Statement der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein zur wirkstoffübergreifenden Ausschreibung Röntgenkontrastmittel Düsseldorf, 17. Oktober 2016 Der AOK‐Bundesverband führt derzeit im Namen der verschiedenen Landesverbände ein Vergabeverfahren im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung durch. Das Vergabeverfahren dient dem Abschluss von Rahmenverträgen zur Belieferung der Vertragsarztpraxen in den KV‐Bereichen Nordrhein, Rheinland‐Pfalz und Saarland mit Röntgenkontrastmitteln. Die Besonderheit der laufenden Ausschreibung besteht darin, dass diese wirkstoffübergreifend erfolgt. Dies bedeutet, dass die Einteilung der ausgeschriebenen Fachlose nicht auf zugelassene Präparate/Arzneimittel, sondern auf Anwendungsgebiete und therapeutische Eigenschaften erfolgt. Die AOK geht dabei davon aus, dass die Vertragsärzte aufgrund der Sprechstundenbedarfsvereinbarung und dem Wirtschaftlichkeitsgebot verpflichtet sind, während der Laufzeit der Rahmenverträge den Bedarf an Wirkstoffen nur mit den bezuschlagten Kontrastmitteln zu befriedigen, sofern nicht im Einzelfall medizinische Gründe entgegenstehen. Damit wären die verordnenden Radiologen verpflichtet, eine wirkstoffübergreifende Substitution (aut simile) vorzunehmen. Die damit verbundenen haftungsrechtlichen Risiken verbleiben beim Radiologen. Wie bei den niedergelassenen Radiologen bestehen hiergegen auch seitens der KV Nordrhein erhebliche rechtliche Bedenken. Fraglich ist vor allem, ob und auf welcher Rechtsgrundlage niedergelassene Radiologen zur wirkstoffübergreifenden Substitution verpflichtet sein sollen. Nach Auffassung der KV Nordrhein gibt es für einen Austausch von Arzneimitteln, die nicht wirkstoffgleich (aut idem), sondern wirkstoffübergreifend (aut simile) sind, keine wirksame Rechtsgrundlage. Darüber hinaus stellt die Verpflichtung zur Substitution aus Sicht der KV Nordrhein einen Eingriff in die Therapiefreiheit des Arztes dar. Substitution unterliegt grundsätzlich striktem Reglement Zwar gilt die Therapiefreiheit nicht uneingeschränkt, sondern ist im Gesamtsystem des Vertragsarztrechts mit den dort geltenden Steuerungselementen – z. B. des Wirtschaftlichkeitsgebots – abzuwägen (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts). Jedoch hat der Gesetzgeber gerade im Bereich der Substitution klar zum Ausdruck gebracht, dass diese aufgrund ihres weitreichenden Eingriffs in die Therapiefreiheit nur unter engen rechtlichen Voraussetzungen als zulässig erachtet wird. Aus diesem Grund hat er die Voraussetzungen für die wirkstoffgleiche Substitution an ein striktes Reglement geknüpft (§ 129 Abs. 1 SGB V). Eine Austauschbarkeit ist nur im Rahmen wirkstoffgleicher Substanzen (aut idem) nicht jedoch wirkstoffübergreifend (aut simile) zugelassen. Ferner ist die Austauschbarkeit beschränkt auf die Identität der Wirkstärke und Packungsgröße sowie das gleiche Anwendungsgebiet im Rahmen der arzneimittelrechtlichen Zulassung (§ 22, 24b, 25, 29 Abs. 2a AMG in Verbindung mit den Richtlinien des GBA § 92 SGB V). Selbst bei Rabattverträgen nach § 130a SGB V, die auch Wettbewerbseffekten dienen sollen, ist die Ersetzung nur durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel erlaubt. Für eine mit weitaus höheren Risiken für Patienten und Ärzte verbundene wirkstoffübergreifende Substitution muss dies erst recht gelten. Diese speziellen Regelungen der Substitutionsmöglichkeiten im Arzneimittelrecht haben auch Vorrang vor dem generellen Wirtschaftlichkeitsgebot, welches daher als Grundlage für eine wirkstoffübergreifende Verpflichtung nicht in Betracht kommt. Auch aus der Sprechstundenbedarfsvereinbarung kann eine solche Verpflichtung nicht abgeleitet werden. Rechtliche Beanstandung durch KVNO nicht möglich Eine rechtliche Beanstandung und gerichtliche Überprüfung des Vergabeverfahrens durch die KV Nordrhein ist jedoch nicht möglich. Denn aufgrund der im Bereich des Vergaberechts ergangenen Rechtsprechung ist eine wirkstoffübergreifende Ausschreibung von Kontrastmitteln als rechtlich zulässig bewertet worden (2. Vergabekammer des Bundes beim Bundeskartellamt VK 2 ‐119/14 Beschluss vom 29.01.2015; 3. Vergabekammer VK 3 ‐107/08 Beschluss vom 15.08.2008; OLG Düsseldorf VII Verg 46/08 Beschluss vom 20.10.2008). Selbst bei Zugrundelegung einer anderen rechtlichen Bewertung wäre es der KV Nordrhein verfahrensrechtlich nicht möglich, etwaige rechtliche Bedenken im Rahmen des Vergabeverfahrens geltend zu machen. Als Rechtsmittel gegen die laufende Ausschreibung käme nur ein Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bei der Vergabekammer des Bundes in Betracht. Antragsbefugt hierfür ist jedoch lediglich das Unternehmen, das ein Interesse an dem ausgeschriebenen Auftrag hat und eine Verletzung eigenen Rechts aufgrund der Ausschreibung geltend machen kann (§ 97 Abs. 6 GWB). Da die o. g. Gerichte das Ausschreibungsverfahren jedoch ausschließlich unter vergaberechtlichen Aspekten bewertet und beurteilt haben, verbleiben weiterhin die angeführten rechtlichen Bedenken hinsichtlich der Umsetzung der Rahmenverträge aus vertragsarztrechtlicher Sicht. Eine Geltendmachung dieser rechtlichen Einwände im Rahmen einer gerichtlichen Überprüfung kann nur inzidenter im Rahmen eines konkreten Regressverfahrens der Wirtschaftlichkeitsprüfung erfolgen. Von einem solchen Verfahren wäre allerdings nicht die KV Nordrhein, sondern der einzelne Radiologe betroffen. Die KV Nordrhein sieht das Vorgehen der Kassen wie beschrieben sehr kritisch. Wir setzen uns weiterhin dafür ein, bessere Lösungen zu finden.