20 2 Vitamine, Coenzyme, Spurenelemente Fazit – Das müssen Sie wissen Geschafft –– ! GLUT2 hat einen hohen K -Wert für Glucose. M –– ! Die reversible Änderung des Funktionszustandes eines Zugegeben, Energetik und Enzymkinetik sind etwas zähe Themen, wenn man sich aber – so wie Sie – bis hierher durchgeboxt hat, wird man die folgenden Inhalte zu den Funktionen von Vitaminen und Coenzymen viel besser verstehen. Enzyms durch kovalente Modifizierung wird Interkonversion genannt. –– ! Die Interkonversion findet meistens durch Phosphorylierung und Dephosphorylierung statt. –– ! Die hormonsensitive intrazelluläre Triacylglycerinlipase wird durch Phosphorylierung aktiviert. Thieme Verlagsgruppe/Chris Meier Lernpaket 5 2 Vitamine, Coenzyme, Spurenelemente 2.1 Grundlagen Vitamine sind essenzielle Nahrungsbestandteile, die für die Aufrechterhaltung von Stoffwechselprozessen benötigt werden. Meist sind sie Vorstufen von Coenzymen und dienen manchmal auch als Vorstufen von Signalstoffen. Es gibt 13 Vitamine, die aufgrund ihrer unterschiedlichen chemischen Eigenschaften in 2 Gruppen eingeteilt werden (Tab. 2.1): ▪▪4 lipophile (fettlösliche) Vitamine: Vitamine E, D, K und A ▪▪9 hydrophile (wasserlösliche) Vitamine: Vitamine der ­B-Gruppe und Vitamin C Lerntipp Die lipophilen Vitamine können Sie sich leicht merken: EDeKA Neben dieser Unterteilung wird gelegentlich auch der Vitamin-B2-Komplex abgegrenzt, zu dem Riboflavin (das Vitamin B2 im engeren Sinne), Niacin, Pantothensäure und Folsäure gehören. Apropos Die Bezeichnung Vitamin-B2-Komplex hat historische Gründe. Mangelerscheinungen, wie Schleimhautläsionen, wurden zunächst auf das Fehlen von Vitamin B2 zurückgeführt. Sie erwiesen sich später jedoch als komplex, da sie durch das Fehlen verschiedener Vitamine bedingt sein können, die man zum Vitamin-B2-Komplex zusammenfasst. Die tägliche erforderliche Mindestdosis an Vitaminen ist gering. Meist reicht eine Aufnahme im niedrigen Milligramm-Bereich aus (1–2 mg pro Tag). Spurenelemente sind anorganische Elemente, die für den Körper ebenfalls essenziell sind und daher mit der Nahrung aufgenommen werden müssen. Der Organismus benötigt nur „Spuren“ dieser Elemente – weniger als 20 mg pro Tag. Lerntipp In der Prüfung kommen beide Varianten der Vitaminnamen vor – Kurzbezeichnung und Trivialname. Sie sollten beide sicher beherrschen. Apropos Die Zöliakie ist eine gluteninduzierte Erkrankung der Dünndarmschleimhaut. Die Krankheit wird durch eine genetische Disposition ausgelöst. Dabei kommt es durch eine Immunreaktion gegen das Protein Gluten, das in vielen Getreidearten vorkommt, zu schweren Veränderungen der Dünndarmschleimhaut. Diese verliert ihre digestive und absorptive Funktion für die meisten Nährstoffe und auch für die fettlöslichen Vitamine. Als Therapie gibt man eine glutenfreie Kost auf Kartoffel-, Reis- oder Maisbasis. 2.2 Fettlösliche Vitamine 2.2.1 Vitamin A – Retinol ▶▶Vorkommen. Vitamin A wird hauptsächlich in Form des Pro- vitamins β-Carotin aufgenommen. β-Carotin kommt in hoher Konzentration in gelbem Obst und Gemüse vor (z. B. in Karotten). Als Retinylester ist Vitamin A auch in tierischen Geweben zu finden, besonders in der Leber, wo es gespeichert wird (s. u.). H3C CH3 CH3 CH3 CH3 CH2OH Retinol – der Vitamin-A-Alkohol Abb. 2.1 Vitamin A, Retinol. aus: Endspurt Vorklinik – Biochemie 2 (ISBN 9783131534224) © 2013 Georg Thieme Verlag KG 2.2 Fettlösliche Vitamine 21 Tab. 2.1 Übersicht über die Vitamine. Vitamin empfohlene Tagesdosis* aktive Form Funktion(en) Vorkommen A – Retinol Retinol, Retinal, Retinsäure Sehvorgang (Retinal); ­Entwicklung (Retinsäure); Epithelschutz (Retinol) Fisch, Provitamin in vielen Pflanzen (β-Carotin) D – Cholecalciferol 1,25-Dihydroxycholecalciferol (Calcitriol) Hormon des Ca2+-Stoffwechsels 5 µg Lebertran, Eier, Leber, Milch, Synthese aus Cholesterin (s. u.) E – Tocopherol Tocopherol-Hydrochinon Oxidationsschutz ungesättig- Getreidekeime, Pflanzenter Fettsäuren öle, 12 mg K – Phyllochinon Difarnesylnaphtochinon Coenzym von Carboxylie­ rungen Synthese durch Darmbakterien, Gemüse, tierische Gewebe 65–80 µg fettlöslich (lipophil) wasserlöslich (hydrophil) B1 – Thiamin Thiaminpyrophosphat oxidative (dehydrierende) Decarboxylierungen Nüsse, Keime, Schweinefleisch 1,1–1,6 mg B2 – Riboflavin FAD, FMN Wasserstoffübertragung Aal, Hefe, Käse, Hühnerbrust, Milch 1,5–1,8 mg B3 – Niacin NAD+, NADP+ Wasserstoffübertragung Nüsse, Fleisch, Fisch, Syn- 15–20 mg these aus Tryptophan (s. u.) Pantothensäure CoA, Phosphopantethein Acylübertragungen Eier, Fleisch, Erdnüsse Folsäure Tetrahydrofolsäure C1-Übertragungen 300 µg frisches, grünes Gemüse, z. T. Synthese durch Darmflora H – Biotin Biocytin Carboxylierungen Synthese durch Darm­ bakterien B6 – Pyridoxin Pyridoxalphosphat Transaminierungen, Decarbo- Leber, Fisch, Erbsen, xylierungen ­Walnüsse, Bierhefe 1,6–2,1 mg B12 – Cobalamin 5′-Desoxyadenosylcobalamin, Methylcobalamin C-C-Umlagerungen, C1-Übertragungen Fisch, Fleisch, Synthese durch Darmbakterien 3 µg C – Ascorbinsäure Ascorbinsäure Redoxsystem, Hydroxylie­ rungen Obst und Gemüse 75 mg 6 mg 30–100 µg * Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) H3 C C H3 C H3 β-Carotin C H3 C H3 O2 H3C C H3 CH 3 C H3 CH 3 CH 3 C H3 CH 3 COH all-trans-Retinal Oxidation (irreversibel) CH3 H3 C Dioxygenase CH 3 H3C Abb. 2.2 Umwandlung von β-Carotin in Retinal, Retinsäure oder Retinol. H3 C C H3 Reduktion (reversibel) CH 3 COO all-trans-Retinsäure H3C CH 3 CH 3 CH 3 ▶▶Struktur. Retinol (Abb. 2.1) besteht aus vier Isopreneinhei- ten und kann als solches oder auch in Form des Provitamins β-Carotin aufgenommen werden. β-Carotin enthält 8 Iso­ preneinheiten und kann durch das Enzym Dioxygenase in zwei Moleküle Retinal (Vitamin-A-Aldehyd) gespalten werden. Das Retinal kann in Retinol oder Retinsäure (Vitamin-A-Säure) umgewandelt werden (Abb. 2.2). CH 3 CH 2OH all-trans-Retinol ▶▶Aufnahme und Speicherung. Retinol bzw. β-Carotin werden als fettlösliche Vitamine in Anwesenheit von Gallensäuren in die Enterozyten des Dünndarms aufgenommen und dort in zwei Moleküle Retinal gespalten. Das Retinal wird in Chylomikronen verpackt und zur Leber transportiert. Dort wird es zu Retinol reduziert. Das Retinol wird mit der Fettsäure Palmitat zu Retinylpalmitat verestert und in dieser Form in den Ito-Zellen aus: Endspurt Vorklinik – Biochemie 2 (ISBN 9783131534224) © 2013 Georg Thieme Verlag KG L er n pa k e t 5 0,8–1,1 mg 22 2 Vitamine, Coenzyme, Spurenelemente R C O H + Aldehydgruppe des Retinals H H H N (CH2)4 Opsin R C N (CH2)4 Opsin + H2O H Lysylrest des Opsins protonierte Schiff-Base im Rhodopsin Abb. 2.3 Entstehung des Rhodopsins. der Leber gespeichert. Vitamin A kann bei Bedarf durch eine Esterase freigesetzt und mithilfe von Retinolbindungsproteinen zu den Geweben transportiert werden. ▶▶Funktion. Die drei verschiedenen Formen des Vitamins A (Re- tinal, Retinsäure und Retinol) haben verschiedene Funktionen. ▶▶Retinal: Sehvorgang. Retinal ist gemeinsam mit Opsin, ei- nem Membranrezeptorprotein mit sieben membrandurchspannenden Domänen, Bestandteil des Rhodopsins, das sich in den Außensegmenten der Sinneszellen des Auges (Stäbchen und Zapfen) befindet und als molekularer Fotorezeptor dient. Die Aldehydgruppe des 11-cis-Retinals ist kovalent an die ε-Aminogruppe eines Lysylrests des Opsins gebunden, sodass eine Schiff-Base entsteht (Abb. 2.3). Bei Dunkelheit liegt das Retinal im Rhodopsin als 11-cis-Retinal vor. Der hohe cGMP-Gehalt der Stäbchen und Zapfen in der Retina führt zu einer Öffnung von Ionenkanälen. Die Zellen werden depolarisiert und Glutamat wird in den synaptischen Spalt freigesetzt (Abb. 2.4a). Die bipolaren Zellen leiten daraufhin ein Signal als Dunkelsignal an die nachgeschalteten Ganglienzellen weiter. Bei Belichtung trifft ein Photon auf eine Sinneszelle in der Retina, und eine G-Protein-vermittelte Kaskade wird in Gang gesetzt (Abb. 2.4b): Das 11-cis-Retinal fotoisomerisiert zu all-trans-Retinal, über einige Zwischenstufen entsteht aktives Rhodopsin (R*, Metarhodopsin II). Das aktivierte Rhodopsin stimuliert an der α-Untereinheit des heterotrimeren ­G-Proteins, Transducin, den Austausch von GDP gegen GTP. Die α-Untereinheit des Transducins spaltet sich von der der β- und γ-Untereinheit ab und aktiviert eine cGMP-Phosphodiesterase (PDE). Die PDE ist in der Lage, cGMP in 5′-GMP zu spalten. Der cGMP-Gehalt der Sinneszellen nimmt ab, und Ionenkanäle, die zuvor durch direkte Einwirkung von cGMP offengehalten wurden, schließen sich. Dadurch sinkt die intrazelluläre Ca2+Konzentration. Folge ist eine Hyperpolarisation und ein starker Abfall der Glutamatfreisetzung, der von den Bipolarzellen wahrgenommen und weitergeleitet wird. Letztlich entsteht das Lichtsignal (Abb. 2.5). Das 11-cis-Retinal kann auf zwei Wegen regeneriert werden. Das Metarhodopsin ist instabil, und die Bindung zwischen Opsin und all-trans-Retinal wird hydrolysiert. Zur Herstellung des Grundzustands wird das all-trans-Retinal in einer enzymatischen Dunkelreaktion zu 11-cis-Retinal isomerisiert, das sich wieder mit Opsin zu Rhodopsin verbinden kann. Auch die drei Untereinheiten des Transducins lagern sich nach Hydrolyse des GTP zu GDP wieder zusammen. Bei sehr starkem Lichteinfall wird das all-trans-Retinal allerdings zu all-trans-Retinol reduziert. Dieser Alkohol kann NAD+abhängig in Retinal zurückverwandelt werden. Lerntipp Es werden viele Fragen zum Sehvorgang gestellt. Schauen Sie sich die Vorgänge daher genau an. ▶▶Retinsäure: Beeinflussung der Genexpression. Die vom Reti- nal abgeleitete Retinsäure (Retinoat) ist ein hormonähnlicher Signalstoff. Retinsäure ist Ligand eines Transkriptionsfaktors aus der Familie der nucleären (intrazellulären) Rezeptoren und beeinflusst die Expression von Genen, die insbesondere für Wachstums-, Differenzierungs- und Entwicklungsvorgänge Abb. 2.4 Situation in einer Sinneszelle der Retina. a Bei Dunkelheit. b Bei Belichtung. aus: Endspurt Vorklinik – Biochemie 2 (ISBN 9783131534224) © 2013 Georg Thieme Verlag KG 2.2 Fettlösliche Vitamine 23 Darmresektion, Gallensteinleiden oder ethyltoxisch bedingter Leberzirrhose. cis cis ▶▶Hypervitaminose. Eine sehr hohe Vitamin-A-Zufuhr kann zu trans einer akuten Intoxikation führen. Besondere Merkmale sind dabei Kopfschmerzen, Erbrechen und Schwindel. Bei chronischer Hypervitaminose A treten Symptome wie Hautaustrocknung, Haarausfall, Hepatomegalie und Hyperostosen (Überschussbildung von Knochengewebe) auf. Fazit – Das müssen Sie wissen –– ! Retinol (Vitamin A) wird als Fettsäureester in den Ito-Zellen der Leber gespeichert. –– ! Rhodopsin ist der molekulare Fotorezeptor in den Sinnes- zellen der Retina. –– !! Nach Belichtung der Fotorezeptoren resorbiert 11-cis- Retinal in der Retina das Licht, und es erfolgt die Isomerisierung von 11-cis-Retinal zu all-trans-Retinal. –– !! Das durch Belichtung aktivierte Rhodopsin stimuliert am heterotrimeren G-Protein Transducin den Austausch von GDP gegen GTP. –– !! Retinsäure ist ein hormonähnlicher Signalstoff und Ligand eines Transkriptionsfaktors aus der Familie der nucleären Rezeptoren. –– ! Retinsäure wirkt als Differenzierungsfaktor. –– ! Symptom eines Vitamin-A-Mangels ist Nachtblindheit. –– ! Bei Vitamin A besteht die Gefahr einer Überdosierung. Abb. 2.5 Kaskade des Sehvorgangs. 2.2.2 Vitamin D – Calciferole verantwortlich sind. Man bezeichnet Retinsäure daher auch als Differenzierungsfaktor. Vitamin D wirkt im menschlichen Körper als Hormon. Seine Eigenschaften und Wirkungen sind ausführlich im Kap. Hormone (S. 58) beschrieben. ▶▶Retinol: Schutz der Epithelien und Skelettentwicklung. Vi- tamin A schützt und erhält die Epithelzellen von Haut und Schleimhäuten, indem es die Membranintegrität bewahrt. In der Embryogenese beeinflusst Retinol die Entwicklung des Skeletts, des Neuralrohrs und anderer Organe. Vitamin A ist außerdem wichtig für die Erhaltung der mitochondrialen Membran. ▶▶Hypovitaminose. Eine primäre Hypovitaminose A kommt in einigen Ländern des Fernen Ostens vor, wo bis zu 70 % der Bevölkerung unter verschiedenen Auswirkungen einer Vitamin-A-Mangelernährung leiden. Erstes Symptom ist meist die Nachtblindheit (Hemeralopie), die durch eine mangelhafte Regeneration von Rhodopsin bedingt ist. Längerfristiger VitaminA-Mangel kann zur Verhornung der Kornea führen (Xerophthalmie), der häufigste Grund für die Erblindung vor allem von Kleinkindern in unterentwickelten Ländern. Begleitet wird die Xerophthalmie meist von sog. Bitot-Flecken. Dabei handelt es sich um mattweiße Flecken im Lidspaltenbereich der Konjunktiva. Weitere Symptome eines Vitamin-A-Mangels sind: ▪▪Schleimhautverhornung ▪▪Atrophie von Speicheldrüsen und Darmepithel ▪▪hypochrome Anämie ▪▪Störungen der Spermatogenese In den westlichen Ländern liegt meist eine sekundäre Hypovitaminose A vor, bedingt durch Resorptionsstörungen nach ▶▶Vorkommen. Die beiden wichtigsten Formen des Vitamins D sind Vitamin D2 (Ergocalciferol) und Vitamin D3 (Cholecalciferol). Mehr als 50 % des Cholecalciferols entstehen aus der Vorstufe 7-Dehydrocholesterol, das aus Cholesterin synthetisiert wird. Zudem enthalten pflanzliche Produkte, Speisepilze und Lebertran beträchtliche Mengen an Calciferolen. ▶▶Struktur. Calciferole gehören zu den Steroiden (Abb. 2.6). Vitamin D2 entsteht aus Ergosterol (kommt v. a. in Pilzen und Pflanzen vor) durch eine fotochemische Spaltung des B-Ringes im Sterangerüst . Vitamin D3 entsteht aus Cholesterin auf die gleiche Weise. C H3 C H3 H3C H3C C C H3 H3C H3C C H3 C D C H2 C H3 D C H2 A A HO HO Ergocalciferol Cholecalciferol Abb. 2.6 Vitamin D. a Vitamin D2 (Ergocalciferol). b Vitamin D3 (Cholecalciferol). aus: Endspurt Vorklinik – Biochemie 2 (ISBN 9783131534224) © 2013 Georg Thieme Verlag KG L er n pa k e t 5 –– ! β-Carotin enthält 8 Isopreneinheiten. 24 2 Vitamine, Coenzyme, Spurenelemente ▶▶Funktion. Vitamin D3 wird durch Hydroxylierung an C25 und 2.2.4 Vitamin K – Phyllochinon C1 in Calcitriol (S. 58) umgewandelt. Calcitriol (auch „aktives Vitamin-D-Hormon“) beeinflusst den Calciumstoffwechsel, vor allem erhöht es den Calciumspiegel und fördert die Knochenmineralisierung. Außerdem wird unter ihrem Einfluss vermehrt Phosphat resorbiert. Calcitriol entfaltet seine Wirkung vor allem im Darm, in den Knochen und in der Niere. Darmflora synthetisiert. Pflanzen bilden Vitamin K1 (Phyllochinon), das eine Phytylseitenkette enthält. Die Darmbakterien erzeugen Vitamin K 2 (Menachinon), dessen Seitenkette aus einem Difarnesylrest besteht. ▶▶Hypovitaminose. Bei einem Vitamin-D-Mangel kommt es ▶▶Struktur. Die Vitamine K1 und K 2 leiten sich von Menadion zu Mineralisierungsstörungen des Skeletts. Im Säuglingsund Kindesalter entsteht auf diese Weise eine Rachitis, bei der schwerwiegende Skelettdeformationen auftreten können. Die Rippen können ventral am Sternum aufgetrieben sein, wodurch der sog. rachitische Rosenkranz entsteht. Das Becken ist oft atypisch verformt. Die Ausprägungen der Rachitis können verschieden stark sein und bei starker Hypokalzämie bis zu Tetanien und Krampfanfällen führen (besonders bei der angeborenen Form). Apropos Im Erwachsenenalter führt ein Vitamin-D-Mangel zur Verstärkung einer Osteoporose. In schweren Fällen kommt es zur Osteomalazie, die häufig schmerzhaft ist und zu Spontanfrakturen führen kann. Ein Vitamin-D-Mangel kann auf einer Mangelernährung, einer Resorptionsstörung oder einem Enzym- bzw. Rezeptordefekt beruhen. Auch Lichtmangel kann ein Grund sein, da zur Synthese des Vitamins UV-Licht notwendig ist. ▶▶Hypervitaminose. Übermäßige orale Zufuhr von Vitamin D führt zu Hyperkalzämie, Hyperkalzurie, Erbrechen, Schwindel und multiplen Verkalkungen, besonders von Nieren und Leber. 2.2.3 Vitamin E – Tocopherol ▶▶Vorkommen. Vitamin E kommt nur in Pflanzen vor, in be- sonders hoher Konzentration in Pflanzenölen und keimendem Weizen. ▶▶Struktur. Allen Tocopherolen ist der Chromanring (Benzodi- hydropyran) gemeinsam (Abb. 2.7). Sie unterscheiden sich lediglich in ihrer Isoprenseitenkette. ▶▶Funktion. α-Tocopherol ist Bestandteil aller biologischen Membranen. Es ist ein wirksames Antioxidans und schützt ungesättigte Fettsäuren in Zell- und Mitochondrienmembranen vor einer Oxidation durch organische Peroxylradikale. Vitamin E hat Einfluss auf die zelluläre Signaltransduktion und beeinflusst die Interaktion zwischen Blutbestandteilen und Endothelzellmembran. Apropos Ein Vitamin-E-Mangel manifestiert sich selten akut, da er nur unter schwersten Mangelzuständen auftritt. Zudem besitzt das Depotfett Vitamin-E-Speicher, die für 1–2 Jahre ausreichen. Besteht dennoch ein Mangel, so stehen Symptome des oxidativen Stresses im Vordergrund. Es kann eine hämolytische Anämie auftreten, die vermutlich auf einer Schädigung der Erythrozytenmembran beruht. ▶▶Vorkommen. Vitamin K wird von Pflanzen, aber auch von der (2-Methyl-1,4-naphtochinon) ab (Abb. 2.8). Der Doppelring und eine lipophile Seitenkette am C3-Atom des Naphtochinons sind allen natürlich vorkommenden Derivaten des Menadions gemeinsam, nur die Länge der Seitenkette ist unterschiedlich. ▶▶Funktion. Vitamin K ist Cofaktor bei der γ-Carboxylierung Vitamin-K-abhängiger Proteine. Zu diesen zählen besonders die Gerinnungsfaktoren IX, X, II und VII, Protein C und Protein S. Ohne die Carboxylierung sind diese Gerinnungsfaktoren inaktiv. Auch die Knochenproteine Osteocalcin und Matrix-GlaProtein werden durch Vitamin-K-abhängige γ-Carboxylierung aktiviert. Lerntipp Die von Vitamin K abhängigen Gerinnungsfaktoren merken Sie sich am einfachsten als Jahreszahl: 1972 = neun-zehnhundert-zweiund-siebzig. Die γ-Carboxylierung läuft in einem Kreislauf ab (Abb. 2.9). Zunächst wird Vitamin K mithilfe von NADPH + H+ und der Chinonreduktase in reduziertes Vitamin K (Vitamin-K-Hydrochinon) umgewandelt. Das Hydrochinon reagiert mit Sauerstoff vorübergehend zum Vitamin-K-Alkoxid. Das Alkoxid kann nun ein Proton von einem Glutamylrest eines Vitamin-K-abhängigen Proteins aufnehmen. Vitamin K fungiert hier als Cofaktor der Carboxylase, die das γ-C-Atom des Glutamylrestes carboxyliert. Nach Abgabe von OH– entsteht aus dem Alkoxid das Vitamin-K-Epoxid. Dieses kann durch die Epoxidreduktase in Vitamin K zurückverwandelt werden. Damit ist der Kreislauf geschlossen. Lerntipp Gerne gefragt wird die Rolle von Vitamin K als Cofaktor der Carboxylase. Schauen Sie sich daher insbesondere den rechten Teil von Abb. 2.9 an. Apropos Um die Blutgerinnungszeit zur Infarkt- und Thromboseprophylaxe zu verlängern, kann der Kreislauf Vitamin-K-abhängiger Carboxylierungen durch Vitamin-K-Antagonisten (Cumarinderivate) unterbrochen werden. Grundbaustein von Vit. K Seitenkette R H3C H3C O CH3 CH3 C H3 H3C O CH3 CH3 C H3 C H3 Abb. 2.7 Vitamin E (α-Tocopherol). C H3 H3C H3C R HO C H3 C H3 H3C H3C O H Vitamin K1 – Phytomenadion 3 Vitamin K2 – Menachinon 5–6 Vitamin K3 – Menadion Abb. 2.8 Vitamin K (Phyllochinon). aus: Endspurt Vorklinik – Biochemie 2 (ISBN 9783131534224) © 2013 Georg Thieme Verlag KG 2.3 Wasserlösliche Vitamine Abb. 2.9 Funktion von Vitamin K bei der γ-Carboxylierung der Gerinnungsfaktoren. Cumarinderivate hemmen sowohl die Epoxid- als auch die Chinonreduktase. OH NADP CH 3 + R NADPH + H+ Chinonreduktase R Cumarine COO R CH COO O H 2O Epoxidreduktase CH 2 COO + O 2 + CO 2 Carboxylase R Vitamin K reduziertes Vitamin K (Vitamin-K-Hydrochinon) OH O CH 3 25 + H2 O O C H3 O Vitamin-K-Epoxid O Ein solcher Antagonist ist Phenprocoumon (Marcumar), das die Epoxid- und die Chinonreduktase reversibel hemmt. Der Kreislauf wird unterbrochen, und die Gerinnungszeit, die klinisch mit dem Quick-Test (Thromboplastinzeit) ermittelt wird, verlängert sich. Eine schwerwiegende Nebenwirkung der antikoagulatorischen Therapie mit Cumarinderivaten ist eine erhöhte Blutungsneigung. Blutungen im Rahmen einer Cumarintherapie betreffen häufig Hohlorgane (Magen-Darm-Trakt, ableitende Harnwege u. a.) und das subkutane Gewebe. Die Blutungen sind in den meisten Fällen Folge einer Cumarinüberdosierung. ▶▶Hypovitaminose. Ein ernährungsbedingter Mangel ist aus- gesprochen selten, er kann aber auftreten, wenn eine lange andauernde orale Antibiotikatherapie durchgeführt wird, da dadurch häufig die Darmflora gestört wird. Da Vitamin K Cofaktor für die Aktivierung von Blutgerinnungsfaktoren durch γ-Carboxylierung ist (s. o.), kann ein Vitamin-K-Mangel mit einer Blutungsneigung einhergehen. Zudem kann es, wie bei allen fettlöslichen Vitaminen, zu einem resorptionsbedingten Vitamin-K-Mangel (z. B. bei gestörter enteralen Lipidresorption mit Steatorrhö = Fettstuhl) kommen. ▶▶Struktur. Thiamin ist aus einem Pyrimidinring und einem Thiazolring aufgebaut, die über eine Methylenbrücke miteinander verbunden sind (Abb. 2.10). N N N H3C Abb. 2.10 Vitamin B1 (Thiamin). H NH2 C S CH2 H3C CH2 OH ▶▶Funktion. Thiamin muss zunächst durch eine Thiaminkinase ATP-abhängig in Thiaminpyrophosphat (TPP; auch Thiamindiphosphat) umgewandelt werden (Abb. 2.11). TPP ist an der Decarboxylierung von α-Ketosäuren beteiligt und unterstützt dabei 2 Enzyme: ▪▪TPP ist Coenzym der Pyruvatdehydrogenase (PDH), die in der oxidativen Decarboxylierung Pyruvat in Acetyl-CoA umwandelt. ▪▪TPP ist Coenzym der α-Ketoglutarat-Dehydrogenase, die im Citratzyklus α-Ketoglutarat in Succinyl-CoA umwandelt. Fazit – Das müssen Sie wissen –– ! Vitamin D wird durch Hydroxylierung an C25 und C1 3 aktiviert. –– !! Vitamin K fungiert als Cofaktor der Carboxylase, die den Glutamylrest carboxyliert. –– ! Aus einer intestinalen Fettresorptionsstörung (z. B. mit Steatorrhö) kann ein Vitamin-K- bzw. Phyllochinon-Mangel resultieren. 2.3 Wasserlösliche Vitamine Neben TPP (Derivat des Thiamins) sind die vier Coenzyme bzw. prosthetischen Gruppen Liponamid, CoA (Derivat der Pantothensäure), FAD (Derivat des Riboflavins) und NAD+ (Derivat der Nicotinsäure) an diesen Reaktionen beteiligt. Außerdem ist TPP das Coenzym der Transketolase des Pentosephosphatwegs. ▶▶Hypovitaminose. In Ländern, in denen viel polierter Reis (ent- hält die thiaminreiche Schale nicht mehr) gegessen wird, tritt eine besondere Thiaminmangelerkrankung auf, die BeriberiKrankheit . Bei einem Thiaminmangel sind sowohl die PDH Lerntipp Die wasserlöslichen Vitamine sind ein beliebtes Prüfungsthema, v. a. die Hypovitaminosen. Sie können aus den Folgen einer Hypovitaminose die Funktion des Vitamins ableiten. H NH 2 N N N H3C C S H3C CH 2 Thiamin CH 2 OH ATP Thiaminkinase 2.3.1 Vitamin B1 – Thiamin AMP ▶▶Vorkommen. Thiamin befindet sich in Pflanzen vor allem in den Randschichten von Getreidekörnern. Außerdem enthält Schweinefleisch viel Vitamin B1. H NH 2 N H3C N N C S H3C CH 2 CH 2 O P P Thiaminpyrophosphat Abb. 2.11 Umwandlung von Thiamin in Thiaminpyrophosphat. aus: Endspurt Vorklinik – Biochemie 2 (ISBN 9783131534224) © 2013 Georg Thieme Verlag KG L er n pa k e t 5 R