Gesundheitsversorgung im Land Staatsanzeiger · Freitag, 18. Mai 2012 · Nr. 19 Initiative Singende Krankenhäuser Lieder gegen Stress, Schmerz und Depressionen „Singen macht gesund“, sagt Musiktherapeut Wolfgang Bossinger. Er ist Vorsitzender des Vereins Singende Krankenhäuser, der sich für mehr Musik in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen einsetzt. Die Initiative hat bereits viele Anhänger und in Gerlinde Kretschmann eine prominente Unterstützerin. zwischen zählt er 100 Förder- und 20 korporative Mitglieder wie Altenheime, Praxen und Krankenhäuser. Eines davon ist die Olgabad Rehaklinik in Bad Wildbad, was nicht zuletzt den Bemühungen des Kaufmännischen Leiters Berthold Höhn zu verdanken war. Höhn war selbst im Christophsbad in Behandlung und hat dort das Singen als heilsame Therapie erlebt. Seine Erfahrung wollte er den Patienten im Olgabad weitergeben, die in Kleingruppen musizieren. „Ich höre ganz oft von Patienten, dass sie während des Singens ihre Schmerzen komplett vergessen“, berichtet Höhn. Auch Theresia Buob erfährt „alltäglich“, dass Musik gesund macht. „Die Musik lindert, ohne dass man große Worte machen muss“, sagt Buob, die Musiktherapeutin am Vinzenz von Paul Hospital in Rottweil ist. Dort gibt es von offenen Singgruppen über Klangbehandlung bis zu Gruppen- und Einzelsitzungen ein breites Angebot. Von Renée Ricarda Billau STUTTGART. Ob trällern unter der Dusche, mitgrölen beim Lieblingslied im Radio oder als Hobby im Chor: Singen ist gesund. Das ist nicht nur die Überzeugung, sondern auch die Beobachtung von Wolfgang Bossinger. „Singen wirkt positiv auf Köper, Seele und Geist“, sagt der Ulmer Musiktherapeut. Bossinger ist Vorsitzender und Mitbegründer des gemeinnützigen Vereins „Singende Krankenhäuser“, der sich für Singangebote in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen einsetzt. Ziel ist es, die Idee des heilsamen Singens in die Welt zu tragen. Es helfe dabei, die Atmung zu verbessern und Stress abzubauen, zählt Bossinger auf. Es stärke das Immunsystem sowie das Selbstwertgefühl. Mit einer Singgruppe in Göppingen fing alles an Wie gut Singen den Patienten tut, erlebt Bossinger regelmäßig. 2006 gründete er in der Psychiatrischen Klinik Christophsbad in Göppingen eine offene Singgruppe für Patienten, Mitarbeiter und Besucher. Aus anfänglich einer Handvoll Interessierter wurde bald eine große Gruppe von fast 100 Sängern. Sie gab Bossinger auch den Anstoß zur Gründung des Vereins im Jahr 2010. In- Gerlinde Kretschmann ist Schirmherrin des Vereins Beim Singen wird der ganze Körper beansprucht. Das bringt das Herz-Kreislauf-System in Schwung und der Körper wird besser mit Sauerstoff versorgt. FOTO: DPA Mit Gerlinde Kretschmann hat der Verein eine prominente Unterstützerin. Die Frau des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) ist die Schirmherrin von Singende Krankenhäuser – und selbst passionierte Sängerin im Laizer Kirchenchor. Sie glaubt an die heilsame Wirkung von Musik. „Singen ist Balsam für unsere Seele und unseren Körper“, sagt Kretschmann. Daher wünsche sie sich, dass die Menschen im Alltag wieder mehr singen. Dass Musik Schmerzen lindern oder depressive Menschen aus der Isolation führen kann, ist nicht nur die Erfahrung von Bossinger und den anderen Musiktherapeuten, sondern auch das Ergebnis zahlrei- cher wissenschaftlicher Studien, die Bossinger in einem Buch über das heilsame Singen zusammengetragen hat. Doch bei allen positiven Effekten – es hat medizinische Grenzen: „Singen kann natürlich nicht alles heilen“, betont Bossinger. Etwas anderes zu behaupten, wäre „absoluter Quatsch“. Dennoch ist es auch Ziel des Vereins, dem nationale und internationale Wissenschaftler angehören, die gesundheitsfördernden und therapeutischen Wirkungen des Singens zu erforschen. Zudem wolle man ein theoretisches Gerüst schaffen, um den großen Nutzen von aktivem Singen tiefer verstehen und gezielt anwenden zu können, erzählt Bossinger. „Wir stehen bei vielem erst am Anfang.“ Breite Front gegen Pläne des Bundes für Kliniken Bündnis fordert verlässliche Finanzierung STUTTGART. Gegen das Anfang Mai vorgestellte Eckpunktepapier der Bundesregierung zur künftigen Krankenhausfinanzierung hat sich ein breites Bündnis formiert. In einer gemeinsamen Pressemitteilung bemängelten Krankenhausvertreter, Gewerkschaften, Arbeitgeber, Berufs- und kommunale Landesverbände am Montag insbesondere die Pläne, die Vergütung zusätzlicher Operationen abzusenken. „Das Bündnis fordert die Rücknahme der Sparauflagen für die Krankenhäuser in 2012, die volle Finanzierung der Lohnsteigerungen in 2012 und den Einstieg in eine verlässliche Finanzierung der steigenden Kosten ab 2013“, heißt es in der Erklärung. Würden die Regierungspläne durchgesetzt, „müssten die Krankenhäuser die Finanzhilfe für die steigenden Löhne letztlich selbst bezahlen“, erklärte Thomas Reumann (parteilos), Vorstandsvorsitzender der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft und Landrat des Kreises Reutlingen. Zwar sollten die Krankenhäu- ser im Land nach dem Eckpunktepapier rund 30 Millionen Euro bekommen, um die Tarifsteigerungen auffangen zu können. Doch solle ihnen dieses Geld gleich wieder genommen werden, indem die Vergütung von zusätzlichen Operationen stark gekürzt wird. Reumann sprach von einer „Mogelpackung“. Günter Busch, stellvertretender Landesbezirksleiter von Verdi Baden-Württemberg, beklagte die Belastung des Personals: „Schon jetzt liegt der Krankenstand der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Krankenhäusern um fast 50 Prozent höher als beim Durchschnitt der Beschäftigten.“ Kostensteigerungen dürften nicht durch den Abbau von Personal oder die Ausweitung von Leistungen aufgefangen werden, so Busch, sondern müssten voll refinanziert werden. (sta) MEHR ZUM THEMA Die Kritik der Verbände am Entwurf der Bundesregierung zur Finanzierung der Krankenhäuser finden Sie unter: www.bwkg.de Wissenschaftler haben in unterschiedlichen Studien die positive Wirkung des Singens nachgewiesen Singen ist in gesundheitlicher, aber auch in sozialer Hinsicht förderlich Studien belegen die positive Wirkung des Singens und von Musik allgemein auf den Menschen. Vor einigen Jahren konnte der Musikwissenschaftler Gunter Kreutz in einer Studie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main nachweisen, dass aktives Singen die Produktion von Immunglobulin A anregt, ein Antikörper, der vor Infektionen schützt. Demnach sei Singen gut fürs Immunsystem. Beim richtigen Singen und Atmen wird zudem der ganze Körper beansprucht. Das bringt das HerzKreislauf-System in Schwung und der Körper wird besser mit Sauerstoff versorgt. Außerdem setze Singen Glückshormone frei, erklärt Musiktherapeut Wolfgang Bossinger. „Im Gehirn entsteht ein wirkungsvoller Glückscocktail mit Serotonin, Qxytocin und Beta-Endorphinen.“ Mit den sozialen Wirkungen des Singens beschäftigte sich die Wissenschaftlerin Betty Bailey von der Universität Sheffield in einer Studie. Sie untersuchte, wie die Teilnahme in einem Chor auf drogenabhängige Obdachlose wirkte. Bei vielen Obdachlosen nahm der Alkohol- und Drogenkonsum ab, die Gewalt unter den Mitgliedern sank, viele von ihnen fanden einen Job und einen festen Wohnsitz. Die Chormitglieder selbst führten die Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse auf das gemeinsame Singen zurück. Dieses Projekt inspirierte Bossinger später zur Singgruppe in der Klinik Christophsbad. Serie Teil 2: Optimierungspotenziale in Krankenhäusern Durch eine effektive Dokumentation der Leistungen können Erlöse gesteigert werden Optimierung des gesamten Arbeitsprozesses von der Aufnahme bis zum Sozialgerichtsverfahren nötig Jan Grabow, Geschäftsführender Partner Curacon Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Düsseldorf Die Führung von Krankenhausbetrieben erfordert, Wirtschaftlichkeitspotenziale systematisch zu heben. Ein strategischer Lösungsansatz besteht bisher darin, Effizienzreserven auch über Leistungsausweitungen auszuschöpfen. Der aktuellen Diskussion ist allerdings zu entnehmen, dass Union und FDP eine Verbesserung der Rahmenbedingung zur Refi- nanzierung von Tarifsteigerungen an restriktivere Mehrleistungsregelungen koppeln wollen. Der Abschlag für vereinbarte Mehrleistungen von aktuell 30 Prozent soll möglicherweise für die ersten beiden Jahre festgeschrieben werden. Hierdurch werden Anreize für Leistungsausweitungen verringert, so dass Optimierungspotenziale auch an anderer Stelle zu suchen sind. Während der somatische Bereich seit fast zehn Jahren über Erfahrungen mit einer leistungsorientierten Vergütung (Stichwort: DRG-Fallpauschalen) verfügt, betreten diesbezüglich psychiatrische Kliniken gegenwärtig mit der Dokumentation und Kodierung psychiatrischer Leistungen mittels OPS-Kodes Neuland. Auch wenn das neue Vergütungssystem in der Psychiatrie erst sukzessive in der Konvergenzphase ab 2017 „scharf geschaltet“ wird, werden durch die aktuell durchgeführten Dokumentationen und Kodierungen von Leistungen am Pa- tienten bereits heute entscheidende Weichenstellungen vorgenommen. In der Praxis zeigt sich, dass die Prozessgestaltung und die Qualität der Dokumentation von Leistungen teils unzureichend sind. Die Dokumentationserfordernisse für das Personal in Krankenhäusern sind hoch. Trotz hoher Arbeitsbelastungen – Stichwort multimorbider Patient –, müssen die Krankenhäuser sicherstellen, dass alle Leistungen sorgfältig mit EDV-Unterstützung dokumentiert werden. Nur so ist eine adäquate und effektive Abrechnung der Leistungen gegenüber den Kostenträgern möglich. Durch eine verbesserte Dokumentation der erbrachten Leistungen kann ein Beitrag zur Steigerung von Erlösen geleistet werden. Neben einer verbesserten Dokumentation tatsächlich erbrachter abrechnungsrelevanter Leistungen für den Patienten lassen sich hierdurch aber auch Arbeitsbelastungen aus Rückfragen der Kostenträger zur Rechnungsstellung Zukunft der regionalen Gesundheits- und Krankenhausversorgung als Standortfaktor in Baden-Württemberg Kongress des Staatsanzeigers am 20. + 21. November 2012 in Esslingen Unsere Partner 13 oder im Rahmen von Prüfungen des Medizinischen Diensts verringern. Dies erfordert die Optimierung des gesamten Arbeitsprozesses von der Aufnahme bis zum möglichen Sozialgerichtsverfahren. Dabei ist zu klären, ob eine Leistungsdokumentation durch Ärzte zu erfolgen hat oder ob eine Delegation auf kostengünstigere Dienstarten (etwa Pflegedienst, Dokumentationsassistenten, klinische Kodierungsfachkräfte) sinnvoller ist. Zumal die Delegation der Kodierung und Dokumentation auf kostengünstigere Dienstarten häufig einen Wettbewerbsvorteil bei der Mitarbeitergewinnung und -bindung im ärztlichen Bereich darstellt. Eine effiziente und qualitativ einwandfreie Leistungsdokumentation wirkt auch den – häufig über die Kostenträger initiierten – Vorwürfen des „Abrechnungsbetrugs“ entgegen. Insofern leistet sie auch einen wichtigen Beitrag zum Compliance-Management.