VO Deutsche Syntax

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 Prof. Dr. Hermann Scheuringer
VO Deutsche Syntax WS 2007/08
VO Deutsche Syntax; WS 07/08; Prof. Dr. Scheuringer [12.10.2007] Grundlagen der Syntax/Syntaktische Kategorien Subjekt Prototypische Merkmale: Wer? Was? Fragen (semantisch) Das Subjekt ist das, worüber man spricht (pragmatisch) Es ist kongruenzauslösend (formal Ein Problem ist die Frageprobe mit Wer/Was. Das Pronomen „es“ ist oft semantisch leer (z.B. „Es regnet“ bei Witterungsverben). Andere nicht‐nominale Elemente können auch als Subjekt fungieren. „Er ist Lehrer“ – Prädikativ bzw. Gleichsetzungsnominativ. Nicht jede nominative Phrase muss subjek‐
tivisch sein. Prädikat Aristoteles: Das Prädikat ist das, was über das Subjekt ausgesagt wird. Der verbale Kern kann einfach sein („Er schläft“) oder mit einem Kopulaverb („sein“, „werden“, „bleiben“, etc.). Prädikative auch objektbezogen („Er ist ein Idiot“, „Sie nennt ihn einen Idioten“). Verblose Konstruktionen kommen in festen Wendungen vor, Zeitungsüberschriften (z.B. „Überfall gescheitert“). Prototypische Merkmale: Das Prädikat ist das Satzglied dem kategoriell nur eine Wortart (Verb) entspricht (formal) Ist eine aufs Subjekt bezogene Handlung (semantisch) Ist durch Kongruenz auf das Subjekt bezogen (morphologisch) – siehe Dürscheid Objekt Dem Objekt kann prototypisch eine semantische Rolle zugewiesen werden. Ihm kann die Rolle des Patiens zugewiesen werden. Bei zwei Objekten wird in direktes und indirektes unterschieden (Pati‐
ens/Rezipient). Prototypische Merkmale: Das Objekt ist Zielpunkt des verbalen Geschehens (pragmatisch) Es trägt die Rolle das Patiens/Rezipienten (semantisch) Es ist in Kasus durch das Verb oder Adjektiv bestimmt (formal) In der präskriptiven Grammatik wird unterschieden in Akkusativ‐, Dativ‐, Genetiv‐ und auch Präposi‐
tionalobjekt. Das Genetivobjekt ist eine alte Form und noch in z.B. „vergiss mein nicht“ enthalten, 2 Achtung: keine Garantie auf Vollständigkeit oder Korrektheit VO Deutsche Syntax; WS 07/08; Prof. Dr. Scheuringer entwickelte sich zum Akkusativobjekt „vergiss mich nicht“ bis zum Präpositionalobjekt „vergiss auf mich nicht“. Subjekt – Prädikat – Objekt sind die Kernsatzglieder. Die folgenden sind die sog. sekundären Satzglie‐
der. Adverbiale gehört oft aber auch zum Kernbereich. Adverbiale bezeichnen Umstände und sind nicht mit den Adverben zu verwechseln. Prototypische Merkmale: Adverbiale differenzieren sich stark in der grammatischen Beschreibung (?) (semantisch): ‐ temporal („Mein Freund kommt heute“) ‐ lokal („Er arbeitet dort“) ‐ modal („Die Sekretärin schreibt schnell“) ‐ kausal (im engeren Sinne: „Ich habe ihn wegen …“, konditional: „Mit etwas Fleiß…“, konzes‐
siv: „…, trotz seiner Erkältung“, konsekutiv und final) Adverbiale Bestimmungen beziehen sich auf das Verb oder auf einen Satz (syntaktisch) Sie drücken die näheren Umstände eines Geschehens aus – Ort, Zeit, Art&Weise, Grund (se‐
mantisch) größere Nominalphrasen, ganze Sätze (Adverbialsätze) Abgrenzung Adverbiale & Objekt: „Paul verkauft die ganze Nacht Zeitungen“ (Adverbiale) – ohne Präposition „Paul wartet auf dem Bahnhof auf seine Freundin“ – (Adverbiale und Objekt) mit Präposition Eine syntaktische Unterscheidung ist trotz Formengleichheit möglich. Freier Dativ Dativisch markierte Nicht‐Objekte sind sog. „Freie Dative“. Sie haben den Kasus Dativ, der aber nicht vom Verb zugewiesen wird, z.B. „Du arbeitest mir zu viel“. „Mir“ ist in diesem Fall nicht essentiell. Termini: dativus ethicus (ethischer Dativ) drückt gefühlsmäßige Anteilnahme aus, z.B. „Du arbeitest mir zu viel“, „Fall mir nicht um“ dativus commodi Ein Nutznießer/Geschädigter einer Handlung wird ausgedrückt, z.B. „Er hat mir das Auto ge‐
waschen“ dativus iudicantis Standpunktdativ, z.B. „Die Zeit vergeht mir viel zu schnell“ 3 Achtung: keine Garantie auf Vollständigkeit oder Korrektheit VO Deutsche Syntax; WS 07/08; Prof. Dr. Scheuringer Pertinenzdativ zeigt Besitzverhältnis, z.B. „Ich wasche dem Kind die Haare“ Unterscheidung von Dativ & Freien Dativ: Beim FD ist der Kasus nicht vom Verb regiert, beim D schon FD sind nicht mit einem Objektfragepronomen erfragbar FD ist mit einem Dativobjekt kombinierbar, z.B. „Dass du mir niemandem davon erzählst“ Für manche haben FD auch Objektstatus (das ist von der jeweiligen Grammatik abhängig). Der Possessive Dativ häng im Ggs. zum FD vom substantivischen Glied ab, z.B. „Dem Kranken tat der Magen weh“. Der FD ist oft schwer vom Objekt zu unterscheiden. Attribut Das Attribut wird von der Schulgrammatik nicht als Satzglied, sondern als Satzgliedteil angesehen. Prototypische Merkmale: Das Attribut ist eine Beifügung zum Substantiv oder Adjektiv Es ist nur ein Teil eines Satzgliedes ‐> durch Proben feststellbar Es ist in verschiedene syntaktische Kategorien unterteilbar (z.B. Genetivattribut, Attributsatz) (formal) Jedes Satzglied kann durch ein Attribut erweitert werden, außer das Prädikat. Apposition Die Apposition ist ein Substantiv od. eine Substantivgruppe, die referenziell übereinstimmt und im selben Kasus ist. Z.B. „Meine Lehrerin, eine sehr nette Frau“ (weitere Apposition), „Herr Mayer“ (en‐
gere Apposition). [19.10.2007] ausgefallen [26.10.2007] Feiertag [02.11.2007] Vorlesungsfrei [09.11.2007] 4 Achtung: keine Garantie auf Vollständigkeit oder Korrektheit VO Deutsche Syntax; WS 07/08; Prof. Dr. Scheuringer Proben (syntaktische Tests) / Satzgliedstellung Konstituenten gehören zusammen und können ersetzt werden (Saussure). Durch Segmentierung kommt man zu Paradigmen: Der Junge weint oft Die | Frau weint | oft Das | Kind schreit | oft Distributionalismus Auch bei Unkenntnis einer Sprache müssten diese Klassen erkennbar sein. Konstituententests durch Proben (Konstituenten ≠ Satzglieder): Permutation (Verschiebeprobe) Wörter, die zusammen umgestellt werden können, stellen einen Konstituenten dar. Der Satz muss dabei grammatisch bleiben. z.B. „Helfen kann ich dir nicht, aber ich kann folgendes für dich tun.“ „Ich kann dir nicht helfen, aber…“ „Nicht helfen kann ich dir, aber …“ „Dir kann ich nicht helfen, aber… „ Die Permutation ist nicht für die Satzgliedbestimmung tauglich, aber für die Satzgliedstellung. Ein Satzglied kann unterbrochen sein (=diskontinuierlich), z.B. „Käfer krabbelten schwarze herum“ statt „Schwarze Käfer krabbelten herum“, was einen Nutzen hat: Wortstellungs‐, Umstellungsregularitäten und Ambiguitäten können aufgelöst werden: z.B. „Er beobachtet das Mädchen mit dem Fernglas“ „Das Mädchen mit dem Fernglas beobachtet er“ „Mit dem Fernglas beobachtet er das Mädchen“ Substitution (Ersatzprobe) Es wird überprüft, welche Teilketten ausgetauscht werden können, ohne dass der Satz un‐
grammatisch wird. Sind Wortketten im Satz durch ein Pronomen ersetzbar, spricht man von einem Konstituenten. z.B. „Der Mann trifft einen Freund“ – „Er trifft ihn“ Das Verb kann nicht ersetzt werden, aber komplexe Verbalphrasen können durch ein einfa‐
ches Verb ersetzt werden. Substitution durch Frageprobe: mit Fragewörtern (Wer? Wo? etc.). z.B. „Der kleine Junge liest“ – „Wer liest?“ Bestimmung der Zugehörigkeit einer Flexion: z.B. „Die Mutter sieht die Tochter“ (feminin) – Flexionsendung: Ø könnte rein formal Nominativ oder Akkusativ sein „Die Mutter sieht den Jungen“ (maskulin) – Flexionsendung: ‐n Mutter = Nominativ; den Jungen = Akkusativ 5 Achtung: keine Garantie auf Vollständigkeit oder Korrektheit VO Deutsche Syntax; WS 07/08; Prof. Dr. Scheuringer ‐> Ersatzprobe femininum durch masculinum. Unechtes oder echtes reflexives Verb: „Ich wasche mich“ – „Ich wasche dich“ „Ich schäme mich“ – aber nicht: *„Ich schäme dich“ Eliminierung (Weglassprobe) Der Satz wird auf ein „strukturelles Minimum“ reduziert, solange er grammatisch bleibt. z.B. „Maria singt gerne in der Badewanne“ „Maria singt gerne“ „Maria singt“ Das Weglassbare bildet eine Konstituente. Reduktion: Das Weggelassene ist rekonstruierbar (Ellipse). z.B. „Den einen interessiert Linguistik, den anderen langweilt (Linguistik)“. Man weiß, dass „Linguistik“ weggelassen wurde. Tilgung: Bei der Tilgung ist das Weggelassene nicht rekonstruierbar. Die Eliminierung dient auch dazu, um die Valenz von Verben zu erkennen: „schlafen“ = einwertig (1 Aktant) „tragen“ = zweiwertig (2 Aktanten) „geben“ = dreiwertig (3 Aktanten) „regnen“ = nullwertig (bei Witterungsverben) Oberflächlich gesehen gibt es obligatorische und fakultative Aktanten. Stellungsregularitäten oder: Satzgliedstellung, Topologie (auch kontrastiv) Das Deutsche ist relativ wortstellungsliberal. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Flexions‐
zustand und Topologie. Das Englische hat wenige Flexionsendungen und ist somit „wortstellungsri‐
gid“. Faktoren, die die Satzgliedstellung bestimmen: Strukturtyp: ‐ Kernsatz (‐‐‐ V ‐‐‐) ‐ Stirnsatz (V ‐‐‐‐‐‐) in Frage‐ und Befehlssätzen ‐ Spannsatz (‐‐‐‐‐‐V) in Nebensätzen Rahmen(konstruktion)/Klammer: hat das Deutsche exzessiv zur Verfügung. Klammern sind Konstruktionen, wo etwas geteilt werden kann. Prädikativer Rahmen: reiner, einfacher Aussagesatz. Das Finitum ist Ausgangspol. Der Zielpol kann das Infinitum sein, z.B. „Er kann kommen“ Verbzusatz „Er hält sie auf“ Prädikativ „Er ist bald Lehrer“ 6 Achtung: keine Garantie auf Vollständigkeit oder Korrektheit VO Deutsche Syntax; WS 07/08; Prof. Dr. Scheuringer Funktionsverbgefüge „Zur Aufführung gelangen“ Negation Innerhalb der rahmenschließenden Elemente lässt sich eine Hierarchie feststellen. Was se‐
mantisch verbnah ist, ist topologisch verbfern. Spannsatzrahmen: semantische ist topologische Verbnähe. Unterscheidung zwischen Nachtrag und Ausklammerung. Nachtrag: „Der Schnee wird immer mehr, es hört nicht auf zu schneien.“ Ausklammerung: „Peter ist heute fleißig gewesen beim Training.“ Normalerweise „Peter ist heute beim Training fleißig gewesen“. Die Gründe dafür sind kommunikativer Art, z.B. wenn das Klammerfeld zu groß ist oder wenn der Zielpol zu schwach ist, oder aus Kontakttendenz zum Nebensatz, oder aus Gründen des Hervorhebens. Häufig bei präpositionalen Gruppen, bei gleichartig koordinierten Satzgliedern und bei Ne‐
bensätzen. Valenzbindung: Valenzbedingte Glieder stehen nach nicht‐valenzbedingten also nach dem Finitum. „Er hat mit der Säge in der Werkstatt das Brett zugeschnitten“ „Er hat in der Werkstatt mit der Säge das Brett zugeschnitten“ Satzgliedwert: Wenn keine Markierung da ist, nehmen wir an, dass zuerst das Subjekt, dann das Objekt steht: „Jetzt ruft Peter Jürgen“, „Sport ist sein Hobby“ Das Dativobjekt wird meist vor das Akkusativobjekt gestellt: „Der Lehrer zeigt dem Schüler das Bild“ Das Akkusativ wird meist vor das Genetivobjekt gestellt: „Der Richter klagt den Verbrecher des Mordes an“ Rhythmus: Die Normalpositionierung folgt vom Kürzeren zum Längeren. „Er arbeitet fleißig und mit großer Gewissenhaftigkeit. Mitteilungs‐ und Determinierungswert: Mitteilungswert: Prinzip des wachsenden Mitteilungswertes. Zumessung von Gewichtungen: was weiter hin‐
ten steht ist wichtiger. „Die Mutter schenkte dem Buben die Schokolade“ „Die Mutter schenkte die Schokolade dem Buben“ Determinierungswert: determiniert sind der bestimmte Artikel und das Demonstrativpronomen. Den höchsten De‐
terminierungswert hat das Personalpronomen. Je höher der Determinierungswert, desto kleiner ist der Mitteilungswert. [16.11.2007] 7 Achtung: keine Garantie auf Vollständigkeit oder Korrektheit VO Deutsche Syntax; WS 07/08; Prof. Dr. Scheuringer Satzdefinitionen & ‐ einteilung Def.: „Der Satz ist die grammatische Einheit aus Subjekt und Prädikat“, oder „das was vor dem Punkt steht“ oder „ … (? Duden‐Definition)“, oder „Sätze sind sprachliche Einheiten, die relativ selbstständig und abgeschlossen sind (Dürscheid)“. Formale Einteilung Einfache und komplexe Sätze: Die Unterscheidung ist umstritten. Wenn eine Satzreihe (Parataxe) vorliegt dann spricht man von Hauptsatz und Hauptsatz (HS), bei einem Satzgefüge (Hypotaxe) von HS & Nebensatz (NS). Parataxe: Parataxen bestehen aus zwei Satzteilen, die durch ein Element verbunden sind oder auch nicht. Asyndetisch, wenn durch keine Konjunktion verbunden, syndetisch wenn durch koor‐
dinierende Konjunktion verbunden. Man unterscheidet zwischen einfacher Konjunktion („und“, „oder“, „aber“, „denn“, etc.) und komplexer Konjunktion („entweder … oder“, „sowohl … als auch“). Eine Parenthese ist ein Satzeinschub, z.B. „Er geht – und das tut er gerne – in die Schule“ Hypotaxe: Eine Hypotaxe besteht aus HS und einen oder mehreren NS. Der sog. „Matrixsatz“ subordi‐
niert (aber nicht immer), z.B. „Er erwartet, dass du kommst“ – ist nicht untergeordnet. Eine subordinierende Konjunktion ist z.B. „obwohl“. Ein NS kann aber auch durch ein Prono‐
men oder Interrogativpronomen eingeleitet werden, z.B. „wo“, „wie“. Man unterscheidet zwischen eingeleitetem und nicht‐eingeleitetem NS. Je nach Stellung der NS tritt ein verbaler Bestand (infinite Formen) auf. ‐ Vordersatz ‐ Nachsatz ‐ Zwischensatz Nach Grad der Einbettung: ‐ NS 1. Grades ‐ NS 2. Grades, usw. Es wird außerdem zwischen Schachtel‐ und Treppensätzen unterschieden. Es gibt keine syntaktische, jedoch eine kommunikative Grenze der Subordination. Syntaktische Einteilung Gliedsätze & Gliedteilsätze; Gliedteil = Attribut Subjektsätze: „Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“ Objektsätze: „Er sagt, dass er keine zeit hat“ 8 Achtung: keine Garantie auf Vollständigkeit oder Korrektheit VO Deutsche Syntax; WS 07/08; Prof. Dr. Scheuringer Adverbialsätze: „Er tanzte, bis er nicht mehr konnte“ Prädikativsätze: „Er ist geworden, was er immer werden wollte“ Gliedteilsätze (Attributsätze): Es ist ein Korrelat (=Platzhalter) einzusetzen, d.h. Leerstellen, die für etwas stehen. z.B. „Was du gesagt hast (=Gliedsatz), das verstehe ich nicht“ Wenn der Attributsatz mit einem Relativpronomen eingeleitet wird, dann spricht man von einem Relativsatz. Eingeschränkter Relativsatz (restriktiv) Uneingeschränkter Relativsatz (nicht restriktiv) Weiterführender NS: Relativsatzmuster als Unterordnung, was semantisch auf der gleichen Ebene steht. z.B. „Er hat das Geld verloren, was mir große Sorgen macht“ ‐> Es besteht eine formale aber keine semantische „Nebensätzlichkeit“. Adverbialsätze: Die Adverbialsätze stellen eine größere Klasse der NS dar. Es wird unterschieden in: ‐ Kausalsätze (Ursachen, Gründe) ‐ Temporalsätze (Zeitpunkt) ‐ Konditionalsätze (Bedingung) ‐ Finalsätze (Zweck) ‐ Konsekutivsätze (z.B. „so dass“) ‐ Konzessivsätze (Einschränkung, Einräumung, z.B. „obwohl“) ‐ Adverbialsätze (z.B. „während“) ‐ Modalsätze (Art und Weise) ‐ Lokalsätze (Ort) Satzartenmodell = Eine endliche (kleine) Menge an Satzarten oder –typen im Deutschen. Aussagesatz/Deklarativsatz: ‐ Die Stellung des finiten Verbs ist an 2. Stelle (formal) ‐ Intonation gegen Satzende fallend (formal) ‐ Interpunktion: Punkt als Satzschlusszeichen (formal) ‐ Modus: Indikativ oder Konjunktiv 2 (formal) ‐ Partikeln: „halt“ (syntaktisch) Fragesatz/Interrogativsatz: ‐ Entscheidungs‐ und Ergänzungsfrage, Alternativfrage ‐ Modus: Indikativ oder Konjunktiv 2 ‐ Intonation am Satzende steigend ‐ Interpunktion: Fragezeichen am Satzende ‐ Partikeln: „denn“, „eigentlich“ 9 Achtung: keine Garantie auf Vollständigkeit oder Korrektheit VO Deutsche Syntax; WS 07/08; Prof. Dr. Scheuringer ‐ Stellung des finiten Verbs: bei Entscheidungsfragen an erster Stelle, bei Ergänzungsfragen nicht. Aufforderungssatz/Imperativsatz: ‐ Stellung des finiten Verbs an erster Stelle ‐ Modus: Imperativ ‐ Interpunktion: Rufzeichen am Ende des Satzes ‐ Partikeln: „doch“, „bitte“ ‐ Adhortativ: Forderung an die 1. Pers. Pl. (z.B. „Lasst uns gehen“) ‐ Das Subjekt fehlt in der Regel Wunschsatz/Optativsatz: ‐ real (Erfüllbarkeit) und irreal (Unerfüllbarkeit) ‐ real: Verb im Konj. 2 Präteritum; irreal: Verb im Konj. 2 PQP ‐ Intonation: fallend ‐ Interpunktion: Punkt oder Rufzeichen ‐ Partikeln: „nur“, „bloß“ Ausrufesatz/Exklamativsatz: ‐ z.B. „Was du nicht sagst!“ ‐ Intonation: fallend ‐ Interpunktion: Rufzeichen ‐ Partikeln: „aber“, „ja“ Strukturtypen ältere Terminologie: Stirn‐, Kern‐ und Spannsätze neuere Terminologie: Verberst‐, Verbzweit‐, Verbendsätze Die Verbstellungstypen korrespondieren mit anderen Einteilungskriterien: Der Verberstsatz ist bevorzugt ein Aufforderungssatz oder ein irrealer Wunschsatz, kann auch eine Ergänzungsfrage sein Verbzweitsätze sind Aussagesätze Verbendsätze bei Nebensätzen, Ausrufesätzen und Wunschsätzen Es gibt Sprachen, die keine feste Verbstellung haben. Das Deutsche ist eine SVO‐Sprache, andere können aber auch VSO und SOV sein. Das Dt. ist eine „Split‐language“. [23.11.2007] 10 Achtung: keine Garantie auf Vollständigkeit oder Korrektheit VO Deutsche Syntax; WS 07/08; Prof. Dr. Scheuringer Valenzgrammatik Den Namen „Valenz“ prägte Lucien Tesnière in seiner Arbeit zur strukturellen Syntax („Eléments de syntaxe structurale“). Das Verb bindet andere Elemente an sich wie ein Atom und besitzt ebenso eine Wertigkeit (Valenz). monovalent intransitiv arbeiten ich arbeite diavalent transitiv verhindern ich verhindere etwas trivalent transitiv geben ich gebe jemandem etwas avalent regnen es regnet (Witterungsverben) Das Bauprinzip der Valenz wird mittels Dependenzgrammatik beschrieben. In einer Dependenzstruk‐
tur wird der syntaktische Aufbau von Sätzen als ein Gefüge von Abhängigkeiten dargestellt. Es wird nach der Beziehung bzw. Abhängigkeit zwischen den Satzgliedern gefragt. Im Deutschen führt zuerst Brinkmann den Begriff der Valenz ein. Für ihn besteht der Satzkern aus Subjekt und Prädikat. Das Verb steht bei ihm nicht im Mittelpunkt. Von Johannes Erben stammt der Begriff der „Wertigkeit“. Unterscheidung logische, semantische und syntaktische Valenz (Helbig/Schenkel): Logische Valenz: Sachverhalte der Wirklichkeit sind durch Prädikate mit mehreren Leerstellen formulierbar. Semantische Valenz: Verben fordern bestimmte Kontextpartner Syntaktische Valenz: obligatorische oder fakultative Besetzung von Leerstellen Bei der Funktionalen Grammatik (Jung) stehen nicht Aufbau und Logik, sondern der kommunikative Nutzen im Vordergrund. Auch wenn das Verb strukturell den Satz bestimmt, existiert eine Hierarchie (der Kasus). Der Nominativ steht hier an oberster Stelle (Subjektnominativ). Das Verb kongruiert nur mit diesem Subjektnominativ. Valenz kann man auch auf andere Wortarten übertragen, z.B. Partizipien „die gelegten Eier“. Auch bei Adjektiven, z.B. „das interessante Buch“ (einwertig), „der seiner Sorgen ledige Mann“ (zweiwer‐
tig). Auch bei Substantiven, z.B. „Besuch“ – „Der Besuch seines Freundes“. Es gibt sogar ein Valenz‐
wörterbuch deutscher Substantive. 11 Achtung: keine Garantie auf Vollständigkeit oder Korrektheit VO Deutsche Syntax; WS 07/08; Prof. Dr. Scheuringer In Verbvalenzwörterbüchern wird zwischen obligatorischen und fakultativen Aktanten unterschie‐
den. Die sog. freien Angaben sind für grammatische und semantisch korrekte Sätze nicht notwendig. z.B. „Er starb gestern“ – rein syntaktisch ist das „gestern“ entbehrlich, semantisch jedoch nicht. In der Tiefenstruktur gibt es nur eine Art von Aktant. Diese entstehen durch sog. „Transformationen“. z.B. „Ich esse“ – bedingt semantisch immer ein Objekt, in der Tiefenstruktur aber nicht (?). Es ist eine alltägliche Ellipse. In der Tiefenstruktur ist nur zwischen Valenz und freien Angaben zu unterscheiden. Am Anfang steht die einfache Aussage, die mit anderen einfachen Aussagen verkettet wird. „Ich wartete im Hausflur auf ihn“ „Ich wartete auf ihn“ „Ich war im Hausflur“ Bei diesem Beispiel handelt es sich m eine Reduktion eines tiefenstrukturellen Satzes, was wissen‐
schaftlich jedoch nicht nachgewiesen werden kann. Transformationen können erlernt werden. Nur die freien Angaben reduzieren den tiefenstrukturellen Satz. z.B. „Er wohnt in Dresden (Aktant) und starb in Dresden (freie Angabe)“ Die Verknüpfbarkeit der freien Angaben wird durch semantische Restriktionen eingeschränkt. Distri‐
bution = oberflächliche Verteilung. Die Unterscheidung zwischen fakultativen Aktanten und freien Angaben ist für die Satzgliedstellung wichtig. Bsp. freier Dativ: „Ich bringe ihm das Buch“ (Aktant) „Ich trage ihm das Buch“ (freier Dativ /Angabe) Bsp. Akkusativobjekt: „Er isst das Brot“ (Aktant) „Er isst den ganzen Tag“ (freie Angabe) Bsp. Präpositionalobjekt & Adverbialbestimmungen: „Sie wartete auf ihn“ (Aktant) „Sie wartete im Hausflur“ (freie Angabe) Oberflächliche, semantische Kriterien: Das Verb regiert die Präpositionen in „Sie wartete auf ihn“ („auf“ hat keine Semantik), „Sie wartete auf dem Berg“ („auf“ hat Semantik). Rein elliptische Sätze können nicht zur Bestimmung von Valenz herangezogen werden. Das ausgelas‐
sene Glied ist „invariant“. Valenzwörterbücher machen semantische Unterscheidungen, auch wenn die Unterschiede nicht so groß sind. Siehe Semem, Kernsememe, Kontextsememe. 12 Achtung: keine Garantie auf Vollständigkeit oder Korrektheit VO Deutsche Syntax; WS 07/08; Prof. Dr. Scheuringer Das Substantiv und Adjektiv im Prädikativ gelten als Aktanten, was bedingt wird durch das Verb „sein“. Durch die Passivtransformation wandelt sich bei passivfähigen Verben eine obligatorische in eine fakultative Valenz. Logische Valenz: Aussagestrukturen Semantische Valenz: semantische Verbindung – Kontextsememe Der Begriff „Grammatikalität“ ist individuell aufzufassen, z.B. sind im Dialekt Sachen richtig, die in der Hochsprache falsch sind. „Die nackten Stühle horchen sonderbar“ [30.11.2007] Funktionsverbgefüge Man kritisierte, dass Funktionsverbgefüge (FVG) unnütz sind, war später aber der Ansicht, dass sie die Sprache erweitern bzw. Lücken füllen. Es gibt mehrere Termini für das FVG. Helbig beschäftigte sich ausgiebig mit den Typen der FVG und auch mit der Valenz der FVG. Eigenschaften Das FVG ist eine semantische Einheit aus zwei Teilen: Verb & Substantiv. Das Verb ist in seiner Se‐
mantik reduziert, z.B. „zur Aufführung bringen“ vs. „ein Glas Wasser bringen“. Die Bedeutung liegt hauptsächlich im Substantiv. Das FV ist jedoch nicht bedeutungsleer, es bringt Teilbedeutungen, Nu‐
ancierungen ein, z.B. Aktionsarten (inchoativ, durativ, iterativ, perfektiv, etc.). Aktionsarten können auch mit Präfixen durch Vollverben ausgedrückt werden, z.B. „einschlafen“ (inchoativ). Die Substitu‐
ierbarkeit ist rein topologisch, nicht semantisch. •
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13 Phraseologismen weisen Ähnlichkeiten zum FVG auf, z.B. „ins Wort fallen“ od. „ins Gras bei‐
ßen“. „bringen“ ist ein typisches FV. Die Substantive können nicht anaphorisiert werden (mit Pro‐
formen). z.B. „Er gab dem Kind Antwort“ aber nicht *“Er gab sie dem Kind“ Meistens treten die Substantive im FVG mit Nullartikel auf. z.B. „Die Technik findet Anwendung“ und nicht *“Die Technik findet die Anwendung“ Es sind keine Pluralformen möglich z.B. „zur Sprache bringen“ aber nicht *“Zu den Sprachen bringen“ Es ist außerdem keine Passivierung möglich Das Substantiv ist obligatorisch, kann also nicht weggelassen werden Wird ein Vollverb ein Funktionsverb, ändert sich die Valenz z.B. bringen: „Ich bringe dir ein Glas Wasser“ (dreiwertig) ‐> „Zur Aufführung bringen“ (zwei‐
wertig) Es lassen sich nicht alle FVG durch Vollverben ersetzen. z.B. „zur Ansicht bringen“ ≠ „ansehen“; „in Verzug geraten“ ≠ „verziehen“ In diesem Fall stopfen die FVG Lücken im lexikalischen System. Achtung: keine Garantie auf Vollständigkeit oder Korrektheit VO Deutsche Syntax; WS 07/08; Prof. Dr. Scheuringer Für diese eben genannten Restriktionen gibt es natürlich Ausnahmen, z.B. ist der Plural manchmal möglich („eine Frage stellen“ ‐> „Fragen stellen“) und FVG sind manchmal mit Attribut möglich („et‐
was nimmt einen guten Verlauf“). Es treten auch orthografische Probleme auf, z.B. ob Zusammenschreibung oder nicht. Vorteile •
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Erweiterung des Wortschatzes Hinzufügung der Aktionsart, die im Dt. durch das Vollverb/Flexiv ausgedrückt werden kann. FVG können allgemeinere Bedeutungen ausdrücken, z.B. „Wir stiften Verwirrung“ ist allge‐
meiner als „wir verwirren“ [07.12.2007] Relativsatz / Weiterführender Nebensatz / Indirekter Fragesatz Relativsatz Der Relativsatz ist die häufigste Art der eingeleiteten Nebensätze. Überschneidung mit der Indirekten Frage: „Was er tut ist ungewiss“ ‐> Relativsatz „Ich frage mich, was er tut“ ‐> Indirekte Frage Relativsätze sind teilweise nicht deutlich abzugrenzen. Überschneidung relativ/interrogativ. „relativ“ ist die syntaktische Funktion. Überwiegt bei der Einleitung mit dem W‐Wort der relative Sinn, handelt es sich um einen Relativsatz, überwiegt der interrogative Sinn, um einen indirekten Fragesatz. Beim Relativsatz handelt es sich um eine syntaktische Verknüpfung. Er setzt ein identisches Element in beiden Sätzen voraus (referenzidentisch). z.B. „Er kauft das Buch, das er sich gewünscht hat“ Der indirekte Fragesatz ist meistens auf eine direkte Frage zurückzuführen. z.B. „Er fragt sie, wann sie kommt“ < „Er fragt sie: ‚Wann kommst du?‘“ Achtung: ein Relativsatz ≠ ein Attributsatz. Attributsätze sind jedoch oft Relativ‐ oder Konjunktional‐
sätze. Weiterführender Nebensatz Weiterführende Nebensätze (WNS) sehen aus wie Relativsätze. Der WS ist inhaltlich koordinativ mit dem Hauptsatz verbunden und formal untergeordnet. „Hans ist gekommen, was mich gefreut hat“ ‐> das „was“ bezieht sich auf den ganzen Hauptsatz, nicht nur auf „Hans“. Weitere Termini für den WNS: Satzattribut, Satzapposition. Typen der WNS •
14 Freie Relativsätze: führen den Inhalt des übergeordneten Hauptsatzes weiter Achtung: keine Garantie auf Vollständigkeit oder Korrektheit VO Deutsche Syntax; WS 07/08; Prof. Dr. Scheuringer •
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Eingeleitete Relativsätze: mit „was“ (ein Sachverhalt wird kommentiert) od. „wobei“, „worüber“ Redesituierende Nebensätze: Einordnung des Geschehens in den übergeordneten Hauptsatz. z.B. „Er arbeitet, wie es scheint“ (=breiteres, allgemeineres Kommentieren) Nebensatz mit anderen W‐Wörtern: „weshalb“ NS mit „als“: Die wichtigere Aussage liegt im NS, z.B. „Er war kaum weggefahren, als das Telegramm an‐
kam“ „während“: „Er wurde Baumeister, während der andere Elektroniker wurde“ Kriterien •
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Es handelt sich immer um inhaltlich lockere Anführungen zum Hauptsatz. WNS sind immer „Nachsätze“, während Relativsätze auch „Vordersätze“ sein können. WNS sind nicht in ein Satzglied oder Satzgliedteil transformierbar, jedoch in einen Hauptsatz, deswegen „quasi‐koordinative Verknüpfung“ mit Prowörtern. WNS haben kein Bezugswort im übergeordneten Satz. Manchmal können WNS doch in ein Satzglied od. Satzgliedteil transformiert werden. z.B. „Er machte einen Versuch, der restlos scheiterte“ ‐> „Er machte einen später restlos scheitern‐
den Versuch“. Dass WNS in einen Hauptsatz transformierbar sind, trifft jedoch immer zu. Formal haben WNS die Form eines Relativsatzes, indirekten Fragesatzes oder Konditionalsatzes. In‐
haltlich drücken sie eine Modalität aus, sind temporal vorwiegend nachzeitig. Indirekter Fragesatz Der IFS soll auf eine direkte Frage zurückgeführt werden können. Beim Relativsatz ist das nicht mög‐
lich. Das Einleitungswort für den IFS ist das Interrogativpronomen, aber auch „ob“. Das Verb des Hauptsatzes muss bei „ob“ jedoch verneint sein, z.B. „Ich weiß nicht, ob er kommt“ (Unsicherheit als semantisches Merkmal). Unterschiedliche Interpretationen zum IFS: •
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Der IFS wird auf eine direkte Frage zurückgeführt, ein Verb des Fragens enthaltend, z.B. „Der Lehrer fragt, wann Susi die Hausübung bringt“ – semantische Kategorie Der IFS wird durch Fragepronomen eingeleitet, die aber keine Frage, sondern Unsicherheit ausdrücken – pseudo semantische Kategorie IFS sind alle Nebensätze, die durch Interrogativpronomen eingeleitet sind, unabhängig da‐
von, ob es sich um eine Frage handelt oder Ungewissheit ausgedrückt wird. – Formale Kate‐
gorie 15 Achtung: keine Garantie auf Vollständigkeit oder Korrektheit VO Deutsche Syntax; WS 07/08; Prof. Dr. Scheuringer [14.12.2007] Infinitiv‐ und Partizipialkonstruktionen Infinitiv‐ und Partizipialkonstruktionen sind syntaktische Gebilde zwischen Satzglied und Nebensatz. Merkmale, die Konstruktionen mit Nebensätzen teilen: •
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die, im übergeordneten Satz (Matrixsatz/ Hauptsatz) eingebetteten Infinitive bzw. Partizipia‐
le sind beliebig zu erweitern bzw. mit Gliedsatz erweiterbar z.B. „Er hoffte in Dresden seinen Freund zu treffen, den er seit langer Zeit nicht gesehen hat“ (Infinitivkonstruktion) „Er hoffte, dass er in Dresden seinen Freund trifft, den er …“ (Gliedsatz) erscheint in Konstruktionen ein Reflexivpronomen, so wird es nicht vom Subjekt des Matrix‐
satzes eliminiert/determiniert (?) sondern steht für sich Merkmale, die Konstruktionen von Nebensätzen unterscheiden: •
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an der Oberflächenstruktur kein finites Verb das Subjekt wird eliminiert/determiniert (?) das finite Verb wird in eine infinite Form umgewandelt z.B. „Er hoffte, dass er die Dissertation bald abschließen kann“ ‐> „Er hoffte die Dissertation bald abschließen zu können“ Das was der Infinitiv ersetzt, hat Satzgliedwert. „um zu“, „ohne zu“ und „anstatt zu“ führen zu Wortklassenbestimmung. Sie sind mit Bedeutung ver‐
sehen und fungieren anders als „zu“. Sie haben keine Zugehörigkeit zu Präpositionen, keine Kasus‐
forderung. Reduzierung der zweigliedrigen Konjunktionen. ohne zu = ohne, dass; anstatt zu = anstatt, dass. „zu“ ist unflektiert, hat keinen Satzgliedwert und hat mit allen Klassen etwas gemeinsam (fordert keinen Kasus, ist immer auf das Verb bezogen). Es trägt keine erkennbare Bedeutung und wird den Partikeln zugeordnet. Nach Helbig gibt es zwei Infinitivklassen •
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valenzbedingt: um Leerstellen im Matrixsatz aufzufüllen z.B. „Wir freuen uns ihn zu sehen“ (Verb) „Ihn zu sehen ist erfreulich“ (Adjektiv) „Wir haben die Freude ihn zu sehen“ (Substantiv) nicht‐valenzbedingt: zweiteilige Verbindungen/ freie Angaben/ können nicht aus Leerstellen erschlossen, gefor‐
dert, bedingt werden z.B. „Er geht in das Bad, anstatt zu arbeiten“ 16 Achtung: keine Garantie auf Vollständigkeit oder Korrektheit VO Deutsche Syntax; WS 07/08; Prof. Dr. Scheuringer Partizipialgruppen Partizipialgruppen sind nie valenzbedingt, sie sind eine freie, syntaktisch beliebig hinzufügbare Grup‐
pe. Unterscheidung attributive und nicht‐attributive Partizipialgruppen: •
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attributive Partizipialkonstruktionen: kein eigenes Stellungsglied, nehmen die erste Stelle im Hauptsatz nicht alleine ein. Sie lassen sich paraphrasieren. z.B. „Eine ärztliche Behandlung aufbauend auf eine genaue Diagnose hätte den Patienten ge‐
rettet“ nicht‐attributive Partizipialkonstruktionen: sind wie Satzglieder und können die erste Stelle vor dem Verb einnehmen. Lassen sich nicht paraphrasieren. z.B. „Aufbauend auf genauer Diagnose hätte die ärztliche Behandlung den Patienten geret‐
tet“ Der Kontakt mit dem Substantiv weist auf attributive Partizipialkonstruktionen hin, der Kontakt mit dem Verb auf nicht attributive Partizipialkonstruktionen. Attributive Partizipialkonstruktionen lassen sich auch ohne Bedeutungsveränderung in typische Att‐
ribute verändern. [11.01.2008] Passiv: Entwicklungsgeschichte / Formen Fügungen mit „werden“ & Partizip II gehören zum Passiv, auch „sein“ + Partizip II. Auch Passivbildun‐
gen mit „bleiben“, „gehören“, „kriegen/bekommen“, „erhalten“, „haben“. Geschichte Der Bezugspunkt für das Passiv ist die lateinische Schulgrammatik. Das werden‐Passiv hat sich im Deutschen durchgesetzt, „sein“‐ und Partizip‐II‐Formen gelten als regional. Das Englische als Bezugs‐
punkt kam dazu: ein Passiv des engen Kanons mit „sein“ (to be). Das Passiv ist nicht nur mit morphologischen Kriterien zu ermitteln. Der Großteil der indogermani‐
schen Sprachen hat mehr als ein Passiv. Das Deutsche ist eigentlich eine Akkusativsprache, die passi‐
viert wird. Kompensation des Agens. Germanische Sprachen haben das Passiv als agensabgewandte Struktur. Oft ist es jedoch erwünscht, etwas über den Agens auszusagen. Gründe für den Passiv sind also nicht nur für den Einsatz als Alternativstruktur, sondern auch die Nichtbenennung des Agens und die Möglichkeit involitive Handlungen trotzdem als Geschehen aus‐
zuweisen. Die eigene Person wird ausgespart. z.B. „Die Vase ist hinuntergefallen“ vs. „Ich ließ die Vase fallen“ 17 Achtung: keine Garantie auf Vollständigkeit oder Korrektheit VO Deutsche Syntax; WS 07/08; Prof. Dr. Scheuringer Das Passiv ist immer mit aktivischem Hintergrund. Passivische Strukturen sind markiert, meistens sekundär, meistens ableitbar und in ihrer Bildungsweise durchschaubar und erkennbar. Früher war das sein‐Passiv die unmarkierte Form. Erst im späten Mhd. wurde das sein‐ zum werden‐
Passiv ‐> Umschichtungsprozess. Das Englische hatte früher ebenfalls ein werden‐ und sein‐Passiv (altengl. „weordhan“ und „wesan“). Im 15. Jhdt. ist im Englischen die „weordhan“ Form ausgestor‐
ben. Wäre die Entwicklung des Deutschen parallel verlaufen, hätten wir heute ein sein‐Passiv. Das engl. „be“ Passiv, z.B. „The glass is broken“, ist die einzige Form, wobei man nicht zwischen Vor‐
gangs‐ und Zustandspassiv unterscheiden kann. „get“ und „become“ sind hier Hilfsverben zur Füllung einer Systemlücke. Das Gotische (4. Jhdt.) hatte auch zwei Passivformen („wairthan“ & „wisan“), die ursprünglich Akti‐
onsarten waren, nämlich werden ingressiv und sein kursiv. Später entwickelten sie sich zu „werdan“ und „wesan/sin“. Die zahlenmäßige Verteilung ist hier anders: 2/3 bis ¾ der verwendeten Passivfor‐
men sind sein‐Formen. Das Futur des Lateinischen wurde im Ahd. durch das Präsens wiedergegeben. Aktiv und Passiv im 16. Jhdt.: „werden“ ist zukunftsorientiert. Der Grund für die Wahl des werden‐Passivs ist jedoch kein temporaler, sondern ein Handlungsaspekt. Die Gebrauchsweise ist früher in den Phraseologismen stecken geblieben, z.B. „Die Straße ist beleuchtet“ war früher noch aktionsartenbedingt (kursiv) In den germanischen Sprachen überwiegen die sein‐Formen. Das Tempus des Verbs wurde historisch gesehen immer wichtiger. Das alte werden/sein‐System wurde umgeprägt im Mhd. auf temporal. Das Präfix „ge‐„ war eine vollzogene Handlung. Die Aktionsarten gingen in dieser Hinsicht jedoch nicht ganz verloren, die Form von „werden“ ist jedoch nicht mehr ingressiv. In der Übergangszeit gibt es Belege für Formen mit „sein“ wo heute „werden“ benutzt wird. Bei Luther wird vorrangig schon „werden“ benutzt. Die Bildungen „Sei gegrüßt“ und „ … ist sehr gesucht“ sind versteinerte Reste der früheren Ausdrucksweisen. Passivperiphrasen •
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unpersönliches Passiv: „Dem ist geholfen“, „Dem wird geholfen“ bleiben, stehen, liegen Passiv: regionale Unterschiede, z.B. „bleiben“ eher umgangssprachlich, „kommen“ eher südwestlich angesiedelt. „bekommen“, „kriegen“, „erhalten“: hängt mit Zwei‐ oder Dreiwertigkeit der Verben zusammen „haben“: z.B. „Die Weichen haben … eingebaut“ „gehören“ [18.01.2008] 18 Achtung: keine Garantie auf Vollständigkeit oder Korrektheit VO Deutsche Syntax; WS 07/08; Prof. Dr. Scheuringer Funktionale Satzperspektive / Thema‐Rhema‐Gliederung In der Funktionalen Satzperspektive gilt der Satz als Teil des Textes. Das Prinzip der Zweiteilung in Thema und Rhema gilt auch bei kürzeren Sätzen, z.B. „Mama komm“, „Hansi Saft trinken“, „Das Schauspiel dauerte sehr lange“. Wie sind Sätze unter kommunikativen Gesichtspunkten eingeteilt? Es wird an etwas angeschlossen, das Hörer und Sprecher bekannt ist. Sätze sind Teile eines Diskurses. Hermann Paul: Begriff „Seele“. Subjekt und Prädikat sind leicht zu erkennen, aber was ist die „See‐
le“? z.B. die Betonung in Sätzen oder die Wortstellung. Die zwei Elemente sind der Funktion nach differenziert. Die Situation ist wichtig und immer vorhan‐
den, man muss sie in der Satzanalyse berücksichtigen. Bekanntes = thematisch, Neues = rhematisch. Karo Thema fährt morgen nach Berlin Rhema Thematische Glieder können auch in rhematische eingebettet sein. Die ersten Ansätze der funktionalen Satzperspektive finden sich bei Paul, aber auch bei Gabelentz (psycholinguistischer Ansatz, der später durch den strukturalistischen abgelöst wurde). Dichotomien: bekannt‐nicht bekannt (kognitiv); neu – nicht neu (kontextuell) Thematisches kann als bekannt und allgemein akzeptiert gesehen werden. Das Thema nimmt meist Spitzenstellung ein, als Anknüpfungspunkt. Im Laufe des Textes entstehen immer neue Themen, die wiederum an Rhemen anknüpfen. Es gibt keine themalosen Sätze. Thema: wozu, versammelt Bezeichnungen, ist variabler Rhema: dazu, drückt geschlossene Bedeutung aus, ist invariabler Die Anordnung der Elemente ist am deutlichsten im Nebensatz zu sehen. Sie sind oft mit einem Mo‐
dalisator, z.B. „wahrscheinlich“, „leider“, etc. verbunden oder dadurch getrennt. …, dass das Wetter in der Normandie Thema wahrscheinlich Modalisator morgen besser wird Rhema Präsupposition (=Vorannehmung) = Thema Assertion (=Behauptung) = Rhema Nicht alle Glieder sind Thema/Rhema relevant. Im Deutschen ist die Wortstellung „quasi‐frei“ im Gegensatz zum rigiden Englisch. Die Serialisierung nach kommunikativen Gesichtspunkten eignet sich am besten um Thema/Rhema darzustellen. Die Terminologie von Boost Karl baut auf der Vorfeld‐Hauptfeld‐Nachfeld‐Terminologie auf. Er spricht von einem Spannungsbogen. z.B. „Geregnet hat es in Österreich seit drei Tagen nicht“ ‐> Spannungsbogen 19 Achtung: keine Garantie auf Vollständigkeit oder Korrektheit VO Deutsche Syntax; WS 07/08; Prof. Dr. Scheuringer Grundreihenfolge Die Grundreihenfolge wird von zwei grammatischen Instanzen geregelt: 1. sprachtypologisch: z.B. „Otto gibt dem Bruder das Buch“ (Normalfall Dativ‐Akkusativ) nicht: „Otto gibt das Buch dem Bruder“ (Akkusativ‐Dativ) 2. Satztypdifferenzierend: Die Zweitstellung gilt als unmarkiert. Grundreihenfolge der Ergänzungen: Subjekt, Dativobjekt, Akkusativobjekt, Genetivobjekt Grundreihenfolge der Angaben: temporal, kausal, lokal, modal, instrumental Otto hat gestern aus Jux temporal kausal auf der Terasse eifrig mit dem Hämmerchen lokal modal instrumental das Spar‐
schwein beklopft Bei Substantiven ist der Artikel oder Nullartikel oder ein Pronomen als Indikator für „bekannt“. Alles ist im Text zuerst einmal neu und es kann sein, dass Bekanntes nicht neu ist (siehe Dichotomie). Es gibt einen Überlappungsbereich aus Thema/Rhema. Kürzere Elemente stehen vor längeren Elementen. Demonstrativa vor Pronomina vor anderen. Mitteilungswert: für die Bestimmung des Mitteilungswertes hat man ein Instrument entwickelt: CD (communicative dynamic) oder KD (Kommunikative Dynamik) ‐>psycholinguistische Grundfunktion. Rhematische Glieder tendieren zum Satzende, haben gleichen Mitteilungswert, weil sie alle neu sind, ihre Serialisierung ist rein syntaktischer Art. Speziell bei gesprochener Sprache ist die Intention wichtig. Der Satzakzent kennzeichnet das eigentli‐
che Rhema. 20 Achtung: keine Garantie auf Vollständigkeit oder Korrektheit 
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