Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Christian – Albrechts – Universität zu Kiel Seminararbeit Konjunktur- und Wachstumspolitik Thema 6 Von der Währungs- und Finanzkrise in die Rezession – Der Fall Argentinien 1998 - 2002 Themensteller: Prof. Dr. Joachim Scheide Wintersemester 2008 / 2009 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis ........................................................................................................ II Abkürzungsverzeichnis...............................................................................................III 1. Einleitung..................................................................................................................1 2. Die Ausgangssituation in Argentinien von 1991 – 1998 ..........................................1 3. Der Verlauf der Krise ...............................................................................................5 4. Mögliche Ursachen der Krise ...................................................................................9 4.1 Internationales makroökonomisches Umfeld .....................................................9 4.2 Politisches Versagen .........................................................................................10 4.2.1 Strukturdefizit vor 1998 .............................................................................10 4.2.2 Währungsbindung an den US - Dollar .......................................................11 4.2.3 Ungünstige Exportstruktur .........................................................................12 5. Nicht ergriffene Lösungsansätze ............................................................................13 5.1 Verschärfung der Finanzpolitik ........................................................................13 5.2 Abwertung der Währung...................................................................................14 5.3 „Dollarization“ ..................................................................................................14 6. Zusammenfassung und kritische Würdigung .........................................................15 Literaturverzeichnis ....................................................................................................16 II Abkürzungsverzeichnis BIP Bruttoinlandsprodukt ca. circa EMBI Emerging Markets Bond Index et al. et alii (und andere) f folgende ff fortfolgende ggf. gegebenenfalls IMF International Monetary Fund (Internationaler Währungsfonds) Mercosur Mercado Común del Sur (Gemeinsamer Markt des Südens) Mrd. Milliarden S. Seite US United States Vgl. vergleiche z. B. zum Beispiel z. T. zum Teil III 1. Einleitung Nachdem zu Beginn der 90er Jahre eine wirtschaftliche Stabilisierung in Argentinien eingetreten war, wurde die Wirtschaft Südamerikas zum Ende des Jahrzehnts durch aufeinander folgende, miteinander verknüpfte Wirtschaftskrisen schwer beeinträchtigt. Zunächst wurde die brasilianische Wirtschaft durch eine sehr starke Inflation und die dann folgende Abwertung der Währung geschwächt, im Jahr 1998 stürzte das Nachbarland Argentinien in Folge einer sehr hohen Staatsverschuldung in eine schwere Wirtschaftskrise, die erst nach der Abwertung der eigenen Währung und einer späteren Stabilisierung des Wechselkurses zu Ende ging. Im Zusammenhang mit der aktuellen Entwicklungen der Weltwirtschaft haben einige Anleger die Befürchtung, dass es zu einer Neuauflage der Argentinien – Krise kommen könnte.1 Im folgenden Text wird die Argentinien – Krise der Jahre 1998 bis 2002 beschrieben. Zunächst wird die Ausgangssituation in der argentinischen Wirtschaft erläutert. Im Anschluss folgt eine Darstellung des Verlaufs der Krise und anschließend die Klärung der Frage, worin die Gründe für die Krise zu suchen sind. In einem weiteren Schritt werden dann Lösungsansätze aufgezeigt, die ggf. ebenfalls möglich gewesen wären, aber letztendlich nicht aufgegriffen wurden. 2. Die Ausgangssituation in Argentinien von 1991 – 1998 Nachdem in Argentinien über Jahre hohe oder sogar Hyperinflation2 vorlag, wurde 1991 das Konvertibilitätsgesetz verabschiedet. Dieses fixierte den Wechselkurs zunächst auf 10.000 Australes pro US – Dollar. 1992 folgte eine Umwandlung der Währung in den Peso, dessen Wert dem eines US – Dollars entsprach.3 Durch das Konvertibilitätsgesetz entstand ein neues Vertrauen in die argentinische Wirtschaft, das an einem Anstieg des BIP um 10% in den ersten zwei Jahren, einem Absinken der Inflationsrate in einstellige Bereiche und einem Anstieg der Kapitalzuflüsse zu erkennen war. Die auch als Tequila – Krise bekannte Wirtschaftskrise in Mexiko 1995 unterbrach die eindrucksvolle makroökonomische Leistung Argentiniens. Es kam zu einem Kapitalabfluss und in der Folge zu einer Verringerung der 1 Vgl. Grüttner, A., 2008. Hyperinflation ist eine sehr schnelle Erhöhung des Preisniveaus, in der Regel ab einer monatlichen Inflationsrate von 50%. 3 Vgl. Joost, C., 2003, S.31 . 2 1 ökonomischen Aktivität. Die argentinische Wirtschaft erholt sich aber recht schnell von diesen Auswirkungen. Das Wachstum stieg in den Jahren 1996 und 1997 wieder an. Problematisch bei dieser Entwicklung waren bestehende und wachsende Schwachpunkte der argentinischen Wirtschaft in verschiedenen Bereichen. Fiskalpolitisch sind z. B. wiederholte über dem Budget liegende Staatsausgaben zu nennen, so dass die Verschuldungsrate immer weiter anstieg. Auch die Exporte nahmen in den Jahren 1990 – 1998 jährlich um ca. 8% zu, allerdings betrug der Zuwachs bei den Importen im gleichen Zeitraum durchschnittlich 25% pro Jahr. Durch den relativ kleinen inländischen Finanzsektor wurden private und öffentliche Ausgaben durch Kapitalzuflüsse aus dem Ausland finanziert, was wiederum einen Anstieg der Verschuldung zur Folge hatte.4 Trotz des guten Beginns der strukturellen Reformen ließ ihre Wirkung zur Mitte des Jahrzehnts nach und verkehrte sich z. T. auch ins Gegenteil, indem sie eine gewisse Starrheit des Systems hinterließen. Diese war im Zusammenhang mit dem Wechselkurssystem in Argentinien besonders wichtig. Durch das Currency Board System5 wurde es zwar erreicht, die Hyperinflation zu beenden, aber es entstanden so auch Restriktionen bei der Nutzung von Geldpolitik und Wechselkurs als Koordinationsinstrumente, weil die größte Verantwortung für die makroökonomische Stabilität an die Fiskalpolitik gegeben wurde. Außerdem bestand die Notwendigkeit einer größeren Flexibilität der Wirtschaft, um externe Schocks abfedern zu können.6 Zur Darstellung des Verlaufs der Argentinien-Krise ist es erforderlich, die Entwicklung einiger Bereiche der argentinischen Wirtschaft zu beschreiben. Die Situation im Bereich der Staatsfinanzen verschlechterte sich im Verlauf der 90er Jahre trotz einer starken Wirtschaftsleistung stetig. Ursächlich hierfür war ein geringes „headline deficit“7 von durchschnittlich 1,5% des BIP in Verbindung mit häufigen über dem Budget liegenden Staatsausgaben, die zumeist durch Entschädigungszahlungen aus der Sozialreform zu Beginn der 90er Jahre und rückständige Zahlungen an Lieferanten auftraten. Somit erhöhte sich die Neukreditaufnahme auf 3,5% des BIP pro Jahr. Die letztgenannten Zahlungsverpflichtungen gingen mit der Zeit 4 Vgl. IMF, 2003, S. 6ff. Bei einem Currency Board System handelt es sich um eine einseitige Fixierung des Wechselkurses der inländischen Währung zu einer ausländischen Währung, im Fall Argentinien fand eine Fixierung zum US – Dollar statt. 6 Vgl. IMF, 2003, S. 8. 7 IMF, 2003, S. 8. 5 2 zurück, dafür stiegen andere Ausgaben ebenso wie Zinsverpflichtungen stark an. Da der Anteil der Staatseinnahmen aber konstant blieb, kam es zu einer Verschlechterung von einem ungefähr ausgeglichenen Niveau zu einem Defizit von 2,75% des BIP im Jahr 1998.8 Bei Wachstumsraten, die größer sind als 5%, ist diese Höhe des Defizits nicht problematisch. Bei einem geringeren Wachstum besteht hierin jedoch ein großer Schwachpunkt. Entsprechend war die Situation in Argentinien, da anstelle der Bildung finanzieller Reserven während des Booms eine hohe Neuverschuldung eintrat. Für die Verschlechterung der Situation waren vor allem hohe Ausgaben verantwortlich, so dass die Verschuldungsquote von 31% auf 41% des BIP bis 1998 anstieg.9 Auch im Bereich des Außenhandels gab es einige Schwachpunkte. Der geringe Anteil der Exporte von nur 10% des BIP stellte eine Kernschwäche der Wirtschaft Argentiniens dar, da ein Puffer bei Veränderungen der inländischen Nachfrage nur in begrenztem Maß geschaffen werden konnte. Als 1998 privater Konsum und private Investitionen stark zurückgingen, konnten die Exporte den Weg aus der Rezession nicht entscheidend stützen. Zudem war die Wirtschaft anfälliger für die Handlungen von Investoren auf den internationalen Kapitalmärkten. Als die Kapitalzuflüsse abnahmen, bestand nur eine begrenzte Möglichkeit, Exporteinkünfte zu erzielen, mit denen Importe und Schuldenzahlungen finanziert werden konnten. Dies war ein Problem für die internationale Liquidität, da bei einem Currency Board System internationale Rücklagen zur Stützung der inländischen Währung benötigt werden. Desweiteren konzentrierten sich die Exporte hauptsächlich auf Rohstoffe und geographisch auf die Mitgliedsstaaten des Mercosur10, insbesondere Brasilien.11 Auch das argentinische Finanzsystem trug zum Aufbau von Schwachpunkten bei, da es im internationalen Vergleich unterentwickelt blieb. Der geringe Grad der inländischen Finanzintermediation und eine geringe Eigenkapitalfinanzierung führten zu einem hohen Vertrauen in ausländische Kredite und so zu einem höheren Liquiditätsrisiko. Im Laufe der 90er Jahre kam es zu beträchtlichen Änderungen im Finanzsektor. Als Folge erheblicher Konsolidierung, Privatisierung und des Markteintritts aus8 Vgl. IMF, 2003, S. 8. Vgl. IMF, 2003, S. 10. 10 Bei Mercosur handelt es sich um die südamerikanische Wirtschaftsgemeinschaft, die zollfreien Handel zwischen Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay ermöglicht. Später wurden auch Handelsabkommen mit Chile und Bolivien geschlossen. 11 Vgl. IMF, 2003, S. 16ff. 9 3 ländischer Institutionen wurde die Effizienz des Bankensystems deutlich verbessert. Die Konsolidierung halbierte die Anzahl der Banken, gleichzeitig gab es, besonders nach der Tequila – Krise, klarere Regulierungsvorschriften und eine verstärkte Überwachung. Auf diese Weise wurde das Bankensystem sehr liquide und relativ gut kapitalisiert. Allerdings blieb die Profitabilität auch vor der Rezession sehr gering, die Banken waren durch die starke Bindung an den US – Dollar einem Kreditrisiko für den Fall einer Abwertung der Währung und einem Liquiditätsrisiko im Falle eines Bank Run ausgesetzt. Die großen und relativ schwachen öffentlichen Banken waren der Regierung ausgeliefert. Die Staatsschulden wurden nicht mit den üblichen Maßstäben einer ausreichenden Kapitalunterlegung behandelt, was bei Fehlern der Regierung problematisch wird. Das Bankensystem war somit anfällig für drei Arten von Schocks: Wirtschaftlicher Abschwung, Abwertung des Wechselkurses und Fehler der Regierung.12 Auf dem Arbeitsmarkt waren ebenfalls Probleme zu erkennen. Bei einem Currency Board System müssen Preise und Löhne im Inland flexibel sein, um die Wirkung wirtschaftlicher Schocks auf Output und Beschäftigung abzuschwächen. In Argentinien gab es traditionell einen starken Kündigungsschutz und hohe betriebliche Sozialleistungen. Die Flexibilität der Löhne wurde durch kollektive Tarifverhandlungen in der Industrie weiter reduziert, was den Umgang mit exogenen Schocks erschwerte. Zu Beginn der 90er Jahre wurden Reformen zur Verbesserung der Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt eingeleitet. Zunächst wurden Zeit- und Ausbildungsverträge eingeführt, danach die Zeitarbeit erleichtert und flexible Arbeitszeiten für kleine und mittelgroße Unternehmen zugelassen. Ein weiterer Fortschritt bei der Deregulierung auf dem Arbeitsmarkt wurde nicht erreicht, einiges sogar durch neue Vorschriften wieder rückgängig gemacht. Viele Gesetzentwürfe stießen auf Widerstand und wurden nur in abgeschwächter Form durchgesetzt. Trotz der Reformen, die die Produktivität der Industrie erhöhten und die kostenbezogene Wettbewerbsfähigkeit verbesserten, war der Arbeitsmarkt nicht flexibel genug, um eine starke Erhöhung der Arbeitslosenquote zu verhindern. Die Flexibilität wurde weiterhin durch verschiedene gesetzliche Vorgaben behindert, so dass auch die Schaffung von Arbeitsplätzen nur 12 Vgl. IMF, 2003, S. 24ff. 4 unzureichend war. So stieg die Arbeitslosenquote 1994 auf 12% und fiel anschließend nicht mehr unter dieses Niveau.13 Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Currency Board System, das weitgehend als ein Instrument zur Geldwertstabilisierung gesehen wurde. Es ist ein sehr risikoreiches System, da es die Nutzung des Wechselkurses als Koordinationsinstrument verhindert und die Änderung der Geldpolitik seitens der Regierung erschwert. In Argentinien konnte die Regierung sowohl im Inland als auch international in großem Maße Kredite aufnehmen. Demzufolge hatte das Currency Board System nur eine einschränkende Wirkung auf die Fiskalpolitik, wenn die Gläubiger die Solvenz des Staates anzweifelten und keine neuen Finanzierungen anboten.14 Trotz des Booms der argentinischen Wirtschaft gab es viele Schwachpunkte und eine zunehmende Krisenanfälligkeit. Hauptursachen hierfür waren die steigende Staatsverschuldung, strukturelle Mängel im Bereich des Außenhandels und der Mangel an Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt. Darüber hinaus wären bei einer Aufgabe des Currency Board Systems hohe Kosten für Argentinien angefallen.15 3. Der Verlauf der Krise Nachdem Argentinien sich von der Tequila – Krise 1995 erholt hatte und im Jahr 1997 wieder ein starkes Wachstum aufweisen konnte, geriet das Land im Jahr 1998 in eine schwere Wirtschaftskrise. Als Auslöser können konjunkturbedingte Korrekturen, politische Unsicherheit und Auswirkungen der Krisen in Russland und Brasilien identifiziert werden. Es folgte ein starker Rückgang des privaten Konsums und der Investitionsausgaben, auch das Outputwachstum fiel um mehr als vier Prozentpunkte. Der Abwärtstrend bildete in gewisser Hinsicht eine Korrektur, da die argentinische Wirtschaft über dem eigentlichen Potential arbeitete. Der unmittelbare Auslöser war der Einfluss der Russland – Krise. Die Spreads bei argentinischen Staatsanleihen stiegen von 500 auf 750 Basispunkte, was wiederum Auswirkungen auf die inländischen Zinsen hatte. Die Vorzugszinssätze für in US – Dollar und in Peso notierte Anleihen erhöhten sich um 2 – 3 Prozentpunkte, der Anstieg der realen Zinssätze betrug ca. 5 Prozentpunkte. Das Currency Board System dämpfte den exogenen 13 Vgl. IMF, 2003, S. 26ff. Vgl. IMF, 2003, S. 31ff. 15 Vgl. IMF, 2003, S. 37. 14 5 Schock auf die inländische Wirtschaft, die argentinischen Spreads stiegen nicht halb so stark wie der Durchschnitt des EMBI. Der Anstieg der realen Kreditzinsen war viel geringer als z. B. in Mexiko.16 Die zunehmende politische Unsicherheit trug ebenfalls dazu bei, die Konsumenten zu verunsichern und private Ausgaben zu verringern. Der Versuch Präsident Menems, trotz eines gesetzlichen Verbotes für eine dritte Legislaturperiode im Amt zu bleiben, ließ die Unsicherheit anwachsen. Nach dem Wahlsieg der Opposition in den Kongresswahlen verzichtete er und trug so zu einer weiteren Schwächung der Position der Regierung bezüglich der politischen und wirtschaftlichen Situation bei.17 Durch mehrere exogene Schocks wurde die Situation weiter verschlimmert. Im Zusammenhang mit der Krise in Brasilien 1998 – 1999 folgten eine sinkende Exportnachfrage und ein Rückgang der Terms of Trade um 6%, der teilweise durch einen Preisrückgang bei argentinischen Warenexporten hervorgerufen wurde. Die Exporteinnahmen sanken in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 1998 um 10% im Verhältnis zum ersten Halbjahr. Durch den geringen Anteil der Exporte in der argentinischen Wirtschaft war der direkte Einfluss auf das Outputwachstum begrenzt. Auch die Zweifel an der Elastizität der argentinischen Wirtschaft wurden stärker. Die exogenen Schocks und die folgende realistische Einschätzung des Pesos nach der Abwertung des Brasilianischen Reals Anfang 1999 zeigten das ganze Ausmaß der Verschuldung und die Lage der Wirtschaft. So lange der nominale Wechselkurs stark blieb, konnte die die Wirtschaft nur durch eine Preisdeflation wieder wettbewerbsfähig werden, was die wirtschaftliche Aktivität schwächen würde. Außerdem hätte eine reale Abwertung durch Anpassung des Wechselkurses oder Preisdeflation eine Verschlechterung der Verschuldungsrate zur Folge. Dieser Gedankengang war auch ausschlaggebend für den anhaltenden Anstieg der Spreads bei argentinischen Staatsanleihen, größere Spreads und höhere Zinsen trugen zur schlechten wirtschaftlichen Lage bei.18 In der Folgezeit sanken der Output und unter deflationärem Druck auch die Verbraucherpreise. Durch die Starrheit des Arbeitsmarktes erhöhten sich die Reallöhne trotz des wirtschaftlichen Abschwungs, während auch die Arbeitslosenquote anstieg. Gleichzeitig kam es zu einem Wachstum des Staatsdefizits und der 16 Vgl. IMF, 2003, S. 37ff. Vgl. IMF, 2003, S. 40. 18 Vgl. IMF, 2003, S. 42. 17 6 Verschuldung auf über 50% des BIP. In diesem Fall wurde die Schuldendynamik durch den ungünstigen Unterschied zwischen Zinssätzen und Wachstum angetrieben.19 Die anfänglichen Versuche der Regierung, das wachsende Defizit einzudämmen, waren bestenfalls zurückhaltend. Eine klar restriktive Fiskalpolitik wurde nur im Jahr 2000 betrieben. Im Jahr 1999 stiegen die Staatsausgaben, und durch den Anstieg der Einnahmenquote erfolgte ein leichter restriktiver Fiskalimpuls. Durch die automatischen Stabilisatoren verschlechterte sich der anfängliche Ausgleich zu einem Defizit. In Verbindung mit steigenden Zinszahlungen verdoppelte sich das Gesamtdefizit auf mehr als 4% des BIP. Die Regierung sah sich einer schwierigen Situation gegenüber, da der Schuldenaufbau der Vorjahre eine expansive Fiskalpolitik zur Stimulierung der Wirtschaft verhinderte. Aus konjunktureller Sicht wäre eine expansive Fiskalund Geldpolitik sinnvoll gewesen. Das Problem waren aber der sich aus expansiver Fiskalpolitik ergebende größere Finanzierungsbedarf, so dass die Zinsen weiter gestiegen wären und die eingeschränkte Möglichkeit zu expansiver Geldpolitik durch das Currency Board System.20 Nach einer weiteren Verschlechterung der Situation benötigten die Autoritäten mehr internationale Finanzierung und eine gestärkte Politik. Im Januar 2001 stimmte der IMF einer Vergrößerung der Finanzierung auf der Basis eines erneuerten Programms zu, bei dem die fiskalische Anpassung und die Förderung struktureller Reformen im Mittelpunkt standen. Die Finanzierung wurde auf 14 Mrd. US – Dollar als Teil eines umfassenden internationalen Unterstützungspaketes von ca. 40 Mrd. US – Dollar angehoben. Das Programm sollte die Aussicht auf wirtschaftliches Wachstum durch fiskalische Festigung verbessern. Die Versuche, die Staatsfinanzen in den Griff zu bekommen, scheiterten an der Kombination aus steigenden Zinsen, sinkendem Wachstum und schwacher Finanzpolitik. Der Kapitalmarkt reagierte zunächst positiv auf das Programm, die vereinbarte Höchstgrenze des finanziellen Defizits wurde aber relativ schnell überschritten.21 Innerhalb des Systems fester Wechselkurse unternahm die argentinische Regierung einige erfolglose Versuche, die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, von denen der 19 Vgl. IMF, 2003, S. 42ff. Vgl. IMF, 2003, S. 44ff. 21 Vgl. IMF, 2003, S. 58f. 20 7 IMF zumeist nicht vorher in Kenntnis gesetzt wurde. Diese Versuche konnten den Output, der im Jahr 2001 weiter zurückging, nicht stabilisieren. Durch einen Schuldenaustausch sollte den Problemen entgegengewirkt werden. Die Situation wurde so kurzfristig entspannt, die Schuldenlast sank, aber der Diskontierungszins für die Schulden stieg auf 17%. Dieser Zinssatz lag weit über der erwarteten Wachstumsrate der Wirtschaft, so dass weitere Zweifel an der Solvenz des Staates aufkamen.22 Da es keine weiteren Konsolidierungsmöglichkeiten gab, konnte das Currency Board System nur bei einem Nulldefizit im Geldmittelbestand aufrecht erhalten werden. Als ein solches Gesetz verabschiedet wurde, lagen die Spreads zwischen in Peso und in US – Dollar notierten Zinssätzen bei 1500 bis 2000 Basispunkten. Die Möglichkeit eines Nulldefizits war so unwahrscheinlich und nicht effektiv, um das Currency Board System beizubehalten. Ohne tiefgreifende Änderungen der Wirtschaftspolitik oder der äußeren Umstände, stand das System kurz vor dem Zusammenbruch.23 Da die Situation mit einem jährlichen Rückgang des BIP von 4% nahezu ausweglos war, hätte eine Restrukturierung der Schulden mit einer Reduzierung des Barwertes und der Aufgabe des Currency Board Systems in Betracht gezogen werden sollen. Dem IMF boten sich zwei Möglichkeiten. Einerseits konnte man die Unterstützung beenden und so eine Restrukturierung der Politik erzwingen, andererseits bestand die Möglichkeit, die finanzielle Unterstützung bei gestärkter Politik unter gleichen Rahmenbedingungen auszuweiten. Trotz Bedenken über mangelnde politische Unterstützung für die nötigen Maßnahmen, um das Nulldefizit – Ziel zu erreichen, vervierfachte der IMF sein Engagement in Argentinien innerhalb von neun Monaten. Die ergriffenen Maßnahmen blieben allerdings wirkungslos, das BIP sank um 4,5%, und das Verhältnis der Schulden zum BIP stieg auf über 60%.24 Als auch weitere Maßnahmen nicht die erhoffte Wirkung zeigten, befanden sich sowohl die Wirtschaft als auch die Staatsfinanzen in einer tiefen Krise, woraufhin die wirtschaftliche Aktivität im Dezember 2001 zusammenbrach. Im Januar 2002 bestätigte Präsident Duhalde das Schulden – Moratorium und kündigte das Ende des Konvertibilitätsregimes an. Ersetzt wurde es durch ein duales Wechselkurssystem mit einem Wechselkurs von 1,4 Arg$ pro US – Dollar für staatliche und handelsbezoge- 22 Vgl. IMF, 2003, S. 59f. Vgl. IMF, 2003, S. 60. 24 Vgl. IMF, 2003, S. 60f. 23 8 ne Transaktionen, während andere Transaktionen mit aktuellen Marktpreisen vollzogen wurden. Außerdem wurden das Limit für monatliche Bankabhebungen erhöht und die Termineinlagen eingefroren. Um inflationäre Zwänge zu dämpfen, wurden die Preise privatisierter Energieversorger ebenfalls eingefroren. Zudem wurde ein Notfallgesetz zur Einschränkung der Rechte der Gläubiger verabschiedet. Nach kurzer Zeit wurde das duale Wechselkurssystem wieder abgeschafft. Nun gab es erstmals einen offenen Markt mit einheitlichen Rahmenbedingungen. In der Folge stieg der Wechselkurs auf 1,8 Pesos pro US – Dollar.25 Die Regierung stand einer großen Zahl von Herausforderungen gegenüber. Viele der anfänglichen Maßnahmen verschärften die Situation weiterhin, besonders die Ankündigung, dass Wertgegenstände und Sicherheiten einer asymmetrischen „Pesoization“26 unterliegen würden. Diese Maßnahme sollte Unternehmen und Haushalte mit in Fremdwährung notierten Schulden schützen, erhöhte aber die Last der Abwertung auf das Bankensystem, so dass es zu einer Verstärkung der Disintermediation und einer Beschränkung neuer Kreditvergabemöglichkeiten kam. Die Probleme des Bankensystems wurden durch die asymmetrische Preisindexierung und die fortgesetzte Rücknahme von Termineinlagen wegen der gerichtlichen Verfügung, in US – Dollar notierte Einlagen zum aktuellen Marktpreis auszuzahlen, weiter verschlimmert.27 Die Argentinien – Krise hatte für das Land schwerwiegende makroökonomische Konsequenzen. Das reale BIP fiel seit 1998 um insgesamt 20%, die Inflationsrate lag im höchsten Punkt im April 2002 bei 10%, für das Jahr 2002 betrug sie 40%. Die Arbeitslosenquote stieg auf über 20%, das Staatsdefizit auf 10,5% des BIP und die Verschuldungsquote auf 135% des BIP, was auch an der Abwertung des Wechselkurses, der asymmetrischen „Pesoization“ und anderen Faktoren lag.28 4. Mögliche Ursachen der Krise 4.1 Internationales makroökonomisches Umfeld Als eine mögliche Ursache der Argentinien – Krise können Auswirkungen der angespannten internationalen wirtschaftlichen Situation gesehen werden. Im Herbst 1997 kam es im Anschluss an die Südostasienkrise zu einer Verringerung der Terms 25 Vgl. IMF, 2003, S. 62. IMF, 2003, S. 63. 27 Vgl. IMF, 2003, S. 63. 28 Vgl. IMF, 2003, S. 63. 26 9 of Trade. Im Jahr 1998 folgte die Russlandkrise, an die sich 1999 die Abwertung der brasilianischen Währung wegen eines hohen Leistungsbilanzdefizits anschloss. Die Abwertung hatte zwei Effekte. Zum Einen wurde Argentinien durch Investoren ähnlich wie Brasilien bewertet, und zum Anderen wurde die Wettbewerbsfähigkeit argentinischer Produkte auf dem brasilianischen Markt durch die Abwertung des Reals belastet. Das argentinische Wirtschaftswachstum verlangsamte sich daraufhin. Aber nicht nur die negativen Auswirkungen des internationalen makroökonomischen Umfelds waren für die einsetzende Rezession verantwortlich, sondern auch die im Folgenden erläuterten politischen Fehlleistungen.29 4.2 Politisches Versagen 4.2.1 Strukturdefizit vor 1998 Es gab drei schwerwiegende Schwächen der rechtlichen Rahmenbedingungen: i. „The link between debtor capacity to pay and the deflationary adjustment to a more depreciated equilibrium real exchange rate. ii. The growing exposure of the banking system to government default. iii. The insufficient realization that general liquidity buffers do not fully protect the payment system from a run.”30 Der erste Punkt steht in Zusammenhang mit dem Kreditrisiko. Die Überbewertung des realen Wechselkurses wird bei Konvertibilität langsam durch starke Deflation und Arbeitslosigkeit korrigiert, was die Zahlungsfähigkeit eines Schuldners mit Einkünften aus dem nicht handelbaren Sektor untergräbt. Die Schwäche entsteht aus dem Nichterkennen des Risikos für Schuldner auf dem nicht handelbaren Sektor. Das Kreditrisiko tritt bei schwerwiegenden nachteiligen Schocks auf, die zu einer deflationären Anpassung führen. Bei der vorliegenden Gleichbewertung von Peso und US-Dollar wäre es nach Meinung von de la Torre et al. ratsam gewesen, stärkere Klassifizierungskriterien für Schulden und schärfere Wertberichtigungsregeln für Kredite einzurichten.31 Auch der zweite Punkt hängt mit dem Kreditrisiko zusammen und besteht aus dem Fehler, die Solvenz des Bankensystems nicht von der Solvenz des Staates zu trennen, 29 Vgl. Hausmann, R. und A. Velasco, 2002, S. 7ff. De la Torre, A., E. Yeyati und S. Schmukler, 2002, S. 6. 31 Vgl. de la Torre, A., E. Yeyati und S. Schmukler, 2002, S. 6. 30 10 da das Currency Board System nicht von sich aus fiskalische Disziplin erzeugt. In dem Maß der Ansprüche der Banken an den Staat hat eine fiskalische oder eine Staatsschuldkrise sofortige Auswirkungen auf die Solvenz des Bankensystems. Ein Vorteil der Konvertibilität liegt in der Möglichkeit, das Bankensystem vor Auswirkungen des fiskalischen Prozesses zu schützen, wenn die Banken dem Risiko der inländischen Regierung nicht zu stark ausgesetzt sind. Der Grund liegt darin, dass die Wertaufbewahrung, die die Finanzintermediation bei einem Currency Board System unterstützt, letztlich der US – Dollar ist, dessen Qualität nicht direkt von der Solvenz der inländischen Regierung abhängig ist. Diese Eigenschaft hätte Argentinien sich in den Augen von de la Torre et al. durch vernünftige Normen nutzbar machen sollen, vor allem vor dem Hintergrund der wiederkehrenden fiskalischen Probleme. Stattdessen verkaufte Argentinien zu Beginn der 90er Jahre Staatseigentum und nahm später an den internationalen Kapitalmärkten Geld auf, um dem wachsenden Finanzierungsbedürfnis gerecht zu werden. Nach der Tequila – Krise griff die Regierung z. B. auf private Rentenfonds und inländische Banken zurück, die in Staatsanleihen investieren mussten. Der entsprechende Anteil stieg bis 2001 stetig an, so dass in der Folge die Solvenz der inländischen Finanzinstitutionen stark gefährdet war.32 Die dritte Schwäche bezieht sich auf die unzureichende Erkenntnis, dass allgemeine Liquiditätssicherungen das Zahlungssystem nicht ausreichend vor einem Run schützen. Dank der hohen Liquidität hielt das argentinische Bankensystem dem Abhebungsprozess 2001 stand. Trotzdem hatten die Liquiditätsreserven negative Signalwirkungen, die den Angriff auf den Peso verschlimmerten und das Vertrauen weiter schwächten. Es zeigte sich, dass ein allgemeines Liquiditätssicherungssystem das Zahlungssystem nicht schützen kann, wenn das Vertrauen wegfällt.33 4.2.2 Währungsbindung an den US - Dollar Auch das Wechselkurssystem in Argentinien trug zur Entwicklung der Krise bei. Das Currency Board System mit dem US – Dollar und das bimonetäre Finanzsystem mit dem Peso und dem US – Dollar als gesetzliche Zahlungsmittel führte zwar zu Preisstabilität, aber auch zu Anfälligkeiten für ungewöhnliche Wechselkursentwicklungen, wie z. B. die Abwertung in Brasilien 1999 oder der extrem schwache Euro im 32 33 Vgl. de la Torre, A., E. Yeyati und S. Schmukler, 2002, S. 7. Vgl. de la Torre, A., E. Yeyati und S. Schmukler, 2002, S. 7f. 11 Jahr 2000. Die Abwertung in Brasilien führte zu einer Aufwertung des internationalen Wechselkurses für Argentinien, die im Jahr 2001 fortgesetzt wurde. Durch eine weitere Aufwertung entwickelte sich eine zunehmende Fehlbewertung des realen Wechselkurses, obwohl äußere Umstände einen niedrigeren gleichgewichtigen Wechselkurs bedingten. Schätzungen von Perry und Servén zufolge war der Peso im Jahr 2001 um mehr als 40% überbewertet. Diese Fehlbewertung in Verbindung mit ungünstigen äußeren Umständen und steigenden Kapitalkosten hatte negative Auswirkungen auf den Export hinsichtlich Profitabilität und Angebot. Das Exportwachstum stagnierte und konnte die frühere Dynamik nicht wieder erreichen. Bei dem vorliegenden realen Wechselkurs konnte dadurch ein mäßiges Wachstum von 3% nur durch ein großes Leistungsbilanzdefizit und eine steigende Verschuldungsrate erreicht werden. Argentinien stand so vor einem großen Problem. Bei dem Versuch, das Wachstum anzuregen, bestand das Risiko steigender Schulden bis hin zur Insolvenz. Bei dem Versuch des Ausgleichs wären negative Wachstumsraten die Folge, wodurch ebenfalls das Risiko der Insolvenz auftritt.34 4.2.3 Ungünstige Exportstruktur Der geringe Anteil der Exporte am BIP wurde bereits als eine Kernschwäche der argentinischen Wirtschaft identifiziert. Hieraus resultierten nicht nur die zu geringen Puffereigenschaften bei Änderungen der inländischen Nachfrage, sondern auch ein bedenklich hohes Verhältnis der Schulden zum Export von 455%. Somit bestand eine hohe Anfälligkeit der Wirtschaft bei einem geringeren Exportwachstum. Ein zusätzliches Problem stellte die Tatsache dar, dass das Verhältnis der Schulden zum BIP in gleichem Maße zu niedrig war wie der Wechselkurs überbewertet. Der Grund für die zu geringe Exportquote ist zum Einen die starke Wertsteigerung des Wechselkurses zwischen 1991 und 1993 um ca. 25%. Obwohl die Exporte in dieser Zeit stark zunahmen, geschah dies von einem sehr niedrigen Niveau aus. Der reale Anstieg des Wechselkurses könnte eine weitere Expansion und Diversifikation der Exporte verhindert haben. Zum Anderen kann die geringe Exportquote mit der Konzentration der Exporte auf Rohstoffe begründet werden, 20% der Exporte waren Rohstoffe und 35% damit eng verknüpfte landwirtschaftliche Produkte. Hieraus resultierten Handelsbarrieren, geringe Preiselastizitäten und starke Preisschwankungen. 34 Vgl. Hausmann, R. und A. Velasco, 2002, S. 18ff. 12 Innerhalb von zwei Jahren fiel beispielsweise der Preis für Argentiniens Warenexporte um 25% und später um weitere 20%. Auch die geographische Konzentration der Exporte auf die Mitgliedsstaaten des Mercosur und hier insbesondere Brasilien spielte eine Rolle. Die Exporte Argentiniens gingen 1991 zu 20% in die Mercosur – Staaten, 1998 sogar zu 45%. Studienergebnisse belegen eine Verlagerung auf nicht wettbewerbsfähige, kapitalintensive Güter durch diese geographische Konzentration. Zudem war die Qualität der Güter geringer und die Preise höher als auf dem Weltmarkt.35 5. Nicht ergriffene Lösungsansätze 5.1 Verschärfung der Finanzpolitik Die Verschärfung der Finanzpolitik ist ein häufig angedachter Lösungsansatz, der Einschränkungen der aktuellen Regierungsausgaben und Kapitalaufnahmen mit sich bringt und den Raum für Kapitalaufnahmen und Investitionen des privaten Sektors erhöht. Bei einem ausreichend großen bzw. vollständigen Crowding – in hat dies eine expansive Wirkung, wenn die private Ausgabensteigerung größer ist als die staatliche Ausgabensenkung, was einen Anstieg von Nachfrage und Output zur Folge hat. Diese Argumentation ist allerdings schwach. Die Gesamtnachfrage nach inländischen Gütern steigt nicht durch eine Kürzung der Staatsausgaben, da die Importe bei Investitionen einen größeren Bestandteil darstellen als bei Staatsausgaben. Das Ergebnis einer restriktiven Fiskalpolitik ist der Rückgang der Nachfrage nach inländischen Gütern und des Outputs. Im IS – Modell ist zu erkennen, dass der Output entsprechend der Staatsausgabenkürzung sinkt und Investitionen unterproportional steigen. Man kann argumentieren, dass weniger Ausgaben heute mehr Investitionen heute bedeuten, was zu einem höheren Output in US – Dollar morgen führt und demzufolge zu weniger strikten Kreditaufnahmebedingungen. Daraus kann ein ausreichender Anstieg von Investitionen entstehen, um eine kurzfristige Rezession zu vermeiden, eventuell sogar ein Outputanstieg aus der Ausgabenkürzung. In diesem Fall wäre der Mechanismus unpassend, da der Output in US – Dollar durch die zukünftige Exportnachfrage, die exogen ist, festgelegt ist.36 35 36 Vgl. IMF, 2003, S. 16ff. Vgl. Hausmann, R. und A. Velasco, 2002, S. 26ff. 13 5.2 Abwertung der Währung Eine Beendigung des Currency Board Systems und eine Neuordnung relativer Preise fanden viele Befürworter, deren Anzahl bei der Verschlechterung der Situation stieg. Das Wechselkurproblem besteht, wenn der Output aufgrund einer unzureichenden aggregierten Nachfrage gering ist. Wenn in dieser Situation sowohl die Exporte als auch die Investitionen durch eine Änderung der relativen Preise angeregt werden können, kann die Wirtschaft zur Erholung kommen. Es bleibt die Frage, ob eine Abwertung in einer finanziell eingeschränkten Wirtschaft expansiv wirkt. Dies ist abhängig von der Höhe bestehender Schulden im Vergleich zu aktuellen und zukünftigen Exporten. Wenn die anfänglichen Schulden größer sind, wirkt eine Abwertung kontraktiv. Die Steigerung der Aufwendungen für bestehende Schulden bewirkt einen höheren Rückgang der Investitionsnachfrage als den Anstieg der Exporteinnahmen, was einen Rückgang der gesamten aggregierten Nachfrage und der Investitionen bewirkt. 37 Durch die negativen Effekte der Abwertung bei hohen Dollar – Schulden wäre auch die „Pesification“ der Schulden in Kombination mit einem freien Wechselkurs eine Lösungsmöglichkeit für die bestehenden Probleme. Doch auch hiergegen finden sich Widersprüche, da eine „Pesification“ gemeinsam mit einer Abwertung ein Absinken der Rentabilität für die Gläubiger älterer Schulden bedeuten würde. Für diese Gläubiger ist das Anbieten neuer Schulden dann nicht mehr lohnend, und inländische Investoren würden keine neuen Vermögensgegenstände erwerben, wenn auch die in der Zukunft enteignet werden könnten.38 5.3 „Dollarization“ Eine weitere Alternative wäre die gänzliche Aufgabe des Currency Board Systems gewesen. Ohne das Abwertungsrisiko würde das Länderrisiko ebenfalls sinken, der Kapitalfluss würde sich ebenso fortsetzen wie Investitionen und Wachstum. Das Länderrisiko ist in diesem Fall das Insolvenzrisiko, das aus der Möglichkeit entsteht, dass eine reale Abwertung eine Rückzahlung privater und staatlicher Dollarschulden unmöglich machen könnte. Hier sind aber exogene Schocks für die Einschränkung 37 38 Vgl. Hausmann, R. und A. Velasco, 2002, S. 31f. Vgl. Hausmann, R. und A. Velasco, 2002, S. 32. 14 von Kapitalaufnahme und Investitionen verantwortlich, ebenso für den Rückgang des Outputs, selbst bei einem unveränderten realen Wechselkurs. „Dollarization“ bedeutet aber keinesfalls die beste Lösung. Dies lässt sich an zwei Beispielen verdeutlichen. Panama nutzte den US – Dollar für beinahe ein Jahrhundert, und die Erfahrungen begründen keinen Optimismus, da die Eliminierung des Währungsrisikos andere Risiken wie z. B. das Ausfallrisiko nicht ausschließt. Auch in Ecuador gab es keine guten Erfahrungen. Die Länderrisiko – Spreads sind die höchsten in Lateinamerika, und das Land ist praktisch abgeschnitten von internationalen Kapitalmärkten.39 6. Zusammenfassung und kritische Würdigung Insgesamt gesehen hatte die Entwicklung der Argentinien – Krise nicht nur eine explizite Ursache, sondern war die Folge vielfältiger Probleme, einerseits eines Zusammentreffens ungünstiger Umstände und andererseits von Fehlern im Krisenmanagement der argentinischen Regierung. Im Oktober 2008 gab es erneut Befürchtungen, dass es wieder zu einer Argentinien – Krise kommen könnte. Dies lag in erster Linie daran, dass die argentinische Regierung wie auch damals eine Verstaatlichung privater Rentenfonds anstrebte. So wurden die Anleger an der Börse in Madrid verschreckt, was zu einem Kurseinbruch führte. Der Unterschied zur damaligen Situation liegt einerseits in der Art der Verstaatlichung. Im Jahr 2001 wurden die Fondsverwalter dazu gedrungen, Teile des Portfolios in Staatsanleihen anzulegen. Heute geht die Planung in Richtung einer vollständigen Einverleibung der Rentenfonds, um dem wachsenden Finanzierungsbedarf für das Jahr 2009 entgegenzutreten. So könnten zwar Zahlungsschwierigkeiten vermieden werden, aber es könnten auch negative Folgen für die argentinischen Kapitalmärkte entstehen, da der Zugang zu internationalen Kapitalmärkten und somit auch die Kapitalaufnahme für argentinische Unternehmen erschwert werden.40 Andererseits ist durch den jetzt flexiblen Wechselkurs die Möglichkeit der extremen Überschuldung begrenzt. In welche Richtung sich die Situation nun entwickelt, bleibt aber abzuwarten. 39 40 Vgl. Hausmann, R. und A. Velasco, 2002, S. 34f. Vgl. Grüttner, A., 2008. 15 Literaturverzeichnis • De la Torre, A., E. Yeyati und S. Schmukler (2002). Argentina´s financial crisis: floating money, sinking banking. Mimeo World Bank 2002. Online – Verbindung: http://www.econ.umn.edu/~tkehoe/classes/Schmukler.pdf, 10.10.08. • Grüttner, A. (2008). Kurseinbruch in Madrid – Angst vor neuer Argentinien – Krise geht um. Online – Verbindung: http://www.Handelsblatt.com, 23.10.08. • Hausmann, R. und A. Velasco (2002). Hard Money´s Soft Underbelly: Understanding the Argentine Crisis. Kennedy School of Government and Harvard University. Mimeo. Online – Verbindung: http://ksghome.harvard.edu/~rhausma/paper/btf02_hard_mones.pdf, 10.10.08. • IMF (2003), Lessons from the Crisis in Argentina. IMF Occasional Paper 236. International Monetary Fund. Washington, D. C. Online – Verbindung: http://www.imforg/external/np/pdr/lessons/100803.pdf, 10.10.08. • Jost, C. (2003). Argentinien: Umfang und Ursachen der Staatsverschuldung und Probleme der Umschuldung. Auslandsinformationen, Sankt Augustin, 15. November 2003. Herausgeber: Konrad – Adenauer – Stiftung e. V. Online - Verbindung: http://www.kas.de/wf/doc/kas_3573-544-1-30.pdf,10.10.08. 16