Controlling in entgeltfinanzierten ambulanten Diensten – Empfehlungen von Instrumentarien für die mittlere Führungsebene Master-Thesis im Fach Sozialmanagement der Alice Salomon Hochschule Berlin Markus Adam Erstprüferin: Recha Drews M.A. Zweitprüfer: Prof. Dr. phil. Jürgen Holdenrieder Bearbeitungszeitraum: 01. Dezember 2014 bis 31. Januar 2015 Matrikel-Nummer: 08142001 Berlin, den 23. Januar 2015 Zusammenfassung Die vorliegende Arbeit setzt sich mit dem Thema des Controllings in der Sozialwirtschaft auseinander. Das Ziel dieser Arbeit, sind konkrete Empfehlungen für Controllinginstrumente, die insbesondere Personen in der mittleren Führungsebene in entgeltfinanzierten ambulanten Diensten Unterstützung bieten sollen. Die Darstellung des Controllingbegriffs erfolgt mit Hilfe der aktuellen Literatur. Konkrete Controllinginstrumente werden vom Autor ausgewählt und näher erläutert. Auf der Grundlage der praktischen Erfahrungen des Autors basiert die Beschreibung der Handlungsfelder für die mittlere Führungsebene in den entgeltfinanzierten ambulanten Diensten. Abgeleitet aus den Erkenntnissen der Literaturrecherche und den praktischen Erfahrungen in dem konkreten Arbeitsfeld, spricht der Autor abschließend eine konkrete Empfehlung zu einem Controllinginstrument aus. Neben der Empfehlung der Deckungsbeitragsrechnung gibt es auch noch weitere allgemeine Empfehlungen zum Controlling auf der Ebene der mittleren Führung. Im Fazit nimmt der Autor eine Bewertung des Controllings in sozialen Unternehmungen vor und gibt eine perspektivische Aussicht. Seite 2 Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung......................................................................................................2 Inhaltsverzeichnis .......................................................................................................3 Abbildungsverzeichnis ...............................................................................................5 Tabellenverzeichnis ....................................................................................................6 Formelverzeichnis .......................................................................................................6 Abkürzungsverzeichnis ..............................................................................................7 1 2 Einleitung ..............................................................................................................9 1.1 Forschungsfrage .......................................................................................9 1.1.1 Ökonomisches Prinzip .....................................................................9 1.1.2 Marktmechanismen in der Sozialwirtschaft .................................... 10 1.1.3 Anspruchsgruppen eines Sozialunternehmens .............................. 11 1.1.4 Leistungsverträge mit Entgeltvereinbarungen ................................ 12 1.1.5 Herleitung der Forschungsfrage..................................................... 14 1.2 Aufbau und Vorgehensweise .................................................................. 16 Controlling ..........................................................................................................17 2.1 Historische Betrachtung des Controlling ................................................. 17 2.1.1 Allgemeine Entwicklungslinien des Controllings ............................. 17 2.1.2 Entwicklungslinien im Bereich der Sozialwirtschaft ........................ 21 2.2 Beschreibung des Controllings ............................................................... 27 2.2.1 Dimensionen des Controllings ....................................................... 27 2.2.2 Strategisches Controlling ............................................................... 29 2.2.3 Operatives Controlling ................................................................... 30 2.2.4 Aufgaben des Controllings ............................................................. 31 2.3 Themenbereiche des Controllings........................................................... 33 2.3.1 Kostensteuerung............................................................................ 33 2.3.2 Flexible Plankostenrechnung auf Teilkostenbasis .......................... 35 2.3.3 Mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung ........................................ 39 2.3.4 Break-Even-Analyse ...................................................................... 44 2.3.5 Kennzahlen....................................................................................46 2.3.6 Portfolio-Analyse............................................................................ 50 2.4 Möglichkeiten des Controllings in der mittleren Führungsebene ............. 53 Seite 3 3 4 5 Handlungsfelder der mittleren Führungsebene in sozialen Unternehmen..... 55 3.1 Stakeholder-Management ....................................................................... 55 3.2 Haushaltsplanung ...................................................................................58 3.3 Leistungserbringung ...............................................................................61 3.3.1 Annahme von Aufträgen ................................................................ 61 3.3.2 Auslastung der Mitarbeiter ............................................................. 65 3.4 Mitarbeiter in ambulanten Diensten......................................................... 67 Empfehlung von Controllinginstrumenten ....................................................... 70 4.1 Instrument für die mittlere Führungsebene in entgeltfinanzierten ambulanten Diensten ..............................................................................70 4.2 Bewertung weiterer Controllinginstrumente............................................. 73 Fazit .....................................................................................................................75 Danksagung...............................................................................................................79 Literaturverzeichnis ..................................................................................................80 Eidesstattliche Erklärung .........................................................................................84 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für beiderlei Geschlecht. Seite 4 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: Abbildung 13: Abbildung 14: Abbildung 15: Abbildung 16: Abbildung 17: Abbildung 18: Abbildung 19: Abbildung 20: Abbildung 21: Abbildung 22: Abbildung 23: Abbildung 24: Abbildung 25: Schematische Darstellung des Ökonomischen Prinzips ............ 9 Schematische Darstellung des Sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis................................................................... 14 Schematische Darstellung der Zeitdimension im Controlling ... 19 Schematische Darstellung des Regelkreises Controlling......... 19 Historische Betrachtung betriebswirtschaftlicher Führungskonzepte .................................................................. 21 Diagramm Verteilung der Beschäftigten in der Schweiz zwischen 1800 – 2006 ............................................................ 23 Diagramm Entwicklung HzE zwischen 2008 – 2012................ 24 Diagramm Bruttoausgaben EGH zwischen 2008 – 2012......... 24 Diagramm Anzahl Beschäftigter in einzelnen Segmenten der freien Wohlfahrtspflege ..................................................... 25 Diagramm Zwiebelmodell der Planung.................................... 29 Schematische Darstellung des Controllings als Brücke in der Organisation ..................................................................... 31 Schematische Darstellung der Kostengliederung .................... 33 Elementarfaktoren im Kombinationsprozess ........................... 34 Diagramm Beschäftigungsbezogene Kosten........................... 37 Diagramm zur flexiblen Plankostenrechnung auf Teilkostenbasis ....................................................................... 38 Schematische Darstellung des Ablaufs der Kostenrechnung .. 40 Schematische Darstellung von verrechnungsbezogenen Kosten ....................................................................................40 Schematische Darstellung des Deckungsbeitrags................... 41 Schematische Darstellung der Gewinnschwelle ...................... 45 Portfolio-Matrix der Boston Consulting Gruppe ....................... 51 Ist-Plan-Portfolio-Matrix........................................................... 52 Schematische Darstellung der Organisation des Haushaltsplanungsverfahrens ................................................. 58 Schematische Darstellung des Soll-Ist-Vergleiches ................ 61 Die Maslowsche Bedürfnispyramide ....................................... 69 Schematische Darstellung einer Deckungsbeitragsberechnung für ein Zwei-ProduktPortfolio ..................................................................................72 Seite 5 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5: Tabelle 6: Tabelle 7: Tabelle 8: Tabelle 9: Tabelle 10: Tabelle 11: Tabelle 12: Tabelle 13: Übersicht Definitionen Controlling .......................................... 17 Gliederung Controlling nach Betrachtungszeitraum ............... 28 Kennzeichen des Plankosten- und des Normalkostenbegriffs ............................................................. 36 Beispiel zur Grundform der Deckungsbeitragsrechnung ........ 41 Definitionen für Fixkostenschichten ........................................ 42 Beispiel zur Fixkostendeckungsrechnung .............................. 43 Klassifizierung von Kennzahlen ............................................. 47 Indexzahl Entwicklung der Fortbildungskosten....................... 49 Kategorien von Verhältniszahlen ............................................ 49 Erläuterung der Stakeholder Prozess-Schritte ....................... 57 Vorteile der Haushaltsplanungsverfahren .............................. 59 Vergleich effektive Lohnkosten pro Stunde ............................ 63 Vergleich Entgeltsätze Fachleistungsstunde ambulanter Leistungen ............................................................................. 64 Formelverzeichnis Formel 1: Formel 2: Formel 3: Formel 4: Formel 5: Formel 6: Formel 7: Formel 8: Formel 9: Formel 10: Formel 11: Formel 12: Formel 13: Formel 14: Formel 15: Formel 16: Berechnung der Fachleistungsstunde .................................... 13 Berechnung des Deckungsbeitrags je Umsatzeinheit ............ 44 Berechnung der Absatzmenge ............................................... 46 Berechnung des Break-Even-Umsatzes ................................ 46 Bildung der Kennzahl Personalkostenquote ........................... 48 Bildung der Kennzahl Fortbildungswirkungsquote .................. 48 Bildung der Kennzahl Fortbildungsstrukturquote .................... 49 Berechnung des Deckungsbeitrags je Umsatzeinheit ............ 64 Berechnung des Deckungsbeitrags je Umsatzeinheit ............ 64 Berechnung des Deckungsbeitrags je Umsatzeinheit ............ 65 Bildung der Kennzahl Mitarbeiterauslastungsquote................ 65 Bildung der Kennzahl Leerlaufkosten in Euro......................... 66 Bildung der Kennzahl Leerlaufkostenquote ............................ 66 Berechnung des Deckungsbeitrags je Umsatzeinheit ............ 71 Berechnung des Deckungsbeitrags je Umsatzeinheit ............ 71 Berechnung der Auslastung bei einem Zwei-Produkt-Portfolio............................................................ 71 Seite 6 Abkürzungsverzeichnis ∅ Symbol für mathematischen Durchschnitt § Symbol für Paragraf ABW Ambulant betreutes Wohnen nach § 53 SGB XII AG 78 Arbeitsgemeinschaft nach § 78 SGB VIII AG-brutto Arbeitgeberbruttokosten ASD Allgemeiner Sozialer Dienst im Jugendamt BEP Break-Even-Point Bi Istbeschäftigung Bp Planbeschäftigung BSHG Bundessozialhilfegesetz (heute aufgegangen im SGB XII) BU Beschäftigungsumfang bzw. Beziehungsweise ca. circa d.h. das heißt DB Deckungsbeitrag DBUE Deckungsbeitrag je Umsatzeinheit ebd. ebenda EGH Eingliederungshilfe nach SGB XII et al. und andere FLS Fachleistungsstunde FoBi Fortbildung ggf. gegebenenfalls GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung h Einheit für eine Zeitstunde HzE Hilfen zur Erziehung nach SGB VIII Seite 7 i. S. im Sinne i.d.R. in der Regel Kfix fixe Kosten Ki v variablen Istkosten KJHG Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) Kp v variablen Plankosten kvar variable Kosten KvsollBi variablen Sollkosten bei Istbeschäftigung NPO Nonprofit-Organisation o.ä. oder ähnlichen p Preis PsychAG Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft QM Qualitätsmanagement S. Seite s.a. siehe auch SGB VIII Sozialgesetzbuch VIII (KJHG) SGB XII Sozialgesetzbuch XII SPFH Sozialpädagogische Familienhilfe nach § 31 SGB VIII TzBfG Teilzeitbefristungsgesetz u.a. unter anderem vgl. vergleiche x Variable für eine Menge z.B. zum Beispiel zit. n. zitiert nach Seite 8 1 Einleitung 1.1 Forschungsfrage 1.1.1 Ökonomisches Prinzip In den vergangenen Jahrzehnten hat sich der Sektor der sozialen Arbeit stark gewandelt. Ein markanter Wendepunkt in Deutschland war die Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995. Damit einher ging die verstärkte Öffnung des sozialen Sektors für private Anbieter. Erklärtes Ziel war es, die Vorrangstellung der Träger der freien Wohlfahrtspflege – wie sie noch im § 10 BSHG beschrieben war – aufzuheben. Es lässt sich heute eine „Ökonomisierung der Sozialen Arbeit“ (Buestrich, Wohlfahrt, 2008 S. 17) feststellen. Diese Feststellung kristallisiert sich für Sozialunternehmen an der zunehmenden „‘Vermarktlichung‘ ihrer Erbringungskontexte“ [Hervorhebung im Original] (ebd., 2008 S. 24). Bei dem Begriff der Ökonomisierung innerhalb der sozialen Arbeit handelt es sich aber nicht um einen neu in dieses Arbeitsfeld aufgenommen Begriff. Nur der aktuelle Diskurs darüber wird dem Bereich durch die knappen finanziellen Ressourcen in den sozialen Sicherungssystemen und durch die veränderte Gesetzeslage aufgedrängt. (vgl. ebd., 2008) Dies hatte zur Folge, dass auch die Auseinandersetzung mit dem Begriff des ökonomischen Prinzips im Sektor der sozialen Arbeit Einzug hielt. Das ökonomische Prinzip lässt sich, je nach Blickrichtung und Schwerpunktsetzung, in drei verschiedenen Ausformungen darstellen. Abbildung 1: Schematische Darstellung des Ökonomischen Prinzips Quelle: eigene Darstellung Seite 9 Die erbrachten Leistungen in Sozialunternehmen unterscheiden sich zu anderen Wirtschaftszweigen. Es handelt sich um spezielle Dienstleistungsprodukte, die keinen Selbstzweck haben. Es ist davon auszugehen, dass es Adressaten gibt, für die diese Leistungen erbracht werden und auf die hin sich der Zweck der Leistung ausrichtet. Somit kann sich die Steigerung der Effektivität in Sozialunternehmen nicht einzig der Profitsteigerung zu unterwerfen haben. Im Bereich der entgeltfinanzierten ambulanten Dienste wird es daher nicht darum gehen können, dem ökonomischen Prinzip in der Ausformung des Maximalprinzips zu folgen. Dies wäre in zuwendungsfinanzierten Diensten möglich, da hier zu Beginn einer Periode ein fest vorgegebenes Maß an Ressourcen oder Mittel definiert ist. In entgeltfinanzierten ambulanten Diensten ist demnach eher das Minimal- oder Optimalprinzip in der Betrachtung anzusetzen. Es gilt hier, mit möglichst wenigen Ressourcen oder Mitteleinsatz das anvisierte Ziel zu erreichen, oder eben das beste Ressourcen-NutzenVerhältnis zu erreichen. Den Gedanken des optimalen Ressourcen-Nutzen-Verhältnis wird der Autor in dieser Arbeit noch mehrfach aufgreifen und seinen Beschreibungen zu Grunde legen. 1.1.2 Marktmechanismen in der Sozialwirtschaft Die beschriebenen Prozesse in der sozialen Arbeit wurden durch eine sich stark wandelnde Gesetzgebung in Deutschland und europaweit seit den 1990er Jahren ausgelöst. Die Aufnahme der ökonomischen Perspektive in der Sozialen Arbeit führte dazu, dass der Begriff der Sozialwirtschaft heute berechtigt als Beschreibung benutzt werden kann. (vgl. Schneiders, 2014 S. 224 - 227) Seit dem werden in der Sozialwirtschaft Marktmechanismen immer bedeutungsvoller. (vgl. Zenz, 2012 S. 7; Bono, 2006 S. 6) Es handelt sich hierbei aber nicht um exakt die gleichen Mechanismen, wie sie in der Betriebswirtschaftslehre beschrieben werden. (vgl. Fernandes dos Santos, 2003 S. 64) Buestrich und Wohlfahrt beschreiben drei verschiedene Ausformungen des Marktgeschehens und geben somit eine Bandbreite der Entwicklung wieder. „Die Bandbreite reicht dabei von ‚staatlich gelenkten Märkten‘, über ‚Semi-Markt-Systeme‘, in denen Bereiche staatlicher Steuerung mit Elementen einer überwiegenden bis vollständigen Marktsteuerung kombiniert sind, bis hin zu – mit Ausnahme des Gesundheitswesens – aktuell (noch) eher randständigen Bereichen einer ausschließlichen Marktsteuerung, in denen es um Marktanteile, das heißt die Konkurrenz um die privat zahlungsfähige Nachfrage von Kunden geht.“ [Hervorhebungen im Original] (Buestrich,Wohlfahrt, 2008 S. 24) Seite 10 1.1.3 Anspruchsgruppen eines Sozialunternehmens Die Veränderungen in der sozialen Arbeit in den letzten Jahrzehnten, die die soziale Arbeit mit der ökonomischen Perspektive hin zur Sozialwirtschaft geführt haben, machen deutlich, dass soziale Unternehmen in einem System von Beziehungen eingebettet sind. Dieses Beziehungsgeflecht nimmt Einfluss auf das soziale Unternehmen. Es gibt demnach verschiedene Gruppen, die „Anteil haben“ (Tiebel, 1998 S. 85) oder an dem Sozialunternehmen „interessiert sein“ (ebd., 1998 S. 85) können. Wenn in einem Sozialunternehmen diese Interessengruppen, mit den ihnen eigenen Ansprüchen berücksichtigt werden, dann lassen sich diese auch als Anspruchsgruppen bezeichnen. So nehmen die Anspruchsgruppen, mit den ihnen eigenen Zielen, dann auch Einfluss auf die Unternehmung. Das dahinter liegende Konzept ist der Stakeholder-Ansatz. (s.a. Kapitel 3.1 Stakeholder-Management, S. 55) Der Stakeholder-Ansatz nimmt die Tatsache auf, dass es für ein Sozialunternehmen eine breite Fächerung von Anspruchsgruppen – Stakeholder – gibt. Die Gliederung und Beschreibung der Stakeholder kann von Unternehmung zu Unternehmung ganz unterschiedlich ausfallen und hängt sehr stark von der Zielrichtung der Beschreibung ab. (vgl. Halfar, Moos, Schellberg, 2014 S. 62 - 67) Für diese Arbeit ist eine erste und rein theoretische Gliederung in • Nutzer von Leistungen/ den erbrachten Werten der sozialen Arbeit, • Träger/ Erbringer von Angeboten und konkreten sozialen Dienstleistungen und • Profiteuren/ Nutznießer von sozialer Tätigkeit von Relevanz (s.a. Abbildung 2: Schematische Darstellung des Sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis, S. 14). „Der Stakeholder-Ansatz steht für eine sehr umfassende soziale und ökonomische Verantwortung einer Organisation für alle Gruppierungen, die mit der Organisation in Verbindung stehen. Dies drückt sich sehr deutlich durch die Art der Erfolgsmessung in traditionell geführten Organisationen und Organisationen, die die Philosophie des Stakeholder-Denkens vertreten aus.“ (Tiebel, 1998 S. 86) Das Ziel der Unternehmung nach dem Stakeholder-Ansatz ist das Nutzenschaffen für den Stakeholder und die Optimierung des Umganges mit den verschiedenen Systemen der unterschiedlichen Anspruchsgruppen. (vgl. ebd., 1998 S. 85 - 90) Bei der Unterschiedlichkeit der benannten Stakeholder ist es ihren Zielen auch immanent, dass diese sich stark unterscheiden. Die ökonomische Perspektive in Sozialunternehmen muss daher sowohl materielle, immaterielle und qualitative Werte in ihrer Zielsetzung berücksichtigen. Diese spezifische Zielsetzung in Sozialunternehmen wirkt damit auf das Controlling in Sozialunternehmen. Seite 11 1.1.4 Leistungsverträge mit Entgeltvereinbarungen Rückblickend lässt sich aus der benannten Entwicklung heraus die Veränderung der Struktur der Finanzierung der sozialen Arbeit konstatieren. Da die Zuwendungsfinanzierung, z.B. in Form der Fehlbedarfsfinanzierung bei Projektförderungen, i.d.R. mit der Bereitstellung von Eigenmitteln verknüpft ist, konzentrieren sich soziale Träger, als Leistungsanbieter, in Zeiten der immer knapper werdenden finanziellen Ressourcen zunehmend auf entgeltfinanzierte Dienste. Der Anteil der durch Leistungsverträge entgeltfinanzierten Dienste stieg kontinuierlich an. Leistungsverträge sind damit ein „partiell die Zuwendungsfinanzierung ablösendes Finanzierungsinstrument“ (Bettig, Christa, Faust, 2013 S. 38). Das Setzen auf entgeltfinanzierte Dienste ist aber kein Allheilmittel um die finanzielle Stabilität sozialer Träger zu gewährleisten. Bei Leistungsverträgen handelt es sich um den Einkauf einer Dienstleistung, deren Preis auf „fachlicher und bedarfsorientierter Basis“ (ebd., 2013 S. 38) zwischen dem Leistungsträger und dem Leistungserbringer ausgehandelt wurden. Prägend für entgeltfinanzierte Dienste auf der Grundlage von Leistungsverträgen oder Leistungsvereinbarungen sind also die konkreten Beschreibungen einzelner, auf den Leistungsberechtigten bezogenen, Sozialleistungen und deren Gegenwert. (vgl. ebd., 2013 S. 40) Damit ist die Entgeltfinanzierung den „subjektorientierten Finanzierungsformen zuzuordnen“ (Arnold, Grunwald, Maelicke, 2014 S. 261). Diese Form der Finanzierung basiert auf privatrechtlichen Verträgen. Mittelverwendungen werden im Nachhinein nicht mehr geprüft. Die Finanzierung der Leistung steht nicht unter einem Rückforderungsbehalt, wie beim Zuwendungsrecht. Dagegen verschiebt sich aber das Risiko der Leistungserfüllung auf den Leistungserbringer. Diese strukturelle Veränderung muss auch beim Leistungserbringer zu organisationalen Veränderungen führen. Da die Einnahmen in diesem System variabel sind, muss die Steuerung bei den Kosten ansetzen. Es müssen also die „Organisationsstrukturen leistungs- und ergebnisorientiert“ (Bettig, Christa, Faust, 2013 S. 40) gestaltet werden. Hierin findet sich eine der Ursachen für das notwendig gewordene Controlling in Sozialunternehmen. Für den ambulanten Kinder- und Jugendhilfebereich findet sich die Grundlage für die Leistungsvereinbarungen im § 78 (b) SGB VIII, dem KJHG. „Wird die Leistung ganz oder teilweise in einer Einrichtung erbracht, so ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme des Entgelts gegenüber dem Leistungsberechtigten verpflichtet, wenn mit dem Träger der Einrichtung oder seinem Verband Vereinbarungen über 1. Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungsangebote (Leistungsvereinbarung), 2. differenzierte Entgelte für die Leistungsangebote und die betriebsnotwendigen Investitionen (Entgeltvereinbarung) und Seite 12 3. Grundsätze und Maßstäbe für die Bewertung der Qualität der Leistungsangebote sowie über geeignete Maßnahmen zu ihrer Gewährleistung (Qualitätsentwicklungsvereinbarung) abgeschlossen worden sind.“ Diese Regelung findet in Verbindung mit § 77 SGB VIII auch auf die ambulanten Dienste Anwendung. Die Grundlagen für die Leistungsvereinbarungen in der EGH sind im § 75 (3) SGB XII zu finden. Hier heißt es: „Wird die Leistung von einer Einrichtung erbracht, ist der Träger der Sozialhilfe zur Übernahme der Vergütung für die Leistung nur verpflichtet, wenn mit dem Träger der Einrichtung oder seinem Verband eine Vereinbarung über 1. Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen (Leistungsvereinbarung), 2. die Vergütung, die sich aus Pauschalen und Beträgen für einzelne Leistungsbereiche zusammensetzt (Vergütungsvereinbarung) und 3. die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen (Prüfungsvereinbarung) besteht. Die Vereinbarungen müssen den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen. Der Träger der Sozialhilfe kann die Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistung prüfen.“ Mit der grundlegenden Fixierung von • Leistungen, • Entgelten und • Qualitäten lassen sich demnach für die ambulanten Dienste Leistungsvereinbarungen treffen, um diese auf entgeltfinanzierter Basis durchzuführen. Für den ambulanten Bereich ist insbesondere das Modell der Fachleistungsstunde (FLS) von Relevanz. Diese Form der Finanzierung ist sowohl in den HzE nach SGB VIII, wie auch in der EGH nach SGB XII anzutreffen. Hierbei handelt es sich um eine besondere Form von Entgelten für ambulante Dienste. Diese wird ebenso durch Verhandlungen und durch Leistungs- und Entgeltvereinbarungen mit den Leistungsträgern ausgehandelt und abgeschlossen. Eine Fachleistungsstunde errechnet sich aus dem Quotienten der Summe der Sachund Personalkosten und der Jahresnettoarbeitszeit. ๐ด (๐๐๐๐ ๐๐๐๐๐๐๐ ๐ก๐๐ ๐ข๐๐ ๐๐๐โ๐๐๐ ๐ก๐๐) = ๐น๐๐โ๐๐๐๐ ๐ก๐ข๐๐๐ ๐ ๐ก๐ข๐๐๐ ๐๐ € ๐ฝ๐โ๐๐๐ ๐๐๐ก๐ก๐๐๐๐๐๐๐ก๐ ๐ง๐๐๐ก ๐๐๐ก๐๐๐๐๐๐ก๐๐ Formel 1: Berechnung der Fachleistungsstunde Quelle: eigene Darstellung nach ebd., 2013 S. 47 Seite 13 Die Leistungs- und Entgeltvereinbarungen bilden gemeinsam mit dem individuellen Rechtsanspruch des Bürgers auf Sozialleistungen und einer Vereinbarung zwischen dem Leistungserbringer und Leistungsempfänger das sogenannte sozialhilferechtliche Dreieck (s.a. Kapitel 1.1.3 Anspruchsgruppen eines Sozialunternehmens, S. 11). Abbildung 2: Schematische Darstellung des Sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis Quelle: eigene Darstellung nach Arnold, Grunwald, Maelicke, 2014 S. 262 Die schematische Darstellung verdeutlicht die Beziehungsstrukturen der beteiligten Akteure. Alle drei Akteure, der Leistungsträger, der Leistungsempfänger und der Leistungserbringer sind im Sinne der Anspruchsgruppen mit jeweils ganz spezifischen Interessenlagen in Bezug auf die Erbringung der Sozialleistung, in diesem Fall der entgeltfinanzierten ambulanten Dienstleitung, ausgestattet. 1.1.5 Herleitung der Forschungsfrage Der Autor ist in seiner eigenen beruflichen Tätigkeit bei einem Wohlfahrtsverband in Brandenburg für die ambulanten Dienste, die entgeltfinanziert sind, im Bereich der Eingliederungshilfe, der Hilfen zur Erziehung und der zusätzlichen Betreuungsleistungen im Bereich der Pflege zuständig. Ein Blick auf die Leistungen nach SGB VIII und SGB XII bei diesem Träger genügt, um festzustellen, dass die große Leistungsvielfalt, die sich in den vergangenen 15 Jahren entwickelt hat, zu insgesamt 7 verschiedenen Kostensätzen mit unterschiedlichen Leistungsträgern geführt hat. Bei allen Leistungsangeboten handelt es sich jeweils um eine pädagogische, ambulante Betreuungsleistung – also annähernd vergleichbare Leistungen. Trotzdem beträgt das niedrigste Entgelt nur ca. 2/3 des höchsten Entgeltsatzes. Beim Vergleich der Entgeltsätze in den einzelnen Regionen Deutschlands lassen sich unter Berücksichtigung des in Deutschland existierenden Lohngefälles ebenso große Unterschiede feststellen. Während es im Landschaftsverband Rheinland zumindest Schemata (Landschaftsverband Rheinland, 2014) zur Berechnung einer Fachleistungsstunde im HzE-Bereich gibt, bei denen z.B. auch die Fahrzeugkosten aufgeführt sind, gibt es in Brandenburg keine ähnlichen Vergleichs- oder Orientierungskataloge. Im Jahresbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes ist dazu zu lesen: „Schwierig gestaltete sich immer wieder die Berechnung von Entgelten für eine FachleistungsSeite 14 stunde im ambulanten Bereich. Durch das Fehlen eines ambulanten Rahmenvertrages kommt es zu Missverständnissen und zu sehr unterschiedlichen Verhandlungsergebnissen.“ (Paritätischer Wohlfahrtsverband, Landesverband Brandenburg e.V., 2008 S. 61) Im heutigen beruflichen Alltag zeigt es sich, dass es für Träger schwer ist, in diesen Verhandlungen die ursächlich mit der Leistungserbringung entstehenden Kosten in die Kalkulation der FLS einfließen zu lassen. Im Bereich der Sachkosten werden nur noch Pauschalen angesetzt. Im Bereich der Personalkosten fällt es Trägern schwer, tarifliche Gegebenheiten in den Verhandlungen abzubilden und durchzusetzen. Im Ergebnis handelt es sich um einen knapp kalkulierten, hart umkämpften Sektor im Bereich der sozialen Arbeit, der sich marktähnlichen Mechanismen stellen muss. Möchte ein Träger in diesem Bereich tätig werden, benötigt er heute nicht nur qualifiziertes pädagogisches Personal, sondern es bedarf auch zusätzlicher Qualitäten im Bereich des Managements, um die knappen Ressourcen so effektiv wie möglich einzusetzen. In dieser Arbeit möchte der Autor daher der Frage nachgehen: Welche Instrumente des Controllings für die mittlere Führungsebene lassen sich empfehlen? Warum aber die Fokussierung auf die mittlere Führungsebene? Die mittlere Führungsebene stellt ein ganz entscheidendes Scharnier im Gefüge eines sozialen Trägers dar, wenn es um den Erfolg oder das Scheitern eines Dienstes oder Angebotes geht. Die pädagogischen Mitarbeiter benötigen hohe Kompetenzen zur Umsetzung der konkreten Betreuungsaufträge und somit zur konkreten Durchführung der sozialen Arbeit in entgeltfinanzierten ambulanten Diensten. Die Leitung der Organisation ist dafür verantwortlich, die Rahmenbedingungen herzustellen und diese abzusichern und das konkrete Angebot in das Gesamtportfolio des Trägers richtig einzuordnen. Aber erst die mittlere Führungsebene entscheidet durch ihr qualifiziertes Handeln, ob es dauerhaft möglich ist, die Kompetenzen der Mitarbeiter in die Gesamtstrategien des Trägers erfolgreich einzubringen. Die mittlere Führungsebene ist in den Sozialräumen vernetzt und generiert dort die nötigen Informationen. Die mittlere Führungsebene ist mit den konkreten Anfragen an ambulante Leistungen konfrontiert und hat so die Sachkenntnis vor Ort für den richtigen Mitarbeitereinsatz und die konkreten Mittelverwendungen. Die mittlere Führungsebene ist darüber hinaus auch der erste Ansprechpartner für die Mitarbeiterbelange. Seite 15 Auf dieser mittleren Führungsebene werden also alle wichtigen Informationen aus dem Dienst gewonnen, gebündelt und an die Geschäftsführung und Leitung weitergereicht. Auf dieser Ebene werden aber auch wichtige operative Entscheidungen gefällt. Damit an dieser Stelle das Scharnier nicht quietscht und sich zur richtigen Zeit öffnet und schließt, bedarf es daher qualifizierter Instrumentarien. In dieser Arbeit sollen Controllinginstrumente auf ihre Anwendbarkeit in der mittleren Führungsebene geprüft und somit Empfehlungen formuliert werden. 1.2 Aufbau und Vorgehensweise Im ersten Teil der Arbeit befindet sich die Erläuterung, welche Forschungsfrage in der Masterthesis bearbeitet werden soll und warum diese für das Berufsfeld als relevant gelten kann. Ebenso wird die persönliche Motivation des Autors dargestellt. Ergänzend dazu finden sich die Gliederung der Arbeit und das Vorgehen in der Masterthesis darin wieder. Der zweite Teil der Arbeit ist der theoretischen Erörterung der Thematik gewidmet. Es findet eine Begriffsklärung zum Controlling statt. Diese erfolgt anhand einer historischen Herleitung unter Nutzung der Literatur. In diesem Kapitel werden ebenso Grundbegriffe und Methoden aus dem Controlling beleuchtet, um die Arbeit auf das Fundament des derzeitigen wissenschaftlichen Standes zu stellen. Daran schließt sich die Darstellung des Handlungsfeldes der mittleren Führungsebene in einem entgeltfinanzierten ambulanten Dienst an. Im letzten Teil befindet sich dann, als Antwort auf die Fragestellung der Masterthesis, die Empfehlung für Controllinginstrumente der mittleren Führungsebene. Ebenso wird hier noch einmal eine Abgrenzung zwischen den Aufgaben der mittleren Führungsebene und der Geschäftsführung oder Unternehmensleitung vorgenommen. Daraus abgeleitet erfolgt eine Würdigung der mittleren Führungsebene im Gesamtprozess der sozialen Unternehmung. Mit persönlichem Fazit des Autors und einer Stellungnahme zur Perspektive des Controllings in sozialen Unternehmen schließt die Arbeit ab. Seite 16 2 Controlling 2.1 Historische Betrachtung des Controllings 2.1.1 Allgemeine Entwicklungslinien des Controllings Bevor ich mich der Frage nach einzelnen Controllinginstrumenten zuwenden kann, gilt es vorab zu klären, was Controlling ist. In der Literatur findet man dazu eine große Vielfalt an Erläuterungen. Vergleichbar ist dies mit einem Bildmotiv, welches Schüler im Kunstunterricht malen sollen. Die Schüler werden sich nie exakt für die gleiche Farbauswahl, den gleichen Bildausschnitt oder dieselbe Perspektive entscheiden und so entstehen viele unterschiedliche Bilder von ein und demselben Motiv. Bei Preißler lässt sich dazu folgende Übersicht finden: 1. Definition von Hoffmann „Man kann das Controlling als die Unterstützung der Steuerung der Unternehmung durch Informationen bezeichnen …“ 2. Definition von Deyhle „Der Controller sorgt dafür, daß ein Apparat existiert, der darauf hinwirkt, daß die Unternehmung Gewinne erzielt. Konsequenz: Zum Controlling gehört das Zahlenhandwerk des internen Rechnungswesens (Management Accounting). Der Controller kontrolliert nicht, sondern sorgt dafür, daß jeder sich selbst kontrollieren kann im Rahmen der durch die Planung festgelegten Maßstäbe und im Hinblick auf die Einhaltung der von der Geschäftsleitung gesetzten Ziele. Konsequenz: Controlling geht nicht ohne Planung“. 3. Definition von Heckert und Wilson Sie definieren den Begriff Controlling als „die Steuerung oder Regulierung der Aktivitäten eines Betriebes in Übereinstimmung mit einem Plan, und zwar so, daß die Unternehmensziele erreicht werden“. 4. Definition von Winterhalter „Controlling ist die Gesamtheit von führungsanalytischer Tätigkeit (planungsrechnerisch, informationsbezogen), die dem Zweck der entlastenden Verbesserung der Unternehmensführung dienen und organisatorisch verselbständigt (delegiert) ist“. Tabelle 1: Übersicht Definitionen Controlling Quelle: Preißler, 1991 S. 12 Aufgrund dieser Vielschichtigkeit der Benennung und Betrachtung in der Literatur, ist es für diese Arbeit nötig, durch eine Verortung des Begriffs Controlling, eine gemeinsame Basis mit dem Leser herzustellen. Das Wort Controlling lässt sich aus dem Englischen übersetzend, auf vielfältige Weise ins Deutsche übertragen. Begriffe wie kontrollierend, beherrschend, leitend, herrschend, maßgebend, überwachend oder beaufsichtigend können in Übersetzungen entsprechend verwandt werden. (vgl. Freese, Wolters, 1998) Mit dieser kurzen AufzähSeite 17 lung werden zwei Aspekte deutlich. Die Tatsache, dass wir etwas mit einem englischen Vokabular beschreiben, weist darauf hin, dass die geschichtlichen Wurzeln des betriebswirtschaftlichen Begriffs Controlling im englischsprachigen Raum liegen. Zum Zweiten wird deutlich, dass mit Controlling nicht einfach bloß das Kontrollieren von Sachverhalten, i. S. eines Beobachtens, gemeint sein kann. Die Fülle der Übersetzungsmöglichkeiten spiegelt die tatsächliche inhaltliche Vielfalt des betriebswirtschaftlichen Controllings wider. Für diese Arbeit braucht es daher eine inhaltliche Umschreibung und Festlegung, denn: „Jeder hat seine eigenen Vorstellungen darüber, was Controlling bedeutet oder bedeuten soll, nur jeder meint etwas anderes“ (Preißler, 1991 S. 10). Die Begrifflichkeit weist historisch in den englischsprachigen Raum. „Unter der Stellenbezeichnung ‚Countroller‘ waren am englischen Königshof schon im 15. Jahrhundert Aufzeichnungen über ein- und ausgehende Gelder und Güter zu machen.“ (Weber, Schäffer, 2014 S. 3) In den USA überwacht „seit 1778 ein ‚Comptroller‘ das Gleichgewicht zwischen dem Staatsbudget und der Verwendung der Staatsausgaben“ (ebd., 2014 S. 3). Für Deutschland lässt sich das Thema Controlling im Verhältnis zu England oder den USA erst sehr spät verorten. Anfänglich hat das Controlling in Deutschland Einzug gehalten über US-amerikanische Tochterfirmen (vgl. Pracht, 2013b S. 224, Bachert, 2010 S. 17 - 21). Pracht berichtet in diesem Zusammenhang auch davon, dass sich seit den 1970-er Jahren die Akzente „seitdem von einer stark auf das Rechnungswesen bezogenen Sichtweise, über die Themen Berichtswesen und Budgetierung bis hin zur Einbeziehung in die strategische Planung sowie Mitgestaltung bei wesentlichen Unternehmenszielen“ (Pracht, 2013b S. 225) verschoben haben. Seite 18 Mit dieser Aussage wird auch deutlich, dass es nicht allein um ein rückwärtsgewandtes Instrumentarium geht, wie es im Falle von bloßer Kontrolle im deutschen Wortsinn wäre. Controlling beinhaltet eine zeitliche Mehrdimensionalität. Preißler beschreibt den Controller als „eine Art Zielerreichungslotse, ein Ziel- und Planungsverkäufer“ (Preißler, 1991 S. 12). Das Controlling ist damit „gegenwarts- und zukunftsorientiert im Gegensatz zur Kontrolle, die vergangenheitsorientiert ist“ [Hervorhebung im Original] (ebd., 1991 S. 12) Abbildung 3: Schematische Darstellung der Zeitdimension im Controlling Quelle: ebd., 1991 S. 13 Aus Sicht des Autors, lässt sich Controlling aber nicht im Gegensatz zu Kontrolle verwenden. Das zukunftsorientierte Controlling kommt ohne den Aspekt der vergangenheitsorientierten Kontrolle nicht aus. Für das Controlling lässt sich ein Regelkreis aufstellen, der wie folgt aussehen kann: Abbildung 4: Schematische Darstellung des Regelkreises Controlling Quelle: eigene Darstellung nach Mayer, Liessmann, freidank, 1999 S. 11 Diese grafische Darstellung ist stark vereinfacht. Sie macht aber deutlich, dass die Kontrolle, dessen was ist und auch was gewesen ist, elementarer Bestandteil eines Controlling-Kreislaufs ist. Nur durch Kontrolle ist man in der Lage zu überprüfen, ob man sich noch auf dem (Planungs-)Weg zu seinem Ziel hin befindet. Ist dies nicht der Fall bedarf es einer Analyse, um die richtigen (Steuerungs-)Impulse setzen zu können. Seite 19 Zwei wesentliche Aspekte sind in der Darstellung nicht benannt. Zum einen bedarf es noch einer Zielvorgabe um eine Planung machen zu können. Erst wenn man weiß, wo hin man sich entwickeln will, bildlich gesprochen: wohin die Reise gehen soll, kann auch der Weg dorthin geplant werden. Und zum anderen benötigt man Informationen, an Hand derer man kontrollieren, bemessen, bewerten oder beurteilen kann, ob man sich noch auf dem richtigem Weg befindet. (vgl. Bono, 2006 S. 13 - 15) Aus der wissenschaftlichen Betrachtung heraus, lässt sich hier eine konstruktivistische Sicht hinter dem Controlling erkennen, die dann diesen Prozess zu einem regelhaften Kreislauf zusammenführt. Hinter der Annahme eines ewigen Kreislaufes „steckt die in diesen Darstellungen normativ werdende Vorstellung, dass wir ‚die Welt‘ erkennen und diese Erkenntnis zu ihrer Gestaltung bzw. Verbesserung benutzen können“ [Hervorhebung im Original] (Kappler, 2006 S. 16). Aus konstruktivistischer Sicht erkennen wir „die Welt nicht nur und bilden sie ab, sondern wir verändern sie eben auch immer schon mit unserer »Erkenntnis« (die nun eben deshalb nicht mehr absolut ist) und durch das Hinzufügen (!) von Bildern“ (ebd., 2006 S. 16). Dieser Gedanke des Veränderns – schon allein durch das Erkennen – macht es zwingend nötig, immer wieder neu zu planen und zu steuern, da ja die Ursprungsannahmen nicht mehr zwingend der Realität des Neuerkannten entsprechen müssen. Historisch gesehen gab es hier einen langen Weg der Entwicklung des Controllings. Die Grafik von Mayer, Liessmann und Freidank zeigt auf, welche Systeme jeweils zur Anwendung kamen und welche Aspekte der Betriebswirtschaft diese Systeme in ihrem Fokus hatten. Mit fortschreitendem Zeitstrahl sind aber nicht die Systeme jeweils abgelöst und ersetzt worden, sondern es fand sehr viel mehr eine Erweiterung der Führungssysteme durch die Integration bisherig genutzter Systeme statt. Seite 20 Abbildung 5: Historische Betrachtung betriebswirtschaftlicher Führungskonzepte Quelle: Mayer, Liessmann, Freidank, 1999 S. 9 Das Controlling hat sich also von der reinen Kontrolle hin zur Steuerung entwickelt. Es hat somit eine Verschiebung der Betrachtungsweise innerhalb des Controllings stattgefunden. Wenn hier in dieser Arbeit über Controlling und dessen Instrumente geschrieben wird, dann geschieht das nicht einzig unter einem retrospektiven Blickwinkel. Das Verständnis von Controlling, welches dieser Arbeit zu Grunde liegt, ist eine prospektive Sichtweise, die, wie der Regelkreis deutlich macht, nicht ohne den retrospektiven Blick auskommt. 2.1.2 Entwicklungslinien im Bereich der Sozialwirtschaft Die bisherige Beschreibung des Controllings ist eine noch unspezifische Beschreibung im Hinblick auf das spezielle Feld der Betriebswirtschaftlehre, dem sich diese Arbeit stellt: der Sozialwirtschaft. Die soziale Organisation als Nonprofit-Unternehmung wird allgemein dem Dritten Sektor zu geordnet. Die Begrifflichkeit des Dritten Sektors stammt aus der Betriebswirtschaft. Die Gliederung greift die Aspekte der Nutzung von Rohstoffen (Erster Sektor), ihre Weiterverarbeitung und Veredlung (Zweiter Sektor) und den Bereich der Dienstleistung (Dritter Sektor) auf. Seite 21 Wenn man die Sozialwirtschaft auf dem Hintergrund der Organisation ihrer Unternehmungen und den von ihnen verfolgten Zielen betrachtet, lässt sich auch hier eine dritte Form erkennen. Es gibt die Spezifizierung in private und öffentliche Unternehmen. Wobei hier „Öffentliche Unternehmen […] zumeist im Eigentum der öffentlichen Hand (z.B. Staat oder Gebietskörperschaften) […] [sind] und ihre Entscheidungen an gemeinwirtschaftlichen Interessen“ [Hervorhebung im Original] (Holdenrieder, 2013 S. 52) orientiert sind. Unternehmen der Sozialwirtschaft könnten von ihrer Organisation und Eigentumsform zwar u.a. der privaten Unternehmung zu geordnet werden, ihrem Unternehmensziel – als Nonprofit-Organisation – nach, ließen sie sich aber eher mit öffentlichen Unternehmungen vergleichen. Letztlich lassen sich die Nonprofit- Organisationen „in einer strikten Auseinandersetzung weder dem idealtypischen Pol ‚Markt‘ noch ‚Staat‘“ (Helmig, 2014) zuordnen. Somit ist betriebswirtschaftlich gesehen, ein dritter Bereich entstanden, im Grunde eine Mischung aus den beiden bis dahin existierenden Bereichen: aus der Organisationsform und dem Unternehmensziel. Diese stark vereinfachte Gliederungsdarstellung soll lediglich der Herleitung der Begrifflichkeit Dritter Sektor dienen. Um das Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit umfänglich darzustellen und zu strukturieren, bedürfte es verschiedener Gliederungsansätze. Denn es „finden sich, je nach Schwerpunktsetzung, unterschiedliche Systematiken, welche die Praxisfelder der Sozialen Arbeit entlang von Funktionen, Aufgaben und Methoden, Institutionen oder Zielgruppen ordnen. Darüber hinaus bestehen zahlreiche Mischformen“ (Holdenrieder, 2013 S. 15). Von Bedeutung ist diese Gliederung für die vorliegende Arbeit, da eine der Charakteristika des Dritten Sektor, als Dienstleitungssektor, im Gegensatz zu den beiden anderen Sektoren, seine Personalintensität ist. Dies wird im Verlauf der Arbeit noch häufiger zu berücksichtigen sein. Seite 22 Die Gesamtheit des Dritten Sektors ist ansonsten ein noch eher junger Bereich, wie z.B. die Datenlage für die Schweiz verdeutlicht. Für das Jahr 2006 verteilen sich hier 4,1 Mio. Beschäftigte wie folgt: • 1. Sektor: 3,7% • 2. Sektor: 23,8% • 3. Sektor: 72,5% (vgl. Verlag Fuchs, 2013) Abbildung 6: Diagramm Verteilung der Beschäftigten in der Schweiz zwischen 1800 – 2006 Quelle: ebd., 2013) Wenn man die Bedeutung der Informationen, deren Dokumentation und Verarbeitung für die heutige Gesellschaft betrachtet, lässt sich vermuten, dass diese Entwicklung der Verschiebungen im Beschäftigungssektor aus heutiger Sicht sicher noch nicht abgeschlossen ist. Die Formulierung Sozialwirtschaft verweist in ihrem Namen auf ein weiteres Spannungsfeld hin. Die Aspekte Wirtschaft und soziale Aktivitäten scheinen umgangssprachlich erst einmal zwei Gegensätze darzustellen. Einerseits stehen da das wirtschaftliche Handeln, welches ein von Effizienz und Gewinn orientiertes Handeln meint und zum anderen das soziale Handeln, welches sich an Grundbedürfnissen von Menschen orientiert, wie Teilhabe und Sicherheit. (vgl. Arnold, Grundwald, Maelicke, 2014 S. 34) In der Begrifflichkeit Sozialwirtschaft werden diese Aspekte aber zusammengeführt. Desweiteren lässt sich feststellen, dass auch für Deutschland der Bereich der Sozialwirtschaft ein wachsender Bereich ist. Hocke definiert „das Feld der Kinder- und Jugendhilfe als eine Wachstumsbranche im Bereich der sozialen Arbeit“ (Hocke, 2012 S. 2). Beispielhaft sollen hier die Hilfen zur Erziehung genannt werden. Allein für die ambulanten Hilfen nach SGB VIII lässt sich die nachfolgende Statistik abbilden. Seite 23 Anzahl Hilfearten HzE jeweils am 31.12. 160.000 140.000 129.631 132.411 136.910 140.475 114.980 120.000 Hilfen nach § 27 SGB VIII Soziale Gruppenarbeit 100.000 Einzelbetreuung 80.000 60.000 Sozialpädagogische Familienhilfe 40.000 Ambulante Hilfen in Summe 20.000 0 2008 2009 2010 2011 2012 Abbildung 7: Diagramm Entwicklung HzE zwischen 2008 – 2012 Quelle: Statistisches Bundesamt, 2015 In den fünf Jahren von 2008 bis 2012 lässt sich ermitteln, dass die absolute Anzahl der Fälle in den dargestellten Hilfen zur Erziehung um ca. ein Viertel gestiegen ist. Die Hilfen zur Erziehung sind ein spezieller Bereich, in dem ambulante, entgeltfinanzierte Angebote existieren. Die eigene Erfahrung des Autors aus seiner beruflichen Praxis und der trägerinternen Statistik belegen, dass auch der Bereich weiterer ambulanter, entgeltfinanzierter Angebote zahlenmäßig kontinuierlich angestiegen ist. Erhebungen des Statistischen Bundesamtes untermauern dies. Für den Bereich der Eingliederungshilfe ergibt sich demnach die folgende Darstellung. Bruttoausgaben insgesamt für alle Hilfearten im Laufe des Jahres 16.000 14.000 12.000 12.454 13.287 13.842 14.402 15.129 10.000 8.000 Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in € 6.000 4.000 2.000 0 2008 2009 2010 2011 Abbildung 8: 2012 Diagramm Bruttoausgaben EGH zwischen 2008 – 2012 Quelle: ebd., 2015 Seite 24 Diese Darstellung der Bruttoausgabensummen von 2008 bis 2012 verdeutlicht noch einmal, dass nicht nur die Fallzahlen in den ambulanten Diensten sich erhöhen, sondern, dass damit verbunden auch die Umsatzzahlen zunehmen. Immer größere Eurosummen fließen in dieses System der Sozialwirtschaft. Damit erhöht sich die betriebswirtschaftliche Bedeutung der ambulanten, entgeltfinanzierten Dienste, die hinter diesen Fallzahlen und Umsätzen stehen. Ebenso steigt aber auch die Komplexität innerhalb der Träger an. Einerseits werden die Verhandlungen zur Finanzierung immer schwieriger, wie der Hinweis auf die neu zu verhandelnden Fachleistungsstunden im Bericht des Paritätischen belegt (s.a. S. 14), andererseits haben die entgeltfinanzierten Dienste gegenüber den zuwendungsfinanzierten oft eine größere Priorität. Aufgrund der inneren Organisationsstruktur und der Art und Weise der Finanzierung bedürfen diese Dienste über das Jahr einer größeren Flexibilität. An einem weiteren Aspekt lässt sich die Zunahme der Bedeutung der Sozialwirtschaft ablesen: die Anzahl der Beschäftigten in diesem Bereich. Im Vergleich der Jahre 2004 und 2008 ist für die freie Wohlfahrtspflege folgende ansteigende Entwicklung zu erkennen: Anzahl Beschäftigter 325973 350000 300000 291307 275060 242830 250000 Jugendhilfe 200000 Hilfen für Menschen mit Behinderung 150000 100000 50000 0 2004 Abbildung 9: 2008 Diagramm Anzahl Beschäftigter in einzelnen Segmenten der freien Wohlfahrtspflege Quelle: Arnold, Grunwald, Maelicke, 2014 S. 193 Die zunehmende Bedeutung der sozialen Arbeit lässt sich in verschiedenen Dimensionen abbilden. Zu benennen sind der Aspekt der zu befriedigenden Hilfebedarfe, der beschäftigungspolitische Aspekt, ist von Bedeutung und auch der finanzwirtschaftliche Aspekt spielt hierbei eine nicht unwesentliche Rolle. Resümierend kann daher feststellt werden, dass die sozialwirtschaftliche Tätigkeit der Träger einer hohen gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden muss. Diese Bedeutungszunahme wird auch in Seite 25 der aktuellen Literatur vielfältig beschrieben. (vgl. u.a. Bono, 2006; (Arnold, Grundwald, Maelicke, 2014; Bachert, 2010) Die Sozialwirtschaft ist also ein Wirtschaftsbereich der verantwortungsbewusst gestaltet werden muss, um dieser gesellschaftlichen Verantwortung in den unterschiedlichen Dimensionen gerecht zu werden. Mit dieser Bedeutungszunahme nimmt auch die Bedeutung des Controllings, als „ein übergeordnetes Führungsunterstützungssystem“ (Schultz, 2010 S. 1) in der Sozialwirtschaft zu. Die Aufgabenfelder des Controllings in sozialwirtschaftlichen Unternehmungen unterscheiden sich im Grundansatz nicht von anderen betriebswirtschaftlichen Bereichen. Auch hier gelten die „vier Kernaufgaben des Controllings […]: • Sicherstellung der Informationsversorgung • Unterstützung der Planung • Durchführung von Kontrollen • Übernahme von Koordinationsaufgaben Damit nimmt das Controlling Querschnittsaufgaben wahr, durch die die Unternehmensleitung unterstützt wird, und es schafft Transparenz“ [Hervorhebung im Original] (ebd., 2010 S. 3). (s.a. Abbildung 4: Schematische Darstellung des Regelkreises Controlling, S. 19) Entscheidend ist, dass Controlling nicht mit Management verwechselt wird. Der Controllingbegriff hat gegenüber dem Management eine Selbständigkeit, die nicht ausschließt, dass Managementhandeln auch Controllingaspekte beinhaltet. „Controlling unterstützt also das Management in der Entscheidungsfindung durch Informationen und Vorschläge sowie durch Abstimmung der internen Planungs- und Steuerungsprozesse“ (Bono, 2006 S. 10). Der entscheidende Aspekt an dem sich das Managementhandeln vom Controlling absetzt, ist das Treffen von Entscheidungen. Dies ist originäre Aufgabe des Managements. (vgl. ebd., 2006 S. 9 - 13) Seite 26 2.2 Beschreibung des Controllings 2.2.1 Dimensionen des Controllings In der Auseinandersetzung mit dem Thema des Controllings findet man in der Literatur immer auch den Versuch einer Systematisierung des Controllings in verschiedenen Kategorien. (vgl. ebd., 2006 S. 10) Möglich ist die Gliederung hinsichtlich der konzeptionellen Verortung wie sie bei Weber und Schäffer zu finden ist. (vgl. Weber, Schäffer, 2014 S. 20 - 36) Eine weitere Möglichkeit besteht in der Gliederung nach Organisationsformen. (vgl. Pracht, 2013a S. 101 - 102) Ebenso finden sich auch Gliederungen nach den Methoden und Instrumentarien. (vgl. Vollmuth, 2013; Schultz, 2010; Arnold, Grunwald, Maelicke, 2014) Alle diese Beschreibungen benötigen aber zu einem besseren Verständnis und einer erfolgreichen Implementierung von Controlling in der Sozialwirtschaft zwingend die Wahrnehmung einer weiteren Dimension im Controlling: dem Zeithorizont. Im Hinblick auf den Betrachtungszeitraum lässt sich eine Strukturierung, entsprechend der gegenwartsbezogenen oder zukunftsbezogenen Betrachtung, in das operative und das strategische Controlling vornehmen. Unterscheidungsmerkmal Operatives Controlling Strategisches Controlling Betrachtungszeitraum Gegenwartsorientierung Zukunftsorientierung Orientiert sich vor allem an gegenwarts- oder vergangenheitsorientierten Zahlen und Ergebnissen Orientiert sich an zukunftsorientierten Zahlen und Ergebnissen bzw. Interpretationen der IstWerte für zukünftige Perioden. Der Zukunftsaspekt ist durch Definition des Planungshorizonts auf kurz- und mittelfristige Zahlen und Wertungen begrenzt. Ist in zeitlicher Hinsicht nicht stark eingeengt, versucht auch langfristig Ergebnisse zu ermitteln und zu planen Arbeitet vor allem mit den Begriffen Kosten und Leistung. Ersetzt die Begriffe Kosten und Leistungen durch Chancen und Risiken, d.h. zieht Fakten sowohl aus der Innenwelt wie auch aus Umwelt des Unternehmens heran, lange bevor sie sich in Kosten und Leistungen niederschlagen. Strategisches Controlling heißt systematisch zukünftige Chancen und Risiken zu erkennen und zu beachten (Mann R.) Seite 27 Orientierung Zielsetzung Interne Orientierung Externe Orientierung Operatives Controlling baut weitgehend auf interne Informationsquellen, vor allem dem Rechnungswesen und hier besonders der Kostenund Leistungs-Rechnung auf Strategisches Controlling berücksichtigt bewußt externe Entwicklungs- und Einflußfaktoren (gesellschaftspolitisches Umfeld) Sicherung der Zielsetzung Sicherung der Existenz Die Realisation der aufgestellten und abgesteckten kurz- und mittelfristigen Ziele der Unternehmung Langfristige und nachhaltige Existenzsicherung durch strategische Zielsetzung Tabelle 2: Gliederung Controlling nach Betrachtungszeitraum Quelle: Preißler, 1991 S. 15 Eine zeitliche Abgrenzung der Dimensionen in gegenwarts- und zukunftsorientiert ist kaum möglich. Schultz sieht sogar noch eine mittlere Kategorie der taktischen Ebene, verweist aber darauf, dass diese nicht trennscharf zu benennen ist. In der Literatur wird daher mehrheitlich für den zeitlichen Horizont der operativen Ebene, ein Zeitfenster von nicht mehr als 2 Jahren angenommen. Bei anderen ist aber auch ein Zeitfenster von maximal 3 Jahren definiert. (vgl. Arnold, Grunwald, Maelicke, 2014 S. 770) Prozesse und Aktivitäten die jeweils darüber hinaus reichen, sind demnach dann dem strategischen Controlling zugeordnet. (Schultz, 2010 S. 20 - 21) Seite 28 Diese Trennung in der Betrachtung ist deswegen vorzunehmen, weil sie direkt mit der Aufgaben- und Verantwortungsverteilung in einem Sozialunternehmen im Zusammenhang steht. Somit hat sie Auswirkungen auf die Unternehmensstruktur. Die nachfolgende Abbildung illustriert dies. Abbildung 10: Diagramm Zwiebelmodell der Planung Quelle: Tiebel, 1998 S. 61 Operative Maßnahmen, als die Maßnahmen, die das Tagesgeschäft betreffen, sind mit einer kürzeren Wirkungs-Zeitdauer verknüpft. Strategische Maßnahmen hingegen sind am langfristigsten angelegt und haben damit eine sehr viel höhere zeitliche Auswirkung. Hierin wird auch deutlich, dass sich operatives und strategisches Controlling in den jeweiligen Zuständigkeitsbereichen eingliedert. 2.2.2 Strategisches Controlling Wie genau lässt sich aber nun das strategische Controlling definieren? Und warum steht es hier vor dem operativen Controlling? Grundsätzlich ist unternehmerisches Handeln unter anderem auf die langfristige Sicherung des Unternehmens ausgerichtet. Dies trifft auch auf Sozialunternehmen zu. Aus Sicht des Controllings macht sich dies an folgenden Punkten fest: „- Ermittlung der Chancen und Risiken des Unternehmens - Entwicklung neuer Erfolgspotenziale - Feststellung der Frühwarnindikatoren - Beobachtung des Umfeldes (Konkurrenz, Marktsituation etc.) - Entwicklung neuer Strategien“ Vollmuth, 2013 S. 12. Im Bereich der strategischen Tätigkeiten geht es also um den Blick in die Zukunft des Unternehmens. Dies fordert von der Unternehmensleitung und der Geschäftsführung das Benennen von strategischen Zielen. Da „die meisten sozialen Organisationen werSeite 29 te- und bedarfsorientiert geprägt“ (Arnold, Grunwald, Maelicke, 2014 S. 768) sind, ergeben sich hieraus Ziele, die klientenbezogen oder werteorientiert sind. Auf Grund der beschriebenen Ökonomisierung der sozialen Arbeit kommen sozialwirtschaftliche Unternehmen heute aber nicht um hin, auch wirtschaftliche, sozialpolitische oder fachliche Ziele in ihrer Betrachtung mit aufzunehmen. Das Controlling als die „organisationsinterne Reflexionsinstanz“ (ebd., 2014 S. 768) informiert die Unternehmensleitung dann über den Erfolg, also den Grad der Zielerreichung. Im strategischen Bereich werden die langfristigen Ziele gesteckt, die das operative Geschäft zur Orientierung benötigt. Daher erfolgte hier auch zuerst die Nennung des strategischen Bereiches. Ohne eine langfristige Strategie, gestützt durch das strategische Controlling, ist ein operatives Controlling nicht möglich. „Die strategischen Controllinginstrumente werden vor allem zur Bestimmung und Verbesserung der zukünftigen Chancen und Risiken des Unternehmens verwendet“ (Vollmuth, 2013 S. 12). Strategisches Controlling ist also sowohl auf die Umwelt wie auch auf das Sozialunternehmen ausgerichtet. Voraussetzung dafür sind die strategischen Planungen. Dies erfolgt mit Hilfe der Bewertung von Chancen und Risiken, aber auch der Stärken und Schwächen, damit die Erfolgspotentiale des Trägers genutzt werden zur Existenzsicherung des Unternehmens. (vgl. Tiebel, 1998 S. 61) Bachert beschreibt dies als „die Planung und Gestaltung der Zukunft“ (Bachert, 2010 S. 35). Schultz fasst das strategische Controlling mit dem Satz zusammen: „Die richtigen Dinge tun“ [Hervorhebung im Original] (Schultz, 2010 S. 22). 2.2.3 Operatives Controlling Das operative Controlling hingegen charakterisiert er mit dem Satz: „Die Dinge richtig tun“ [Hervorhebung im Original] (ebd., 2010 S. 22). Wenn es in der Strategie also darum geht, die Erfolgspotentiale zu schaffen und abzusichern, dann wird die „Operation […] als der bestmögliche Nutzen, der durch Strategie geschaffenen Erfolgspotentiale, bezeichnet“ (Tiebel, 1998 S. 62). Das operative Controlling orientiert sich demnach auch an der Unternehmung, aber eben nicht so sehr an seinen Außenbeziehungen, sondern an den internen Prozessen. Die benannten Zielgrößen sind im operativen Bereich die Wirtschaftlichkeit, der Gewinn oder auch die Rentabilität. (vgl. ebd., 1998 S. 61; Bachert, 2010 S. 36) Operatives Controlling sorgt mit seiner Ausrichtung dafür, dass das Handeln der mittleren Führungsebene in der Gesamtausrichtung des Sozialunternehmens eingebunden bleibt. Nach Tiebel ist daher das operative Controlling durch die Begriffe: „Quantitativ, primär unternehmensintern, primär kurzfristig, strukturiert, [und] formalistisch“ (Tiebel, 1998 S. 63) charakterisiert. Seite 30 2.2.4 Aufgaben des Controllings Operatives und strategisches Controlling lassen sich nicht losgelöst von einander betrachten. Wie in der Abbildung 10: Diagramm Zwiebelmodell der Planung, S. 29, schon zu sehen ist, ist das eine auf das andere bezogen. Während das „strategische Controlling […] hilft Ziele und Strategien zu entwickeln“ (Bachert, 2010 S. 38), ist das „operative Controlling […] ergebnisorientiert“ (ebd., 2010 S. 38) daraufhin ausgerichtet. Abbildung 11: Schematische Darstellung des Controllings als Brücke in der Organisation Quelle: Horváth, 2003 in Bono, 2006 S. 12 Auch wenn sich das Controlling in den verschiedenen Dimensionen durch den zeitlichen Aspekt unterscheidet, so ist doch die „grundlegende Aufgabenstruktur der beiden Controllingebenen […] identisch“ (Bachert, 2010 S. 35). Die Begriffe „Planung (Zielvorgabe), Information (Berichtswesen), Analysen und Gegensteuerungsmaßnahmen“ (ebd., 2010 S. 35) charakterisieren das Controlling unabhängig der Zuordnung in operatives und strategisches Controlling. Seite 31 Im Controlling findet demnach eine „Differenzenproduktion“ (Kappler, 2006 S. 36) statt. Diese Differenzen sind nicht offen ersichtliche Differenzen. Hierin besteht genau die Controllingtätigkeit: Controlling produziert diese Differenzen, um sie damit für das operative und strategische Handeln nutzbar zu machen. Es handelt sich hierbei um die Abbildung zweier Referenzpunkte: das formulierte Ziel und das Ergebnis zu einem bestimmten Zeitpunkt. Im Vergleich dieser beiden Punkte bildet sich die Differenz ab. (vgl. ebd., 2006 S. 36) Kappler formuliert daher: „Die Abweichung zwischen der erreichten aktuellen Situation und dem erwünschten Ziel bringt die Herausforderung sowie die ‚eingebaute‘ Dynamik des Controllingprozesses zum Ausdruck. [Hervorhebung im Original] (ebd., 2006 S. 37). Hierin wird deutlich, dass Controlling keinen Selbstzweck hat. Es geht darum das Controlling als Mittel einzusetzen, um das Sozialunternehmen auf dem Kurs zu halten, der durch die unterschiedlichen Zielformulierungen für die Unternehmung festgelegt ist. Demnach müssen sich die gewählten Mittel und Instrumentarien diesem Aspekt unterordnen. Die Bandbreite und Ausformung der Controllinginstrumente ist so vielfältig wie die Landschaft in der Sozialwirtschaft. In dieser Arbeit kann daher in der Beschreibung nur eine Auswahl getroffen werden. Diese orientiert sich an den Erfahrungen aus dem Berufsfeld des Autors. Seite 32 2.3 Themenbereiche des Controllings 2.3.1 Kostensteuerung Kosten entstehen durch Entscheidungen und Prozesse im System. Sie stellen „den bewerteten Güterverzehr zur betrieblichen Leistungserstellung“ (Bramsemann, 1996 S. 84) dar. Auch Haberstock weist explizit daraufhin, dass nach Schmalenbach drei Merkmale den wertmäßigen Kostenbegriff kennzeichnen: der bewertbare (1) Güterverzehr (2), der auf ein Sachziel (3) bezogen ist. (vgl. Haberstock, 2002 S. 26 - 27; Schellberg, 2002 S. 88) Um eine Steuerung vornehmen zu können, ist eine Gliederung der Kostensituation nötig. In einer betrieblichen Unternehmung lassen sich Kosten nach verschiedenen Kostenstellen, die jeweils nach unterschiedlichen Kostenarten gegliedert sind, definieren. Darüber hinaus lassen sich die Kosten auch den Kostenträgern zu ordnen. (vgl. Hieke, 1998 S. 5; Schellberg, 2002 S. 90) Abbildung 12: Schematische Darstellung der Kostengliederung Quelle: eigene Darstellung Kostenträger dürfen nicht mit den Leistungsträgern, wie z.B. dem Jugendamt, dem Sozialamt, der Krankenversicherung o.ä. verwechselt werden. Leistungsträger übernehmen Kosten für erbrachte Leistungen, was sie aber damit nicht zu den Kostenträgern macht. Kostenträger sind die konkreten erbrachten Leistungen wie z.B. die HzE oder das ABW. Seite 33 Controlling bildet als Mittel zum Zweck Differenzen ab. Einer der Zwecke sind Maßnahmen zur Steuerung der Kosten. Für die mittlere Führungsebene stellt sich die Frage, wie diese Steuerungsmaßnahmen in Bezug auf Kosten aussehen könnten. Im Bereich der Sozialwirtschaft, insbesondere bei den ambulanten, entgeltfinanzierten Angeboten, handelt es sich um soziale Dienstleistungen. Ein prägendes Moment ist hier die Personalintensität in der Leistungserstellung. (s.a. Kapitel 2.1.2 Entwicklungslinien im Bereich der Sozialwirtschaft, S. 22) Abbildung 13: Elementarfaktoren im Kombinationsprozess Quelle: Brombach, Walter, 1998 S. 4 Somit sind die in diesem Zusammenhang entstehenden, besonders relevanten Kosten bei der Leistungserstellung von ihrer Art her vor allem Personalkosten. Kostensteuerung muss sich demnach dem Aspekt der Personalkosten insbesondere zuwenden. Nach ökonomischem Prinzip, in der Form des Minimalprinzips, geht es bei der Steuerung, um die Steuerung des Inputs, also des Mitteleinsatzes wie z.B. der Personalkosten. (vgl. Schellberg, 2002 S. 164) Dies kann im Rahmen dieser Arbeit aber nicht allein die Leitlinie sein. Im Kapitel 3.1 Stakeholder-Management, S. 55, ist das StakeholderManagement dezidiert als Querschnitts-Aufgabe beschrieben. Dies muss sich demzufolge auch im Kostenmanagement auswirken. Die unterschiedlichen Anspruchsgruppen und die Tatsache, dass Sozialunternehmen nicht einzig den Profit als Orientierung ihrer Unternehmung haben, führen dazu, dass auch der Output in die Betrachtung mit einbezogen werden muss. Es geht also um die variablen Größen Input und Output. Dem ökonomischen Prinzip in der Ausprägung des Optimalprinzips folgend, bedeutet dies, das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis zu bewirken. (s.a. Abbildung 1: SchemaSeite 34 tische Darstellung des Ökonomischen Prinzips, S. 9) In der Kostensteuerung eines Sozialunternehmens ist diese Perspektive mitzudenken. Bei Schellberg finden sich verschiedene Anregungen, an welchen Stellen das Management der Kosten erfolgen könnte. Er weist aber auch daraufhin, dass es für den Sozialbereich dazu noch kaum „gesichertes Lehrbuchwissen“ (ebd., 2002 S. 173) gibt. Mögliche Handlungsoptionen gibt es seiner Meinung nach beim Kostenniveau oder der Kostenstruktur. Der Mitarbeitereinsatz spielt dabei genauso eine Rolle wie die Organisationsform oder die Vielfalt der Angebotspalette. (vgl. ebd., 2002) Die folgenden Instrumente habe ich ausgewählt, um sie in dieser Arbeit zu reflektieren. Mein Fokus lag dabei auf der Nutzbarkeit durch die mittlere Führungsebene in ambulanten, entgeltfinanzierten Diensten. 2.3.2 Flexible Plankostenrechnung auf Teilkostenbasis Das hier beschriebene System der Teilkostenrechnung trägt, im Gegensatz zu der historisch gesehenen älteren Vollkostenrechnung, dem Verursachungsprinzip Rechnung. „Entsprechend diesem Prinzip muß die Kostenverteilung so erfolgen, daß jeder Güterentstehung die bewerteten Güterverbräuche zugeordnet werden, ohne deren Einwirkung sie nicht hervorgebracht worden wäre.“ (Schweitzer, Küpper, 1998 S. 87) Demnach sind also nur diese Kosten, den Kostenträgern direkt zuzurechnen, die auch durch sie direkt verursacht werden. (vgl. Haberstock, 2002 S. 178; Olfert, 1996 S. 187) Es handelt sich also um eine Teilkostenrechnung, „wenn nur bestimmte Teile der angefallenen Kosten auf die Kostenträger verrechnet und die übrigen Teile auf anderem Wege in das Betriebsergebnis übernommen werden“ [Hervorhebungen im Original] (Haberstock, 2002 S. 177). Das im Zuge der Kostenkontrolle sich entwickelnde System der Kostenrechnungsverfahren hat verschiedene Ausprägungen. Ziel ist es, sich bei der Differenzenbildung im Controllingprozess nicht an den Werten des Vorjahres zu orientieren, sondern an „Vorgabewerten, die Ausdruck für die Wirtschaftlichkeit der betrieblichen Tätigkeit sein sollten“ (Rickards, 2008 S. 30). (vgl. Haberstock, 2002 S. 176; Michel, Torspecken, Jandt, 1998 S. 40) Die Entwicklung im deutschen Sprachraum orientiert sich an den Entwicklungen im amerikanischen Raum. Verschiedene Begrifflichkeiten für die Plankostenrechnungssysteme lassen sich daher erklären. Die in den USA angewandten Vergleichsrechnungsverfahren mit standard costs und budget costs waren Grundlage für die im deutschen Sprachgebrauch synonymen Bezeichnungen Standardkostenrechnung oder Budgetkostenrechnung. (vgl. Rickards, 2008 S. 30) Im Hinblick auf die Kostengliederung (s.a. Abbildung 12: Schematische Darstellung der Kostengliederung, Seite 35 S. 33) muss man aber in der Unterscheidung anmerken, dass es sich bei der Standardkostenrechnung um eine Kostenträgerrechnung und bei der Budgetkostenrechnung um eine kostenstellenbezogene Rechnung handelt, da es hier eine zeitliche Bezugsgröße gibt. (vgl. ebd, 2008 S. 30; Michel, Torspecken, Jandt, 1998 S. 40) Die Orientierung an Vorgabewerten um die Wirtschaftlichkeit beurteilen zu können, benötigt Planzahlen sowie Istzahlen, um eine für das Controlling benötigte Differenz abzubilden zu können. (vgl. Haberstock, 2002 S. 177; s.a. Kapitel 2.2.4 Aufgaben des Controllings, S.32) Istzahlen stellen hierbei die nachträgliche Betrachtung der tatsächlich angefallen Zahlenwerte dar, wobei die Planzahlen, die für die künftigen Perioden geplanten Werte angeben. (vgl. Schellberg, 2002 S. 91) Bramsemann kennzeichnet die Plankosten im Gegensatz zu den Normalkosten folgender Maßen: Plankosten Normalkosten • im voraus berechnet (zukunftsbezogen) • durchschnitliche Entwicklung der Vergangenheit • Güterverzehr bei ordnungsgemäßer • Güterverkehr betriebsüblich wirtschaftlicher Durchführung des Leistungsprozesses • Sollcharakter (absolute Verbrauchsnorm) • Richtcharakter (relative Verbrauchsnorm) Tabelle 3: Kennzeichen des Plankosten- und des Normalkostenbegriffs Quelle: Bramsemann, 1996 S. 84 In der Plankostenrechnung kommt „die Durchführung des Plan-Soll-Ist-Vergleichs“ (Rickards, 2008 S. 31) zum Tragen. Diese Differenzierung hat insbesondere im ambulanten Tätigkeitsbereich seine besondere Bedeutung, da davon auszugehen ist, dass aufgrund der Flexibilität des Dienstes im Jahresverlauf die Istbeschäftigung nicht der Planbeschäftigung entspricht. Die Plankosten geben nur dann eine nutzbare Referenzgröße an, wenn die Planbeschäftigung identisch mit der Istbeschäftigung ist. Wenn die Beschäftigung unterjährig aber schwankend ist und nicht mehr den Plangrößen entspricht, ist eine weitere Referenzgröße zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit nötig. An dieser Stelle werden die Plankosten bei Istbeschäftigung umgewandelt und es ergeben sich die Sollkosten. Diese Sollkosten können dann mit den Istkosten für eine nutzbare Differenzenbildung herangezogen werden. Das zu verwendende Instrument in der Plankostenrechnung ist dann somit der Soll-Ist-Vergleich. (vgl. Michel, Torspecken, Jandt, 1998 S. 41) Seite 36 Findet bei der Ableitung der Sollkosten von den Plankosten keine Berücksichtigung der Beschäftigungsänderung statt und die Planbeschäftigung geht mit dem „einmal festgelegten Vorgabewert unverändert als Sollwert in den Soll-Ist-Vergleich“ (Rickards, 2008 S. 32) spricht man von der starren Plankostenrechnung. (vgl. Bramsemann, 1996 S. 85) Rickards weist aber auch auf den Nachteil dieses Verfahrens hin: „Eine sinnvolle Kontrolle der Wirtschaftlichkeit ist nur dann möglich, wenn Planbeschäftigung und Istbeschäftigung übereinstimmen. In der Praxis ereignet sich dieser Zufall äußerst selten.“ (Rickards, 2008 S. 32) Es bedarf daher einer flexibleren Form der Kostenrechnung. „In der flexiblen Plankostenrechnung (zu Vollkosten) werden die Plankosten nicht mehr starr gehalten, sondern (flexibel) an auftretende Beschäftigungsänderungen angepasst.“ [Hervorhebung im Original] (Haberstock, 2002 S. 176) (vgl. Bramsemann, 1996 S. 85) In der kritischen Betrachtung lässt sich feststellen, dass bei Verwendung der Vollkosten aber das Verursachungsprinzip keine Berücksichtigung findet. Die neben den Einzelkosten vorliegenden Gemeinkosten, werden „nicht aufgrund empirischer Zusammenhänge oder entscheidungstheoretischer Modelle“ verteilt, sondern es bleibt nur eine „letztlich willkürliche ‚Schlüsselung‘ übrig, wenn man sämtliche Kosten verteilen will“ (Schweitzer, Küpper, 1998 S. 72). Dem Verursachungsprinzip folgend kommt man so zu der flexiblen Plankostenrechnung auf Teilkostenbasis. Hierbei erfolgt eine Gliederung in fixe und variable Kosten. Bei der Gliederung der Kosten in fixe und variable Bestandteile handelt es sich um eine beschäftigungsbezogene Betrachtungsweise der Kosten. (vgl. Olfert, 1996 S. 54 - 66; (Schweitzer, Küpper, 1998 S. 73) Abbildung 14: Diagramm Beschäftigungsbezogene Kosten Quelle: eigene Darstellung nach Schellberg, 2002 S. 98 Seite 37 Die fixen Kosten sind deshalb fix, weil sie nicht durch kurzfristige Steuerungsmöglichkeiten variierbar sind. (vgl. Haberstock, 2002 S. 178) „Fixe Kosten zeigen innerhalb bestimmter Beschäftigungsgrenzen und innerhalb eines bestimmten Zeitraumes keine Veränderungen auf.“ (Olfert, 1996 S. 56) „Die fixen Kosten werden als vorgegebene Periodenkosten en bloc behandelt und nicht auf die einzelnen Leistungseinheiten weiter verrechnet“ [Hervorhebung im Original] (Rickards, 2008 S. 34) „Alle Fixkosten sind stets nur für einen bestimmten Zeitraum fix, sie werden daher auch als zeitabhängige Kosten bezeichnet.“ (Schellberg, 2002 S. 98) Wenn nur ein Teil der Kosten, die variablen Kostenbestandteile, in die Ermittlung der Sollkosten aus den Plankosten einbezogen werden, dann lässt sich dies in folgender Grafik darstellen. Abbildung 15: Diagramm zur flexiblen Plankostenrechnung auf Teilkostenbasis Quelle: eigene Darstellung nach Messner, 2003 S. 193 In der Grafik sind bei einem geplanten Beschäftigungsumfang Bp die daraus resultierenden variablen Plankosten Kp v ablesbar. Ebenso lassen sich bei einer veränderten Beschäftigungssituation, also der tatsächlichen Istbeschäftigung Bi, die Kosten ablesen, die nun rein rechnerisch anfallen müssten. Aufgrund der Teilkostenrechnung und der einzig zu betrachtenden variablen Kostenbestandteile, handelt es sich dabei um die variablen Sollkosten bei Istbeschäftigung KvsollBi. Im Controlling wird nun ein Vergleich zwischen den variablen Istkosten Ki v und den variablen Sollkosten bei Istbe- schäftigung KvsollBi durchgeführt. Bildet sich hierbei eine Differenz ab, dann handelt es sich um eine Preis- oder Verbrauchsabweichung, da die Schwankung der Beschäftigung schon Berücksichtigung gefunden hat. (vgl. ebd., 2003 S. 190 - 193; Haberstock, 2002 S. 178; Rickards, 2008 S. 33 - 36; Schultz, 2010 S. 119 - 120) Seite 38 Bei einer größeren Produktvielfalt lassen sich so genauere Analysen und Aussagen zu den einzelnen Produkten oder entsprechenden Leistungsangeboten formulieren, „denn die entscheidungsrelevanten Kosten stimmen nur in seltenen Fällen mit den Vollkosten überein“ (Haberstock, 2002 S. 178). Erst so ist eine retrospektive Kontrolle unter dem Fokus der geplanten Kosten möglich. 2.3.3 Mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung Neben der vordergründigen Kontrollaufgabe, die mit dem Plankosteninstrument aus Kapitel 2.3.2 durchgeführt werden kann, bedarf es im Sinne des Controllings aber auch Instrumente, die eine andere Art der Steuerung ermöglichen. Bei der Deckungsbeitragsrechnung kommt zu der nachträglichen Erfolgsermittlung auch die Möglichkeit der Kalkulation hinzu. (vgl. Michel, Torspecken, Jandt, 1998 S. 126; Schellberg, 2002 S. 133) Es werden hierbei sowohl „vor- oder rückschauend die Änderungen des Unternehmenserfolges […] als Folge bestimmter Entscheidungen und Handlungen oder der Veränderung von Einflußgrößen“ (Riebel, 1970 in Michel, Torspecken, Jandt, 1998 S. 126 - 127) betrachtet. Michel, Torspecken und Jandt sehen daher den „Schwerpunkt der Deckungsbeitragsrechnung im Gegensatz zur kostenstellenorientierten Plankostenrechnung im Bereich der Kostenträgerrechnung“ [Hervorhebung im Original] (Michel, Torspecken, Jandt, 1998 S. 127). Mit der Deckungsbeitragsrechnung lassen sich demzufolge Aussagen in Bezug auf die verschiedenen Kostenträger, in diesem Fall also zu den einzelnen ambulanten Leistungsangeboten, machen. In der einstufigen Deckungsbeitragsrechnung werden die einzelnen Produkte oder entsprechend die einzelnen ambulanten Angebote für die es eine Leistungsvereinbarung gibt, nur mit ihren variablen Kosten betrachtet. Die fixen Kosten, die nicht ursächlich einem einzelnen Produkt zugeordnet werden können, sondern eventuell nur einer Kostenstelle oder einer Betriebseinheit, werden nicht aufgeteilt. Dies geschieht im Gegensatz zur Vollkostenrechnung, bei der auch die fixen Kosten verrechnet werden und so „die fixen Kosten […] also ‚künstlich‘ zu variablen Kosten gemacht“ [Hervorhebung im Original] (Brombach, et al., 1998 S. 232) werden. Seite 39 Abbildung 16: Schematische Darstellung des Ablaufs der Kostenrechnung Quelle: eigene Darstellung nach Schellberg, 2002 S. 90 Eine weitere Gliederung der Kosten nach ihrer Art der Verrechnung ist die Unterteilung in Einzelkosten und Gemeinkosten. In der Betrachtung der verschiedenen Kosten gibt es Kosten, die sich direkt einer Leistung, wie z.B. einer erbrachten FLS zuordnen lassen. Andere Kosten lassen sich nicht unmittelbar bei dem einzelnen Kostenträger verrechnen. (vgl. ebd., 2002 S. 104; Olfert, 1996 S. 52 - 53) Dem Verursachungsprinzip folgend, sind diese Gemeinkosten entsprechend von mehreren Kostenträgern verursacht. Nach Schellberg sind Gemeinkosten „häufig, aber nicht immer identisch mit fixen Kosten“ (Schellberg, 2002 S. 105). Gemeinkosten können demnach, ebenso wie die Einzelkosten, variable Kosten sein. „Als Einzelkosten werden sie den Erzeugnissen direkt zugerechnet, als Gemeinkosten indirekt über die Kostenstellen.“ (Olfert, 1996 S. 60) Abbildung 17: Schematische Darstellung von verrechnungsbezogenen Kosten Quelle: ebd., 1996 S. 53 Seite 40 In der Deckungsbeitragsrechnung wird die Differenz zwischen den jeweiligen variablen Kosten eines Angebotes und dem erzielten Preis ermittelt. „Der Deckungsbeitrag ist also der Teil des Verkaufserlöses, der zur Deckung des Fixkostenblocks und zur Gewinnerzielung einen Beitrag leistet.“ (Brombach, Walter, 1998 S. 233) Abbildung 18: Schematische Darstellung des Deckungsbeitrags Quelle: eigene Darstellung nach Däumler, Grabe, 2002 S. 23 In der einstufigen Grundform würde sich eine Deckungsbeitragsrechnung für ein Sozialunternehmen mit vier verschiedenen ambulanten Angeboten wie folgt darstellen. Produkt Produkt Produkt Produkt A B C D Erlöse 100.000 200.000 50.000 300.000 Variable Kosten 60.000 110.000 30.000 180.000 Deckungsbeitrag 40.000 90.000 20.000 120.000 GesamtDeckungsbeitrag 270.000 Fixkosten 235.000 Nettogewinn 35.000 Tabelle 4: Beispiel zur Grundform der Deckungsbeitragsrechnung Quelle: Brombach, Walter, 1998 S. 234 Die in der Abbildung 18, S. 41 dargestellten Fixkosten ergeben zuerst einmal einen recht unspezifischen Block. Im Vergleich zur Vollkostenrechnung, in der dieser Block durch Schlüsselung und damit nicht verursachungsgerecht verteilt werden würde, macht die mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung den „Versuch einer individuellen Betrachtung und Aufgliederung der fixen Kosten“ [Hervorhebung im Original] (Michel, Torspecken, Jandt, 1998 S. 157). In der mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung wird Seite 41 also auch der Versuch unternommen, die Nachteile der einstufigen Deckungsbeitragsrechnung auszugleichen. Denn hier gilt der „vollständige Verzicht auf eine nach Verursachungs- und Zurechnungsgesichtspunkten differenzierende Deckung von Fixkosten“ (Olfert, 1996 S. 325). Die mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung stellt als eine erweiterte Form der Deckungsbeitragsrechnung somit einen Mittelweg dar. Es findet hierbei eine differenzierte Betrachtung der Fixkosten statt. Damit dies gewährleistet werden kann, bedarf es einer Kategorisierung der Fixkosten. In der Literatur finden sich dazu verschiedene Gliederungsvorschläge. (vgl. ebd., 1996 S. 327 - 328; Michel, et al., 1998 S. 158; Brombach, Walter, 1998 S. 234 - 235; Steger, 2003 S. 179; Däumler, Grabe, 2002 S. 152 - 155) Die Gliederungstiefe hängt von der jeweiligen konkreten Unternehmung und dem Controllingziel ab. Im Wesentlichen lassen sich die Fixkosten demnach in die Fixkosten: • der einzelnen Dienstleistung, • der Gruppe der Dienstleistungen, • dem Bereich im Unternehmen und • den Fixkosten des Gesamtunternehmens gliedern. Ziel der Gliederung und der konkreten Benennung der Stufen oder Schichtung ist immer die verursachungsgerechte Zuordnung von Kosten aus dem, in der einstufigen Deckungsbeitragsrechnung noch monolithischen, unspezifischen, Fixkostenblock. Däumler und Grabe haben die von ihnen empfohlene Fixkostengliederung oder schichtung folgendermaßen definiert. Fixkostenschicht Definition Erzeugnisartenfixkosten fallen beim Verzicht auf eine Erzeugnisart künftig (EFK) weg. Erzeugnisgruppenfixkosten fallen beim Verzicht auf eine Erzeugnisgruppe (EGFK) künftig weg. Kostenstellenfixkosten fallen beim Verzicht auf eine oder mehrere (KSF) Kostenstellen künftig weg. Bereichsfixkosten fallen bei Schließung eines betrieblichen (BFK) Teilbereiches künftig weg. Unternehmensfixkosten fallen erst dann weg, wenn die ganze Unternehmung (UFK) verkauft oder stillgelegt wird. Tabelle 5: Definitionen für Fixkostenschichten Quelle: Däumler, Grabe, 2002 S. 154 Seite 42 Wenn in das Beispiel zur Grundform der Deckungsbeitragsrechnung in der Tabelle 4, S. 41 eine Gliederung der Fixkosten eingefügt wird – nach Fixkosten, die dem Produkten direkt zugeordnet werden können, Fixkosten die einer Produktgruppe verursachungsgerecht zugeordnet werden und Fixkosten, die dem Gesamtunternehmen zugeordnet werden müssen – dann stellt sich die Übersicht wie folgt dar. Produkt Produkt Produkt Produkt A B C D Erlöse 100.000 200.000 50.000 300.000 ./. variable Kosten 60.000 110.000 30.000 180.000 =Deckungsbeitrag 1 40.000 90.000 20.000 120.000 ./. Produktfixkosten 15.000 45.000 26.000 30.000 =Deckungsbeitrag 2 25.000 45.000 -6.000 90.000 „DB der Produktgruppe“ Produktgruppenfixkosten =Deckungsbeitrag 3 „DB des Gesamtunternehmens“ Unternehmensfixkosten Nettogewinn 70.000 84.000 35.000 30.000 35.000 54.000 89.000 54.000 35.000 Tabelle 6: Beispiel zur Fixkostendeckungsrechnung Quelle: Brombach, Walter, 1998 S. 236 Im Vergleich der Tabelle 6 mit Tabelle 4 wird deutlich, dass mit einer mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung differenziertere Ergebnisse zu den einzelnen Produkten oder Produktgruppen zu erzielen sind. Somit ist es in deren Folge auch möglich, differenziertere Entscheidungen über Produkte, Produktgruppen oder Unternehmensbereiche zu treffen. Mit diesen Entscheidungsmöglichkeiten kann maßgeblich Einfluss auf die zukünftige Entwicklung der Unternehmung genommen werden. Seite 43 Die Berechnung des Deckungsbeitrages lässt sich noch weiter variieren, in dem sich z.B. auch der Deckungsbeitrag je Umsatzeinheit (๐ท๐ต๐๐ธ ) für jedes Produkt mit der For- mel ๐ท๐ต๐๐ธ = ๐ − ๐๐ฃ๐๐ Formel 2: Berechnung des Deckungsbeitrags je Umsatzeinheit ermitteln lässt. Hierbei gibt p den Preis des Produktes und ๐๐ฃ๐๐ die variablen Kosten an. Bei ambulanten, entgeltfinanzierten Angeboten wäre so z.B. der Deckungsbeitrag für eine FLS zu ermitteln. 2.3.4 Break-Even-Analyse Die Break-Even-Analyse ist ein Verfahren zur Ermittlung der Gewinnschwelle. Wenn Leitungshandeln sich auch an wirtschaftlichen Kriterien orientieren muss, dann Bedarf es der Fähigkeit Einfluss auf das wirtschaftliche Ergebnis zu nehmen. Nach Michel, Torspecken und Jandt gibt es drei wichtige Faktoren, die Einfluss auf die Gewinngestaltung haben. Es geht dabei um die Abhängigkeit von: „a) der Höhe der Beschäftigung (in den folgenden Ausführungen mit der Absatzmenge gleichgesetzt), b) der Höhe der Kosten, c) den erzielbaren Preisen“ (Michel, Torspecken, Jandt, 1998 S. 191). Im Hinblick auf entgeltfinanzierte, ambulante Angebote handelt es sich um eine Dienstleistung, für die ein Preis, z.B. pro FLS, zu erzielen ist und die durch die Erbringung bestimmte Kosten verursacht. Die daraus resultierende Frage ist also, ab welcher Absatzmenge „die Umsatzerlöse gerade ausreichen, sämtliche fixen Kosten der Periode und die angefallenen proportionalen Stückkosten der abgesetzten Produkte zu decken“ (ebd., 1998 S. 192). „In der Break-Even-Analyse wird der Punkt aufgezeigt, der Gewinn- und Verlustzone trennt; diese Größe wird Break-Even-Point genannt.“ (Vollmuth, 2013 S. 27) Seite 44 Die Break-Even-Analyse muss für jedes einzelne Produkt, so z.B. für jede konkrete ambulante Betreuungsleistung durchgeführt werden. Es erfolgt eine Aufspaltung der Kosten in fixe und variable Bestandteile. In der schematischen Darstellung wird der Preis der Leistung und die jeweiligen variablen Kosten als konstant betrachtet. Da es bei einer Dienstleistung auch keine Lagerbestände gibt, gilt desweiteren das Uno-ActuPrinzip – die Synchronisation von Produktion und Absatz (vgl. Halfar, Moos, Schellberg, 2014 S. 44 - 46) – und somit ergibt sich folgende grafische Darstellung (vgl. Schultz, 2010 S. 121; Vollmuth, 2013 S. 27; Michel, Torspecken, Jandt, 1998 S. 191 - 193; Schellberg, 2002 S. 138): Abbildung 19: Schematische Darstellung der Gewinnschwelle Quelle: eigene Darstellung nach Michel, Torspecken, Jandt, 1998 S. 192 Die Grafik zeigt die Absatzmenge eines Produkts oder einer Dienstleistung auf, die nötig ist, um alle Kosten zu decken. „Im Punkt der Gewinnschwelle sind Absatzerlöse und Kosten gleich.“ (ebd., 1998 S. 192) Daher gibt dieser Punkt die sogenannte „Kritische Menge“ (Wolfstetter, 1998 S. 158) an. Es handelt sich hierbei um den BreakEven-Point (BEP) Seite 45 Die Formel zur Ermittlung der Absatzmenge {๐ด๐๐ ๐๐ก๐ง} eines Produktes zur Erreichung der Gewinnschwelle (vgl. Schellberg, 2002 S. 139), also die nötige „Kritische Menge“ an Absatz eines Produktes zur Deckung der fixen (๐พ๐๐๐ฅ ) und variablen Kosten (๐๐ฃ๐๐ ), wäre demnach: {๐ด๐๐ ๐๐ก๐ง} = ๐พ๐๐๐ฅ ๐ท๐ต๐๐ธ ๐พ = ๐−๐๐๐๐ฅ . ๐ฃ๐๐ Formel 3: Berechnung der Absatzmenge Ebenso lässt sich aber auch der Umsatz in € berechnen, der nötig ist, um die Gewinnschwelle mit einem Produkt zu erreichen. Die Formel sieht dann wie folgt aus: ๐ต๐๐๐๐ − ๐ธ๐ฃ๐๐ − ๐๐๐ ๐๐ก๐ง = ๐พ๐๐๐ฅ ๐๐ฃ๐๐ 1− ๐๐๐ ๐๐ก๐ง Formel 4: Berechnung des Break-Even-Umsatzes 2.3.5 Kennzahlen Bei Kennzahlen handelt es sich um ein weitverbreitetes Werkzeug des Controllings. Mit Hilfe von quantitativen Daten, den Kennzahlen, werden bewusst komplexe Realitäten verdichtet und für das Controlling aufbereitet. (vgl. Weber, Schäffer, 2014 S. 173) Bei der Bildung von Kennzahlen geht es also darum, aus einer großen Vielfalt von Informationen schnell, verlässlich und vergleichbar Daten zu ermitteln. Kennzahlen sind besonders dann aussagekräftig, wenn sie nicht nur Istwerte abbilden, sondern wenn sie Beziehungen von Werten wiedergeben. (vgl. Preißler, 1991 S. 104; Halfar, Moos, Schellberg, 2014 S. 36) Halfar, Moos und Schellberg beziehen sich auf Jürgen Weber und sein Buch Einführung in das Controlling von 1993, wenn sie folgende Funktionen für Kennzahlen beschreiben: „- Die Vorgabefunktion: Mit Kennzahlen lassen sich […] Zielgrößen ermitteln - Die Impulsfunktion: Kennzahlen zeigen, wo […] Handlungsbedarf besteht - Die Operationalisierungsfunktion: Kennzahlen helfen Ziele […] messbar zu machen - Die Koordinationsfunktion: mit Hilfe von Kennzahlen lassen sich Unternehmensbereiche besser koordinieren - Die Informationsfunktion: sie informieren als Frühwarnsystem […] - Die Vergleichsfunktion: sie ermöglichen Betriebsvergleiche und Benchmarking - Die Steuerungsfunktion: Kennzahlen ermöglichen, eindeutig und präzise zu steuern - Die Kontrollfunktion: Kennzahlen ermöglichen […] Erfassungen von Soll-IstAbweichungen - Die Anregungsfunktion: durch laufend erhobene Kennzahlen lassen sich Auffälligkeiten und Veränderungen beobachten“ (Halfar, Moos, Schellberg, 2014 S. 37) (vgl. Weber, Schäffer, 2014) Seite 46 Bei einer so großen Anzahl von verschiedenen Funktionen müssen Kennzahlen einer Gliederung unterliegen, die dieser Vielfältigkeit der Funktionen Rechnung trägt. Im Wesentlichen findet sich in der Literatur folgende Gliederungsübersicht wieder: Absolute Kennzahlen z.B. Einzelkennzahlen, Summen, Differenzen Statistische Form Relative Kennzahlen z.B. Zahlenverhältnisse Erfolgszahlen z.B. Rentabilitätskennzahlen Liquiditätskennzahlen z.B. Liquiditätsgrad Zielorientierung Gesamtunternehmung Objektbereich Teilbereich normative Kennzahlen geben Handlungshinweise Handlungsbezug deskriptive Kennzahlen Abbildung von Sachverhalten Tabelle 7: Klassifizierung von Kennzahlen Quelle: eigene Darstellung nach Schultz, 2010; Preißler, 1991 Kennzahlen lassen sich für die unterschiedlichen Handlungsfelder des Managements bilden. Weber und Schäffer (2014 S. 174) berichten von einer Studie bei ergebnisverantwortlichen Managern, Schultz (2010) gliedert sein Buch, als Instrument für die Praxis, in verschiedene Handlungsfelder und auch Halfar, Moos und Schellberg (2014) beziehen sich in ihrer Darstellung auf verschiedene Handlungsfelder. Es lassen sich demnach z.B. Kennzahlen für die Bereiche Finanzen, Personal, Marketing, Material oder auch Qualität abbilden. Seite 47 Die Nutzbarkeit der Kennzahlen hängt hierbei „maßgeblich von der Qualität der Zahlen, und nicht von der Menge der Zahlen ab“ (ebd., 2014 S. 36). Es geht also nicht darum, aus möglichst allen Bereichen, möglichst viele Zahlen vorliegen zu haben. So würde eine schnelle Orientierung zu einem Sachverhalt verloren gehen. „Für den Controller stellt sich das Problem, aus einer Vielzahl möglicher Kennzahlen die für sein Unternehmen geeigneten Kennzahlen auszuwählen und aufzubereiten.“ (Preißler, 1991 S. 105) Ein wesentlicher Aspekt der Auswahl muss der Aussagegehalt einer Zahl sein. Dieser steigt, wenn die Kennziffer in Bezug zu einer anderen Zahl gesetzt wird, z.B. in Beziehung zu einer Wirkung oder einer Bezugsgröße. (vgl. ebd., 1991 S. 104; Halfar, Moos, Schellberg, 2014 S. 36) Es handelt sich dann hierbei um sogenannte Verhältniszahlen oder relative Kennzahlen – im Gegensatz zu den absoluten Kennzahlen. Für den Bereich der Finanzen in einer Pflegeeinrichtung könnte z.B. folgende Kennzahl als Verhältniszahl gebildet werden: ๐๐๐๐ ๐๐๐๐๐๐๐ ๐ก๐๐ ๐ฅ 100 = ๐๐๐๐ ๐๐๐๐๐๐๐ ๐ก๐๐๐๐ข๐๐ก๐ ๐๐ % ๐๐๐๐๐๐๐ข๐๐ ๐๐ก๐ง Formel 70.000 € ๐ฅ 100 = 70% 100.000 € Name der Kennzahl Berechnung Ergebnis Formel 5: Bildung der Kennzahl Personalkostenquote Quelle: eigene Darstellung nach ebd., 2014 S. 38 Verhältniszahlen finden sich in verschiedenen Formen in den Kennzahlsystemen wieder. Drei Formen von Verhältniszahlen sind nachfolgend näher erläutert: „Beziehungszahlen stellen zwei unterschiedliche statistische Größen, zwischen denen einen kausaler Zusammenhang beBeziehungszahl steht, für einen gemeinsamen Zeitraum oder Zeitpunkt miteinander in ein Verhältnis. Im Zähler und im Nenner stehen somit unterschiedliche Bezugsgrößen.“ (ebd., 2014 S. 39) ๐ด๐๐ง๐โ๐ ๐๐๐ ๐ข๐๐๐๐ ๐๐ก๐ง๐ก๐๐ ๐๐๐๐๐๐ ๐ ๐๐๐ข๐๐๐ ๐ฃ๐๐๐ ๐โ๐ä๐๐ ๐ฅ 100 = ๐น๐๐ต๐ ๐๐๐๐๐ข๐๐๐ ๐๐ข๐๐ก๐ ๐ด๐๐ง๐โ๐ ๐๐๐ ๐น๐๐ต๐ ๐๐๐๐ ๐๐ ๐๐๐๐ก๐๐๐ข๐ ๐ Formel Name der Kennzahl 12 ๐ฅ 100 = 29 % 42 ๐๐๐๐ Berechnung Ergebnis Formel 6: Bildung der Kennzahl Fortbildungswirkungsquote Quelle: eigene Darstellung nach ebd., 2014 S. 39 Seite 48 „Gliederungszahlen sind solche Verhältniszahlen, bei denen im Zähler und im Nenner identische Bezugsgrößen stehen, um eine Gliederungszahl Struktur der miteinander in Beziehung gesetzten Größen abzubilden. Dabei ist die Zahl im Zähler immer eine Teilgröße der im Nenner eingesetzten Gesamtgröße.“ (ebd., 2014 S. 39) ๐ด๐๐ง๐โ๐ ๐น๐๐ต๐ ๐๐๐๐ ๐๐๐ก ๐๐ข๐๐๐๐กä๐ก๐ ๐กโ๐๐๐๐ ๐ฅ 100 = ๐น๐๐ต๐ ๐๐ก๐๐ข๐๐ก๐ข๐๐๐ข๐๐ก๐ ๐๐ % ๐ด๐๐ง๐โ๐ ๐๐๐๐๐ ๐น๐๐ต๐ ๐๐๐๐ Formel Name der Kennzahl 36 ๐๐๐๐ ๐ฅ 100 = 86% 42 ๐๐๐๐ Berechnung Ergebnis Formel 7: Bildung der Kennzahl Fortbildungsstrukturquote Quelle: eigene Darstellung nach ebd., 2014 S. 39 „Indexzahlen werden gebildet, um die zeitliche Entwicklung einer bestimmten Größe verfolgen zu können, ohne einen klassischen Indexzahl Zeitreihenvergleich durchführen zu müssen. Als Basisgröße (100) dient der zu betrachtende Wert im Ausgangsjahr. In den folgenden Jahren werden die Größen zu dieser Ausgangsgröße in Beziehung gesetzt“ (ebd., 2014 S. 39) Jahr Fortbildungskosten in € Indexzahl 2009 1.500.000 1,000 2010 1.580.000 1,053 2011 1.596.000 1,064 2012 1.645.000 1,097 Tabelle 8: Indexzahl Entwicklung der Fortbildungskosten Quelle: (ebd., 2014 S. 39 - 40 Tabelle 9: Kategorien von Verhältniszahlen Quelle: eigene Darstellung (vgl. ebd., 2014 S. 39 Die Betrachtung jeglicher Kennzahlen muss aber „immer mit einer kritischen Distanz“ (Schultz, 2010 S. 60) erfolgen. Es darf hierbei nicht vergessen werden, dass es das Wesen von Kennzahlen ist, das durch Informationsverkürzung Sachverhalte verdeutlicht werden. Auch darf es nicht einzig das Ziel im Controlling sein, die Kennzahlen zu optimieren, es bedarf immer der kritischen Reflexion welcher Zielerreichnung die konkreten Kennzahlen dienen. (vgl. Weber, Schäffer, 2014 S. 175) Seite 49 2.3.6 Portfolio-Analyse Mit der Portfolio-Analyse existiert ein Controllinginstrument, welches dem strategischen Controlling zuzurechnen ist. Entsprechend den Kernaufgaben im Controlling (s.a. S. 26) will die Portfolio-Analyse eine „gezielte Produktplanung, -steuerung und -kontrolle“ (Pracht, Bachert, 2005 S. 64) ermöglichen. Der Fokus liegt bei der Anwendung dieser Analyseform in einer langfristigen – daher strategisch ausgerichteten – Existenzsicherung der jeweiligen Unternehmung oder Organisation. Die Ergebnisse der Portfoliotechnik unterstützen die Entscheidungen, die auf die zukünftigen Aktivitäten ausgerichtet sind. Es handelt sich hierbei um ein Mittel zur strategischen Produktausrichtung. (vgl. Vollmuth, 2013; Pracht, Bachert, 2005) Mit dem Begriff des Portfolios gibt es einen sprachlichen Rückgriff auf den Bereich der Banken und des Wertpapier-Managements. Die Gesamtheit aller Wertpapier-Produkte sollte ein ausgewogenes Verhältnis unter den „Kriterien Rendite, Sicherheit und Verfügbarkeit“ (Horak, 1995 in Pracht, Bachert, 2005 S. 60) darstellen. In einem solchen Portfolio spielt also die Abwägung der einzelnen Bestandteile zueinander eine wichtige Rolle. Dieser Aspekt wurde auf den Controllingbegriff Portfolio-Analyse übertragen. In der Portfolio-Analyse werden demnach die einzelnen Produkte, Produktgruppen oder strategische Geschäftseinheiten unter mehreren Kriterien in ein Verhältnis zueinander gebracht. Somit wird durch „die Portfolio-Analyse […] transparent, ob die Produktpalette eines Unternehmens eine ausgewogene Zusammensetzung besitzt bzw. wo Schwachpunkte bestehen. Zugleich gibt die Portfolio-Analyse für die einzelnen Felder der Matrix Handlungsempfehlungen […] vor, wie mit dort platzierten Objekten weiter umgegangen werden soll“ (Schultz, 2010 S. 174). In der Literatur werden im Wesentlichen zwei grundlegende Formen der Matrix beschrieben. Die ursprüngliche Form ist die 4-Felder-Matrix, nach ihren Entwicklern auch Boston-Matrix bezeichnet. Die Weiterentwicklung zur 9-Felder-Matrix durch die Beratungsgesellschaft McKinsey wird daher auch als McKinsey-Matrix bezeichnet. (vgl. Pracht, Bachert, 2005; Preißler, 1991; Tiebel, 1998) In der ältesten Form von 1966 handelt es sich um eine Marktwachstums-MarktanteilsPortfolio-Matrix. Diesem Konzept liegen Annahmen über den Lebenszyklus eines Produktes und die Auswirkungen von zunehmender Erfahrung bei der Produktion zugrunde. Pracht und Bachert weisen in diesem Zusammenhang aber daraufhin, dass diese Annahmen nicht unreflektiert in den Bereich der Sozialwirtschaft übernommen werden dürfen. (vgl. Pracht, Bachert, 2005 S. 63) Seite 50 Bei einer sozialen Dienstleistung handelt es sich schließlich um eine besondere Ausformung eines Produktes. Die Frage des Lebenszyklus eines Produktes wird hier z.B. eher durch politische Entscheidungen geprägt, als durch Marktmechanismen. Abbildung 20: Portfolio-Matrix der Boston Consulting Gruppe Quelle: Tiebel, 1998 S. 100 Bei den beiden Beurteilungskriterien handelt es sich auf der y-Achse um eine externe Dimension, die vom Unternehmen nicht beeinflussbar ist. Diese Umweltfaktoren spiegeln ein „Chancen-Risiko-Kalkül“ wider. Auf der x-Achse hingegen findet sich eine interne Dimension wieder, die beeinflussbar ist und die Auskunft über eigene Stärken oder Schwächen gibt. (vgl.ebd., 1998 S. 97) Nachdem in diese Matrix die einzelnen Produkte eingetragen sind, lässt sich erkennen, ob a) eine gleichmäßige, also ausgewogene Verteilung im Portfolio der Angebote existiert und darüber hinaus lassen sich b) je nach Quadrant auch entsprechende „Handlungsempfehlungen in Form von ‚Normstrategien‘“ [Hervorhebung im Original] (Schultz, 2010 S. 174) ablesen. Seite 51 Bei Hopfenheck, 1989 lauten die vier Normstrategien: „- Investitionsstrategie (Stars, Quadrant I) Position mindestens halten oder sogar ausbauen, Wettbewerbsvorteile verstärken. - Selektionsstrategie (Question Marks Quadrant II) 1. Offensiv Strategie Große Investitionen zur Stärkung der Wettbewerbsvorteile, Finanzierung aus den Cash Cows. 2. Abbau/Rückzug Dort wo Chancen für zukünftigen Erfolg nicht gesehen werden. - Abschöpfung (Cash Cows, Quadrant III) Position halten (bzw. wenn möglich festigen), nur notwendige Investitionen (Rationalisierung). - Desinvestition (Poor Dogs, Quadrant IV) Minimale Investitionen, evtl. Verkauf, Liquidation.“ (Pracht, Bachert, 2005 S. 64 - 65) (s.a. auch Abbildung 20: Portfolio-Matrix der Boston Consulting Gruppe, S. 51) Die grafische Visualisierung mit Hilfe der Matrix kann ebenso auch für den nächsten Schritt, die strategische Stoßrichtung, genutzt werden. Somit entsteht aus dem IstPortfolio ein Ist-Plan-Portfolio. (vgl. Vollmuth, 2013 S. 88) Abbildung 21: Ist-Plan-Portfolio-Matrix Quelle: eigene Darstellung nach ebd., 2013 S. 88 In dieser grafischen Darstellung ist mit der unterschiedlichen Größe der Objekte noch eine weitere Dimension aufgenommen worden. Die unterschiedlichen Durchmesser der Objekte können z.B. den Anteil am Umsatz widerspiegeln. Seite 52 Durch die Matrix und somit die grafische Darstellung einer aktuellen Situation, lassen sich leichter Entscheidungen treffen und transparent darstellen und kommunizieren. 2.4 Möglichkeiten des Controllings in der mittleren Führungsebene Nachdem die Systematik des operativen und strategischen Controllings im Kapitel 2.2 Beschreibung des Controllings, S. 27, vor allem anhand des zeitlichen Horizonts seiner Auswirkung dargestellt wurde, lässt sich folgende Feststellung treffen. Je langfristiger die Entscheidungsauswirkungen sind, umso höher sind die Entscheidungskompetenzen dafür innerhalb der Organisationshierarchie angeordnet. In der Kompetenz der mittleren Führungsebene liegen viele operative Entscheidungssituationen. In der Betrachtung der folgenden Handlungsfelder im Kapitel 3, S. 55, zeichnet sich dies deutlich ab. Die Bewertung der einzelnen Anspruchsgruppen, die Planung der künftigen Haushaltsansätze oder auch die Annahme und Zuordnung neuer Betreuungsaufgaben sind relevante operative Entscheidungen, die die mittlere Führungsebene zu treffen hat. In diesen Handlungsfeldern bedarf es der nötigen Instrumentarien zur Informationsgewinnung und auch der entsprechenden Entscheidungskompetenzen, um im operativen Feld Entwicklungen zu beeinflussen. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung, damit das Controlling in der mittleren Führungsebene auch zu Veränderungen führen kann. Die Zuarbeiten von Informationen durch das Controlling können nur dort erfolgreich wirksam werden, wo es auch die entsprechenden Kompetenzen zur Beeinflussung von Prozessen gibt. Somit wird deutlich, dass sich Sozialunternehmen, die sich ihrer gesamtgesellschaftlichen und -wirtschaftlichen Bedeutung und eben auch der Ökonomisierung der Sozialen Arbeit stellen, intensiv mit ihrer Organisationsstruktur und der Verteilung der Kompetenzen auseinandersetzen müssen. Bei der Herleitung des Controllings ist deutlich geworden, dass Controlling nicht ohne Zielformulierungen möglich ist. In sozialen Unternehmungen werden „Sachziele […] oft ideell-normativ formuliert. Das Controlling in sozialwirtschaftlichen Organisationen wird [heute] dagegen fast ausschließlich mit klassischen Wirtschaftszielen versorgt. Controlling arbeitet also im Sozialbereich an den Überlebensbedingungen, nicht jedoch an der Zielerreichung“ (Halfar, Moos, Schellberg, 2014 S. 28). Wenn das Controlling heutige Managemententscheidungen unterstützen soll, dann muss es die „Rationalität der Managemententscheidungen durch aufbereitete Informationsversorgung“ (ebd., 2014 S. 28) erhöhen. Dazu ist es dann aber zwingend nötig, dass alle Zielformulierungen in Seite 53 den Blick genommen werden, nicht nur die rein wirtschaftlichen. Es kommen also „fachliche Ziele, sozialpolitische Ziele, klientenbezogene Ziele […] oder Ziele, die sich auf wahrgenommene Glaubwürdigkeit beziehen“ (ebd., 2014 S. 28) hinzu. An diesem Punkt gibt es in den meisten sozialen Unternehmungen noch deutliche Entwicklungsbedarfe. Diese Entwicklung kann aber nur in einem Gesamtprozess im Unternehmen mit allen beteiligten Akteuren erfolgen und ist nicht einzig der Unternehmensleitung zuzuordnen. In den beschriebenen Controllinginstrumenten – den Kostenrechnungen, den AnalyseMethoden oder den Kennzahl-Systemen – im Kapitel 2.3, ab S. 33, findet sich die Prämisse der nötigen Zielformulierung ebenso wieder. Wenn es im Unternehmen schon grundsätzliche Standards, Leitbilder oder auch Zielformulierungen für einzelne Bereiche gibt, dann kann die mittlere Führungsebene anhand dessen Zielgrößen für die eigenen Handlungsfelder, in denen sie tätig ist, ableiten. So kann die Zielerreichung bewertbar gemacht werden und Schlussfolgerungen für Abweichungsursachen können gezogen werden. (vgl. ebd., 2014 S. 28) Diese können dann in den einzelnen Handlungsfeldern handlungsleitend, das Managementhandeln der mittleren Führungsebene unterstützen und rationalisieren. Seite 54 3 Handlungsfelder der mittleren Führungsebene in sozialen Unternehmen In diesem Kapitel werden konkrete Handlungsfelder für Personen in der mittleren Führungsebene definiert und beschrieben. Die Auswahl erhebt dabei nicht den Anspruch der Vollständigkeit, was bei der Vielzahl von sozialwirtschaftlichen Unternehmungen, der vielfältigen unterschiedlichen Organisationsformen und der sehr stark ausdifferenzierten Angebotspalette an sozialen Dienstleistungen nicht leistbar wäre. Die getroffene Auswahl basiert auf den persönlichen Praxiserfahrungen des Autors und seiner Einschätzung der Relevanz im Bereich der ambulanten Betreuungsleistungen. 3.1 Stakeholder-Management In der Herleitung der Forschungsfrage für die vorliegende Master-Thesis ist im ersten Kapitel schon auf den Stakeholder-Ansatz verwiesen worden. (s.a. Kapitel 1.1.3 Anspruchsgruppen eines Sozialunternehmens, S. 11) Der Stakeholder-Ansatz leitet sich aus dem Shareholder Value-Ansatz ab. (vgl. Tiebel, 1998) Tiebel verortet das Stakeholder-Management im Bereich des strategischen Controllings. (vgl. ebd., 1998 S. 71) In der Differenzierung des Controllings in operative und strategische Bereiche ordnet sich der Bereich des strategischen Controllings tendenziell eher der Unternehmensleitung und ihren Entscheidungskompetenzen zu. (s.a. Kapitel 2.2.2 Strategisches Controlling, S. 29) Trotzdem ist der Umgang mit den Stakeholdern auch für die mittlere Führungsebene ein wichtiger und nicht zu vernachlässigender Aspekt. Es ist im Grunde als ein Querschnitts-Handlungsfeld, im Bezug auf die weiteren folgenden Handlungsfelder, anzusehen. Aufgrund dieser Annahme erfolgt die Beschreibung des Stakeholder-Managements, trotz seiner strategischen Verortung, als Handlungsfeld der mittleren Führungsebene. Aufgrund des Querschnittcharakters dieses Handlungsfeldes erfolgt die Beschreibung bewusst an erster Stelle. Im Kapitel 1.1.3, S. 11, werden Stakeholder als Anspruchsgruppen, die an dem Sozialunternehmen interessiert sind, oder an diesem sogar in ihrer eigenen Art Anteil haben, beschrieben. Beim Stakeholder-Ansatz ist letztlich davon auszugehen, dass die unternehmerische Aktivität für die jeweiligen Anspruchsgruppen einen jeweils spezifischen Nutzen schafft. Mit der systemischen Perspektive lässt sich das Sozialunternehmen als „komplexes System […], das mit anderen Systemen in zirkulären Beziehungen steht und selbst aus verschiedenen Subsystemen besteht“ (ebd., 1998 S. 86) beschreiben. Nach dem Stakeholder-Ansatz bezieht sich das Management der Stakeholder darauf, Seite 55 den Umgang der Systeme miteinander zu optimieren. Dies muss dann zwangsläufig auf allen Ebenen geschehen, weshalb auch die mittlere Führungsebene Anteil an diesem Prozess nehmen muss. Wichtige Anspruchsgruppen für die mittlere Führungsebene sind u.a. die Mitarbeiter in der ambulanten Betreuung, die Verwaltung des eigenen sozialen Trägers, einschließlich der eigenen Organisationseinheit, in der die ambulante Betreuung verortet ist. Ebenso können andere strategische Geschäftseinheiten der Organisation zu den Anspruchsgruppen zählen. Das Klientel selbst, welches die zu erbringenden Leistungen konsumiert, ist ebenso ein Stakeholder. Für die Hilfen zur Erziehung wären es also Familien, die einen Bedarf an ambulanten Angeboten der HzE haben oder in der Eingliederungshilfe Menschen die aufgrund ihrer Behinderung oder Erkrankung Anspruch auf EGH geltend machen. Zu den Anspruchsgruppen zählen demzufolge auch die Mitarbeiter des ASD im Jugendamt und die Mitarbeiter aus den Fachbereichen der Eingliederungshilfe, als Vertreter der Leistungsträger. Weitere Anspruchsgruppen können andere Akteure aus dem Sozialraum sein, da viele ambulante Leistungen die Einbindung der Potentiale vor Ort als ein konzeptionelles Moment in der Arbeit benennen. Die mittlere Führungsebene ist im Sozialraum in Strukturen eingebunden, in denen auch teilweise die Kommunikation mit Stakeholdern institutionalisiert ist. Für den Bereich der HzE schreibt das SGB VIII die AG 78 als eine Kommunikationsplattform vor. Im Bereich der Arbeit mit psychisch kranken Menschen sollte es eine PsychAG in der Region geben, in der die Anbieter der EGH eingebunden sind. Aber auch die Vertretung in der örtlichen LIGA ist denkbar. Im Sinne des Stakeholder-Managements als Prozess beschreibt Tiebel sieben charakteristische Schritte. Seite 56 Erläuterung der Stakeholder Prozeß-Schritte 1. Ermittlung der Stakeholder Wer ist alles Stakeholder der Organisation? 2. Zusammenfassung und Ord- Erarbeitung einer vernünftig bearbeitbaren Anzahl nung der Stakeholder 3. Charakterisierung der Stakeholder 4. Bewertung und Ermittlung der Wichtigkeit der Stakeholder von Stakeholder-Gruppen. Was erwarten sie sich von uns, welche Forderungen stellen sie an uns? Ergebnis: die wichtigsten Stakeholder, für die wir konkrete Ziele und Strategien erarbeiten nach festgelegten Kriterien 5. Festlegung von Normstrategien in Abhängigkeit von den ge- Wie gehen wir auf einen bestimmten Typ von Stakeholder ganz allgemein formuliert ein? wählten Kriterien 6. Betrachtung der einzelnen Sta- Wie wollen wir, abgeleitet aus den grundsätzli- keholder und Festlegung spezi- chen Vorgehensweisen, mit dem einzelnen Sta- fischer Strategien keholder konkret umgehen? 7. Abstimmung, Umsetzung und Kontrolle Festlegung eines Maßnahmen- und Zeitplanes. Regelmäßiges Überprüfen der erzielten Ergebnisse Tabelle 10: Erläuterung der Stakeholder Prozess-Schritte Quelle: ebd., 1998 S. 91 Diese sieben Schritte entstammen einem festumschriebenen Prozess, dem Stakeholder-Management, an dem nicht nur die mittlere Führungsebene allein beteiligt ist. (vgl. ebd., 1998 S. 87 - 94) Für die Führungskräfte der mittleren Ebene ist diese Tabelle, auch über den beschriebenen Managementprozess hinaus, eine gute Matrix zur Selbstreflektion beim Handeln in der mittleren Ebene der Organisation und der Bewältigung der Alltagsabläufe. „Die Stakeholder sind, soweit sie für die NPO’s relevant sind, die Summe der Kunden, deren Bedürfnisse es zu befriedigen gilt, um das eigene Leitbild zu erfüllen. Ohne das Erkennen der komplexen Beziehungen zwischen der NPO und deren Anspruchsgruppen bzw. den Anspruchsgruppen untereinander, ist eine NPO strategisch nicht mehr sinnvoll steuerbar.“ (ebd., 1998 S. 93 - 94) Mit dieser Erkenntnis ist jede Führungskraft auf den unterschiedlichen Ebenen konfrontiert und muss dies in der Umsetzung des Leitungshandelns berücksichtigen. Seite 57 3.2 Haushaltsplanung Ein weiteres Handlungsfeld für die mittlere Führungsebene begründet sich in deren Kostenstellenverantwortung. Für wie viele Kostenstellen die jeweilige Person Verantwortung trägt, richtet sich ganz stark an der organisatorischen Aufstellung und Gliederung des Sozialunternehmens aus. Jede Kostenstelle, nimmt unterjährig die durch die Leistungserbringung entstehenden Kosten, getrennt nach Kostenarten (s.a. Abbildung 12: Schematische Darstellung der Kostengliederung, S. 33), auf. Sie bildet diese, in der Regel in monatlichen Intervallen, ab. Es kann sich dabei um sogenannte Einzelkosten handeln, die direkten Leistungen zuzuordnen sind und auch um Gemeinkosten. (s.a. Abbildung 16: Schematische Darstellung des Ablaufs der Kostenrechnung, S. 40) Mit diesem Vorgehen ist das Ziel verbunden, im Verlaufe eines Haushaltsjahres, welches in aller Regel dem Kalenderjahr entspricht, dem Kostenstellenverantwortlichen einen Plan-Ist-Vergleich zu ermöglichen. Mit diesem Mittel des Controllings kann eine Budgetkontrolle ermöglicht werden. Am Anfang solch eines Prozesses steht die Planung der Kostenstelle. Im Sinne des Controllings als kontraproduktiv anzusehen, ist die bloße Fortschreibung der Zahlenwerte des Vorjahres und die unreflektierte Übertragung dieser in das kommende Jahr. Die Planungswerte sollen stattdessen die Wirtschaftlichkeit der betrieblichen Tätigkeit widerspiegeln. (s.a. Kapitel 2.3.2 Flexible Plankostenrechnung auf Teilkostenbasis, S. 35) Es lassen sich zwei grundsätzlich verschiedene Wege des Planungsverfahrens beschreiben. Dazu ergänzend hat sich ein dritter, ein Mittelweg entwickelt, der der heutigen Praxis i.d.R. entspricht. Abbildung 22: Schematische Darstellung der Organisation des Haushaltsplanungsverfahrens Quelle: Bachert, Pracht, 2004 Seite 58 Die Grafik verdeutlicht die zwei möglichen Handlungsrichtungen bei der Erstellung des Haushaltsplanes. Im Top-down-Verfahren werden die Planzahlen von der Unternehmensführung vorgegeben und auf die einzelnen Kostenstellen aufgegliedert. Bei diesem Verfahrensweg wird dem Kostenstellenverantwortlichen ein fertiger Haushaltsplan für seine Kostenstellen übergeben. Damit ist ihm dann ein Budget vorgegebenen, welches er im laufenden Haushaltsjahr bewirtschaften muss und für dessen Einhaltung derjenige dann Verantwortung trägt. Das Bottom-up-Verfahren schlägt einen genau entgegengesetzten Weg in der Erstellung des Haushaltsplanes ein. Auf diesem Verfahrensweg tragen die Kostenstellenverantwortlichen ihre Zahlen auf der Grundlage ihres Fachwissens zusammen und tragen diese in das Planraster ein. Die so ermittelten Planzahlen für die einzelnen Kostenstellen werden an die Unternehmensleitung weitergereicht. Diese sammelt alle Planzahlen aus den einzelnen Kostenstellen und ermittelt so einen Gesamtplan für das Unternehmen. Für beide Verfahrenswege lassen sich nach Bachert und Pracht Vorteile beschreiben. Vorteile des Top-down-Ansatzes • Die Planungsergebnisse werden Vorteile des Bottom-up-Ansatzes • fachlich fundierte Planung. zeitnah erzielt. • Die gesamtwirtschaftlichen Ziele Es handelt sich um eine inhaltlich, • Eine hohe Akzeptanz der Planungsergebnisse wird durch die der Organisation werden in der Partizipation der Planungs- und Planung berücksichtigt. Budgetverantwortlichen erreicht. • Die Bereichs- und Teilplanungen • Es erfolgt eine detaillierte Planung. richten sich an der Gesamtplanung aus. Tabelle 11: Vorteile der Haushaltsplanungsverfahren Quelle: ebd., 2004 S. 54 - 55 In der Praxis der meisten sozialen Träger wird weder das eine noch das andere Verfahren in der stringenten Umsetzung durchgeführt. Die Kombination beider Verfahren, aufgrund der einzelnen Vorteile in dem einen wie dem anderen, führt dazu, dass die Haushaltsplanung in einem Gegenstrom-Prinzip erfolgt. Auch Bachert und Pracht sehen, dass das „Gegenstromverfahren […] für Nonprofit-Organisationen das am besten geeignete Planungsverfahren“ [Hervorhebung im Original] (ebd., 2004 S. 55) ist. In der praktischen Umsetzung bedarf es vor der konkreten Planung der Haushaltszahlen von der mittleren Führungsebene eine Information darüber, in welchem Umfang die Beschäftigung für die Planungsperiode vorgesehen ist. Im Gegenstrom-Verfahren werden dann insbesondere die Personalkosten und die Kosten, die durch einen UmlageSeite 59 schlüssel auf die einzelnen Kostenstellen verteilt werden, von der Unternehmensführung vorgegeben. Im Gegenzug ermittelt oder kalkuliert die mittlere Führungsebene weitere Kosten. Dies können z.B. Mietkosten, Fahrtkosten, Investitionskosten, Kosten für Bürobedarfe, Öffentlichkeitsarbeit und ähnliches sein. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Kalkulation der Einnahmen, die durch die Erbringung der ambulanten Leistungen für den Planungszeitraum möglich sind. Wenn das Portfolio des Trägers verschiedene ambulante Leistungen enthält und in deren Folge auch unterschiedliche Kostensätze für die FLS vorhanden sind, ist dies eine Herausforderung an die mittlere Führungsebene. Um der Herausforderung sachgerecht begegnen zu können, bedarf es einerseits der fachlichen Erfahrung aus der bisherigen Arbeit, der Kenntnisse zur Marktlage und geeigneter Kalkulationsmethoden. Aus diesem Grund ist die Ermittlung der Plan-Einnahmen auch bei der mittleren Führungsebene anzusetzen. Im Gegenstromverfahren der Haushaltsplanung findet nach der Ermittlung der einzelnen Werte in den Kostenarten für die jeweilige Kostenstelle noch der Prozess der Abstimmung statt. Dieser Prozess ist nötig, da sich die Planung einerseits in die Gesamtplanung der Unternehmung einreihen muss, anderseits die Erfahrungen und Informationen aus der mittleren Führungsebene in das Zahlenmaterial eingeflossen sind. Beide Aspekte müssen zum Abschluss des Verfahrens in einen Ausgleich gebracht werden. Auf diesem Weg werden die Vorteile der beiden grundlegenden Verfahren miteinander kombiniert. Die Ausrichtung am Gesamtplan ist in dem Verfahren ebenso abgesichert, wie die fachlich fundierte Planung, die zu einer höheren Akzeptanz in der Budgetverwaltung führt. Die Haushaltsplanung ist damit ein Prozess, der zum Ende eines jeden Jahres für den kommenden Planungszeitraum von der mittleren Führungsebene mit durchzuführen ist. Dieser Prozess kann aber nicht losgelöst von der Budgetverantwortung und der Wahrnehmung dieser durch den Plan-Ist-Vergleich, bzw. Soll-Ist-Vergleich, gesehen werden. Ein wichtiger Schritt für den Beginn des Planungsprozesses ist die Analyse des aktuellen Budgetstandes. Preißler sieht dabei folgendes Schema als Grundlage. Seite 60 Abbildung 23: Schematische Darstellung des Soll-Ist-Vergleiches Quelle: eigene Darstellung nach Preißler, 1991 S. 78 Nach dem Abgleich der Ist-Werte mit den Plan- bzw. Soll-Werten ist die Ermittlung der Abweichungsursachen eine wichtige Voraussetzung für eine fundierte realistische Planung des kommenden Budgetzeitraumes. (vgl. Preißler, 1991 S. 79) Der Soll-IstVergleich ist somit an dieser Stelle ein Instrument, welches die Sicherung der fachlichen Qualität dieses Prozesses unterstützt. 3.3 Leistungserbringung 3.3.1 Annahme von Aufträgen Die Annahme von Aufträgen ist ein Prozess, der mehrere wichtige Aspekte beinhaltet. Grundsätzlich liegt die Entscheidung dazu bei der mittleren Führungsebene. Der Prozess ist in der Regel in seinen Abläufen durch das QM definiert. Damit sind aber nur die prozesshaften Schritte und die Kriterien umschrieben, die bei einer Entscheidung Berücksichtigung finden. Die konkrete Abwägung und die Entscheidungsfindung ist ein wesentliches Handlungsfeld der mittleren Führungsebene. Die Frage des Zuganges zum Leistungsanbieter stellt sich regional und bereichsspezifisch sehr unterschiedlich dar. Grundsätzlich haben die Klienten eine Freiheit bei der Wahl des Anbieters. Sowohl das Jugendamt bei HzE-Leistungen, als auch das Sozialamt bei EGH-Leistungen, können aus fachlicher Sicht intervenieren, wenn die Leistungen nicht geeignet erscheinen, das Ziel zu erreichen. (vgl. § 5, § 36 SGB VIII; § 9 (2) SGB XII) In der praktischen Umsetzung gibt es daher eine große Spannweite von Anfrageverfahren. Es ist möglich, dass alle Leistungsanbieter einer konkreten ambulanten LeisSeite 61 tung in anonymisierter Form angefragt werden und eine entsprechende Kapazitätsmeldung an den zuständigen Leistungsträger einreichen. Oder der Leistungsträger hat, unter Berücksichtigung des Klientenwahlrechts, eine Option für einen Anbieter ausgesprochen und bei diesem eine konkrete Anfrage gestellt. Die jeweilige Form der Anfrage fließt in die Betrachtung und Entscheidungsfindung des Leistungsanbieters mit ein. Bei einem System der allgemeinen Anfrage an alle Leistungsanbieter muss die mittlere Führungsebene bei der Rückmeldung berücksichtigen, dass eine Kapazität für einen gewissen Zeitraum der Rückmeldung und Abstimmung geblockt werden muss. Denn die Entscheidung und die Umsetzung durch eine Kostenübernahme an einen konkreten ambulanten Dienstleister benötigen einen bestimmten Zeitfaktor. In der Variante der direkten Anfrage des Anbieters liegt bei einer Zustimmung des Leistungserbringers schon eine hohe Wahrscheinlichkeit der Kostenübernahme durch den Leistungsträger vor. Folgende Kriterien sind in der Entscheidungsfindung beim Leistungserbringer durch die mittlere Führungsebene zu berücksichtigen: • Kapazitäten des Leistungserbringers • Spezielle Anforderungen an den ambulanten Betreuer aufgrund der Hilfeplanziele • wirtschaftliche Gesichtspunkte Die Kapazitäten des Leistungserbringers sind durch den Abgleich der Beschäftigungsumfänge seiner einzelnen Mitarbeiter mit dem tatsächlichen aktuellen Arbeitsaufwand zu ermitteln. Grundlage für die Ermittlung des aktuellen Arbeitsaufwandes sind i.d.R. die Kostenübernahmeerklärungen für die einzelnen ambulanten Leistungen im Bereich der HzE und EGH. Die Klärung der inhaltlichen Eignung ergibt sich aus den Hilfebedarfen und den bei den Mitarbeitern zur Verfügung stehenden fachlichen Qualifikationen. Zu beachten sind hierbei eventuelle Ausschlusskriterien in den Leistungsvereinbarungen, die Übereinstimmung des Leistungsbereiches und ggf. Spezialisierungen des Leistungsanbieters oder einzelner Mitarbeiter. Letztlich spielt auch der wirtschaftliche oder finanzielle Aspekt eine nicht zu unterschätzende Rolle. Das Spektrum der beruflichen Qualifikation für Mitarbeiter in der ambulanten Betreuung kann eine Spreizung aufweisen. Der Einsatz von Erziehern, Heilerziehungspflegern, Heilpädagogen, Sozialarbeitern/ -pädagogen bis hin zu Psychologen ist sowohl im Bereich der HzE als auch in der EGH denkbar. Das Ergebnis ist ein multiprofessionelles Team, welches unter fachlichen Aspekten sogar anzustreben ist. Je nach Profession und Tätigkeit ist dabei jedem Mitarbeiter eine Dienstart zugeSeite 62 ordnet. Mit dieser Multiprofessionalität geht einher, dass es – je nach tariflichen Gegebenheiten – unterschiedliche Personalkosten für die einzelnen Mitarbeiter gibt. So würden sich z.B. bei einem bundesweiten Tarif dabei die folgenden durchschnittlichen, effektiven Arbeitgeberbruttolohnkosten pro Stunde ermitteln lassen. ∅ effektives AG-brutto/h Dienstart Dienstart a) 24,52 € Dienstart b) 28,70 € Dienstart c) 32,30 € Tabelle 12: Vergleich effektive Lohnkosten pro Stunde Quelle: eigene Darstellung Der Ermittlung der Durschnittswerte der einzelnen Dienstarten liegen jeweils konkrete Lohnkosten mehrerer Mitarbeiter in den einzelnen Dienstarten zugrunde. Es handelt sich dabei um effektive Lohnkosten pro Zeitstunde, die sich aus der Berechnung mit einer Nettojahresarbeitszeit von 1.616 h bei einer 40-Stunden-Woche ergeben. Die Kostensätze für die FLS in den einzelnen Leistungsbereichen richten sich aber nicht nach dem konkreten Einsatz des jeweiligen Mitarbeiters. Die Kalkulation der FLS ist von den Personalkosten her in der Regel eine Mischkalkulation. In der entsprechenden Leistungs- und Kostensatzvereinbarung ist das Spektrum der beruflichen Qualifikation abzulesen. Somit lässt sich im dargestellten Fall folgende Streuung von Kostensätzen der FLS bei einem Leistungsanbieter mit einem breiten ambulanten Angebotsportfolio ermitteln. Seite 63 Ambulante Betreuungsleistung Entgelt FLS in € § 53 SGB XII, Region A 29,00 € § 67 SGB XII, Region A 28,17 € § 30 SGB VIII, Region B bis 20 km 40,50 € § 30 SGB VIII, Region B über 20 km 43,21 € § 31 SGB VIII, Region B bis 20 km 40,50 € § 31 SGB VIII, Region B über 20 km 43,21 € § 53 SGB XII, Region B 30,15 € § 67 SGB XII, Region B 28,17 € § 30 SGB VIII, Region C 41,00 € § 31 SGB VIII, Region C 41,00 € § 53 SGB XII, Region C 29,86 € § 67 SGB XII, Region C 29,86 € Tabelle 13: Vergleich Entgeltsätze Fachleistungsstunde ambulanter Leistungen Quelle: eigene Darstellung Bei der Entscheidung zur Übernahme eines Betreuungsauftrages und der Zuordnung zu einzelnen Mitarbeiterkapazitäten wird also auch eine Entscheidung über die Höhe des konkreten Deckungsbeitrages in diesem Betreuungsfall getroffen. Entsprechen der Formel für den Deckungsbeitrag je Umsatzeinheit ergibt sich beim Einsatz eines Mitarbeiters der Dienstart a) als Familienhelfer in der SPFH nach § 31 SGB VIII in der Region B, bei einem Einsatz über 20 km, ein Deckungsbeitrag von 18,69 € pro FLS. ๐ท๐ต๐๐ธ = ๐ − ๐๐ฃ๐๐ = 43,21 € − 24,52 € = 18,69 € Formel 8: Berechnung des Deckungsbeitrags je Umsatzeinheit Wo hingegen beim Einsatz eines Mitarbeiters der Dienstart c) als Einzelfallhelfer in der EGH nach § 67 SGB XII in der Region B, ein Deckungsbeitrag von – 4,13 € pro FLS entsteht. ๐ท๐ต๐๐ธ = ๐ − ๐๐ฃ๐๐ = 28,17 € − 32,30 € = −4,13 € Formel 9: Berechnung des Deckungsbeitrags je Umsatzeinheit In dem Fall eines negativen Deckungsbeitrages, würde der Einsatz des Mitarbeiters nicht einmal die variablen Kosten, die durch die Auftragsannahme entstehen, decken Seite 64 und darüber hinaus auch keinen Beitrag zur Deckung fixer Kosten leisten. Diese Auftragsannahme wäre also unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht empfehlenswert. Wohin gegen die Annahme eines Auftrages für einen Mitarbeiter der Dienstart b) als Einzelfallhelfer in der EGH nach § 53 SGB XII in der Region A zu einem Deckungsbeitrag von 0,30 € pro FLS führt. ๐ท๐ต๐๐ธ = ๐ − ๐๐ฃ๐๐ = 29,00 € − 28,70 € = 0,30 € Formel 10: Berechnung des Deckungsbeitrags je Umsatzeinheit Damit ist dann zwar auch noch immer kein wesentlicher Beitrag zur Deckung der Fixkosten erbracht worden. Hat dieser Mitarbeiter aber im Moment der Auftragsanfrage Leerkapazitäten, wären zumindest diese Personalkosten abgedeckt. Unter diesem Aspekt wäre die Annahme zu erwägen. In ländlichen Regionen spielt darüber hinaus auch die regionale Verortung eine nicht unwesentliche Rolle. Die in der Betreuung zurückzulegenden Entfernungen kommen durch die dafür benötigte Arbeitszeit und die daraus entstehenden Mobilitätskosten zum Tragen und müssen ebenso Berücksichtigung finden. 3.3.2 Auslastung der Mitarbeiter Die Auftragslage ins Verhältnis gesetzt zu den tatsächlichen Beschäftigungsumfängen, also der Istbeschäftigung (s.a. Kapitel 2.3.2 Flexible Plankostenrechnung auf Teilkostenbasis, S. 36), ergibt eine Kennzahl aus dem Bereich Personal: die Auslastungsquote. Dies lässt sich für den einzelnen Mitarbeiter oder in Summe für den Gesamtbereich berechnen. ๐๐๐๐๐๐๐โ๐๐๐ก๐ ๐น๐ฟ๐ ๐ฅ 100 = ๐ด๐ข๐ ๐๐๐ ๐ก๐ข๐๐๐ ๐๐ข๐๐ก๐ ๐๐ % ๐ต๐ ๐๐ โ Formel 11: Bildung der Kennzahl Mitarbeiterauslastungsquote Quelle: eigene Darstellung Wenn mehrere Mitarbeiter noch freie Kapazitäten aufweisen, gibt es den schon beschriebenen finanziellen Aspekt bei der Entscheidung, welchem Mitarbeiter der Betreuungsfall zugeordnet wird. Wenn das Portfolio eines Trägers mehrere ambulante Angebote enthält, dann differieren die Kostensätze der FLS teilweise erheblich. (s.a. Kapitel 1.1.5 Herleitung der Forschungsfrage, S. 14; Kapitel 3.3.1 Annahme von Aufträgen, S. 64) Die Entscheidung über den Einsatz muss sich dann auch daran ausrichten, dass Mitarbeiter, die hohe durchschnittliche Personalkosten pro Stunde aufweisen, eher in ambulanten Betreuungen eingesetzt werden, die mit einem höheren Kostensatz pro FLS vergütet werden. Somit wird für die FLS, die durch höher eingestufte und ent- Seite 65 lohnte Mitarbeiter erbracht wird, auch ein möglichst hoher Deckungsbeitrag abgesichert. Dieser Aspekt sollte aber nicht einzig in die Abwägung einfließen. Mit dem Stakeholder-Ansatz ist hier schon beschrieben, dass es noch weitere berechtigte Interessenlagen geben kann, die bei der Entscheidung der Auftragsannahme und Zuweisung zu konkreten Mitarbeitern, also deren Auslastung, Berücksichtigung finden müssen. Da es sich bei der ambulanten Betreuungsleistung um eine Dienstleistung handelt, die als Ergebnis immaterielle Güter hervorbringt, ist eine Qualitätsbeurteilung nicht unabhängig am Produktionsergebnis vorzunehmen. Der „intangible Charakter von Dienstleistungen verstärkt die Qualitätswahrnehmung nochmals dadurch, dass die Erfahrung der Dienstleistungsqualität durch den situativen Kontext stark geprägt wird“ (Halfar, Moos, Schellberg, 2014 S. 44). Zu diesem situativen Kontext zählen vor allem auch die beteiligten Personen. Die Qualität ist also auch von der Passgenauigkeit zwischen ambulantem Helfer und Klient abhängig und muss daher ebenso in die Entscheidung mit einfließen. Die Frage der prospektiven Entwicklung einzelner Betreuungsleistungen ist ein weiterer Aspekt, der zu berücksichtigen ist. Es ist demnach abzuklären, bei welchen konkreten Mitarbeitern Potenziale komplett ausgeschöpft werden können und wer für zukünftige Betreuungsanfragen noch Kapazitäten vorweisen sollte. Im Sinne des Controllings bedarf es hierbei konkreter Zielvorgaben, aus denen sich ableiten lässt, wie hoch die vorgehaltenen Potentiale sein dürfen. Auch für diesen Bereich lassen sich Kennzahlen entwickeln und nutzen. So lässt sich z.B. eine Leerlaufkostenquote ermitteln. Umfang Istbeschäftigung − erbrachte FLS ๐ฅ Gesamtkosten in € = Leerlau๏ฟฝkosten in € Umfang Istbeschäftigung Formel 12: Bildung der Kennzahl Leerlaufkosten in Euro Quelle: eigene Darstellung Leerlau๏ฟฝkosten in € ๐ฅ 100 = Leerlau๏ฟฝkostenquote Gesamtkosten in € Formel 13: Bildung der Kennzahl Leerlaufkostenquote Quelle: eigene Darstellung Wenn es also unter betriebswirtschaftlicher und fachlicher Dimension Festlegungen gibt, in welchen Grenzen die Leerlaufkostenquote sich bewegen darf und muss, hat die mittlere Führungsebene ein Instrumentarium an der Hand, mit der sie auch Personalentwicklungsprozesse begründet initiieren kann. Ein Charakteristikum in ambulanten Betreuungsdiensten ist die Situation der schwankenden Auslastung der Mitarbeiterkapazitäten. „Für die Unternehmen stellt sich eine ärgerliche Entscheidungssituation dar: Entweder akzeptiert man Warteschlangen oder Leerkosten. Wenn das Angebot mit der Nachfrage zeitlich synchronisiert werden muss, dann lauert die Gefahr, Seite 66 dass entweder zu wenig oder zu viel Dienstleistungskapazitäten vorgehalten werden. Im Sozial- und Gesundheitswesen lässt sich die Nachfrage aufgrund der dringlichen Bedarfsstruktur nur selten zeitlich beeinflussen, so dass in der Folge eine permanente Leistungsbereitschaft vorgehalten werden muss. […] Und die Kosten laufen.“ (ebd., 2014 S. 45) Mit diesem Aspekt der schwankenden Auslastung sind Mitarbeiter im Alltag ebenso konfrontiert und herausgefordert, wie es die mittlere Führungsebene auch ist. 3.4 Mitarbeiter in ambulanten Diensten Der Blick auf den Mitarbeiter im ambulanten Betreuungsdienst begründet sich in seiner besonderen Stellung im Bezug zur Erbringung der sozialen Dienstleistung. Der Anteil des Mitarbeiters an dieser Leistung ist nicht nur unter der Kostensicht als besonders hoch einzuschätzen. Auch unter dem Aspekt der Qualität hat der Mitarbeiter einen wesentlichen Einfluss. Darüber hinaus ist in der Entwicklung der letzten Jahre der Fachkräftemangel deutlich wahrzunehmen. Mitarbeiter sind also für einen Träger im sozialen Bereich ein hohes Gut. Unter dem Aspekt der Anstellung von Mitarbeitern gibt es unbefristet angestellte Mitarbeiter und Mitarbeiter, die nach dem TzBfG mit einer zeitlichen Befristung angestellt sind. Diese Befristungen sind als kalendermäßige Befristungen innerhalb von 2 Jahren möglich oder aus sachlichen Gründen, zeitlich nicht limitiert. Eine Sachgrundbefristung lässt sich in diesem Arbeitsfeld aber eher selten definieren. Unter betriebswirtschaftlichen Gründen ist eine Befristung von Mitarbeitern – insbesondere aufgrund der Schwankungen in der Auftragslage – sicher wünschenswert. Es gibt dabei aber zu bedenken, dass Mitarbeiter, die nur eine befristete Beschäftigung garantiert bekommen, sich häufig nicht so stark mit dem Unternehmen identifizieren, wie unbefristete Mitarbeiter. Darüber hinaus sind diese Mitarbeiter oft aktiv orientiert im Hinblick offener Stellenangebote. Denn ihre berufliche Tätigkeit ist auch mit der persönlichen wirtschaftlichen Absicherung verknüpft. Unter dem Aspekt des Fachkräftemangels muss sich ein Träger auch mit dieser Thematik auseinandersetzen und dazu positionieren. Ist der Druck des Fachkräftemangels stark wahrzunehmen oder gibt es sogar offene, unbesetzte Stellen, wird die Neigung eines Trägers, Mitarbeiter an sich zu binden, entsprechend größer sein. Ein weiterer Aspekt ist die Teilzeitbeschäftigung. Hier treffen zwei Interessenlagen aufeinander. Zum einen hat der soziale Träger einen bestimmten Bedarf an Personal, welcher sich in der Summe der Mitarbeiterstunden abbilden lässt. Dieser richtet sich nach der Auftragslage und kann variieren. Daneben gibt es auch die Bedarfe der Mitarbeiter. Hierbei gibt es i.d.R. einen Mindestbeschäftigungswunsch bei Mitarbeitern Seite 67 und oft auch eine Obergrenze, wenn Mitarbeiter z.B. Familie und Beruf in ein ausgeglichenes Verhältnis bringen möchten. Die Interessenlage des Mitarbeiters zum Mindestund Höchstbeschäftigungsumfang kann dem Träger Handlungsoptionen eröffnen in Bezug auf die Auslastung von Mitarbeitern. Eine Möglichkeit der Nutzung dieser Flexibilität wäre das Anordnen von Überstunden oder das Leisten von Mehr- oder Minderarbeit. Ob diese Verfahren zum Führen eines Arbeitszeitkontos über einen monatlichen Zeitrahmen oder auch einen längerfristigen Zeitrahmen führt, hängt wesentlich von den konkreten gesetzlichen und betrieblichen Regelungen ab. Ein Arbeitszeitkonto würde aber im jeden Fall eine Flexibilisierung von Arbeitszeiten bedeuten und der flexiblen Auftragslage in ambulanten Diensten entgegenkommen. Ein weiteres Instrument ist die Arbeit auf Abruf nach § 12 TzBfG. Hierbei würde kurzfristig im Rahmen von vertraglich festgelegten Grenzen die wöchentliche Arbeitszeit jeweils flexibel der Auftragslage angepasst werden. Mit all diesen Instrumenten wird den Mitarbeitern in ambulanten Diensten in der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit eine erhöhte Flexibilisierung angeboten, aber auch abverlangt. In Grenzen wird damit aber auch das unternehmerische Risiko auf den Arbeitnehmer übertragen. Diese Anforderungen an die Mitarbeiter müssen unter der aktuellen Arbeitsmarktsituation Konsequenzen im Bereich der Mitarbeiterpflege, mit dem Ziel der Mitarbeiterbindung, aufweisen. Denn auch der Mitarbeiter im ambulanten Dienst ist ein Stakeholder, der spezifische Ansprüche an seinen Arbeitgeber, dem Sozialunternehmen stellt. (s.a. Kapitel 1.1.3 Anspruchsgruppen eines Sozialunternehmens, S. 11; Kapitel 3.1 Stakeholder-Management, S. 56) Mitarbeiter sind in ihrem Bemühen eine Arbeit bei einem sozialen Träger aufzunehmen, nicht nur von intrinsischen Motivationen geleitet, auch wirtschaftliche Aspekte, die den Kategorien physiologische und Sicherheitsbedürfnisse entsprechen würden (s.a. Abbildung 24: Die Maslowsche Bedürfnispyramide, S. 69), spielen dabei eine Rolle. Dies muss sich in einem gesicherten und adäquat bezahlten Arbeitsverhältnis widerspiegeln. Seite 68 Abbildung 24: Die Maslowsche Bedürfnispyramide Quelle: 4managers.de, 2014 Sind diese basalen Bedürfnisse aber abgeklärt, was in aller Regel bei einem regulären Arbeitsverhältnis der Fall ist, kommen die intrinsischen Motivationen zum Tragen. Fragen nach sozialen Bedürfnissen, Wertschätzungen und Selbstverwirklichung werden bedeutsamer. Durch Supervision, Fortbildung oder auch gemeinschaftsbildende und -fördernde Maßnahmen ist es möglich, und auch nötig diese Aspekte aufzugreifen. Der mittleren Führungsebene kommt hierbei eine hohe Verantwortung zu. Im Rahmen der unternehmensinternen Kommunikation ist die mittlere Führungsebene der Ansprechpartner für die Mitarbeiter im ambulanten Dienst. Hier gilt es den einzelnen Mitarbeiter wertschätzend und motivierend in den Blick zu nehmen. Viele operative Entscheidungen hängen direkt mit den einzelnen Mitarbeitern zusammen und nehmen direkten Einfluss auf sie. Fragen der Arbeitsbelastung spielen dabei genauso eine Rolle, wie z.B. die Regelungen der Dienst- und Einsatzpläne oder der Urlaubsorganisation im Dienst. Auch die Entwicklung der Mitarbeiter in ihrer Professionalität und beruflichen Situation ist ein wichtiger Aspekt. Von der zeitlichen Perspektive her handelt es sich dabei eher um eine strategische Entscheidung oder Entwicklung und ist nicht losgelöst von der Personalabteilung zu betrachten. Der mittleren Führungsebene kommt aber hier die wichtige Funktion zu, ein gutgehendes Scharnier zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer darzustellen. Seite 69 4 Empfehlung von Controllinginstrumenten 4.1 Instrument für die mittlere Führungsebene in entgeltfinanzierten ambulanten Diensten Im Rahmen dieser Arbeit wird das Controlling im Bereich der Sozialwirtschaft thematisiert. Der Fokus liegt auf den entgeltfinanzierten ambulanten Diensten für den Bereich der HzE und der EGH. Ausgangspunkt war folgende Fragestellung: Welche Instrumente des Controllings für die mittlere Führungsebene lassen sich empfehlen? Verschiedene Handlungsbereiche der mittleren Führungsebene und unterschiedliche Controllinginstrumente sind in dieser Arbeit beschrieben. Aus der theoretischen Betrachtung in dieser Arbeit und den praktischen Erfahrungen des Autors, kristallisiert sich die Deckungsbeitragsrechnung unter verschiedenen Aspekten als ein probates Instrument für die mittlere Führungsebene heraus. Ohne diese Methode der Kostenrechnung ist eine sinnvolle Führung eines ambulanten Dienstes, der sich durch Angebote mit Entgelten finanziert, nicht möglich. Die mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung wie sie im Kapitel 2.3.3, S. 39, beschrieben ist, wird der Komplexität eines Dienstes mit verschiedenen Produkten oder Produktgruppen gerecht. Diese Leistungsvielfalt findet sich bei ambulanten Diensten häufig wieder. Soziale Träger treffen bewusste Entscheidungen zu einem größeren Angebotsportfolio ihrer ambulanten Dienste, um den Lebensrealitäten der Menschen in den Sozialräumen Rechnung zu tragen. Dies kann zu einem Mix z.B. aus Leistungen nach SGB VIII und SGB XII führen. Aber auch der klassische Jugendhilfeträger, der nur ambulante Leistungen nach SGB VIII vorhält, wird z.B. unterschiedliche Angebote entsprechend §§ 30, 31 SGB VIII unterbreiten. Mit der Deckungsbeitragsrechnung lassen sich konkrete Aussagen treffen, welchen Anteil die einzelnen Angebote an der Deckung der Kosten des Bereiches und des Unternehmens haben. Somit sind der mittleren Führungsebene die Möglichkeiten an die Hand gegeben, bei Entscheidungen in Bezug der Auftragsannahme neben sozialpolitischen oder klientenbezogenen Aspekten auch wirtschaftliche Erwägungen zu berücksichtigen. In der Einleitung wurde das beste Ressourcen-Nutzen-Verhältnis, also das Optimalprinzip, beschrieben. Managementhandeln soll in seinen Aktivitäten nach diesem Postulat streben. Mit Hilfe der Deckungsbeitragsrechnung steht der mittleren FührungsSeite 70 ebene ein Instrument zur Verfügung, welches die nötigen Informationen liefert, um Entscheidungen unter dem Aspekt des Optimalprinzips abzuwägen. Ebenso unterstützend kann dieses Instrument auch bei der Portfolio-Entwicklung sein. Mit dem empfohlenen Instrument der Deckungsbeitragsrechnung steht ein Controllinginstrument zur Verfügung, welches sowohl dem retrospektiven wie dem prospektiven Blickwinkel des Controllings gerecht wird. Michel, Torspecken und Jandt schreiben dazu, die „Deckungsbeitragsrechnung [dient aber auch] vor allem den Zwecken der Kalkulation […]“ (Michel, Torspecken, Jandt, 1998 S. 126) und ist so als Controllinginstrument nicht nur retrograd ausgerichtet. Das Analysieren und Verstehen vergangener Prozesse ist zwar ein wichtiger Bestandteil des Controllings, es braucht aber auch Instrumente die Entscheidungen unterstützen und somit prospektiv ausgerichtet sind. Mit Hilfe des errechneten Deckungsbeitrages der einzelnen Angebote, Angebotsgruppen oder der Umsatzeinheit, also der FLS, lässt sich z.B. in einem weiteren Schritt durch die Break-Even-Analyse berechnen, wie viele Leistungseinheiten zu erbringen sind, um wirtschaftliche Kennzahlen zu bedienen. Für das Beispiel aus Kapitel 3.3.1 Annahme von Aufträgen, S. 64, würde sich so eine Möglichkeit der rechnerischen Darstellung ergeben, wenn zwei Angebote gemeinsam bedacht werden müssen. Eine Berechnung, entsprechend der Werte der Tabelle 12, S. 63 und der Tabelle 13, S. 64, soll dies verdeutlichen. Der Deckungsbeitrag1 der FLS beim Einsatz eines Mitarbeiters der Dienstart a) als Familienhelfer in der SPFH nach § 31 SGB VIII in der Region B, bei einem Einsatz über 20 km, beträgt 18,69 €. ๐ท๐ต1 = ๐ − ๐๐ฃ๐๐ = 43,21 € − 24,52 € = 18,69 € Formel 14: Berechnung des Deckungsbeitrags je Umsatzeinheit Der Deckungsbeitrag2 der FLS beim Einsatz eines Mitarbeiters der Dienstart c) als Familienhelfer in der SPFH nach § 31 SGB VIII in der Region C beträgt 8,70 €. ๐ท๐ต2 = ๐ − ๐๐ฃ๐๐ = 41,00 € − 32,30 € = 8,70 € Formel 15: Berechnung des Deckungsbeitrags je Umsatzeinheit Für die zu betrachtende Periode liegen angenommene Fixkosten ๐พ๐๐๐ฅ von insgesamt 43.500,00 € vor. Der somit durch die ambulanten Leistungen in dieser Periode zu er- bringende DB liegt demnach bei 43.500,00 €. Mit folgender Formel lässt sich dies rechnerisch darstellen: ๐ท๐ต1 ∗ ๐ฅ1 + ๐ท๐ต2 ∗ ๐ฅ2 = ๐พ๐๐๐ฅ 18,69๐ฅ1 + 8,70๐ฅ2 = 43.500 Formel 16: Berechnung der Auslastung bei einem Zwei-Produkt-Portfolio Seite 71 In der zeichnerischen Darstellung lassen sich Kombinationsmöglichkeiten, oder anders ausgedrückt Entscheidungsfolgen, sichtbar machen. Abbildung 25: Schematische Darstellung einer Deckungsbeitragsberechnung für ein Zwei-Produkt-Portfolio Quelle: eigene Darstellung nach Olfert, 1996 S. 292 Da sich bei einem Portfolio mit zwei Produkten nicht mehr die eine kritische Menge, also der BEP, berechnen lässt, bietet diese Form der Darstellung die Möglichkeit Auswirkungen der aktuellen Auftragslage für die mittlere Führungsebene sichtbar zu machen. Es gibt in diesem Fall viele mögliche Punkte des BEP‘s, die sich alle auf einer Linie bewegen. (vgl. ebd., 1996 S. 291 - 292) Wenn das Ziel besteht, für die fixen Kosten immer eine Deckung zu erreichen, lässt sich ablesen, wie groß die Menge x1 sein muss – also wie viele FLS der SPFH durch die Dienstart a) in der Region B erbracht werden müssten – wenn die FLS durch die Dienstart c) in der Region C von z.B. 5.000 auf 3.000 oder 1.000 h SPFH sinken. Die Deckungsbeitragsrechnung ist also auch für ein Mehr-Produkt-Portfolio als Controllinginstrument geeignet, wie es häufig bei einem Leistungsanbieter im Bereich der ambulanten Angebote nach SGB VIII oder auch SGB XII der Fall ist. In der mittleren Führungsebene werden unterschiedliche Entscheidungen getroffen, die sich in den verschiedenen Handlungsfeldern verorten lassen. Aufgrund der Spezifika der Sozialunternehmen geht es in der Zielrichtung von Leitungshandeln nicht einzig um die Erhöhung des Shareholder Value, also des Unternehmenswertes und der Effizienz des Unternehmens. Der Stakeholder-Ansatz macht deutlich, wie vielschichtige Aspekte, Interessen und Ansprüche zu berücksichtigen sind. Um aber der eingangs beschriebenen gesamtgesellschaftlichen Bedeutung von Sozialwirtschaftsunternehmen gerecht zu werden, braucht es auch auf der mittleren Führungsebene grundlegendes Seite 72 Verständnis zu den wirtschaftlichen und finanziellen Aspekten und Zusammenhängen. Die Deckungsbeitragsrechnung, in ihrer einfachen und mehrstufigen Form, bietet die Möglichkeit sich mit der Gliederung und Ordnung von Kosten, dem Aspekt ihrer Beeinflussbarkeit oder der Kalkulation auseinanderzusetzen. Sie gibt der mittleren Führungsebene ein Instrument an die Hand, das in der täglichen Arbeit direkt eingesetzt werden kann und so im Sinne des Controllings als „ein übergeordnetes Führungsunterstützungssystem“ (Schultz, 2010 S. 1) in der Sozialwirtschaft wirkt. Auf die eingangs gestellte Forschungsfrage möchte ich daher folgende Antwort geben: Ich empfehle in der Arbeit der mittleren Führungsebene in entgeltfinanzierten ambulanten Diensten das Instrument der Deckungsbeitragsrechnung einzuführen und zu nutzen. Es ist geeignet die Tätigkeit zu unterstützen und so das Handeln auf der mittleren Führungsebene zu qualifizieren, um mit den aktuellen Herausforderungen adäquat umgehen zu können. 4.2 Bewertung weiterer Controllinginstrumente Es müssen im Controlling darüber hinaus auch weitere Instrumente angewandt werden. Die Ausgestaltung des Controllings kann aber von Sozialunternehmen zu Sozialunternehmen ganz unterschiedlich ausfallen. Entsprechend der Zielformulierungen, der Angebotspalette, des organisatorischen Aufbaus und weiterer Aspekte werden die Entscheidungen für einzelne Instrumentarien zu treffen sein. Die Empfehlung eines einzelnen Instruments soll nicht bedeuten, dass andere Instrumente nicht ebenso anwendbar oder auch nötig sind. In den Handlungsfeldern wurde unter anderem auch der Mitarbeiter in ambulanten Diensten benannt. Es geht hier insbesondere um den Umgang mit den Menschen im Einzelnen, aber auch in der Gruppe aller Mitarbeiter des ambulanten Dienstes. Hier eröffnet sich ein äußerst relevantes Handlungsfeld, welches einer intensiven Steuerung bedarf. In der Anwendung des Stakeholder-Managements wird es auch eine Festlegung in Bezug auf den Mitarbeiter geben müssen. Die Priorität, wird auf Grund der Bedeutung des Personals in Dienstleistungsbetrieben vermutlich sehr hoch angesetzt sein. Die einzusetzenden Steuerungs- oder Controllinginstrumente müssen das widerspiegeln und werden entsprechend vielfältig sein. Seite 73 Die Organisation der indirekten Leistungsanteile an den Beschäftigungsumfängen der Mitarbeiter im Bereich der ambulanten Dienste, wie z.B. Dienstberatungen, Fortbildungen, Supervisionen, Dokumentation wären ebenso würdig, betrachtet zu werden. Hier kann durch die mittlere Führungsebene, in Bezug auf die Kostensituation, direkt steuernd eingegriffen werden. Auch die nähere Betrachtung und Auseinandersetzung mit der Kennzahlenbildung kann das Controlling im Sozialunternehmen befördern. Mit diesem Controllinginstrument können Prozesse initiiert und qualitativ begleitet werden. Ein gut funktionierendes Controlling wird sich durch eine kritische Auswahl der nötigen Controllinginstrumente auszeichnen. Dieses bedarf als ersten Schritt eine klare Zielformulierung. Diese Ziele können dann durch die geeigneten Controllinginstrumente in der Art operationalisiert werden, dass sie überprüfbar sind. Die Besonderheit sozialer Unternehmen bringt es mit sich, dass es „akzeptierte Ineffizienzen“ (Halfar, Moos, Schellberg, 2014 S. 52) aufgrund der Begründungszusammenhänge der Unternehmung geben kann. Diese würde das Controlling dann sichtbar machen. Denn „die meisten sozialen Organisationen [sind] werte- und bedarfsorientiert geprägt“ (Arnold, Grunwald, Maelicke, 2014 S. 768). Dementsprechend werden sich die Zielformulierungen auch von reinen Wirtschaftsunternehmen unterscheiden müssen. Die Bewertung der Ergebnisse des Controllings, auch der akzeptierten Ineffizienzen, und die Nutzung dieser Erkenntnisse – also das Treffen von Entscheidungen – sind dann Ausdruck konkreten Leitungshandelns. Seite 74 5 Fazit Die vorliegende Arbeit hat sich der Auseinandersetzung mit dem Controlling in der Sozialwirtschaft gewidmet. Ziel dieser Arbeit war es, Empfehlungen für konkrete Controllinginstrumente auszusprechen, die insbesondere Personen in der mittleren Führungsebene in entgeltfinanzierten ambulanten Diensten Unterstützung bieten sollen. In der Erarbeitung des Themas ist deutlich geworden, wie vielfältig die Bereiche des Controllings sind. Daraus erwächst auch eine große Vielfalt an möglichen Instrumenten für das jeweilige Sozialunternehmen. Diese Instrumente dienen sowohl der Kontrolle als auch der Steuerung der entgeltfinanzierten ambulanten Dienste. Damit ist eine Sichtweise auf das Controlling verdeutlicht, die den retrospektiven, wie den prospektiven Blickwinkel beinhaltet und als Controllingverständnis auch dieser Arbeit zu Grunde liegt. Dem Controlling immanent ist die Tatsache, dass der erste Schritt immer eine Zielformulierung sein muss. Diese kann von Unternehmen zu Unternehmen sehr unterschiedlich ausfallen. Die Wahl der Controllinginstrumente orientiert sich aber an der jeweiligen Zielstellung. Dies hatte Auswirkungen auf die Beantwortung der Forschungsfrage. Konkrete Empfehlungen von Controllinginstrumenten zur Steuerung von entgeltfinanzierten ambulanten Diensten sind abhängig von der konkreten Institution, der die Instrumente empfohlen werden. Eine konkrete Empfehlung lässt sich also nur anhand der konkreten Institution vornehmen. Da es der grundsätzlichen Überzeugung des Autors entspricht, dass eine Steuerung im Bereich der ambulanten sozialen Dienstleistungen nötig ist, sollten in dieser Arbeit aber Empfehlungen ausgesprochen werden. Aufgrund der Fülle der verschiedenen Möglichkeiten von Instrumentarien, ist daher die Entscheidung gefallen, nur ein einzelnes konkretes Instrument exemplarisch auszuwählen, und dies als Empfehlung auszusprechen. Die Beantwortung der Forschungsfrage enthält somit ein einzelnes Controllinginstrument. Der Autor konnte damit seiner Überzeugung Rechnung tragen, dass es grundsätzlich der Controllinginstrumente bedarf und er berücksichtigt ebenso die nötige Zielperspektive bei der Empfehlung von Instrumentarien. In die Auswahl und Entscheidung für das Instrument der Deckungsbeitragsrechnung ist die persönliche Praxiserfahrung des Autors eingeflossen. Im Hinblick auf die Handlungsfelder für die mittlere Führungsebene in entgeltfinanzierten ambulanten Diensten, die in dieser Arbeit umrissenen wurden, lassen sich noch weitere Steuerungsmöglichkeiten ablesen und so als allgemeine Empfehlung ausspre- Seite 75 chen. Die mittlere Führungsebene ist verantwortlich für operative Entscheidungen und muss dafür auch operativ ausgerichtete Instrumente einsetzen. Die benannte Portfolio-Analyse ist in diesem Zusammenhang als strategisch ausgerichtetes Instrument von der Unternehmensleitung zu bedienen. Die Darstellung hat in dieser Arbeit aber trotzdem seine Berechtigung. Die Verantwortung für die Anwendung des Instrumentes und die strategischen Entscheidungen, die durch die gewonnenen Informationen getroffen werden, liegen auf der Ebene der Unternehmensleitung. Die mittlere Führungsebene sollte aber bei der Erstellung der Analyse, bei der Zurverfügungstellung von Informationen beteiligt sein. Aus diesem Grund ist es wichtig, das Instrument zu kennen. Ebenso verhält es sich mit der Stakeholder-Analyse. In die strategischen Entscheidungen der Unternehmensleitung fließen auch die grundsätzlichen Entscheidungen zu den Stakeholdern mit ein. So wird durch die Festlegung, welche ambulanten Dienstleistungen sich im Angebots-Portfolio eines Sozialunternehmens befinden, auch die Entscheidung getroffen, ob es sich bei der Stakeholdergruppe der Klienten z.B. um Familien handelt, Menschen mit einer Suchterkrankung oder einer psychischen Erkrankung oder ob Menschen mit einer Behinderung diesem Personenkreis zuzurechnen sind. Die Konfrontation im beruflichen Alltag der mittleren Führungsebene mit vielfältigen Interessenlagen verschiedener Anspruchsgruppen, macht es zwingend nötig, dass mit Hilfe einzelner Instrumentarien qualifizierte Entscheidungen getroffen werden, welche Interessenlagen und welche Ansprüche – also welche Stakeholder – bedient werden müssen. Zu Beginn wurde die mittlere Führungsebene mit einer Scharnierfunktion umschrieben. Auf sie wirkt einerseits das eher strategisch ausgerichtete Handeln der Unternehmensleitung und somit die Konsequenzen der strategischen Entscheidungen ein. Auf der anderen Seite sind sie mit der konkreten Leistungserstellung der sozialen Arbeit, in diesem Fall der ambulanten Betreuungsdienstleistung konfrontiert und für diese verantwortlich. Durch das operativ ausgerichtete Handeln der mittleren Führungsebene wird so also steuernd auf die konkrete soziale Arbeit eingewirkt, sodass die strategischen Zielvorgaben erfüllt werden. Eine enge Verzahnung der Ebenen – im Sinne eines Scharniers – was eine qualitativ gute Kommunikation ermöglicht, ist damit unbedingt erforderlich. Die Herausforderungen, auf die soziale Unternehmen stoßen sind vielfältig. Im Bereich des Personalmanagements, z.B. durch den Fachkräftemangel und der nötigen Flexibilität in den Diensten; im Bereich der wirtschaftlichen Belange der Organisation durch die Ökonomisierung der Sozialen Arbeit; im Bereich der Lebenslagen der Menschen durch Seite 76 die Entwicklung neuer Angebote und zukünftiger Positionierung in marktähnlichen Systemen der Sozialwirtschaft. Die mittlere Führungsebene hat an dieser Stelle eine hohe Verantwortung, da sie frühzeitig auf Veränderungen und Bedarfe im System der eigenen Organisation aber auch im Sozialraum aufmerksam machen kann. Sie hat hier ebenso schon steuernde Funktionen. Dazu braucht es aber Instrumente um tatsächlich steuernd tätig werden zu können. Da diese Herausforderungen sich nicht allein auf den entgeltfinanzierten ambulanten Sektor beschränken lassen, lässt sich für alle Organisationen die in der Sozialen Arbeit tätig sind feststellen, dass das Thema des Controllings in allen Bereichen greifen muss. Aufgrund der Spezifika in der Finanzierung und den organisatorischen Herausforderungen, können die entgeltfinanzierten ambulanten Dienste mit ihrer mittleren Führungsebene aber die Funktion eines Türöffners für das Controlling in sozialen Organisationen insgesamt haben. Operative Instrumente unterstützen das Managementhandeln der mittleren Führungsebene. Das strategische Steuern der Unternehmung ist in gleicher Weise eine Unterstützung und auch eine Bedingung für das operative Handeln und Steuern eines ambulanten Dienstes. Ein fehlendes strategisches Controlling führt aber nicht dazu, dass das operative Controlling nicht stattfindet. Es erschwert aber wesentlich das operative Handeln der mittleren Führungsebene. Fehlende Zielvorgaben, Organisationsstrukturen oder Instrumentarien müssen von der mittleren Führungsebene mühsam aufgefangen werden. Seite 77 Die zukünftige Herausforderung des Controllings in sozialen Organisationen wird es sein, neben den wirtschaftlichen Aspekten auch die speziellen Facetten Sozialer Arbeit und damit der Sozialwirtschaft in das Controlling zu integrieren. Es muss also im Controlling und in der Ausgestaltung der Instrumentarien darum gehen, dass zukünftig auch die Tatsache, dass die Ziele oft ideell-normativ formuliert sind – also dass Hilfe in Notlagen geleistet werden soll; dass es sich um eine pädagogische und damit um eine Beziehungsarbeit handelt; dass die Leistung intangible, also immateriell, ist und nach dem uno-actu-Prinzip erstellt wird – Eingang in das Controlling findet. Es darf im Controlling also nicht nur um die wirtschaftlichen Aspekte gehen, es muss auch eine Steuerung in den Bereichen der Werte- und Bedarfsorientierung stattfinden. Dass es in dieser Arbeit als konkrete Empfehlung eines Controllinginstrumentes eine Empfehlung aus dem Bereich der wirtschaftlichen Steuerung gibt, trägt der beruflichen Erfahrung des Autors Rechnung. In der mittleren Ebene von ambulanten Diensten sind von der Profession her häufig Personen tätig, die von ihrer Grundausbildung aus dem sozialen Bereich kommen. Von daher müssen diese insbesondere im wirtschaftlichen Bereich, sich stark weiterbilden. Für das Controlling insgesamt bleibt aber das Ziel trotzdem für die Zukunft bestehen, dass alle relevanten Bereiche in den Blick genommen werden müssen. Seite 78 Danksagung Am Ende dieser Arbeit möchte ich mich bei Frau Recha Drews für die Begleitung und Unterstützung im Prozess der Erstellung dieser Arbeit bedanken. Mein Dank gilt ebenso Herrn Professor Dr. Jürgen Holdenrieder für seine Bereitschaft als Zweitprüfer zu fungieren. Danke sage ich Timo Mecking, der sowohl das Studium, als auch diese Abschlussarbeit mit Geduld und Ausdauer begleitet hat und mir so eine wertvolle Unterstützung war. Meine Familie, Freunde und Kollegen haben mit ihrem Verständnis ebenso zum Gelingen der Arbeit beigetragen. In besonderer Weise bin ich den Schwestern des Karmel Regina Martyrum Berlin zu Dank verpflichtet. Sie haben durch ihre fürsorgliche Gastfreundschaft mir den nötigen Freiraum zum Schreiben dieser Arbeit eröffnet. Seite 79 Literaturverzeichnis 4managers.de. 2014. 4managers - Management: Bedürfnistheorien. 4managers Themen, Tipps und Trends. [Online] ILTIS GmbH - Damit aus Strategien Handeln wird, 2014. [Zitat vom: 02. 12. 2014.] http://www.4managers.de/management/themen/beduerfnistheorien/. Arnold, Ulli; Grunwald, Klaus und Maelicke, Bernd, [Hrsg.]. 2014. Lehrbuch der Sozialwirtschaft. 4. Auflage. Baden-Baden : Nomos Verlagsgesellschaft, 2014. 978-38329-7819-8. Bachert, Robert. 2010. 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Die Masterarbeit hat keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegen. Berlin, den 23. Januar 2015 (Datum) ___________________________ (Unterschrift) Seite 84