5 Handlungs- und produktionsorientierter Unterricht: Mehr als nur eine

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5 Handlungs- und produktionsorientierter Unterricht: Mehr als nur eine
„nette Abwechslung“
Als ich einem Kollegen von der vorliegenden Unterrichtssequenz erzählte, sagte er
abschließend, dass der Einsatz von handlungs- und produktionsorientierten Methoden
sicherlich eine „nette Abwechslung“ sei. Aus diesem durchaus freundlich gemeinten
Kommentar konnte ich aber auch eine gewisse Geringschätzung heraushören. Wirklich lernen
werden die Schüler bei dieser Art von Unterricht wohl nichts, aber einige Stunden Spiel und
Spaß sind als „nette Abwechslung“ durchaus vertretbar. Auch ich hatte anfangs bei einigen
der eingesetzten Methoden leise Zweifel, ob sie für den Unterricht wirklich gewinnbringend
sein werden. Der Verlauf und die Ergebnisse der Unterrichtssequenz haben mich jedoch eines
Besseren belehrt. Die handlungs- und produktionsorientierten Methoden als Ergänzung zum
traditionellen Literaturunterricht haben nicht zu unterschätzende Vorteile, von denen ich die
Wesentlichen im Folgenden zusammenfassend darstellen möchte.
So habe ich gemerkt, dass diese Methoden auch Schüler begeistern können, die
normalerweise
vom
Deutschunterricht
–
oftmals
wegen
der
schlechten
Schulaufgabenergebnisse – frustriert sind. So zeigte beispielsweise ein eher schlechter
Schüler eine außerordentliche Geschicklichkeit bei der Zeilenkombination oder ein anderer,
ebenfalls nicht sonderlich guter Schüler entpuppte sich als wahrer Reimspezialist, der bald
auch von anderen Gruppe um Hilfe gebeten wurde, wenn ein besonders schöner Reim
gefunden werden musste. Solche Schüler bekommen somit das Gefühl vermittelt, dass sie
auch in Deutsch in bestimmten Bereichen wirklich gut sein können und werden vielleicht ihre
resignativ-ablehnende Grundhaltung gegenüber dem Fach zumindest teilweise überwinden.
Jeder Deutschlehrer kennt das Problem, den Schülern einen Zugang zu literarischen Texten zu
verschaffen. So wurde beispielsweise „Der Knabe im Moor“ von den Schülern anfangs
größtenteils abgelehnt, was wohl vor allem an dem altertümlichen Sprachduktus liegen mag.
Indem man die Schüler durch den handelnd-produktiven Umgang mit Texten selber zu
Autoren macht, bekommt der Text für den Schüler eine andere, viel persönlichere Bedeutung.
Nun gilt es, einem vielleicht als langweilig empfundenen Text wenigstens ein interessanteres
Ende zu verpassen und dann muss diese Version auch noch vor den kritischen Augen der
Klassenkameraden verteidigt werden. Gerade bei den Diskussionen der Schülertexte fand eine
teilweise intensive Auseinandersetzung mit dem Gesamtwerk statt, da man beispielsweise
eine Schlussvariante nur durch Belege aus dem vorangegangenen Text als unlogisch
abqualifizieren kann. Diese Art der Textauseinandersetzung erwies sich als eine gute
Grundlage für die nachfolgende Interpretation der Ballade. Insgesamt viel mir auf, dass in den
anknüpfenden „traditionellen“ Erarbeitungsphasen konzentrierter und intensiver mitgearbeitet
wurde.
Des Weiteren bieten handlungs- und produktionsorientierte Methoden eine gute Möglichkeit,
dem Schüler die Bedeutung der in der Ballade behandelten Problematik für sich und seine
Lebenswelt zu verdeutlichen. Bei der szenischen Interpretation von Schillers „Bürgschaft“
durften die Schüler die Handlung und die Sprache in die Gegenwart übertragen. So wurde der
Tyrann Dionys von einer Gruppe als Saddam Hussein dargestellt und Damon stand
stundenlang im Stau oder wurde von Schalke-Hooligans belästigt. Allein solch kleine
Aktualisierungen verschaffen der Handlung in unserer Lebenswirklichkeit Raum und geben
damit auch der Thematik eine neue Relevanz. Zudem wurde von den Schülern eine
Stellungnahme zu der behandelten Problematik verlangt, noch bevor sie die Antwort Schillers
kannten. Gerade weil die Ballade eine Thematik behandelt, die jeden Menschen persönlich
angeht und mit der er sich öfters in seinem Leben auseinandersetzen muss, ist es meines
Erachtens wichtig, dem Schüler Raum für eine persönliche Stellungnahme zu geben, weil er
erst so die persönliche Relevanz des Themas erspüren kann. Die anschließende Diskussion
des Originalschlusses wurde von den Schülern dann auch sehr lebhaft geführt, vielleicht
gerade weil durch diese ideale Lösung manche Schüler ihre persönliche Meinung angegriffen
oder wenigstens abgewertet sahen.
Schließlich sei noch angemerkt, dass dank der handlungs- und produktionsorientierten
Methoden auch einige implizite Lernziele, wie z.B. soziale Kompetenz, erreicht werden.
Gerade die beschriebenen Probleme bei der Partner- bzw. Gruppenarbeit und bei den
Aufführungen zeigen, wie wichtig zum Beispiel Teamfähigkeit und Kompromissbereitschaft
für das Gelingen der Arbeitsaufträge sind. Bei der Wiederholung von bestimmten Methoden
verringerten sich die angesprochenen Probleme deutlich, was zeigt, dass die Schüler in diesen
Bereichen einiges gelernt haben.
Kritisch zu bemerken ist allerdings, dass die handlungs- und produktionsorientierten
Methoden sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. So kann man im Vergleich zum traditionellen
Unterricht sehr viel weniger Texte behandeln und würde bei einer regelmäßigen Anwendung
der Methoden die vom Lehrplan eingeforderte Stoffmenge nicht erfüllen können. Eine
hauptsächlich handlungs- und produktionsorientierte Umsetzung aller Lerninhalte des
Lehrplans wird sicherlich nie möglich sein und ist im Sinne eines guten und
abwechslungsreichen Unterrichts (Methodenvielfalt, Eignung einer Methode für einen Inhalt)
auch gar nicht erwünscht. Im Rahmen dessen, was die Methode der Handlungs- und
Produktionsorientierung aber leisten kann, sollte sie aufgrund der positiven Aspekte
unbedingt zum Einsatz kommen.
Meine Unterrichtssequenz zeigt zudem, dass eine Verbindung von Handlungs- und
Produktionsorientierung mit traditionellen Verfahren gut möglich ist. Psychologen machen
seit langem darauf aufmerksam, dass ein erfolgreicher Lernprozess sowohl produktiv-kreative
als auch analytische Phasen braucht und erstere in der Schule leider häufig zu kurz kommen.
Auch das sollte den Lehrer dazu motivieren in regelmäßigen Abständen auf handlungs- und
produktionsorientierte Verfahrensweisen zurückzugreifen.
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