48. Gentechnik und Landwirtschaft Sicherheit in Österreich Das Gentechnikgesetz von 1995 regelt das Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) und die Anwendung von Genanalyse und Gentherapie am Menschen. Die Freisetzung von GVOs wird durch die Freisetzungsverordnung von 1997 geregelt. Die Verordnung schreibt genau vor, welche Informationen ein Antrag zur Freisetzung zu enthalten hat. Bewertungen dieser Informationen sind in der Verordnung allerdings nicht enthalten. Für GVOs oder deren Produkte gilt die NovelFood-Richtlinie der EU. Sie legt allgemeine Bestimmungen für das In-den-Verkehr-Bringen neuer Lebensmittel fest. Die KennzeichnungsVerordnung sorgt dafür, dass gentechnisch veränderte Stoffe auf der Verpackung angeführt werden. Lebensmittel, die ohne Hilfe der Gentechnik produziert werden, dürfen das Gütesiegel „gentechnik-frei“ führen. Abb. 1 Die „Schiege“ entstand durch Vermischung embryonaler Schaf- und Ziegenzellen. Welcher Teil des Körpers von Schafzellen bzw. Ziegenzellen bestimmt wird, hängt vom Zufall ab. Die Bedeutung der Grünen Gentechnik Bis zur Mitte dieses Jahrhunderts muss mit einer Weltbevölkerung von zehn Milliarden Menschen gerechnet werden. Bis 2025 muss man die landwirtschaftliche Produktion verdoppeln, um die Weltbevölkerung ernähren zu können. Man schätzt, dass etwa 25 bis 30 % der notwendigen Ertragssteigerung durch den Einsatz der Gentechnologie möglich ist. Durch die Gentechnologie sollte es zu einem geringeren Einsatz von Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln kommen, man hofft auf eine nachhaltige Wirkung der neuen Technik. Welche Ziele verfolgt die gentechnische Pflanzenzüchtung? a) Schutz gegen Krankheiten und Schädlinge Während die Entwicklung resistenter Sorten gegen bakterielle Erkrankungen noch in den Kinderschuhen steckt, ist man im Schutz gegen Viren schon ein Stück weiter gekommen. Man kann das HüllproteinGen (vgl. Kap. 7) eines Virus einer Pflanze einsetzen und die Pflanze wird dadurch gegen das Virus resistent. Bei vielen Obstund Gemüsepflanzen erweist sich dieser Ansatz als recht erfolgreich. Aufgabe, Experiment Überlegen Sie, weshalb man ausgerechnet feste Tomaten für die industrielle Herstellung von Ketchup benötigt. Hilfe und Information finden Sie z. B. unter http://www.quarks.de/ genpflanzen/02.htm 98 Zur Erzeugung von Resistenzen gegen Insektenschädlinge verwendet man ein bakterielles Gen. Bacillus thuringiensis (Bt) erzeugt ein Protein, das die Darmwände bestimmter Insekten zerfrisst. b) Resistenzen gegen Pflanzenschutzmittel (Herbizide) Die neuen Herbizide, RoundUp und BASTA sind die bekanntesten, greifen in grundsätzliche Stoffwechselprozesse der Pflanzen ein, sodass sie absterben. Die Herbizide werden nur in geringen Mengen benötigt und zerfallen in ungefährliche Produkte. Ge- 1983: erste gentechnisch veränderte Tabakpflanze, 1988: erste wichtige landwirtschaftliche Kulturpflanze (Soja) wird gentechnisch verändert, 1990: erste wichtige Getreidepflanze (Reis) wird gentechnisch verändert, 1991 folgt Mais, 1992 Weizen, 1991: erste Freilandversuche in der Schweiz mit gentechnisch veränderten Kartoffelpflanzen, 1994: erstes Produkt auf dem Markt (USA, England): FlavrSavr-Tomate (Anti-Matsch-Tomate), 1995: gentechnisch verändertes Saatgut ist auf dem amerikanischen Markt erhältlich (Soja, Mais, Baumwolle), 1999: an der ETH Zürich wird der Vitamin-A-Reis vorgestellt, 2001: das Erbgut der ersten landwirtschaftlichen Nutzpflanze (Reis) ist vollständig entschlüsselt. Meilensteine der Grünen Gentechnik gen diese Herbizide muss die Kulturpflanze natürlich resistent gemacht werden. Dies geschieht durch Einsetzen eines bakteriellen Resistenzgenes. Als Bauer muss man aber Herbizid und die dagegen resistente Kulturpflanze sozusagen im „Doppelpack“ kaufen. c) Verbesserte Pflanzenqualität Mithilfe gentechnischer Methoden ist es gelungen, die Qualität von Ernteprodukten zu verändern. Die Anti-Matsch-Tomate, die man besser lagern und verarbeiten konnte, ist dafür ein Beispiel. Ganz gezielt werden solche Veränderungen im chemischindustriellen Bereich eingesetzt. So wurden Kartoffeln in ihrer Stärkezusammensetzung so verändert, dass sie industriell besser nutzbar sind. Tierzucht – die Rote Gentechnik Bilder gentechnisch veränderter Tiere werden meist spektakulär in der Presse gezeigt. In Wirklichkeit ist die Gentechnik in der Tierzucht bei weitem nicht so erfolgreich wie in der Pflanzenzucht. Tragen Tiere in allen Körperzellen die gentechnische Veränderung, spricht man von transgenen Tieren. Enthält nur ein Teil der Zellen diese Veränderung, werden sie ¡ Chimären genannt. Solche Chimären (Abb. 1) sind für die Grundlagenforschung interessant, aber nicht als Produktionstiere. Transgene Tiere spielen eine wichtige Rolle in der Grundlagenforschung, wo Tiere als Modelle für menschliche Erkrankungen dienen (Abb. 2). Beispiele dafür sind Krebsmäuse und „Alzheimer-Mäuse“, an denen diese Krankheiten erforscht werden. Weiters versucht man für die Arzneimittelindustrie spezielle Proteine aus der Milch transgener Tiere, meist Kühe, Schafe oder Ziegen, zu gewinnen (Gen-Pharming). Ein Beispiel ist die Produktion des Blutgerinnungsfaktors VIII aus der Milch transgener Schafe. Durch Gentechnik versucht man weiters, die Widerstandsfähigkeit von Tieren gegen Krankheiten und Stress zu erhöhen. Dabei werden vor allem Resistenzgene übertragen. Diese Forschungen haben für die Intensivtierhaltung große Bedeutung. Letztlich versucht man auch, durch transgene Nutztiere die Produktion zu erhöhen. So gibt es schon einige Schafe, die in ihrer Milch wichtige Heilproteine produzieren, z. B. zur Heilung der ¡ Mukoviszidose. Wie sicher ist die Gentechnik? Seit den ersten gentechnischen Versuchen wurden die Fragen der Sicherheit und des Risikos diskutiert. 1975 legten GentechnikerInnen in einer Konferenz in Asilomar (Kalifornien) die grundlegenden Richtlinien bezüglich der Sicherheitsmaßnahmen fest. Es gibt drei Sicherheitsziele: 1) Das Laborpersonal muss geschützt sein. 2) Es muss vermieden werden, dass ein manipulierter Organismus unkontrolliert in die Umwelt entkommt. 3) Das Produkt der gentechnischen Verfahren selbst muss sicher sein und darf zu keinen Schädigungen führen. Für diese Sicherheitsziele sind folgende Grundsätze notwendig: „Sicherheitswerkbank“, die ebenfalls ein Entweichen der Luft verhindert. Arbeiten im Labor werden nur mit Schutzkleidung erledigt. Der Mensch als Verbraucher und Patient Wir Menschen sind auch heute schon ständig mit gentechnisch veränderten Produkten konfrontiert, sei es in Nahrungsmitteln durch gentechnisch hergestellte Enzyme, Vitamine und Konservierungsstoffe, sei es durch Enzyme in Waschmitteln und schließlich in vielen Arzneimitteln (z. B. Antibiotika, Insulin). Bei der direkten Heilung durch gentechnische Veränderungen von Zellen kennt man zwei Wege. Bei der somatischen Gentherapie wird versucht, dem Körper erkranktes Gewebe zu entnehmen und gentechnisch – durch Einsetzen eines „gesunden“ Gens – zu heilen und wieder in den Körper zu reimplantieren. Was in der Theorie plausibel klingt, ist in die Praxis sehr schwer umzusetzen. Bis jetzt ist es noch nicht gelungen, einen risikofreien Vektor zu finden. Zu ungewiss sind die Gefahren durch Abstoßungsreaktionen und Auslösung von Krebs. Ziele der gentechnischen Pflanzenzüchtung transgene Tiere Chimären Gen-Pharming Klassifikation nach Risikopotenzial biologische Sicherheit Laborsicherheit somatische Gentherapie Keimbahn-Therapie Bei der Keimbahn-Therapie sollen durch Genmanipulation an den Keimzellen oder am Embryo Erbkrankheiten verhindert werden. Diese Art der Manipulation ist wohl der schwerwiegendste Eingriff aller gentechnischen Möglichkeiten. Die Anwendung am Menschen ist weltweit verboten. Klassifikation der Mikroorganismen nach ihrem Risikopotenzial. Das heißt, dass bei Arbeiten mit Viren, die auf menschliche Zellen spezialisiert sind, größere Sicherheitsmaßnahmen erforderlich sind als bei Viren, die Bakterien infizieren. Deshalb werden Mikroorganismen hinsichtlich ihres Gefährdungspotenzials in vier Gruppen unterteilt. Abb. 2 Diese leuchtende Maus wurde gezüchtet, indem das Leuchtgen von Quallen in eine MäuseEizelle gebracht wurde. Durch das Leuchten der Maus wird sichtbar, ob der Gentransfer funktioniert hat. Biologische Sicherheit: Dabei geht es um die Frage, welche Stellung der genmanipulierte Organismus in seiner natürlichen Umgebung hat; was ein eventuelles Entweichen für die Umwelt bedeuten würde. Entscheidend ist dabei die Überlegung, ob der Organismus nicht gegenüber seinen Verwandten einen Überlebensvorteil besitzt. Auch die Frage des „horizontalen Gentransfers“ – der Übertragung von DNA von einem Lebewesen auf ein anderes, das nicht in der Generationenfolge ist – ist hier wichtig. Ebenso muss die Ausbreitungsmöglichkeit der „neuen“ Gene der gentechnisch veränderten Kulturpflanzen berücksichtigt werden, etwa durch Auskreuzen. In diesem Kapitel wurden die Möglichkeiten der landwirtschaftlichen Nutzung der Gentechnologie aufgezeigt. Es wurden nur wenige Gegenargumente gebracht. Welche kennen Sie selbst aus Presseberichten oder Internetseiten? Stellen Sie eine Liste der Argumente zusammen. Laborsicherheit (Abb. 3): Es gibt vier Stufen von Sicherheitsvorkehrungen (L1 bis L4). Gentechnische Verfahren bedürfen mindestens des Ausrüstungsstandards der Stufe L2. Labors der höchsten Sicherheitsstufe müssen luftdicht abgeschlossen sein, innen muss Unterdruck herrschen, damit weder Luft noch Organismen entweichen können. Die Abluft wird gefiltert, für die Arbeit selbst gibt es eine Die Gentechnologie fordert die Diskussion heraus. Suchen Sie im Internet nach Begriffen wie „Gentechnik/ Sicherheit/Gefahren“ etc. Achten Sie dabei auf die Quellenangaben. Ist für diese Webseite eine ablehnende oder eine befürwortende Gruppe verantwortlich? Aufgabe, Experiment Abb. 3 Im L4-Labor wird nur mit Schutzanzug gearbeitet. 99