Abstracts Interdisziplinäre Gastroenterologie 2015 – Standards und Perspektiven Bielefeld Samstag, 21. März 2015 9.00 – 15.30 Uhr Veranstaltungsort: Stadthalle Bielefeld Willy-Brandt-Platz 1 33602 Bielefeld Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. Dr. h.c. M. Löhnert, Bielefeld Prof. Dr. M. Krüger, Bielefeld PD Dr. J. Heidemann, Bielefeld Programm Seite 9.00 Uhr Begrüßung PD Dr. J. Heidemann, Bielefeld Prof. Dr. M. Krüger, Bielefeld Prof. Dr. Dr. h.c. M. Löhnert, Bielefeld Sitzung I Vorsitz: Prof. Dr. M. Heise, Bielefeld Prof. Dr. M. Krüger, Bielefeld 9.10 Uhr Präkanzerosen in Ösophagus und Magen – ignorieren, überwachen oder therapieren? Prof. Dr. J. Pohl, Berlin 3 9.30 Uhr Hepatitis C – Heilung für alle? Prof. Dr. H. Wedemeyer, Hannover 9.50 Uhr Moderne Diagnostik der Gallengangsstenose Prof. Dr. D. Domagk, Warendorf 7 S3-Leitlinie Pankreaskarzinom – Was ist neu? Prof. Dr. W.H. Uhl, Bochum 8 – 11 10.10 Uhr 10.30 Uhr Diskussion 10.40 –11.00 Uhr Kaffeepause 4–6 Sitzung II Vorsitz: PD Dr. J. Heidemann, Bielefeld Prof. Dr. G. Schürmann, Bielefeld 11.00 Uhr Ischämische Colitis – welche Diagnostik, welche Therapie? (abgesagt) Prof. Dr. B. Luther, Krefeld 11.20 Uhr Chronisch entzündliche Darmerkrankungen – komplexe Verlaufsformen: wie therapieren? Prof. Dr. M. Reinshagen, Braunschweig 12 Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen – komplexe Verlaufsformen: wann operieren? Prof. Dr. M. Brüwer, Münster 13 – 15 11.40 Uhr 1 12.00 Uhr Diskussion Sitzung III Vorsitz: Prof. Dr. Dr. h.c. M. Löhnert, Bielefeld Prof. Dr. M. Krüger, Bielefeld 12.20 Uhr 12.40 Uhr Endoskopie 2015: was bleibt, was kommt? Dr. T. Beyna, Prof. Dr. H. Neuhaus, Düsseldorf Divertikulitis – leitliniengerechte Therapie Prof. Dr. L. Leifeld, Hildesheim 13.00 Uhr Divertikulitis – was bleibt für den Chirurgen? (ohne Abstract) Prof. Dr. C. Isbert, Hamburg 13.20 –14.20 Uhr Mittagspause mit Imbiss 16 – 18 19 Sitzung IV Vorsitz: PD Dr. J. Heidemann, Bielefeld Prof. Dr. Dr. h.c. M. Löhnert, Bielefeld 14.20 Uhr Stuhltransplantation – Hype oder echte Innovation? Prof. Dr. S.J. Ott, Kiel 14.40 Uhr Neue orale Antikoagulation – Management bei endoskopischen Prozeduren und gastrointestinalen Blutungen (ohne Abstract) Prof. Dr. K. Caca, Ludwigsburg 15.00 Uhr Kolorektale Polypen – histologische Differenzierung und klinische Konsequenzen Prof. Dr. A. Tannapfel, Bochum 15.20 Uhr 24 – 28 Diskussion, Zusammenfassung und Schlussworte PD Dr. J. Heidemann, Bielefeld Prof. Dr. M. Krüger, Bielefeld Prof. Dr. Dr. h.c. M. Löhnert, Bielefeld Anschriften der Referenten und Vorsitzenden siehe Seiten 2 20 – 23 29 – 30 Präkanzerosen in Ösophagus und Magen – ignorieren, überwachen oder therapieren? J. Pohl Klinik für Innere Medizin und Gastroenterologie, Vivantes Klinikum im Friedrichshain, Berlin Die Inzidenz der Barrett-Metaplasie nimmt in der westlichen Hemisphäre weiterhin deutlich zu und wurde als sichere Präkanzerose identifiziert, auf deren Boden sich ein Adenokarzinom entwickeln kann. Das Risiko der Karzinomentstehung beträgt je nach Länge des betroffenen Segments 0,1–0,4% pro Jahr. Aus diesem Grund werden von den europäischen Fachgesellschaften regelmäßige endoskopische Kontrollen der Präkanzerose empfohlen. Hochauflösende Endoskope erlauben heute in vielen Fällen die Detektion kleiner Neoplasien, die mittels endoskopischer Resektion kurativ behandelt werden können. Nichtsdestotrotz gibt es bislang keine sichere Evidenz für die Senkung der Mortalität des Ösophaguskarzinoms durch diese Vorsorgeuntersuchung. Anders als in der Speiseröhre sind im Magen keine Präkanzerosen bekannt. Noch nicht einmal die Vorläuferzelle des Magenkarzinoms konnte bislang sicher identifiziert werden. Das Magenkarzinom ist eine multifaktorielle Erkrankung, bei der die Infektion mit Helicobacter pylori den wichtigsten Risikofaktor darstellt und seit 1994 als Klasse-I-Karzinogen anerkannt ist. Über eine chronische Gastritis kommt es schließlich zur Atrophie mit Ausbildung einer intestinalen Metaplasie. Diese Veränderungen stellen aber keine Präkanzerose dar, sondern sind allenfalls Indikatorläsionen für ein „en gros“ gesteigertes Risiko der Karzinomentstehung. Das Risiko ist allenfalls moderat erhöht (OR = 1,5), eine generelle endoskopische Überwachung wird hier laut Leitlinie nicht empfohlen. 3 Die Revolution der Therapie der Hepatitis C H. Wedemeyer Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Medizinische Hochschule Hannover Das Ziel der Behandlung der chronischen Hepatitis-C-Virus (HCV)-Infektionen ist es, Patienten mit möglichst wenigen Nebenwirkungen zu heilen. Diesem Ziel sind wir mittlerweile sehr nahe gekommen. 7 neue direkt antivirale Substanzen (direct-acting antivirals, DAAs) sind zwischen Januar 2014 und Januar 2015 zur Therapie der Hepatitis C zugelassen worden. In den nächsten 12–24 Monaten werden sich die therapeutischen Möglichkeiten voraussichtlich nochmals erweitern. Die neue Therapie der Hepatitis C ist Interferon-frei und wird in der Regel über 12 Wochen durchgeführt. Hervorzuheben ist, dass die HCV-Infektion heilbar ist, d. h. es wird eine Eradikation des Virus erreicht, und es kommt zu keinen Spätrückfällen. Eine Ausheilung der HCVInfektion ist mit einer Verbesserung der Prognose der Lebererkrankung assoziiert und reduziert das Risiko, an einer Leberdekompensation zu versterben oder ein hepatozelluläres Karzinom zu entwickeln. Grundsätzlich können die neuen DAAs in 4 Klassen unterteilt werden, die jeweils verschiedene Zielstrukturen im HCV-Lebenszyklus angreifen: die HCV-Protease, das HCV-NS5-Protein und die HCV-Polymerase, wobei hier ähnlich wie bei HIV nukleos(t)idische und nicht-nukleosidische Polymeraseinhibitoren unterschieden werden. Der erste Schritt in der Entwicklung der neuen HCV-Therapie war die Zulassung der HCV-Proteaseinhibitoren Boceprevir und Telaprevir im Jahre 2011. Diese neue Dreifachtherapie erbrachte signifikant erhöhte Heilungsraten, allerdings nur in bestimmten Patientenpopulationen. Erschwerend kam hinzu, dass beide Substanzen zusätzliche, zum Teil schwerwiegende Nebenwirkungen verursachten. Beide Proteaseinhibitoren werden nicht mehr zur Therapie der HCV-Infektion empfohlen, da mittlerweile besser verträgliche und effektivere DAAs zur Verfügung stehen. Seit Januar 2014 steht mit Sofosbuvir ein pangenotypischer und hochpotenter nukleotidischer HCV-Polymeraseinhibitor zur Verfügung. Ein deutlich besser verträglicher Proteaseinhibitor wurde im Mai 2014 für die HCV-Genotypen 1 und 4 zugelassen (Simeprevir). Darüber hinaus wurde im August 2014 Daclatasvir zugelassen, ein NS5A-Inhibitor, der gemeinsam mit Sofosbuvir eingesetzt werden kann. Im November 2014 und Januar 2015 folgten dann weitere Kombinationstherapien für den HCV4 Genotyp 1 von der Firma Gilead (Sofosbuvir + Ledipasvir in einer Tablette) und Abbvie (das sogenannte Abbvie-3D-Regime mit Paritaprevir, Ombitasvir und Dasabuvir), die in großen Phase-3-Studien bei mehr als 95% der Patienten zu einer Ausheilung führten. Die therapeutischen Möglichkeiten haben sich somit für Patienten mit chronischer Hepatitis C dramatisch verbessert. Allerdings haben sich zahlreiche neue Fragen ergeben, die in prospektiven klinischen Studien oder mit Analysen von Patientenregistern beantwortet werden müssen: • Die optimale Therapiedauer für einzelne Therapieregime unterscheidet sich je nach Patientengruppe, und die Zulassungstexte und Leitlinienempfehlungen basieren zum Teil auf sehr kleinen Patientengruppen. So kann beim Einsatz der Kombinationstablette (Ledipasvir + Sofosbuvir) die Behandlung von nicht-zirrhotischen und nicht vorbehandelten Patienten auf 8 Wochen reduziert werden, wenn eine Viruslast von < 6 Mio. IU/ml vorliegt. Allerdings ist dieser Grenzwert für größere Patientengruppen zu bestätigen. Umgekehrt sollte beim HCV-Genotyp 1a bei Vorliegen einer Leberzirrhose die Behandlung bei Einsatz von Paritaprevir, Ombitasvir und Dasabuvir auf 24 Wochen verlängert werden, wenn entweder die Thrombozyten < 90.000/µl, das Albumin < 35 g/l oder das AFB > 20 ng/ml sind. • Weiterhin besteht aktuell kein Konsensus für die optimale Therapie des HCVGenotyp 3, für den prinzipiell eine 24-Wochen-Therapie mit Sofosbuvir + Ribavirin, eine 12–24-Wochen-Behandlung mit Daclatasvir + Sofosbuvir und Ledipasvir + Sofosbuvir zur Verfügung stehen. Wann hier zusätzlich der Einsatz von Ribavirin sinnvoll ist, ist aktuell nicht ausreichend durch prospektive Studiendaten belegt. • Der klinische Nutzen von Resistenztestungen ist für die verschiedenen Therapieregime zu evaluieren. Es sind Varianten des HCV für alle DAA-Klassen identifiziert worden, da diese sehr unterschiedlich häufig auftreten. So sind bei mehr als 3000 Patienten, die mit Sofosbuvir in Phase-2- und -3-Studien therapiert wurden, bisher keine spezifischen Resistenzen entdeckt worden. Im Gegensatz dazu haben bis zu 15% aller natürlich vorkommenden HCV-Stränge eine verminderte Sensitivität gegen NS5A-Inhibitoren. Dennoch spricht die Mehrzahl dieser Patienten auf Behandlungen an, die einen NS5A-Inhibitor enthalten. Grundsätzlich ist daher vor einer Erstbehandlung mit neuen DAAs keine Resistenztestung erforderlich. Falls sich jedoch ein Therapieversagen einstellt, sollte vor einer erneuten Therapie eine Resistenztestung durchgeführt werden, die von mehreren Laboren in Deutschland im Rahmen von wissenschaftlichen Projekten kostenfrei angeboten wird. 5 • Die Therapie von Patienten mit Niereninsuffizienz und Dialyse-Patienten ist ebenfalls nicht abschließend geklärt. Während Sofosbuvir bei einer Kreatinin-Clearance von < 30 ml/min nicht eingesetzt werden sollte, ist dies für die anderen Substanzen in der Regel möglich. • Die Ansprechraten neuer Therapien bei den selteneren Genotypen 4, 5 und 6 werden letztlich nur durch Auswertungen von Registerdaten genauer zu bestimmen sein. Paritaprevir/r in Kombination mit Ombitasvir ist bei Patienten mit Genotyp 4 ohne Zirrhose eine sinnvolle Therapieoption (ohne Dasabuvir!), basierend auf einer Phase-2-Studie. Ledipasvir + Sofosbuvir (12 Wochen) ist bei Patienten mit Genotyp 4, 5 und 6 prinzipiell einsetzbar. Für Sofosbuvir + Ribavirin gibt es kleinere Studien bei Genotyp 4, wobei eine längere Therapie von 24 Wochen empfohlen wird. • Inwieweit sich die Lebersynthese- und -entgiftungsfunktion bei Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose beim Einsatz Interferon-freier Therapien verbessert, muss ebenfalls in größeren Registeranalysen untersucht werden. Erste Hinweise scheinen in der Tat zu bestätigen, dass Albumin, Bilirubin und INR-Werte sich im Verlauf und nach einer Therapie deutlich verbessern können. Allerdings scheinen nicht alle Patienten mit dekompensierter Zirrhose von einer Virusausheilung auch klinisch mit einer Rekompensation zu profitieren. • Die Notwendigkeit einer Gabe von Ribavirin ist nicht für alle Therapieregime und Patientensubgruppen eindeutig definiert. Grundsätzlich scheint Ribavirin eine Verkürzung der Behandlung von Leberzirrhosepatienten mit Ledipasvir + Sofosbuvir von 24 auf 12 Wochen zu ermöglichen. Ob umgekehrt Ribavirin beim Einsatz von Paritaprevir, Ombitasvir und Dasabuvir bei Genotyp-1b-Patienten mit Leberzirrhose wirklich notwendig ist, ist aktuell unklar. Ebenfalls ist die optimale Dosis von Ribavirin bei einer Interferon-freien Therapie nicht ausreichend untersucht. Viele dieser klinisch wichtigen Fragen werden durch die Analyse von Registerdaten zu beantworten sein. In dem großen prospektiven internationalen Register „TARGET“ sind auch Patienten aus Deutschland dokumentiert. Für Deutschland wird aber das „Deutsche Hepatitis-C-Register“ (DHR) die umfassendsten Daten in den nächsten Monaten und Jahren generieren. Mehr als 280 Kliniken und Ärzte beteiligen sich mittlerweile an dem Register, das seit Ende November 2014 Daten dokumentiert. Mittlerweile sind mehr als 2500 Patienten eingeschlossen. Das Gesamtziel ist aktuell, mindestens 10.000 Behandlungen mit neuen DAAs im DHR zu dokumentieren. 6 Moderne Diagnostik der Gallengangsstenose D. Domagk Medizinische Klinik I, Innere Medizin mit Schwerpunkt Gastroenterologie, JosephsHospital Warendorf Die Diagnostik der Gallengangsstenose stellt auch im Jahr 2015 noch eine große Herausforderung dar – trotz vieler Erfolg versprechender Ansätze und fortwährender technischer Neuentwicklungen. Die besondere Herausforderung liegt in der Vielschichtigkeit der biliären Erkrankungen und der Auswahl des jeweils besten diagnostischen Verfahrens. Neben der eigentlichen Erkrankung spielen Faktoren wie das Alter der Patienten, Begleiterkrankungen oder Interventionspflichtigkeit bei der Auswahl des Verfahrens eine wesentliche Rolle. Während beispielsweise bei potenzieller Interventionspflichtigkeit die Indikation zur ERCP relativ großzügig gestellt wird, sollte bei jungen Patienten mit erhöhten Cholestaseparametern zunächst eine weniger invasive Diagnostik (Endosonografie, MRCP) erfolgen. Nach eigenen Untersuchungen ist neben der präoperativen histologischen/ zytologischen Diagnosesicherung ein gezielter Einsatz der Bildgebung erforderlich, wobei die Kombination aus ERCP plus intraduktalem Ultraschall und Computertomografie bzw. Endosonografie die Erfolg versprechendste Variante zu sein scheint. Wo liegen die Perspektiven in der Diagnostik von Erkrankungen des pankreatobiliären Systems in der Zukunft? Ähnlich wie bereits beim transabdominalen Ultraschall realisiert, könnte in der Endosonografie eine weitere Verbesserung durch den Einsatz von Kontrastmitteln erzielt werden – gerade bei der immer noch sehr schwierigen Differenzierung zwischen malignen und benignen Pankreasläsionen. Mit der konfokalen Laserendomikroskopie und der hochauflösenden Videocholangioskopie drängen weitere hoffnungsvolle bildgebende Verfahren auf den Markt, welche aber heute noch nicht abschließend evaluiert erscheinen. 7 S3-Leitlinie Pankreaskarzinom – Was ist neu? W.H. Uhl Direktor der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, St. Josef-Hospital Bochum, Klinik der Ruhr Universität Bochum In Nordrhein-Westfalen erkranken jährlich über 3600 Menschen an einem duktalen Pankreaskarzinom (Epidemiologisches Krebsregister NRW, Report 2013 mit Datenbasis 2011), das die schlechteste Prognose unter den Malignomen hat. Die Inzidenz des Pankreaskarzinoms liegt dabei nahe an der jährlichen Mortalitätsrate, weshalb der Bauchspeicheldrüsenkrebs an der 4. Stelle der Krebstodesstatistik steht. Es besteht deshalb ein ungebrochener Handlungsbedarf, um einerseits die Diagnostik und Therapie zu verbessern, und andererseits die Prognose, Qualität und eine bessere Flächenversorgung von Patienten mit Pankreaskarzinom zu erreichen. In den letzten Jahren gab es neue Ergebnisse und bedeutende Fortschritte. Die 2007 publizierte erste S3-Leitlinie „Exokrines Pankreaskarzinom“ wurde im Rahmen einer Konsensuskonferenz mit einem Literatureinbezug bis Mai 2012 in den Themenkomplexen IV (chirurgische Therapie), V (adjuvante und neoadjuvante Therapie) sowie VI (palliative Therapie) aktualisiert. Die chirurgische Behandlung hat nach wie vor eine zentrale Bedeutung, da sie das einzige potenziell kurative Verfahren darstellt. Ziel ist die Entfernung des Tumors im Gesunden mit bestmöglichem Sicherheitsabstand des Tumorrands zu den Resektionsflächen. Eine präoperative Galleableitung mittels Stent wird nur bei Vorliegen einer Cholangitis empfohlen, kann aber durchgeführt werden, sofern die geplante Operation nicht zeitnah (innerhalb von 2 Wochen) nach Diagnosestellung erfolgen kann. In ausgewählten Fällen ist eine Staging-Laparoskopie zu diskutieren, wenn die Bildgebung keine eindeutigen Befunde hinsichtlich einer Metastasierung in das Peritoneum und/oder die Leber erheben konnte, insbesondere bei hohen CA 19-9Werten von > 1000 U/ml oder wenn im Vorfeld der endosonografische Versuch der bioptischen Malignomsicherung erfolglos war. 8 Erstmals in die Leitline eingegangen ist die Definition von grenzwertig resektablen Pankreaskarzinomen, wobei hier die Guidelines des US-amerikanischen National Comprehensive Cancer Network (NCCN) Anwendung gefunden haben (siehe Tabelle). Gerade in diesen Fällen wurde zudem die Empfehlung zur Einholung einer Zweitmeinung eines interdisziplinären Tumorboards eines tertiären Referenzzentrums mit Schwerpunkt Pankreaschirurgie bezüglich der Resektabilität ausgesprochen. Eine „Ummauerung“ der Arteria mesenterica superior oder des Truncus coeliacus von mehr als 180° wird dabei als nicht sinnvoll resektabel bewertet – stellt jedoch bis dato nach Expertenkonsens keine absolute Kontraindikation dar. Man muss sich aber dabei bewusst sein, dass die perioperative Morbidität und Letalitätsraten erhöht sind. Ein wesentlicher Kernpunkt der neuen S3-Leitlinie im operativen Themenkomplex ist die Forderung nach einer systematischen pathologischen Aufarbeitung des Operationspräparats, gerade im Hinblick darauf, dass unterschiedliche Kriterien für die R-Klassifikation publiziert wurden. Gefordert wird die Markierung der zirkumferenziellen Resektionsränder und die Anwendung des „Konzepts des zirkumferenziellen Resektionsrands“ (CRM-Konzept) in Analogie zum Rektumkarzinom (siehe Abbildungen). Bei der Operation sollen mindestens 10 regionäre Lymphknoten entnommen und das Verhältnis von befallenen zu entnommenen Lymphknoten (Lymph Node Ratio, LNR) im Pathologiebefund mit angegeben werden. In den Themenkomplexen V und VI wurde die adjuvante Chemotherapie mit Gemcitabin und 5-Fluorouracil gleichrangig empfohlen, wobei bei Unverträglichkeit gegenüber einem Regime auf das jeweils andere gewechselt werden sollte. In der Palliativtherapie sollte beim Einsatz der Kombination von Gemcitabin und Erlotinib bei Ausbleiben eines Hautausschlags bis zu 8 Wochen nach Therapiebeginn die Therapie mit Erlotinib beendet werden. Der Quantensprung in der Chemotherapie des Pankreaskarzinoms nach dem FOLFIRINOX-Protokoll fand breiten Konsens und Eingang in die S3-Leitlinie, vor allem bei Patienten mit ECOG 0–1 (Eastern Cooperative Oncology Group), Bilirubinwerten < 1,5 mg/dl und Alter < 75 Jahren, womit eine deutliche Verbesserung der Therapieergebnisse erreicht wurde. Auch die Kombination von nab-Paclitaxel mit Gemcitabin kann als neue Kombination in der Erstlinientherapie eingesetzt werden. Nach Progress unter einer Erstlinientherapie sollte eine Zweitlinientherapie durchgeführt werden. 9 Multimodale Therapie beim Pankreaskarzinom Die Studiendaten zu neoadjuvanten Therapiekonzepten (Chemo- mit oder in der Folge Strahlentherapie) bei Patienten mit resektablen oder grenzwertig resektablen Tumoren sind eine sehr erfolgversprechende zukünftige Option. In den letzten Jahren konnte mit den besser wirksamen intensivierten Chemotherapie-Schemata (FOLFIRINOX und Gemcitabin/nab-Paclitaxel) eine signifikante Tumorregression und sogar mit sekundärer Resektabilität eine bessere Prognose erzielt werden. Der Stellenwert dieser neoadjuvanten Behandlung bei als grenzwertig resektabel/lokal fortgeschrittenen und auch bei als resektabel eingeschätzten Pankreaskarzinomen wird aktuell in 5 verschiedenen Studien untersucht. Die Ergebnisse werden in die nächste S3-Leitlinie eingehen und dann hoffentlich die Rate an kurativ-intendierten R0Tumorresektionen erhöhen, mit dem Ziel das Langzeitüberleben der Patienten mit einem Pankreaskarzinom zu verbessern. Tabelle der Kriterien für grenzwertige Resektabilität: • keine Fernmetastasen • Infiltration der V. mesenterica superior bzw. der Pfortader, entsprechend einem direkten Kontakt des Tumors mit oder ohne Stenosierung des Gefäßlumens in der Bildgebung • Encasement der V. mesenterica superior bzw. der Pfortader ohne gleichzeitiges Encasement der nahegelegenen Arterien • kurzstreckiger venöser Gefäßverschluss durch einen Tumorthrombus oder ein Encasement des Tumors, aber mit geeigneten Gefäßen proximal und distal des Gefäßverschlusses, die eine sichere Resektion und Rekonstruktion erlauben • Encasement der A. gastroduodenalis bis zur A. hepatica mit entweder kurzstreckigem Encasement oder direktem Kontakt zur A. hepatica, aber ohne Ausdehnung bis zum Truncus coeliacus • 10 Ummauerung der A. mesenterica superior bis max. 180° der Gefäßzirkumferenz b a Abb. 1: Standardisierte histologische Aufarbeitung der Resektate mit Markierung aller tumornahen zirkumferenziellen Resektionsgrenzen (CRM; cirumferential resection margin) (a). In Analogie des CRM-Konzepts zum Rektumkarzinom erfolgt die RKassifikation mit Angabe des Tumorabstands zur Resektionsebene in mm (b): R1 = Karzinomzellen am Resektionsrand; R0 narrow = Tumorzellen < 1 mm zum Resektionsrand (RR); R0 wide = Tumorzellen > 1 mm vom Resektionsrand entfernt. Literatur: S3-Leitlinie‚ Exokrines Pankreaskarzinom‘ Registernummer 032.010OL; publiziert am 31.10.2013 auf der Homepage der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften): http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/032-010OL.html. Seufferlein T, Porzner M, Heinemann V, Tannapfel A, Stuschke M, Uhl W. Duktales Pankreaskarzinom. Chirurgische Therapie, pathologische Aufarbeitung des Präparates, neoadjuvante, adjuvante und palliative Therapie. Dtsch Ärztebl Int. 2014;111(22):396–402 (Ausgabe vom 30.05.2014). 11 Chronisch entzündliche Darmerkrankungen – komplexe Verlaufsformen: wie therapieren? M. Reinshagen Medizinische Klinik I, Klinikum Braunschweig Eine Subgruppe von Patienten mit Morbus Crohn und Colitis ulcerosa hat einen chronisch komplizierten Verlauf, der einer besonderen Behandlung bedarf. Was sind die Therapieziele bei diesen Patienten und was können wir 2015 davon realistisch erreichen? Welche klinischen oder sonstigen Marker haben wir zur Verfügung, um diese Subgruppe zu behandeln? Welche dieser Patienten sollten mit TNF-Antikörpern oder Integrin-Antikörpern zu welchem Zeitpunkt und wie lange behandelt werden? Welche Patienten sollten operiert werden und wann kann die immunmodulatorische Therapie beendet werden? Welche neuen Therapiekonzepte befinden sich in der Entwicklung oder in der klinischen Prüfung und welchen Stellenwert könnten sie bekommen? 12 Chronisch entzündliche Darmerkrankungen – komplexe Verlaufsformen: wann operieren? M. Brüwer Klinik für Allgemein-, Visceral- und Kinderchirurgie, St. Franziskus Hospital, Münster Trotz eines umfangreichen Spektrums an medikamentösen Therapieoptionen spielt die Chirurgie noch immer eine wesentliche Rolle in der Behandlung von Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Insbesondere bei schwerwiegenden und komplexen Erkrankungsformen wird durch die Verfügbarkeit verschiedener Immunsuppressiva die Operationsindikation oftmals zu spät gestellt mit der Folge einer durch reduzierten Ernährungszustand und schlechte Immunlage vergesellschafteten erhöhten perioperativen Morbidität, obwohl laut Leitlinie Patienten mit komplexer Erkrankung interdisziplinär diskutiert und chirurgische Optionen frühzeitig im Behandlungskonzept berücksichtigt werden sollten. Selbst bei einem steroidrefraktären M. Crohn mit isoliertem Ileozökalbefall und höherer Krankheitsaktivität sieht die Leitlinie inzwischen die primäre Operation als Alternative zur konservativen Therapie vor, da laut Studienlage die Mehrzahl der Patienten im weiteren Verlauf sowieso operiert werden muss und nach Resektion ca. die Hälfte der Patienten langfristig beschwerdefrei oder -arm bleibt. Eine Operationsindikation besteht zumeist bei unzureichendem Ansprechen auf die medikamentöse Therapie oder Nebenwirkungen der medikamentösen Therapie, seltener sind fulminante Verläufe mit Notfalloperationen oder auch das kolorektale Karzinom. Als Gründe für eine M. Crohn-Operation kommen zusätzlich chronische Ileuszustände durch Stenosen oder Konglomerattumoren, Abszesse und bestimmte Fisteln infrage. Entscheidend für das Outcome der Patienten ist gerade bei komplexer Verlaufsform eine frühzeitige interdisziplinäre Therapie, um den optimalen Zeitpunkt für einen operativen oder/und interventionellen Eingriff und der medikamentösen Therapie zu planen. 13 Zum Beispiel ist es bei der fulminanten Colitis ulcerosa durch Immunsuppressiva mit kurzer Halbwertszeit, wie z. B. Cyclosporin A, gelungen, die Häufigkeit an Notfallkolektomien deutlich zu reduzieren. Im weiteren Verlauf muss sich aber der überwiegende Teil dieser Patienten einer Kolektomie unterziehen, weshalb frühzeitig das weitere Behandlungskonzept interdisziplinär besprochen werden sollte. Entsprechend sollten diese Patienten an Zentren angebunden werden mit ausreichender Erfahrung im Management dieser Erkrankungen. Bei bestehender OP-Indikation muss abgewogen werden, ob ein Absetzen der immunsuppressiven Medikation (insbesondere Biologika) und/oder eine Reduktion der Steroide in ausreichendem Abstand zu einer Operation klinisch möglich ist, ohne dass es dabei zu einer Zunahme der Krankheitsaktivität kommt, die wiederum negative Einflüsse auf den Operationsverlauf hat. Dies gilt auch für die präoperative enterale Zusatz- ggf. parenterale Ernährung zur potenziellen Verbesserung des Ernährungszustands bei Patienten in sehr reduziertem Ernährungszustand. Präoperativ sollten Kortikoide auf eine Dosis von < 20 mg Prednisolon/Tag reduziert werden, bei Einnahme von Anti-TNF-α-Antikörpern sollte die Operation frühestens 4 Wochen nach der letzten Infliximabgabe bzw. 2 Wochen nach der letzten Adalimumabgabe erfolgen. Bei immunsupprimierten Patienten in schlechtem Allgemein- und Ernährungszustand treten vermehrt lokalseptische Komplikationen inklusive Anastomoseninsuffizienzen auf: Daher sollte bei diesen Patienten und in der Notfallsituation die Anlage eines Stomas – entweder als Anastomosenstoma oder als protektives Stoma – vor der Anastomose in Erwägung gezogen werden. Bei der Colitis ulcerosa sollte die Operation dreizeitig erfolgen, d. h. im ersten Schritt als Kolektomie, Rektumblindverschluss und terminales Ileostoma. Erst nach Erholung des Patienten (in der Regel nach 6 Monaten) erfolgt die Proktektomie mit ileumpouchanaler Anastomose. 14 Abb. 1: Ausgedehnter Hufeisenabszess bei 18-jähriger Morbus-Crohn-Patientin Abb. 2: Begleitende interenterische Fistel (Ileum – Sigma) 15 Endoskopie 2015: was bleibt, was kommt? T. Beyna, H. Neuhaus Medizinische Klinik, Ev. Krankenhaus Düsseldorf Die diagnostische und therapeutische Endoskopie hat in den letzten Jahren viele Neuerungen erfahren. Damit wurden neben den etablierten Indikationen Anwendungsgebiete erschlossen, die zuvor undenkbar schienen und zu den Domänen operativer Disziplinen zählten. So ist die Technik der Endoskopie im „3. Raum“, also in einem künstlich geschaffenen Raum innerhalb der Wand des Magen-Darm-Trakts – ursprünglich als „Abfallprodukt“ bei der Entwicklung schonender chirurgischer Verfahren entstanden – immer weiter fortgeschritten. Erstmalig im Jahre 2010 setzte Prof. H. Inoue, Yokohama (Japan), die Technik zur Spaltung der Muskulatur der Speiseröhre (peroral endoscopic myotomy of the esophagus, POEM) bei der Achalasie als Alternative zur chirurgischen Myotomie nach Heller ein. Seit der europaweit ersten Live-Demonstration einer POEM im Rahmen des Internationalen Düsseldorfer Endoskopie Symposiums 2011 wird der Eingriff auch in der westlichen Welt an spezialisierten Zentren mit hoher Expertise durchgeführt. Die Indikationsstellung konnte dabei im Laufe der kurzen Zeit auf verschiedene spastische Motilitätsstörungen der Speiseröhre erweitert werden. Dabei wird die Methode in mehreren internationalen randomisierten kontrollierten Studien weiter evaluiert. Die bisherigen Ergebnisse lassen voraussagen, dass durch die Methode aktuell und zukünftig in noch größerem Maße große chirurgische Eingriffe durch die schonende Endoskopie mindestens gleichwertig ersetzt werden können. Als besondere Erweiterung von POEM ist es heute möglich, durch einen endoskopisch in der Wand geschaffenen Tunnel Tumoren der Speiseröhre und des Magens, die aufgrund ihres Wachstums unter der Oberfläche der Wand bis dato endoskopischen Verfahren nur sehr eingeschränkt zugänglich waren (submucosal tunneling endoscopic resection, STER), vollständig zu entfernen. Zur endoskopischen Entfernung auch großer auf die Oberfläche des Magen-DarmTrakts beschränkter gutartiger und bösartiger Neubildungen steht dem Endoskopiker inzwischen eine breite Palette an Resektionsverfahren zur Verfügung wie der einfachen und schnellen sogenannten Mukosaresektion (EMR) für gutartige und kleine 16 Veränderungen sowie der endoskopischen Submukosadissektion (ESD), einem Verfahren was in der Hand des Experten die Entfernung auch großer auf die Oberfläche beschränkter Tumoren als Ganzes erlaubt, was in der Behandlung bösartiger Tumoren eine conditio sine qua non darstellt. Somit kann heutzutage oft ein – evtl. auch sekundärer – chirurgischer Eingriff vermieden werden. Seit Kurzem steht zudem ein Verfahren zur Verfügung, das bei bestimmten Indikationen die endoskopische Entfernung eines umschriebenen Teils der kompletten Darmwand mit gleichzeitigem Verschluss des entstehenden Lochs durch ein spezielles Klammersystem (endoscopic full thickness resection, EFTR) erlaubt. Hier sind die ersten Ergebnisse sehr vielversprechend, sodass sich auch hier die Endoskopie als hervorragende Alternative zur Chirurgie herauskristallisiert. Das Verfahren kommt insbesondere für Rezidive von Adenomen nach EMR infrage, die sich aufgrund einer Vernarbung nicht mehr mittels EMR oder ESD entfernen lassen. Die Technik des endoskopischen Ultraschalls hat sich bereits in den letzten Jahren weg von einer rein diagnostischen Methode in der Hand des Experten zu einem hochkomplexen interventionellen Verfahren weiterentwickelt. Längst sind Verfahren wie die endosonografisch gesteuerte Punktion von Tumoren, die Drainage von Gallenund Bauchspeicheldrüsengängen und -verhalten weit verbreitet. Die Entwicklung neuer speziell geformter und beschichteter selbstexpandierender Metallstent-Systeme lässt nun auch seit Kurzem in bestimmten – meist palliativen – Situationen die Anlage von Kurzschlussverbindungen zwischen Magen und Dünndarm (sogenannte Gastroenterostomie) zu, um eine meist durch einen Tumor verschlossene Passage der Nahrung aus dem Magen in den Dünndarm wiederherzustellen (lumen apposition stent). Hierdurch könnten zukünftig chirurgische Eingriffe bei schwerkranken Patienten mit fortgeschrittenem, schwerem Tumorleiden vermieden werden. Tumoren im Bereich der Gallenwege und der Bauchspeicheldrüse werden häufig zu einem Zeitpunkt diagnostiziert, an dem eine vollständige chirurgische Entfernung nicht mehr möglich ist. Häufigste Komplikation im Verlauf der Erkrankung ist dann die Entwicklung einer Gelbsucht (Ikterus) durch einen Verschluss der Gallenwege durch den Tumor. Bisher war die Prämisse der endoskopischen Therapie hier die Wiederherstellung des Galleflusses durch den Einsatz von Stents. Durch die neu entwickelte endoskopische Methode der Radiofrequenz-Thermoablation – Hoch 17 frequenzstrom erzeugt eine Hitzeverschorfung – kann nun zusätzlich eine direkte Zerstörung von Tumorgewebe im Gallengang erfolgen und damit das lokale Tumorwachstum eingedämmt werden. Durch Neuentwicklungen auf dem Gebiet der direkten Gallenwegsspiegelung (Cholangioskopie) kann hier zukünftig sowohl Diagnostik als auch Therapie unter direkter endoskopischer Sicht durchgeführt werden. Als bahnbrechend kann man schließlich den vollkommen neuartigen Ansatz der endoskopischen Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 ansehen. Der Diabetes mellitus Typ 2 entsteht in der Regel durch die zunehmende Resistenz des Körpers gegen körpereigenes Insulin sowie eine Erschöpfung der endogenen Produktionsreserve der Bauchspeicheldrüse. Die bisherige Behandlung fußt unter anderem auf einer Substitution von Insulin sowie der medikamentösen Beeinflussung hormoneller Regelkreise zwischen Blutzuckerspiegel, Bauchspeicheldrüse und anderer hormonell aktiver Zellen der Wand des Zwölffingerdarms. Inzwischen weiß man, dass es im Laufe der Erkrankung zu einer pathologischen Vermehrung dieser Zellen kommt und durch die damit zunehmende Hormonproduktion (glucose-dependent insulinotropic peptide, GIP) eine Art Teufelskreis unterhalten wird. Mit einer neu entwickelten Methode (duodenal mucosal resurfacing, DMR) wird endoskopisch die Wand des Zwölffingerdarms verschorft und damit die Last an hormonproduzierenden Zellen radikal reduziert. Inzwischen liegen erste Studienergebnisse vor. Diese legen nahe, dass durch die Methode der für Typ-2-Diabetiker therapierelevante HbA1c-Wert nachhaltig um nahezu 2% gesenkt werden kann und damit mindestens als äquivalent zu einer medikamentösen Dauertherapie anzusehen wäre. Hier stehen große Studien mit Langzeitdaten allerdings noch aus. So wichtig wie diese Ergebnisse für den Einzelpatienten sind, so erheblich könnten hier zukünftig die Auswirkungen auf die Volkskrankheit Diabetes und die Finanzierbarkeit der Therapie für mehrere Millionen Erkrankte allein in Deutschland sein. Viele der oben angeführten Neuentwicklungen haben zu einer erheblichen Ausweitung der Indikation zur endoskopischen Therapie geführt. Die Entwicklung der letzten Jahre lässt dabei die Hoffnung berechtigt erscheinen, dass mit weiteren Fortschritten zu rechnen ist. 18 Divertikulitis – leitliniengerechte Therapie L. Leifeld Klinik für Innere Medizin III, St. Bernward-Krankenhaus, Hildesheim Die Divertikulose, das asymptomatische Vorhandensein von Divertikeln, ist ausgesprochen häufig. 28–45% der Bevölkerung entwickelt Kolondivertikel. Sie treten überwiegend im fortgeschrittenen Lebensalter auf, allerdings ist zu beobachten, dass zunehmend auch jüngere Menschen hiervon betroffen sind. Wenn zusätzlich Beschwerden wie Schmerzen auftreten, spricht man von der Divertikelkrankheit, womit ca. 30% der Betroffenen rechnen müssen. Eine Ursache kann die Divertikulitis sein, die Entzündung der Divertikel und angrenzender Strukturen. Komplikationen wie Abszesse, Perforationen, Fisteln, Stenosen oder Blutungen treten bei ca. 5% auf. Diagnostisch ist neben der klinischen Untersuchung die Darmsonografie oder gegebenenfalls die Computertomografie notwendig. Die Koloskopie wird im Intervall empfohlen, zum Ausschluss von Komorbiditäten. Die erste deutsche Leitlinie (Leifeld et al. Z Gastroenterol. 2014;52:663–710) hat eine neue Klassifikation der Erkrankung entwickelt, zur Stratifikation der Verlaufsformen und Komplikationen. Ungünstig für den Verlauf der Divertikulose sind ballaststoffarme Diät, Adipositas, Bewegungsmangel, Rauchen und eine Immunsuppression. Entgegen dem weitläufigen Usus werden Antibiotika bei der unkomplizierten Divertikulitis nicht mehr empfohlen, wenn keine Risikofaktoren wie eine Immunsuppression, eine arterielle Hypertonie, chronische Nierenerkrankungen oder eine allergische Disposition vorliegen. Aminosalicylate können bei der Divertikelkrankheit gegeben werden, da sie hier wahrscheinlich einen günstigen Einfluss auf den Schmerz haben, den Verlauf einer Divertikulitis modifizieren sie hingegen wahrscheinlich nicht. Häufig kann die unkomplizierte Divertikulitis ambulant therapiert werden, eine engmaschige ärztliche Überwachung vorausgesetzt. Hingegen sollte die komplizierte Divertikulitis stationär behandelt werden, inklusive breiter Antibiotikatherapie, gegebenenfalls Abszessdrainagen und Operationen. 19 Stuhltransplantation – Hype oder echte Innovation? S.J. Ott Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel Die Stuhltransplantation (auch fäkale Mikrobiota-Transplantation, FMT) hat sich in den letzten Jahren zu einer ernsthaften Therapieoption in der Behandlung der rezidivierenden Clostridium-difficile-Infektion entwickelt. Der Definition nach handelt es sich um ein Verfahren, bei dem einem Patienten das Mikrobiom eines gesunden Spenders transplantiert wird. Die FMT ist bereits im 4. Jahrhundert in China bei Lebensmittelvergiftungen zur Anwendung gekommen und wurde über die Jahrhunderte mehrfach als Therapieverfahren bei verschiedenen Erkrankungen erwähnt, bis 1958 in Denver ein Patient mit einer lebensbedrohlichen pseudomembranösen Kolitis erfolgreich therapiert werden konnte (Eiseman et al. 1958). Der aktuelle Hype um die FMT geht auf eine Studie von van Nood und Mitarbeitern aus dem Jahre 2013 zurück (van Nood et al. 2013), in der Patienten mit rezidivierender C. difficile-Infektion entweder Vancomycin, Vancomycin plus Darmspülung oder eine Stuhltransplantation (FMT) erhielten. Endpunkt der Studie war ein erneutes Rezidiv der C. difficile-Infektion. Nach einer Interimsanalyse wurde die Studie schließlich wegen der deutlichen Überlegenheit der FMT im Vergleich zu den Standardverfahren abgebrochen (van Nood et al. 2013). Die Grundidee der FMT beruht auf der Beobachtung, dass das humane Mikrobiom nach Therapie mit (Breitspektrum-)Antibiotika so nachhaltig geschädigt wird, dass das Wachstum und die Aktivierung von C. difficile begünstigt werden. Unter anderem kommt es zu einer veränderten Zusammensetzung der bakteriellen Populationen und zu einer verminderten Diversität, der sog. Dysbiose (Chang et al. 2008). Mit der FMT kann die Dysbiose nachweislich beseitigt werden, die gesunde Spenderflora kolonisiert den Verdauungstrakt des Empfängers und kann C. difficile eliminieren (van Nood et al. 2013, Lawley et al. 2012). Infektionen mit C. difficile nehmen weltweit stark zu und sind mittlerweile für etwa 20–30% aller Antibiotika-assoziierten Diarrhöen verantwortlich. Insgesamt verursacht C. difficile zweimal mehr nosokomiale Infektionen als MRSA. In den letzten Jahren haben sich zudem aggressivere Stämme verbreitet, die mit deutlich höheren 20 Komplikationsraten wie toxisches Megakolon, Kolonperforation oder Sepsis assoziiert sind. Die Mortalität liegt in Europa bei 22%. Die Standardtherapie der C. difficile-Infektion ist eine in der Regel 10-tägige Behandlung mit teils darmselektiven Antibiotika wie Metronidazol, Vancomycin oder Rifaximin. Die Ansprechraten sind hoch, Resistenzen stellen kein ernsthaftes Problem dar. Allerdings kommt es bei einem hohen Prozentsatz (> 25%) der initial erfolgreich behandelten Patienten zu einem oder mehreren Rezidiven, die zu einer hohen Morbidität und enormen sozioökonomischen Kosten führen. Die hohen Rezidivraten werden unter anderem mit der Fähigkeit von C. difficile erklärt, umwelt- und therapieresistente Sporen auszubilden. Die Einführung neuer Antibiotika wie Fidaxomicin konnte die Rezidivraten nach anfänglich vielversprechenden Daten (u. a. Louie et al. 2011) nicht wesentlich senken. Die FMT wurde mittlerweile weltweit bei mehreren Tausend Patienten mit rezidivierender C. difficile-Infektion therapeutisch eingesetzt. Die Erfolgsraten im Sinne einer Rezidivfreiheit liegen bei > 80%. In der Regel ist eine einzige Transplantation ausreichend, gelegentlich ist eine zweite FMT notwendig. Das Stuhltransplantat wird über verschiedene Arbeitsschritte (u. a. Homogenisierung und Filtration) aus dem Stuhl eines gesunden Spenders gewonnen und dem Empfänger verabreicht. Mögliche Applikationswege sind die nasojejunale Sonde (van Nood et al. 2013), die koloskopische Gabe oder Einläufe. Der Spender wird aufgrund ähnlicher Umweltfaktoren und des genetischen Hintergrunds bevorzugt aus dem familiären Umfeld rekrutiert, gelegentlich muss auf Fremdspender zurückgegriffen werden. Der Spender muss einem sorgfältigen Screening unterzogen werden, um das Risiko einer Übertragung von Infektionen und Krankheiten zu minimieren. Dazu zählen eine umfassende Anamnese, insbesondere auf maligne und chronische Erkrankungen, eine körperliche Untersuchung sowie unterschiedliche Stuhl- und Blutuntersuchungen (siehe nachfolgende Tabelle). 21 Screening-Kriterien Keine Diarrhöen oder IBS, Malignome des GI-Trakts, Polypen Normaler BMI (18–25 kg/m2) Negative Familienanamnese für Autoimmunerkrankungen (e.g. IBD, Diabetes Typ 1) Ausschluss von HIV, Hepatitis, CMV, EBV, Lues Keine unsicheren sexuellen Praktiken, kein Drogenabusus Screening auf pathogene Erreger (Bakterien, inkl. C. difficile), Viren (Noro), Parasiten Medikamente: PPI und Antibiotika innerhalb der letzten 3 Monate Keine Reisen in Endemiegebiete für Durchfallerkrankungen innerhalb von 3 Monaten Keine immunsuppressive Medikation oder Chemotherapie Tab. 1: Vorgeschlagenes Spenderscreening Spender Empfänger Spenderscreening ‐ ‐ ‐ Anlage der nasojejunalen Sonde am Tag der FMT Anamnese Blutuntersuchungen Stuhltests (Dauer: ca. 3 Tage) Antibiotika am Tag vor FMT absetzen! Abgabe von ca. 50 g Stuhl am Tag der FMT Darmspülung mit 1 l Spüllösung über die Sonde < 6 Stunden Vorbereitung der Suspension Abb. 1: Praktisches Vorgehen bei FMT 22 FMT über 30 Minuten Da die FMT derzeit nicht offiziell als Therapieverfahren zugelassen ist, müssen die Empfänger sorgfältig und umfassend aufgeklärt werden. Mögliche Akutkomplikationen sind Infektionen bis zur Sepsis durch bakterielle Translokation aus dem Darm oder Übertragung von Pathogenen. Langzeitrisiken sind derzeit nicht absehbar, denkbar ist eine Übertragung eines Risikos für Erkrankungen, die mit Veränderungen des Mikrobioms assoziiert sind, z. B. Darmkrebs oder Morbus Parkinson. Aufgrund dieser Unsicherheiten wurde die Indikation von der amerikanischen Arzneimittelbehörde (FDA) auf die rezidivierende C. difficile-Infektion beschränkt. Langzeitregister sollen die Frage nach möglichen Spätkomplikationen beantworten. Weiterentwicklungen der FMT zielen derzeit auf eine Ausweitung auf andere Erkrankungen, die mit Veränderungen des Mikrobioms assoziiert sind. Dazu zählen insbesondere die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen sowie metabolische Krankheiten wie Diabetes oder Adipositas. Alternative Applikationsformen der FMT, z. B. in Form von Kapseln, sind derzeit in der Entwicklung. Zusammenfassend kann die FMT als eine schonende und sichere Therapieoption bei rezidivierender C. difficile-Infektion alternativ zur Standardtherapie eingesetzt werden. Die Therapie zeigt hohe Erfolgsraten und eine gute Patientenakzeptanz. Akutkomplikationen können durch ein sorgfältiges Spenderscreening minimiert werden, mögliche Langzeitrisiken können derzeit noch nicht abgeschätzt werden. Literatur: Eiseman B, Silen W, Bascom GS, Kauvar AJ. Fecal enema as an adjunct in the treatment of pseudomembranous enterocolitis. Surgery. 1958;44(5):854–9. van Nood E, Vrieze A, Nieuwdorp M, Fuentes S, Zoetendal EG, de Vos WM, et al. Duodenal infusion of donor feces for recurrent Clostridium difficile. N Engl J Med. 2013;368(5):407–15. Chang JY, Antonopoulos DA, Kalra A, Tonelli A, Khalife WT, Schmidt TM, et al. Decreased diversity of the fecal microbiome in recurrent Clostridium difficileassociated diarrhea. J Infect Dis. 2008;197(3):435–8. Lawley TD, Clare S, Walker AW, Stares MD, Connor TR, Raisen C, et al. Targeted restoration of the intestinal microbiota with a simple, defined bacteriotherapy resolves relapsing Clostridium difficile disease in mice. PLoS Pathog. 2012;8(10):e1002995. Louie TJ, Miller MA, Mullane KM, Weiss K, Lentnek A, Golan Y, et al. Fidaxomicin versus vancomycin for Clostridium difficile infection. N Engl J Med. 2011;364(5): 422–31. 23 Kolorektale Polypen – histologische Differenzierung und klinische Konsequenzen A. Tannapfel Institut für Pathologie der Ruhr-Universität Bochum Für das klinische Management von Patienten mit kolorektalen Polypen ist es von Bedeutung, ob es sich um einen nicht-neoplastischen (reaktiv/hyperplastisch, hamartomatös etc.) oder um einen neoplastischen Polypen handelt. Jedes histologisch nachgewiesene Adenom stellt ein erhöhtes Risiko für ein kolorektales Karzinom (KRK) dar. Dies gilt insbesondere für multiple (≥ 3) Adenome und große (> 1 cm) Adenome. Die durchschnittliche Prävalenz kolorektaler Adenome in den westlichen Industrienationen liegt koloskopisch bei 25% (bei Sigmoidoskopie bei 10%). Karzinome des Gastrointestinaltrakts entstehen immer über die Progression von Vorläuferläsionen durch die Akkumulation genetischer Veränderungen. Der Startpunkt, d. h. die primären, die klonale Proliferation auslösenden Veränderungen geben hierbei die Richtung des Karzinogenesewegs vor. Die Veränderungen der genetischen oder epigenetischen Ausstattung der Zellen können histopathologisch sichtbar werden – man nennt diese Vorstufen dann Adenome. Modellbeispiele für das sequenzielle Entstehen kolorektaler Neoplasien stellen hereditäre Erkrankungen dar, in deren Rahmen gehäuft KRK auftreten. Insbesondere sind dies die familiäre Adenomatosis polyposis coli (FAP) und das Lynch-Syndrom (früher: hereditäres nicht-polypöses kolorektales Karzinom, HNPCC). Beide zusammen skizzieren die Bandbreite der möglichen Karzinogenesewege. Weniger als 1% aller KRK werden auf eine FAP zurückgeführt. Zwischen 30 und 50% der FAPPatienten sind De-novo-Betroffene, ausgelöst durch neue Keimbahnmutationen des APC-Gens oder APC-Genmosaike. Die FAP steht beispielhaft für den sogenannten Suppressor-Pathway mit charakteristischem Mutationsmuster und einer Mutation des APC-Gens, einem zentralen Molekül des Wnt-Signalwegs. Die Alteration dieses Signalwegs durch eine sporadische, d. h. nicht hereditär bedingte Mutation ist für etwa 60% der KRK verantwortlich. Dieser Ablauf der Tumorentstehung wird auch als chromosomal instabiler Karzinogeneseweg (CIN) beschrieben. 24 Dem Lynch-Syndrom, einer hereditären Erkrankung mit einer Keimbahnmutation in einem DNA-Reparaturprotein, liegt ein alternatives Progressionsmodell zugrunde. Für das Lynch-Syndrom sind KRK, aber auch Endometriumkarzinome und andere maligne Erkrankungen charakteristisch. Auch sporadisch, nicht im Rahmen einer hereditären Erkrankung, kann eine primäre Alteration des DNA-Reparaturmechanismus auftreten und es kommt zur Anreicherung von genetischen Veränderungen, besonders von Punktmutationen. Dieser Mechanismus wird als Mutatorphänotyp (MIN) bezeichnet und charakterisiert etwa 5% aller KRK. Diese zeigen meist einen Expressionsverlust von MLH1, einem DNA-Reparaturprotein. Der Verlust der Genexpression beruht somit nicht auf einer Keimbahnmutation, sondern auf einer Promotormethylierung. Daneben ist die Mikrosatelliteninstabilität ein weiteres charakteristisches und diagnostisch nutzbares Merkmal dieser Tumoren, die eine Folge der gestörten DNA-Reparatur darstellt. Durch die fehlende Korrektur von Fehlern, besonders in repetitiven DNAAnteilen, kommt es hier zu Längenunterschieden, die diagnostisch genutzt werden. Diese Veränderungen sind Kennzeichen des sogenannten serratierten Pathways, die zu KRK führen, die einen CpG-Insel-Methylierungsphänotyp (CIMP) aufweisen. Damit werden spezifische DNA-Modifikationen bezeichnet, die durch die Methylierung von CpG-Inseln (spezieller DNA-Regionen, die häufig im Promotorbereich von Genen vorkommen) auftreten. Durch die Promotormethylierung kann die Genexpression verhindert werden wodurch vergleichbare Effekte wie bei einer Mutation ausgelöst werden. Zeitdauer bis zur Karzinomentwicklung Suppressor-Pathway = klassische Adenom-Karzinom-Sequenz: Histomorphologisch ist die erste fassbare Veränderung die Entstehung sogenannter aberranter Kryptenfoci, d. h. eine Alteration der normalen Struktur der Kolonschleimhaut mit einer Veränderung der Kryptenepithelien und der Kryptenformation, zunächst auf eine oder wenige Krypten beschränkt. Etwa die Hälfte aller Erwachsenen weist solche aberranten Kryptenfoci auf. Im weiteren Verlauf kommt es zur Verlängerung der Krypten mit Bildung klassischer tubulärer Strukturen und der Ausbildung des Schleimhautpolypen, der auch endoskopisch fassbar ist. Durch moderne endoskopische Techniken können auch schon frühe Läsionen sichtbar gemacht und abgetragen werden. 25 Molekularbiologisch ist die erste Veränderung eine Mutation des APC-Gens, die zu einer unregulierten Proliferation führt und zur Entwicklung des „klassischen“ Adenoms mit tubulärer, tubulovillöser oder villöser Histologie. Im Verlauf akkumulieren weitere genetische Veränderungen in mehr oder weniger zufälliger Reihenfolge, die zur Progression des Adenoms führen, wobei jedoch die Mehrzahl dieser Adenome keine weitere Progression zum Karzinom zeigt. In der Literatur wird von einem etwa 10-jährigen Intervall von einem 1 cm großen Adenom mit niedriggradiger intraepithelialer Neoplasie bis zu einem invasiven Karzinom ausgegangen, folgt es dieser klassischen Adenom-Karzinom-Sequenz. Bisher waren die Screeningprogramme darauf ausgelegt, eben diese Sequenz zu unterbrechen. Serratierte Karzinogenese Histomorphologisch werden serratierte Läsionen in verschiedene Subtypen unterteilt. Die WHO unterscheidet hier Läsionen mit und ohne Dysplasien. Nach Definition der WHO ist eine Dysplasie histologisch (und auch zytologisch) eindeutig neoplastisches Epithel ohne Nachweis invasiven Wachstums. Durch den Terminus „intraepitheliale Neoplasie“ kann zudem nicht nur die zytologische Alteration, sondern auch die architektonische Veränderung der Läsion beschrieben werden. Diagnostisch unterscheidet man hyperplastische Polypen von sessilen serratierten Polypen/Adenomen (SSA) und traditionellen serratierten Polypen/Adenomen (TSA), wobei der Begriff Adenom und Polyp für TSA und SSA laut WHO synonym gebraucht werden darf. Hyperplastische Polypen sind die häufigsten serratierten Läsionen und entstehen formal aus dem hyperplastischen Subtyp des aberranten Kryptenfokus. Es werden hier verschiedene Subtypen unterschieden: ein becherzellreicher, ein mikrovesikulärer und ein muzinarmer Subtyp. Der mikrovesikuläre Subtyp ist die häufigste Variante und wird von einzelnen Autoren aufgrund des Vorkommens einer BRAFMutation auch als Vorläuferläsion der serratierten Adenome gesehen, während der becherzellreiche Subtyp eher eine KRAS-Mutation aufweist. Sessile serratierte Adenome (SSA) Sessile serratierte Adenome machen 20% der serratierten Läsionen aus und sind histologisch gekennzeichnet durch eine Serration mit basalen Architekturstörungen mit L-förmiger Kryptenkonfiguration und teilweise einer Pseudoinvasion. Nukleäre Atypien können vorkommen. Mit zunehmender Progression treten auch zytologische Atypien 26 auf. Traditionelle serratierte Adenome hingegen zeigen ein komplexes villöses Wachstumsmuster und zytologische Atypien mit meist typisch eosinophilem Zytoplasma. Molekularbiologisch steht eine BRAF-Mutation im Vordergrund der Adenominitiation. BRAF stellt einen wesentlichen Apoptoseinhibitor dar und eine aktivierende Mutation dieses Gens bildet den zentralen Mechanismus der Entwicklung serratierter Läsionen, beginnend mit einem sessilen serratierten Adenom. Durch die Apoptosehemmung kommt es zur Zunahme der Zellzahl in einer Krypte und dadurch zum charakteristischen serratierten Phänotyp. Gegenspieler dieser Zellakkumulation ist die Onkogeninduzierte Seneszenz, die durch Telomerveränderungen und die Induktion von Tumorsuppressoren wie p16 und IGFBP7 vermittelt wird und die Läsion in einen Schlafmodus versetzt. Kommt es in diesen Läsionen im weiteren Verlauf zu willkürlich verlaufenden epigenetischen Veränderungen, können diese das weitere Schicksal der Läsion bestimmen. Die Promotormethylierung von p16 ist ein häufig nachweisbares Phänomen in diesen Läsionen. Dadurch wird der oben beschriebene Schlafmodus gestoppt und die Progression initiiert. Folgt beispielsweise weiter die Promotormethylierung des DNA-Reparaturproteins MLH1, so wird die Karzinogenese beschleunigt und es entsteht das CIMP-positive/MSI-H-Adenokarzinom, vergleichbar zum oben beschriebenen Lynch-Syndrom. Traditionelle serratierte Adenome (TSA) Es werden jedoch noch weitere alternative serratierte Karzinogenesewege postuliert. So weisen die becherzellreichen hyperplastischen Polypen keine BRAF-, sondern eine KRAS-Mutation auf, die pathogenetisch einen ähnlichen Effekt ausüben kann. Auch für die traditionellen serratierten Adenome, die mit 1–6% seltensten serratierten Läsionen, ist in bis zu 25% der Läsionen eine KRAS-Mutation beschrieben. Auch wenn diese Läsionen einen CIMP-Phänotyp aufweisen, zeigen sie doch keine MLH1Promotormethylierung, sodass hier ein anderes genetisches Profil vorliegt. Einschätzung des Progressionsrisikos In der aktuellen Literatur wird das Progressionsrisiko dieser Läsionen unterschiedlich beurteilt. Problematisch ist hier, dass viele Langzeitstudien, aus denen die aktuellen Daten zum Progressionsrisiko stammen, noch vor der breiten Einführung der serratierten Karzinogenese begannen und daher diese Läsionen dort nicht in ihrer 27 ganzen Bandbreite berücksichtigt werden. Ältere Studien sprechen für eine schnellere Progression, wie oben beschrieben. Des Weiteren konnte in einer Fallserie eine Zeitdauer für die Progression von SSA zu invasiven Karzinomen als Intervallkarzinome von 3 Jahren in 18% und für 27% eine Progressionsdauer von 3–6 Jahren bestimmt werden. Insgesamt belegt die Literatur für serratierte Läsionen eine meist höhere Proliferationsrate und eine höhere Rezidivrate. Allerdings wird dies zunehmend kritisch betrachtet. Einen Anhalt geben hier größere epidemiologische Studien. Auch wenn man den wichtigen Unterschied zwischen Progressionsgeschwindigkeit und Erkrankungszeitpunkt/Alter bei Diagnosestellung berücksichtigt, so spricht dies für einen eher indolenten Verlauf der serratierten Läsionen. Karzinome mit CIMPpositivem Phänotyp treten eher bei Patienten in höherem Lebensalter auf. So liegt das mittlere Erkrankungsalter für sessile serratierte Adenome bei 61 Lebensjahren und für serratierte Karzinome bei 76 Jahren. Dies entspricht ebenfalls einer Zeitspanne von etwa 15 Jahren, wie bei der klassischen Karzinogenese. 28 Anschriften der Referenten und Vorsitzenden Prof. Dr. Matthias Brüwer Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Kinderchirurgie St. Franziskus-Hospital Hohenzollernring 72 48145 Münster Prof. Dr. Karel Caca Klinik für Innere Medizin, Gastroenterologie, Hämato-Onkologie, Diabetologie und Infektiologie Klinikum Ludwigsburg Posilipostr. 4 71640 Ludwigsburg Prof. Dr. Dirk Domagk Medizinische Klinik I Innere Medizin m. S. Gastroenterologie Josephs-Hospital Warendorf Am Krankenhaus 2 48231 Warendorf PD Dr. Jan Heidemann Klinik für Gastroenterologie Klinikum Bielefeld Teutoburger Str. 50 33604 Bielefeld Prof. Dr. Michael Heise Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Ev. Krankenhaus Bielefeld Standort Johannesstift Schildescher Str. 99 33611 Bielefeld Prof. Dr. Christoph Isbert Klinik für Allgemein-, Viszeralund koloproktologische Chirurgie Amalie-Sieveking-Krankenhaus Haselkamp 33 22359 Hamburg Prof. Dr. Martin Krüger Klinik für Innere Medizin und Gastroenterologie Ev. Krankenhaus Bielefeld Standort Johannesstift Schildescher Str. 99 33611 Bielefeld Prof. Dr. Ludger Leifeld Klinik für Innere Medizin III St. Bernward-Krankenhaus Treibestr. 9 31134 Hildesheim Prof. Dr. Dr. h.c. Mathias Löhnert Klinik für Allgemeinchirurgie und Koloproktologie Klinikum Bielefeld An der Rosenhöhe 27 33647 Bielefeld Prof. Dr. Dr. Bernd Luther Klinik für Gefäßchirurgie Helios Klinikum Krefeld Lutherplatz 40 47805 Krefeld Prof. Dr. Horst Neuhaus Klinik für Innere Medizin Ev. Krankenhaus Kirchfeldstr. 40 40217 Düsseldorf Prof. Dr. Stephan Johannes Ott Klinik für Innere Medizin I Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel Arnold-Heller-Str. 3 (Haus 6) 24105 Kiel Prof. Dr. Jürgen Pohl Klinik für Innere Medizin und Gastroenterologie Vivantes Klinikum im Friedrichshain Landsberger Allee 49 10249 Berlin 29 Prof. Dr. Max Reinshagen Klinik für Innere Medizin I Städtisches Klinikum Braunschweig Salzdahlumer Str. 90 38126 Braunschweig Prof. Dr. Guido Schürmann Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Klinikum Bielefeld Teutoburger Str. 50 33604 Bielefeld Prof. Dr. Andrea Tannapfel Institut für Pathologie Ruhr-Universität Bochum Bürkle-de-la-Camp-Platz 1 44789 Bochum Prof. Dr. Waldemar H. Uhl Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie St. Josef-Hospital Ruhr-Universität Bochum Gudrunstr. 56 44791 Bochum Prof. Dr. Heiner Wedemeyer Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Str. 1 30625 Hannover 30