LATEIN - EINE ALTE SPRACHE FÜR JUNGE SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER Sie möchten, dass Ihr Kind das Gymnasium besucht. Die Gymnasien der Umgebung bieten verschiedene "Profile" mit unterschiedlicher Zahl und Abfolge der Fremdsprachen an. Nachdem in Klasse 5 mit Englisch begonnen wurde, kommt in Klasse 6 mit Französisch oder Latein die zweite Fremdsprache hinzu. Sollte Ihr Kind ab Klasse 8 das sprachliche Profil besuchen, kommt dann die dritte Fremdsprache (Latein oder Französisch – abhängig von der zweiten Fremdsprache) hinzu. Zwei Wege zum Latinum Wenn Sie ihr Kind eine alte Sprache wie Latein wählen lassen, hat das eine Vielzahl von Gründen, auf die noch eingegangen werden soll. Für Sie ist vielleicht einer der Hauptgründe zunächst einmal ein rein formaler: das Latinum als besondere Qualifikation, die – abhängig von Studienfach und Universität – immer noch verlangt wird. Wir bitten Sie, im Interesse Ihres Kindes Folgendes vorweg zu bedenken: Das Latinum kann bei uns auf zwei Wegen erreicht werden, die sich in Dauer und Arbeitsintensität deutlich unterscheiden. Mit Latein ab Klasse 6 erhält ihr Kind am Ende von Klasse 10 automatisch das Latinum mit Note 4 oder besser. Das ist unserer Erfahrung nach in aller Regel der Fall. Anders mit Latein ab Klasse 8: Hier wird das Latinum erst mit einer zusätzlichen schriftlichen und mündlichen Prüfung in Klasse 10 erworben. Diese Latinumsprüfung liegt schon mitten im 2. Schulhalbjahr, so dass derselbe Stoff und dieselben Fähigkeiten in nicht viel mehr als der halben Zeitspanne verlangt werden. Mitten in der Pubertät setzt das ein hohes Maß an Selbstdisziplin voraus, bedeutet weniger Zeit für Übung und Vertiefung und ganz wenig Zeit für das Kennenlernen der Grundlagen europäischer Kultur und Geschichte. Lateinunterricht reduziert sich hier leider in hohem Maße auf Sprachdrill. Die Latinumsprüfung unter auswärtigem Prüfungsvorsitz ist also eine nicht zu unterschätzende Hürde. Nun zu den allgemeinen Gründen, auch heute noch Latein am Gymnasium zu erlernen. Sollte man sich so zielstrebig wie möglich auf den zukünftigen Beruf vorbereiten? Die unmittelbare Berufsausbildung ist gar nicht die Aufgabe des Gymnasiums. Es soll Schülerinnen und Schülern die Fähigkeit vermitteln, sich später auf der Basis einer möglichst großen Allgemeinbildung die für den Beruf notwendigen Spezialkenntnisse anzueignen: im Studium oder einer anderen Ausbildung, aber auch beim ständigen Weiterlernen im Berufsleben selbst. Außerdem soll das Gymnasium davor bewahren, schließlich zu Nur-Fachleuten zu werden. Die Frage "Werde ich das im Beruf brauchen?" sollte also nicht als einzige gestellt werden - und dies nicht nur, wenn es um Latein geht. Keiner käme z.B. auf die Idee, den Mathematikunterricht in Frage zu stellen, obwohl viel gelernt wird, was zumindest bei weitem nicht jeder "im Leben" anwenden kann. In manchen Fächern geht es nicht in erster Linie um Inhalte, sondern darum Denken und Methoden zu lernen! Gibt es noch Studiengänge, für die man Latein braucht? Nach wie vor ist der Nachweis von Lateinkenntnissen für eine ganze Anzahl von Studiengängen Voraussetzung, vor allem, wo es um Sprache und Literatur, Geschichte und Kultur geht. Im Einzelnen sind die Bedingungen an den verschiedenen Universitäten sehr unterschiedlich – die Universitäten haben hier große Gestaltungsfreiheit. Jede einzelne Universität kann sogar von einem Jahr auf das nächste das (Große) Latinum zur Zugangsvoraussetzung für ein bestimmtes Fach erklären. (Zum Erwerb des Großen Latinums s. u.) Man kann also sagen: Ohne Latein ist man in der Wahl des Studienfaches eingeschränkt. Gewiss ist es möglich, Latein auf der Universität nachzulernen, aber es ist eine Belastung, über die jeder Studienanfänger stöhnt, der sie auf sich nehmen muss. Hinzu kommt, dass die wenigsten in der Lage sind, die entsprechenden Latinumskurse „so nebenbei“ zu absolvieren: eine Verlängerung des Studiums aber ist kostspielig. Hat Latein auch sonst noch einen praktischen "Nutzen"? Aus der traditionellen Bildungssprache Latein wurden und werden unzählige Fremdwörter genommen. Wer Latein kann, beherrscht sie schneller und sicherer, sei es in den verschiedenen Schulfächern, im täglichen Leben oder später in seinem wissenschaftlichen Fachgebiet oder Beruf. Dass Latein beim Lernen anderer Sprachen hilft, ist bekannt. Das Französische, Italienische, Spanische und die übrigen sogenannten "romanischen" Sprachen sind ja Tochtersprachen des Lateinischen. Aber auch wer Englisch von einigem Niveau lesen und sprechen will, profitiert außerordentlich vom Lateinischen. Es geht dabei nicht nur um Vokabeln: Sogar der Deutschlehrer merkt, wenn er Sprachlehre betreibt, deutlich den Unterschied zwischen Klassen mit und ohne Lateinkenntnissen. Stimmt es, dass man durch Latein "das Denken lernt"? Wir wollen vorsichtig formulieren: Beim Übersetzen lateinischer Texte wird zweifellos das sprachlogische Denken in ganz besonderer Weise beansprucht und somit auch besonders trainiert. Zitieren wir dazu noch einen unverdächtigen Zeugen, den Bildungsbeauftragten eines bekannten Technik-Konzerns: "Informatik, Computersprache - das alles kann nachgelernt werden; unersetzlich aber ist Latein als Schule des Denkens". Latein fördert ganz hervorragend das analytische Denkvermögen, das kreative und strukturierte Denken. Wie lange ist Latein ab Klasse 6 Pflichtfach? Alle belegten Fremdsprachen sind bis zur 10. Klasse verbindlich. Danach können Schülerinnen und Schüler frei entscheiden, welche der drei Fremdsprachen sie weiter belegen wollen; nur noch eine ist Pflicht; wer zwei Fremdsprachen weiterlernen will, tut sicherlich gut daran, aber man macht das dann freiwillig. Für das Große Latinum (im Unterschied zum einfachen „Latinum“, s. o.) muss Latein in der Kursstufe belegt werden. Es wird am Ende von Klassenstufe 11.2 mit der Note „ausreichend“ erworben. Lernt man mit Latein ab Klasse 6 weniger Französisch ab Klasse 8? Nach unseren bisherigen Erfahrungen ist dies nicht der Fall. Es ist für Schülerinnen und Schüler mit Französisch ab Klasse 8 durchaus möglich, den Französischkurs in der Oberstufe erfolgreich zu absolvieren.