a r b e i t sv e r fa h r e n N i wa k i Kunst am Baum Mit japanischen Schnitttechniken extravagant in Form gebrachte Gehölze sind ein besonderer Blickfang im Garten. Gerade bei Kiefern sind viel Schnittarbeit und Zeit nötig, um den charakteristischen Wuchs und die wohlproportionierten Laubwolken herauszuarbeiten. Wie es funktioniert, zeigt Alexander Leuze im folgenden Beitrag. 1 D ie kunstvoll gestutzten, erzogenen Oder man kauft eine kleinere Pflanze und und formierten Gartengehölze wer- baut diese in jahrelanger Pflegearbeit auf. den hierzulande meist als Bonsai, Big Das dauert zwar länger, führt aber bei rich- Bonsai oder Gartenbonsai bezeichnet. Doch tiger Pflege zum besseren Ergebnis. obwohl sie so aussehen wie die Kleinen in der Schale, ist diese auch im Handel gängige Bezeichnung streng genommen falsch. 2 3 1 In zentraler Position: fein geschnittene Pinus parviflora im Garten der Villa Katsura Zunächst nur wenige Eingriffe Das japanische Wort „bonsai“ bedeutet so viel wie „Pflanze in einem Gefäß“ – Garten- In beiden Fällen sollte am Anfang nicht zu bonsai gibt es demnach nicht. Sie werden in viel Grünmasse entfernt werden. Es ist ei- Japan mit dem Begriff „Niwaki“ bezeichnet, gentlich nur notwendig, die Kerzen in star- was so viel wie „Gartenbaum“ bedeutet. ken Bereichen einzukürzen und mehr Saft Bevor man mit dem Aufbau eines Niwa- in schwächere Bereiche zu bringen. Zudem ki beginnt, sollte man sich darüber klar sein, sollten die sogenannten unglücklichen Äste wie groß der fertige Baum werden soll und (siehe Kasten) entfernt werden. Gelegentlich welche Proportionen im Garten eine Rolle ist es notwendig, auch mal einen Bereich, spielen. Generell werden Arten mit dichten der gestärkt werden soll, wachsen zu las- Laubmassen wie Ilex, Buxus, Pinus parviflo- sen. Das trifft etwa auf den Haupttrieb zu, ra, Pinus nigra und Pinus thunbergii eher in wenn die gewünschte Endhöhe des Niwaki zentraler Position, als Blickfang, verwendet. noch nicht erreicht ist, ein langer Ast über Dagegen werden eher locker aufgebaute einen Eingang gezogen werden soll oder Gehölze, wie Rotkiefern, eher im Garten generell die Dimensionen des Baumes noch verstreut. Sie lassen sich zum Beispiel gut vergrößert werden müssen. um einen größeren Teich herum verteilen. Es gilt also: Je mehr Wachstum noch not- Je nachdem, wie viel Zeit man investie- wendig ist, desto weniger sollte eingegriffen 2 Mittelmäßig geschnittene Pinus thunbergii in einer ländlichen Anlage ren will, verwendet man entweder eine und desto mehr Grünmasse stehen gelas- Rohpflanze, die etwas kleiner ist als das sen werden. Je näher der Baum dann seiner 3 Sehr leichte Schnitttechnik bei Pinus densiflora angestrebte Ergebnis, und schneidet alle Endgröße und -form kommt, desto weniger Äste heraus, die nicht gebraucht werden. Grün wird am Baum belassen. Die fehlende 5 4 Prachtstück: sehr gute Technik bei einer Kiefer in einer ehemaligen Adeligenvilla in Okazaki 5 und 6 Sehr gut geschnittene Äste von Pinus thunbergii in demselben Garten in Okazaki 4 Blattmasse gleicht dieser dann durch feine- art und eventuell von der Sorte ab. Handelt re Verzweigung aus, die ein hochgeschätz- es sich um einen Niwaki aus einer häufig tes Zeichen für lange und geduldige Bear- verwendeten heimischen (Taxus baccata) beitung ist. An einer fertigen Kiefer sollten oder japanischen Eibe (Taxus cuspidata), ist beispielsweise pro Trieb nur noch drei oder die Pflege eher einfach. Die neuen Triebe fünf Nadelbündel stehen bleiben. werden zwei bis drei Mal pro Jahr auf die 6 Definition „Unglückliche Äste” ½½ Äste, die nach innen zum Stamm hin wachsen, ½½ Äste, die senkrecht nach oben Bei einer großen Pflanze nimmt man alle ursprüngliche Form der Laubmassen zu- Äste weg, die für die spätere Form nicht rückgeschnitten. So werden die Wolken, wie unbedingt notwendig sind. Dabei sollten die die Laubmassen auch genannt werden, mit Äste immer in der Höhe versetzt um den der Zeit immer dichter und gleichmäßiger. Stamm herum angeordnet sein. Der unters- Generell sind flachere Wolken eleganter und te Ast sollte nicht zu tief ansetzen und leicht feiner als rundere und kugelige, die plump ½½ Stellen mit mehr als zwei Ästen an zum Betrachter hin zeigen. Generell sollte wirken. Wenn die Wolken zu dicht werden, mehr Augenmerk auf eine interessante und kann ein leichtes Auslichten notwendig wer- charaktervolle Gestaltung des Stamms und den, um wieder Licht und Luft in die Wolken der Äste als der Grünmasse gelegt werden. zu bringen und den inneren Austrieb anzu- Diese ergibt sich automatisch, wenn man regen. Häufig werden Niwaki auch aus Ja- die Äste richtig behandelt, also alle unglück- panischer Hülse (Ilex crenata) und Buchs lichen Äste (siehe Kasten), die Kerzen im (Buxus sempervirens) gezogen. Diese wer- Frühjahr und die überflüssigen Nadeln im den in gleicher Art wie die Eiben gepflegt. einer Astgabel, Astquirle, gegenständige Äste, ½½ den Stamm querende Äste, ½½ direkt übereinanderstehende Äste, die sich gegenseitig beschatten, ½½ parallel wachsende Äste, ½½ gerade wachsende Äste, ½½ langweilige und zu wenig charaktervolle Äste, ½½ über die angestrebte Form hinauswachsende Äste, ½½ Äste in zu dichten Bereichen, ½½ zu starke/kräftige Äste. Winter entfernt werden. Bei Kiefern, gleichgültig ob Schwarzkiefer (Pinus nigra), Thunbergs Kiefer (Pinus thun- Richtige Pflege ist ­artabhängig bergii), Rotkiefer (Pinus densiflora) oder Gemeine Kiefer (Pinus sylvestris) oder die wachsen, ½½ Äste, die senkrecht nach unten wachsen, ½½ am Stamm austreibende neue Zweige, verschiedenen fünfnadeligen Kiefern (Pinus Erwirbt man ein bereits fertig gezogenes parviflora, cembra oder strobus), wird die Gehölz, gilt es, dessen Form durch gezielte Sache schon komplizierter und die meisten Pflegeeingriffe zu erhalten. Die richtige Pfle- Laien lassen sich hier auch lieber einen er- ge hängt dabei vor allem von der Pflanzen- fahren Gärtner zu Hilfe kommen. 12/2011 47 a r b e i t sv e r fa h r e n 7 8 9 Buchtipp Niwaki Wie man aus bestehenden älteren und jüngeren heimischen Gehölzen beeindruckende Kunstwerke machen kann, zeigt das Buch „Niwaki“ von Jake Hobson; unter anderem in anschaulichen Schritt-für-Schritt-Anleitungen. ISBN 978-3-8001-5856-0, 39,90 € / 41,10 € (A) / 64,90 CHF. Direkt ansehen oder bestellen: www.degagalabau.de, Webcode dega2179 10 Zwei Pflegetermine müssen eingehalten werden werden die sogenannten „unglücklichen Von Mai bis Juni, je nach Fortschritt der Ker- Besondere Pflege importierter Gehölze zenausbildung, müssen die neuen Kerzen Äste” entfernt (siehe Kasten auf S. 47). pinziert werden. Dabei werden am besten über einen längeren Zeitraum hinweg zuerst Aus Japan oder dem Süden Europas impor- die stärkeren und dann die langsam stärker tierte Kiefern, sind dort unter völlig anderen werdenden Kerzen auf eine Länge von etwa klimatischen Bedingungen kultiviert wor- ein Drittel mit den Fingern ausgebrochen. den. Sie benötigen selbst bei voller Gesund- Scheren dürfen dafür auf keinen Fall benutzt heit und richtiger Behandlung mehrere werden, da man später die braunen Enden Jahre, bis sie sich vollständig an den neuen der angeschnittenen Nadeln sehen würde. Standort angepasst haben. Die Dichte der Das Pinzieren verteilt den Saft des Baumes Laubmassen wird in aller Regel selbst bei in schwächere Bereiche und sorgt so für ein optimalen Verhältnissen nicht zu erhalten ausgeglichenes Wachstum und Erschei- sein. Verantwortlich dafür ist die in Japan nungsbild und eine dichtere und feinere und im Süden wesentlich stärkere Sonnen- Verzweigung. Gleichzeitig bringt es reichlich einstrahlung, die Licht auch noch in innen Luft und Licht ins Innere des Baumes, was liegende Bereiche bringt. Darauf ist bei der eine weitere Knospenbildung von innen er- Pflege zu achten. In unseren Breiten sind möglicht – diese ist unerlässlich zur dauer- Licht und Luft in den Laubmassen von gro- haften Erhaltung eines Niwaki. ßer Bedeutung. Eine Nichtbeachtung führt Diese Vorgehensweise gilt vor allem für zu einem Verkahlen im Inneren und zu ei- starke und wüchsige Bäume, die sich leicht nem damit verbundenen Längenwachstum Alexander Leuze verzweigen, wie die Mädchenkiefer (Pinus der Äste. Folglich verliert der Baum seine studierte Landes- parviflora), Schwarzkiefer (Pinus nigra), Proportionen und damit einen großen Teil kultur und Berg-Kiefer (Pinus mugo) und Rotkiefer (Pi- seiner Faszination. Umweltschutz an nus densiflora). Bei schwächeren Kiefern Alle Pflegeangaben gelten selbstver- der Uni Rostock sollten nur die starken Bereiche pinziert ständlich nur für gesunde Bäume. Bei ge- und japanische werden und die schwachen Bereiche unbe- schwächten und kranken Bäumen können Gartenkunst an der handelt bleiben. unter Umständen auch mehrere Pflegeter- Der autor Universität in Kyoto/Japan. Er realisiert Der zweite wichtige Pflegetermin erfolgt mine ausfallen. Natürlich spielt auch die hochwertige japanische Gärten in im Herbst. Dicht gewordene Nadelbündel geografische Lage eine nicht zu verachten- Nordamerika, Europa und Japan, hält werden ausgelichtet. Dabei rupft man in den de Rolle. So werden beispielsweise Schwarz- Vorträge über japanische Gartengestal- starken Bereichen wieder mehr Nadeln aus kiefern im Weinbauklima früher austreiben tung und betreibt ein Bonsaiatelier in als in den schwachen. Die sehr schwachen als etwa in der norddeutschen Tiefebene Walheim. Kontakt: [email protected] Bereiche bleiben unbehandelt. Gleichzeitig oder in Lagen der Mittelgebirge. Möglicher- 48 12/2011 7 Fein geschnittene Pinus parviflora in einem japanischen Vorgarten 8 Pinus densiflora kurz nach der Herbstpflege 9 Mit speziellen Leitern rücken die Gärtner in Kyoto einer Pinus densiflora zu Leibe 10 Folien schützen die Kiesflächen vor dem feinen Kiefernadel-Schnitt. 11 Mit Bambusstangen wird eine Pinus parviflora im Kaiserlichen Garten Kyoto in besondere Form gebracht. 11 weise müssen in besonders warmen Lagen Wachstumskraft neu verteilt und damit für ren aus einem Garten nicht mehr wegzu- auch die zweiten Austriebe noch zurückge- ein ausgeglichenes Wachstum und Erschei- denken ist. schnitten werden. nungsbild gesorgt. Mit der Zeit wird ein Grundsätzlich gilt: Durch jeden Eingriff Niwaki damit immer reifer, ausgewogener text und BILDER: Alexander Leuze, in das Wachstum des Baumes wird dessen und charaktervoller, bis er nach einigen Jah- Walheim FASZINATIONSTEIN+DESIGN: GaLaBau Webinare GESTALTEN MIT BETON GaLaBau-Webinar im Dezember W E B I N A R : Geschickt verhandelt – viel gewonnen. So verdienen Sie im Einkauf Geld. Anbieter : Verlag Eugen Ulmer Referent: Klaus Wolf WCG Wolf Consulting Group AG Datum : 13. Dezember 2011 Uhrzeit : 19:00 – 20 :00 Uhr Anmeldung : Einfach und schnell! Melden Sie sich einfach und unverbindlich an unter www.galabau-webinare.de/webinare Freiräume für Ihre Gestaltungsideen: Stein +Design ist der Trendsetter für innovative Produktideen aus Beton für die ambitionierte Freiraumgestaltung. Hammermühle · 51491 Overath Industriestr. 1 · 79206 Breisach ww w.stei nunddesign.de 12/2011 49