Schönheits-OP: Schöner dank Skalpell?

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Schönheits-OP: Schöner dank Skalpell? - Beobachter
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Schönheits-OP Schöner dank Skalpell?
In der Schweiz operieren rekordverdächtig viele Schönheitschirurgen. Eingriffe, die dem
Aussehen dienen, boomen. Aber nicht alle Anbieter sind vertrauenswürdig.
Weniger Risiko: Darauf sollte man achten
Alles für die Schönheit: Die häufigsten Eingriffe und ihre Vor- und Nachteile
Schweizerinnen liessen im Jahr 2012 zirka 40'500 Schönheitsoperationen machen. Bei rund 13'000 wurde Fett abgesaugt, bei
5000 die Brust vergrössert und bei fast 3000 die Nase korrigiert. Nasenkorrekturen sind bei Menschen unter 35 sogar am
häufigsten, doch Brustvergrösserungen werden auch bei jüngeren Frauen beliebter. Der Grossteil der Kundschaft von
Schönheitschirurgen sind immer noch Frauen, aber die Männer holen auf. Inzwischen beträgt ihr Anteil an der Klientel 10 bis
20 Prozent.
Eine Studie, die allerdings für ihre dünne Datenbasis kritisiert wird, behauptet, dass im internationalen Vergleich nirgends
mehr Einwohner eines Landes Schönheitsoperationen machen lassen als in der Schweiz. Ob wir nun wirklich Weltmeister sind
oder nicht: Schönheitsoperationen sind ein Wohlstandsphänomen und hierzulande überdurchschnittlich häufig.
Die Anfänge im Krieg vor 100 Jahren
Die moderne plastische Chirurgie entstand im Ersten Weltkrieg. Als dieser 1914 ausbrach, ahnte noch niemand, welche Opfer
die industrialisierte Kriegsführung produzieren würde. Keine der Kriegsnationen war auf dermassen viele Verletzte vorbereitet.
Die Medizin reagierte rasch: Durch Kugeln, Splitter, Gas und Flammen Verletzte, Verstümmelte, Verätzte und Verbrannte
wurden an der Front notfallmässig versorgt und dann in Spitälern weiterbehandelt. Erstmals arbeiteten die Ärzte im grossen
Stil mit Hauttransplantation. Zudem galt es, Funktionen operativ wiederherzustellen und Entstellte wieder einigermassen
ansehnlich zu machen. Die schrecklichen Jahre des Ersten Weltkriegs verhalfen der neuen medizinischen Disziplin, der
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plastischen Chirurgie, zum Durchbruch.
Daran denkt heute niemand mehr, der die eigene ästhetische Optimierung in Erwägung zieht. Im Frühling, wenn Mann und
Frau wieder mehr Haut zeigen, werden von den Schönheitschirurgen vor allem kleinere Eingriffe verlangt: Botox gegen Falten
spritzen, ein bisschen Fett absaugen, die Brüste für den Bikiniauftritt ein wenig vergrössern. Doch nicht nur die nahende
Badesaison ist ein Grund, sich unters Messer zu legen: Europaweit ist die Zahl der Haartransplantationen, Augenlid- und
Nasenkorrekturen von 2012 bis 2013 deutlich angestiegen. Forscher meinen, den Grund in Instagram und Snapchat gefunden
zu haben: Immer mehr junge Leute halten sich mit der Kamera quasi einen Spiegel vor. Sie möchten sich vorteilhaft
präsentieren und versuchen, ihr Gesicht zu verschönern.
Eigentlich gilt in der Schweiz, dass an Patientinnen unter 18 Jahren keine reinen Schönheitsoperationen durchgeführt werden
sollen. Man geht davon aus, dass die Urteilsfähigkeit im Bezug auf den eigenen Körper während der Pubertät noch nicht
ausgereift ist.
Ihr Wunsch nach Selbstoptimierung lässt viele Menschen vergessen, dass es entgegen den Anzeigen und Meldungen in den
Frauenzeitschriften keine Wunder gibt. Auch eine Schönheitsoperation ist eine Operation, die Spuren bleiben eine Weile sichtund auch spürbar. Allerdings geht der Trend dahin, dass Frauen nicht zuwarten, bis alles hängt, sondern recht früh und in
weniger drastischen Schritten mit der Verjüngungschirurgie beginnen – und dann weitermachen: Sie werden
Stammkundinnen beim Schönheitschirurgen.
Schönheitschirurg: Kein geschützter Titel
Das grösste Problem im Zusammenhang mit Schönheitsoperationen ist, dass kein Arzt in der Schweiz eine spezifische
Ausbildung braucht, um sich Schönheitschirurg nennen zu dürfen. Jeder Hausarzt, Gynäkologe oder Rheumatologe darf solche
Eingriffe anbieten und durchführen. Die Versuchung ist gross: Das Geschäft mit dem Traumkörper boomt, und viele Ärzte
wittern ein lukratives Tätigkeitsfeld.
Diplome gibt es inflationär. Der Dermatologe René Rüdlinger, der auch als Privatdozent und Lehrbeauftragter an der
Medizinischen Fakultät der Universität Zürich arbeitet, erzählt von Demonstrationen neuer Geräte, die nach wenigen Stunden
mit der Übergabe eines Zertifikats enden. «Solche Fackel hänge ich schon gar nicht mehr auf, sie haben keine Bedeutung
mehr», sagt er.
Obwohl die Schönheitschirurgie heute eine Dienstleistung ist wie viele andere, ist sie nicht ganz mit einem Autoservice
vergleichbar: Erstens kann wie bei jedem chirurgischen Eingriff etwas schiefgehen, und zweitens setzt einen jede
Schönheitsoperation für eine gewisse Zeit ausser Gefecht. Wer es sich leisten kann, bucht deshalb eine Safari oder eine
Kreuzfahrt, an deren Anfang die Schönheits-OP steht und von der man dann drei Wochen später sichtlich erholt zurückkehrt.
Denn zugeben, dass man der Schöpfung ein wenig nachgeholfen hat, möchten immer noch die wenigsten.
Hat man keine Zeit für grosse Ferien, versucht man, die Sache möglichst unauffällig zu machen. «Die Methode für
Business-Women ist heute die Fraktionierung: Man behandelt jeweils nur einen Teil der Haut. Indem man Hitze durch feine
Löcher zum Bindegewebe schickt, wird dieses stimuliert, was wiederum die Hauttextur verbessert», sagt Dermatologe
Rüdlinger. Die Krux dabei: Je weniger radikal und damit je weniger sichtbar ein Eingriff ist, desto weniger nachhaltig ist auch
seine Wirkung.
Weniger Risiko: Darauf sollte man achten
Die Tatsache, dass ein Schönheitschirurg ein kostenloses Beratungsgespräch anbietet, ist kein Zeichen für dessen
Seriosität: Ein solches Gespräch ist faktisch ein Verkaufsgespräch. Nur wer sich von den potenziellen Kunden fürs
Beraten bezahlen lässt, kann es sich langfristig auch leisten, von einem Eingriff abzuraten. Das Spezialzentrum für
Ästhetische Chirurgie Acredis, das eng mit der SPO Patientenschutz zusammenarbeitet, empfiehlt, die folgenden vier
Punkte auf der Suche nach einem guten Chirurgen oder einer guten Dermatologin zu beachten:
1. Sich über die Behandlungsmöglichkeiten informieren
Generell gilt: Je besser ein Patient sich vor einem Beratungsgespräch informiert, umso effektiver verläuft es für ihn.
Man sollte sich deshalb bereits vorab schlaumachen. Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es? Welche Risiken
bestehen?
Die folgenden Websites bieten seriöse Informationen zum Thema Schönheitschirurgie:
Schweizerische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (SGDV): www.derma.ch
Swiss Group for Esthetic Dermatology and Skincare (SGEDS): www.sgeds.ch
European Academy of Dermatology and Venereology (EADV): www.eadv.org
European Society for Cosmetic and Aesthetic Dermatology (ESCAD): www.escad.org
www.acredis.com
2. Einen geeigneten Arzt finden
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Sucht man einen Arzt für die gewünschte Behandlung, findet man unzählige Anbieter. Vor allem das Internet ist ein
Informationsdschungel, in dem wenig Transparenz über die gebotene Qualität herrscht. Die folgenden Kriterien sind
bei der Suche entscheidend: Der Arzt oder die Ärztin
verfügt über einen adäquaten Facharzttitel
ist auf die gewünschte Behandlung spezialisiert
kann Erfahrung beziehungsweise hohe Fallzahlen für die gewünschte Behandlung vorweisen
legt den Fortbildungsfokus auf die gewünschte Behandlung
kann eine hohe Patientenzufriedenheit nachweisen
bietet ein umfassendes Aufklärungsgespräch an
nimmt sich genügend Zeit für die Fragen des Patienten
3. Medizinische Aufklärung vor der Behandlung
Das Beratungsgespräch ist der erste Schritt auf dem Weg zu einer erfolgreichen ästhetischen Behandlung. Dabei
beantwortet der Arzt alle Fragen und klärt über Behandlungsmöglichkeiten, Risiken und Kosten auf. Eine ausführliche
Aufklärung ist sehr wichtig und die Grundlage für die Entscheidung für oder gegen eine Behandlung.
Falls nach dem ersten Beratungsgespräch noch Frage- oder Redebedarf besteht, sollten Patienten unbedingt einen
weiteren Gesprächstermin vereinbaren. Es kann ausserdem sinnvoll sein, eine Zweitmeinung bei einem anderen
Spezialisten einzuholen.
4. Entscheidung für oder gegen die Behandlung
Patientinnen und Patienten sollten sich für diese Entscheidung ausreichend Zeit nehmen und sich nicht unter Druck
setzen lassen.
Alles für die Schönheit: Die häufigsten Eingriffe und ihre Vor- und Nachteile
Fettabsaugen
Das Absaugen von Fett an Bauch, Po und Beinen – auch unter den harmlos klingenden Begriffen Lipoforming oder
Bodyforming bekannt – ist die häufigste Schönheitsoperation in der Schweiz. Mit Kanülen werden zwei bis drei Liter
Fett abgesaugt. Fettabsaugen ist jedoch auch die Schönheitsoperation mit der höchsten Rate an Komplikationen.
Wissenschaftler schätzen, dass es bei jedem zehnten Patienten Probleme gibt. Neben Verletzungen durch die
Saugkanülen können Blutungen und Infektionen entstehen. Werden durch den Eingriff Nerven geschädigt, kann es zu
bleibenden Gefühlsstörungen kommen. Zu den weniger schlimmen Folgen gehören Blutergüsse und Dellen. Am
häufigsten treten Komplikationen dann auf, wenn der Arzt zu viel Fett auf einmal absaugt. Theoretisch sind bis zu
zehn Liter möglich, als risikoarm gelten zwei bis drei. Die Kosten für einen solchen Eingriff bewegen sich zwischen
2000 und 15'000 Franken.
Brustvergrösserung
Mit dem Wiederauf bau der weiblichen Brust beschäftigen sich Ärzte schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts,
damals noch aus rein medizinischen Gründen, wenn beispielsweise wegen eines Tumors eine Brust amputiert werden
musste. Man experimentierte mit Elfenbein, Rinderknorpel, Wolle, Glaskugeln, Paraffininjektionen, Bienenwachs oder
Polyethylen. Die Einführung solcher Fremdkörper führte jedoch zu Abwehrreaktionen. 1963 kamen die ersten
Silikonimplantate zur Brustvergrösserung auf den Markt. Die Implantate gerieten später dadurch in die Schlagzeilen,
dass manche Kissen platzten. Deshalb ist die Wahl eines zuverlässigen Arztes und eines zuverlässigen Produkts
extrem wichtig. Weltweit sinkt das Durchschnittsalter von Frauen, die sich die Brüste vergrössern lassen; das
Durchschnittsvolumen der Implantate steigt stetig.
Botox
Das Nervengift Botulinumtoxin, kurz Botox, wird in der Neurologie seit Anfang der 1980er Jahre als Arzneimittel in der
Behandlung von speziellen Bewegungsstörungen verwendet. In der Schönheitschirurgie ist es seit 2002 zugelassen
und wird zur Reduktion von Falten, zum Beispiel der «Zornesfalte» auf der Stirn, eingesetzt. Allerdings wird mit dieser
an sich simplen Behandlung auch viel Unfug getrieben. Der Dermatologe René Rüdlinger sagt: «In Miami mieten
Gaunertrupps Hotelzimmer und spritzen Botulinumtoxin von zweifelhafter Herkunft und sogar Silikon, das für den
Bau gedacht ist, in die Haut. Da sieht man unglaubliche Sachen.»
Filler
Als Filler werden sich selbst abbauende, aber auch dauerhaft verbleibende Füllmaterialien bezeichnet, die unter Falten
gespritzt werden: Hyaluronsäure, Kollagen oder Eigenfett. Diese Füllstoffe sind biologisch abbaubar und gut
verträglich. Hyaluronsäure wird zu Wasser abgebaut und verursacht keine Allergien. «Spritzt man falsch, kann man
Hyaluronsäure innerhalb von zwei Minuten mit einem Enzym auflösen, im Gegensatz zu Botox», sagt Dermatologe
Rüdlinger. Bei den dauerhaften Füllmaterialien warnen Experten vor Nebenwirkungen und Komplikationen: Es gibt
kaum ein Material, bei dem Fremdkörperreaktionen gänzlich ausgeschlossen werden können. Auch kann es passieren,
dass sich das Füllmaterial nach einer gewissen Zeit nicht mehr am richtigen Ort befindet, weil sich das Gesicht
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verändert hat.
Peelings
Peelings oder auf Deutsch «Schälkuren» gibt es in drei Stufen: oberflächliche, mitteltiefe und tiefe Peelings.
Kosmetikerinnen machen oberflächliche Peelings, bei denen Unreinheiten entfernt werden. Die oberste Schicht der
Gesichtshaut erneuert sich etwa alle vier Wochen, so dass die Behandlung regelmässig wiederholt werden muss.
Peelings beseitigen allerdings keine Fältchen. Diese liegen im Bindegewebe, und dort kommt man mit oberflächlichen
und mitteltiefen Peelings nicht hin. Nach einem mitteltiefen Peeling, das gerade noch Sommersprossen entfernt, muss
man eine Woche zu Hause bleiben. Ein tiefes Peeling entfernt Pigmentveränderungen und feine und auch gröbere
Fältchen – man sieht deutlich jünger aus. Peelen kann man mit Laser, physisch oder chemisch mit Phenol, wobei die
physische Methode, quasi ein «Schleifen» der Haut, heute kaum mehr angewandt wird. Je nach Peeling ist man für
eine relativ lange Zeit unpräsentabel, unabhängig von der Methode. Nach einem Peeling ist guter Sonnenschutz noch
wichtiger als sonst, da sich die Haut zuerst regenerieren muss und extrem empfindlich ist.
Text: Susanne Loacker
Bild: Thinkstock Kollektion
02. Mai 2014, Beobachter 9/2014
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