopf, Abschnitt 934). Diese werden als
sogenannte Hauptquantenzahlen n bezeichnet. Die Lösungsfunktionen werden zudem durch zwei weiter Quantenzahlen l und m charakterisiert. Zu
jeder Hauptquantenzahl gibt es n mögliche Werte von l , nämlich l  0, 1,
2, ..., n  1 . Zu jedem gegebenen l gibt es zudem 2l  1 mögliche Werte
für m , nämlich m  0,1,2,...,l . In der Spektroskopie wurden diesen
Zuständen (Eigenfunktionen) eines Elektrons in der Hülle folgende Namen
430
EnergieEigenwerte
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik gegeben: Zustände mit der Hauptquantenzahl n und den Nebenquantenzahlen l  0 und m  0 werden als s-Orbitale (für sharp) bezeichnet,
solche mit l  1 werden als p-Orbilate (für principal) bezeichnet. Die dOrbitale (für diffuse) sind Zustände mit l  2 . Es gibt fünf pro Hauptquantenzahl. Im realen Atom zeigen diese Orbitale leichte Differenzen bei
der Energie (daher der Name).
Der Grundzustand (energetisch tiefster Zustand) im Wasserstoffatom
beginnt mit einem 1s-Orbital. Gemäss den Quanteregeln sind auf diesem
Energieniveau keine weiteren Zustände zu finden. Es folgt als nächst
höherer Zustand das 2s-Orbital. Auf diesem Energieniveau existieren drei
verschiedene 2p-Orbitale. Das nächst höhere Orbital ist ein 3s-Orbital, zu
welchem drei 3p- und fünf 3d-Orbitale kommen.
Das Konzept wurde auf alle Atome übertragen. Die zu einem bestimmten n gehörende Orbitale werden in Schalen zusammengefasst, da bei allen
Atomen die entsprechenden Orbitale zwar nicht den gleichen Energieeigenwert haben, jedoch energetisch nahe zusammen liegen. Die unterste
Schale, bestehend aus dem 1s-Orbital wird K-Schale genannt. Die nächst
höhere Schale ist die L-Schale, bestehend aus einem 2s- und drei 2pOrbitalen. Ihr folgt die M-Schale.
Aufgaben
A1. Suchen Sie numerische Lösungen zu der folgenden Gleichung:
1
d 2 R 2 dR 
 
 E   R  0
2
r dr 
r
dr
Variieren Sie die Randwertbedingungen: Welche Lösungen machen für ein
Wasserstoffatom sinn?
431 Haupt- und
Nebenquantenzahlen
Orbitale
Schalen
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1. Die numerische Integration kann analog zu Abschnitt 933, Tab. 1 (L2)
durchgeführt werden. Eine andere Variante ist die Verwendung eines
Solvers (geht auch mit graphischen Modelleditoren), unter Anwendung der
folgenden Zerlegung in 2 DGL 1. Ordnung:
R '  S und S '  (2 / r )  S  ( E  1 / r )  R
radialer Teil
für Coulombpotential
0.25
R:1(-0.004)
R:2(-0.007)
R:3(-0.01)
R:4(-0.013)
R:5(-0.016)
0.2
0.15
0.1
R
0.05
0
-0.05
-0.1
-0.15
-0.2
0
20
40
60
80
100
120
r
Fig.7. Radialer Anteil R ( r ) der Wellenfunktion eines Teilchens (m = 1 au, e = 1
au, ћ=1) im Coulomb-Potential: Die Singularität bei x = 0 muss numerisch
aufgefangen werden. Rand-bedingungen R0 = 1 und R0 = 0, Schrittweite x =
0.001 au.
Die radiale Funktion in Fig.7 hat ihren grössten Wert bei x = 0. Dies würde
im Wasserstoffatom einem s-Orbital entsprechen. Durch eine andere Wahl
der Randbedingungen können auch Funktionen erzeugt werden, welche bei
x = 0 verschwinden. Somit sind verschiedene Lösungskategorien möglich,
was mit den s-, p-und d-Orbitalen korrespondieren würde. Die Orbitale (gebundene Zustände) im Wasserstoffatom kennzeichnen sich allerdings durch
bestimmte Energieeigenwerte aus. In der Simulation in Fig.11 wurde dieser
variiert (-0.004 < E < -0.016 au). Somit ist auch hier die in Fig.7 dargestellte
Funktion primär eine numerische Lösung einer Differentialgleichung.
Trotzdem zeigt Fig.7 einige Charakteristiken von Wellenfunktionen,
wie sie bei Atomen auftreten. So muss die Funktion für x   verschwinden (Normierbarkeit). Bei den Simulationen mittels Tab.1 kann es geschehen, dass die Funktion plötzlich bei grossen x-Werten ansteigt: Nur für
bestimmte Werte von E wird die Wellenfunktion im unendlichen 0.
432
Orbitale
Normierbarkeit
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 936 Elektronen in Leitern, Halbleitern und Isolatoren
Theorie
Das Verhalten von Elektronen ist wichtig für diverse physikalische
Eigenschaften von Festkörpern (e.g. elektrische Leitfähigkeit, Phäno-mene
von Halbleitern etc.). In Anbetracht der enormen Bedeutung von
Halbleiterelementen wie Dioden und Transistoren in der Elektro-technik,
Elektronik und technischen Optik sollte zumindest ein quali-tatives
Verständnis der zugrunde liegenden physikalischen Gesetz-mässigkeiten
geschaffen werden. Dafür wird im Folgenden ein stark vereinfachtes Modell
eines Festkörpers (Kristall) betrachtet.
In einem ersten Schritt betrachten wir einen 1-dimensionalen Kristall
mit der Länge (Grösse) L. Wir nehmen zudem an, dass sich ein Elektron nur
in diesem Kristall, also im Gebiet innerhalb der Länge L bewegen kann (um
Elektronen aus einem Metall heraus zu bekommen, muss eine Austrittsarbeit
geleistet werden, z.B. durch Anlegen einer hohen elektrischen Spannung).
Im Prinzip wird hier ein grosser Potentialtopf mit der Dimension L = 2a
betrachtet (analog Abschnitt 934). Gemäss Abschnitt 934 erfüllen die
Wellenfunktionen im stationären Fall die Bedingung:
kn 
 n
2a


L
n
Bedeutung von
Halbleitern
Modell eines 1dim. Kristalls
(Eq.1)
Ist die Dimension L im Vergleich zur Wellenzahl k sehr gross, liegen die
Wellenzahlen kn sehr dicht beieinander, vergleichbar zu den Partialschwingungen (Obertönen) von stehenden Wellen auf einer Seite oder in
einer Orgelpfeife (s. Abschnitt 613). Die Energieeigenwerte  n (Energien
zu den Zuständen mit der Wellenzahl kn) ergeben sich aus der Beziehung
zwischen Energie und Impuls En  p 2 / (2m) aus dem Quadrat der
Wellenzahl (931):
 2 2   
kn 
 n2
n 
2
2m
2mL
EnergieEigenwerte
2
(Eq.2)
Die Energieeigenwerte als Funktion der Wellenzahl k liegen also auf einer
Parabel (Fig.1). Nun ist aber ein Kristall nicht einfach ein rechteck-förmiger
Potentialtopf, sondern eigentlich eine periodische Anordnung von Atomen
oder Molekülen. Im Fall eines Metall-Kristalls („Metalle sind alle
Kristalle“ – stimmt im Fall von metallischen Gläsern nicht) sind es
Metallatome, welche sich durch ihre Eigenschaft auszeichnen, leicht
Elektronen abzugeben. Deshalb kann man sich einen Kristall als
433 Kristall-Gitter
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik regelmässiges (d.h. translations- und punkt-symmetrisches) Gitter von
positiv geladenen Atomrümpfen in einem Art Elektronengas vorstellen. Die
exakte (analytische) Be-rechnung der Lösungen für die SchrödingerGleichung für dieses Problem ist unmöglich, weshalb auf
Näherungsverfahren zurückge-griffen werden muss (z.B. Hartree-Fock). Im
Prinzip können wir uns ein einzelnes Elektron vorstellen, welches in einem
periodischen Potential mit im Vergleich zu den Maxima am Rand sehr
hohen Potentialwänden bewegt (Fig.1). Das periodische Potential kann also
als eine Art Störung im Potentialtopf aufgefasst werden, wobei dieses
Störpotential die elektrische Wirkung aller Atomrümpfe und den anderen
Elektronen beschreibt. Es werden somit nicht die stark an in den Atomen
gebundenen Elektronen beschrieben, sondern Elektro-nen, die nur schwach
durch das periodische Potential beeinflusst werden, aber im „grossen“
Potentialtopf gefangen sind.
Befinden sich N Atome innerhalb der Länge L, so ergibt sich eine
Gitterperiode von u = L/(N+1). Für grosse N können wir schreiben u ൎ L/N,
also L = N.u. Näherungsverfahren (Störungsrechnungen, auch welche hier
nicht weiter eingegangen wird) liefern ein interessantes Resultat: Solange
die Wellenzahl kn weit weg befindet von den perio-dischen Vielfachen
n   / u , liegen die Energieeigenwerte  n gemäss Eq.2 auf einer Parabel –
die Elektronen scheinen quasi unbeeinflusst vom periodischen Potential.
Sobald jedoch die die Wellenzahl kn sich den periodischen Vielfachen
n   / u nähert, weicht die Beziehung von Wellenzahl und Energieeigenwert
für die Lösungsfunktionen stark von der quadratischen Abhängigkeit ab
(Fig.1). Auf der Energie-Achse ergeben sich Lücken an den Stellen:
2   n 
n 


2m  u 
Periodisches
Störpotential
2
(Eq.3)
Bei diesen Energieeigenwerten sind also keine stationären Zustände
möglich, es handelt sich um „verbotene“ Zonen oder sogenannte
Bandlücken. Dazwischen befinden sich dicht beieinander liegende
Zustände, sog. Bänder (zwischen den relativ grossen Werten von
 Lücke  1 / u haben sehr viele Werte  n  1 / L Platz, da L >> u ist).
Auch in unserem Kristall-Modell gilt das Pauli-Prinzip, d.h. es darf ein
Zustand jeweils nur von einem Elektron besetzt werden bzw. pro
Energieeigenwert können jeweils zwei Elektronen mit unter-schiedlichem
Spin sich aufhalten. Wie beim Wasserstoffatom (Abschnitt 935) werden so
die Zustände von unten hin zu den höheren Energien aufgefüllt. Im
Festkörper beginnt dies bei den diskreten Zuständen der stark an die Atome
gebundenen Elektronen (welche nicht in unserem vereinfachten Modell
434
Metall-Kristall
Bandlücken
ElektronenBänder
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik beschrieben werden) hin zu den immer zahlreicheren, zunehmend quasikontinuierlichen Zustän-den in den Elektronenbändern.
Sind in einem Kristall alle Bänder bis zu einer bestimmten Band-lücke
gefüllt (Fig.2), befinden sich alle Elektronen in stationären Zuständen. Es
besteht quasi kein Platz für eine Zustandsänderung. Wird nun eine
elektrische Spannung an diesen Festkörper angelegt, verändert sich das
Potential. Ist diese Potentialänderung klein im Verhältnis zur Bandlücke,
können keine Elektronen im Kristall transportiert werden, es handelt sich
um einen elektrischen Isolator.
Anders verhält es sich, wenn ein Band nur teilweise mit Elektro-nen
„gefüllt“ ist (sog. Leitungsband, Fig.2). Die Energiedifferenz zum nächst
höheren, leeren Zustand ist nun so klein, dass ein geringes Potential
ausreicht, um Elektronen im Gitter bewegen zu können (wobei es sich dann
streng genommen nicht mehr um stationäre Zustande handelt und die
zeitabhängige Schrödingergleichung betrachtet werden müsste). Diese
Materialien sind elektrisch leitend.
Fig.1. Mögliche Energieeigenwerte in einem Potenzialtopf ohne (links) und mit
(rechts) periodischem Störpotential.
435 Elektrischer
Isolator
Elektrischer
Leiter
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Grösse und Lage von Bandlücken sind von der elementaren Zusammensetzung bzw. vom Kristallgitter abhängig. Bein einigen Ele-menten wie
Silicium (Bandlücke 1.1 eV) oder Germanium (0.7 eV) sind die Bandlücken
so klein, dass sogar die thermische Anregung von Elektronen ausreichen
kann, um sie über die Bandlücke hinweg vom vollen Valenzband in das bei
einer Temperatur von 0 K leere Leitungsband zu befördern. Solche
Materialen sind folglich bei 0 K Isolatoren. Hingegen steigt (im Gegensatz
zu den Metallen) ihre elektrische Leitfähigkeit mit zunehmender Temperatur
an. Für (homo-gen) dotiertes Silicium ist der reziproke Wert des
elektrischen Wider-standes R nicht-linear proportional zur Temperatur T:
3

1
T 2 e
R
Elektrische
Leitfähigkeit
von
Halbleitern
EGap
kT
Besondere technische Bedeutung kommt den dotierten Halbleitern zu.
Dotierung bedeutet, dass in ein Kristallgitter aus einem bestimmten Element
(e.g. Ge, Si) Fremdatome eingebracht werden. Im Fall von Si können z.B.
Bor-Atome oder Phosphor-Atome eingebracht werden. Si-Atome besitzen 4
Valenzelektronen, folglich gehen die Si-Atome Bindungen mit 4
Bindungspartnern (also anderen Si-Atomen) ein. Werden nun B-Atome
(typischerweise 1 Fremdatom auf 104-106 Si-Atome), so fehlt den BAtomen ein Valenzelektron. Elektrisch ist ein solche Kristall immer noch
neutral, aber aus quantenmechanischen Gründen würden die B-Atome gerne
Elektronen aufnehmen (Elek-tronen-Akzeptoren, p-Dotierung). Werden
hingegen P-Atome einge-bracht, haben diese mit ihren 5 Valenzelektronen
eines zu viel (Elek-tronen-Donator, n-Dotierung). Das Einbringen von
Fremdatomen (Störstellen) erzeugt zusätzliche, örtlich gebundene
Energieniveaus. Die Niveaus liegen im Allgemeinen in der für den
undotierten Kristall ansonsten vorhandenen Bandlücke zwischen Valenzund Leitungs-band. Die im Vergleich zu undotierten Halbleitern geringeren
Energiedifferenzen dieser „Zwischenniveaus“ zum Valenz- bzw.
Leitungsband begünstigen den Übergang von Elektronen in einen
angeregten Zustand – es können so bewegliche Ladungsträger zur
Verfügung gestellt werden.
Durch zusammenbringen von p- und n-dotierten Halbleitern entstehen
sog. Dioden. Diese Bauelemente sind in der Elektrotechnik und Elektronik
u.a. als Gleichrichtelemente oder Leuchtdioden von grosser Wichtigkeit.
436
Halbleiter
Dotierte
Halbleiter
p-Dotierung
n-Dotierung
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Fig.2. Elektronen-Besetzung in Metallen und Isolatoren: Bei T = 0 K wird die
Energie des obersten besetzten Zustandes als Fermi-Energie (EF) bezeichnet.
Aufgaben
A1. Ein Elektron habe eine Energie von 1 eV (1 Elektronenvolt = 1.6  1019
J).
a) Wie viele Maxima der Wellenfunktion haben in einem 1-dim. Kristall
mit einer Grösse von 0.1 mm Platz?
b) Wie gross ist die „Wellenlänge“?
A2. Bei welcher Temperatur würde die thermische Energie eines Elektrons
theoretisch ausreichen, um eine Bandlücke von 1.1 eV zu überwinden?
A3. Um welchen Faktor ändert sich der elektrische Widerstand, wenn ein
homogen dotierter Halbleiter (Si) von 270 K auf 300 K, von 290 K auf 300
K und von 200 K auf 300 K erwärmt wird?
A4. Was geschieht, wenn ein p-dotierter und ein n-dotierter Halbleiterkristall (exakt) zusammen gebracht werden? Erklären Sie anhand eines
physikalischen Modells, wie nach dem zusammenbringen sich die räumliche
elektrische Ladungsverteilung ändert (transientes Verhalten). Gibt es
anschliessend einen stationären Zustand? Wie könnte ein solches Modell in
eine Computersimulation umgesetzt werden?
437 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1. (a) n  2m n 
(b)  
L
n
 1.64  105 Anz. Max. =  0.82  105 ;

2
2L
 2.44  109 m
n
1
2
3
2
L2. Ekin  mv 2  kT  Egap  T 
2 Egap
3k
 850 K ;
Da aber dies für den Erwartungswert der Translationsenergie ge-rechnet ist
(Eq.3, 711), können wegen der Maxwell-Boltzmann-Verteilung bereits bei
deutlich tieferen Temperaturen Elektronen vom Valenz- ins Leitungsband
gelangen.
3

Egap
3
R T e kT1  T  2
L3. 2  1 Egap   1   e
R1

3
 T2 
T2 2 e kT2
2
Egap  1 1 
  
k  T2 T1 

= 0.197 (270K300K)
= 0.219 (290K300K)
= 3.195  1010 (200 K  300 K)
L4. s. Vorlesung
438
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 940 Kerne und Teilchen
941 Kernmodelle
Theorie
Auch für Atomkerne, wie für alle mikroskopischen Systeme, könnte ein
Schalenmodell gesucht werden, wie es in Abschnitt 935 beschrieben wurde.
Tatsächlich emittieren angeregte Kerne bei ganz bestimmten Energien
Strahlung. Für das Schalenmodell wird nicht ein Coulombpotential verwendet, sondern es wird von einem trogförmigen Potential ausgegangen (Fig.1).
Der im Abschnitt 934 beschrieben Potentialtopf wäre eine Approximation
dafür.
r
EP
SchalenModell
EP
r
Fig.1 Schematische Darstellung der Energieniveaus in einem Coulomb-Potential
(links) und einem Kernpotential (rechts).
Während im Coulomb-Potential die Zustände mit zunehmender Energie
weiter auseinander liegen, ist es beim Kernpotential umgekehrt. Für das
Teilchen im rechteckigen Potentialtopf (Abschnitt 934) gilt gemäss Eq.24:
k 2   2 /(2a) 2  n 2 . Die Energie nimmt also quadratisch mit n zu.
Typisch für Kernpotentiale sind auch die Potentialwände. Entfernt sich
ein Proton zu weit vom Kern, wirken enorme abstossende elektrostatische
Kräfte, hingegen verschwinden die entgegen gesetzt wirkenden, also anziehenden Kernkräfte.
Im Unterschied zu den Atomen besteht aber der Atomkern aus einer Anzahl
etwas gleich schwerer Teilchen, nämlich Protonen und Neutronen. Dieser
Umstand hat dazu geführt, dass nebst dem Schalenmodell auch andere,
einfachere Modelle existieren. Während ein Schalenmodell die Energieübergänge zu erklären vermag, genügt zumindest teilweise zur Beantwortung der
439 EnergieNiveaus
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Frage nach der Stabilität von Atomkernen ein sogenanntes Tröpfchenmodell. Dieses kann mit der extrem kurzen Reichweite der Kernkräfte gerechtfertigt werden. Im Kern wechselwirken die Nukleonen (Protonen,
Neutronen) über den Austausch von Teilchen. Das funktioniert, wenn die
Nukleonen sehr nahe beieinander sind. Man könnte sich also die Nukleonen
als eine Art klebrige Tröpfchen vorstellen.
Da sich im Atomkern positiv geladene Protonen und elektrisch neutrale
Neutronen befinden, stossen sich diese enorm ab. Die Abstossungsenergie
ist proportional zur Kernladungszahl Z . Der Radius r eines Kerns ist
durch die Nukleonenzahl A bestimmt: r  3 A (das Volumen ist proportional zu A ). Für die Coulomb-Energie resultiert:
EC  aC  Z  A
2

1
3
ES  aS A
KondensationsEnergie
(Eq.29)
Für die Energiebilanz gilt E B  EV  EC  E S . Ob ein Kern stabil ist,
hängt von den Proportionalitätskonstanten aV , aC und a S ab. Hinzu
kommen noch weitere Energiebeiträge, welche von dem Verhältnis von
Anzahl Neutronen und Protonen bestimmt wird. Das Tröpfchenmodell
erklärt erstaunlich gut die Orte der stabilen Kerne in der Nuklidkarte.
Die verschiedenen Kernkonfigurationen können in der Nuklidkarte (Fig.2)
aufgetragen werden. Dabei wird auf der Ordninate die Anzahl Neutronen
und auf der Abszisse die Anzahl Protonen angegeben.
440
OberflächenEnergie
(Eq.28)
Beide Energien, EC und E S verringern die Bildungsenergie. Zur Bindungsenergie trägt vor allem die Kondensationsenergie bei. Sie ist die frei
werdende Energie, wenn Nukleonen aneinander ″kleben″ bleiben. Diese
Energie ist proportional zum Volumen und somit zur Nukleonenzahl A :
EV  aV A
CoulombEnergie
(Eq.27)
Wenn nun Nukleonen als klebrige Tröpfchen betrachtet werden, so sind die
Nukleonen an der Oberfläche weniger stark gebunden, weil sie weniger
Bindungspartner haben. Die Oberfläche eine kugelförmigen Kerns ist
proportional zu r 2 / 3 und somit zu A 2 / 3 . Für die Energie resultiert:
2
3
TröpfchenModell
NuklidKarte
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik C
Anz- Protonen
12
C
13
C
14
B
11
Be
9
Li
7
Li
6
He 4He
3
p
H 3H
2
n
Anz. Neutronen
Fig.2. Ausschnitt aus der Nuklidkarte: Die blauen Felder stellen die stabilen Kernkonfigurationen dar.
Aufgaben
A1. Da Atomkerne durch einen Potentialtopf beschrieben wird, wie ihn
Fig.12 zeigt, nimmt die Ladungsdichte am Kernrand schnell ab. Auch wenn
ein scharfer Kernrand nicht definierbar ist, so lassen sich Kernen doch
typische Radien zuordnen. Aus Streuexperimenten ist bekannt, dass die
Kernradien näherungsweise berechnet werden können durch:
R  r0  A
1
3
mit der Nukleonenzahl A und r0  (1.3  0.1)  10 15 m .
a) Berechnen Sie die Radien für die Kerne von 16O, 24Mg und 40K.
b) Berechnen Sie die Dichte von Kernmaterie unter der Annahme, dass
innerhalb des Kernradius die Dichte konstant sei. Verwenden Sie,
dass ein zwölftel des Gewichts eines Kern von 12C 1.66·10-27 kg ist.
Lösungen
L1.
(a)
16
O: 3.28 fm, 24Mg: 3.75 fm, 40K: 4.45 fm
(b)   1.8  1017 kg / m 2
441 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 942 Der radioaktive Zerfall
Theorie
Die Stabilität eines Atomkern ist von der Anzahl Protonen und Neutronen
abhängig. Sowohl Kern mit einem massiven Neutronenüberschuss als auch
Kerne mit einem Protonenüberschuss sind nicht stabil. Bei leichten Kernen
liegen die stabilsten Konfigurationen bei ca. gleicher Anzahl Neutronen und
Protonen. Bei schweren Kernen wirkt ein leichter Neutronenüberschuss stabilisierend. Liegt ein Protonenüberschuss vor, so kann durch Umwandlung
eines Protons in ein Neutron unter Umständen eine stabile Kernkonfiguration erreicht werden. Die Verwandlung eines Protons in ein Neutron
geschieht durch die Umwandlung eines u-Quarks in ein d-Quark
( uud  udd ). Dabei wird eine positive Ladung in Form eines Positrons frei (   -Zerfall). Bei der Umwandlung eines Neutron in ein Proton
( uud  udd ) hingegen wird eine negative Ladung in Form eines
Elektrons frei: Es handelt sich um einen   -Zerfall. Bei schweren Kernen
(ab 146Sm) kommt eine weitere Zerfallsart hinzu. Es werden direkt Pakete
von 2 Neutronen und 2 Protonen (-Teilchen) aus dem Kern ausgestossen
(-Zerfall).
Für ein Zerfallsprozesses (also einer Kernumwandlung) lassen sich nur
Aussagen über die Wahrscheinlichkeit des Eintretens machen, nicht jedoch
über den genauen Zeitpunkt. Trotzdem lässt sich der radioaktive Zerfall
auch deterministisch beschreiben. Dabei wird von einer grossen Anzahl
Kerne ausgegangen. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kern während eines bestimmten Zeitintervalls dt zerfällt, unabhängig von den
Nachbarkernen. Die Anzahl Kerne dN , welche pro Zeitintervall dt zerfallen ist somit abhängig von der Anzahl vorhandener Kerne N (t ) :
dN
  N
dt
deterministische
Beschreibung
(Eq.30)
Die Lösung dieser bestens bekannten Differentialgleichung ist gegeben
durch N (t )  N 0  e  t . Für praktische Anwendungen hat sich anstelle der
Kernzahl eine andere Grösse etabliert: Die Aktivität A. Darunter wird die
Anzahl Zerfälle pro Sekunde verstanden, die Einheit ist Becquerel (Bq):
A(t )  N . Aus der Definition ergibt sich für die Aktivität A(t )  N (t ) .
Somit gilt auch: A  A bzw. A(t )  A0  e  t .
442
Zerfallsarten
Definition
der Aktivität
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Für kleine Kernzahlen gibt Eq.30 nur so etwas wie ein mittleres Verhalten
wieder. Eine realistischere Variante müsste den Zerfallsprozess als stochastisches Ereignis modellieren. Solche Verfahren werden als Monte-CarloSimulationen (MC-Methode) bezeichnet. Eine solche Simulation lässt sich
mit einem Tabellenkalkulationsprogramm realisieren. Für den radioaktiven
Zerfall kann folgendes Vorgehen gewählt werden: Jedem Kern wird eine
Zustandsvariabel s zugeordnet. Solange der Kern existiert, gilt s = 1. Der
Kern gilt als Zerfallen, wenn s < 1 ist. Ob ein Kern zerfällt, wird über einen
Zufallsgenerator bestimmt, welcher die Zufallszahl r im Intervall [0,1]
liefert. Das Kriterium, ob ein Kern zerfällt, ist gegeben durch eine
Überlebenswahrscheinlichkeit p: Wenn r > p ist, so zerfällt der Kern, es gilt
s (t  t )  s(t )  1 . Für r < p hingegen gilt: s (t  t )  s (t ) . Das Verfahren muss auf jeden einzelnen Kern angewendet werden.
Aufgaben
A1. Das Nuklid 99mTc besitzt eine Halbwertszeit von 6h.
a) Wie gross ist die Zerfallskonstante ?
b) Wie viele Prozent des 99mTc sind nach 10 h zerfallen?
c) Wie gross war die Anfangsaktivität einer Probe, wenn nach 31 h die
Aktivität noch 100 MBq beträgt?
A2. Simulieren Sie den Zerfall von 131I (Tochternuklid 131Xe, physikalische
Halbwertszeit 8.04 Tage) mittels Monte-Carlo-Methode (MC-Methode).
Verwenden Sie dazu ein Tabellenkalkulationsprogramm.
Berechnen Sie den gleichen Zerfall analytisch. Vergleichen Sie die Resultate: Wie gross sind die Fehler, von welchen Parametern hängen sie ab? Wie
gut ist die MC –Simulation mit Excel?
A3. Strontium 90 (90Sr) zerfällt mit einer Halbwertszeit von 29.12 Jahren in
Yttrium 90 (90Y), welches seinerseits mit einer Halbwertszeit von 64 Stunden zerfällt.
Modellieren Sie die Zerfallsreihe bzw. den Doppelzerfall mit einem graphischen Modelleditor. Zu Beginn sollen 106 90Sr- Kerne und keine 90Y-Kerne
vorliegen: Wie lange dauert es, bis ein Zerfallsgleichgewicht vorliegt, d.h.
die Aktivität des 90Sr gleich derjenigen von 90Y in der Quelle ist?Wie hoch
ist dann die Aktivität?
443 MonteCarloSimulation
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Heizleistung in %Reaktorleistung
A4. In einem Kernreaktor werden durch Neutronen (bei 235U durch thermische Neutronen) Atomkerne gespalten. Dabei wird aus der Spaltung der
Kerne Energie freigesetzt. Bei jeder Spaltung werden auch wieder Neutronen frei, welche grundsätzlich (bei 235U nach Moderation) zur Spaltung wieterer Kerne zur Verfügung stehen (Kettenreaktion). Wird ein Kernreaktor
abgeschaltet (also der Neutronenfluss im Reaktor gestoppt), produziert der
Reaktor weiter Wärme, wobei die Heizleistung unmittelbar nach abschalten
ca. 5-10% der Reaktorleistung beträgt (Fig.A). Diese Wärme fällt durch den
Zerfall instabiler Spaltprodukte (z.B. 133Te zu 133I) an. Die Brennstäbe erzeugen selbst dann noch Wärme, wenn sie z.B. bei Brennstoffwechsel einige Tage nach dem Abschalten aus dem Reaktor entfernt werden. Deshalb
müssen die Brennstäbe weiter (in einem Abklingbecken) gekühlt werden. Ist
die Kühlung ungenügend, können die Brennstäbe schmelzen und Radioaktivität kann in die Umwelt freigesetzt werden, wie z.B. in Fukushima
2011.
0.5
0.45
0.4
0.35
0.3
0.25
0.2
0.15
0.1
0.05
0
0
20
40
60
80
100
Tage nach Abschaltung
Fig.A. Heizleistung nach Reaktorabschaltung
In dieser Aufgabe soll der Prozess der Wärmeentwicklung in einem Abklingbecken modelliert werden. Dabei soll ein Viertel eines Inhaltes eines
Reaktors mit einer Leistung von 4 GW in einem nicht gekühlten Becken
gelagert werden. Dabei kann die Heizleistung durch die Formel von Way &
Wigner (Ansatz: Potenzfunktion) berechnet werden, der Einfachheit halber
soll aber hier eine Exponentialfunktion angesetzt werden: P (t )  P0  e  kt .
a) Wie viel Energie würde im Schnitt pro Kernzerfall in Wärme umgesetzt,
wenn nach Abschalten des Reaktors die Heizleistung 5% der Reaktorleistung (bezogen auf 25% des Inhaltes = 1 GW) betrage und die Summe der
Aktivitäten aller Nuklide 1017 Bq betrüge?
444
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik b) Welche Gesamtaktivität wäre (bei 5% von 1GW) vorhanden, wenn pro
Zerfall im Mittel 100 keV in Wärme umgewandelt würde?
c) Welchen Wert hat die Zeitkonstante k für den Zeitraum ab 7 Tage? (als
Schätzwert Mittelwert aus den letzten drei Datenpunkten /d, 30d und 90 d
nehmen)
d) Welche Gleichungen beschreiben die Änderungen der Wärmemenge im
Abklingbecken unterhalb bzw. bei 100°C?
e) Wie schnell würde sich ein Abklingbecken mit 2000 m3 Wasser zu Beginn pro Tag aufheizen, wenn P0 etwa 0.2% von 25% der Reaktorleistung
(25% des Brennstoffes), also 2 MW betragen würde? Wie lange würde es
mindestens gehen, bis das Becken zu sieden beginnt?
f) Skizzieren Sie die verschiedenen, möglichen Szenarien, wenn nicht oder
wenn forciert gekühlt würde.
Lösungen
L1.
(a)  
(b)
ln 2
 0.1155h 1
T1 / 2
A(t )
 e t  0.315  68.49%
A0
(c) A0 
A(t )
 A(t )  e t  3.589GBq
 t
e
445 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik L2. Im Folgenden wird eine MC-Simulation vorgestellt, welche mit 150
Kernen startet. Es wird der Zerfall dieser Kerne über 15 Zeitschritte berechnet. Die Zeitschrittgrösse t berechnet sich aus der Überlebenswahrscheinlichkeit p und der Zerfallskonstante  . Es gilt gemäss Eq.98:
p  e   t . Somit ist die Schrittgrösse gegeben durch:
t  
ln( p)
Berechnung
der
Schrittweite
(Eq.31)

Die Zerfallskonstante  kann über die Halbwertszeit T1 / 2 bestimmt werden:   ln(2) / T1 / 2 . In Fig.2 ist das Resultat einer MC-Simulation (p =
0.75, T1 / 2 = 8 Tage) zu sehen.
160
N(t)
140
120
100
80
60
40
20
0
0
10
20
30
40
50
60
Zeit t / d
Fig.2. MC-Simulation (p = 0.75,
T1 / 2 = 8 Tage): Im Diagramm eingezeichnet ist
zusätzlich die analytische Lösung. Berechnung mit Excel.
Bezugnehmend auf den zweiten Teil der Aufgabe ist nun die Frage, wie
stark die MC-Simulation von der deterministischen Beschreibung (Eq.30)
abweicht. In Fig.3 ist die relative Abweichung zwischen den durch die MCSimulation gerechneten Werten N MC und den analytisch berechneten
Werten N ana gegeben ( ( N MC  N ana ) / N ana ).
446
Vergleich
zwischen
MCSimulation
und deterministischer
Beschreibung
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 1.2
0.1
1
0
0.8
-0.1
0.6
-0.2
0.4
-0.3
0.2
-0.4
0
0
10
20
30
40
50
60
-0.2
0
10
20
30
40
50
60
0
10
20
30
40
50
60
-0.5
-0.6
0.6
0.2
0.5
0
0.4
-0.2
0.3
-0.4
0.2
-0.6
0.1
-0.8
0
0
10
20
30
40
50
60
-0.1
-1
-0.2
-1.2
Fig.3. Relative Abweichung zwischen analytischer Berechnung und MC-Simulation: Es werden die Resultate von vier Simulationsdurchgängen gezeigt.
Die in Fig.3 dargestellten Resultate von vier Durchgängen zeigen von Fall
zu Fall verschiedene Werte. Es wird also nicht das generelle Verhalten eines
Systems (in diesem Fall die exponentielle Abnahme von N (t ) ), sondern
einer von unendlich vielen möglichen Verläufen wiedergegeben. Allerdings
lässt sich ein Trend in allen vier Beispielen beobachten: Bei grossen Werten
für N sind die Abweichungen klein. Für grosse Anzahl von Kernen liefert
also die MC-Simulation das exponentielle Verhalten des Systems.
L3. Flussdiagramm:
447 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Entwicklung der Aktivitäten: Nach etwa 22 Tagen ist das Zerfallsgleichgewicht erreicht, obwohl die Anzahl 90Sr-Kerne stets viel grössere ist als die
Anzahl 90Y-Kerne. Die Aktivität ist dann je ca. 24 kBq.
2.5e+4
2.5e+4
2.143e+4
2e+4
1.786e+4
1.5e+4
J2
J1
1.429e+4
1.071e+4
1e+4
7143
5000
3571
0
0
0
0.02 0.04 0.06 0.08
0.1
0.12 0.14 0.16 0.18
0.2
TIME
L4.
a) ETherm 
b) A 
Pin
 5  1010 J
A
Pin
5  107 W

 3.12  1021 Bq
14
ETherm 1.6022  10 J
1  ln  P(t1 ) / P(t2 )  ln  P (t2 ) / P(t3 )  
1
7

  0.02d  2.31  10 s
2
t2  t1
t3  t 2

c) k  
d)
dQ
dm
 P0  e  kt    (T  Tu )  LV 
dt
dt
0
für T < 100°C

dm 
  P    (T  Tu )
für T = 100°C
dt  in
LV

e) Initialer Anstieg
P0
 dQ 
 dT 
 dt   P0   dt   m c  20 K/d  5 d
  t 0
  t 0
0 p
448
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 943 Kernspin und Magnetresonanz
Theorie
Eine Reihe von Atomkernen (e.g. 1H, 13C, 31P, 19F, 23Na) besitzen einen
sogenannten Eigendrehimpuls oder Spin. Eine einfache Vorstellung ist, dass
diese Kerne um eine kernfeste Achse rotieren. Da sich im Kern drin geladene Teilchen befinden, resultiert ein beobachtbares magnetisches Moment.
Allerdings entspricht diese durch das mechanische Bild eines Kreisels beeinflusste Vorstellung nicht wirklich der Realität, da die Nukleonen nicht
Kügelchen sind. Korrekter ist die Analogie zu den Hüllenelektronen im
Atom. Wie für die Elektronen müsste die Schrödingergleichung nun für die
Nukleonen im Kernpotential gelöst werden. Im Gegensatz zum elektrischen
Potential in der Atomhülle kommen nun aber noch Kern-Wechselwirkungen
hinzu (siehe Abschnitt 941), wodurch sich die Potentialform beträchtlich
von derjenigen in der Atomhülle unterscheiden. Unabhängig davon lassen
sich aber genau wie bei den Bahndrehimpulsen in der Atomhülle bei Kernen

Drehimpuls-Eigenschaften zuordnen. Das magnetische Dipolmoment


kann über das gyromagnetische Verhältnis  einem Drehimpuls L (Abschnitt 522) zugeordnet werden, wie es vergleichsweise durch einen
elektrischen Kreisstrom erzeugt würde:


 L
Kernspin
Dipolmoment
und gyromagnetisches
Verhältnis
(Eq.1)
Das gyromagnetische Verhältnis  ist eine kernspezifische Grösse. Im Unterschied zu einem klassischen Kreisel können aber nicht beliebige Drehimpulse auftreten, da diese mit den Lösungen der Schrödingergleichung (Eigenzustände) gekoppelt sind. Die möglichen Beiträge des Drehimpulses
sind (in z-Richtung eines durch den Spin festgelegten Koordinatensystems)
gequantelt:
Lz  m
(Eq.2)
Hierbei ist m die magnetische Quantenzahl, welche die Werte I, I-1, …, -I
annehmen kann. I ist die Spinquantenzahl, welche kernspezifisch ist und
halb- oder ganzzahlig sein kann. Die Gesamtzahl der Eigenzustände eines
Kerns beträgt somit 2I+1. Kerne, wie 1H, 13C, 31P weisen eine Spinquantenzahl I = ½ auf (halbzahlige Spins). Ihre Eigenzustände des Drehimpulses
sind durch m = +1/2 und m = -1/2 charakterisiert, die magnetischen
Momente sind gegeben durch:
 z   m   1 2   
(Eq.3)
449 magnetische
Quantenzahl
und SinQuantenzahl
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Das magnetische Dipolmoment kann somit zwei Richtungen bezüglich der
z- Achse annehmen.
Die beiden Energie-Eigenzustände, welche m = +1/2 und m = -1/2
entsprechen, sind im magnetfeldfreien Raum entartet, d.h. beide Zustände
sind auf dem gleichen Energieniveau (Normierung Em  0 ). Dies ändert
sich in einem statischen Magnetfeld. Weist ein solches Feld die Flussdichte
B0 in z- Richtung auf, so resultiert:
Em    z B0   m  B0
(Eq.4)
Im thermischen Gleichgewicht sind die Besetzungszahlen dieser beiden
Energieniveaux nicht gleich, der Energetisch günstigere Zustand ist stärker
besetzt.
Durch Zufuhr von Energie können Übergänge zwischen den beiden
Zuständen erzeugt werden. Dabei klappen die magnetischen Momente um.
Werden elektromagnetische Wechselfelder für die Energiezufuhr verwendet, so ist deren Frequenz 0 über die folgende Beziehung zur Energie
der Photonen bestimmt (siehe Abschnitt 931): E  0 . Entspricht diese
Energie gerade 2  Em (Energiedifferenz bei Umklappen des Spins),
also 0  2 m  B0 , so resultiert (für m   1 ):
0   B0
2
450
Besetzung
der Energieniveaux
LarmorFrequenz
(Eq.5)
Für Protonen (also 1H- Kerne) in den für MR- Tomographen üblichen
Magnetfeldstärken von 0.5T bzw. 1.5T betragen die Frequenzen
 0  0 /(2 ) ca. 21 MHz bzw. 64 MHz, d.h. für die Anregung werden
Radiowellen benötigt. Das gyromagnetische Moment beträgt für Protonen
   /(2 )  42.58 MHz / Tesla.
Die Spinorientierung gegenüber der z- Achse ist gequantelt, da es sich
um Eigenzustände, also Lösungen der zeitunabhängigen Schrödingergleichung (analog Abschnitt 934 / 935) handelt. Werden nun aber die die
Spins ausgelenkt (durch ein zusätzliches Drehmoment), so stellt sich ein
zeitliches Verhalten ein – die Spins bewegen sich analog einem Kreisel.
Dieses Verhalten kann näherungsweise durch die Gesetzte der klassischen
Mechanik beschrieben werden. Analog zur zeitlichen Änderung des
Drehimpulses in Abschnitt 522 gilt für die zeitliche Änderung des
magnetische Moment bei Einwirkung eines Magnetfeldes B :

d
 
    B
dt
EnergieEigenzustände
(Eq.6)
Zeitabhängige
Phänomene
(Dynamik)
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Werden die magnetischen Momente aller Kerne in einem Volumen einer
makroskopischen Probe aufsummiert, so resultiert die Kernmagnetisierung


M  i . Für diese gilt analog zu Eq.6:

BewegungsGleichung
i

 
dM
  M  B
dt
(Eq.7)
In karthesischen Koordinaten resultert:
dM x
    M y Bz  M z By 
dt
dM y
dt
    M z Bx  M x Bz 
dM z
    M x By  M y Bx 
dt
Bei
 Kernresonanzexperimenten setzt
 sich im Allgemeinen das Magnetfeld
B aus einem
statischen Feld B0  (0, 0, Bz  B0 ) und zeitabhängigen


Feldern B (t )  ( Bx (t ), By (t ), 0) in der xy- Ebene senkrecht zu B0 zusammen.
Die Gleichung Eq.7 beschreibt das System nicht vollständig. Durch
Wechselwirkungen der Spins untereinander (Spin-Spin- Wechselwirkung)
und der Spins mit den umgebenden Atomen und Molekülen (Spin- GitterWechselwirkung) werden sogenannte Relaxationseffekte induziert. Dies
führen zu einer Dämpfung des Systems. Felix BLOCH (1946) nahm an,
dass diese Effekte als Prozesse 1. Ordnung beschrieben werden können. Die
Bloch’schen Gleichungen resultieren, wenn lineare Terme mit den charakteristischen Zeitkonstanten T1 und T2 eingeführt werden:
451 RelaxationsPhänomene
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik dM x
1
    M y Bz  M z By    M x
dt
T2
dM y
dt
    M z Bx  M x Bz  
Bloch’sche
Gleichungen
1
My
T2
dM z
1
    M x By  M y Bx     M z  M 0 
dt
T1
Diese Gleichungen beschreiben nun die Bewegung der makroskopischen
Magnetisierung unter der Wirkung eines stationären magnetischen Feldes in
z- Richtung und eines zeitabhängigen Feldes in xy- Richtung. Die
Relaxationsmechanismen bewirken, dass das System nach einer Störung
wieder in einen thermodynamischen Gleichgewichtszustand übergeht,
indem die in x- und y- Komponente der Magnetisierung verschwindet und
die z- Komponente den thermo-dynamischen Gleichgewichtswert erreicht.
Die Zeitkonstanten T1 und T2 werden als longitudinale und transversale
Relaxationszeiten bezeichnet, da sie die Dämpfung entlang der z- Richtung
bzw. senkrecht dazu in der xy- Ebene charakterisieren.
Die zeitlich ändernde Magnetisierung kann (nach Anregung) in einer
sogenannten Empfängerspule ein Signal induzieren. Befindet sich die Probe
(oder der Patient!) in einem Gradientfeld (Gradient entlangt der zRichtung), so ist in der Frequenz des induzierten Signals die z- Position
kodiert. Durch Anwendung gezielter Pulse und Gradienten können die
räumlichen unterschiedlichen Volumen mit je nach Gewebe oder Material
unterschiedlicher Protonendichte als Bild dargestellt werden. Bei geeigneten
Anregungssequenzen können auch T1- oder T2- gewichtete Bilder entstehen,
da sich diese Zeitkonstanten für verschiedene Gewebetypen im Körper
unterscheiden (z.B. für Corpus Callosum T1 = 380 ms; T2 = 80 ms, für
Cerebellum T1 = 585 ms; T2 = 90 ms)
Aufgaben
A1. Die Bewegung der Kernmagnetisierung soll mit dem Computer
simuliert werden. Implementieren Sie die Bloch’schen Gleichungen in ein
Systemdynamik-Programm (z.B. Berkeley-Madonna).
a) Wie wirken sich die Relaxationszeiten T1 und T2 auf die dreidimensionale Bewegung der Magnetisierung aus?
b) Welche frequenzabhängige Wirkung hat ein zeitlich oszillierendes
Magnetfeld in x- bzw. y- Richtung auf das System?
452
MagnetresonanzTomographie
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Lösungen
L1. Da die Frequenz der benötigten Radiowellen im MHz- Bereich liegen,
also eine Periodendauer im s- bzw. ns- Bereich haben, jedoch die Relaxationszeiten im Bereich von 100 – 1000 ms, empfiehlt sich für eine Simulation nur zur Darstellung der Spin- Bewegung eine Re-skalierung der
Frequenz durch Verwendung von    /(2 )  42.58 Hz / Tesla.
Fig.1. Berkeley-Madonna Flowchart / Integratorstruktur für Bewegungsgleichungen
453 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Tab.1. System-Gleichungen
{Reservoirs}
d/dt (Mx) = + J1
INIT Mx = 0
d/dt (My) = + J2
INIT My = 0
d/dt (Mz) = + J3
INIT Mz = 0.001
{Functions}
T2 = 0.08
T1 = 0.38
gamma = 42.58*2*PI
Bx =
0*sin(frequ*time)*psequ1+0.01*sin(frequ*time)*psequ2
By = 0.01*cos(frequ*time)*psequ1
Bz = 1
M0 = 0.001
psequ1 = squarepulse(0.1,0.02)
frequ = 20
psequ2 = squarepulse(0.5,0.02)
{Flows}
J1 = gamma*(My*BzMz*By)-Mx/T2
J2 = gamma*(Mz*BxMx*Bz)-My/T2
J3 = gamma*(Mx*ByMy*Bx)-(Mz-M0)/T1
0.01
3e-5
0.008
2e-5
0.006
1e-5
0.002
0
0
-0.002
-1e-5
-0.004
-0.006
-2e-5
-0.008
-0.01
-3e-5
0
0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
0.8
0.9
1
TIME
Fig.2. Magnetisierung in y- Richtung als Funktion der Zeit: Die Anregung erfolgt
mit zwei RF- Pulsen, der erste in y- Richtung, der zweite in x- Richtung polarisiert.
Parameter gem. Tab.1.
454
My
Bx, By
0.004
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 3e-5
2e-5
0
My
1e-5
-1e-5
-2e-5
-3e-5
-2.5e-5 -2e-5 -1.5e-5 -1e-5 -5e-6
0
5e-6
1e-5 1.5e-5 2e-5 2.5e-5
Mx
Fig.3. Die Bewegung der Magnetisierung in der xy- Ebene: Parameter gem. Tab.1.
455 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 000 Anhänge
010 Mathematische Grundlagen
011. Anhang 1: Die Ableitung von Potenzfunktionen
In diesem Abschnitt sollen die Ableitungen von Funktionen der Form
f (t )  t n untersucht werden (mit n  N ). Für n = 0 (horizontale Gerade)
kann die Ableitung einfach bestimmt werden:
 (t  Δt )0  (t )0 
df
d 0
 f (t  Δt )  f (t ) 


t  lim



  Δlim
t 0
dt dt   Δt 0 
Δt
Δt


1  1 
 lim 
 lim  0  0
Δt 0
 Δt  Δt 0
Dies ist in Übereinstimmung mit der Steigung, welche für eine horizontale
Gerade an jeder Stelle null ist. Auch für n = 1 muss nicht wirklich die
Grenzwertbildung gemacht werden:
 (t  Δt )1  (t )1 
df
d
 f (t  Δt )  f (t ) 
lim
 t1   lim 


 Δt 0 
Δt  0
dt dt
Δt
Δt



 t  Δt  t 
 Δt 
 lim 
 lim    lim 1  1

Δt 0
Δ
0
t

 Δt 
 Δt  Δt 0
Die Steigung der Geraden f (t )  t ist eins. Für n = 2 ergibt sich folgende
Rechnung:
 (t  Δt ) 2  (t ) 2 
df
d 2
 f (t  Δt )  f (t ) 


t  lim



  Δlim
t 0
dt dt   Δt 0 
Δt
Δt


 t 2  2t  Δt  Δt 2  t 2 
 2t  Δt  Δt 2 
lim
 lim 

 Δt 0 

Δt 0
Δt
Δt




 lim  2t  Δt   2t
Δt 0
Die Steigung einer Parabel an der Stelle t ist also 2t. Damit kann auch für
eine stetig ändernde Steigung diese am Punkt t berechnet werden.
456
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Auch für n = 3 lässt sich die Ableitung gut berechnen:
 (t  Δt )3  (t )3 
df
d
 f (t  Δt )  f (t ) 
lim
 t 3   lim 


 Δt 0 
Δt  0
dt dt
Δt
Δt



 t 3  3t 2  Δt  3t  Δt 2  Δt 3  t 3 
 3t 2  Δt  3t  Δt 2  Δt 3 
lim
 lim 

 Δt 0 

Δt 0
Δt
Δt




2
2
2
 lim 3t  3t  Δt  Δt   3t
Δt 0
Für eine beliebige Potenz n  N ergibt sich:
 (t  Δt ) n  (t ) n 
df
d
 f (t  Δt )  f (t ) 
lim
 t n   lim 


 Δt 0 
Δt 0
dt dt
Δt
Δt



 t n  nt n 1  Δt  ...  ...  nt  Δt n 1  Δt n  t n 
 lim 

Δt 0
Δt


n 1
n 1
n
 nt  Δt  ...  ...  nt  Δt  Δt 
 lim 

Δt 0
Δt


 lim  nt n 1  ...  Δt  ...  ...  Δt n 3  nt  Δt n  2  Δt n 1   nt n 1
Δt 0
Somit erhalten wir eine allgemeine Regel für die Ableitung (welche im
Übrigen auch für n  R gilt!):
d n
t   n  t n 1
dt
Die Regel lässt sich problemlos auf Funktionen der Form f (t )  at n
erweitern:
d
d
 at n   a  t n   an  t n 1
dt
dt
Für Summen gilt zudem:
d
df dg
 f (t )  g (t )  
dt
dt dt
457 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 012. Anhang 2: Die Ableitung von Exponentialfunktionen
Von der Funktion f ( x)  a x sei die Ableitung gesucht:
 a x  x  a x 
d x
a  lim 

x 0
dx
x


 
(Eq.A1)
Durch Umformen ergibt sich:
 x  a x  a 0
 a x  x  a x 

lim 
lim
 x 0 a  
x  0
x


 x

 a x  a 0
 a x  lim 
x 0
 x






In der Klammer steht gerade die Ableitung von a x an der Stelle x  0 .
Somit können wird schreiben:
 
 
d x
d x
a
a  ax
dx
dx
0
(Eq.A2)
Wir suchen nun diejenige Basis a , für welche die Ableitung bei
x  0 gerade 1 ergibt, also:
 a x  a 0 
lim 
 1
x  0
 x 
Die Gleichung Eq.A3 lässt sich erfüllen für
a x  x  1 . Auflösen nach a ergibt:
1
a  x  1 x
458
(Eq.A3)
a x  1  x
bzw.
(Eq.A4)
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Durch Substitution mit
1
 n resultiert:
x
 1
a  1  
 n
n
(Eq.A5)
n   ergibt sich für Eq.A5 gerade die Eulersche Zahl
e  2.7182818...
Für
Somit gilt für die Ableitung von f ( x)  e x :
d x
e  ex
dx
 
(Eq.A6)
 
(Eq.A7)
Für f ( x)  e cx gilt:
d cx
e  c  e cx
dx
459 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 013. Anhang 3: Die Produkt-Regel
Soll das Produkt von zwei (zeitabhängigen) Funktionen (nach der Zeit t)
abgeleitet werden, zum Beispiel für die zeitliche Ableitung des Impulses die
veränderliche Masse m(t ) und die Geschwindigkeit v(t ) , so ergibt sich:
d
 m(t  t )  v(t  t )  m(t )  v(t ) 
m(t )  v(t )  lim
 
t 0 
dt
t

 m(t  t )  v(t  t )  m(t )  v(t ) m(t )  v(t  t ) m(t )  v(t  t ) 
 lim 



t  0
t
t
t

 m(t  t )  v(t  t )  m(t )  v(t  t )  m(t )  v(t  t )  m(t )  v(t ) 
 lim 

t 0
t


 v(t  t )  v(t ) 
 m(t  t )  m(t ) 
 m(t )  
 lim v(t  t )  


t  0
t
t





 m(t  t )  m(t ) 
 v(t  t )  v(t ) 
 m(t )  lim 
 lim v(t  t )  lim 


t 0
t 0
t  0
t
t



 v(t )  m (t )  m(t )  v(t )
460
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 014. Anhang 4: Beweis zur Formel von Euler
Funktionen können in Form einer sogenannten Taylorreihe entwickelt
werden. Für eine Funktion f (x) lässt sich schreiben:
f ( x)  f ( x0 ) 
f ( x0 )
f ( x0 )
 ( x  x0 ) 
 ( x  x0 ) 2 
1!
2!
(Eq.A8)

f ( x0 )
1 d f
 ( x  x0 ) 3  ...   n  ( x  x 0 ) n  Rn
3!
n! dx
n
Rn heisst das Restglied von Lagrange. Die Taylorreihe ergibt sich für
lim Rn  0 . Für die Entwicklung der Sinusfunktion um die Stelle x0  0
n 
resultiert:
( x  x0 ) 2
d
d2
sin x  sin( x0 )  sin( x)x 0  ( x  x0 )  2 sin( x)x 0 
 ...
2
dx
dx
x2
x3
 sin(0)  cos(0)  x  sin(0) 
 cos(0)   ...
2!
3!
x3 x5 x7
 x. 


 ...
3! 5! 7!
Für die Cosinus-Funktion ergibt sich bei Entwicklung um x0  0 :
cos x  cos( x 0 ) 
2
2
d
cos( x)x 0  ( x  x0 )  d 2 cos( x)x 0  ( x  x0 )  ...
dx
2
dx
 cos(0)  sin(0)  x  cos(0) 
x2
x3
 sin(0) 
 ...
2!
3!
x2 x4 x6
 1


 ...
2! 4! 6!
461 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik Als nächstes soll f ( x)  e ix in einer Taylorreihe entwickelt werden (mit
i 2  1 ):
e ix  e ix0 
 
d ix
e
dx
x 0  ( x  x0 ) 
 e i0  ie i0  x  i 2 e i0 
 1  ix 
 
d 2 ix
e
dx 2
x 0 
2
( x  x0 )
 ...
2
x2
x3
x4
x5
 i 3 e i0   i 4 e i0 
 i 5 e i0 
 ...
2!
3!
4!
5!
x2
x3 x4
x5 x6
x7
i 
i

i
 ...
2!
3! 4!
5! 6!
7!
mit i 3  i , i 4  (1) 2  1 , i 5  i  i 4  i etc. Durch sortieren nach
Termen mit geraden und ungeraden Potenzen resultiert:
e ix  1 


x2 x4 x6
x3 x5 x7


 ...  i   x 


 ...
2! 4! 6!
3! 5! 7!


 cos x  i sin x
(Eq.A9)
Durch einsetzen von x   ergibt sich daraus auch die fundamentale
Beziehung:
e i  1
(Eq.A10)
Die Beziehung Eq.A9 ist in der Physik wichtig, da Schwingungs- und
Wellenfunktionen geschrieben werden können als:
u ( x, t )  uˆ  e i ( kx t )
(Eq.A11)
Der Vorteil dieser Schreibweise liegt bei den einfachen Rechenregeln für
Exponentialfunktionen.
462
Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 020 Strukturen und Definitionen in der Physik
021. Anhang 11: Die Festlegung der SI- Einheiten
Die SI- Einheiten (Système Internation des Unitées bzw. International System of Units) können aufgrund von sieben festgelegten Konstanten definiert
werden:
1. Die Hyperfeinaufspaltung des Grundzustandes in einem
entspricht exakt einer Frequenz von 9192631770 Hz.
133
Cs – Atom
2. Die Lichtgeschwindigkeit in Vakuum ist exakt 299792458 m/s (
Abschnitt 852)
3. Die Planksche Konstante h ist exakt 6.62606X.10-34 Js ( Abschnitt 931)
4. Die Elementarladung e ist exakt 1.60217X.10-19 C ( Abschnitt 932)
5. Die Boltzmann-Konstante ist exakt 1.38065X.10-23 J/K ( Abschnitt
711)
6. Die Avogadro-Konstante NA ist exakt 6.02214X.1023 mol-1 ( Abschnitt
711)
7. Die Lichtausbeute einer monochromatischen Strahlungsquelle bei
540.1012 Hz ist exakt 683 lm/W
Daraus lassen sich folgende Definitionen für sieben Basiseinheiten ableiten:
1. Die Sekunde s ist die Einheit der Zeit: [t] = s. Die Sekunde lässt sich
durch die Frequenz der Hyperfeinaufspaltung des Grundzustandes in einem
133
Cs – Atom bei einer Temperatur von 0 K definieren:   9192631770 s-1.
2. Der Meter m ist die Einheit der Länge: [s] = m. Es ist durch die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum definiert, wenn diese in m/s ausgedrückt wird
(also c = 299792458 m/s).
3. Das Kilogramm kg ist die Einheit der Masse: [m] = kg. Es lässt sich über
die Plank-Konstante definieren: h = 6.62606X.10-34 kg.m2/s
463 Scheidegger, S., Füchslin, R.M.: Theorie, Modelle und Experimente zur Physik 4. Das Ampère A ist die Einheit der elektrischen Stromstärke: [I] = A. Es
lässt sich definieren durch die Elementarladung e = 1.60217X.10-19 C =
1.60217X.10-19 As.
5. Das Kelvin K ist die Einheit der thermodynamischen Temperatur: [T] =
K. E s lässt sich über die Boltzmann-Konstante definieren:
k = 1.38065X.10-23 kg.m2/(K.s2)
6. Das Mol mol ist die Einheit für die Menge einer Substanz eines definierten Stoffes: [N] = mol. Es ist über die Avogadro-Konstante definiert: NA
= 6.02214X.1023 mol-1
7. Das Candela cd ist die Einheit der Lichtstärke: [I] = cd. Sie lässt sich über
die Lichtausbeute einer monochromatischen Strahlungsquelle bei 540.1012
Hz definieren, diese ist exakt 683 lm/W = 683 cd.sr.s3/(m2.kg). Dabei ist zu
beachten, dass die Einheit lumen (lm) die Einheit für den Lichtstrom darstellt. Der Lichtstrom ist definiert als die von einer Strahlungsquelle abgegebene Strahlungsleistung, gewichtet mit der spektralen Empfindlichkeit des
menschlichen Auges. Die Lichtstärke bezeichnet den in Richtung des
Raumwinkels  abgestrahlte Lichtstrom. Die Leuchtdichte bezeichnet den
Lichtstrom pro Fläche, als cd/m2 und ist ein Mass für die wahrgenommene
Helligkeit.
464
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