(Reaktion) und

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Reaktionsenthalpie I
Die Grundlagen für die Berechnung von Energieänderungen bei chemischen Reaktionen
liefert die Thermodynamik.
Die bei chemischen Reaktionen auftretende Wärmetönung sind eine Folge der Änderung
der inneren Energie der Reaktanden. Von praktischem Interesse für FlüssigphasenReaktionen ist die Wärmetönung bei konstantem Druck und konstanter Temperatur Qp,T.
Sie unterscheidet sich von der bei konstanten Volumen und konstanter Temperatur um die
gegen die zwischenmolekularen Wechselwirkungskräfte geleistete innere Arbeit und die
äußere Arbeit (Volumenarbeit)
p.∆V
Mit dem idealen Gasgesetz
p∆V = ∆nRT
besteht zwischen den Wärmetönungen bei konstantem Druck und konstanter Temperatur
die Beziehung
Q p,T = Q V,T + ∆nRT , die mit
∆n = n Pr odukte − n Edukte
∑
∑
die die Molzahländerung bei der chemischen Reaktion berücksichtigt.
Der negative Wert der Wärmetönung bei konstantem Druck wird als Reaktionsenthalpie
bezeichnet:
∆H R = −Qp,T
d. h. die Reaktionsenthalpie einer exothermen Reaktion ist negativ, die einer endothermen
Reaktion positiv.
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1
Reaktionsenthalpie II
Da der Zahlenwert der Reaktionsenthalpie vom jeweiligen physikalischen Zustand der
beteiligten Stoffe abhängig ist, ist es zweckmäßig, die Enthalpiewerte auf den normalen
Standardzustand (Normzustand, Normalzustand) zu beziehen.
Für diese Standard-Reaktionsenthalpie wird das folgende Symbol verwendet
∆H 0R,298
∆ R H 0298
bzw.
mit
T = 25 °C = 298 K
p = 101325 Pa = 1 atm
Die Standard-Reaktionsenthalpie wird zumeist in der Einheit kJ/mol oder in der Praxis auch
in kJ/kg angegeben; die Zahlenwerte beziehen sich auf die jeweils stabilste Modifikation.
Die Reaktionsenthalpie ist wie alle thermodynamischen Zustandsfunktionen vom
Reaktionsweg unabhängig, so eine näherungsweise Berechnung nach dem Heßschen Satz
z.B. aus den molaren Bildungsenthalpien der Komponenten i
∆H R = ∑ ν i ∆H f ,i
f: formation
i
oder aus den molaren Verbrennungsenthalpien der Komponenten i
∆H R = ∑ ν i ∆H c,i
c: combustion
i
erfolgen kann. Ebenso kann aus den Bindungsenergien oder aus Inkrementen der
beteiligten Atomgruppen eine Abschätzung der Reaktionsenthalpie vorgenommen werden.
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2
Reaktionsenthalpie III
Die Reaktionsenthalpie ist temperaturabhängig; sie wird von der Temperatur T1 mit Hilfe
der Beziehung
T2
∆H R ( T2 ) = ∆H R ( T1 ) + ∑ νi ∫ c p,i dT
i
T1
unter Berücksichtigung der Molwärmen bei konstanten Druck der Komponenten i auf die
Temperatur T2 umgerechnet. In vielen Fällen reicht als einfache Näherung
∆c p = ∑ ν i c p,i = const.
i
und damit
∆H R ( T2 ) = ∆H R ( T1 ) + ( T2 − T1 ) ∆c p
Zu genaueren Ergebnissen gelangt man mit der Näherung
Damit ergibt sich
c p = a + bT + c
1
T2
b


∆H R ( T2 ) = ∆H R ( T1 ) + ∑ ν i  a i ( T2 − T1 ) + i ( T22 − T12 ) − ci ( T2−1 − T1−1 ) 
2


i
Die Werte a, b und c sind für viele Stoffe tabelliert.
Tritt im Temperaturintervall von T1 nach T2 eine Zustandsänderung auf, sind die jeweiligen
Phasenumwandelungswärmen zu berücksichtigen.
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3
Chemisches Gleichgewicht und Massenwirkungsgesetz
In verdünnten Systemen ist das chemische Gleichgewicht der reversiblen Reaktion
ν1 A1 + ν 2 A 2 = ν 3 A 3 + ν 4 A 4
in einer geschlossenen Phase dadurch gekennzeichnet, daß die Änderung der Freien
Enthalpie (Gibbs-Energie) bei p,T = const. gleich Null ist:
∆G = ∑ ν iµi = 0
i
wobei µ i ( kJ mol ) das chemische Potential oder die partielle molare Freie Enthalpie
des Reaktanden i ist. Für verdünnte Systeme gilt im chemischen Gleichgewicht das
Massenwirkungsgesetz in der Form
ν
ν
C A33 C A44
ν
= ∏ CνAi i = K C
ν
C A11 C A22
i
Werden anstelle der Konzentrationen die Molenbrüche oder die Partialdrucke eingesetzt,
resultiert
piνi = K p
x iνi = K x
bzw.
∏
i
∏
i
wenn sich bei der Reaktion die Molzahl nicht ändert, also
∑ν
i
= 0 gilt, sind die drei
i
Gleichgewichtskonstanten Kc, Kx und Kp dimensionslos und einander gleich.
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4
Verknüpfung der Gleichgewichtskonstanten
pi = ci RT
Für ideale Gase gilt mit dem Daltonsche Gesetz
K p = ∏ piνi = ∏ ( ci RT ) i = ( RT )∑
ν
i
νi
i
K p = K c ( RT )∑
νi
c
∏i
i
pi = p x i
Entsprechend kann mit der Definition der Partialdrucks
Kx in Kp überführt werden:
K p = ∏ piνi = ∏ ( p x i ) i = p ∑
ν
i
i
νi
νi
K p = K x p∑
νi
x
∏ i
νi
i
In analoger Weise folgt aus der Kombination obiger Gleichungen:


K c = K x  ∑ ci 
 i 
∑ νi
Die Anwendung des idealen Gasgesetzes ist für verdünnte Stoffsysteme gerechtfertigt.
Es ist aber zu berücksichtigen, daß p =
∑p
i
und
∑c
i
über alle Komponenten der
i
i
Reaktionsmasse, also auch die Inertstoffe,
zu erstrecken
sind; unberücksichtigt bleiben
aber reine Bodenkörper.
Damit sind die Umrechnungen der Gleichgewichtskonstanten Kc, Kx und Kp abgeleitet.
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5
Kinetik chemischer Reaktionen - Grundbegriffe
Zunächst wird nur die Mikrokinetik behandelt, die sich mit dem zeitlichen Ablauf chemischer
Reaktionen ohne überlagerten Einfluß von makroskopischem Stoff- und Wärmetransport
befaßt. Im Unterschied hier wird im späteren Verlauf der Vorlesung auch die Makrokinetik
chemischer Reaktionen, insbesondere in Mehrphasensystemen besprochen, bei denen sich
chemische Reaktionen und Stofftransportvorgänge überlagern.
Reaktionsgeschwindigkeit
Als spezifische Reaktionsgeschwindigkeit (Stoffänderungs-, Umsatzgeschwindigkeit eines
Eduktes, Bindungsgeschwindigkeit eines Produktes) wird die differentielle zeitliche Änderung
der auf das Reaktionsvolumen bezogenen Molzahl des Reaktanden i bezeichnet:
1 dn i
VR dt
r:
rate of reaction
Einheit: mol m-3 s-1
Die Äquivalent- Reaktionsgeschwindigkeit ist von der Komponente i unabhängig:
ri =
r=
ri
1 dn i
=
νi νi VR dt
wobei die stöchiometrischen Koeffizienten mit den entsprechenden Vorzeichen (Edukte negativ,
Produkte positiv) einzusetzen sind.
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6
Kinetik chemischer Reaktionen - Reaktionsgeschwindigkeit
Wird anstelle der Molzahl ni die Konzentration Ci eingeführt, resultiert
1 d ( Ci VR ) 1 dCi
C dVR
r=
=
+ i
ν i VR
dt
νi dt νi VR dt
Für volumenbeständige Reaktionen verschwindet der 2. Summand auf der rechten Seite
r=
1 dCi
ν i dt
bzw.
ri = ν i r =
dCi
dt
Bei Gasreaktionen mit Molzahländerung wird zumeist das ideale Gasgesetz zur
Berechnung der Volumenänderung herangezogen, und es gilt:
VR = VR ,0 (1 + εX )
mit
ε=
VR ,X =1 − VR ,0
VR ,0
ε : Volumenkontraktionskonstante
Diese Beziehung wird auch auf Flüssigphasenreaktionen angewendet, soweit die
Volumenänderung nicht vernachlässigt werden kann.
Laufen mehrere Reaktionen im Reaktionsvolumen ab, müssen die jeweiligen
Volumenänderung addiert werden.
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7
Kinetik chemischer Reaktionen - Reaktionsgeschwindigkeit
Es kann zweckmäßig sein, die Reaktionsgeschwindigkeit anders zu definieren:
Homogene Systeme
Heterogene Systeme
Gas/Feststoff-Reaktionen
Katalytische Reaktionen
1 dn i
νi VR dt
1 dn i
rm =
νi m dt
r=
Mole


 Volumen ⋅ Zeit 


Mole
 Masse der Reaktionsmischung ⋅ Zeit 


rs =
1 dn i
νi A dt
 Mole 
 Fläche ⋅ Zeit 
rm =
1 dn i
νi ms dt
Mole


 Masse des festen Reaktanden ⋅ Zeit 
rm =
1 dn i
νi m Kat dt


Mole
 Katalysatormasse ⋅ Zeit 


Mitunter wird auch mit der extensiven Reaktionslaufzahl ξ gerechnet:
ξ=
n i − n i,0
νi
r=
1 dξ
VR dt
Mole


 Volumen ⋅ Zeit 
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8
Kinetik chemischer Reaktionen - Reaktionsgeschwindigkeit
Für alle einfachen aber auch viele zusammengesetzte homogene, nicht katalysierte,
isotherme, diskontinuierliche, volumenbeständige Reaktionen ist die
Reaktionsgeschwindigkeit proportional bestimmter Potenzen der Konzentrationen der
Reaktionspartner:r = k
C mi
∏
i
i
Diese explizite Form der Gleichung wird als Zeitgesetz (Geschwindigkeitsgleichung)
bezeichnet. Die rechte Seite der Gleichung heißt Geschwindigkeitsausdruck und die
Proportionalitätskonstante k wird Reaktionsgeschwindigkeitskonstante genannt. Der
Exponent mi wird als partielle Ordnung bezüglich der Komponente i bezeichnet und
m = ∑ mi
i
ist die Ordnung (Gesamtordnung, Brutto-Ordnung) der Reaktion. Die Geschwindigkeitskonstante einer Reaktion m-ter Ordnung hat die Einheit:
m
3( m −1)
⋅ mol(
1− m )
⋅ s −1
Treten Produkte mit einer Ordnung größer Null im Zeitgesetz auf, liegen autokatalytische
Reaktionen vor. Auch Inertstoffe können die Reaktionsgeschwindigkeit beeinflussen.
Es ist streng zwischen Ordnung und Molekularität einer Reaktion zu unterscheiden. Die
Ordnung ist eine empirische Größe, die ganzzahlig oder gebrochen, positiv oder negativ
sein kann. Die Molekularität gibt die Anzahl der Moleküle an, die den sogenannten
„Übergangskomplex“ bilden, d. h. deren gleichzeitiges Zusammentreffen notwendig ist,
um den Ablauf der Reaktion zu ermöglichen.
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9
Temperaturabhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit
Die Reaktionsgeschwindigkeit bzw. die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante sind
temperaturabhängig. Diese Erkenntnis hatten bereits Van‘t Hoff (1886) und Arrhenius, der
in seinem berühmten Artikel 1889 (Z. Phys. Chem. 4, 226) den „aktivierten“ Charakter
reagierender Moleküle einführte und die Temperaturabhängigkeit der
Reaktionsgeschwindigkeitskonstante quantitativ beschrieb:
k = k ∞ exp {−E A RT}
Die Arrhenius‘ Gleichung ist als rein empirisch anzusehen und beschreibt das Temperaturverhalten vieler Reaktionen in einem begrenzten Intervall von etwa 50 – 100 K recht gut,
versagt aber häufig bei der Betrachtung größerer Temperaturspannen.
k ∞ bzw. k 0 ist der präexponentielle Faktor, der formal der Geschwindigkeitskonstante bei der Temperatur T → ∞ entspricht.
EA
ist die Aktivierungsenergie, die in der Einheit kJ/mol angegeben wird.
Der präexponentielle Faktor liegt
für Elementarreaktionen 1. Ordnung bei
für Elementarreaktionen 2. Ordnung bei
für Elementarreaktionen 3. Ordnung bei
k ∞ ≅ 1014 ±3 s −1 ,
k ∞ ≅ 1010 ± 2 nm3 Molekül−1s −1 und
k ∞ ≅ 107 ± 2 nm 6 Molekül−2s −1 .
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10
Temperaturabhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit
97.22
83.99
Temperatur °C
71.68
60.18
Reaktionsgeschwindigkeitskonstante k /s
6
5
4
3
49.43
39.35
 k  −E A 1
ln   =
R T
 k∞ 
2
10-4
8
6
5
4
3
Die Extrapolation zu sehr großen
Temperaturen führt häufig zu großen
Fehlern bei der Angabe der präexponentiellen Faktoren. Es ist daher
zweckmäßig die Arrhenius‘ Gleichung
bzgl. einer Referenztemperatur
anzugeben:
 k  EA  1
1
ln 
=
−



k
R
T
T
 Ref 
 Ref

2
10-5
8
6
5
4
3
∠→
− EA
R
bzw.
2
10-6
RTRef T  k 
ln 

T − TRef  k Ref 
Die Referenztemperatur TRef sollte im
Bereich der Meßdaten liegen.
8
6
5
4
0.0027
EA =
0.0028
0.0029
0.0030
reziproke Temperatur 1/T K
0.0031
0.0032
Die im Diagram gezeigten Daten gelten für den
thermischen Zerfall von Azo-bis-isobutyronitril
(AIBN) für das Temperaturintervall von 40 bis 90 °C.
Die Aktivierungsenergie beträgt 130,4 kJ/mol.
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11
Kinetik einfacher homogener Reaktionen
Alle einfachen, homogenen, isothermen, volumenbeständigen Reaktionen verlaufen nach
einen Zeitgesetz der Form
r = k∏ Cimi
i
Einfache Reaktion 1. Ordnung
r=−
dC A
= kC A
dt
k
ν A A 
→ Produkte
mit ν A = −1
Die Integration erfolgt nach Variablentrennung in den angegebenen Grenzen:
CA
t
dCA
= −k ∫ dt
∫
CA
CA ,0
0
ln
CA
= −kt
CA,0
oder nach Einsetzen des Umsatzes XA
bzw.
CA = CA,0 exp {−kt}
X A = 1 − exp {−kt}
kt = ln
Nur in seltenen Fällen entspricht eine Reaktion
1. Ordnung einer Elementarreaktion.
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bzw.
1
1 − XA
12
Kinetik einfacher homogener Reaktionen
Reaktion 0. Ordnung
r=−
dCA
=k
dt
Reaktion 2. Ordnung
− rA = 2r = −
dC A
= 2kC 2A
dt
oder
dC
r = − A = kCA CB
dt
k
ν A A 
→ Produkte
kt = CA,0 X A
bzw.
k
2A 
→ Produkte
kt =
XA
2C A,0 (1 − X A ) bzw.
kt =
1
1
−
2CA 2CA,0
k
A + B 
→ Produkte
kt =
XA
CA,0 (1 − X A )
kt =
1
1
−
CA CA,0
bzw.
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mit
ν A = −1

kt 
CA = CA,0 1 −
 C 
A,0 

mit
CA =
ν A = −2
CA,0
1 + 2ktCA,0
mit ν A = − 1 für C A,0 = C B,0
CA =
CA,0
1 + ktCA,0
13
Kinetik einfacher homogener Reaktionen
C A = 1 mol l-1
Geschwindigkeitskonstanten:
k = 10 −3 mol l-1 s-1
Anfangskonzentrationen:
k = 10 −s3 -1
k = 10 −3 l mol-1 s-1
1
0. Ordnung
0.8
0.8
1. Ordnung
XA0( t )
CA0( t )
0.6
0.6
XA1( t )
2. Ordnung
XA2( t )0.4
CA1( t )
2. Ordnung
CA2( t )0.4
1. Ordnung
0.2
0.2
0. Ordnung
0
0
500
1000 Zeit in s 1500
0
0
500
1000 Zeit in s 1500
Bei gleicher Anfangs-Reaktionsgeschwindigkeit nehmen die Eduktkonzentrationen mit
zunehmender Reaktionsordnung langsamer ab. Für Ordnungen < 1 wird in endlicher Zeit
vollständiger Umsatz erreicht.
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14
Kinetik einfacher homogener Reaktionen
Anfangskonzentrationen:
C A = 2.5 mol l-1
Geschwindigkeitskonstanten:
k = 10 −3 mol l-1 s-1
k = 10 −s3 -1
k = 10 −3 l mol-1 s-1
3
0.8 2. Ordnung
XA0( t )
CA0( t )2
0.6
XA1( t )
CA1( t )
XA2( t )0.4
CA2( t )
0. Ordnung
0. Ordnung
1
2. Ordnung
0.2
0
0
1000
2000
3000
4000
Zeit in s
0
0
1000
2000
3000
4000
Zeit in s
Für Anfangs-Eduktkonzentrationen > 1 kehren sich die Verhältnisse der Reaktionsgeschwindigkeiten um: Bei hohen Konzentration nehmen die Eduktkonzentrationen mit
zunehmender Reaktionsordnung schnell ab, bei niedrigen umgekehrt.
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15
Kinetik einfacher homogener Reaktionen
Anfangskonzentrationen:
CA
Geschwindigkeitskonstanten:
= 2.5 mol l-1
k = 10−3 mol l-1 s-1
Damköhler-Zahl
k = 10−s3 -1
(−ν A )r0 t
Da I =
CA0
k = 10−3 l mol-1 s-1
3
0. Ordnung
1. Ordnung
0.8
XA0( t )
CA0( t )2
2. Ordnung
0.6
XA1( t )
CA1( t )
XA2( t )0.4
CA2( t )
1
2. Ordnung
0.2
1. Ordnung
0
0
1
2
3 DaI
4
0
0. Ordnung
0
1
2
3 DaI
4
Trägt man dagegen den Umsatz oder die Konzentration als Funktion der dimensionslosen
Damköhler-Zahl auf, hängt der Kurvenverlauf weder von der Anfangs-Eduktkonzentration
noch von der Geschwindigkeitskonstante (Temperatur) ab.
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16
Kinetik homogener zusammengesetzter Reaktionen
Als zusammengesetzte Reaktionen werden Umsetzungen bezeichnet, in deren
Zeitgesetzen mehr als eine Reaktionsgeschwindigkeitskonstante enthalten ist. Sie sind
durch mehrere Teilreaktionen, die nebeneinander bzw. nacheinander ablaufen, darstellbar.
Reversible Reaktionen 1. und 2. Ordnung
Verläuft eine Umsetzung nicht vollständig, sondern bedingt durch die Rückreaktion der
Produkte nur bis zu einem Gleichgewicht, so spricht man von reversiblen Reaktionen.
→ B
A ←
k1
reversible Reaktion 1. Ordnung
k −1
Hierfür gilt das Zeitgesetz
oder mit C B = C A,0 − C A ergibt sich
und nach Integration folgt
r=−
dCA
= k1CA − k −1CB
dt
dCA
= k1CA − k −1 ( CA,0 − CA )
dt
k1CA,0
( k1 + k −1 ) t = ln
( k1 + k −1 ) CA − k −1CA,0
−
ist die Bedingung für das Erreichen des chemischen Gleichgewichts, für
dCA
= 0 das die Konzentration C in die Gleichgewichtskonzentration C= übergeht.
A
A
dt
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17
Reversible Reaktionen 1. und 2. Ordnung
k −1
CA,0
k 1 + k −1
CA,0 − CA=
( k1 + k −1 ) t = ln
CA − CA=
C=A =
Die Gleichgewichtskonzentration berechnet sich nach
Damit ergibt sich für den Konzentrations-Zeit-Verlauf
X =A
bzw. ( k1 + k −1 ) t = ln =
XA − XA
nach Einführen des
Gleichgewichtsumsatzes
=
A
X =
CA,0 − CA=
CA,0
für eine volumenbeständige reversible Reaktion. Wird die Gleichgewichtskonstante
=
CB= CA,0 − CA
X A=
k1
KC = = =
=
=
CA
CA=
1 − X A= k −1
k1
→
A + B ←
C+D
k −1
X =A
eingesetzt, ergibt sich k −1 (1 + K C ) t = ln =
XA − XA
−
dCA
= k1CA CB − k −1CC CD
dt
dCA
= 0 ist die Bedingung für das Erreichen des chemischen Gleichgewichts
dt
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18
Reversible Reaktionen 1. und 2. Ordnung
Die Integration liefert für den Gleichgewichtszustand mit
CA,0 = C B,0
CC,0 = C D,0 = 0
X =A − ( 2X =A − 1) X A
 1

2k1  = − 1 tC A,0 = ln
X A= − X A
 XA

mit
X =A =
CA,0 − CA=
CA,0
Diese Beziehung gilt nicht nur für eine volumenbeständige reversible Reaktion vom Typ:
k1
→
A + B ←
C+D
k −1
Sondern auch für die anderen reversiblen Reaktionen 2. Ordnung
→ B + C
2A ←
k1
k −1
→ 2B
2A ←
k1
k −1
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k1
→
A + B ←
2C
k −1
19
Parallelreaktionen 1. Ordnung
Bei Parallelreaktionen gehen entweder ein oder mehrere Ausgangsstoffe auf verschiedenen Wegen in verschiedene Produkte über (Verzweigungsreaktion), oder es entsteht ein
gemeinsames Produkt aus verschiedenen Edukten.
k1
Als einfacher Fall von Parallelreaktionen 1. Ordnung
A 
→B
wird die Reaktion eines Reaktionspartners zu drei
k2
Produkten nach dem nebenstehenden ReaktionsA 
→C
schema behandelt. Die zum gewünschten Produkt
k3
A 
→D
führende Reaktion wird als Hauptreaktion, die anderen
als Nebenreaktionen bezeichnet.
dC
Die Abnahme von A wird durch das Zeitgesetz
r = − A = k1CA + k 2 CA + k 3C A
dt
= ( k1 + k 2 + k 3 ) C A
beschrieben und nach Einführen der BruttoGeschwindigkeitskonstanten k = k1 + k 2 + k 3
resultiert ein einfaches Zeitgesetz 1. Ordnung
= kCA
Die Integration liefert die bereits bekannte Beziehung
C A = C A,0 e − kt
Für die zeitliche Zunahme der Produktkonzentration B ergibt sich
dCB
= k1CA = k1CA,0 e − kt
dt
bzw.
CB = CB,0 +
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k1CA,0
k
(1 − e )
− kt
20
Parallelreaktionen 1. Ordnung
Analoge Beziehungen werden für die Produktkonzentrationen C und D erhalten
CC = CC,0 +
k 2 CA,0
k
(1 − e )
− kt
bzw.
CD = CD,0 +
k 3CA,0
k
(1 − e )
− kt
Werden die Zeitgesetze für die Bildung von B und C durcheinander dividiert, folgt
dCB k1
=
dCC k 2
und nach Integration
CB − CB,0
CC − CC,0
=
Unter der Voraussetzung, daß zu Beginn der Reaktion keine Produkte vorliegen, entsprechen die bis
zu einem beliebigen Zeitpunkt gebildeten Produktmengen dem Verhältnis der jeweils maßgeblichen
Geschwindigkeitskonstanten
C B k1
CC k 2
bzw.
=
=
CC k 2
CD k 3
oder
C B : C C : C D = k1 : k 2 : k 3
k1
k2
CB
∠→
∆C B k1
=
∆C C k 2
CB,0
und C A,0 − C A = C B + CC + C D
Das Verhältnis der Produktkonzentrationen ist also konstant.
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CC,0
CC
21
Parallelreaktionen - Selektivität
Bei Parallelreaktionen stellt sich die Frage der Selektivität bezüglich des gewünschten
Produktes. Ausgehend von der Definition der integralen Selektivität folgt im obigen Beispiel
SP =
n P − n P,0 ν k CB − CB,0
=
n k,0 − n k ν P CA,0 − CA
wenn B das gewünschte Produkt sein soll.
Nach Einsetzen der Zeitfunktion für C A und
SP =
C B,0 +
CB resultiert unmittelbar
k1C A,0
1 − e − kt ) − C B,0
(
k1
k
=
C A,0 − C A,0 e − kt
k
oder allgemein
SP =
ki
∑ ki
i
SP wird in diesem Zusammenhang als kinetische Selektivität bezeichnet. Sie ist dimensionslos, wenn alle Teilreaktionen von gleicher Ordnung sind.
Um die Selektivität zu erhöhen, können folgende Maßnahmen ergriffen werden:
• Wenn die Parallelreaktionen unterschiedliche Ordnungen bzw. Teilordnungen haben, wirkt sich
eine Veränderung der Konzentrationen bzw. Partialdrücke auf die Selektivität aus.
• Wenn die Parallelreaktionen unterschiedliche Aktivierungsenergien haben, kann über eine
Änderung der Temperatur die Selektivität beeinflußt werden.
• Durch das Verwenden von Katalysatoren kann die Reaktion selektiv zu einem gewünschten
Produkt geführt werden.
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22
Offene Folgereaktion 1. Ordnung
Reaktionen, bei denen Produkte weitere Umsetzungen eingehen, so daß sich eine
Reaktionsfolge ergibt, werden als Folgereaktionen (Konsekutivreaktionen) bezeichnet. Als
einfachstes Beispiel wird hier eine offene Reaktionsfolge mit zwei Schritten nach erster
Ordnung behandelt:
k1
k2
A 
→ B 
→C
Die Zeitgesetze sind wie folgt anzusetzen
dC A
= − k1C A
dt
C A = C A,0 e − k1t
dCB
= k1CA − k 2 CB =
dt
dCC
= k 2CB
dt
CB =
Die Integration liefert, wenn zu Reaktionsbeginn kein B vorliegt
Aus der stöchiometrischen Bilanz ergibt sich
zeitlichen Verlauf von C
k1CA,0 e− k1t − k 2CB
CA,0 k1
k 2 − k1
(e
− k1t
− e− k2 t )
CC = C A,0 − C A − CB und damit für den


1
CC = C A,0 1 −
k 2e − k1t − k1e − k 2 t 
 k 2 − k1

(
Institut für Technische und Makromolekulare ChemieChemie III für Ingenieure
)
23
Offene Folgereaktion 1. Ordnung
Während die Konzentration von A entsprechend dem Zeitgesetz erster Ordnung stetig
abnimmt und die von C eine monoton steigende Funktion der Reaktionszeit ist, durchläuft
CB ein Maximum. Aus
dCB
=0
dt
folgt
t max =
1
k
ln 2
k 2 − k1 k1
für
k 2 ≠ k1
als die Zeit, zu der B die höchste Konzentration erreicht.
Für den Fall das k 2 = k1 = k ist,
errechnen sich die Konzentrationen
von B und C nach
1.0
0.8
CC = CA,0 1 − e − kt (1 + kt ) 
Das nebenstehende Diagramm
ist mit den folgenden Werten
gezeichnet:
k 2 = k1 = k = 1
C A,0 = 1
C B,0 = CC,0 = 0
rel. Konzentration
− kt
C B = kC A,0e t
A
B
C
0.6
0.4
0.2
0.0
0
1
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2
3
4
5
Zeit t
24
Offene Folgereaktion – Quasi-Stationaritätsprinzip
Ist das Zwischenprodukt B sehr viel reaktiver als das Edukt A, gilt k 2 >> k1 und die
Konzentration des Zwischenprodukts bleibt im Reaktionsverlauf immer sehr gering. Nach
einer sehr kurzen Anlaufphase ist die maximale Konzentration von B erreicht und verändert
>> 1 knoch
sich anschließend, für Zeiten
, tkaum
2
dCB
= 0 = k1CA − k 2 CB
dt
Das nebenstehende Diagramm
ist mit den folgenden Werten
gezeichnet:
k 2 = 20k1
CA,0 = 1
CB,0 = CC,0 = 0
k1
CA
k2
bzw.
CB =
k1
CA,0 e − k1t t
k2
1.0
A
B
C
0.8
rel. Konzentration
Diese Näherung wird als
Bodensteinscher Ansatz
oder
Bodensteinsches
Quasi-Stationaritätsprinzip
bezeichnet, das auf viele reaktive
Zwischenprodukte angewendet wird.
CB =
0.6
0.4
0.2
0.0
0
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1
2
3
4
5
Zeit t
25
Offene Folgereaktion – Quasi-Stationaritätsprinzip
Ist dagegen A die reaktionsfähigere Komponente, gilt mit k 2 << k1 näherungsweise für
große Zeiten
CC = CA,0 1 − e − k 2 t 
Verschiedene Kombinationen von
Folgereaktionen 1. und 2. Ordnung
sind in der Spezialliteratur behandelt.
A
B
C
0.8
rel. Konzentration
Das nebenstehende Diagramm
ist mit den folgenden Werten
gezeichnet:
1.0
0.6
0.4
0.2
k 2 = k1 20
CA,0 = k1 = 1
CB,0 = CC,0 = 0
0.0
0
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1
2
3
4
5
Zeit t
26
Kombination zusammengesetzter Reaktionen
In den vorangegangenen Abschnitten wurden reversible Reaktionen, Parallelreaktionen
sowie offene und geschlossene Folgereaktionen behandelt. Selbstverständlich sich auch
Kombinationen dieser verschiedenen Typen zusammengesetzter Reaktionen möglich, die
jedoch nur in seltenen Fällen noch einer geschlossenen analytischen Lösung der
Zeitgesetze zugänglich sind.
Michaelis-Menten-Kinetik
Die Kinetik der Enzymreaktionen, ohne die eine Entfaltung des Lebens undenkbar wäre,
soll als Beispiel einer einfachen Kombination zusammengesetzter Reaktionen vorgestellt
werden. Formal handelt es sich hierbei im einfachsten Fall um eine Folgereaktion mit
vorgelagerter Gleichgewichtsreaktion entsprechend der stöchiometrischen Gleichung
k1
k2
→
E + S ←
ES 
→E + P
k −1
Das Enzym E bindet im ersten Teilschritt der Reaktion das Substrat S (Ausgangsstoff), so
daß ein Enzym-Substrat-Komplex ES gebildet wird. Dieser Teilschritt ist reversibel. Im
zweiten geschwindigkeitsbestimmenden Teilschritt zerfällt der Enzym-Substrat-Komplex
unter Bildung des Produktes P und Rückbildung des Enzyms.
Das Enzym ist also als Katalysator (Biokatalysator, Ferment) am Reaktionsschema beteiligt.
Enzyme zeichnen sich durch durch ihre außerordentlich hohe Substrat-Spezifität aus. Sie
sind mit einem Moleküldurchmesser von > 100 Angstrøm Katalysatoren von kolloidaler
Größe und somit weder den homogen-katalysierten noch den heterogen-katalysierten
Reaktionen zuzuordnen; man spricht deshalb von der Enzymkatalyse.
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27
Michaelis-Menten-Kinetik, Enzymkatalyse
k1
k2
→
E + S ←
ES 
→E + P
k −1
Ist der zweite Teilschritt der Enzymkatalyse, die Abreaktion des Enzym-Substrat-Komplexes
unter Bildung des Produktes P und Rückbildung des Enzyms der
geschwindigkeitsbestimmende, gelten die Bedingungen
k 2 << k1
und
k 2 << k −1
so daß das vorgelagerte Gleichgewicht näherungsweise als eingestellt betrachtet und das
Massenwirkungsgesetz angewendet werden kann
C E CS k −1
=
= KM
CES
k1
Die „Dissoziationskonstante“ des Enzym-Substrat-Komplexes KM wird als MichaelisKonstante (Michaelis-Menten-Konstante) bezeichnet.
Die Konzentration an freiem Enzym CE ist aus der stöchiometrischen Bilanz zu ermitteln
CE = CE,0 − CES
wobei CE,0 die Gesamt-Enzymkonzentration im Reaktionssystem ist.
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28
Michaelis-Menten-Kinetik, Enzymkatalyse
Für den Grenzfall hoher Substratkonzentrationen
CS → ∞
bzw.
CS >> K M
gilt entsprechend dem Massenwirkungsgesetz
C E CS k −1
=
= KM
CES
k1
CE → 0
CE,0 = CES,∞
und weiter nach Einsetzen in das Massenwirkungsgesetz
C ES,∞ − CES
CES
CS = K M
bzw.
CE,0 − CES
CES
CS = K M
oder in expliziter Schreibweise bezüglich CES
CES =
CE,0 CS
K M + CS
Diese Gleichung entspricht – wie noch gezeigt wird – der Langmuirschen
Adsorptionsisotherme, wobei das Verhältnis C ES C ES,∞
eine dem Bedeckungsgrad (Belegungsgrad) analoge Größe darstellt, die den Anteil der
„besetzten“ Enzymmoleküle angibt.
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29
Michaelis-Menten-Kinetik, Enzymkatalyse
k1
k2
→
E + S ←
ES 
→E + P
k −1
Aus der Bildungsgeschwindigkeit des Produktes P folgt
rP =
dCP
= k 2 CES
dt
und nach Einsetzen des Ausdrucks für CES
CE,0 CS
dCP
rP =
= k2
dt
K M + CS
die Michaelis-Menten-Gleichung für die Reaktionsgeschwindigkeit einer
enzymkatalysierten Reaktion.
Bei kleinen Substratkonzentrationen
CS << K M
ist die Reaktionsgeschwindigkeit entsprechend der Beziehung
rP =
dCP k 2 C E,0
=
CS = const. ⋅ CS
dt
KM
der Substratkonzentration proportional.
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30
Michaelis-Menten-Kinetik, Enzymkatalyse
Für große Substratkonzentrationen
CS >> K M
resultiert eine konstante (maximale) Reaktionsgeschwindigkeit entsprechend
rP =
dCP
= k 2 CE,0 = rmax = const.
dt
Nach Einsetzen der maximalen Reaktionsgeschwindigkeit wird die häufig in der Literatur zu
findende Form der Michaelis-Menten-Gleichung erhalten
−rS = rP =
rmax CS
K M + CS
Für Substratkonzentrationen
CS = K M
resultiert der halbe Maximalwert der Reaktionsgeschwindigkeit
rP =
1
rmax
2
Die Michaelis-Konstante ist also gleich derjenigen Substratkonzentration, für die die
Reaktionsgeschwindigkeit die Hälfte des Maximalwerts erreicht.
Die maximale Reaktionsgeschwindigkeit hängt von der Gesamt-Enzymkonzentration ab, die
Michaelis-Konstante nicht.
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31
Michaelis-Menten-Kinetik, Enzymkatalyse
rp
rmax
↑
−rS = rP =
rP =
rmax CS
K M + CS
1
rmax
2
0
0 CS = K M
→ CS
Darstellung der Michaelis-Menten-Gleichung.
Die Reaktionsgeschwindigkeit ist als Funktion der Substratkonzentration aufgetragen.
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32
Enzymkatalyse, Lineweaver-Burk-Diagramm
Zur experimentellen Bestimmung der beiden Michaelis-Menten-Parameter rmax und KM
werden die experimentellen Daten im sogenannten Lineweaver-Burk-Diagramm
eingetragen. Dazu wird die Michaelis-Menten-Gleichung invertiert
−rS = rP =
K + CS
1
1
K
1
= M
=
+ M⋅
−rS
rmax CS
rmax rmax CS
rmax CS
K M + CS
und der Kehrwert der Reaktionsgeschwindigkeit über dem Kehrwert
der Substratkonzentration
aufgetragen.
Es sollte sich eine Gerade
mit dem Achsenabschnitt
und der Steigung
ergeben.
KM
rmax
1
rmax
1 12
− rS 10
8
6
4
2
1
←
0
rmax
∠→
0
200
KM
rmax
400
600
1 CS
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33
Geschlossene Folgereaktionen (radikalische Polymerisation)
Im Gegensatz zu den bisher angesprochenen offenen Folgereaktionen spricht man von
geschlossenen Folgereaktionen bzw. Kettenreaktionen, wenn nach Bildung eines aktiven
Kettenträgers in einer Startreaktion ein Reaktionszyklus (Reaktionskette, Wachstumsreaktion bei Polymerisationen) mehrfach, u.U. sehr oft wiederholt wird bis schließlich der
Kettenträger in einer Abbruchreaktion verbraucht wird. Dabei treten als Kettenträger
hauptsächlich Radikale, Atome oder Ionen auf.
Radikalische Polymerisation
Am Beispiel der radikalischen Polymerisation als technisch wichtiger geschlossener
Folgereaktion werden die Zeitgesetze für die drei charakteristischen Teilreaktionen
(Reaktionsschritte) des Reaktionsmechanismus (Reaktionsschema) behandelt:
1. Start (Startreaktion, Kettenstart, Startschritt)
2. Wachstum (Wachstumsreaktion Kettenwachstum)
3. Abbruch (Abbruchreaktion, Kettenabbruch)
Der Kettenstart erfolgt durch Anlagerung eines Monomermoleküls (z.B. Vinylverbindung)
an ein Radikal, das beim Initiatorzerfall (thermischer Zerfall, Redoxreaktion) gebildet wird
und setzt sich damit aus zwei Teilreaktionen zusammen:
I → 2R
kZ
∗
kSt
R ∗ + M 
→ P1∗
dCI 1 dCR ∗
−
=
= k Z CI
dt
2 dt
dC R∗
dC M dCP∗
−
=−
=
= k St CM CR ∗
dt
dt
dt
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34
Geschlossene Folgereaktionen (radikalische Polymerisation)
In der Kettenwachstumsreaktion wird ein Monomermolekül an das Polymerradikal
angelagert:
∗
n
∗
n +1
P + M → P
kW
−
dC M
= k W C M C P∗
dt
Die Wachstumsreaktion wiederholt u.U. viele tausend Mal bis die Reaktionskette
abgebrochen wird.
Der Kettenabbruch kann durch Kombination zweier Polymerradikale
kA
Pn∗ + Pm∗ 
→ Pn + m
oder durch Disproportionierung zu einem gesättigten und einem ungesättigten
Polymermolekül erfolgen
kA
Pn∗ + Pm∗ 
→ Pn + Pm
Für beide Abbruchreaktionen ergibt sich formal das gleiche Zeitgesetz
−
dCP∗
dt
= 2k A C2P∗
In der deutschsprachigen Literatur ist zumeist der Faktor 2 in der
Geschwindigkeitskonstante kA enthalten.
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35
Geschlossene Folgereaktionen (radikalische Polymerisation)
Die zeitliche Änderung der beteiligten Stoffe ist damit durch folgende Differentialgleichungen gegeben:
−
dCI
= k Z CI
dt
Initiator
−
dCM
= k St CM CR∗ + k W CM CP∗
dt
Monomer
−
dCR∗
−
dC P∗
dt
dt
= k St CM CR ∗ − 2fk ZCI
Initiatorradikal (Primärradikal)
= 2k A C 2P∗ − k St CM CR ∗
Polymerradikal
wobei der Radikalausbeutefaktor f (efficiency) nur den Anteil der beim Initiatorzerfall
gebildeten Radikale berücksichtigt, die tatsächlich eine Polymerisation auslösen, also
Kettenträger sind.
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36
Geschlossene Folgereaktionen (radikalische Polymerisation)
Die im Reaktionsschema als Zwischenprodukte (Zwischenstoffe) erscheinenden Radikale
sind sehr reaktionsfähig und damit kurzlebig, so daß für sie die Bodensteinsche QuasiStationarität angenommen werden kann:
−
dCR∗
−
dCP∗
dt
dt
=0
CR∗ =
=0
C P∗ =
2fk ZCI
k St CM
k St CM CR∗
2k A
Initiatorradikal (Primärradikal)
=
2fk Z CI
2k A
Polymerradikal
Damit erhält man für die zeitliche Änderung der Monomerkonzentration die Beziehung
−
dCM
= k St CM CR∗ + k W CM CP∗
dt
2fk Z
= 2fk Z CI + k W
CI CM
2k A
Für Polymerisationen, bei denen im allgemeinen CM >> CI und kA >> kZ gilt, ist der
Monomerverbrauch im Startschritt gegenüber dem Kettenwachstum zu vernachlässigen, so
daß der erste Summand der rechten Seite vereinfachend nicht berücksichtigt wird.
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37
Geschlossene Folgereaktionen (radikalische Polymerisation)
Für die Brutto-Reaktionsgeschwindigkeit der Polymerisation resultiert:
rP = −
dCM
fk Z
= kW
CI CM
dt
kA
Die radikalische Polymerisation ist nach dieser Gleichung von erster Ordnung bezüglich des
Monomeren und von 0,5-ter Ordnung bezüglich der Initiatorkonzentration.
Die Integration liefert mit den Randbedingungen
ln
CM
f
= 2k W
C I,0
CM,0
kAkZ
C M = C M,0
CM = CM
für
für
t=0
t=t

 −k Z t  
exp

 − 1

 2  

Für kleine Zeitintervalle oder große Halbwertzeiten des Initiators kann näherungsweise
CI=CI,0 angenommen werden,so daß sich die Gleichung für den Monomerverbrauch als
Funktion der Zeit vereinfacht:
ln
CM
fk Z
CI,0 t
= −k W
CM,0
kA
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38
Simultanreaktionen (ein einfaches Beispiel)
In der Praxis werden auch multiple Reaktionen beobachtet, die sich nicht eindeutig einer
der bisher angesprochenen Reaktionstypen zuordnen lassen. Solche Reaktionen werden
zusammenfassend als Simultanreaktionen bezeichnet. Ein einfaches Beispiel stellt das
folgende Reaktionsschema dar:
A+B→C
Das Zielprodukt C wird intermediär
gebildet und reagiert in der zweiten
C+B→ D
Teilreaktion wieder ab.
Die zugehörigen Zeitgesetze lauten
für die Edukte:
für die Produkte:
dC A
= −k1C A C B
dt
dC B
= −k1C A C B − k 2C BCC
dt
dC C
= k1C A C B − k 2 C BC C
dt
dC D
= k 2C BCC
dt
Im vorliegenden Fall wird das Programm MathCad 14.0 zur numerischen Integration des aus
vier gewöhnlichen Differentialgleichungen 1. Ordnung bestehenden Systems verwendet.
Derartige Differentialgleichungssysteme für komplexere Reaktionsschemata lassen sich zumeist nur
numerisch lösen. Dazu bedient man sich häufig PC-basierter Mathematik- und Numerik-Programme, von
denen einige als Freeware bzw. Open Software erhältlich sind (SciLab, GNU Octave, SciCos), andere
können über Rechenzentrum der Uni-HH via Campus-Lizenz (Maple) oder VPN-Zugang genutzt werden
(MathCad, Mathematica, Matlab, Berkeley Madonna).
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39
Simultanreaktionen (ein einfaches Beispiel)
Es werden folgende molare Anfangskonzentrationen (Einheit: mol/l) gewählt:
CA = 1 ; CB = 2 ; CC = 0 ; C D = 0
Die Geschwindigkeitskonstanten (Einheit: l mol-1 s-1) haben die Werte:
k1 = 0,01 ; k 2 = 0,005
2
2
CA 1.5
CA 1.5
CB
CB
n
CC
n
n
1
CC
n
CD
n
n
1
n
CD
n
0.5
0
0
200
400
600
800
0.5
0
0
tn
0.2
0.4
0.6
0.8
Xn
Es wird deutlich, dass die Selektivität bezüglich des Produktes C Gegenstand eines
Optimierungsproblems sein wird. Hierauf wird später in der Vorlesung eingegangen.
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40
Homogen katalysierte Reaktionen I
Von einer homogen katalysierten Reaktion wird gesprochen, wenn der Katalysator in der
gleichen Phase wie die Reaktanden vorliegt. Der Katalysator eröffnet einen neuen
(zusätzlichen) Reaktionsweg mit einer geringeren Aktivierungsenergie, so dass häufig zwei
Parallelreaktionen vorliegen, die katalysierte und die unkatalysierte, die beide zum gleichen
Produkt führen. Im einfachsten Fall ergibt sich das folgende Reaktionsschema:
A → B
k1
mit den Zeitgesetzen
k2
A + Kat →
B + Kat
 dC A 

 = −k1C A
 dt 1
 dC A 

 = −k 2 C A C Kat
 dt  2
Die beiden Zeitgesetze können zusammengefasst werden zu
−
dC A
= k1C A + k 2C A C Kat = (k1 + k 2 C Kat ) C A = k beob.C A
dt
Es resultiert formal das Zeitgesetz einer Reaktion 1. Ordnung, wobei die beobachtete
Geschwindigkeitskonstante von der Konzentration des Katalysators abhängt. Die
Integration erfolgt unter Berücksichtigung einer konstanten Katalysatorkonzentration zu:
CA
− ln
= − ln(1 − X A ) = (k1 + k 2 C Kat ) t = k beob. t
CA0
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41
Homogen katalysierte Reaktionen II
Die Geschwindigkeitskonstanten der katalysierten und der unkatalysierten Reaktion können
separiert werden, wenn die Brutto-Anfangsgeschwindigkeiten für unterschiedliche Katalysatorkonzentrationen gemessen und die Brutto-Geschwindigkeitskonstante über der Katalysatorkonzentration aufgetragen werden.
rA 0
= k beob. = k1 + k 2 C Kat
CA0
rA 0
CA0
Am Achsenabschnitt und der Steigung
lassen sich die beiden Geschwindigkeitskonstanten ablesen.
↓
k2
→ k beob. = k1 + k 2 C Kat
In der Praxis ist die unkatalysierte
Reaktion häufig so langsam, dass
k1 ←
das Messen ihrer Anfangsreaktionsgeschwindigkeit Schwierigkeiten bereitet.
Gleichwohl kann die Geradengleichung für den sinnvollen Bereich höherer Katalysatorkonzentrationen experimentell bestimmt und dann extrapoliert werden.
C Kat
 rA 0 
= k1


 C A 0  lim( C Kat →0 )
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42
Autokatalytische Reaktionen I
Eine spezielle Form homogener Katalyse ist die sogenannte Autokatalyse, bei der eines der
gebildeten Produkte als Katalysator der Reaktion dient. Dieser Reaktionstyp spielt u. a. bei
sicherheitstechnischen Betrachtungen eine wichtige Rolle, denn bei hohen Temperaturen,
wie sie beim thermischen Durchgehen exothermer Reaktionen auftreten, können Zersetzungen als unerwünschte Sekundärreaktionen auftreten. Dem Reaktionsmechanismus
liegt zumeist ein homolytischer Bindungsbruch zugrunde, der zur Bildung kleiner reaktiver
Radikale führt, die ihrerseits die Zersetzung intakter Moleküle induzieren.
Der einfachsten Fall einer autokatalytischen Reaktion ist:
A +B → B+ B
mit dem Zeitgesetz
dC A
−
= kC A C B
dt
C0 = C A 0 + C B0 = C A + C B = const.
Da die Gesamtmolzahl konstant bleibt, resultiert
und damit kann das Zeitgesetz umgeformt und in Partialbrüche zerlegt werden
dC
− A = kC A (C 0 − C A )
dt
Die Integration liefert
ln
bzw.
dC A
1  dC A
dC A 
 = kdt
−
= − 
+
C A (C0 − C A )
C0  C A C0 − C A 
C A 0 (C0 − C A )
C C
= ln B B0 = C 0 kt
C A (C0 − C A 0 )
CA CA0
bzw.
CA =
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C0
1+
C B0
exp{C 0 kt}
CA0
43
Autokatalytische Reaktionen II
Mit dem Einsatzverhältnis
ln
M = C B0 C A 0 ≠ 0 ergibt sich für den Umsatz von A
M + XA
= C A 0 (M + 1) kt = (C A 0 + C B0 ) kt = C 0 kt
M(1 − X A )
1
0.3
0.3
0.2
0.2
0.8
0.6
−
riri rA
XA
X
A
i
0.4
0.1
0.1
0.2
0
0
20
40
60
tt i
80
t / min
0
100
Der Wendepunkt der Zeit-Umsatz-Kurve liegt bei
0
0
100
200
300
CA
X A = 0,5(1 − M )
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i
400
 mol 
CA / 3 
m 
500
44
Kinetik heterogener Reaktionen - Katalyse
Das 7- bzw. 9-Schritt-Modell der heterogenen Katalyse
1 Konvektiver Transport des Reaktionspartners
an die hydrodynamische Grenzschicht
2a Diffusion des Reaktionspartners durch die
Grenzschicht an die äußere Katalysatoroberfläche
7
2b Diffusion von der äußeren an die innere
Oberfläche des Katalysatorkorns
6b
3 Chemisorption bzw. Adsorption des Reaktionspartners
2a
4 Chemische Reaktion
2b
1
6a Diffusion des Produkts von der inneren zur
äußeren Oberfläche des Katalysatorkorns
6b Diffusion des Produkts durch die hydrodynamische
Grenzschicht
7 Konvektiver Transport des Produkts in die bulk-Phase
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Grenzfilm
5 Desorption des Reaktionsprodukts
3-5
6a
Schematische Darstellung der Oberfläche
eines porösen Katalysators
45
Das 7- bzw. 9-Schritt-Modell der heterogenen Katalyse
Mit Ausnahme sehr hochaktiver Katalysator findet die chemische Umsetzung vorwiegend in den
Poren des Katalysators, also an der inneren Oberfläche, statt, da sie um ein Vielfaches größer als
die äußere Oberfläche ist.
Die sieben bzw. neun dargestellten Teilschritte können als Teilschritte einer Folgereaktion
aufgefaßt werden. Grundsätzlich beeinflussen zwar alle Teilschritte die Brutto-Reaktionsgeschwindigkeit, jedoch ist der Teilschritt mit dem größten Reaktionswiderstand auch der
geschwindigkeitsbestimmende Schritt.
Die Teilschritte 1 und 2 bzw. 6 und 7 der Konvektion, Filmdiffusion (Molekulardiffusion, Ficksche
Diffusion, freie Diffusion) und Porendiffusion (ggf. Knudsen-Diffusion) sind rein physikalische
Vorgänge. Die Adsorption (3) und die Desorption (5) können sowohl als physikalisch wie auch
chemische Vorgänge interpretiert werden. Die physikalische Adsorption (Physisorption) ist mit
der Kondensation vergleichbar (van der Waals Wechselwirkungskräfte). Es treten Adsorptionswärmen in der Größenordnung von etwa 20 kJ/mol auf. Bei der chemischen Adsorption
(Chemisorption) werden molare Adsorptionswärmen von ca. 40 bis 400 kJ/mol freigesetzt, die
nur durch eine Bindung des Sorbenden (Reaktanden) an einen Gitterplatz der Katalysatoroberfläche (chemische Valenzkräfte) zu erklären sind.
Der 4. Teilschritt, die eigentliche chemische Reaktion, soll im Folgenden als langsamster,
geschwindigkeitsbestimmender Schritt angesehen werden. Dadurch kann die vorgelagerte,
reversible Adsorption näherungsweise als im Gleichgewicht, das durch die Adsorptionsisotherme
gegeben ist, befindlich angesehen werden.
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46
Langmuirsche Adsorptionsisotherme
Langmuir beschreibt die Adsorption von Gasen unter folgenden vereinfachenden,
idealisierenden Voraussetzungen:
Jedes Adsorbens (hier: Katalysator) hat auf seiner Oberfläche eine
bestimmte Anzahl von Plätzen.
Jeder dieser Plätze kann nur durch ein Molekül des Sorbenden
(Reaktanden) besetzt werden; daher ist maximal eine
monomolekulare Bedeckung der Oberfläche möglich.
Im Gleichgewicht ist ein bestimmter Bruchteil Θ dieser Plätze besetzt,
der Anteil (1 - Θ) ist unbesetzt. Der Bedeckungsgrad Θ hängt von der
Temperatur und vom Partialdruck des Sorbenden ab.
Alle Plätze sind energetisch gleichwertig.
Die Wirksamkeit eines Platzes ist unabhängig von der Besetzung des
Nachbarplatzes.
Neben dem Langmuirschen Ansatz existieren noch eine Reihe weiterer theoretisch
abgeleiteter bzw. empirisch ermittelter Adsorptionsisothermen, die mit den Namen
Freundlich, Temkin, Brunauer, Emmett und Teller (BET) usw. verbunden sind.
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47
Langmuirsche Adsorptionsisotherme
Nach Langmuir stellt sich das Gleichgewicht zwischen Adsorption und Desorption ein,
wobei die Adsorptionsgeschwindigkeit des Stoffes A ist seinem Partialdruck und der freien
Oberfläche (Oberflächenanteil) proportional:
rad = k ad p A (1 − ΘA )
Entsprechend gilt für die Desorptionsgeschwindigkeit
rdes = k des ΘA
und im Gleichgewicht ist
k ad
ΘA
= KA =
k des
p A (1 − ΘA )
rad = rdes
Wobei KA die Gleichgewichtskonstante der Adsorption des Gases A ist. Wird diese
Gleichung nach dem Bedeckungsgrad ΘA aufgelöst, ergibt sich die Langmuirsche
Adsorptionsisotherme
ΘA =
K A pA
1 + K A pA
Für die gleichzeitige Adsorption mehrerer Gase
gilt analog für den Anteil der von A besetzten
Gitterplätze
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ΘA =
K A pA
1 + ∑ K i pi
i
48
Langmuirsche Adsorptionsisotherme
Aus der Langmuirschen Adsorptionsisotherme
ΘA =
K A pA
1 + K A pA
ergibt sich im Bereich kleiner Drücke
für K A p A << 1
ΘA
↑
1,2
ΘA = 1
1
ΘA = K A pA
ΘA =
0,8
ΘA = K A pA
K A pA
1 + K A pA
0,6
daß der Bedeckungsgrad ΘA dem
Partialdruck pA proportional ist.
0,4
Im Bereich hoher Drücke von A
0,2
mit
K A p A >> 1
wird die Sättigung erreicht:
0
0
0,2
ΘA = 1
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0,4
0,6
0,8
→ pA
1
49
Langmuir-Hinshelwood-Mechanismus
Für den Fall einer bimolekularen Reaktion am Katalysator entsprechend der Gleichung
A + B 
→C + D
Ist bei vorgelagerter Adsorption von A und B an der Katalysatoroberfläche und
anschließender Reaktion zu C und D der Langmuir-Hinshelwood-Mechanismus anzusetzen.
Dabei wird die Adsorption von A und B an zwei benachbarte Gitterplätze G2 in Analogie zur
Michaelis-Menten-Kinetik in einem vorgelagerten, sich schnell einstellenden Gleichgewicht
gefolgt von der geschwindigkeitsbestimmenden Bildungsreaktion von C und D formuliert:
k1
k2
→
A + B + G 2 ← ( A ⋅⋅⋅ B ⋅⋅⋅ G 2 ) 
→ C + D + G2
k −1
Die Desorption der Produkte erfolgt unmittelbar nach ihrer Bildung.
Die Bildungsgeschwindigkeit der Produkte ist proportional zur Konzentration ( A ⋅⋅⋅ B ⋅⋅⋅ G 2 )
und damit proportional zu den Bedeckungsgraden ΘA und ΘB :
ΘA =
ΘB =
K A pA
1 + K A pA + K BpB
r = k 2ΘA ΘB =
K BpB
1 + K A pA + K BpB
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k 2K A K BpA pB
(1 + K A pA + K B p B )
2
50
Langmuir-Hinshelwood-Mechanismus
Liegen beide Reaktanden mit geringen Partialdrücken vor und werden sie nur schwach
adsorbiert, gelten:
K A p A << 1
r = k 2K A K BpA pB
K B p B << 1
d.h. es folgt ein Zeitgesetz 2. Ordnung.
Wird dagegen B schwach adsorbiert, während A stark adsorbiert wird und pA ausreichend
groß ist folgt:
K A p A >> 1 >> K B p B
r=
k 2K BpB
K A pA
so daß die Reaktionordnung bezüglich
B gleich Eins und bezüglich
A gleich minus Eins ist.
Bei konstantem pB durchläuft die Reaktionsgeschwindigkeit r mit wachsendem pA ein
Maximum, da zunächst der Belegungsgrad von A steigt, bei höheren Partialdrücken jedoch
B zu desorbieren beginnt. Der Partialdruck pA, für den die Reaktionsgeschwindigkeit ihren
maximalen Wert hat, ergibt sich aus der Extremwertbedingung:
 ∂r 

 =0
 ∂p A  pB
p A,max =
1 + K BpB
KA
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51
Langmuir-Hinshelwood-Mechanismus
r
0,14
rmax
↑ 0,12
1
=
8
K B pB = 1
Durch Einsetzen von
k2 = 1
p A,max =
1 + K B pB
KA
0,1
in das Zeitgesetz folgt
KA = 1
0,08
rmax =
k 2 K B pB
4 (1 + K B p B )
0,06
und nach Einsetzen
der Zahlenwerte
0,04
rmax =
KA = 5
0,02
1
8
unabhängig von KA
0
0
2
4
6
8
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→ pA
10
52
Weitere Beispiele der Hougen-Watson-Kinetik
Im vorangegangenen Beispiel einer bimolekularen Reaktion am Katalysator wurde eine
irreversible chemische Reaktion mit sich schnell einstellendem vorgelagerten Adsorptionsgleichgewicht angenommen.
Nun soll auch die Rückreaktion noch absorbierter Produkte zu den Edukten zugelassen und
der Desorptionsschritt berücksichtigt werden. Für eine monomolekulare Reaktion am
Katalysator (z.B. eine Umlagerungsreaktion)
A↔P
ergibt sich das allgemeine Reaktionsschema
k3
k1
k2

→
→

→P + G
A + G ← (A ⋅⋅⋅ G) ← (P ⋅⋅⋅ G) ←
k −1
k −2
k −3
und die Zeitgesetze für die
Adsorption
chemische Reaktion
Desorption
rad = r1 − r−1 = k1p A (1 − Θ A − Θ P ) − k −1Θ A
rreakt = r2 − r− 2 = k 2 Θ A − k − 2 Θ P
rdes = r3 − r−3 = k 3Θ P − k −3 p P (1 − Θ A − Θ P )
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53
Weitere Beispiele der Hougen-Watson-Kinetik
Der langsamste Teilschritt im Reaktionsschema muß nicht die chemische Reaktion sein.
Im vorliegenden Beispiel soll die Adsorption der geschwindigkeitsbestimmende Schritt
sein, so daß die nachgelagerten Gleichgewichte als eingestellt betrachtet werden:
chemische Reaktion
Desorption
rreakt = r2 − r− 2 = 0
rdes = r3 − r−3 = 0
Mit Einführen der Gleichgewichtskonstanten K2 (Reaktion) und K3 (Desorption) ergibt sich
Θ
k2
= K2 = P
k −2
ΘA
k3
p (1 − Θ A − Θ P )
= K3 = P
k −3
ΘP
ΘP
K2
mit
ΘA =
mit
ΘP = K 3 =
K 2pP
K 2K 3 + K 2pP + pP
Nach Einsetzen in das Zeitgesetz für die Adsorption resultiert für die Brutto-Reaktionsgeschwindigkeit
 ΘP

Θ
k K K p − k −1p P

rbr = k1p A 1 −
− Θ P  − k −1 P = 1 2 3 A
K 2 K 2K 3 + K 2pP + pP
 K2

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54
Weitere Beispiele der Hougen-Watson-Kinetik
... nach Division durch K2K3 resultiert:


k −1
k1  p A −
p P 
k 1K 2 K 3 

rbr =
p
p
1+ P + P
K 3 K 2K 3
Zur Vereinfachung dieses Ausdrucks wird die Gleichgewichtskonstanten K eingeführt, die
dem Verhältnis der Gleichgewichtspartialdrücke des Produkts und Edukts, pP= und pA=,
entspricht (Massenwirkungsgesetz):
K A = K1
K A K reakt p P =
=
K=
KP
p A=
mit
K reakt = K 2
1
KP =
K3
Für die Brutto-Reaktionsgeschwindigkeit ergibt sich damit
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pP 

k1  p A − 
K

rbr =
K
1 + K PpP + A pP
K
55
Weitere Beispiele der Hougen-Watson-Kinetik
Der in dem Beispiel beschriebene Rechenweg kann grundsätzlich beschritten werden und
führt zu einem zusammengesetzten Ausdruck für das Zeitgesetz mit der folgenden Form:
rbr =
(kinetischer Term ) ⋅ (potentieller Term )
(Adsorptionsterm )n
Für das Beispiel der monomolekularen Reaktion am Katalysator mit geschwindigkeitsbestimmender Adsorption lassen sich die Terme wie folgt zuordnen:
p 

k1  p A − P 
K

rbr =
K
1 + K PpP + A pP
K
Dieser allgemeine Aufbau des Zeitgesetzes gilt auch für bimolekulare Reaktionen nach dem
Langmuir-Hinshelwood-Mechanismus
und dem Eley-Rideal-Mechanismus.
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56
Model des aktivierter Übergangszustands
transition state
… bei der Hougen-Watson-Kinetik
potential energy
#hom
#het
∆Ehom
Langmuir-Hinshelwood Kinetics
Adsorption of reactants and desorption of products
are very fast. ∆Eads and ∆Edes very small.
∆Eads
reactants
∆Ehet
Surface Reaction is RDS: ∆Ehet
products
adsorbed reactants
∆Edes
adsorbed products
reaction co-ordinate
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57
Fundamentale Transportgesetze
Für das grundlegenden Verständnis und die Auslegung chemischer und
verfahrenstechnischer Prozesse sind die folgenden drei Transportphänomene
von überragender Bedeutung:
• Stofftransport
• Wärmetransport
• Impulstransport
Stoffübergang und Stoffdurchgang
Wärmeübergang und Wärmedurchgang
Fluiddynamik (Hydrodynamik)
In der Praxis treten sie häufig gemeinsam auf. Aus didaktischen Gründen
werden sie hier separat nacheinander behandelt. Es soll aber betont werden,
daß es viele Analogien zwischen diesen Transportprozessen gibt, zu denen
auch die sie beschreibenden Grundgleichungen gehören:
• Stofftransport
Diffusion
1. Ficksche Gesetz
• Wärmetransport
Wärmeleitung
• Impulstransport
Viskosität
1. Fouriersche Gesetz
Newtonsches Gesetz
Auf der mikroskopischen Größenskala liegen den Transportprozessen eng
verwandte Molekülbewegungen und –wechselwirkungen zugrunde.
Weiterführende Literatur: R.B. Bird, W.E. Stewart, E.N. Lightfoot: Transport Phenomena, Wiley, 2002
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58
Fundamentale Transportgesetze
Die Grundgleichungen zur eindimensionalen Beschreibung des stationären
Transports von Stoff, Wärme und Impuls sind analog aufgebaut:
Zustandsgrößen in
den Gleichungen
Stofftransport
1. Ficksches Gesetz
Ji =
nɺ i
dCi
= −Di
A
dx
Konzentration
Wärmetransport
1. Fouriersches Gesetz
ɺ
Q
dT
ɺq = = −λ
A
dx
Temperatur
Impulsdichte
Impulstransport
Newtonsches Reibungsgesetz
τ=
Fx
du
du
di
= η x = ηγɺ = νρ x = ν x
A
dy
dy
dy
Bei der physikalische Definition erfolgt ein Transport gegen den Gradienten (negatives Vorzeichen), der
technische Absatz geht von einer positiven Geschwindigkeit aus (pos. Vorzeichen im Reibungsgesetz).
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59
Schätzwerte der Transportkoeffizienten
Stofftransport
molekulare Diffusionskoeffizienten
Gase
~ 10 -5 m2 s-1
Flüssigkeiten
~ 10 -9 m2 s-1
Feststoffe
~ 10 -14 m2 s-1
WärmetransportWärmeleitfähigheitskoeffizienten
Gase
~ 10 -2 W m-1 K-1
Flüssigkeiten
~ 10 -1 W m-1 K-1
Nichtmetalle
~ 10 -1 W m-1 K-1
Metalle
~ 50
Impulstransport
W m-1 K-1
Viskositätskoeffizienten (dynamische Viskosität)
Gase
~ 10 -5 Pa s
Flüssigkeiten
~ 10 -3 Pa s
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60
Vergleich der Felder in Hydrodynamik, Wärme- u. Elektrizitätslehre
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61
Zugehörige Unterlagen
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