Rätsel Merkur - Dem Geheimnis des innersten Planeten auf der Spur

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scinexx.de-DasWissensmagazin
scinexx®-sprich['saineks],eineKombinationaus“science”und“next
generation”-bietetalsOnlinemagazinseit1998einenumfassenden
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breiten Mix aus News, Trends, Ergebnissen und Entwicklungen
präsentiert scinexx.de anschaulich Informationen aus Forschung
undWissenschaft.
DieSchwerpunktthemenliegenindenBereichenGeowissenschaften,
Biologie und Biotechnologie, Medizin, Astronomie, Physik, Technik
sowie Energie- und Umweltforschung. Das Internetmagazin spricht
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bekannten Magazin Bild der Wissenschaft sowie den
Wissensangeboten:wissen.de,wissenschaft.de,scienceblogs.de,
natur.deunddamals.de.
02|Inhalt
01
02
ÜBERUNS
INHALT
03
RÄTSELMERKUR
Den Geheimnissen des innersten
PlanetenaufderSpur
04
IMPRESSUM
03|RätselMerkur
DenGeheimnissendes
innerstenPlanetenauf
derSpur
VONNADJAPODBREGAR
EristeinObjektderExtreme:DerMerkuristkleiner,dichterundälter
alsalleanderenPlanetenimSonnensystem.Underistder
rätselhaftestevonallen,dennerforschtwerdenkonnteerbisher
kaum.DasgleißendeLichtderSonnemachtedirekteBeobachtungen
vonderErdeausnahezuunmöglich,tödlicheStrahlungverhinderte
fastalleBesuche.Jetztaberändertsichdas.
GEHEIMNISVOLLER„INNENLÄUFER“
W
asmachtdieErforschungdesMerkursoschwer?Der
Merkur gehört zu den am wenigsten erforschten
Planeten unseres Sonnensystems – und das, obwohl
er dank seiner extremen Stellung als „Innenläufer“
einigesanwertvollenHinweisenüberdiesesunddieEntwicklungder
Gesteinsplanetenliefernkönnte.Dochwennesumihngeht,häufen
sich die Hypothesen und Theorien, dominieren Formulierungen mit
„vielleicht“und„möglicherweise“.
SchulddaranistseinePosition.SeineSonnennäheverhinderteffektiv
sowohl die Beobachtung aus der Ferne wie auch aus der Nähe –
bisher jedenfalls. Denn wer auch immer den Merkur von der Erde
aus beobachten will, muss fast genau in die Sonne blicken. Für die
modernen Teleskope und ihre empfindlichen Optiken wäre dies das
sichereAus.DieintensiveStrahlungunddiegeladenenTeilchendes
Sonnenwinds hindern selbst das Weltraumteleskop Hubble, das
ansonsten nahezu alle Regionen des Alls durchforstet hat, in diese
Richtungzuschauen.
TödlicheStrahlung…
Und auch über häufigen Besuch kann sich der kleinste Planet des
Sonnensystems nicht gerade
beklagen. Ganz im Gegenteil:
Einzig die Sonde Mariner 10
kamüberhauptinseineNähe
und passierte ihn zwischen
1974und1975dreiMal.Von
ihr stammen auch die
einzigen Aufnahmen von
Teilen seiner Oberfläche und
zumindesteinigerudimentäre
Daten
über
seine
Eigenschaften.
Merkuristderinnerste,sonnennächste
Planet©NASA/JPL
Für Sonden auf dem Weg zum Merkur
gibtesgleichzweigroßeSchwierigkeiten
zu überwinden: Zum einen sind die
Bedingungenallesanderealsfreundlich:
DieSondeMariner10
passiertedenMerkur1974/75
©NASA
Die Sonne sorgt für Temperaturen von
gut 400°C und Strahlung in fast allen
Wellenbereichen. Sie wäre nicht nur für
Menschen absolut tödlich sondern lässt
auch jede sensible Elektronik verschmoren, wenn diese nicht gut
abgeschirmtwird.
…undfataleAnziehungdurchdieSonne
DaszweiteProblemistdieAnziehungskraftderSonne:Sieerleichtert
zwardenFluginihreRichtung,beschleunigtihnaberauchstark.Die
Sondewirddahervielzuschnell,umineinensicherenOrbitumden
Merkur einschwenken zu können. Weil der Planet zudem keine
nennenswerte Atmosphäre besitzt, scheidet ein „Aerobraking“, das
BremsenmittelsLuftwiderstand,wieesbeispielsweiseOrbitersonden
am Mars nutzen, leider aus. Der Merkur ist damit nahezu
„uneinnehmbar“.
Oder doch nicht? Während
Mariner10quasi„resignierte“
und sich auf Vorbeiflüge
beschränkte, haben sich die
Ingenieure der NASA für ihre
aktuelle
Raumsonde
Messenger eine neue Taktik
ausgedacht, eine Flugbahn
mit „Steuerschleifen“. Gleich
sechs Mal nutzte Messenger
seit ihrem Start im August
Messengerwird2011ineinemMerkurOrbiteinschwenken.©NASA/JPL
2004
„Swing-By“-Manöver,
Umkreisungen von Erde, Venus und Merkur, um sich allmählich auf
dierichtigeBahneinzuschwingen.
„Durchhangeln“biszurUmlaufbahn
Langsamer wird die Sonde dadurch nicht gerade: Nach ihrem
zweiten Merkur-Vorbeiflug im Oktober 2008 schrammte sie sogar
knapp am absoluten Geschwindigkeitsrekord der Raumfahrt von
241.000 Kilometern pro Stunde vorbei. Dafür aber hangelt sie sich
allmählich in eine immer enger werdende Kreisbahn, die sie auf
parallelen Kurs zum Merkur bringt. Im März 2011 stimmen dann
endlich Richtung und Geschwindigkeit um in den Orbit um den
Planeten einzuschwenken. Obwohl die Entfernung zwischen Erde
und Merkur im günstigsten Fall nur knapp 80 Millionen Kilometer
beträgt, hat Messenger für ihren Weg dann genau so lange
gebraucht wie die Saturnsonde Cassini zu ihrem immerhin 1,4
MilliardenKilometerentferntenZiel:siebenJahre.
DUNKLERBRUDERDESMONDES
D
asersteRätsel:dieTopografieAufdenerstenBlickwirkt
der Merkur eher unspektakulär: ein steiniger, von
Kratern übersäter Planet, der in Größe und Aussehen
unseremErdmondsehrähnelt.Nureinwenigdunklerist
die Oberfläche. Reichlich öde und ziemlich tot, so scheint es. Selbst
eine Atmosphäre fehlt und damit auch die verändernden und
formendenKräftevonWetterundErosion.
Noch vor rund einem Jahr existierte von mehr als der Hälfte des
PlanetennichteinmaleinnochsoverschwommenesBild,60Prozent
seiner Oberfläche waren ein sprichwörtlich „Weißer Fleck“ auf der
Planetenkarte. Entsprechend dünn war auch das, was über seine
Zusammensetzung, seine Topographie und die sie erzeugenden
Prozesse wusste. Klar war nur, dass die Oberfläche sehr alt sein
muss, die zahlreichen Krater zeugen von einer langen
Einschlagsgeschichte, die vermutlich bis in die Frühzeit des
Sonnensystems vor rund vier Milliarden Jahren zurückreicht. Aber
was war seitdem? Gab es überhaupt aktive Prozesse? Vulkane,
Tektonik, irgendwas? Genau das soll nun Messenger klären – und
schonihreerstenVorbeiflügehabenfüreineSensationgesorgt:Die
Aufnahmen der Bordkameras und die Höhenmessungen des
Laseraltimeters enthüllten zum ersten Mal verblüffende geologische
Details und deutliche Kontraste auf der
Planetenoberfläche.
MosaikderMerkuroberfläche
vonMariner10:Ähnlichkeiten
mitdemMondsind
unübersehbar.©NASA/GSFC
Woher
kommen
SteilkantenundRisse?
die
DersteileAbhangderRupesDiscovery
durchziehtleichtgewundenKraterund
Ebenen.©NASA/JohnsHopkinsUniversity
AppliedPhysicsLaboratory/Carnegie
InstitutionofWashington
Am erstaunlichsten sind lange gewundene Steilkanten, die sich über
hundertevonKilometernLängeerstreckenundbiszuzweiKilometer
hoch sind. Diese „Rupes“ (lateinisch für Abhang, Böschung) liegen
unterden ältesten Kratern und müssen daher aus der Frühzeit des
Planeten stammen. In einigen großen Impaktsenken entdeckten die
Planetenforscher zudem zahlreiche schmale Risse im Untergrund.
Alleinim1.550Kilometerweitenundrund3,8MilliardenJahrealten
Caloris-Becken zählten sie rund 200 dieser „Fossae“. Welche Kräfte
aber konnten solche Verwerfungen erzeugt haben? Auf der Erde
käme einem Geologen bei solchen großräumigen Strukturen
vermutlich als erstes die Plattentektonik, die langsame Drift der
Krustenplatten,indenSinn.AufdemMerkurjedochgibteskeinerlei
Anzeichen für eine solche Tektonik. Was aber war es dann? Nach
dem Ausscheiden aller möglichen Alternativen kamen die
Planetenforscher auf eine ungewöhnliche Lösung: Es mussten
Schrumpfungsrisse sein. Während der Merkur vor rund vier
Milliarden Jahren allmählich abkühlte, zog er sich zusammen –
ähnlichwieeinKäsekuchennachdemerausdemOfenkommt.Rund
zwei Kilometer nahm der Radius des Planeten dabei ab, seine
Oberfläche schrumpfte um 100.000 Quadratkilometer, schätzt der
Geologe Robert G. Strom vom Lunar and Planetary Lab der
UniversitätvonArizona.DieseKompressionsprengtedieerstarrende
KrusteaneinigenStellenaufunderzeugtediesteilenVerwerfungen.
Im Sonnensystem ist der Merkur mit diesem Phänomen absolut
einzigartig.
Vulkanismus:undesgibtihndoch
Neben den zahlreichen tiefen, alten
Kratern zeigten die Aufnahmen weitere
Krater und Flächen, die seltsam flach
und eben waren. Und einige der zuvor
für Impaktkrater gehaltenen Strukturen
passtennungarnichtmehrinsBild:Die
Vertiefungen waren eher unregelmäßig
geformt und ihnen fehlte der typische
DergroßeDoppelring-Krater
rechtsimBildunddiegroßen
linkssinddeutlichflacherals
diekleineren,jüngerenKrater.
Warum?©NASA/Johns
HopkinsUniversityApplied
PhysicsLaboratory/Carnegie
InstitutionofWashington
steile, durch Auswürfe gekennzeichnete
Rand. Ihr Boden erschien zudem
ungewöhnlichglatt,nichtrauwiebeiden
alten Kratern. Wie war das zu erklären?
Für die Astronomen kam hier nur eine
Antwort in Frage: Lava. Schon seit
Mariner 10 hatte es heftige Debatten darüber gegeben, ob es auf
demMerkurjemalsVulkanismusgab–jetztwurdenerstmalsBelege
dafür gefunden. Die Nahaufnahmen vor allem des zweiten
VorbeiflugsvonMessengerenthülltenklareSpurenvonvulkanischen
Schloten mit umgebenden Lavaschichten – nicht als Berge mit
explosiven Eruptionen, wie auf der Erde, sondern eher als
gleichmäßig ausströmende Schmelze. „Nach der Kartierung sehen
wir,dass40ProzentderOberflächeausglattenEbenenbesteht,von
denen viele vulkanischen Ursprungs sind“, erklärt Brett Denevi,
Mitglied des Messender-Teams von der Arizona State Universität.
AuchaufdemMondundMarsgibtessolcheLavaebenen,dortaber
konzentrieren sie sich meist auf einer Halbkugel. Genau diese
AsymmetriefehltdemMerkurjedoch.„DieOberflächedesMerkurist
viel homogener in Bezug auf Alter und Kraterverteilung“, erklärt
Denevis Kollege Mark Robinson. „Große Teile der jüngeren
vulkanischen Ebenen liegen mitten in und zwischen den großen
Einschlagssenken.“ Die aktive Zeit des Merkur-Vulkanismus ist
allerdings, ähnlich wie bei unserem Mond, schon lange vorbei: Die
letzten Lavaströme flossen vermutlich vor 3,8 Milliarden Jahren.
Danach war die Kruste erstarrt und blockierte das Aufsteigen des
glutflüssigenGesteins.
VIELZUDICHT
D
as zweite Rätsel: die Zusammensetzung Der
GrundaufbauderGesteinsplanetenimSonnensystemist
im Prinzip immer gleich: Sie alle besitzen einen dichten,
eisenhaltigen Kern, der von einem steinigen Mantel aus
Magnesium- und Eisensilikaten umgeben ist. Als äußerste Hülle
schließt sich daran die Kruste an, meist aus Silikatmineralien mit
etwas niedrigeren Schmelzpunkten bestehend. Bei allen
erdähnlichen Planeten und Monden stehen Radius und Dichte
zudem im gleichen Verhältnis zueinander, aufgetragen in einem
Diagramm ergibt sich fast eine Gerade. Planetenforscher können
daher aus der Gesamtdichte eines Planeten erste Rückschlüsse auf
seine Zusammensetzung und den Anteil der einzelnen Schichten
ziehen-normalerweise.
Zudichtumwahrzusein
Der Merkur aber tanzt aus der Reihe: Er hat nur 40 Prozent der
GrößederErde,mitrund5,4
Gramm pro Kubikzentimeter
aber fast die gleiche Dichte
wie sie. Damit müsste sein
metallischerKernnahezudrei
Viertel seines Volumens
ausmachen–derKernalleine
wäre damit so groß wie der
Erdmond.DersteinigeMantel
des
Planeten
wäre
RadiusundDichteterrestrischerPlaneten
demgegenüber nur eine
imVergleich©DanielArnold/GFDL
relativ dünne Hülle von
ungefähr 600 Kilometern Dicke – der Erdmantel ist mit rund 2.850
Kilometer mehr als viermal so dick. Wie aber kommt dieser
ungewöhnliche, vom Metallkern dominierte Aufbau des Merkur
zustande? Zurzeit existieren dafür unter Planetenforschern gleich
dreikonkurrierendeTheorien–undjedederdreihätteeineandere
chemische Zusammensetzung der Merkuroberfläche zur Folge. Mit
entsprechendgroßerSpannungerwartendaherdieWissenschaftler
den Zeitpunkt, an dem die Messenger-Daten endlich genauere
AufschlüsseüberdieGeochemiedesPlanetenliefern.Denndann,so
vielstehtfest,werdenzweiderTheorienendgültigausdemRennen
sein.
SortierenderGasstrom…
Merkurunddieanderen
terrestrischenPlanetenVenus,
ErdeundMarsim
Größenvergleich.©NASA
Die erste Theorie geht davon aus, dass
in diesem sonnennahen Bereich der
UrwolkeeinstarkerGasstromherrschte,
der viele leichtere Silikatteilchen in die
Sonne zog und die schwereren
Metallpartikel übrig ließ. Der sich später
hier bildende Merkur hatte damit von Anfang an mehr metallische
Bausteine zur Verfügung als die weiter außen liegenden Planeten.
Trifft diese Theorie zu, dann wäre die Gesteinskruste des Merkur in
ihrer Elementzusammensetzung identisch mit denen der anderen
Gesteinsplaneten,nurebendünner.
…Verdampfung…
Der zweiten Theorie zufolge verdampfte zur Zeit der Protoplaneten
die enorme Hitze in Sonnennähe einen Teil der äußeren
Gesteinshülle des Merkur und machte sie dadurch dünner. Wäre
dies der Fall, dann müsste die Merkuroberfläche heute deutlich
weniger leicht verdampfende Elemente wie Natrium und Kalium
enthaltenalsbeispielsweisedieErde.
…oderkosmischeKollision?
Die dritte Theorie postuliert einen gewaltigen Einschlag in der
Frühzeit des Planeten. In einer Art Streifschuss könnte einer der zu
dieser Zeit noch zahlreich umherschwirrenden Brocken einen
GroßteilderKrusteunddesMantelgesteinsmitsichgerissenhaben.
Unrealistisch ist das nicht, denn immerhin verdankt auch der
Erdmond seine Entstehung einem ähnlichen Szenario. Hätte auch
der Merkur einen solchen Impakt erlebt, wäre seine Oberfläche
heute vergleichsweise arm an typischen Krustenelementen wie
AluminiumundKalzium.
MessengerzeigtFlickenteppich
Die Merkursonde Messenger ist gut gerüstet, um die ersehnten
Belege für eine dieser Theorien zu liefern. Seine Röntgen-,
Gammastrahlen- und Neutronenspektrometer können feststellen,
welche Elemente in den Oberflächengesteinen vorhanden sind und
welche fehlen. Die spektrografischen Daten im sichtbaren und
Infrarot-Bereich wiederum erlauben Rückschlüsse auf die
Mineralzusammensetzung
der
Kruste
und
die
Schwerkraftmessungen geben Informationen auf die Krustendicke.
Noch aber müssen sich die Forscher etwas gedulden, denn für
endgültige Ergebnisse dieser Art muss Messenger systematische
Messungen aus der Umlaufbahn durchführen. Die ersten drei
Vorbeiflüge lieferten jedenfalls schon erste Hinweise auf eine
erstaunlich vielfältige, flickenteppichartige Zusammensetzung der
Merkurkruste – und eine deutlich vom Mond differierende. Die
erstenSpektrometermessungendesMACS-Instrumentsergabeneine
mindestens
20-prozentige
Abweichung
in
der
Mineralienkomposition, worin
genau die Abweichungen
bestehen,verratensiejedoch
–noch–nicht.
DiefarbverstärktenAufnahmender
Merkuroberfläche,hierdesKratersTitan,
deutenaufunterschiedliche
ZusammenseztungundAlterderGesteine
hin.©NASA/JohnsHopkinsUniversity
AppliedPhysicsLaboratory/Carnegie
InstitutionofWashington
ZWEIPOLIGESGITTER
D
asdritteRätsel:dasMagnetfeldFürunsalsErdbewohner
ist es unverzichtbar: Ohne das Magnetfeld unseres
Planeten wären wir den tödlichen Sonnenstürmen
schutzlosausgesetzt,ihreenergiereichenTeilchenhätten
vermutlichsogarverhindert,dasssichüberhauptLebenaufderErde
bildet. Und auch solche Phänomene wie Polarlichter oder die
praktische Navigation per Kompass gäbe es ohne den
Erdmagnetismusnicht.Dochwasunssoselbstverständlicherscheint,
ist im inneren Sonnensystem eher die Ausnahme. Mond und Mars
haben kein globales Magnetfeld und auch die Venus kann damit
nichtaufwarten.WieabersiehtesmitdemMerkuraus?AlsMariner
10 vor 30 Jahren den Planeten passierte, registrierten seine
Instrumente deutliche Anzeichen für ein globales Magnetfeld. Mit
450 Nanotesla war es zwar hundertmal schwächer als das irdische,
aber immerhin zu stark, um nur durch lokale Magnetisierung von
Mineralien in der Planetenkruste erklärt zu werden. Über Form und
Ausrichtung aber verrieten die Mariner-Daten noch nicht viel, zu
heftigwarendamalsdieTurbulenzendurchstarkenSonnenwind.
SymmetrischesGitter
Messenger hat auch hier schon bei
seinen ersten beiden Vorbeiflügen für
völlig neue Einblicke gesorgt. Die Sonde
profitierte dabei von einer Ruhephase
der solaren Aktivität, die ein klares Bild
ohne Turbulenzen ermöglichte. „Die
vorhergehenden Vorbeiflüge durch
Messenger und Mariner 10 lieferten
Daten nur über die östliche Hemisphäre
MagnetErde©MMCD
des Merkur”, erklärte Brian Anderson
von der Johns Hopkins Universität im Oktober 2008. „Der jüngste
Vorbeiflug hat uns zum ersten Mal Messungen der Westhalbkugel
ermöglicht und damit haben wir nun entdeckt, dass das Magnetfeld
des Merkur hochgradig symmetrisch ist.“ Wie bei einem
StabmagnetenbildetauchdasMerkurmagnetfeldeineArtGitter,bei
demdieFeldlinienaneinemPoleinundamanderenaustreten.Nur
zwei Grad weicht dabei die Achse dieses Gitters von der
RotationsachsedesPlanetenab–undistdamitsogarzentrierterals
aufderErde.BeiunsliegtdieAbweichungimMomentbeirund11,5
Grad. „Dieses scheinbar so einfache Ergebnis ist bedeutsam für das
interne Feld des Planeten“, erklärt Anderson. „Denn mit Hilfe dieser
Daten können wir die Theorien zur Entstehung des planetaren
Magnetfeldsaufdiejenigenbeschränken,dievoneinemstarkander
RotationausgerichtetenMechanismusausgehen.“
HatauchderMerkureinen„Dynamo“?
Die Erde erzeugt ihr Magnetfeld nach dem Dynamo-Prinzip: Der
flüssigeäußereErdkernbewegtsichgegenüberdemfesteninneren
Kern. Weil beide aus elektrisch leitendem Metall bestehen, induziert
diese
Strömung
einen
elektrischenStromunddamit
auch
ein
Magnetfeld.
AntriebskraftfürdenDynamo
sind im Falle der Erde vor
allem
Temperaturunterschiede
zwischen
beiden
Kernbereichen. Möglich sind
jedoch
auch
ModellderMerkur-Magnetosphäre
Konzentrationsunterschiede
beruhendaufDatendeserstenVorbeiflugs
eines leichteren, dem Eisen
vonMessenger©NASA/JohnsHopkins
UniversityAppliedPhysics
beigemischten Elements. Es
Laboratory/CarnegieInstitutionof
Washington
läge nahe, einen solchen
Mechanismus auch für den
Merkuranzunehmen.Immerhinbesitztjaauchereinenmetallischen
Kern. Belegen lässt sich dies jedoch erst, wenn Messenger mehr
DatenüberdieVorgängeimInnerendesPlanetengelieferthat.Die
entscheidenden Werte erwarten die Planetenforscher erst ab 2011,
wenndieSondeindieUmlaufbahndesMerkureingeschwenktist.
FLÜSSIGODERFEST?
D
as vierte Rätsel: Der Kern des Merkur Eigentlich müsste
der Merkur längst durch und durch erstarrt sein – kalt
und tot wie auch der Mond. Denn in Inneren so kleiner
Planeten ist der Druck einfach nicht hoch genug, um
großeHitzezuerzeugenunddasEisendesKernszuschmelzen,wie
bei der Erde. Aber trotzdem hat der Merkur ein Magnetfeld – und
damit ein deutliches Zeichen für dynamische Prozesse in seinem
Inneren. Wie ist dieser scheinbare Widerspruch zu erklären? Ist der
Merkurkernvielleichtdochnochflüssig?Undwennja,warum?
TaumelndeHühnereier
In der Küche gibt es einen einfachen und effektiven Trick, um
herauszufinden,obeinHühnereigekochtoderrohist:Manversetzt
es,wieeinenKreisel,inRotationundbeobachtetwaspassiert.Istdas
Innere noch flüssig, bremst seine Trägheit die Rotation, das Ei
beginnt zu schlingern und kommt sehr schnell zum Stillstand. Ist es
fest, dreht es sich ohne Verzögerungen weiter. Ganz ähnlich, nur in
viel größerem Maßstab, verfahren auch die Astronomen – nur dass
ihr Objekt von Natur aus schon rotiert. Weil die Schwerkraft der
Sonne auf flüssige Planetenbestandteile anders wirkt als auf feste,
führt dies letztlich zu winzigen
Schwankungen in der Rotation, den so
genanntenLibrationen.
RadarsignaleenthüllenLibration
Um herauszufinden, ob der Merkur
solche Librationen zeigt, richteten JeanLuc
Margot,
Professor
der
amerikanischen Cornell Universität und
sein Team im Jahr 2007 einen starken
Radarstrahl auf die Oberfläche des
DasInnerederErde©MMCD
Merkur und fingen die Reflexionen des
SignalsmitHilfedreierweitauseinander
liegender Teleskope – dem 70-Meter-Teleskop im kalifornischen
Goldstone, dem Radioteleskop von Arecibo in Puerto Rico und dem
Green Bank Teleskop in West Virginia – wieder ein. Anhand der
jeweils
für
die
unterschiedlichen
Oberflächenstrukturen
charakteristischen Muster im Echo konnten die Forscher genau
ermitteln, wie lange es dauerte, bis ein bestimmter Ort der
Merkuroberfläche wieder ins Bild kam und damit eine Rotation
abgeschlossen war. Auf diese Weise gelang es, die Rotation des
Planetenbisaufeinhunderttausendstelgenauzubestimmen.
Kernwahrscheinlichdochflüssig
TatsächlichergabendieDaten,dasssichderPlanetnichtgleichmäßig
dreht,sondernsogardoppeltsogroßeLibrationenaufweist,wiefür
einen völlig festen Himmelskörper typisch. Der Kern des Planeten
muss daher flüssig sein, so der Schluss der Forscher. Nur wenn er
sich aufgrund der Trägheit nicht oder nur teilweise mitdreht, sind
solche Schwankungen erklärbar. Noch allerdings ist nicht klar, wie
viel des Kerns geschmolzen ist, ob es sich dabei nur um eine sehr
dünne Schicht handelt oder möglicherweise sogar einen Großteil.
Das Laseraltimeter von Messenger soll auch hier Abhilfe schaffen
und die Libration noch einmal vor Ort und sehr viel genauer
erfassen. Wenn der Kern des Merkur heute noch flüssig ist, dann
heißtdiesaberauch,dassernichtausreinemEisenbesteht.Dennes
kann im Inneren des Planeten keinesfalls so heiß sein, dass der
Schmelzpunkt dieses Elements erreicht wird. Die Planetenforscher
vermuten deshalb, dass der Kern einige Prozent eines deutlich
schnellerschmelzendenElementswieSchwefelenthält.
DämpfteineStauschichtdasMagnetfeld?
DieseBeimischungkönnteaucherklären,warumdasMagnetfelddes
MerkurgegenüberdemderErdesoschwachist:Nacheiner2006in
„Nature“ vorgestellten Simulation von Ulrich Christensen vom MaxPlanck-Institut für Sonnensystemforschung treiben vermutlich
KonzentrationsunterschiededesSchwefelsimflüssigenPlanetenkern
die Magnetfeld-erzeugenden Strömungen an. Diese Strömungen
stocken jedoch in den Außenbereichen des Kerns. Hier bildet sich
eine stabile Temperaturschichtung, die einen großen Teil des nach
außen gerichteten Magnetfelds abfängt. Eine Bestätigung dieses
Modells erhofft sich auch Christensen von Messenger und seinen
Messungen.„SolltensichunsereVorhersagenbestätigen,räumtdas
letzte Zweifel daran aus, dass die Dynamotheorie für planetare
Magnetfelderallgemeingültigist”,soderForscher.
WILDEMISCHUNG
D
asfünfteRätsel:DieflüchtigenGaseÜberderOberfläche
hat der Merkur – nichts. Dort, wo bei Erde, Venus und
Mars eine mehr oder weniger dichte Atmosphäre sitzt,
irren beim Merkur nur ganz vereinzelt einige Moleküle
herum. Sie sind so weit verstreut, dass sie nie miteinander
kollidieren. Wie winzige Gummibälle prallen sie nur ab und zu von
der Oberfläche ab und werden dann wieder in die Höhe
geschleudert.
DünneralseinVakuum
DieseExosphäregenannteHülleistnichtnurdünneralseinineinem
LaborerzeugtesVakuum,siekannauchnichtsehraltsein.Denndie
große Hitze auf der Tagseite des Planeten und seine geringe
Anziehungskraftreichennichtaus,umdieGaselangefestzuhalten–
schon gar nicht gegen den hier oft extrem stark wehenden
Sonnenwind. Daher muss alles, was sich in der Exosphäre befindet,
nahezu ständig Nachschub von der Oberfläche des Planeten oder
aber aus dem Sonnenwind erhalten. Daten von Mariner 10 und
erdbasierten Teleskopen belegten die Präsenz der Elemente
Wasserstoff, Helium, Sauerstoff, Natrium, Kalium und Kalzium über
dem Merkur. Messenger ergänzte diese Liste bei seinem zweiten
Vorbeiflug im Oktober 2008
noch um das Element
Magnesium,
das
sein
Spektrometer
in
der
Exosphäre nachwies. „Die
Entdeckung des Magnesiums
an sich war nicht so
überraschend, aber seine
DiefehlendeAtmosphärelässtdenHimmel
Menge und Verteilung war
vonderMekuroberflächeausschwarz
unerwartet“, erklärt William
erscheinen(Illustration).©NASA/Johns
HopkinsUniversityAppliedPhysics
McClintock
von
der
Laboratory/CarnegieInstitutionof
Washington
Universität von Colorado in
BoulderimApril2009ineinem„Science“-Artikel.
SchweifausGas
DenndasMagnesiumbildeteebensowieNatriumundKalziumeinen
lang ausgezogenen Schweif, ähnlich dem eines Kometen. Erzeugt
wirderdurchdenStrahlendruckdesSonnenlichts,derdieeinzelnen
GasatomevomPlaneten„wegschiebt“.Spannenddaranistvorallem,
dass die Elemente in diesem Schweif ganz unterschiedlich verteilt
sind: Während Kalzium vor allem von der Äquatorregion ausgeht,
registrierte Messenger für Natrium die größten Intensitäten weiter
nördlichundsüdlich.„DieräumlicheVerteilungvonNatrium,Kalzium
undMagnesiumreflektiertdieProzesse,diedieseElementevonder
Oberfläche des Merkur freisetzen“, erklärt Ron Vervack vom
Laboratorium für Angewandte Physik der Johns Hopkins Universität.
„Jetzt, wo wir sie erstmals simultan
erfassenkönnen,eröffnetunsdieseinen
unvergleichlichen Einblick in die
Wechselwirkungen von Oberfläche und
Exosphäre des Merkur.“ Die weiteren
KartierungdesNatrium-und
Kalzium-SchweifsdesMerkur©
NASA/JohnsHopkinsUniversity
AppliedPhysics
Laboratory/Carnegie
InstitutionofWashington
Messungen der Sonde während ihrer
Umkreisungen könnten auf diese Weise
wichtige
Hinweise
auf
die
Zusammensetzung der Kruste, aber
auch auf die in ihr stattfindenden
Prozesseliefern.
WASSEREISAUFDEMMERKUR?
D
as sechste Rätsel: Die polaren Radarreflexionen Die
Bedingungen auf dem Merkur sind alles andere als
gemütlich: Während es am Tage mehr als 400°C heiß
werdenkann,fallendieTemperaturenaufderNachtseite
im Extremfall bis auf frostige minus 180°C. Eine puffernde und
schützende Atmosphäre gibt es nicht, keine Jahreszeiten und auch
keinWasser–oderdoch?
1991schicktenWissenschaftlerdesCaliforniaInstituteofTechnology
(Caltech) Radarsignale zum Merkur und fingen die Reflexionen auf,
um daraus Aufschluss über die Oberflächenbeschaffenheit zu
gewinnen. Als sie die Daten für die nördliche Polarregion
auswerteten, waren sie überrascht: Die Aufnahmen zeigten im
InnereneinigergroßerKraterungewöhnlichstarkeReflexionen.Von
anderen Planeten wie dem Mars kannte man so starke Signale nur
von polaren Eiskappen oder, wie beim Jupitermond Europa, von
einerkomplettvereistenOberfläche.
EisindenPolkratern?
Aberwiekonntedassein?WarderMerkurdochdersonnennächste
und zumindest tagsüber auch einer der heißesten Planeten des
gesamten Sonnensystems. Wie sollte hier Eis existieren? Als die
Astronomensichnocheinmal
anschauten, wo genau die
Signale auftraten, erschien
das Szenario schon nicht
mehr ganz so fantastisch:
Denn weil die Rotationsachse
desMerkurfastsenkrechtauf
seiner Bahnebene steht,
scheint die Sonne in den
Polarregionen des Planeten
permanent in einem extrem
OberflächenmosaikausDatendeszweiten
VorbeiflugsderMessenger-Sonde.DiePole
flachen Winkel. Sie bewegt
sinddabeikaumerfasst.©NASA/Johns
sich nur knapp über dem
HopkinsUniversityAppliedPhysics
Laboratory/CarnegieInstitutionof
Horizont. Erhebungen wie
Washington
beispielsweise Kraterwände
werfen daher lange Schatten, einige Senken liegen möglicherweise
sogar ständig im Dunkeln. Nach Ansicht einiger Forscher könnte
daherhier,ähnlichwieauchaufdemMond,Wasserdampfausdem
Planeteninneren oder aus Kometeneinschlägen kondensieren und
alsEiskonserviertwerden.Temperaturenvonbiszuminus161°Cim
Kraterinnerenwärenmehralsausreichend,umdasEiszumindestfür
einige Zeit zu halten. Möglicherweise ist es zusätzlich von einer
Staubschichtbedeckt.
…oderdoch„nur“Schwefel?
Doch es gibt auch eine andere Möglichkeit: Einer konkurrierenden
Theorie nach stammen die starken
Radarsignale nicht von Wassereis,
sondern von anderen Elementen wie
Schwefel, die ebenfalls in den
„Kältefallen“derPolarkratereingefangen
und konserviert wurden. Auch sie
könnten entweder durch Meteoriten
Wassersignaturenaufdem
Mondaufgenommendurch
eingebracht worden sein oder aber aus
dasInfrarotspektrometer©
ISRO/NASA/JPL-Caltech/
demPlanetenselbstkommen.Leiderlag
USGS/BrownUniversity
dieBahnderMessenger-Sondebeiallen
drei Vorbeiflügen über dem Äquator des Planeten, so dass ihre
Instrumente die rätselhaften Krater bisher nicht näher in
Augenschein nehmen konnten. Ab 2011 aber soll das
NeutronenspektrometerderSondegezieltnachWassersignaturenin
den Polarregionen suchen, ihr UV-Spektrometer und der
Teilchendetektor werden auf Schwefel- und Hydroxylsignaturen
geeicht sein. Erst kürzlich haben ähnliche Instrumente an Bord der
indischen Mondsonde Chandrayaan-1 erstmals größere Mengen
dieser Wasserstoff-Sauerstoffverbindung auf dem Erdtrabanten
nachgewiesen. Ob es solche Verbindungen auch auf dem „dunklen
BruderdesMondes“gibt,wirdsichineinigenJahrenzeigen.
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