elektor Special Project

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Wasserentkeimung
LEDs statt
Niederdrucklampen
mit UV-Leuchtdioden
von Ralf Hellmann, Johannes Glaab, Tilo Gockel
Nach einer Studie der UNESCO hat sich
zwischen den Jahren 1930 und 2002 der
weltweite Wasserbedarf pro Kopf
verdoppelt, während sich die
Weltbevölkerung in dieser Zeit verdreifacht hat. Dies ergibt bereits in
dieser relativ kurzen betrachteten
Periode eine Versechsfachung des Pro-
(Foto: Jaroslav Machacek @ Fotolia.com, #1060323)
Kopf-Wasserverbrauches. Durch den
exponentiell wachsenden Verbrauch
an Süßwasser steigt in gleichem Maße
auch das Volumen des rückfließenden
Abwassers, wobei statistisch gesehen ein
Liter Abwasser rund acht Liter Süßwasser
verunreinigt [4].
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Elektor Special Project: LEDs 2
Diese alarmierenden Zahlen lassen leicht erkennen, dass in absehbarer Zeit ein großer Bedarf an
Wasserentkeimungs- und Aufbereitungssystemen
entstehen wird. Hierzu sind bereits verschiedene
Verfahren im Einsatz, so z.B. thermische Verfahren wie
das Abkochen, chemische Verfahren wie die Zugabe
von Chlor oder Chlordioxid, Filtrationsverfahren sowie das Verfahren der Entkeimung mit Ozon oder
UV-Licht. Diese Verfahren weisen jeweils verschiedene Vor- und Nachteile auf. So bedeutet bspw. die
Chlorung eine Beigabe eines inhärent toxischen
Pro­­duktes, die Filtration ist wartungsintensiv,
die Ent­keimung mit aggressivem Ozon verlangt
korro­sionsbeständige Materialien und stellt bei
Gasaustritt ein großes Gesundheitsrisiko dar [7]. Im
vorliegenden Bericht soll nun das Hauptaugenmerk
auf die Wasserentkeimung mit UV-Strahlen, speziell
mit UV-Leuchtdioden gelegt werden.
Mittels Niederdrucklampen erzeugte UV-Strahlung
wird schon länger erfolgreich zur Entkeimung
eingesetzt. Die Vorteile liegen auf der Hand: Das
Verfahren ist kostengünstig und wirtschaftlich, einfach im Betrieb und beeinflusst weder Geschmack
noch pH-Wert des Wassers. Weiterhin ist die UVEntkeimung auch wirksam bei chlorresistenten
Pathogenen. Als Nachteile sind zu nennen, dass die
Effizienz von der Trübung des Wassers abhängt und
dass eine Rekontamination möglich ist. Weiterhin
benötigen Quecksilberdampf-Niederdrucklampen
eine verhältnismäßig lange Anlaufzeit von mehreren Minuten und bedeuten aufgrund des verwendeten Quecksilbers eine unverhältnismäßig hohe
Umweltbelastung.
Nun wird aktuell auch der Einsatz von UV-Leucht­
dioden anstatt Nieder- oder Mitteldrucklampen
untersucht. Vorteilhaft ist, dass LEDs auch mit kleinen Gleichspannungen aus Batterien, Akkus oder
Solarzellen betrieben werden können und die
Systeme dadurch portabel werden. Weiterhin erlaubt die kleine Bauform und die Robustheit dieser
Leuchtmittel die Realisierung besonders handlicher
und langlebiger Systeme. Und abschließend kommen LEDs ohne Quecksilber aus und sind daher
auch für den Einsatz in kritischen Umgebungen wie
Krankenhäusern gut geeignet.
Als besondere Herausforderung ist der aktuell
noch sehr geringe Wirkungsgrad der UV-LEDs im
Wellenlängenbereich unterhalb 310 nm von maximal 1 % zu nennen. Zum Vergleich: Standard-LEDs
erreichen rund 5…14 %, in Ausnahmefällen auch
bis 22 % (zum Lichtwirkungsgrad vgl. auch [1], [2],
41
[9]). Weiterhin sind Hochleistungs-UV-LEDs zwar
verhältnismäßig robust im Vergleich zu Niederund Mitteldrucklampen. Mit den rund 10.000
Betriebsstunden sind sie aber den bis zu 50.000
Betriebsstunden der Standard-LEDs immer noch
weit hinterher. Dennoch zeichnen sich auch jetzt
bereits interessante Nischenanwendungen ab.
Es sind dies orts- und netzungebundene Ent­
kei­­mungssysteme, Systeme im pharmazeutischen und medizintechnischen Umfeld sowie
Entkeimungsanlagen für Flugzeuge.
Die Prognose hinsichtlich der Weiterentwicklung
des Wirkungsgrades ist sehr gut. So besaßen auch
die blauen LEDs in der Anfangszeit einen geringen
Wirkungsgrad von nur einigen wenigen Prozent.
Dieser konnte nun aber in den letzten Jahren auf
teilweise bis über 20 % gesteigert werden!
Grundlagen und Probleme der
UV-Leuchtdiode
Die UV-LED-Technologie ist noch sehr jung. Erste
UV-C-LEDs wurden im kommerziellen Rahmen erst
2006 von den Firmen Seoul Optodevice und Sensor
Electronic Technology angeboten ([5], [6], vgl. auch
bspw. Bild 1; zu den UV-Wellenlängen vgl. Tabelle 1).
UV-Leuchtdioden im Wellenlängenbereich des UVC kranken wie bereits angesprochen aktuell noch
an einem sehr geringen Wirkungsgrad, der im
Vergleich zu Standard-LEDs rund Faktor 5…20 kleiner ist. Weiterhin weisen sie auch bei Weitem nicht
die lange Lebensdauer auf. Bei einer optimal eingesetzten Standard-LED kann man mittlerweile von
rund 50.000 Betriebsstunden ausgehen, bei einer
UV-C-LED liegt die Lebensdauer deutlich darunter.
Der geringe Wirkungsgrad der UV-C-Leuchtdiode
hat sowohl physikalische als auch material- und
aufbautechnische Gründe: Beim epitaktischen
Wachstum der Halbleiter-Bauteile entstehen
Defekte die sich in Form von kristallinen Defekten,
im schlimmsten Fall bis zur Rissbildung äußern.
Um die elektrische Leitfähigkeit der UV-LEDs zu
gewährleisten, müssen zusätzliche Ladungsträger
in den Kristall eingebaut werden – der Kristall
wird dotiert. Dies wiederum führt zu Problemen,
die sich auf die Kristallqualität auswirken und den
Wirkungsgrad der LED verringern. Weiterhin existieren auch optische Probleme hinsichtlich der
verringerten Auskopplung der Strahlung an der
Grenzfläche LED zu Luft aufgrund des Snellius’schen
Theorie und Anwendung
Name
Abkürzung
Wellenlängenbereich in Nanometer [nm]
Photonenenergie in Elektronenvolt [eV]
Nahes UV (Schwarzlicht)
UV-A
380…315
3,26…3,94
Mittleres UV (Dornostrahlung)
UV-B
315…280
3,94…4,43
Fernes UV
UV-C-FUV
280…200
4,43…6,2
Tabelle 1. UV-Wellenlängenbereiche.
Vorversuche
Bild 1.
Produktbeispiel: UV-CLeuchtdiode der Firma
Seoul Optodevice,
Inc. [5].
Brechnungsgesetzes. Durch die große Differenz
des Brechungsindex an der Grenzfläche zwischen
Halbleiterdeckschicht und umgebender Luft tritt
Totalreflexion an den Grenzen des Mediums auf.
Hierdurch kann ein großer Teil der Strahlung nicht
aus der LED austreten.
Bild 2.
Strahlungsleistung
verschiedener UVLED-Typen und
Absorptionskenn­
linie der DNA.
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Zur exakten Bestimmung der Eigenschaften der
UV-Leuchtdioden wurden diese zunächst mittels geeigneter Messgeräte nach radiometrischen
Gesichtspunkten charakterisiert. Als relevante
Merkmale sind zu nennen: Strahlungsleistung,
Peak-Wellenlänge, Halbwertsbreite und räumliche
Abstrahlcharakteristik.
Speziell für die vorliegende Anwendung besonders relevant ist darüber hinaus auch die Entkei­
mungseffizienz bei verschiedenen Wellenlängen.
Die hier relevante Entkeimungswirkung beruht
auf der Zerstörung der Desoxyribonukleinsäure
(DNA) der Bakterien [8]. Entsprechend ist die Ent­
kei­mungseffizienz auch direkt abhängig vom Ab­
sorp­tionsspektrum der DNA, welches ein Maximum
bei ca. 265 nm hat. In diesem Spektralbereich wirkt
die UV-Strahlung direkt auf die DNA ein – die DNAStränge werden aufgebrochen und setzen sich zu
neuen Verbindungen zusammen. Hierdurch wird
die Reproduktionsfähigkeit der Bakterien gehemmt
(vgl. auch Bild 2).
In der Wasserentkeimung werden Colibakterien als
Indikatorbakterien eingesetzt. Für eineTestreihe wurden Wasserproben aus einem stehenden Gewässer
entnommen (in Seen kommen Colibakterien in
großer Zahl vor), die Bakterien auf einem speziellen Agar-Nährboden kultiviert und dann von
diesem extrahiert, um eine Wassersuspension mit
definierter Keimanzahl zu erhalten. Der verwendete Nährboden ist selektiv ausgelegt und ermöglicht dadurch nur ein Wachstum von Colibakterien
wie Escherichia Coli, Klebsiella Pneumoniae und
Enterobacter Pneumoniae. Nach dem Ausstreichen
wird der Nähr-Agar in einem Inkubator bei 37°C
und bei hoher Luftfeuchtigkeit für 24 Stunden kultiviert. Nach diesem Zeitraum sind die Bakterien zu
Kolonien angewachsen, sind mit dem bloßen Auge
gut erkennbar und können ausgezählt werden. Die
drei verschiedenen Bakterien wachsen auf dem
Indikator-Agar mit unterschiedlichen Farben, und
sind entsprechend gut zu unterscheiden (Bild 3).
Elektor Special Project: LEDs 2
Danach wurden 100-Mikroliter-Proben der dieserart hergestellten Suspension in Petri-Schalen
aus Quarzglas gefüllt und mit unterschiedlichen
UV-Dosen und verschiedenen UV-LEDs bestrahlt.
Der Einsatz von Quarzglas ist in Anwendungen
der UV-Strahlung besonders relevant, da keinerlei Trübung oder Zerstörung durch die Strahlung
auftritt. Die eingebrachte UV-Dosis ergibt sich
aus Strahlungsleistung, bestrahlter Fläche und
Bestrahlungszeit.
Referenz – unbestrahlt
Nach der Kultivierung und Bestrahlung der Keime
wurden diese ausgezählt und mit einer unbestrahlten Referenzprobe verglichen. Das Verhältnis
der Keimanzahl auf einer bestrahlten Probe zur
Referenzanzahl folgt der Logarithmusfunktion.
Diese Funktion stellt mit Hinzunahme eines
Vorfaktors einen proportionalen Zusammenhang
zur UV-Dosis her. Der Vorfaktor – der sog. k-Wert
– ist hierin ein Maß für die Empfindlichkeit der
Bakterien gegenüber der UV-Strahlung. Je höher
der Wert, desto empfindlicher ist das Bakterium
bzw. desto wirkungsvoller ist die Wellenlänge. Die
Auswertung der Daten erfolgt über den logarithmischen Entkeimungsgrad in Abhängigkeit von der
UV-Dosis.
Teilweise entkeimt –
Bestrahlungsdauer
= 15 Sekunden
Ergebnisse
Mit den Versuchsreihen konnte gezeigt werden,
dass UV-Leuchtdioden für die Wasserentkeimung
gut geeignet sind. Alle LEDs haben das Wasser innerhalb einer bestimmten Zeitspanne zu 100 %
entkeimt. Als besonders interessantes Ergebnis ist
zu nennen, dass die 280-nm-UV-C-LED die höchste Entkeimungseffizienz für alle drei untersuchten
Bakterienarten Escherichia Coli, Enterobacter Cloa­
cae und Kelbsiella Pneumoniae zeigte (vgl. Bild 4).
Auf der Grundlage dieses Ergebnisses werden
weitere Untersuchungen sowie der Aufbau einer
Durchflussentkeimungseinheit mit diesem LED-Typ
erfolgen.
Vollständig entkeimt –
Bestrahlungsdauer
= 30 Sekunden
Bild 3.
Beispiel für
Referenzprobe und
bestrahle Proben.
43
Theorie und Anwendung
Bild 4.
Inaktivierungsrate
bzw.
Entkeimungseffizienz
Ausblick und Perspektive
verschiedener
Leuchtdiodentypen.
Die positiven Ergebnisse lassen die Entwicklung
einer kompakten Entkeimungseinheit auf der
Basis von UV-C-Leuchdioden sinnvoll und praktikabel erscheinen. Eine Anforderungsliste und ein
Kon­zept zu solch einer (Durchfluss-)Einheit liegen bereits vor. Weiterhin sind aktuell nur bereits
ein­ge­hauste UV-C-LEDs kommerziell erhältlich.
So­bald auch LED-Chips verfügbar sind, soll ein
neues, auf die vorliegende Aufgabe optimiertes
Beleuchtungssystem entworfen und in einem entsprechenden Entkeimungssystem eingesetzt, evaluiert und optimiert werden.
Wie schon eingangs erwähnt, so ist auf der
Grundlage der Extrapolation der bisherigen Ent­
wick­lung der LED-Technologie eine wesentliche
Effizienzsteigerung auch für die UV-Leuchtdiode absehbar. Wenn diese Entwicklung auch nur ansatzweise ähnlich rasch erfolgt, wie bei der herkömmlichen
LED-Technologie, so ist in den nächsten Jahren mit
einer Effizienzsteigerung um das 5- bis 10-fache zu
rechnen. UV-Leuchtdioden werden dann voraussichtlich in Applikationen einsetzbar, in denen bisher UV-Quecksilberdampflampen verwendet wurden, in welchen aber besondere Anforderungen
hinsichtlich Kompaktheit, Robustheit, schnellem
Anlauf und Energieeffizienz bestehen. Neben
den bereits genannten Applikationsbeispielen
aus der Pharmaindustrie und der Luftfahrt rücken
dann auch wirtschaftliche und netzungebundene
Wasserentkeimungssysteme für Entwicklungsländer
in greifbare Nähe. <<
Kontakt:
Prof. Dr. Ralf Hellmann
[email protected]
http://www.fh-aschaffenburg.de
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Elektor Special Project: LEDs 2
Quellen
[1] Pedram Azad, Tilo Gockel, Rüdiger Dillmann:
Computer Vision – Das Praxisbuch, Elektor-Verlag,
Aachen, 2007.
http://www.praxisbuch.net
[2] Pedram Azad, Tilo Gockel, Rüdiger Dillmann:
Computer Vision – Principles and Practice, ElektorVerlag, Great Britain, 2008.
http://www.elektor.com/products/books/robotics/
computer-vision-uk.428878.lynkx
[3] Horst Kuchling: Taschenbuch der Physik. Verlag Harri
Deutsch, Frankfurt am Main, 1989.
[4] Prognose zur weltweiten Entwicklung der
Wasserverfügbarkeit. online-Quelle:
http://de.wikipedia.org/wiki/Wasserverfügbarkeit
[5] Seoul Optodevice, Inc., Lieferant von UV-CLeuchtdioden, Online-Quelle, Produktspektrum und
Datenblätter.
http://www.socled.com/en
[6] Sensor Electronic Technology, Inc., Lieferant von UVC-Leuchtdioden, Online-Quelle, Produktspektrum
und Datenblätter.
http://www.s-et.com/
[7] Vorstellung und Erklärung der verschiedenen
Verfahren zur Wasserentkeimung. Online-Quelle:
http://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=
Wasserdesinfektion
[8] Katrin Sedlmeier: „Wasseraufbereitung mit
UV-LEDs“, Bericht zum Seminar am Institut für
Festkörperphysik, TU Berlin, 2008.
http://www.ifkp.tu-berlin.de/fileadmin/i1/Kneissl/
IS08_UV-LED_KS.pdf
[9] Tilo Gockel: „Es werde Licht – Physikalische
Grundlagen zu Licht und Beleuchtung“. ElektorSonderheft Special Project „LEDs 1“, Elektor-Verlag,
Aachen, Dezember 2009.
http://www.elektor.de/products/magazines/
specials/led-special-1.1125275.lynkx
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Theorie und Anwendung
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